Ich möchte mein Lob für unseren Minister für Wirt-
schaft und Arbeit sogar ausdehnen, lieber Herr Kollege
Schauerte.
Denn wenn man sieht, dass das Bundesland Bayern über
Jahrzehnte von Subventionen, die von anderen Bundes-
ländern, übrigens auch von Nordrhein-Westfalen, bezahlt
wurden, gelebt hat, und wenn man sieht, dass in Nord-
rhein-Westfalen ein sozial abgefederter Strukturwandel in
der Kohle- und Stahlindustrie herbeigeführt wurde, der
seinesgleichen sucht, dann kann man stolz darauf sein,
was Herr Clement als Ministerpräsident in Nordrhein-
Westfalen geleistet hat.
Ich komme noch einmal auf die Vorschläge der Hartz-
Kommission zurück, in deren Zentrum die Zeitarbeit steht.
Ich bin unsicher, ob unsere Positionen an dieser Stelle
tatsächlich so weit auseinander liegen. Es gibt – auch
das ist etwas vereinfacht dargestellt – zwei Kategorien
von Zeitarbeitnehmern: Die einen sind gut qualifiziert
und können schon jetzt zum Teil hervorragend vermittelt
werden. Ist denn die Anwendung des Prinzips „Gleicher
Lohn für gleiche Arbeit“ auf diese Gruppe wirklich ein
Problem, Herr Laumann? Wenn eine Sekretärin bei einer
Fraktion als Zeitarbeitnehmerin eingestellt wird, be-
kommt sie den gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Das ist
doch überhaupt kein Thema. In diesem Bereich sollten
wir uns einig sein.
Problematisch ist die zweite Gruppe, nämlich die
Langzeitarbeitslosen, die weniger gut Qualifizierten.
Wenn wir denen helfen wollen – das sage ich ganz deut-
lich –, dann kann doch kein Zweifel daran bestehen, dass
ihre Löhne unter denen der klassischen Tarifverträge lie-
gen müssen. Das sollte nicht streitig sein. Streitig könnte
nur sein, wie man die Entlohnung der Langzeitarbeits-
losen regeln will. Wir wollen dies nicht dem völlig freien
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 14. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 5. Dezember 2002 1059
Spiel der Kräfte überlassen, sondern wir wollen, dass Ge-
werkschaften und Zeitarbeitsunternehmen für diese Be-
schäftigten spezielle Tarifverträge abschließen, nach de-
nen der Lohn unterhalb des üblichen Tariflohns liegt, die
aber so gestaltet sind, dass es sich noch lohnt, dafür zu ar-
beiten. Das ist der Interessenausgleich, den wir hinbe-
kommen wollen. Dafür brauchen wir die Gewerkschaften
und die Unternehmerverbände. Wir setzen darauf, dass
solche Tarifvereinbarungen in den nächsten Monaten zu-
stande kommen.
Ich rate Ihnen, meine Damen und Herren von der Op-
position, dieses Problem sachlich anzugehen. Sie müssen
sich doch auch fragen, ob Sie wollen, dass Gewerkschaf-
ten und Unternehmerverbände weiterhin Tarifverträge
schließen. Wir halten das für sinnvoll, und zwar nicht nur
für Kernarbeitsverhältnisse, sondern auch für Zeitarbeits-
verhältnisse. Deshalb lassen Sie uns das machen und an
dieser Stelle nicht über Prinzipien streiten.
Das Hartz-Konzept ist verdammt wichtig, aber nicht
alles, meine Damen und Herren. Wenn wir mehr Be-
schäftigung schaffen wollen, dann brauchen wir eine Of-
fensive für Existenzgründungen, eine Offensive für den
Mittelstand. Lassen Sie mich dazu – das richtet sich auch
an Sie, Herr Minister Clement – vier konkrete Vorschläge
machen:
Thema Nummer eins – ich traue mich schon gar nicht
mehr, das Wort in den Mund zu nehmen, weil es wirklich
eine Banalität ist – ist die Entbürokratisierung.
Hier muss man aber auf zwei Dinge aufpassen: Wer beim
Thema Entbürokratisierung immer nur die Abschaffung
der Schutzbestimmungen des Arbeitsrechts im Munde
führt, der missbraucht es für Sozialabbau. Das ist mit uns
Sozialdemokraten nicht zu machen, Herr Laumann.
Außerdem sollten wir – das sage ich auch an die Adresse
der SPD – mit der Einrichtung von Kommissionen auf-
hören.
Jede ministerielle Kommission, egal unter welchem Minis-
ter, hat in der Vergangenheit wenig zur Entbürokratisierung
beigetragen. Wir müssen uns mehr Mut vornehmen. Das
heißt auch, die Idee von Altkanzler Helmut Schmidt aufzu-
greifen, nämlich in einigen Bereichen unseres Landes be-
stimmte bürokratische dauerhafte Regelungen außer Kraft
zu setzen und anschließend zu prüfen, was dabei herausge-
kommen ist. Wenn es darum geht, das auszuprobieren, darf
man nicht nur über die neuen Länder reden. In Abstimmung
mit anderen biete ich gern die sehr mittelständisch geprägte
Region Ostwestfalen-Lippe dafür an.
Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, bezieht
sich auf die Ich-AG.Dies muss ausgedehnt werden. Wenn
wir eine Kultur von Selbstständigkeit und Mittelstand,
wenn wir Existenzgründungen wollen, dann müssen wir
uns überlegen, ob wir nicht nur für die Ich-AG, sondern
insgesamt für Kleinstunternehmen ein spezielles Steuer-
recht schaffen sollten, das ihnen in der Phase der Exis-
tenzgründung und – wenn sie klein bleiben – darüber hi-
naus einen besonderen steuerlichen Spielraum gibt, um
sich im Laufe der Jahre Eigenkapital zu erarbeiten und auf
Dauer am Markt tätig zu sein.
Ich komme nun auf das dritte Thema zu sprechen. Wir
haben große Sorgen im Bereich der Mittelstandsfinan-
zierung. Es ist richtig, durch Zusammenführung von
KfW und DtA eine Mittelstandsbank zu gründen. Da-
durch nutzen wir die flexiblen Möglichkeiten der DtA für
die Zukunft.
Das allein wird aber nicht reichen; denn wir wollen die
Förderkredite nach wie vor über die Hausbanken aus-
reichen und keine direkte Staatsbank schaffen. Wenn dies
Erfolg haben soll, müssen wir daran denken, die Margen
für die Hausbanken zu erhöhen, und auch über erweiterte
Haftungsfreistellungen für die Hausbanken sprechen.
Außerdem müssen wir über eine Stärkung der Eigenkapi-
talbildung durch privates Beteiligungskapital nachden-
ken. Dieses Instrument ist in Deutschland im Gegensatz
zu den angelsächsischen Ländern deutlich unterent-
wickelt, weil es sich für die Unternehmen in der Vergan-
genheit mehr gelohnt hat, auf Fremdkapital zurückzu-
greifen, da die steuerlichen Regelungen von CDU/CSU
und FDP das ausgeschüttete Kapital im Vergleich zum
einbehaltenen Kapital privilegierten. Das haben wir ver-
ändert. Also müssen wir zur Finanzierung des Mittelstan-
des auch das private Beteiligungskapital wieder stärker in
den Vordergrund rücken.