Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-
gen! Lieber Kollege Oswald, es ist zwar richtig, dass das
Erzählen von Märchen in der Vorweihnachtszeit eine gute
Tradition hat.
Aber wir sollten uns an dieser Stelle um etwas mehr Ra-
tionalität bemühen. Lieber Kollege Oswald, das, was Sie
heute zu dem Haushalt, den Minister Stolpe vorgelegt hat,
und insbesondere zum Kernbereich der Investitionen ge-
sagt haben, geht an der Realität völlig vorbei.
Wenn Sie sich den Haushalt genauer anschauen, dann
stellen Sie fest, dass das Investitionsvolumen allein im
Verkehrshaushalt 11,5Milliarden Euro beträgt. Das ist eine
Steigerung von über 26 Prozent in den letzten vier Jahren.
Eine solche Steigerung haben Sie nie zustande gebracht.
Eduard Oswald
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002
Rainder Steenblock
Dieser Haushalt ist ein weiterer wichtiger Schritt in Rich-
tung unseres Leitbildes der nachhaltigen Mobilität. Fast
noch wichtiger als die von uns trotz der schwierigen Zei-
ten erzielten Steigerung im Investitionsbereich mit ihrer
Bedeutung für die Arbeitsplätze ist für mich die Um-
strukturierung der Investitionen. Wir haben für die
Gleichwertigkeit von Schienen- und Straßeninvestitionen
gesorgt, indem wir die Investitionen im Schienenbereich
um 70 Prozent angehoben haben. Das hat in diesem Be-
reich natürlich ganz besondere Arbeitsplatzeffekte. Das
müssen Sie sich wirklich einmal zu Gemüte führen. Dann
kommen Sie zu anderen Ergebnissen hinsichtlich der
Leistung der Bundesregierung bei nachhaltigen Investi-
tionen.
Wir werden – auch das zeigt der vorliegende Haushalt –
neben der Gleichwertigkeit von Schienen- und Straßenin-
vestitionen noch einen anderen wichtigen Punkt in Angriff
nehmen, der in Zukunft vielleicht eine noch größere Rolle
spielen wird. Wir werden ein Gleichgewicht zwischen
den Investitionen in den Bestand und den Neuinvesti-
tionen – das ist völlig richtig – herstellen müssen, um die
Aufgaben der Zukunft zu bewältigen. Übrigens, lieber
Kollege Oswald, Sie haben vorhin das Problem der Orts-
umgehungen angesprochen. Das ist bei uns immer ein
wichtiger programmatischer Punkt gewesen und wird es
auch weiterhin sein. Hier zielen Ihre Angriffe ja völlig ins
Leere.
Wir haben des Weiteren bei den Investitionen in den
Straßen- und in den Schienenneubau natürlich die Ost-
West-Achse und die neuen Bundesländer im Blick. Dort
werden vor dem Hintergund der Osterweiterung die
großen neuen Verkehrsströme zu erwarten sein, auf die wir
uns einstellen. Ein Schwerpunkt dieses Haushaltsplan-
entwurfes, den der Minister vorgelegt hat, ist ja, dass die
Investitionen in den ostdeutschen Bundesländern Priorität
haben. Wir stellen uns also den Herausforderungen.
Den Herausforderungen der Nachhaltigkeit stellen wir
uns auch in einem anderen Zusammenhang. Wenn man
den Wettbewerb der Verkehrsträger ernst nimmt, dann
muss man zu einer gerechten Kostenanlastung dieser
Verkehrsträger kommen und nicht über Staatssubven-
tionen einzelne Verkehrsträger ungerechterweise bevor-
zugen.
Deshalb ist das, was Sie zur Ökosteuer gesagt haben, et-
was daneben. Wenn Sie sagen, die Mittel, die durch die
Ökosteuer eingenommen werden, sollten nur für Straßen-
infrastrukturausbau ausgegeben werden, dann wissen Sie
nicht, was mit diesem Konzept verfolgt wird.
Die Kostenanlastung der Verkehrsträger trifft natürlich
ganz andere gesellschaftliche Bereiche, die wir ebenfalls
im Blick haben müssen. Im nächsten Jahr wird unser Kon-
zept um die LKW-Maut ergänzt. Das ist ein ganz wich-
tiger Schritt, um zu einer gerechten Kostenanlastung und
zu einem zukunftsfähigen Verkehrssystem zu kommen.
Dafür müssen die Mittel verursachergerecht erhoben
werden.
Der dritte Ansatz zum Thema „gerechte Kostenanlas-
tung“, nämlich die Aufhebung der Mehrwertsteuerfreiheit
im Flugverkehr, wie es im Koalitionsvertrag festgelegt ist,
wird zwar kein gravierender, aber dennoch ein wichtiger
Schritt sein. Auch das dient dazu, eine nachhaltige Ver-
kehrspolitik im Sinne von gerechter Kostenauslastung zu
betreiben.
Der Bundesverkehrswegeplan wird uns im nächsten
Jahr massiv beschäftigen. Darin wird materiell die Grund-
lage für die Investitionen der nächsten Jahre gelegt. Ich
möchte jetzt nicht auf die Einzelheiten eingehen. Eines
aber ist mir wichtig: Wir sollten in den nächsten Jahren bei
der Beratung des Bundesverkehrswegeplans und der Um-
setzung nicht wieder ein Märchenbuch schreiben, wie es
gerade angeklungen ist. Das heißt: Es sollte nicht dazu
kommen, dass jeder seine Lieblingsprojekte in den Bun-
desverkehrswegeplan schreibt und damit letztendlich völ-
lig verantwortungslos Politik betreibt, weil er Erwartun-
gen weckt, die aufgrund fehlender finanzieller Mittel
nicht erfüllt werden können, weil er in allen Bundes-
ländern Planungskapazitäten lahmlegt, weil ohne Ende
Planfeststellungsverfahren begonnen werden und in den
Schubladen der Behörden verschwinden und weil in der
Öffentlichkeit Konflikte geschürt werden, die sehr viel
Kraft kosten und nicht notwendig sind. Deshalb brauchen
wir einen Bundesverkehrswegeplan, der an der Haushalts-
ehrlichkeit orientiert ist.
Zum Schluss komme ich auf die Flusspolitik zu spre-
chen. Im Koalitionsvertrag haben wir das Koordinaten-
system für eine vernünftige Flusspolitik neu justiert. In
diesem Koordinatensystem – Ressourcen- und Hochwas-
serschutz auf der einen Seite und die Förderung des um-
weltfreundlichen Verkehrssystems auf der anderen Seite –
werden sicher noch eine Reihe von Justierungen vorge-
nommen werden müssen. So müssen zum Beispiel die In-
teressen der Binnenschifffahrt neu angeordnet werden.
Ich freue mich auf die Gespräche, die wir bereits mit den
Binnenschiffern begonnen haben,
um vor dem Hintergrund der politisch gesetzten Rahmen-
bedingungen, die gesetzt worden sind, zu den notwendi-
gen Entscheidungen zu kommen.