Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren!
Ich eröffne die 51. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte zunächst den Schriftführer Herrn Abgeordneten von Aretin, die Liste der fehlenden Mitglieder des Hauses zu verlesen.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Schuler, Dr. Müller , Kemper, Frau Dr. Probst, Frau Dr. Gröwel, Frau Dietz, Schütz, Dr. Gülich, Hennig, Bettgenhäuser, Schönauer, Dr. Bergstraeßer, Herrmann, Frau Schroeder, Wönner, Dr. Becker (Hersfeld), Margulies, Dr. Middelhauve, Frau Dr. Ilk, Dirscherl, Niebergall, Wittmann, Becker (Pirmasens), Revenstorff. Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Mühlenberg, Hans Schmitz, Naegel, Nickl, Dr. Horlacher, Jacobi, Peters, Neumann, Dr. Suhr, von Knoeringen, Bromme, Reitzner, Meyer (Bremen), Grundmann, Weickert, Kurt Müller, Oskar Müller, Frau Thiele, Morgenthaler, Dr. Reif, Juncker, Meitmann. Außerdem fehlen die Abgeordneten Heiland, Wehner und Goetzendorff.
Meine Damen und Herren! Ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Die heutige Tagesordnung wird erweitert, und zwar hat das Haus zunächst über den Einspruch der Herren Abgeordneten Wehner und Heiland gegen ihren Ausschluß zu entscheiden. Ich verweise auf die Drucksachen Nr. 757 und 758, die Ihnen vorliegen.
Anschließend an die Entscheidung über die beiden Einsprüche soll das Haus gemäß einer soeben im Ältestenrat getroffenen Vereinbarung Beschluß fassen zu den Drucksachen Nr. 700, 689 und 707 betreffend Verhaftung des Landtagsabgeordneten Lehmann. Alle diese Drucksachen liegen den Mitgliedern vor.
Gemäß einer weiteren Vereinbarung im Ältestenrat soll Punkt 2 der heutigen Tagesordnung, Drucksache Nr. 704, betreffend das Diätengesetz, von der Tagesordnung abgesetzt und seine Behandlung auf Montag verschoben werden.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu der
Entscheidung über die Einsprüche der Abgeordneten Wehner und Heiland gegen ihren Ausschluß in der 49. Sitzung ,
und ich bitte Herrn Vizepräsidenten Dr. Schmid die Entscheidung über diese Einsprüche herbeizuführen.
Meine Damen und Herren! Der Einspruch des Abgeordneten Wehner ist in der Drucksache Nr. 757 enthalten, der Einspruch des Abgeordneten Heiland -in der Drucksache Nr. 758.
Ich lasse zunächst über den Einspruch des Abgeordneten Wehner, Drucksache Nr. 757, abstimmen. Wer dafür ist, daß diesem Einspruch stattgegeben wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Gegenprobe. — Letzteres ist die Mehrheit. Der Einspruch ist abgelehnt.
Ich lasse weiter abstimmen über den Einspruch des Abgeordneten Heiland, Drucksache Nr. 753, mit derselben Fragestellung. Wer dafür ist, daß diesem Einspruch stattgegeben wird, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit. Der Einspruch ist abgelehnt.
Wir haben, wie soeben angekündigt, Beschluß zu fasssen über den Mündlichen Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über den Antrag der Fraktion der KPD und über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD (Drucksache Nr. 707) betreffend Verhaftung des Landtagsabgeordneten Lehmann (Drucksache Nr. 700).
Die genannten Drucksachen liegen Ihnen vor. Berichterstattung und Aussprache über den Gegenstand waren bereits erfolgt.
— Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Renner!
Namens meiner Fraktion beantrage ich, daß über den ursprünglichen Antrag unserer Fraktion zuerst abgestimmt wird.
Herr Abgeordneter Renner, ich darf auf den Schlußsatz der Drucksache Nr. 700, des Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, aufmerksam machen. Danach ist die getrennte Abstimmung nicht möglich.
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Ritzel!
Ich wollte dasselbe sagen.
Also das ist bereits erledigt.
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 700 ist, den bitte, ich die Hand zu erheben. Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag Drucksache Nr. 700 ist mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
Wir fahren nunmehr fort mit der Beratung des Haushalts, die wir gestern abgebrochen hatten. In der
Zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Drucksachen Nr. 682 und 223)
kommen wir nunmehr zu
Einzelplan XIV — Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau .
Herr Abgeordneter Schoettle, darf ich wegen der Berichterstattung fragen. Die Berichterstatterin Frau Abgeordnete Dr. Probst ist nicht da.
Ich erteile Herrn Abgeordneten Gengler das Wort als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Die Aufgaben des Bundesministeriums für Wohnungsbau bestehen in der Planung, Förderung und Lenkung des Wohnungsbau-, des Siedlungswesens und der Wohnungswirtschaft, ferner
des Technischen auf dem Gebiete der Raumordnung und des Städtebaues und der Behandlung aller mit seinen Arbeitsgebieten zusammenhängenden technischen Fragen. Die Arbeitsgebiete sind mit den Ländern abgegrenzt worden. Die große Bedeutung des Wohnungsbaus in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht gebietet engste Zusammenarbeit von Bund und Ländern ohne jede Kompetenzdifferenzen sowie eine echte Gemeinschaftsarbeit aller im Wohnungsbau und der Wohnungswirtschaft in Betracht kommenden öffentlichen und privaten Kreise. Der Ausschuß legt auf diese Zusammenarbeit ganz besonderen Wert.
Das Bundesministerium für Wohnungsbau hat neben einer allgemeinen Abteilung für Verwaltung, Personalien, Organisation, Haushalts- Kassen- und Rechnungswesen folgende Abteilungen. Erstens: Wohnungsbau- und Siedlungswesen, Wohnungswirtschaft, zweitens: Raumordnung, Städtebau und technische Fragen.
An Einnahmen aus Architektengebühren beim „Amt Bundeszone" sind in Kap. 1 Tit. 10 90 000 DM vorgesehen. Die Ausgaben des Ministeriums beziffern sich auf 1 032 100 DM, somit ergibt sich ein Zuschußbedarf von 942 100 DM. Von den Ausgaben entfallen auf persönliche Verwaltungskosten 412 100 DM,, auf sächliche und allgemeine Ausgaben 510 000 DM, auf einmalige Ausgaben 110 000 DM. In dem Betrag für allgemeine Ausgaben ist u. a. ein Betrag von 300 000 DM für Forschungsaufträge und zur Förderung des Wohnungs- und Siedlungswesens im zentralen Aufgabenbereich enthalten, ferner in Tit. 32 neu 89 000 DM für persönliche und sächliche Verwaltungsausgaben beim „Amt Bundeszone". Die Einnahmeposition bei diesem Amt mit 90 000 DM habe ich bereits genannt.
Der Personalbestand gliedert sich in 27 Beamte, darunter 1 Ministerialdirektor, 2 Ministerialdirigenten und 6 Ministerialräte. Die beantragte Stelle eines Staatssekretärs in Besoldungsgruppe B 2 wurde durch Mehrheitsbeschluß des Ausschusses in eine Ministerialdirektorstelle in Besoldungsgruppe B 4 umgewandelt. Weiterhin werden nach den Beschlüssen des Ausschusses 53 Angestellte und 6 Arbeiter angefordert. Der Personalbestand beträgt insgesamt demnach 86.
Der Ausschuß kam zur Auffassung, daß der Haushaltsplan des Bundesministeriums für den Wohnungsbau sehr sparsam aufgestellt ist. Aus den'. Willen zu noch größerer Sparsamkeit wurden dennoch einige Stellen im Vorschlag des Ministeriums gestrichen oder niedriger eingestuft. Ich beziehe mich hierzu auf die verteilte Übersicht zu den Drucksachen Nr. 670 bis Nr. 682 Seite 20 bis 22.
Bei dieser Gelegenheit, meine Damen und Herren, darf ich wohl unser aller Freude darüber Ausdruck geben, daß der Ausschuß des Bundestags für Wiederaufbau und Wohnungswesen in einer vorgestern — am Mittwoch — bis gestern — Donnerstag — frühmorgens 4 Uhr dauernden Sitzung das Wohnungsbaugesetz mit dem Ministerium im großen und ganzen durchberaten hat und, wie wir vernommen haben, zu einem einmütigen Beschluß gekommen ist.
Dies ist für die Sache des Wohnungsbaus selbst wie für die Arbeit des Bundesministeriums für Wohnungswesen ein recht gutes Beginnen, von dem wir nun im ganzen Bundesgebiet die größte Bauinitiative und ein solidarisches Zusammenarbeiten
erwarten. Es zeugt auch für die sachliche Arbeit in
diesem Hause in einer hochbedeutsamen Aufgabe.
Namens des Ausschusses beantrage ich Zustimmung zu dem Ausschußantrag auf Drucksache Nr. 678.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache über Einzelplan XIV. Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Klabunde.
Meine Damen und Herren! Ich möchte die uns in wenigen Tagen bevorstehende Debatte über das Wohnungsbaugesetz, über das ja der Berichterstatter zutreffend erwähnt hat, daß eine Einigung im Ausschuß erzielt ist, nicht zu einem Teil vorwegnehmen, sondern mir für den vorgesehenen Termin - ich glaube, es ist der Dienstag — vorbehalten. Wenn ich also den Punkt nicht würdige, so bedeutet das nicht etwa eine verhaltene Kritik, sondern lediglich die Konzentration auf das hier gestellte Thema: die Aufgaben des Wohnungsbauministeriums.
Sie wissen ja, daß dieses Ministerium ursprünglich einen viel umfassenderen Namen hatte, der wohl auch eine umfassendere Aufgabenstellung andeuten sollte; denn man sprach ja außer von dem Wohnungsbau vom Wiederaufbau allgemein. Das Ministerium wäre damit fast in der Gefahr gewesen, ein Überministerium zu werden. Denn welche Aufgabe kann man nicht als eine Wiederaufbauaufgabe definieren? Insofern ist die Konzentration wahrscheinlich verwaltungsmäßig vorteilhaft.
Der Aufbau, den das Ministerium inzwischen gefunden hat, stand ja nicht von Anfang an fest. Wir haben erlebt, daß erst in einem späteren Termin der Wohnungsbau in Bonn, die Sonderaufgaben für die Bundeshauptstadt in das Aufgabengebiet des Wohnungsbauministeriums einbezogen worden sind. Ich habe allerdings den Eindruck, daß sie da in gewissem Umfange noch einen Fremdkörper darstellen, nicht so sehr in prinzipieller Hinsicht, als vielmehr in Hinsicht auf die Eingliederung in das Ministerium selbst.
Ein anderes Problem, auf das ich Ihre Aufmerksamkeit lenken möchte, ist die Tatsache, daß wir entscheiden müssen, ob und inwieweit dieses Ministerium ein technisches Ministerium ist oder wenigstens sein soll. Sie kennen die Entwicklung früherer Jahre, in denen die Ministerien teilweise dazu gekommen waren, außerordentlich umfassende technische Aufgaben zu übernehmen. Wir glauben, daß es richtig ist, wenn sich das Wohnungsbauministerium auf die prinzipiellen Fragen allgemein und auch in der Technik konzentriert, um nicht die Gefahr zu laufen, ein technisches Ministerium zu werden, was das Verhältnis Bund und Länder leicht ungünstig beeinflussen könnte.
Der Herr Bundeswohnungbauminister hat ja ursprünglich die Absicht gehabt, mit einem sehr kleinen Apparat zu arbeiten; er arbeitet noch mit einem verhältnismäßig recht kleinen, dessen Umfang allerdings über den nach seinen damaligen Überlegungen schon weit hinausgeht, und ich glaube, daß das bevorstehende Wohnungsbaugesetz ihm noch gewisse weitere Ausweitungen bringen wird. Aber ich halte es doch für notwendig, ihm hier dringend nahezulegen, daß ein wenig mehr
das Maximum sein sollte, wobei der Ton auf wenig und nicht auf mehr liegt. Denn das Ministerium würde dadurch in der Konzentration seiner Arbeit leiden und sich in der Erörterung über einzelne technische Fragen, vielleicht auch über einzelne Verteilungsfragen in bezug auf öffentliche Mittel mehr der Kritik aussetzen, als ei für sein Ansehen wünschenswert ist.
Das Ministerium hat mit der Schaffung dieses Wohnungsbaugesetzes eine Art Bewährungsprobe abgelegt. Lassen Sie mich zu dieser Bewährungsprobe lediglich hinsichtlich des Zeitablaufs etwas sagen. Wir würdigen die Schwierigkeiten sehr, die darin bestehen, daß wir schließlich erst am 31. März die dritte Lesung des Gesetzes haben können. Ein Gesetz, das auf eine gewisse Sicht abgestellt ist,, erfordert gründliche Arbeit. Aber es wäre doch wünschenswert gewesen, wenn die Erörterungen mit den einzelnen Interessenten in der Zeit mehr beschränkt worden wären und wir so Gelegenheit gehabt hätten, uns früher mit dem Thema zu befassen. Wir sind nämlich — und das scheint mir auch für dieses Jahr und die späteren Jahre wichtig zu sein und deswegen eine Erörterung im Rahmen des Haushaltsplans zu verdienen - bei diesem Ministerium genötigt, mehr als irgendwo anders Terminarbeit zu leisten. Wir erleben doch, daß die Einigung über diesen Entwurf, der vorhin zitiert wurde, lediglich beim letzten Absatz des letzten Paragraphen auf eine gewisse Klippe gestoßen ist, weil wir uns mit der Frage auseinandersetzen müssen: wie greift das Gesetz in das gegenwärtig laufende Bauprogramm ein? Eine Frage, die keine politische, sondern eine sachliche ist, die aber wesentlich leichter zu lösen wäre, wenn man früher zu der Beschlußfassung gekommen wäre und dann mit einer gewissen Sicht einen Termin des Inkrafttretens hätte vorsehen können. Heute befinden wir uns in der Gefahr, daß wir in das große laufende Programm eingreifen und es auseinanderreißen müssen. Wir befinden uns weiter in der Gefahr, daß die organisatorischen Dispositionen, die hier zu treffen sind, den technischen Fortgang der Bauarbeiten leicht hemmen können.
Ich benutze diese Schilderung nur, um an Sie zu 'appellieren, daß wir alles tun, damit das Ministerium seine Wünsche in gesetzgeberischer Hinsicht rechtzeitig an uns heranbringt und seine Vorlagen hier rechtzeitig verabschiedet werden können. Man sollte sich einig sein, daß ein Wohnungsbauministerium Neuerungen eigentlich nur im letzten Quartal eines Jahres vorlegen kann und daß diese Neuerungen auch noch in diesem letzten Quartal abgeschlossen werden müssen.
Wenn wir uns die Arbeitsweise des Ministeriums ansehen, das ja nun bei der großen Aufgabenstellung des Wohnungsbaus zu einem großen Ministerium wird und daher wohl auch bis hinauf in die Spitze die Ausstattung eines großen Ministeriums in personeller Hinsicht verdient, so haben wir doch festzustellen, daß nicht seine sämtlichen Teile gleichmäßig intensiv in den ministeriellen Arbeitsprozeß eingegliedert sind, und den Wunsch auszusprechen, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister, wenn jetzt das Gesetz das Licht der Welt erblickt hat, sich mit gleicher Intensität auch den anderen Aufgaben seines Ministeriums widmen sollte. Ich weiß, daß er die Probleme selber kennt und hierin nicht etwa eine unfreundliche, sondern eine sehr zweckmäßige Kritik erblickt.
Mein Damen und Herren! Dieses Ministerium steht in einem besonderen Spannungsverhältnis zu den Ländern. Denn wir müssen zugeben, daß der Wohnungsbau bis zum Jahre 1949 einschließlich allein eine Angelegenheit der Länder war und daß alles - insbesondere, was seit der Währungsreform geleistet wurde — ein Verdienst der Länder ist. Man sollte dahin kommen, daß die Leistungsfähigkeit und die Mitarbeitsfreude der Länder voll gesichert wird, so daß durch das Hinzutreten des Wohnungsbauministeriums nicht Spannungen entstehen, sondern zusätzliche Möglichkeiten der Förderung des Wohnungsbaus geschaffen werden. Das erfordert manche Resignation, manche Bereitschaft, Dinge gründlich zu erörtern. Man sollte davon absehen, die heute noch in der Diskussion über das Gesetz immer wieder einmal kurz auftauchenden Spannungen gründlicher und etwa im einzelnen zu erörtern; man sollte die Tendenz haben, die Zusammenarbeit des Ministeriums mit den Ländern als eine der wichtigsten Aufgaben im Wohnungsbau herauszustellen.
Erfolgen weitere Wortmeldungen? — Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens meldet sich zum Wort.
Meine Damen und Herren, ehe ich dem Herrn Abgeordneten Leuchtgens das Wort erteile, möchte ich eine geschäftliche Mitteilung machen, die mir soeben zugegangen ist. Der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und der Ausschuß für Geld und Kredit treten heute nachmittag um 14 Uhr in Zimmer 102 des Südflügels zu einer kurzen Beratung zusammen. Ich bitte die beteiligten Mitglieder, davon Kenntnis zu nehmen.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Unser erster Antrag zu diesem Etat geht dahin, das Gehalt des Bundesministers in Kap. 1 Tit. 1 von 36 000 DM auf 24 000 DM herabzusetzen.
Weiterhin sind in Kap. 1 Tit. 1 27 Stellen ausgewiesen. Wir bitten, die Zahl auf 18 herabzusetzen.
In Kap. 1 Tit. 4, Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte, sind 207 800 DM für 59 Stellen ausgewiesen.
Wir bitten, diese Zahl auf 48 herabzusetzen.
In Tit. 7 sind unter a) für Trennungsentschädigungen an versetzte Beamte und Angestellte 31 000 DM ausgeworfen. Ich bitte, den Betrag auf 15 500 DM herabzusetzen.
Zu Tit. 13, Bücherei, beantragen wir die Streichung unter dem bekannten Gesichtspunkt, daß mit den Gesamtmitteln der einzelnen Etats eine einheitliche Bibliothek aufgebaut werden soll.
In Tit. 16, Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken und Diensträumen, sind merkwürdigerweise 23 000 DM ausgeworfen. Ich bitte, den Betrag auf 15 000 DM herabzusetzen.
In Tit. 18, Haltung der Dienstkraftwagen und Krafträder, sind 10 000 DM ausgeworfen, und zwar gilt dieser Betrag für 4 Kraftwagen. Nach unserer Auffassung genügen für das Ministerium 2 Kraftwagen. Ich bitte also, diesen Betrag auf 5000 DM herabzusetzen.
In Tit. 20, Kosten für Sachverständige, sind 8000 DM ausgeworfen. Der Betrag ist nach unserer Auffassung zu streichen, weil im Ministerium selber soviel Sachverständige sitzen, daß sie diese Arbeit allein machen können.
In Tit. 23 sind unter b) Zuschüsse an die Gemeinschaftsküche vorgesehen. Der -Antrag, den wir auch hier zu stellen haben, geht dahin, den dafür angesetzten Betrag auf die Hälfte herabzusetzen
In Tit. 24, „Zur Verfügung des Ministers für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen", ist ein Betrag von 10 000 DM ausgeworfen. Wir bitten zu begründen brauche ich es nicht mehr, weil ich das wiederholt getan habe —, diesen Betrag zu streichen. Wir halten eine Aufwandsentschädigung für besondere Aufwendungen für unnötig.
In Tit. 31 sind für Forschungsaufträge und zur Förderung des Wohnungs- und Siedlungswesens im zentralen Aufgabenbereich 300 000 DM ausgeworfen. Dieser Betrag ist unserer Auffassung nach viel zu hoch. Wir bitten, ihn auf die Hälfte herabzusetzen.
In Kap. E 11 Tit. 1 sind 40 000 DM vorgesehen Da die Beschaffungskosten für Büromöbel und sonstige Einrichtungsgegenstände nach unserer Auffassung viel zu hoch eingesetzt sind, bitten wir den Betrag auf 30 000 DM herabzusetzen.
In Kap. E 11 Tit. 3 sind 15 000 DM zur Einrichtung einer Sonderbibliothek vorgesehen. Auch dieser Betrag ist
nach unserer Auffassung zu streichen; der gesamte
Betrag ist für eine einheitliche Bibliothek zur Verfügung zu stellen, wenigstens aber ein Teilbetrag.
Im Kapp. E 1 Tit. 4, Erste Anschaffung von Kraftfahrzeugen,
sind 30 000 DM für 4 Kraftwagen vorgesehen. (Zuruf: Jetzt kommen die Schlittschuhe! —
Heiterkeit.)
Da wir nur 2 Kraftwagen für notwendig halten,
bitte ich, den Betrag auf 15 000 DM herabzusetzen
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Graf Spreti.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind gerade in der 'Besprechung des Etats des Wohnungsbauministeriums. Wir haben gehört, daß wir gestern die letzten Beratungen für den Abschluß des Wohnungsgesetzes geführt haben. Wenn wir eben die
Kritik durch Herrn Leuchtgens gehört haben, die gerade nicht sehr leuchtend war,
so möchte ich aber feststellen, daß sie im Gegensatz zu dem Ernst der Arbeit im Wohnungsausschuß sehr grotesk war. Diese Art einer Kritik, die wir jetzt seit 3 Tagen erleben, ist geradezu unmöglich.
Ich — entschuldigen Sie! — bin zwar einer von der jungen Generation in diesem Parlament und habe noch keine alte Tradition hinter mir. Aber das verstehen wir jungen Leute nicht; denn das ist eine Politik, von der ich finde, daß es die des „billigen Jakobs" des Parlamentes ist.
Herr Abgeordneter, darf ich bitten, den Ausdruck zu wiederholen.
Graf von Spreti CSU): Der billige Jakob des Parlaments.
Das ist ein unparlamentarischer Ausdruck, den ich hiermit zurückweise.
Ich nehme diese Zurückweisung dankend entgegen. Ich glaube, gerade der Widerhall im Plenum beweist die Richtigkeit meiner Ausführungen.
Im übrigen haben wir, und ich sage jetzt einmal absichtlich „wir", die wir von dem parlamentarischen Leben und der politischen Entwicklung der vergangenen Zeit enttäuscht sind, keinen Sinn dafür, wenn uns hier am laufenden Band Wintermärchen erzählt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Leuchtgens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wenn man die Ausführungen über die sogenannte Kultur Deutschlands und über die „Kultur" dieses Hauses am laufenden Bande hört und sieht nun, wie sich einzelne Abgeordnete benehmen,
so muß man doch feststellen, daß das Bildungsniveau des Bundeshauses verflucht niedrig ist.
Herr Abgeordneter Leuchtgens, ich muß diesen Ausdruck zurückweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich stelle ausdrücklich fest: wenn ich hier Anträge stelle, tue ich das aus dem Gefühl und dem Bewußtsein heraus,
daß die hier angesetzten Ausgaben zu hoch sind.
Ich lasse mir auch nicht von den jungen Herren, die auf diesem Gebiet doch noch alle Anfänger sind, — —
Diese jungen Herren sollen doch erst einmal etwas vom parlamentarischen und Haushaltswesen lernen,
bevor sie sich hierherstellen und solche Ausführungen machen.
Es ist natürlich sehr billig,
wenn man mit Herabwürdigungen der verschiedensten Art kommt. Man sucht beinahe in den Wörterbüchern nach Worten zur Herabwürdigung meiner Tätigkeit.
Zu den Ausführungen, die eben von dem Herrn Grafen von Spreti gemacht worden sind, möchte ich sagen, daß ich ihn nach meiner persönlichen Kenntnis für vornehmer gehalten hätte,
als daß er sich so herabläßt und solche Ausdrücke gebraucht.
Wenn man meine Anträge irgendwie sachlich bekämpft, habe ich volles Verständnis dafür. Wenn man aber immer wieder mit persönlichen Herabwürdigungen irgendwelcher Art kommt, die man gar nicht begründen kann, sondern die man nur so in die Masse hineinschleudert,
muß ich schon fragen, wie man das noch mit dem Kulturniveau dieses Hohen Hauses vereinbaren kann.
Im übrigen schließen sich ja alle Kräfte zusammen. Der Herr Innenminister hat sich gestern auch erlaubt, hier einen billigen Serenissimuswitz zu machen.
— Serenissimus, nicht Simplizissimus! — Und das „Hohe" Haus — ich bitte, das Wort „Hohe" diesmal in Gänsefüßchen zu setzen, — —
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe.
Herr Abgeordneter, ich sehe von einer Zurechtweisung ab, denn eine Bemerkung dieser Art fällt auf Sie selbst zurück.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn das Hohe Haus nichts anderes zu tun weiß, als über einen übel
angebrachten Witz mächtig zu lachen, dann bedauere ich nur die Auffassung dieses Hauses über die ernsthaften Fragen, mit denen wir es hier zu tun haben.
Damit werden Sie meine Kritik nicht los, sondern diese wird immer heftiger werden.
— Sie können wieder lachen. Ich habe ja schon
wiederholt gesagt, was es mit dem Lachen auf sich
hat und was der Volksmund über das Lachen sagt;
aber ich möchte es wiederholen: daß nämlich das Lachen immer ein sehr übles Zeichen, ein Zeichen für Mangel an Verständnis für sachliche Arbeit ist.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie traurig wäre das Leben in diesem Parlament, wenn Herr Leuchtgens nicht wäre!
Ich hatte nicht die Absicht, mich in diese Debatte einzumischen. Nachdem aber der Herr Kollege Leuchtgens die Gelegenheit nicht versäumt hat, in diesen Tagen hier in diesem Hohen Hause Kritik an der Tätigkeit des Haushaltsausschusses zu üben, ergreife ich das Wort. Ich fühle mich durch das provoziert, was er im Laufe der letzten zwei Tage vorgebracht hat.
Ich erinnere mich aus einer etwas ruhigeren Zeit in der Vergangenheit an die Lektüre eines englischen Kinderbuches „Alice in Wonderland".
Durch diese Geschichte geistert die Königin des Kartenspiels, die Queen of Hearts, die Herzkönigin. Sie zeichnet sich besonders dadurch aus, daß sie nur ein einziges Wort zur Verfügung hat. Bei allem, was ihr entgegentritt, sagt sie: „Kopf ab!". So ungefähr kommt mir Herr Leuchtgens vor.
Ich kann mir nicht helfen: es gibt Situationen, in denen man nur noch mit Ironie durchkommt,
selbst auf die Gefahr hin, daß die, die es angeht, diese Ironie nicht verstehen.
Ich will aber zur Sache etwas sagen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Herr Kollege Leuchtgens hat sich darüber beschwert, daß er keine Gelegenheit gehabt habe, die Anträge, die er hier vorbringt, im Haushaltsausschuß vorzutragen. Ich glaube, die Kolleginnen und Kollegen aus dem Haushaltsausschuß werden mir bestätigen, daß ich in meiner Duldsamkeit gegenüber dem als Gast und nicht als Mitglied, auch nicht als Mitglied ohne Stimmberechtigung an den Sitzungen teilnehmenden Herrn Kollegen Leuchtgens bis an die Grenze des Erträglichen gegangen bin,
weil nämlich all das, was der Herr Kollege Leuchtgens im Haushaltsausschuß vorgebracht hat, genau das gleiche Niveau hatte, wie es seine Anträge haben.
Obwohl wir ihm also sehr weit entgegengekommen sind, hat er in keinem einzigen Punkt auch nur einen einzigen brauchbaren und diskutablen Vorschlag gemacht.
Wenn er deshalb im Hause nicht ernst genommen
wird, so ist das ausschließlich seine eigene Schuld.
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Leuchtgens hat eben behauptet, daß ein Mitglied meiner Fraktion und Landesgruppe ihn persönlich herabgewürdigt hat. Ich habe ja großen Respekt vor dem Abgeordneten Leuchtgens;
aber eines weiß ich auch: wenn sich jemand hier herabgewürdigt hat, dann war es der Herr Kollege Dr. Leuchtgens selber. Bis zu dieser Haushaltsberatung haben wir eine andere Meinung von ihm gehabt.
Das ist nicht politisch gemeint, das ist auch nicht
politisch zu verstehen. Aber ich habe nun einmal
einen angestammten Respekt vor ergrauten Herren.
Es gibt ja ein lateinisches Sprichwort, das heißt: Es gab einst große Ehrfurcht vor einem weißen Haupte. — Kollege Schmid, Sie würden sagen: Magna erat quondam capitis reverentia cani.
Aber es gibt auch ein deutsches Sprichwort, das genau so richtig ist. Das heißt: Alter schützt vor Torheit nicht.
Der Herr Kollege Leuchtgens hat gar keinen Grund, hier etwas gegen die jüngeren Herren zu sagen. Seien Sie froh, daß wir noch lachen können.
Wenn wir nicht lachen könnten über so etwas wie das, was Sie hier produzieren, wäre es traurig bestellt um dieses Haus!
Wenn Sie dann schon von Bildungsniveau in diesem Hause sprechen, wenn Sie das, was Sie gesagt haben, auf sich selber beziehen, ist es ihre eigene Angelegenheit.
Das, was im Haushaltsausschuß von der Regierung und der Oppositionspartei geleistet worden ist, verdient die Anerkennung aller Parteien in diesem Hause über die politischen Grenzen hinweg. Wer aber diese Arbeit lächerlich macht, der macht sich als Mitglied dieses Hauses selber lächerlich.
Ich habe bis jetzt überhaupt keinen sachlichen Vorschlag gehört, wie diese Einsparungen und wie diese Kürzungen zu rechtfertigen und zu begründen sind. Wollen Sie die Bundesregierung arbeitsunfähig machen, oder wollen Sie hier ein Schauspiel aufführen?
Die Zeiten, als Weihnachtsmänner in der Politik ein Wort mitreden konnten, sollten vorbei sein.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobs.
Meine Damen und Herren, im allgemeinen gehört der Humor nicht zum Kriterium der deutschen Politik, obwohl er uns in vielen Fällen sicherlich zugute kommen könnte.
Wenn dieses Haus wie am heutigen Tage die Gelegenheit wahrnimmt, in einem gewissen Sinne seiner Freude Ausdruck zu geben, auch einmal etwas lächerlich zu finden, dann darf nicht darüber hinweggesehen werden, daß der Grund zu diesem Lachen an sich sehr bedauerlich ist.
Das hat mein Kollege Schoettle in aller Deutlichkeit gesagt. Wenn ich trotzdem die Gelegenheit wahrnehme, dazu etwas zu sagen, dann deshalb, weil ich der Auffassung bin, daß die Abweisung solcher Dinge im Parlament nicht nur eine Angelegenheit der Fraktionen, sondern auch weitgehend eine Angelegenheit der Generationen ist.
Bei allem Respekt, Herr Leuchtgens, vor Ihrem Alter — leider kann ich nicht sagen: vor der Weisheit des Alters —:
Dummheiten zu machen und das Ansehen eines Parlaments herabzuwürdigen, ist viel weniger eine Frage des Alters als eine der geistigen Verfassung desjenigen, dem man diesen Vorwurf unter Umständen machen kann. Ich denke jedenfalls mit Schaudern daran, daß durch Ihre Hände und durch Ihr Amt eine große Menge junger deutscher Menschen gegangen ist, so daß man sich nicht wundern darf, wenn Erzieher solcher Art dann auch entsprechende Rückwirkungen bei dieser Jugend hinterlassen.
Ich bedaure außerordentlich, im Namen meiner Generation sagen zu müssen, daß Sie einer Politik und einer politischen Haltung huldigen, von der man Interessenten wirklich nur sagen kann: Die Spitze des Bartes ist im Keller zu besichtigen!
Wir glauben uns als die Vertreter derjenigen Generation, die — schulpflichtig von Anfang bis Ende im ersten Weltkrieg — zum zweiten Male in einer einzigen Generation um das Glück ihres Lebens betrogen wurde,
nicht zuletzt als Folge des Verschuldens derer, die
aus ihrer gesellschaftlichen Voreingenommenheit
gegen die fortschrittlichen Ideen mitschuldig an
dieser Entwicklung sind; denn 1933 ist ja kein Anfang, sondern der Schluß einer Entwicklung, an der
sie mitschuldig sind insofern, als ihre gesellschaftliche Voreingenommenheit eine gewisse antikapitalistische Sehnsucht hat falsch leiten lassen. Wir bedauern außerordentlich, daß man auch heute wieder diesen Versuchen erliegt; und wir glauben, daß
diesem Parlament und damit unserem gequälten
deutschen Volk wirklich mehr gedient wäre, wenn nicht Menschen versuchen würden, sich hier allzu stark zu produzieren, bei denen alle schlechten Eigenschaften des 19. Jahrhunderts ausgesprochen virulent sind.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte namens der Fraktion der WAV zum Haushaltsplan, des Wohnungsbauministeriums nur einige kurze Sätze sagen. Wie Sie aus unserem seinerzeitigen Antrag, den Sie leider abgelehnt haben, bereits entnehmen konnten, haben wir überhaupt den Etat für ein eigenes Wohnungsbauministerium abgelehnt, nicht etwa deswegen, weil wir gegen Wohnungsbauten in größtem Umfange wären, nein, das fordern wir mit allem Nachdruck, sondern weil es sich hier lediglich wieder um ein sogenanntes Koordinationsministerium handelt. Wir haben gar keine Veranlassung, deshalb hier eine solche Stelle zu schaffen. Ich bin froh, daß wir hier auch noch von anderen Kreisen dieses Hauses unterstützt werden. Ich wüßte nämlich nicht, was hier alles zu koordinieren wäre, was nicht schon ebenso die einzelnen Länderregierungen übernehmen könnten, wenn sie gut funktionieren würden. Was soll koordiniert werden? Die Bautypen vielleicht? Die sind verschieden in allen Ländern Deutschlands, wie jeder weiß, der schon rumgekommen ist!
Wir sehen also keine Notwendigkeit, hier ein eigenes Bundesministerium für den Bau von Wohnungen aufzuziehen. Das ist der Grund, warum wir uns generell gegen die Bewilligung irgendwelcher Haushaltsmittel für dieses Ministerium gewendet haben. Deswegen sind wir auch nicht in der Lage, hierzu noch irgendwelche Abänderungsanträge zu stellen, weil wir, wie schon gesagt, das Ministerium im allgemeinen ablehnen. Wenn man mit dem Geld, das hier für den Etat des Bundeswohnungsbauministeriums hinausgeworfen wird, Häuser und Wohnungen bauen würde, dann wäre unserem Volk besser gedient! Das ist das, was die WAV zu diesem Etat zu sagen hat!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Leuchtgens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wenn ich nochmals das Wort ergreife, dann tue ich es deshalb, weil es mir ganz unverständlich ist, wie sich die Jugend nun jetzt auch noch gegen mich wenden will und wie man neuerdings, neben den verschiedenen Gegensätzen in der Politik, auch noch das Alter mit hineinzieht.
Es ist wiederholt gesagt worden, daß sich die junge Generation meine Tätigkeit nicht gefallen lassen und daß sich die Jugend nun gegen meine Generation stellen will.
Meine Damen und Herren! Ich bin ein großer Freund der Jugend.
Ich habe in meinem Leben viel mit jungen Menschen zu tun gehabt.
— Das ist nicht lange her,
und wenn es lange her ist, dann behält man aber doch die Erfahrungen. Ich wünsche, daß die Jugend soviel wie möglich herangezogen wird; das ist das Entscheidende.
Aber ich bin der Meinung, daß die Jugend noch sehr unerfahren ist
und noch recht viel lernen muß und daß die Jugend nur vom Alter lernen kann.
— Das können Sie ja gar nicht beurteilen.
— Sie beurteilen die Dinge immer wieder von einem ganz anderen politischen Standpunkt.
Wenn Sie nicht Mitglied der Koalition wären, stünden Sie auf meiner Seite.
Das ist das Entscheidende, und die ganze Agitation, die hier aufgezogen wird, beruht darauf, daß man die Auffassung der Koalition, wie sie in den Haushaltsplänen niedergelegt ist, verteidigen will. Deshalb versucht man, mit diesen Mittelchen alle gegen mich aufzuputschen. Sie nennen das Humor. Was ich hier erlebt habe, ist kein Humor.
Humor muß durchgeistigt, fein und vornehm sein.
— Was Sie hier bringen, sind Jahrmarktsscherze, sonst gar nichts.
Ich weise nochmals darauf hin: das ist ein Niveau,
das nur verachtet werden kann; denn die Art und Weise, wie man sachlich hier arbeitet,
wäre unter normalen Verhältnissen überhaupt nicht denkbar.
Herr Abgeordneter
Leuchtgens, ich mache Sie jetzt in allem Ernst darauf aufmerksam, daß Sie eine schwere Beleidigung des Hauses ausgesprochen haben,
indem Sie gesagt haben, das Niveau sei zu verachten. Ich sehe auch in diesem Falle von einer Rüge ab, weil ich es für unter meiner Würde und für nicht im Interesse des Hauses halte, auf derartige Ausführungen überhaupt einzugehen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das fehlt jetzt gerade nur noch. Ich höre, was Sie da wollen. Ich beobachte Sie schon die ganze Zeit. Sie scheinen ein ganz besonderes Temperament zu haben.
Herr Abgeordneter Leuchtgens, es ist mein Recht als Präsident, Sie zu ermahnen, zur Sache zu sprechen. Ich bitte, das nunmehr zu tun. Zur Debatte steht der Einzelhaushaltsplan des Bundesministeriums für Wohnungsbau und nichts anderes.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Jawohl. Ich hebe nochmals hervor, daß ich seit Jahrzehnten Parlamenten angehöre,
abgesehen von der Zeit des Naziregiments.
Ich habe aber derartige Entgegnungen und eine derartige Behandlung von sachlichen Dingen, wie sie hier beliebt werden, noch nicht erlebt.
Zur Sache!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich muß immer wieder hervorheben: Ich bin tief enttäuscht
über die Art, wie man hier sachliche Argumente niederzulachen und niederzubrüllen versucht.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. von Rechenberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich wahrscheinlich gegen die Stimmung des ganzen Hauses sprechen werde, aber diese Behandlung des Abgeordneten Leuchtgens ist so unpolitisch, wie man sie sich überhaupt nur vorstellen kann.
Mir paßt die Art des Abgeordneten Leuchtgens in keiner Weise, hier zu sagen, statt vier Autos ein Auto, statt 20 000 DM 10 000 DM, ohne die Spur einer Begründung. Das ist politisch gar nicht ernst zu nehmen. Aber wenn Sie dann hingehen und solch einen Mann auslachen, auch wenn er es verdient hat, dann geben Sie einer Gesellschaft, der bisher die geistige Grundlage noch vollkommen fehlt, die in Wirklichkeit aus einem negativen Gefühl heraus zusammengehalten wird — aus der Ablehnung von Bonn, aus der Ablehnung dessen, was hier geschieht —, dann geben Sie dieser Gesellschaft eine Plattform.
Dann wird er draußen dahin argumentieren: „Ich habe Herabsetzung des Etats verlangt, und das ganze Haus hat mich ausgelacht."
- Herr Professor, so dürfen Sie diese Bewegung nicht unterschätzen. Wir alle haben schon einmal erlebt, wie verlachte Leute etwas Fürchterliches geworden sind.
Seien wir etwas klüger und gehen wir über solche Dinge stillschweigend hinweg, aber geben Sie ihnen nicht eine Bedeutung, die sie bisher noch gar nicht haben.
Meine Damen und Herren, ich frage: Wird das Wort zum Einzelplan XIV
noch weiter gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über die vorliegenden Abänderungsanträge. Es handelt sich um den Abänderungsantrag der Fraktionen der CDU/ CSU, FDP und DP, Drucksache Nr. 741, und den Abänderungsantrag der Herren Abgeordneten Dr. Leuchtgens und Genossen, Drucksache Nr. 754. Ich mache darauf aufmerksam, daß sich der Antrag Drucksache Nr. 741 auf eine ganze Reihe von Ministerien bezieht. Wir stimmen jetzt also nur über das in diesem Antrag ab, was zum Einzelplan XIV beantragt ist.
Wer für den Antrag Drucksache Nr. 741 ist, soweit er sich auf den Einzelplan XIV bezieht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist zweifelsfrei angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über Drucksache Nr. 754, Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Leuchtgens und Genossen. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 754 ist, den bette ich, die Hand zu erheben. Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen nur wenige Stimmen abgelehnt. Damit sind die vorliegenden Abänderungsanträge erledigt.
Ich bitte nun diejenigen Damen und Herren, die für Einzelplan XIV in der vorliegenden Fassung und für die in der Drucksache Nr. 678 ausgeworfenen Einnahmen und Ausgaben im ganzen sind, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist Einzelplan XIV angenommen.
Wir kommen nunmehr zu
Einzelplan XV - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen .
Dazu gehören die Abänderungsanträge Drucksachen Nr. 749 und Nr. 755 und der eben noch eingegangene Antrag Drucksache Nr. 765.
Zur Berichterstattung erteile ich Herrn Abgeordneten Schuster das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Aufgaben des Ministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen sind in der Hauptsache: die Mitwirkung bei der Gesetzgebung, soweit diese die Belange der Vertriebenen berührt, außerdem weitgehend Aufgaben der Koordinierung mit den übrigen Bundesministerien, mit Bundesrat und Bundestag und vor allem mit den Ländern, ferner die Verbindung zu vielen öffentlichen Einrichtungen und Verbänden, die Gesamtplanung, die Betreuung der Heimatvertriebenen in grundsätzlicher Beziehung, Finanzfragen, insbesondere in Verbindung mit dem Marshallplan und sonstigen Auslandshilfen. Die Aufgabe der in Kap. 2 aufgeführten Stellen ist die Betreuung der Heimkehrer, der Kriegsgefangenen und der DPs.
Der Haushalt, wie er jetzt vorliegt, schließt mit Gesamtausgaben in Höhe von 1 041 500 DM ab. Dem stehen Einnahmen von 300 DM gegenüber, so daß ein Zuschuß in Höhe von 1 041 200 DM benötigt wird. Nach der jetzigen Vorlage hat das Ministerium einen Gesamtpersonalbestand von 41 Beamten, 79 Angestellten und 21 Arbeitern. In der Zahl von 79 Angestellten sind auch die 16 Angestellten der Sonderabteilung für Kriegsgefangenenbetreuung enthalten.
Bei der Beratung des Organisations- und Stellenplans dieses Ministeriums hatte der Ausschuß
lediglich bei einer Abteilung, und zwar bei der Abteilung D, zu Beanstandungen Anlaß. Er war der Ansicht, daß hier noch etwas mehr gespart werden könnte, und beschloß deshalb, das Ministerium zu ersuchen, bis zur zweiten Beratung noch Vorschläge für Einsparungen zu machen, die sich insbesondere durch straffere Zusammenfassung der Referate würden erzielen lassen. Diese Vorschläge wurden dann vorgelegt. Darin waren 6 Beamtenstellen gestrichen und 3 Angestelltenstellen neu eingesetzt worden, so daß 3 Beamtenstellen eingespart und 3 durch TOA-Stellen ersetzt waren. Mit dieser neuen Vorlage erklärte sich der Haushaltsausschuß in seiner überwiegenden Mehrheit einverstanden. Die Mehrheit des Ausschusses war von vornherein der Ansicht, daß bei Aufstellung dieses Stellenplans schon sehr vorsichtig zu Werke gegangen worden war.
Bei der Beratung des Haushaltsplans dieses Ministeriums übte der Ausschuß in der Hauptsache seine Praxis, mehrere Titel zu streichen bzw. zu kürzen. Die Erhöhung um 130 000 DM, wie sie sich aus der vorliegenden Übersicht ergibt, ist darauf zurückzuführen, daß vom Ausschuß auch hier — wie bei allen übrigen Ministerien — die angesetzten Einsparungen aus zeitweilig nicht besetzten Stellen in Höhe von 131 500 DM gestrichen und — aus denselben Gründen, wie sie schon mehrere der Herren Berichterstatter erwähnt haben — die vollen Summen für sämtliche Fehlstellen eingesetzt hat.
Die Streichungen oder Kürzungen, die der Ausschuß vorgenommen hat, belaufen sich, wie Sie aus der Übersicht sehen — ich will die einzelnen Titel nicht gesondert aufführen, die Damen und Herren haben sich das schon durchgesehen —, bei ungefähr 6 Titeln auf einen Gesamtbetrag von I rund 50 000 DM.
Dann ist der Ausschuß einmal von seiner sonstigen Praxis abgewichen und hat einen Neuansatz in Höhe von 50 000 DM gemacht, und zwar für die Herstellung und den Vertrieb von Informationsmaterial.
Der Ausschuß war hier fast einstimmig der Ansicht, es sei dringend notwendig, das In- und Ausland über das Flüchtlingsproblem als ganzes, über die Vorgänge bei der Ausweisung usw. eingehend zu unterrichten und vor allem die Unterrichtung des Auslandes nicht allein den anderen Staaten, wie Polen, Tschechei usw., zu überlassen. Deshalb wurde für diese Zwecke eine Summe von 50 000 Mark angesetzt. Diese 50 000 Mark wurden wettgemacht durch die vorher vorgenommenen Streichungen, die sich ebenfalls auf 50 000 Mark belaufen.
Der Ausschuß schlägt dem Hohen Hause vor, den Haushaltsplan dieses Ministeriums in seiner jetzigen Fassung anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von einem Abgeordneten der Regierungskoalition wurde das Flüchtlingsministerium als ein Kabinett im Kabinett bezeichnet. Es liegt nahe, diese Bezeichnung zu gebrauchen; denn das Ministerium ist außerordentlich umfangreich und vielgestaltig aufgebaut. Trotzdem vermissen wir eine der wichtigsten Abteilungen, die diesem Ministerium nach unserer Ansicht angehören müßte, nämlich die Abteilung für den Flüchtlingsausgleich.
Es ist eine lebensentscheidende und unaufschiebbare Frage, die hier behandelt werden muß, und ich glaube, sie ist von einem Rang, daß es tatsächlich berechtigt ist, hierfür eine eigene Abteilung einzurichten. Wir stellen daher den Antrag, beim Flüchtlingsministerium eine Abteilung „Flüchtlingsausgleich" zu schaffen.
An der Form des Flüchtlingsministeriums müssen wir aber noch in weiterer Hinsicht Kritik üben. In seiner augenblicklichen Gestalt ist es ein Ministerium, das einseitig einer Interessentengruppe dient. In allen anderen Ministerien ist ein gewisser Prozentsatz von Flüchtlingen vertreten, im Innenministerium, wie wir gehört haben, ungefähr 40 Prozent. Dementsprechend wäre es nur gerecht und billig, im Flüchtlingsministerium auch die andere Gruppe, die mit den Flüchtlingsfragen eng zu tun hat, vertreten sein zu lassen, nämlich die Einheimischen, und zwar auch mit etwa 40 Prozent.
— Durchaus nicht, Herr Kollege!
Weiterhin verlangen wir, daß im Flüchtlingsministerium alle Flüchtlinge, gleichviel welcher Herkunft, also unabhängig von ihrer landsmannschaftlichen Zugehörigkeit, paritätisch vertreten sind. Im Flüchtlingsministerium existiert als Anhang eine Sonderabteilung, die sich mit der Betreuung der Kriegsgefangenen, der Heimkehrer und der Fliegergeschädigten beschäftigt. Nun frage ich: Wer hat eigentlich schwerer an den Kriegsfolgen zu tragen, der Kriegsgefangene, der heute noch in Rußland festgehalten wird, der Flüchtling, der Heimat und Besitz verloren hat, der total Fliegergeschädigte, der Kriegsversehrte, die Kriegerwitwen oder die Kriegerwaisen? Ich glaube, all das Elend ist so groß, daß man hier keinen Maßstab mehr anlegen kann. Deshalb ist es auch richtig, alle diese Gruppen gemeinsam in einem Ministerium vertreten sein zu lassen. Wir haben in unserem Antrag Drucksache Nr. 124 diesen Gedanken schon zum Ausdruck gebracht. Ich möchte nur den ersten Satz daraus vorlesen:
Um der drohenden Aufsplitterung des Volkes in verschiedenartig bevorrechtigte Klassen und Schichten zu steuern, wird die Bundesregierung ersucht, bei Gesetzentwürfen und Regierungsmaßnahmen betreffend die Fragen der Heimatvertriebenen, der Bombengeschädigten und der Heimkehrer grundsätzlich von der Gleichberechtigung dieser drei Gruppen auszugehen.
Bei diesem Ministerium müßte dieser geforderten Gleichberechtigung erstlich Rechnung getragen werden. Wir haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Er ist unglücklicherweise schon beim Haushaltsgesetz behandelt worden. Wir konnten ihn damals nicht begründen, werden aber die Gedanken, die in diesem Antrag enthalten sind, weiterhin verfolgen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ehlers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren ! Der Haushaltsausschuß hat den Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen ebenso sorgfältig geprüft wie die
Haushalte der anderen Ministerien. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß in diesem Ministerium in einem Maße, wie es bei den übrigen Ministerien nicht ohne weiteres der Fall ist, Wert darauf gelegt wurde, Referentenposten nicht mit Beamten, sondern mit Angestellten zu besetzen. Wir haben es begrüßt, daß das in diesem Ministerium so weitgehend geschehen ist. Nach unserer Auffassung muß schon durch die Konstruktion des Vertriebenenministeriums deutlich werden, daß es sich dabei um eine Aufgabe handelt, die so schnell wie möglich gelöst werden muß. Wir möchten auch in der Konstruktion des Ministeriums deutlich machen, worum es uns geht: daß alle Kräfte daran zu wenden sind, die Not der Vertriebenen und Heimatlosen und all derer, die von diesem Ministerium betreut werden müssen, raschestens zu beheben.
Meine Damen und Herren, ich möchte dabei auf folgendes aufmerksam machen. Wir haben von Anfang an die Frage erörtert, ob es zweckmäßig sei, ein Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen zu schaffen; denn die Aufgaben, die von diesem Ministerium wahrzunehmen sind, treffen in der praktischen Durchführung mit sehr vielen Aufgaben anderer Ministerien zusammen und machen daher eine gemeinsame Arbeit nötig. Der Herr Staatssekretär Dr. Schreiber hat im Rahmen der Beratungen des Haushaltsausschusses einmal gesagt, es sei Aufgabe des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen, zu jedem Gesetzentwurf ein Plädoyer für die Vertriebenen zu geben. Ich glaube, daß das einesteils gut ist, denn es besteht sonst zu leicht die Gefahr, daß in dem üblichen Gang der Geschäfte vergessen wird, daß wir kaum eine einzige Frage unseres öffentlichen Lebens haben, die nicht mit dem Problem der Vertriebenen in irgendeiner Weise im Zusammenhang steht. Es ist gut, wenn man unbestechliche Anwälte dieser Vertriebenen hat und wenn das Mögliche und Notwendige dabei vorgetragen und gefordert wird.
Meine Damen und Herren! Auf der anderen Seite sind wir uns darüber klar gewesen, daß es eine gewisse Gefahr bedeutet, wenn ein Ministerium sich in erster Linie als eine Art PlädoyerMinisterium verstehen und den Versuch machen muß, zu erreichen, daß bei anderen Ministerien das geschieht, was im Interesse der Vertriebenen nötig ist. Wir haben aber geglaubt — und das ist damals, bei der Bildung des Bundeskabinetts,
Auffassung auch der Regierung gewesen —, daß es richtig sei, in dieser Weise zu verfahren. Ich
möchte diese Gelegenheit benutzen, um gegenüber vielen, zum großen Teil nicht substantiierten und nicht aus irgendeiner Sachkenntnis heraus geborenen Angriffen zu betonen: Wir haben den Eindruck, daß das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen und insbesondere der Herr Bundesminister die ihm übertragenen Aufgaben mit einer Herzenswärme und einer Hartnäckigkeit zugunsten der Vertriebenen wahrnimmt, die allen Dankes würdig ist.
Meine Damen und Herren! Es kann nicht anders sein, als daß in einer Zeit, in der mindestens 8 Millionen Menschen in der Bundesrepublik in dieser Form entwurzelt, heimatlos, ohne wirtschaftliche Aussicht, ohne ausreichende Wohnung und Arbeit sind, Verbitterung auftritt. Wir werden aber die Verpflichtung haben, dem deutschen Volk immer wieder deutlich zu machen, daß diese Situation nicht dazu führen darf, Unerfüllbares zu fordern und Menschen anzugreifen, als ob sie ihre Aufgabe nicht wahrnehmen, Menschen, die nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern ihr Herzblut an diese Aufgabe setzen.
Wir haben großes Gewicht darauf gelegt — das ist im Ausschuß wiederholt erörtert worden —, daß alles geschieht, um deutlich zu machen: die Aufgabe, die uns das Problem der Vertriebenen stellt, kann nicht allein im deutschen Rahmen gelöst werden. Es geht darum, das Flüchtlingsproblem, wie wir es genannt haben, zu internationalisieren. Von seiten des Herrn Bundeskanzlers und durch einen Sonderauftrag sind dann Ansätze gemacht worden. Wir haben besonderen Wert darauf gelegt — Sie finden das in der Position des Kap. 1 Tit. 31 —, daß für die Herstellung und Verbreitung von Informationsmaterial einigermaßen ausreichende Beträge zur Verfügung gestellt werden. Meine Damen und Herren! Wir empfinden es immer wieder als beschämend und traurig, daß die Situation der deutschen Vertriebenen im Auslande trotz aller Arbeiten der Kirchen und der karitativen Verbände noch nicht hinreichend bekannt ist. Es ist unseres Erachtens unerträglich, daß man zwar bereit ist, sich über wenige hunderttausend DPs im Ausland sehr umfangreiche Gedanken zu machen und Hilfsaktionen zu erwägen, daß man aber in der Fürsorge für die deutschen Vertriebenen über die sehr dankenswerten, aber natürlich keineswegs ausreichenden Hilfsmaßnahmen ausländischer Wohlfahrtsorganisationen und Kirchen praktisch noch nicht hinausgekommen ist.
Es ist nötig, bei diesem Anlaß darauf aufmerksam zu machen, daß es gut wäre, wenn die europäischen und nichteuropäischen Völker sich darüber klar würden: Der Zustand der Vertriebenen, die Anwesenheit von 8 Millionen Vertriebenen allein in der
Bundesrepublik sind ein Gefahrenpunkt nicht nur für Deutschland allein, sondern für Europa und die ganze Welt,
und es muß alles geschehen, damit diese Nöte ausgeglichen und die Schwierigkeiten, die hier auftreten, beseitigt werden.
Meine Damen und Herren! Ich kann also insgesamt nur sagen, daß wir den Ansätzen dieses Ministeriums zustimmen. Wir wünschten, daß im kommenden Jahre alles das, was eingeleitet ist und was an Plänen und Möglichkeiten besteht, ausgenutzt wird, um die Lage der Vertriebenen zu bessern. Aber ich sage noch einmal: ohne die sehr intensive und bewußte Hilfe und Mitwirkung des Auslandes kann das nicht in einem erträglichen Maße gelingen.
Ich habe noch ein Wort zu einem zwar noch nicht begründeten, aber uns bereits vorliegenden Änderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei zu sagen, die sich in diesem Zusammenhang dafür einsetzt, daß in Kap. E 11 ein neuer Tit. 7 unter der Aufschrift „Beihilfe an verdrängte Beamte und Wehrmachts-Versorgungsempfänger in besonderen Härtefällen von 1 Million DM" eingesetzt wird. Meines Erachtens ist in diesem Hause niemand, der die Aufgabe, die sich aus Art. 131 des Grundgesetzes ergibt, gering schätzte und nicht wünschte, daß möglichst schnell Maßnahmen getroffen werden, um die hier bestehenden, zum großen Teil unerträglichen Nöte und Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Ich habe bereits gestern bei der Beratung des
Haushalts des Bundesministeriums des Innern auf diese Frage hingewiesen. Ich muß aber einmal sagen, daß meines Erachtens ein Betrag von 1 Million DM für diese Aufgabe keineswegs als ausreichend angesehen werden kann. Wir haben kürzlich gehört, daß von den zuständigen Stellen für eine Überbrückungshilfe dieser Art ein Betrag von mindestens 20 Millionen DM als notwendig angesehen wird. Ich stehe auf dem gleichen Standpunkt. Ich halte also dafür, daß mit einem Antrag, einen Dispositionsfonds von 1 Million zu schaffen, keineswegs den Anforderungen, die hier zu stellen sind, genügt werden kann. Andererseits bin ich aber der Meinung, daß es nicht zweckmäßig und förderlich ist, diese Frage durch eine Art Dispositionsfonds im Rahmen des Haushalts des Vertriebenenministeriums zu regeln. Diese Aufgabe sollte von den sämtlichen beteiligten Ministerien angefaßt und im Rahmen der allgemeinen Finanzverwaltung durch die Zurverfügungstellung ausreichender Mittel geregelt werden.
Ich glaube auch nicht, daß wir auf dem an einzelnen Stellen von der Gesamtheit des Haushaltsausschusses als notwendig und zweckmäßig erkannten Wege der Dispositionsfonds weitergehen sollten. Denn es scheint mir nicht möglich zu sein, daß das Vertriebenenministerium die Verantwortung für die Verwertung eines solchen Dispositionsfonds übernimmt, weil ihm jeglicher Unterbau und die Möglichkeiten der Kontrolle über die einzelnen Posten, die dann anfallen würden, fehlten. Wir sollten also einen Weg finden, dieses zweifellos berechtigte Anliegen im Rahmen dieser Beratung in anderer Weise zur Geltung zu bringen als durch die Einsetzung eines Dispositionsfonds.
Das gleiche gilt zu der weiter in diesem Antrag vorgeschlagenen Entschließung. Es handelt sich um Fragen, über deren Bedeutung wir uns alle klar sind. Ich meine aber, daß nicht die Beratung des Haushalts des Vertriebenenministerr ms zum Anlaß genommen werden kann, die so überaus dringende Frage der Regelung der Bezüge der vertriebenen Beamten so quasi nebenbei zu regeln. Es handelt sich vielmehr hier um eine Frage, die von unerhörter finanzieller, persönlicher und sachlicher Bedeutung ist. Ich schlage daher vor, daß dieser Entschließungsentwurf dem zuständigen Ausschuß überwiesen wird, damit im Zusammenhang mit den sonstigen dazukommenden Vorlagen und Anregungen das Beste daraus gemacht wird.
Ich empfehle unter diesen Umständen, den Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen unverändert anzunehmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat Herr Abgeordneter Welke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entgegen meiner ursprünglichen Absicht fühle ich mich durch die Atmosphäre dieses Hauses am heutigen Morgen veranlaßt, mit Abänderungsanträgen zum Haushaltsplan XV meine Ausführungen zu beginnen. Der Antrag Drucksache Nr. 755, der von den Kollegen Dr. Leuchtgens und Genossen zum Einzelplan XV, zum Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen, vorgelegt wurde, beweist, daß die Frage, um welchen Komplex es sich eigentlich bei der Aufgabenstellung des Heimatvertriebenen-Ministeriums handelt, durchaus nicht überall klar geworden ist; daß sie durchaus nicht überall aus einer Schau betrachtet wird, die Verantwortungsbewußtsein und Verpflichtung in sich schließt gegenüber Lösungen, die uns nun einmal zur Aufgabe gestellt werden.
Was soll man zum Beispiel dazu sagen, wenn zu Kap. 1 Tit. 1 der Antrag gestellt wird, rigoros und ohne jede Begründung, statt 41 Stellen 30 Stellen zu setzen, also ohne daß man sich überhaupt Gedanken darüber gemacht hat, ob denn das Ministerium für die Angelegenheiten der Heimatvertriebenen dann noch arbeitsfähig sein wird, und weiter, in Kap. 1 Tit. 4 14 Stellen zu streichen ? Ich kann mich bei dieser Prozedur des Eindrucks nicht erwehren, als habe bei der Stellung dieses Antrags sehr wenig Sachkenntnis Pate gestanden.
Als ich vorhin hier die Diskussion, die ja zum Teil auch eine Auseinandersetzung zwischen den Generationen war, verfolgte, da dachte ich als Vertreter der jungen Generation daran, daß ich eigentlich immer sehr viel Respekt und Hochachtung vor der Sachkenntnis und der Erfahrung grauer Häupter gehabt habe. Ich habe aber dann beschlossen, das in Zukunft nicht mehr auf die Bärte auszudehnen.
Im Kap. 1 Tit. 7 a handelt es sich um die Trennungsentschädigungen. Hier sollen nach dem Antrag — nach dem Prinzip: „sagen wir die Hälfte" -
25 000 DM von dem eingesetzten Betrag von 50 000 DM gestrichen werden. Dabei ist es doch Tatsache, daß im Ministerium für ,die Angelegenheiten der Heimatvertriebenen in erster Linie eben Vertriebene beschäftigt werden und daß gerade diese Beamten und Angestellten weitgehend dazu gezwungen sind, zwei Haushaltungen zu führen. Ohne jede Sachkenntnis also werden einfach einem Prinzip zuliebe derart hohe Streichungen beantragt.
Womit will man weiter im Kap. 1 Tit. 16 und 18 die Streichungen begründen? Womit will man die Streichungen der für die Fortführung der Gemeinschaftsküche eingesetzten Beträge um die Hälfte begründen?
Überraschend ist ferner, daß im Kap. 2, das den Haushalt der Sonderabteilung für Betreuung der Kriegsgefangenen, Heimkehrer und DPs betrifft und mit 16 Stellen dotiert ist, ohne jede Begründung sechs Stellen gestrichen werden sollen.
Bei den einmaligen Ausgaben, die unter E 11 Tit. 1, 4 und 5 im Einzelplan XV stehen, werden, ebenfalls ohne jede Begründung, so weitgehende Streichungen vorgeschlagen, daß meine politischen Freunde und ich unter keinen Umständen bereit sind, diese Abänderungsvorschläge und Anträge der Abgeordneten Dr. Leuchtgens Und Genossen als eine Diskussionsgrundlage für eine Beratung zu betrachten. Wir bitten daher das Hohe Haus, darüber zur Tagesordnung überzugehen.
Ein wenig ernster zu nehmen sind zweifellos die Anträge der Deutschen Partei unter Drucksache Nr. 765. Hier möchte ich mich weitgehend der Auffassung meines geschätzten Herrn Vorredners anschließen. Der unter Ziffer 1 des Antrags Drucksache Nr. 765 für Beihilfen an verdrängte Beamte und Wehrmachtversorgungsempfänger eingesetzte Betrag in Höhe von 1 Million DM reicht unserer Auffassung nach in keiner Weise aus, die Frage, die hier zur Lösung gestellt ist, wirksam zu lösen.
Die unter Ziffer 2, unter I a) und b) und unter II - „Endgültige Regelung" — vorgeschlagenen Formulierungen glauben wir ebenso wie mein Herr Vorredner am besten und am würdigsten dort behandeln zu können, wo Zeit, Möglichkeit und Gelegenheit dazu ist, nämlich im Ausschuß für Heimatvertriebene.
Wenn ich mich nun dem Haushalt selber, so wie er uns mit Einzelplan XV der Vorlage vorgelegt wurde, zuwende. dann darf ich zunächst darauf verweisen, daß die Frage, was für eine Rolle dieses Heimatvertriebenen-Ministerium — so will ich es der Einfachheit halber einmal nennen — denn nun eigentlich zu spielen hat, die Gemüter der Millionen Vertriebenenen sehr lange und sehr stark dort draußen bewegt hat.
Meine politischen Freunde und ich vertreten zwar die Auffassung, daß selbstverständlich die Frage der Lösung des Vertriebenenproblems, die Frage der Vertriebenenbetreuung und Vertriebenenversorgung nicht in erster Linie und ausschließlich nur eine Aufgabe des Ministeriums für Heimatvertriebene sein kann und sein soll und sein darf. Dafür trägt die gesamte Bundesregierung die Verantwortung. Das ist eine Aufgabe, die genau so wie dem 'deutschen Volk in seiner Gesamtheit auch der gesamten Bundesregierung gestellt ist. Wir sind allerdings selbst bei intensiver Erforschung der einzelnen Quellen der Meinung, daß bei der Größe dieser Aufgabe die Einrichtung dieses Ministeriums nicht ganz dem entspricht, was wir uns darunter vorgestellt hatten. Es wird sich sehr schnell erweisen, daß dieses Ministerium — trotz der Tatsache, daß alle Ministerien der Bundesrepublik Aufgabenträger bei der Lösung des Vertriebenenproblems sind - sicherlich in verschiedenen Zweigen, die hier im Einzelplan XV aufgeführt werden, ausgedehnt und ausgebaut werden muß.
Ich darf im Zusammenhang mit dieser Feststellung und vor allen Dingen mit der unbedingten Notwendigkeit, vor der die Bundesregierung und dieses Hohe Haus stehen, das Vertriebenenproblem zu lösen, einmal ganz kurz darauf verweisen, welche Hoffnungen Millionen Vertriebene seinerzeit an die Bildung dieses Ministeriums für Heimatvertriebene geknüpft haben. Es ging ein befreiendes Aufatmen durch ihre Reihen, denn sie sollten ja jetzt endlich eine zentrale Stelle bekommen, die über die Ländergrenzen unserer 11 Vaterländer hinweg die Probleme der Vertriebenen, die Betreuung und Versorgung auf der Bundesebene regelt. Außerdem konnten sie noch die Feststellung treffen, daß an der Spitze dieses Ministeriums einer ihrer Schicksalsgefährten stand, nämlich der von uns allen geschätzte Minister Lukaschek.
Ich darf ferner darauf verweisen, daß die Hoffnungen, die man damals daran geknüpft hat, weitgehend genährt wurden von Wahlversprechungen, von Agitationen der verschiedensten Art. Wir können wohl feststellen, daß trotz der zahlreichen Reden, der vielen Versprechungen und nicht zuletzt auch der Meldungen durch Rundfunk und Presse die befreiende Tat, die Millionen dort draußen erwartet hatten, ausgeblieben ist. Man hat lange Zeit vergebens gewartet. Wir haben im Ausschuß für Heimatvertriebene immer wieder die Feststellung treffen müssen, daß man der sogenannten psychologischen Auswirkung schon durch die Tatsache der Errichtung dieses Ministeriums und durch die verschiedensten Pläne, die herausgestellt wurden, in Presse und Rundfunk einen breiten Raum eingeräumt hat. An die Stelle der Versprechungen trat eben nicht die befreiende Tat. Wir sollten uns deswegen nicht so sehr darüber wundern — und der Herr Bundesminister Dr. Lukaschek weiß das so gut wie ich —, daß in weitesten Kreisen ,der Vertriebenen Enttäuschung, Verzweiflung und Erbitterung Platz gegriffen haben.
Ich will es mir versagen, auf verschiedene uns allen gemeinsame Erlebnisse einzugehen. Ich denke da zum Beispiel an Bonn, an diese sehr unerfreulichen und alarmierenden Geschehnisse, die uns Veranlassung geben sollten, einmal ernstlich nachzudenken, was man denn nun eigentlich zur Lösung des Vertriebenenproblems, ungeachtet der Tatsache, .daß es nicht nur ein deutsches, also ein nationales, sondern auch ein internationales Problem geworden ist, tun könnte.
Ich habe den Eindruck — ich glaube nicht, daß ich damit in den Verdacht gerate, hier etwas persönlich Unsachliches sagen zu wollen —, daß der Herr Minister Lukaschek sicherlich den besten und ehrlichsten Willen hat. Davon haben wir uns gerade im Ausschuß immer wieder überzeugen können. Aber wir hätten ihm sehr oft einen etwas stärkeren Arm im Kreis der übrigen zwölf Bundesminister gewünscht. Wir hätten gewünscht, daß hinter diesem von uns anerkannten guten Willen dann auch die nötige Energie und die Absicht, sich unbedingt durchzusetzen, gestanden hätten. Dabei sind wir uns der Schwierigkeiten durchaus bewußt, sich in dem Kabinett der Bundesrepublik durchzusetzen.
Im Zusammenhang mit dieser Feststellung darf ich sicherlich auch einmal die Frage aufwerfen, um welche Probleme es denn nun eigentlich geht. Wenn wir uns über den Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen unterhalten, wollen wir auch wissen und müssen uns Gedanken darüber machen, welche Aufgaben mit den Mitteln, die bereitgestellt werden und die wir hier bewilligen sollen, zu lösen sind. Zunächst einmal ist zu untersuchen, in welcher Situation sich denn eigentlich die überwältigende Anzahl der Heimatvertriebenen befindet. Ich betrachte es als meine Pflicht, in dem Zusammenhang auch einmal auf die Gesamtproblematik des sozialen Massenelends aufmerksam zu machen. Dabei bin ich mir bewußt, daß das soziale Massenelend, die soziale Not nicht die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge allein erfaßt hat, und knüpfe daran die Feststellung, daß die Beseitigung oder Bekämpfung dieses Elends und dieser Not, nicht nur wie ich es einleitend bemerkt habe, Aufgabe des Herrn Bundesministers Lukaschek sein kann und sein darf. Um aber keinen Zweifel über die Ursachen dieses Massenelends dort draußen aufkommen zu lassen, gestatten Sie mir eine vielleicht ein wenig abwegig erscheinende Bemerkung. Ich bin der Auffassung — und ich weiß, daß meine politischen Freunde diese Auffassung weitgehend teilen —, daß die erste Seite in diesem leidvollsten Kapitel der deutschen Geschichte nicht 1945 geschrieben worden ist, daß nicht die bedingunglose Kapitulation in erster Linie die Ursache dieses sozialen Massenelends ist, das draußen herrscht und dessen Bekämpfung wir uns zuzuwenden haben, sondern daß die erste Seite dieses Kapitels 1933 geschrieben worden ist.
1945 ist nicht Ursache, sondern Wirkung. Ursache scheint mir zu sein — darüber, glaube ich, müßte man sich heute auch mehr Gedanken machen, als es geschieht — die Machtergreifung durch den Nationalsozialismus im Jahre 1933.
Natürlich wird mit dieser Feststellung nichts über die dringende Verpflichtung dieses Hohen Hauses und der Bundesregierung ausgesagt, sich der Opfer der unseligen Vergangenheit wärmstens anzunehmen, in der Absicht und mit dem Willen, dem sozialen Massenelend tatkräftig zu steuern. Wir haben einen Anschauungsunterricht darüber erhalten, was es bedeutet, wenn draußen im Volk weiteste Kreise täglich mehr verelenden. Wir wissen seit dem Jahre 1930, daß dieses Massenelend Zündstoff, ja Dynamit liefert, daß es den Nährboden für neue politische Abenteurer, Hasardeure und Glücksritter darstellt. Wir wissen, daß in einem Land und in einem Volk, wo das soziale Massenelend das Denken des Tages beherrscht, die Demokratie, um die wir uns hier alle gemeinsam bemühen, niemals die große Selbstverständlichkeit werden kann.
Wir erwarten, daß das Ministerium für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen es als seine dringlichste Aufgabe betrachtet, zunächst einmal die Arbeiten an dem Vertriebenengesetz des Bundes so zu beschleunigen, daß in absehbarer Zeit endlich in der gesamten Bundesrepublik eine einheitliche Gesetzgebung auf dem Gebiet der Flüchtlingsbetreuung und der Flüchtlilngsversorgung Platz greift. Dieses Gesetz maß mehr als nur ein Rahmengesetz sein, es muß von vornherein, gestützt auf Art. 131 des Grundgesetzes, weitgehend ausschließen, daß in den einzelnen Ländern der Bundesrepublik gesetzliche Entscheidungen gefällt werden, die so unterschiedlich sind, daß praktisch ein Vertriebener überhaupt nicht mehr weiß, was denn nun eigentlich in seiner Sache Rechtens ist, und um welche Fragen es geht, wenn er einmal im Rahmen des kommenden Flüchtlingsausgleichs in ein anderes Land überwiesen werden sollte.
Auch nach unserer Auffassung sollte der Begriff der Gleichstellung zwischen Einheimischen und Vertriebenen in diesem neuen Flüchtlingsgesetz fundiert werden, und zwar nicht rein vom Deklamatorischen her. Wir wissen, daß in den verschiedenen Flüchtlingsgesetzen der Länder diese Gleichberechtigung als selbstverständlich unterstellt wurde, wir wissen aber auch, daß man immer dann, wenn es darum ging, diese Gleichberechtigung in der Praxis zu beweisen, die Feststellung treffen mußte, daß damit sehr hohe materielle Ausgaben und Aufwendungen verbunden waren und daß dann die Frage der Gleichberechtigung sehr schnell aus dem Kreis der Diskussionen der dafür zuständigen Behörden und Institutionen verschwand. Nichts ist ja in Wahrheit für den Vertriebenen draußen so bedrückend, als daß er immer wieder die Feststellung machen muß, daß in dem Augenblick mit zwei- und dreierlei Maß gerechnet wird, wenn es sich darum handelt, die Frage der Gleichberechtigung zwischen Einheimischen und Vertriebenen zu klären.
Gerade auch im Zusammenhang mit dem Antrag der Deutschen Partei Drucksache Nr. 765 sollten wir uns der zwingenden Notwendigkeit bewußt werden, uns einmal der Frage der Gleichstellung der verdrängten Pensionäre aller Art mit den Einheimischen endlich zuzuwenden und zu einer rechtlichen Lösung und Regelung zu kommen.
Wenn wir in dem neuen Bundesflüchtlingsgesetz die Gleichberechtigung festlegen, dann sollten wir uns bewußt sein, daß zur Verwirklichung dieses Begriffs der Gleichberechtigung ein Aufwand von vielleicht Milliarden D-Mark gehört. Ich wollte damit lediglich andeuten, daß man entweder Formulierungen, wie sie die einzelnen Länder fanden, unterlassen soll, wenn man nicht bereit ist, die materiellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, oder im Bewußtsein dieser zwingenden Notwendigkeit dann auch verantwortungs- und pflichtbewußt die Gleichberechtigung im Hinblick auf die Notwendigkeit, die dazu erforderlichen Mittel bereitzustellen, anerkennen soll.
Eine zweite Frage, die ich auch im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung des Heimatvertriebenenministeriums hier herausstellen möchte, ist die des Rechtes auf den Arbeitsplatz. Was haben wir draußen von dem Zeitpunkt ab erlebt, als die Massenentlassungen in Erscheinung traten? In erster Linie waren es zunächst einmal die Vertriebenen und Flüchtlinge, die auf die Straße geworfen wurden. Hier endlich einmal dazu überzugehen, das gleiche Recht auf den Arbeitsplatz für Einheimische sowohl als auch für Vertriebene auf eine neue gesetzliche Basis zu stellen, scheint mir unbedingt erforderlich. Damit ist selbstverständlich die Frage nach der Arbeitsbeschaffung für Vertriebene nicht von dem gesamten Fragenkomplex unserer Wirtschaft, von der Frage der Vollbeschäftigung loszulösen. Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, daß wir gerade das Recht der Vertriebenen auf einen Arbeitsplatz im engsten Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik sehen, gegen die wir uns in diesem Hohen Hause fortlaufend und ständig zur Wehr gesetzt haben.
Wir erwarten nicht — da werden Sir mir sicherlich zustimmen —, daß sich dieses Hohe Haus in seiner Gesamtheit für eine sozialistische Wirtschaft entscheidet. Wir sind überhaupt der Meinung und haben uns davon sehr oft überzeugen können, daß Sie, meine Damen und Herren auf der Rechten und in der Mitte dieses Hauses, selbstverständlich nicht für eine sozialistische Demokratie eintreten. Das nehmen wir Ihnen nicht übel. Aber Sie sollten sich wenigstens zur Schaffung einer sozialen Demokratie in diesem Rahmen bereit finden. Diese im Zusammenhang mit der zwingenden Notwendigkeit zu schaffen, neben allen anderen Problemen auch das Vertriebenen- und Flüchtlingsproblem einer Lösung näherzubringen, ist eine wichtige Aufgabe. Auf all diesen Gebieten sehe ich Aufgaben und Verpflichtungen, und die sehe nicht nur ich, sondern die sieht, das weiß ich, auch ein großer Teil dieses Hauses.
Zur Beseitigung des sozialen Massenelends unter den Vertriebenen gehört aber noch etwas anderes, das auch beinahe wieder Gegenstand der Debatte in diesem Hause geworden ist und worüber ständig Entschließungen im Ausschuß für Heimatvertriebene und auch hier gefaßt wurden, die Frage des Lastenausgleichs.
Wenn ich das hier ausspreche und dazu ganz kurz Stellung nehme, dann glaube ich — auch im Namen meiner politischen Freunde —, die
Tendenzen und Absichten zurückweisen zu müsmen, die darauf abzielen, die Soforthilfe bereits als endgültigen Lastenausgleich zu deklarieren. Wir wissen einiges darüber, daß solche Absichten bestehen. Deshalb möchten wir hier warnen, und ich darf da noch einmal auf meine Feststellung verweisen, daß das ungeheure soziale Massenelend dort draußen Dynamit darstellt. Ich möchte hier aussprechen, daß derjenige, der glaubt, die Frage des Lastenausgleichs unter der Schau des „Laßt den Ausgleich" sehen zu können, sicherlich nur wenig von dem weiß, was draußen in Kreisen der Vertriebenen vor sich geht; daß .der nur wenig weiß von den berechtigten Forderungen von Millionen unverschuldet in Not und Elend geratener Menschen. Wir werden uns mit allen Mitteln — demokratischen Mitteln selbstverständlich — gegen diese Art der Erledigung dringendster sozialer Verpflichtungen zur Wehr setzen.
Ich habe schon gesagt, daß es bei allen diesen Fragen nicht zuletzt auch um die Sicherung und Festigung der Demokratie geht Ich weiß auch - und Sie werden sicherlich meine Auffassung in diesen Dingen teilen —, daß wir im Zusammenhang mit der Aufgabenstellung des Heimatvertriebenenministeriums in aller Kürze Entscheidungen von sehr weitgehender Bedeutung und Tragweite zu fällen haben. Ich möchte dann hoffen und wünschen, und ich möchte Sie, meine Damen und Herren, sehr darum bitten, daß wir unsere gesamte Verpflichtung auf dem sozialen Sektor erkennen, und nicht nur erkennen, sondern aus dieser Erkenntnis auch die notwendigen Schlußfolgerungen ziehen. Das gilt vor allen Dingen im Zusammenhang mit der Frage, die demnächst hier erneut anstehen wird, nämlich mit der Frage der Kreditbeschaffung für Vertriebene und Flüchtlinge.
Wir wissen doch genau, wie die Angelegenheit bis dato draußen ihre Erledigung fand; wir wissen doch, daß die Frage der Banksicherheit, die von den Kreditinstituten selbstverständlich nach privatwirtschaftlichen und privatkapitalistischen Gesichtspunkten gestellt wurde, ohne die von uns schon lange geforderte und durch einen einstimmigen Ausschußbeschluß erhärtete Bundesbürgschaft nicht zu lösen sein wird, die in dem Augenblick endlich einmal eintreten muß, in dem die Frage der Kreditbewilligung und der Kreditbeschaffung für Existenzgründungen aller Art Gegenstand der Debatte wird. Mit der Schaffung der Flüchtlingsbank allein — und das darf ich auch dem Herrn Bundesminister einmal sagen — ist meiner Auffassung nach nichts erreicht, wenn nicht die Lücke ausgefüllt wird, die sich ergibt, weil die Millionen Vertriebene nichts besitzen. um Sicherheit leisten zu können,
- danach wird leider nicht gefragt —, wenn nicht durch eine Bürgschaft der gesamten Bundesregierung diese Lücke ausgefüllt wird. — Die Frage der Erziehungs- und Ausbildungsbeihilfen ist von dieser Angelegenheit ebenfalls nicht zu trennen, und daß dabei die Frage der Pensionen eine ungeheure Rolle spielt, ist selbstverständlich und wird sicherlich von keinem Einsichtigen bestritten.
Zusammenfassend und abschließend darf ich sagen, daß wir im Ministerium für Vertriebene und in seiner Gründung und seiner Bildung eine
Rede von: Unbekanntinfo_outline
der sozialen Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland eine so breite Straße zu bauen, daß auf ihr Millionen sozial schwacher Menschen in eine bessere Zukunft marschieren können.
Wir werden also dem Haushaltsplan XV aus den von mir wiederholt aufgezeigten Gründen unsere Zustimmung erteilen.
Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen übergehe, einige Sätze zu dem Etat des Flüchtlingsministeriums, der. uns hier vorliegt. Man kann bei der sachlichen Beurteilung der Arbeit des Ministeriums absolut geteilter Meinung sein, ob dieses Ministerium in seiner gegenwärtigen Form und Gestalt eine zwingende Notwendigkeit ist. Man wird auf diesen Gedanken gebracht, wenn man berücksichtigt, daß beispielsweise allein in diesem Ministerium 8 Ministerialräte und 4 Ministerialdirigenten vorhanden sind, obwohl niemand bestreiten wird, daß dieses Ministerium eines Tages aufhören wird zu existieren und damit nach der beamtenmäßigen Seite hin dem Bund als Erbe dieses Ministeriums eine ziemlich starke Belastung übrigbleibt. Aber auf der andern Seite möchte ich auch feststellen, daß bei der Beurteilung der praktischen Arbeit des Ministeriums eine Reihe großer Überschneidungen mit anderen Ministerien, beispielsweise mit dem Innenministerium, zu berücksichtigen ist. Ich kann aus rein sachlichen Gründen nicht einsehen, warum beispielsweise die Kriegsgefangenenfrage nun im Flüchtlingsministerium behandelt werden soll, da sie doch, rein sachlich gesehen, bereits im Innenministerium behandelt wird.
Das zu dem Etat des Ministeriums. Im übrigen wäre ich Herrn Minister Lukaschek dankbar, wenn er einige Aufklärungen auch darüber geben wollte, wie sich die Summe von 20 000 DM für sogenannte Gutachten zusammensetzt.
Wir haben weiter in Tit. 31 der Etatvorlage für Informationsmaterial eine Summe von 50 000 DM, davon 20 000 DM vorläufig gesperrt, die aber nach meiner Überzeugung im kommenden Etatjahr um ein Bedeutendes anwächst. Ich wende mich nicht dagegen, daß beispielsweise das Flüchtlingsministerium die Verpflichtung hat, eine ganze Reihe sachlicher Veröffentlichungen zu tätigen, die in der Weltöffentlichkeit einmal auf die Lage der Flüchtlinge aufmerksam machen. Ich wende mich nicht dagegen, daß das Flüchtlingsministerium die Verpflichtung hat, auch das deutsche Volk rein informatorisch und sachlich über die Lage der Flüchtlinge aufzuklären; aber ich glaube — und ich knüpfe da an die gestrige De-
batte an —, daß diese Voraussetzungen nicht ganz erfüllt sind.
Anlaß zu dieser Bemerkung geben mir zwei Artikel, die in der Herrn Dr. Adenauer nahestehenden „Kölnischen Rundschau" am 3. und 11. März 1950 unter dem Titel erschienen sind: „Ich war mit Kardinal Mindszenty in der Todeszelle — Zellengenossen des Kardinals berichten über die Folterungen des ungarischen Kirchenfürsten". Und so dramatisch die Überschrift gewesen ist, so dramatisch war auch der Inhalt. Die „Kölnische Rundschau" hätte die saubere journalistische Verpflichtung gehabt, sich einmal zu orientieren, ob sie die in den letzten Jahren in der sogenannten neutralen Presse übliche Tradition fortzusetzen gedenkt, wenn es gilt, irgend etwas gegen Osteuropa zu schreiben. Sie hätte nur die „Neue Zeitung", die Zeitung der amerikanischen Behörden, lesen müssen, in der unter dem 3. März — gestatten Sie, daß ich Ihnen das zur Kenntnis bringe — folgendes steht:
Ungarischer Flüchtling als ein Hochstapler entlarvt.
Ein angeblich vor kurzem in Westdeutschland eingetroffener ungarischer Flüchtling wird, wie am Freitag in unterrichteten Kreisen verlautet, augenblicklich von den Behörden unter dem Verdacht gesucht, der demokratischen Presse lügenhafte Sensationsmeldungen zuzuleiten. Der Hochstapler, der sich als Ingenieur Kovac Karolyi ausgibt, sucht angebliche Einzelheiten über die Folterung prominenter Opfer des gegenwärtigen kommunistischen Regimes in Ungarn westdeutschen Zeitungen als selbsterlebte Erfahrungen zu enthüllen.
Vor einiger Zeit erschien er in der Frankfurter Redaktion der „Neuen Zeitung" und behauptete in einer offenbar melodramatischen Reportage, daß er als Dolmetscher für den kürzlich zu 15 Jahren Gefängnis verurteilten amerikanischen Geschäftsmann Robert Vogler fungiert habe und über die von Vogler erlittenen Folterungen Details geben könne. Eine sofort angestellte Überprüfung durch die „Neue Zeitung" ergab sehr schnell, daß es sich um reine Erfindungen eines internationalen Schwindlers handelt. Nun ist es dem Hochstapler gelungen, einen ähnlichen Bericht, diesmal über angebliche Einzelheiten der Folterungen von Kardinal Mindszenty, in der „Kölnischen Rundschau" unterzubringen.
— Das hat sehr viel damit zu tun; ich werde Ihnen das beweisen. Die sich daran anschließende Pressepolemik zwang die „Kölnische Rundschau"; ihren Gewährsmann einmal zu charakterisieren. Die „Kölnische Rundschau" — und das, verehrter Herr, hat es mit dem Etat des Flüchtlingsministeriums zu tun — stellte dann fest, daß er Papiere einer Hamburger Firma, einer britischen Kontrollstelle und vom Bundesministerium für Vertriebenenfragen Ausweise vorgelegt hätte.
Diese Dinge wollen wir feststellen;
sie haben mit dem Etat etwas zu tun. Wenn Sie objektiv und sachlich genug urteilen könnten, würden Sie auch die Befürchtungen über die Verwendung der Etatmittel, die ich eingangs geäußert habe, unterstützen.
In der gestrigen Debatte sind -eine ganze Reihe Fragen aufgetreten, zu denen nach meiner Auffassung gerade bei der Behandlung des Etats des Flüchtlingsministeriums einmal eine Feststellung getroffen werden muß. Sie nehmen jede Gelegenheit wahr — und das taten Sie vor allen Dingen vor der Wahl —, das Flüchtlingsproblem aus der Ebene der sachlichen Beurteilung in die Ebene des politischen Kampfes mit hineinzuziehen. Bei der Auswahl der Mittel sind Sie nicht immer wählerisch. Aber ich glaube, man soll gerade jetzt im Hinblick auf die Deutschen, die aus Polen und der Tschechei hierher zurückfluten, immerhin feststellen, daß sie das nicht, sagen wir einmal, aus freien Stücken tun, sondern daß sie zurückfluten, weil sie von deutschen Stellen und von ihren eigenen Angehörigen, die in den Westzonen und der Deutschen Demokratischen Republik leben, dazu aufgefordert worden sind.
Sie behaupten dagegen immer wieder, daß es sich auch hier in diesen Fällen um erneute Massenausweisungen handle. Wenn Ihnen der Gegenbeweis erbracht wird, dann erklären Sie großzügig, daß es eigentlich darum gehe, den Menschen das Leben zu erleichtern, das sie in den volksdemokratischen Ländern, in Polen und in der Tschechoslowakei, nicht mehr führen können. Ich empfehle Ihnen einmal einige Pressenotizen über die Dinge, die sich jetzt an der Zonengrenze abgespielt haben, zum Studium. Diese Pressenotizen stellen eindeutig fest, daß von den Leuten, die jetzt herüberkommen oder den Versuch machen, herüberzugehen, gesagt wird: Wir wurden doch alle von unseren Angehörigen drüben angefordert, und nun läßt uns der Engländer nicht über die Grenze. Ich könnte Ihnen da eine ganze Reihe Dinge vorlesen, die wirklich den Tatsachen entsprechen
und die Lage der Flüchtlinge nach dieser Seite hin beleuchten. Man soll sich die Agitation, wenn man verpflichtet ist, sie zu treiben, nicht so bequem machen. Man soll einmal vermeiden, die Äußerung anderer Meinungen einfach mit tumultuarischem Geschrei zu unterbinden.
Sie meinen doch nicht den Bundestag?
Nein.
Das geschieht doch nicht. Kohl : Aber gestern!
Wir sind der Meinung und sagen Ihnen das ganz offen, daß wir die Flüchtlingsfrage von diesem sachlichen Gesichtspunkt aus beurteilen und bewerten müssen.
Wir wünschen und empfehlen dem Herrn Bundesminister Lukaschek, sich die eindeutige Mei-
nung der Gewerkschaften einmal mit anzuhören. Wir sind der Meinung, daß sich das Flüchtlingsministerium auch in all den Fragen, z. B. auch in der von meinem Vorredner angeschnittenen Frage des endgültigen Lastenausgleichs, stärkstens einzuschalten hat. Weiter sind wir der Meinung, daß wir lange genug über die Dinge hier debattiert haben und daß nun das Ministerium endlich einmal Taten zeigen soll, Taten, zu deren Vollbringung es in der Vergangenheit Gelegenheit gehabt hätte. Ich erinnere an die Verabschiedung des Einkommensteuergesetzes, dem der Herr Bundesminister für das Flüchtlingswesen zugestimmt hat. Weiter erinnere ich an eine Reihe von sozialen Forderungen auf anderem Gebiet, die von den Flüchtlingen gestellt worden sind. Ich bin der Meinung, daß Flüchtlingsvertreter, wenigstens diejenigen, die im Bundestag als Flüchtlingsvertreter auftreten, den Flüchtlingen nicht erzählen sollten, ihre parlamentarische Tat liege darin, daß sie dem Bundestag das Deutschlandlied empfohlen haben, denn davon werden die Flüchtlinge weder satt, noch wird ihnen damit geholfen.
Wir werden Gelegenheit nehmen, auch noch eingehend zu dem Antrag betreffend Flüchtlingsbeamte Stellung zu nehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krause.
Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der ganze Umfang der Arbeiten und der politischen Verantwortung des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen wird schon aus dem Vorwort zum Etat ersichtlich. Darin ist die Rede davon, daß dieses Ministerium für die Mitwirkung bei der gesamten Gesetzgebung zuständig ist, soweit sie die Belange der Ostvertriebenen berührt. Wir sind allerdings nicht der Meinung, die im Rahmen der Debatte hier vorhin geäußert worden ist, daß das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen ein Kabinett im Kabinett ist. Wir wenden uns auch dagegen, daß man das Ministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen als die Vertretung einer Interessengruppe bezeichnet. Wir sind der Meinung, daß das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen die Repräsentation der acht Millionen im Bundesgebiet lebenden Heimatvertriebenen aus Ostdeutschland, vom Memelland bis hinunter zu den Sudeten, ist.
Wir sind auch nicht der Meinung, daß den Vertriebenen mit einer solchen Rede geholfen ist, wie sie eben von dem Vertreter der Kommunistischen Partei gehalten worden ist, der nach meinem Stenogramm — und ich stenographiere „nur" 300 Silben; verlassen Sie sich darauf, ich komme schon mit —
gesagt hat, daß von der Arbeit des Ministeriums die Ostvertriebenen weder satt werden noch ihnen geholfen wird.
Ich bin der Meinung, man soll über alle politischen Meinungsverschiedenheiten hinweg das Ministerium unterstützen und durch die Annahme des Etats für das Ministerium die Voraussetzungen dafür schaffen, daß der Herr Bundesminister Lukaschek nicht mehr in die Verlegenheit kommt, zu glauben, daß über dem Hauptportal seines Ministeriums das Wort „Unmöglich" steht. Es liegt am Bundestag, es liegt an der Bundesregierung und nicht zuletzt an dem von wohl allen Vertriebenen so „hoch verehrten" Herrn Bundesfinanzminister Schäffer, daß endlich einmal auf dem Gebiet auch hier praktische Arbeit geleistet wird.
Nach diesen Erklärungen, meine sehr verehrten Damen und, Herren, darf ich noch folgendes sagen: Wir wünschen uns, daß im Verhältnis des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen zu allen Dienststellen der Marshallplanverwaltung und zu sonstigen ausländischen Hilfsstellen eine noch stärkere Bindung entsteht; denn wir sind uns ja alle darüber klar, daß die Frage des Vertriebenenproblems mit eigenen Mitteln von uns Deutschen niemals wird allein gelöst werden können. Es ist also erforderlich, das Ausland in noch stärkerem Maße als bisher auf diese Dinge aufmerksam zu machen.
Im Zusammenhang damit würden wir es begrüßen, wenn im Rahmen der Verbindung mit dem Ausland, soweit das Vertriebenenproblem in Frage kommt, auch die Kreditwirtschaft noch aktiver für unsere Ostvertriebenen angekurbelt wird.
Besonders aber begrüßen wir von der Zentrumsfraktion die Eingliederung der Sonderabteilung zur Betreuung der Kriegsgefangenen und Heimkehrer in das Bundes-Vertriebenenministerium. Es wird die trizonale Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang einmal interessieren, Zahlen nach dem neuesten Stand der Dinge zu hören. Nach den Angaben, die ich mir noch heute morgen besorgt habe, sind seit dem Bestehen des Länderrats in Stuttgart und der Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Länder für Kriegsgefangenenbetreuung durch die Behörden bisher insgesamt 2,1 Millionen Heimkehrer betreut worden. Zur Zeit sind noch 150 000 zu betreuen. Erwartet werden nach dem augenblicklichen Stand der Dinge noch 450 000 Kriegsgefangene, von denen wir alle hoffen wollen, daß sie alle bald die Heimat wiedersehen.
Wir haben auch nichts dagegen einzuwenden, daß in Kap. 1 Tit. 20 an Kosten für Sachverständigengutachten 20 000 DM ausgeworfen werden. Diese Sachverständigengutachten sind gerade jetzt erforderlich im Zusammenhang z. B. mit der Bildung der Vertriebenenbank. Es war dabei notwendig, eine Anzahl von Bankexperten zu hören. Es ist auch immer wieder notwendig, daß man immer wieder entsprechende Gutachten über international-rechtliche Fragen, soweit sie das Vertriebenenproblem angehen, herstellen läßt. Ich bin der Meinung, man kann über das Vertriebenenproblem weit über den Rahmen von Gutachten hinweg nicht genug in die Welt hinausposaunen.
Im Kap. 1 Tit. 24 finden wir den berühmten Betrag von 10 000 DM „zur Verfügung des Bundesministers für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen", wie das bürokratisch so „schön" genannt wird. Wir haben ja gestern dem Bundestag unter der Drucksache Nr. 743 den Antrag des Zentrums vorgelegt, der dahin geht, daß dieser Titelbetrag
in sämtlichen anderen Bundesministerien gestrichen wird mit Ausnahme des Bundeskanzleramtes, des Bundespräsidialamtes und eben auch des Bundesministers für Angelegenheiten der Vertriebenen. Wir haben beantragt - und hoffen, daß dieser Antrag in der dritten Lesung dann auch durchgehen wird —, daß dafür von den auf diese Weise eingesparten Geldern der Betrag beim Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen auf 20 000 DM erhöht wird, weil sich eben doch langsam herumgesprochen zu haben scheint, daß die Not unter den Ostvertriebenen auch heute noch ungeheuer groß ist.
Wir begrüßen ferner, daß für die Herstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zur Aufklärung über die zur Zeit abgetretenen Gebiete 50 000 DM im Etat stehen, und sind dem Haushaltsausschuß außerordentlich dankbar dafür, daß er diesen Betrag schon von sich aus auf diese Summe erhöht hat. Es muß einmal bei der Gelegenheit gesagt werden, auch von dieser Stelle aus, daß nicht genug bekannt werden kann — gerade in Hinblick auf das langsam herankommende Jahr 1952 —, daß die hunderttausend Quadratkilometer jenseits der Oder-Neiße-Linie mit ihrem Kapitalwert von 9 Milliarden Dollar ausgereicht hätte, um 20 Millionen Menschen bei täglich 2500 Kalorien zu ernähren. Daran sollte ganz Deutschland immer denken angesichts der blutenden „Grenze", die an der Oder und an der Lausitzer Neiße vor der Zone des Schweigens geschaffen worden ist!
Es wäre auch wünschenswert, wenn seitens des Herrn Bundesministers Dr. Lukaschek an die Kultusminister-Konferenz einmal eine Art Empfehlung gegeben wird dahingehend, daß in allen Schulen des ganzen Bundesgebietes endlich einmal auch eine Stunde „Ostdeutsche Geographie" in jeder Woche eingerichtet wird. Das ist Information im Kleinen.
Im Kap. 2 bei Tit. 4 stehen die Ausgaben für die Sonderabteilung „Betreuung der Kriegsgefangenen und Heimkehrer", von der ich schon vorhin sprach. Im Zusammenhang damit darf ich darauf hinweisen, daß wir vom Zentrum wie auch wahrscheinlich die anderen Fraktionen dieses Hohen Hauses nicht daran denken werden, gerade an diesem Kapitel, das der Betreuung unserer heimkehrenden Kameraden dienen soll, auch nur etwas zu rütteln. Wir sehen daher wirklich nicht ein, warum der 74jährige Herr Abgeordnete Leuchtgens sogar an diesem Kapitel noch Streichungen vorzunehmen überhaupt erst beantragt hat. Wenn wir bedenken, daß von den zwölf Arbeitskräften, die allein in dieser Abteilung tätig sind, etwa die Hälfte von 200 DM Monatsgehalt auf dem teuren bundeshauptstädtischen Pflaster Bonns leben muß, so würden wir es als sozial nicht gerecht empfinden, wenn man hier die von Herrn Leuchtgens beantragten Streichungen vornehmen würde.
Etwas aber darf ich noch sagen, was uns im Rahmen der Beratungen und. Betrachtungen des Etats für das Vertriebenenministerium aufgefallen ist. Im Einzelplan II Kap. 1 Tit. 4 Ziff. 1 S. 8 der Drucksache Nr. 671 im Haushalt des Bundestages finden wir für Überstundenvergütungen 15 500 DM eingesetzt. Im Einzelplan IV Tit. 4 Kap. 1 Seite 15 der Drucksache Nr. 674 im Haushalt des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramts finden wir an Überstundenvergütungen 7100 DM eingesetzt. Im Einzelplan IV Kap. 3 Seite 49 der Drucksache Nr. 674, das ist bekanntlich das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, finden wir Überstundenvergütungen von 30 000 DM eingesetzt. Im Einzelplan XVII Kap. 1 Tit. 4 auf Seite 10 der Drucksache Nr. 681, in dem so „außerordentlich wichtigen" Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrats, f in-den wir Überstundenvergütungen von 8000 DM eingesetzt, und dies allein beim Personaletat von nur 19 Angestellten und 8 Arbeitern! Das, meine Damen und Herren, ist uns beim besten Willen nicht verständlich, wenn man bedenkt, daß im Bundes-Vertriebenenministerium täglich durchschnittlich vier Überstunden von rund 50 Beschäftigten, darunter 30 weiblichen und 10 männlichen Angestellten, geleistet werden.
Bei der Gelegenheit muß einmal gesagt werden, was der evangelische Bischof von Berlin, Dibelius, als er vorige Woche hier im BundesVertriebenenministerium zu einer Besprechung weilte, Herrn Staatssekretär Dr. Schreiber gegenüber geäußert hat: „Ich habe den Eindruck, daß Ihr Ministerium tatsächlich ein Arbeitsministerium für die Vertriebenen ist." Wenn man diese Äußerung hört, die auch tatsächlich dem wahren Sachverhalt entspricht, muß man sich wundern, warum für diese Angestellten im Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen kein Pfennig für Überstundenvergütungen, zum mindesten nicht im Etat, erscheint.
Das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen ist kein Ministerium wie etwa gewisse andere mehr oder weniger wichtige Ministerien. Das sehen Sie schon daraus, daß die Besucherzahl im Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen monatlich durchschnittlich 2000 beträgt.
Ich darf ganz kurz noch auf das eingehen, was wir von der Arbeit des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen im neuen Etatsjahr erwarten. Vorhin ist schon von Herrn Kollegen Welke gesagt worden, daß das Bundesvertriebenengesetz endlich Wirklichkeit werden muß. Es ist auch auf den Lastenausgleich hingewiesen worden. Ich darf mir erlauben, den Vorschlag zu machen, daß das Bundes-Vertriebenenministerium in Zusammenarbeit mit dem Lastenausgleich-Ausschuß und sonstigen beteiligten Stellen alles daran setzt, daß wir bis zum 1. Oktober dieses Jahres endlich einmal etwas Greifbares für den kommenden Lastenausgleich zu sehen bekommen. Wenn das nicht der Fall ist, befürchte ich, daß eine soziale Revolution ungeahnten Ausmaßes in den Westzonen einsetzen kann, und das muß verhindert werden. Am Lastenausgleich, meine Damen und Herren, sind ja nicht nur die Ostvertriebenen beteiligt. Es sind daran auch die Ausgebombten, die Kriegsgeschädigten, ja sogar die Währungsgeschädigten beteiligt. Neulich ist von dieser Stelle aus einmal erklärt worden, daß im ganzen Bundesgebiet nicht weniger als 20 Millionen Menschen auf den Lastenausgleich warten, und 20 Millionen entrechtete und enttäuschte Menschen lassen sich eben nicht auf die Dauer von nochmals, sagen wir, 5 Jahren von Tag zu Tag und von Woche zu Woche vertrösten.
Ich würde es aber ganz besonders begrüßen, wenn noch im Laufe der ersten Hälfte des Jahres 1950 endlich einmal die Zuzugssperre aufgehoben würde. Die Zuzugssperre wirkt sich gerade gegenüber den Vertriebenen insofern sehr nachtei-
lig aus, als sie eine der Grundlagen für die Massenarbeitslosigkeit in den Reihen der Vertriebenen ist.
Zur Frage der Pensionen und Wartegelder für die heimatvertriebenen Beamten, Behördenbediensteten usw. ist heute schon viel gesprochen worden. Ich stelle dazu nur fest, daß meine Fraktion es war, die als erste bereits Mitte September vorigen Jahres den Antrag auf Gleichstellung der ostdeutschen Pensionäre und Wartegeldberechtigten gestellt hat. Am 2. Dezember ist es dann zu dem berühmten Beschluß des Bundestags gekommen. Am 1. März habe ich unter Drucksache Nr. 647, unterstützt durch die gesamte Fraktion der Zentrumspartei, die Anfrage Nr. 58 eingebracht, wann nun jener Bundestagsbeschluß endlich verwirklicht wird. Bis heute liegt die Antwort immer noch nicht vor, obwohl sie der Herr Präsident des Bundestags -zu Beginn der Sitzung am vergangenen Dienstag bereits als vorliegend angekündigt hat. Bisher ist nichts weiter bekanntgeworden als eine Verlautbarung des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, die inzwischen in allen Zeitungen gestanden hat, über alle Rundfunkstationen gelaufen ist und in der unter anderem gesagt war, daß im Bundeskabinett „erwogen" wird, eine Übergangsregelung für die Pensionen und Wartegeldbezüge der ostvertriebenen Beamten zu treffen, bis auf Grund des Artikel 131 des Grundgesetzes im Rahmen des Haushaltsplans 1950/51 eine endgültige gesetzliche Regelung erfolgen könne. Zu diesem Zweck sei ein Betrag von 20 Millionen DM „in Aussicht genommen", der die Möglichkeit geben würde, für die Übergangszeit zusätzlich zu der bisherigen Regelung durch die Länder die Ruhegehälter in normaler Höhe und in den Fällen, in denen „die Voraussetzungen dafür gegeben erscheinen", auch Wartegelder zu zahlen. Am Schluß dieser amtlichen Verlautbarung steht ein Satz, der nach unseren bisherigen Erfahrungen fast geeignet erscheint, alle Hoffnungen, die sich aus dieser Meldung ergeben könnten, wieder zunichte werden zu lassen. Da steht nämlich drin: die Entscheidung des Kabinetts ergehe „in Kürze". Ich will hoffen, daß dieser Satz Wirklichkeit wird.
Im Zusammenhang damit ein Wort zu dem Abänderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei, der Ihnen unter Drucksache Nr. 765 vorliegt. Auch meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß dieser Änderungsantrag der Deutschen Partei, wie das vorhin von Herrn Kollegen Dr. Ehlers vertreten worden ist, an den Ausschuß für Heimatvertriebene gehen sollte, zumal -es sich im Rahmen dieser Etatdebatte praktisch doch um Gelder handelt, die schon längst ausgegeben sind; der DP-Antrag jedoch gilt ja doch wohl für den kommenden Etat. Wir werden diesen Antrag also im Ausschuß für Heimatvertriebene erst einmal beraten müssen, bevor er hier wieder vorgelegt werden kann.
Nun zum Antrag der Bayernpartei. Selbstverständlich müssen die Fragen der Kriegsgeschädigten genau so bearbeitet werden, und zwar noch aktiver, als es bisher schon geschah; auch über diesen Antrag müßte aber erst im Ausschuß für Heimatvertriebene noch beraten werden. Ich beantrage daher, auch den Antrag der Bayernpartei zur weiteren Beratung an den Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen.
Mit Unterstützung des ganzen Bundestages, mit Unterstützung der Regierung, vor allen Dingen des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer, muß es, so hoffe ich, im neuen Etatjahre möglich sein, die Arbeit für die Vertriebenen so zu leisten, wie es von den Millionenmassen meiner Schicksalsgefährten erwartet wird; denn an dem Hause Rheindorfer Straße Nr. 198 hängen Hoffnungen, die nicht enttäuscht werden dürfen!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Leuchtgens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich dem Herrn Kollegen von Rechenberg danken, daß er durch seine Ausführungen wenigstens" bis zu einem gewissen Grade die Würde des Hauses wiederhergestellt hat.
Ich weiß als Soziologe ganz genau, daß bei allen Vermassungen die Primitiveren das Wort führen. Das ist in der Soziologie längst — —
Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens, wie meinen Sie das? Im Sinne von „urkräftig" oder im Sinne von „unentwikkelt"?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Deshalb ist es besonders dankenswert, daß auch einmal Leute den Mut aufbringen, zu solchen Fragen Stellung zu nehmen, die nicht dieser Klasse angehören, die ich soeben erwähnt habe.
Im übrigen möchte ich weiter hervorheben, meine Damen und Herren, daß die Kennzeichnung meiner Anträge, wie man sie heute morgen von den verschiedensten Seiten vorzunehmen beliebte, von der Voraussetzung ausgeht, ich verstünde von dem Etat überhaupt nichts. Ich hätte selbstverständlich bei jedem meiner Anträge eine genaue Begründung geben können, und zwar eine Begründung aus dem Stellen- und Organisationsplan. Glauben Sie nicht, daß diese Zahlen, die Sie jetzt vor sich sehen, willkürlich herausgegriffen worden sind, wie das etwa der Kollege Welke vorhin noch einmal besonders hervorgehoben hat. Ich möchte den Herrn, die das glauben, das Goethe-Wort zurufen: „Du gleichst dem Geist, den du begreifst."
Wenn einer glaubt, daß ich mich hierherstelle und willkürlich Zahlen aufführe, dabei diese Zahlen aus dem Etatzusammenhang herausreiße und nicht in der Lage sei, den Zusammenhang zu begründen, so tut der mir leid, wie alle Leute, die glauben, man beschäftige sich mit etwas, wovon man nichts versteht.
Ich hätte bei den verschiedensten Gelegenheiten
eine genaue Begründung geben können.
Aber dann hätte ich einmal sehen wollen, was
für ein Geschrei und Gelächter die verehrten
Damen und Herren dann angestimmt hätten,
wenn ich das im einzelnen begründet hätte.
Herr Abgeordneter Leuchtgens, ich glaube, Sie haben zu Ihrer Person schon so ausgiebig Stellung genommen, daß ich Sie auffordern muß, zur Sache zu sprechen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, Sie müssen mir das schon gestatten. Ich stehe hier in der Verteidigung.
Ich muß auch all die Dinge vorbringen, die ich zu meiner Rechtfertigung sagen kann.
Ich hebe nochmals hervor, daß ich zu jedem dieser Anträge eine genaue Begründung aus dem Organisations- und Stellenplan beibringen könnte. Ich habe es nicht getan, weil ich glaubte, daß die Damen und Herren, auch wenn sie meine Anträge nicht billigen, soviel Vertrauen zu jedem Redner hätten, daß er hier aus Sachkenntnis redet.
Wenn sich Leute hierherstellen und etwas reden, wozu sie sachlich nicht berechtigt sind, dann muß ich allerdings sagen: ich bedauere es, daß es solche Vertreter hier im Bundestag gibt.
— Warten Sie doch ab! Wenn ich die Sache bringe, dann stellen Sie sich genau so dagegen, wie Sie es vorher auch getan haben.
— Gerade der Herr, der da vor mir sitzt - ich
kenne seinen werten Namen nicht —, hat ja immer das Bestreben zu lachen.
Herr Abgeordneter Leuchtgens, wenn Sie statt zu Ihrer Person zu sprechen, die einzelnen Punkte Ihres Antrages so ausführlich, wie Sie nur wollen, begründet hätten, wären wir wahrscheinlich mit dieser Position schon zu Ende.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, ich bitte Sie, dieses Rezept bei allen den Rednern anzuwenden, die hier stundenlang gesprochen haben, und nicht bei mir, der ich ja in ein paar Minuten fertig bin.
— Wir haben leider schon lange genug darüber geredet.
Ich komme also nun zur Besprechung meiner Anträge.
Bei Kap. 1 Tit. 1 habe ich wieder den Antrag gestellt, das Amtsgehalt des Bundesministers auf jährlich 24 000 DM statt auf 36 000 DM festzusetzen. Zu begründen brauche ich das hoffentlich nicht.
In Kap. 1 Tit. 1 sind weiterhin 41 Stellen angefordert. Wir haben beantragt, die Zahl auf 30 herabzusetzen. Die Begründung dafür könnte aus dem Organisations- und Stellenplan im einzelnen vorgebracht werden; es hat aber keinen Sinn, denn Sie haben den Stellen- und Organisationsplan ja nicht vor sich. Infolgedessen hat es auch gar keinen Wert, das im einzelnen zu tun. Selbstverständlich habe ich das nicht aus dem Blauen gegriffen, sondern habe diese Änderungen im Zusammenhang mit dem Organisations- und Stellenplan beantragt.
In diesem selben Kapitel finden Sie die Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte, und zwar in Höhe von 256 500 Mark. Auf der Seite der Erläuterungen sind 84 Stellen angeführt. Wir beantragen, diese Zahl auf 70 zu ermäßigen. Auch die Begründung hierzu ersparen Sie mir aus den vorhin schon von mir dargelegten Erwägungen.
In Tit. 7 a sind Trennungsentschädigungen an versetzte Beamte und Angestellte angefordert in Höhe von 50 000 Mark. Aus denselben Gründen, die ich bei demselben Titel in anderen Einzelplännen schon wiederholt angeführt habe, glauben wir, daß wir mit der Hälfte, mit 25 000 Mark, reichlich auskommen könnten, ohne den Beamtenirgendwie eine Benachteiligung zuzufügen.
In Kap. 1 Tit. 11 sind 15 000 Mark für Geschäftsbedürfnisse angefordert. Wir beantragen, diesen Betrag um 3000 Mark auf 12 000 Mark zu senken.
Den Betrag für die Bücherei — Tit. 13 — beantragen wir aus den mehrfach dargelegten Gründen zu streichen, nämlich keine Bibliotheken bei den einzelnen Dienststellen einzurichten, sondern eine Gesamtbibliothek aufzubauen.
In Tit. 16 sind 10 000 Mark angefordert zur Bewirtschaftung von Dienstgrundstücken und Diensträumen. Auch dieser Betrag erscheint uns zu hoch. Wir beantragen, ihn auf 8000 Mark herabzusetzen.
In Tit. 18, Haltung der Dienstkraftwagen und Krafträder, sind 16 000 Mark angefordert. Wir beantragen, diesen Betrag auf 10 000 Mark herabzusetzen. Hier sind 7 Kraftwagen angefordert. Wir glauben, daß die Arbeit des Ministeriums, die wir durchaus hoch einschätzen, auch mit 4 Kraftwagen geleistet werden könnte.
In Tit. 20 sind die Kosten für Sachverständige mit 20 000 Mark angesetzt. Ich habe schon bei anderen Einzelplänen hervorgehoben, daß jedes Ministerium — wenn Sie sich den Stellenplan genauer ansehen, werden Sie das bestätigt finden - soviel Sachverständige in seinen Reihen hat, daß diese Arbeiten von den Beamten selbst ausgeführt werden können, so daß wir dazu nicht die Summe von 20 000 Mark benötigen. Wir beantragen, den Betrag auf 5000 Mark zu senken.
Unter Tit. 23 b finden Sie wieder einen Zuschuß an die Gemeinschaftsküche, den wir aus den schon wiederholt von mir angeführten Gründen auf 4000 Mark zu senken bitten.
In Tit. 24 haben Sie „zur Verfügung des Bundesministers für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen" einen Betrag von 10 000 Mark angesetzt. Wir sind grundsätzlich der Meinung, daß besondere Aufwendungen der Minister und ministeriellen Stellen bei der heutigen Notlage des deutschen Volkes nicht verantwortet werden können, und daß wir dafür kein Geld auswerfen können. Ich brauche die Notlage, in der sich unser ganzes deutsches Volk befindet, wohl nicht im einzelnen zu begründen. Das wird das nächste Mal, wenn wir uns mit der Gesamtfrage in dritter Lesung
beschäftigen, von einer höheren Warte aus geschehen können. Ich behalte mir vor, dann die dazu notwendigen Ausführungen zu machen.
In Tit. 31 sind für Herstellung und Verbreitung von Informationsmaterial 50 000 Mark vorgesehen. Wir glauben, daß mit der Hälfte dieses Betrages auch noch genügend Informationsmaterial herausgebracht werden kann.
Ich komme zu Kap. 2. In Tit. 4 sind für Hilfsleistungen durch nichtbeamtete Kräfte 40 600 Mark für 16 Angestellte gefordert. Wir halten diese Zahl nicht für notwendig und beantragen, 10 Stellen einzusetzen.
In Tit. 7 desselben Kapitels ist statt 3700 Mark nur die Hälfte einzusetzen. Ich erspare mir auch hier die Begründung, weil wir über diese Dinge schon wiederholt gesprochen haben.
In Kap. E 11 steht unter Tit. 1 ein Betrag von 20 000 Mark für erstmalige Beschaffung von Schreib- und Zeichenbedarf. Im Haushaltsausschuß ist schon mehrfach davon gesprochen worden, daß diese Beträge überhöht angesetzt worden sind. Ich beantrage deshalb eine Senkung auf 15 000 Mark.
In Tit. 2 sind nach unserem Antrage statt 40 000 Mark nur 30 000 Mark einzusetzen. Auch hierbei handelt es sich um erstmalige Beschaffung, und zwar jetzt von Büromöbeln und sonstigen Einrichtungsgegenständen. Wer die Aussprache über diese Dinge im Haushaltsausschuß miterlebt hat, ist sicher mit mir der Meinung, daß hier ein Viertel gespart werden kann.
Unter Tit. 4 ist ein Betrag von 20 000 Mark ausgeworfen für Erstanschaffung von Büchern, Gesetz- und Verordnungsblättern. Nach der von mir schon wiederholt vertretenen Auffassung, daß die Sache zentralisiert werden soll, und daß man in der Stadt Bonn eine große, leistungsfähige Bibliothek mit allen modernen Werken schaffen soll, kann auch dieser Betrag für das Ministerium gestrichen werden.
In Tit. 5 sind 35 000 Mark angefordert für Erstanschaffung von Dienstkraftwagen. Da wir beantragen, die Zahl der Dienstkraftwagen von 7 auf 4 herabzusetzen, ist entsprechend diesem Antrag der Ansatz von 35 000 Mark auf 15 000 Mark zu ermäßigen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Trischler.
Es gehört schon ein großes Maß- von Selbstbeherrschung für einen Abgeordneten dazu, diese ewigen Anträge in dieser Form anzuhören. Es gehört aber ein noch größeres Maß von Selbstbeherrschung für einen Flüchtlingsabgeordneten dazu, ausgerechnet bei diesem Etat Anträge in dieser lächerlichen Form anhören zu müssen, wie es eben der Fall gewesen ist.
Ich muß ganz offen sagen, ich halte es beinahe für beschämend, in welcher Form hier in vieler Hinsicht die Etatsdebatte geführt wird. Ich hatte Gelegenheit, in zwei anderen Parlamenten des öfteren an Etatsdebatten teilzunehmen. Wie riesengroß der Unterschied ist, können Sie sich kaum vorstellen. In dieser Form, in dieser kleinlichen Art auf einzelne Punkte einzugehen, das gab es einfach nicht. Daran wäre überhaupt nicht zu denken gewesen.
Erfreulich ist andererseits die Tatsache, daß wir bei der Beratung dieses Etats doch feststellen können, daß die Notwendigkeit des Flüchtlingsministeriums hier von keiner Seite angezweifelt wurde. Das ist insofern erfreulich, als ja bei einer Reihe von anderen Ministerien das Gegenteil der Fall war.
Die Auffassungen darüber, wie lange dieses Ministerium existieren soll oder nicht, gehen schon stark auseinander. Wir hören hier im allgemeinen den Standpunkt - und es wäre selbstverständlich erfreulich, wenn wir dieses Ministerium nicht mehr brauchen würden — daß, wenn einmal die Frage gelöst ist, wenn eine wirkliche Eingliederung der Heimatvertriebenen in die gesamtdeutsche Wirtschaft und in den gesamtdeutschen Volkskörper erfolgt ist, dieses Ministerium nicht mehr nötig ist.
Nun sind aber die Grundauffassungen hier recht verschieden, von den zwei Gruppen aus gesehen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Ausgangsbasis doch eine recht, recht verschiedene ist und daß diese Eingliederung und Gleichstellung dadurch noch lange nicht erfolgt ist, daß man die Flüchtlingsverwaltung in die allgemeine Verwaltung einbaut. Diese Tendenz merken wir in einer ganzen Reihe von Ländern.' Wenn ich mir z. B. die Verhältnisse in dem Land, aus dem ich komme, in Bayern, vor Augen halte und beobachte, wie dort die Position des Staatskommissars für das Flüchtlingswesen von Jahr zu Jahr abbröckelt, gemindert wird, wie man sie dort gegen Beschlüsse des Landtags praktisch zu einer Abteilung des Innenministeriums gemacht hat, so sehe ich eine Tendenz darin, die wahrscheinlich auch bei anderen Ländern in Anwendung gebracht werden soll und die wahrscheinlich auch manche in diesem Haus für richtig halten. Dieser Tendenz muß ich schärfstens widersprechen. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Dauer dieses Flüchtlingsministeriums vorerst noch gar nicht abzusehen ist. Das hängt im wesentlichen davon ab, wieweit wir Mittel auch vom Ausland bekommen, um dieses schwierige Problem zu lösen. Wenn es von uns allein gelöst werden soll, so werden wahrscheinlich einige Jahrzehnte dazu nicht ausreichen.
Dieses Flüchtlingsministerium hat besondere Eigenarten. Es liegt in der Aufgabenstellung begründet, daß es so ist. Hier wird nicht irgendein einzelnes sachliches Arbeitsgebiet verwaltet, wie das sonst die Aufgaben der übrigen Ministerien sind, sondern hier geht es tatsächlich darum, daß das Ministerium versucht, Lebensmöglichkeiten für eine breite Schicht von durch das Schicksal schwer getroffenen Menschen zu untermauern und zu begründen. In dieser Eigenart liegt auch die ganze Zusammensetzung personeller Art begründet. Wenn wir uns überlegen, daß über die Hälfte der Heimatvertriebenen aus ungefähr 10 oder noch mehr europäischen Ländern kommt - von vor 1938 aus gesehen —, dann können wir die ungeheure Vielfältigkeit der Probleme klar erkennen. Es ist wirklich so, daß auch bei einer einzelnen Frage, die in Angriff genommen wird, immer wieder Rücksicht genommen werden muß auf all diese verschiedensten Gruppen und ihre verschiedenste Vergangenheit und die gesetzlichen Regelungen in den alten Heimatstaaten usw. Es müssen also in diesem Ministerium tatsächlich Sachkenner dieses Problems sitzen. Daß diese Sachkenner im wesentlichen nur aus den Reibei
der Heimatvertriebenen selbst kommen können, ist auch klar. Daher ist uns die indirekte Beanstandung der Bayernpartei etwas merkwürdig vorgekommen, daß man hier sagen wollte, es sollten 40 o10 der Angestellten und Beamten dieses Ministeriums auch Einheimische sein. Das geht ja praktisch in diesem Falle nicht so.
- Weil man hier eben Sachkenner braucht; das habe ich gerade ausgeführt. Anscheinend haben Sie nicht zugehört!
Das Ministerium wurde, wenn ich gut informiert bin, von ziemlich maßgebender Stelle mal als eine Krone mit Zacken bezeichnet, bei der die Zacken abgebrochen werden müßten. Dieser Vergleich ist recht gefährlich. Man könnte eher sagen: es ist ein Zahnrad — auch mit Zacken —, aber ein ganz wesentliches Zahnrad, ein Zahnrad, durch das die gesamte Maschinerie unserer Verwaltung und unserer gesamten Regierung in Gang gehalten wird. Und wir wissen, daß, wenn aus einem solchen Zahnrad eine Zacke ausgebrochen wird, die Gefahr besteht, daß die ganze Maschinerie stillsteht. Und diese Gefahr besteht. So kann die Situation des Flüchtlingsministeriums charakterisiert werden.
Ich möchte noch auf einen anderen Gedanken zurückkommen. Wir sehen eine doppelte Tendenz in der weiteren Entwicklung im Flüchtlingsministerium. Auf der einen Seite kommen die schwerbelasteten Länder und möchten sehr gern, daß die gesamte Flüchtlingsverwaltung in den Ländern allmählich vom Flüchtlingsministerium übernommen wird. Das ist begreiflich, weil das hier eine Belastung ist und weil es angenehm wäre, wenn man die gesamte Verantwortung, die man für diese Menschen trägt, nun irgendwie dorthin schieben könnte. Aber merkwürdigerweise geht die Tendenz in anderer Richtung, wenn es sich darum handelt, Mittel des Bundes zum Zwecke der Lösung dieses Problems zu verwenden. Da sind die Länder sofort da und horchen auf und machen Schwierigkeiten und sagen: Das alles muß unter allen Umständen über die Länder erfolgen. Wenn ich an die Beratungen der letzten Tage im Wohnungsbauausschuß denke, wo ich versucht habe durchzudrücken, daß gerade die zweckgebundenen Mittel über den Wohnungsbau nicht so sehr über die Länder gehen sollen, weil wir es praktisch erleben, daß die Schwierigkeiten immer wieder auftauchen; wenn ich mir vor Augen halte, welchen Weg in manchen Ländern die jetzt zur Verfügung gestellten Hunderte von Millionen DM für die Arbeitsbeschaffung gerade wieder in die mit Flüchtlingen belegten Länder gehen werden, so sehe ich die Schwierigkeiten, die sich eben dadurch ergeben, daß die Machtvollkommenheit und die Kompetenz des Ministeriums zu gering ist. Diese Frage „Kompetenz des Ministeriums" ist ganz entscheidend. Wir würden gerne ein recht kräftiges Ministerium auf diesem Sektor sehen. Warum? Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß das Vertrauen der Heimatvertriebenen zur Regierung im wesentlichen über dieses Ministerium geht.
In der Aufgabenstellung liegt es ja selbst begründet, daß dieses Ministerium sowohl mit anderen Ministerien wie auch mit einzelnen Ländern dauernd in Konflikt gerät und zusammenprallt. Es wäre gut, auf verschiedenen Gebieten dem Herrn Minister gewisse Weisungsrechte zu geben.
Ich will es an einem Beispiel zeigen, wo es unbedingt notwendig ist. Das ist der Flüchtlingsausgleich oder die Regelung der Frage der schnellen Unterbringung der neu herankommenden Flüchtlinge aus dem Ausland. Denken Sie an die Tschechoslowakei und Polen. Diese Frage kann man ja gar nicht anders regeln; sie ist zum mindesten so kompliziert und schwierig, daß es notwendig wäre, dem Minister für Heimatvertriebene diesbezüglich größere Rechte einzuräumen.
Einige kurze Bemerkungen zum Etat. Wir sind der Überzeugung, daß dieser Etat tatsächlich sehr sparsam ist. Wir sind ferner der Überzeugung, daß der personelle Stand, der hier vorgesehen ist, absolut notwendig ist. Wir sind auch der Überzeugung, daß in Zukunft die schwierigen Probleme mit diesem Personalstand allein nicht gelöst werden können, sondern daß es notwendig wird, für einzelne Arbeitsgebiete auch noch neue Kräfte mit heranzuziehen. Die Tendenz, die hier verfolgt wird, mag richtig sein, daß es weniger Beamte und mehr Angestellte sein sollen. Es wäre erfreulich und begrüßenswert, wenn wir diese Tendenz bei verschiedenen anderen Ministerien und auch öffentlich-rechtlichen Körperschaften so handhaben würden.
Nun zu den materiellen Fragen. Jetzt sind Ausgaben im wesentlichen vorgesehen für den Personalstand, für die mit der Verwaltung und dem Leben des Ministeriums unbedingt notwendigen sachlichen Ausgaben.
Praktisch haben wir dadurch einen ganz kleinen Ansatzpunkt gehabt, daß auch für eine Sonderaufgabe, und zwar für die Aufklärung über das Flüchtlingswesen im Ausland ein Betrag von 50 000 DM angesetzt worden ist. Ich habe mich aufrichtig darüber gefreut, im Haushaltsausschuß damals zu sehen und zu hören, daß auch einmal — es war wohl der einzige Fall, ich war allerdings nicht bei allen Sitzungen dabei — der Haushaltsausschuß von sich aus einen Betrag von 1000 DM auf 50 000 DM erhöht hat. Hier ist ganz klar die Wichtigkeit dieses Problems erkannt worden. Wir wollen uns aber für die Zukunft darüber im klaren sein, daß wir noch weitergehen müssen, eben aus der Erkenntnis, daß wir allein das Problem nicht lösen können, sondern daß das Ausland mitarbeiten muß. Die Tatsache, daß das Ausland steigend und steigend immer mehr Interesse an diesem Problem zeigt, daß immer mehr Beauftragte aus dem Ausland hier auch zum Ministerium- zwecks Verhandlungen kommen und umgekehrt Beauftragte hinausfahren müssen, zeigt uns, daß es notwendig sein wird, auf diesem Gebiet noch weiter zu gehen.
Ich möchte aber noch zwei Fragen im Zusammenhang damit anschneiden, von denen ich es für notwendig erachte, daß dafür in diesem Ministerium in Zukunft weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Da ist zuerst die Frage der Flüchtlingsorganisationen. Wenn Sie sich heute die Vielfalt der bestehenden Organisationen ansehen, wenn Sie erwägen, daß in den einzelnen Ländern „zig" neue Organisationen ins Leben gerufen werden, insbesondere in letzter Zeit neue Flüchtlingsparteien usw., so sehen wir, daß es notwendig ist, daß von oben aus einheitlich .geeignete Organisationen — nicht politischer Art — gefördert werden. Nachdem es klar ist, daß die Flüchtlinge aus eigenen Mitteln diese Organisationen nicht tragen können, kann man es, glaube
ich, ohne weiteres verantworten, daß wir aus öffentlichen Mitteln angemessene Beträge zur Aufrechterhaltung dieser unbedingt notwendigen Organisation zur Verfügung stellen. Wir ersparen uns hier unter Umständen sehr viel und können manches schwere Unglück verhindern, das auftreten könnte, wenn nicht über derartige Organisationen laufend eine entsprechende Aufklärung auch zu den Flüchtlingen hin erfolgen kann.
Eine zweite Gruppe. Denken wir einmal an die kulturellen Institutionen aus all den Gebieten, aus denen diese Heimatvertriebenen gekommen sind. Für diese steht praktisch im Haushalt gar nichts zur Verfügung. Wenn ich mir die Zahlen der Haushalte der Nachfolgestaaten aus diesen Gebieten ansehen würde, so würden bestimmt sehr wesentliche und hohe Beträge darin stehen, um diese Gebiete für sich allmählich zu sichern und zu erobern. Ich glaube, es muß unsere Aufgabe sein, wenn wir daran denken wollen, daß viele von den Heimatvertriebenen wieder in ihre ehemalige Heimat zurückgehen, hier entsprechend vorzubauen. Wir haben hier eine gewisse Erbschaft von dort übernommen. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit dafür zu sorgen, daß wir parat und fertigstehen für den Fall, daß sie einmal zurückgehen sollten. Also auch Air diese Fragen müssen entsprechende Gelder zum mindesten in der Zukunft zur Verfügung gestellt werden. Es ist doch nicht von Bedeutung, daß wir sie jetzt schon zur Verfügung haben.. Denn praktisch ist dieses Etatsjahr ja schon aus.
Hierher gehört gleichzeitig der eine Gedanke, der in dem Antrag der DP angeschnitten ist, eine Art Sonderfonds zu bilden. Es ist tatsächlich außerordentlich bedauerlich, daß das Ministerium praktisch bis jetzt nicht eine Mark zur Verfügung hatte, um in ganz besonderen Härtefällen irgendwie durch einmalige Beiträge helfend eingreifen zu können. Es ist so nicht nur auf dem Gebiete von ehemaligen Beamten und Angestellten usw., sondern es gibt auch sonst Fälle, wo tatsächlich einmal ganz besondere Verhältnisse herrschen, wo es gerecht und notwendig wäre, durch einen einmaligen Zuschuß beizuspringen. Wir müssen also eine Art Sonderfonds für derartige Zwecke in Zukunft haben. Daher ist der Grundgedanke, der in diesem Antrag der DP zum Ausdruck kommt, zu begrüßen. Manche haben gesagt, es sei viel zu wenig. Richtig! Aber wenn man es tatsächlich als einmalige Zuwendungen in Einzelfällen betrachtet, so bedeutet der Betrag von 1 Million schon etwas. Das hat ja mit der endgültigen Regelung der Beamtenfragen usw. gar nichts zu tun.
Damit kann ich gleich auf den zweiten Punkt des DP-Antrags ganz kurz eingehen, da über diese Frage anschließend bestimmt noch eingehender gesprochen werden wird, und wir ja auch die entsprechenden Begründungen von -seiten der Deutschen Partei noch nicht gehört haben. Für uns ist bezüglich der Angestellten, Beamten und Lohnempfänger usw. ganz klar, daß wir von dem Grundsatz der Gleichstellung nicht abgehen wollen. Wir sehen nicht ein, warum wir einen Beschluß des Bundestags vom 2. Dezember in dieser Frage irgendwie noch einmal umstoßen sollten. Der Herr Präsident wird mir gestatten, daß ich Ihnen ein, zwei Sätze aus einer Entschließung vorlese, aus der gerade unsere Stellungnahme klar hervorgeht.
Wir fordern schließlich die Gleichstellung der Ruhegehaltsbezüge der heimatvertriebenen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes sowie der Hinterbliebenen mit denen der einheimischen Ruhegehaltsempfänger. Diese Forderung gilt auch für Beamte und Angestellte solcher öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die nicht Gebietskörperschaften waren. Wir sind der Auffassung, daß die Heimatvertriebenen dem gleichen Vaterlande mit derselben Treue gedient haben wie ihre einheimischen Berufskollegen. Es gibt also keinen Grund, sie in ihren Versorgungsbezügen schlechter zu stellen.
Das ist ein Beschluß unseres letzten Parteitages, und daraus geht unsere Stellungnahme ganz klar hervor. Wir wollen zu dieser Frage auch diesen Standpunkt aufrechterhalten.
Wir bedauern es außerordentlich, daß von Regierungsseite bis heute auf den Beschluß vom 2. Dezember bezüglich der Regelung der Beamtengehälter, Pensionen, Wartegelder usw. noch nichts erfolgt ist. Wir begrüßen eine jede Anregung von allen Seiten, die dazu beiträgt, daß dieses Problem möglichst bald geregelt wird. Sie wissen, daß wir die Dringlichkeit dieser Aufgabe ganz klar erkannt haben; deswegen haben wir auch unseren Urantrag Drucksache Nr. 668 rechtzeitig schon am 3. März eingereicht. Die Frage drängt außerordentlich. Heute haben wir schon den 24. März, und der Antrag steht noch nicht einmal auf der Tagesordnung, wobei wir wissen, daß praktisch am 1. April ja ein Vakuum entsteht und keine Regelung getroffen ist, nachdem die Sache ja von den Ländern auf den Bund übergehen soll. Es wäre also sehr notwendig, daß wir uns über diese Gesetzesvorlage noch in der nächsten Woche eingehend unterhalten.
Sonst möchte ich auf einzelne Fragen, die selbstverständlich für die Flüchtlinge von größter Bedeutung sind, hier absichtlich nicht eingehen. Sie sind erstens von anderen Rednern sehr häufig erörtert worden; sie werden in allen Ausschüssen und bei sonstigen Gelegenheiten besprochen. Ich will davon bewußt Abstand nehmen. Das heißt aber nicht, daß wir daran nicht das brennendste Interesse hätten und nicht von unserer Seite alles tun werden, um hier Schritt für Schritt vorwärtszukommen.
Wir werden dem Etat unsererseits unsere Zustimmung in voller Höhe geben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Campe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte hier nur zu einem Punkt, nämlich zu unserem Zusatzantrag Drucksache Nr. 765 sprechen. Ich darf die Damen und Herren zunächst bitten, einen kleinen Fehler zu berichtigen, nämlich unter Ziffer 1 unserer Drucksache heißt es bei dem Tit. 7, der neu eingefügt werden soll: „Beihilfen an verdrängte Beamte etc.". Ich bitte, das Wort „verdrängte" durch „vertriebene" zu ersetzen, da der Herr Bundesminister für die Angelegenheiten der Vertriebenen in seinen Etat nur Mittel für die vertriebenen Beamten aufnehmen kann. — Ich bitte, diesen Fehler zu entschuldigen.
1834 Deutscher Bundestag i. Sitzung. Bonn, Freitag, den 24. März 1950
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesminister für die Angelegenheiten der Vertriebenen hat zugesagt, daß er sich der in wirtschaftliche Not geratenen vertriebenen Beamten, Pensionäre, Angestellten und Arbeiter des Reiches, der Länder und der anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowie der Beamten der aufgelösten Behörden im Bundesgebiet jetzt mit besonderer Fürsorge annehmen wird. Wir begrüßen diesen Entschluß des Herrn Bundesministers, und, um ihn in den Stand zu setzen, diesen Entschluß jetzt sofort in die Tat umzusetzen zu können, haben wir unseren Antrag gestellt.
Wir freuen uns insbesondere, daß der Herr Bundesminister der Finanzen unserer Bitte, jetzt sofort 1 Million DM für diesen Etat zur Verfügung zu stellen, ohne Zaudern entsprochen hat. Wir möchten dem Herrn Bundesminister der Finanzen für diesen schnellen Entschluß unseren ganz besonderen Dank aussprechen und zugleich der Hoffnung Ausdruck geben, daß es mit Hilfe der weiteren Mittel, die der Herr Bundesfinanzminister für den kommenden Etat zugesagt hat, auf Grund 'der in der letzten Woche gepflogenen Verhandlungen mit Kollegen aus dem Hause recht bald gelingen wird, die Not der vertriebenen Beamten und Pensionäre erheblich zu lindern.
Meine Damen und Herren! Es ist in der Tat allerhöchste Zeit, daß das Problem der vertriebenen Beamten und Pensionäre nunmehr energisch angepackt wird; denn seit Kriegsende sind hier Verhältnisse eingerissen, die im Laufe der letzten fünf Jahre zu einem wahren Chaos geführt haben und die das Vertrauen in die Rechtssicherheit dieses jungen Staates auf das schwerste l erschüttern können. — Da Sie alle mit den Verhältnissen im, einzelnen vertraut sind, möchte ich hier weiter keine Ausführungen über die Einzelheiten machen. Ich darf aber in Ihre Erinnerung zurückrufen, daß in den vergangenen Jahren von den verschiedensten Seiten wiederholt vergebliche Versuche gemacht worden sind, diesem Problem zu Leibe zu gehen. Ich erinnere nur an die geradezu verzweifelten Bemühungen des Wirtschaftsrats, sich bei den Hohen Kommissaren die Zuständigkeit für dieses Gebiet zu erkämpfen, Bemühungen, die leider trotz der Anstrengungen aller Parteien erfolglos geblieben sind. Es haben sich dann die Länder der Angelegenheit angenommen und in etwa Abhilfe geschaffen. Aber die landesrechtlichen Regelungen sind sowohl hinsichtlich der Höhe der Zuwendungen als auch hinsichtlich der Voraussetzungen, von denen diese abhängen, so unterschiedlich, 'daß von einer einigermaßen gleichen und gerechten Behandlung der vertriebenen und der verdrängten Beamten und Pensionäre in keiner Weise gesprochen werden kann. Während die reichen und steuerkräftigen Länder Pensionen und Unterstützungen zahlen, die vielfach bis an die Höhe der eigentlichen gesetzlichen Pensionen herangehen, müssen sich die Betroffenen in den steuerarmen Ländern damit begnügen, um elende, kleine Beihilfen zu betteln, die vielfach an den Nachweis der Bedürftigkeit gebunden sind und oft kaum über die Beträge der öffentlichen Fürsorge hinausgehen. Ja, es gibt heute viele Beamte und Pensionäre, die überhaupt noch keinen Pfennig beziehen. Diese Ihnen allen bekannten Verhältnisse sind nachgerade wirklich unerträglich geworden. Sie haben zu einer totalen Rechtsunsicherheit und, wie ich schon sagte, zu einer Gefahr für die Demokratie geführt. Es erscheint uns daher an der Zeit, die ganze Angelegenheit aus der Sphäre — verzeihen Sie — der Phantasie und des egoistischen Streites herauszuheben und den Versuch zu einer realpolitischen Lösung zu machen, die für alle Beteiligten annehmbar ist. Der Augenblick für diesen Versuch scheint mir deshalb gegeben, weil am 1. April die Zuständigkeit in diesen Dingen von den Ländern auf den Bund übergeht. Bis es aber zu einem Bundesgesetz nach Art. 131 des Grundgesetzes kommen kann, werden ohne Zweifel noch Wochen, vielleicht zwei Monate vergehen.
Daher ist eine Zwischenlösung notwendig. Wir haben diese Lösung mit in unsere Entschließung aufgenommen und auch hier konkrete Vorschläge gemacht. Wir halten es aber für erforderlich, daß der Bundestag, der bereits im Dezember grundsätzlich seinen Willen zu einer endgültigen gesetzlichen Regelung bekundet hat, heute schon zu dem materiellen Inhalt einer solchen Regelung in etwa Stellung nimmt. Wir schagen Ihnen daher vor, dieser Willensäußerung des Bundestags die Form einer Entschließung zu geben, in der die Grundzüge, die Leitgedanken für das kommende endgültige Gesetz bereits aufgezeigt sind.
Zu den Einzelheiten unseres Antrags darf ich folgendes bemerken. Sie sehen unter Ziffer 2 I die von uns vorgeschlagenen vorläufigen Maßnahmen. Sie bestehen einmal darin, daß die Bundesregierung bis zum Inkrafttreten des vorgesehenen Bundesgesetzes die Länder veranlaßt, die Zahlungen an den genannten Personenkreis in der bisherigen Höhe auf Rechnung des Bundes weiter zu leisten. Als weitere vorläufige Maßnahme schlagen wir vor:
Die Bundesregierung wolle die Regierungen der Länder ermächtigen, in besonders dringlich gelagerten Fällen — Härtefällen — kurzfristige Zuwendungen an vertriebene oder verdrängte Pensionäre oder an noch nicht wieder verwendete Beamte zu Lasten des Bundes vorzunehmen.
Mit dieser Maßnahme hat sich, soweit uns bekannt ist, das Bundeskabinett bereits einverstanden erklärt, und der Herr Bundesminister der Finanzen hat uns, wie ich oben schon kurz ausgeführt habe, zugesagt, insgesamt einen Betrag von etwa 20 Millionen DM für den nächstjährigen Haushalt zur Verfügung zu stellen. Aus dieser Summe soll die in dem ersten Teil unseres Antrags unter Kap. E 11 Tit. 7 ausgeworfene 1 Million DM genommen werden.
Unter Ziffer II unseres Antrags finden Sie dann die Leitgedanken für die uns vorschwebende endgültige Regelung. Sie finden hier im einzelnen unter Buchstabe a die Anerkennung des Rechts auf Versorgungsbezüge. Wir haben das wie folgt formuliert:
Den vertriebenen und verdrängten Pensionären und den noch nicht wieder verwendeten Beamten, Angestellten und Arbeitern des
ehemaligen Reiches usw. sind im Rahmen der
finanziellen Möglichkeiten des Bundes und
nach einheitlichen Grundsätzen Versorgungsbezüge zu gewähren. Diese haben in gerechtem Verhältnis zu den Bezügen der einheimischen Beamten, Angestellten und Arbeiter des ehemaligen Reiches usw. zu stehen.
Unter Buchstabe b folgt dann das Recht der Beamten auf Wiederbeschäftigung, dem die Ver-
pflichtung des Bundes, der Länder und Gemeinden usw. auf die Wiedereinstellung eines bestimmten Prozentsatzes der vertriebenen und verdrängten Beamten gegenübersteht. Ich brauche Buchstaben b vielleicht nicht mehr zu verlesen. In Buchstabe c ist dann für die Gewährung angemessener Übergangsbezüge gesorgt, um die Zeit bis zur endgültigen Unterbringung dienstfähiger Beamter bzw. bis zur endgültigen Pensionierung zu überbrücken.
Um der Finanzlage des Bundes Rechnung zu tragen, haben wir unter Buchstabe d vorgeschlagen, daß in Zukunft Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit auf die Übergangsbezüge bzw. die Pensionen anzurechnen sind. Auch über diesen Punkt dürften kaum Meinungsverschiedenheiten bestehen; denn wir kehren damit lediglich zu dem Rechtszustand zurück, wie er im alten deutschen Beamtenrecht festgelegt war.
Unter Buchstabe e haben wir einen weiteren Vorschlag zu Einsparungen gemacht, indem wir grundsätzlich festlegen, daß Beförderungen nach 1933, insbesondere in den Kriegsjahren, nur unter Zugrundelegung eines strengen Maßstabs, und wenn sie sachlich berechtigt erscheinen, anzuerkennen sind. Auch eine solche Überprüfung der in den Kriegsjahren vorgenommenen Beförderungen erscheint uns durchaus gerechtfertigt. Die Notlage des Krieges hat es mit sich gebracht, daß zahlreiche Beamte ganz kurzfristig mehrere Beförderungen hintereinander erfahren haben. Auf Grund einer Knappheit an guten Beamten entstand diese zum Teil sehr schnelle und ungerechtfertigte Steigerung der Bezüge. Es erscheint mir auch gegenüber denjenigen Beamten, die in der Zeit des Naziregimes zurückgestellt wurden, nicht mehr als recht und billig, daß diese überschnellen Beförderungen bei der Berechnung der Pensionen und Bezüge ihre Korrektur erfahren.
Im letzten Punkt unseres Antrags schlagen wir Ihnen schließlich vor, die berufsmäßigen Angehörigen der ehemaligen Wehrmacht und deren Hinterbliebene gleichzustehen. Auch über diesen Punkt und seine Berechtigung dürfte bei ruhiger und sachlicher Überlegung kaum ein Zweifel bestehen.
Zusammenfassend und abschließend möchte ich folgendes sagen: Wir sind bei unseren Vorschlägen von dem Ziel ausgegangen, das ich schon oben kurz andeutete, das ganze Problem der Rechtsstellung und der Versorgung der vertriebenen Beamten und Pensionäre aus der Sphäre der Erörterung und der übertriebenen Forderung und Hoffnung herauszureißen und es einmal auf den Boden der sachlichen Realitäten zu stellen, um endlich vorwärtszukommen. Denn wir wollen endlich mit praktischer Arbeit anfangen. Dabei müssen wir von allen Seiten Konzessionen machen. Denn wir haben den Krieg verloren, und wir befinden uns vergleichsweise etwa in der Stellung eines Kaufmanns, der vor dem Konkurs steht. Da hilft nichts anderes, da muß man sich zunächst einen Überblick über die noch vorhandenen Aktiven und dann über die Forderungen beschaffen und dann die beiden Positionen einander gegenüberstellen, um eine gerechte Quote für alle Konkursgläubiger festsetzen zu können. Diesen Überlegungen entspricht die vorgeschlagene Entschließung. Ich glaube, daß von keiner Seite des Hauses gegen ihre Hauptgedanken grundsätzliche Einwendungen erhoben werden können. Kleine Bedenken, die etwa gegen die eine oder andere Formulierung hie und da auftauchen könnten, bitte ich aufrichtigst zurückzustellen. Denn ich halte es für unbedingt erforderlich, daß dieses Hohe Haus schon heute aus Anlaß der ersten etatsmäßigen Mittel, die für diesen Zweck bewilligt werden, seinen Willen auch über die materielle Regelung kundtut. Ich bitte daher aufrichtigst alle Kollegen — nicht nur der Koalitionsparteien, sondern aller Parteien —, unsern beiden Anträgen zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kather.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, Ziffer 1 des Antrags der DP abzulehnen und den Antrag im übrigen an den Ausschuß für Heimatvertriebene zu verweisen. Um diese meine Stellungnahme zu begründen, muß ich kurz auf die letzte Entwicklung dieser Angelegenheit zu sprechen kommen.
Sie alle wissen, daß wir am 2. Dezember 1949 diesen Beschluß gefaßt haben. Sie wissen, daß im Kabinett verschiedene Entwürfe vorlagen und daß sich das Kabinett vor etwa 2 bis 3 Wochen dahin schlüssig gemacht hat, diese Angelegenheit erst einmal bei der Etatberatung auf ihre finanziellen Möglichkeiten zu prüfen und dann zu verabschieden. Sowohl der Herr Bundesminister für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen als auch ich und meine Freunde waren der Auffassung, daß das praktisch eine Hinausschiebung der Angelegenheit auf viele Monate bedeuten würde und daß es nicht möglich ist, diese Sache, die seit vier Jahren im Vordergrund der politischen Diskussion steht und deren Betroffene in demselben Zeitraum der härtesten Not ausgesetzt sind, derart dilatorisch zu behandeln.
Wir haben diese unsere Auffassung dem Herrn Bundeskanzler und dem Kabinett bekanntgegeben, und daraufhin fand vor vier Tagen eine Besprechung des Kabinetts statt, zu der auch ich zugezogen wurde, ebenso auch andere heimatvertriebene Abgeordnete und führende Abgeordnete der Koalitionsparteien. Das Ergebnis dieser neuen Beratungen hat in einer Pressenotiz seinen Niederschlag gefunden, die von der Bundespressestelle herausgegeben worden ist und die einer meiner Vorredner Ihnen schon kurz vorgetragen hat. Danach ist der gegenwärtige Stand so, daß die Bundesregierung mit großer Beschleunigung diesen Gesetzentwurf gemäß Artikel 131 des Grundgesetzes einbringen wird und daß sie zur Überbrückung der Not sich bereit erklärt hat, 20 Millionen DM für die heimatvertriebenen Beamten zur Verfügung zu stellen. Wir dürfen also damit rechnen, daß wir vielleicht und hoffentlich schon in nächster Woche einen Gesetzentwurf der Bundesregierung wegen dieser 20-Millionen-DM-Überbrückungshilfe vorgelegt bekommen. Ich darf in diesem Zusammenhang einschalten, daß am 1. April ein Stillstand in den Zahlungen nicht eintreten wird; es ist Vorsorge getroffen, daß die Zahlungen in der bisherigen Höhe von den Ländern auf Kosten des Bundes weiter geleistet werden.
Meine Damen und Herren! Unter diesen Umständen vermag ich nicht einzusehen, daß es zweckmäßig, ja auch nur tragbar ist, nun plötzlich in diesem Etat noch 1 Million DM zu dem gleichen Zweck
anzufordern. Praktisch würde es so aussehen, daß eine Vergabe in den noch gegebenen sechs Tagen sowieso unmöglich ist, so daß dieser Beschluß nur dann eine Wirksamkeit haben könnte, wenn er auf das nächste Jahr überschrieben wird. Wenn man sich das aber vor Augen hält, dann wird die heutige Beschlußfassung erst recht noch viel problematischer. Herr von Campe hat gesagt, wir müssen endlich aus dem Stadium der Theorie heraus und zur praktischen Arbeit kommen. Ich bin der Meinung, daß wir vor allem aus dem Stadium der Improvisationen herauskommen müssen, und ich muß es ablehnen, daß uns hier in der Sitzung heute ein Antrag mit so eingehenden Vorschlägen vorgelegt wird — das bezieht sich natürlich ganz besonders auf Ziffer 2 —, ohne daß wir Gelegenheit haben, diese Vorschläge zu prüfen oder uns auch nur mit unseren politischen Freunden darüber zu unterhalten.
Ich lehne es auch ab, diese Ziffer 2 im einzelnen zu diskutieren; das ist meiner Ansicht nach vollkommen unmöglich, wenn sie uns erst heute auf den Tisch gelegt wird, ganz besonders aber unmöglich im Rahmen einer Etatberatung, mit der sie ja nur in sehr losem Zusammenhang steht. Wenn wir heute 1 Million in den Etat einsetzen würden, so würden sich die Vertriebenen sofort ausrechnen, daß noch nicht 10 DM auf einen der Notleidenden kommen, und wir würden mit diesem Antrag meiner Ansicht nach mehr Schaden anrichten als Gutes tun, ganz abgesehen davon, daß sie ja doch nur mit den 20 Millionen zusammen zur Auszahlung kommen könnte.
Wenn von irgendeiner Seite hier angeregt würde, einen besonderen Fonds für das Ministerium für Heimatvertriebene zu schaffen, so wäre ich selbstverständlich der erste, der dem zustimmen würde. Aber der Antrag der DP verfolgt ja etwas ganz anderes, und es ist völlig unmöglich, diesen Betrag über einen Fonds zu verwalten, sondern er müßte den Weg gehen, den diese Hilfe im allgemeinen geht. Ich halte es aus allen diesen Gründen für zweckmäßig, heute diesen Einsatz in den Etat nicht vorzunehmen, sondern abzuwarten, bis wir — hoffentlich schon in der nächsten Woche — einen vom Ministerium in allen Einzelheiten ausgearbeiteten Entwurf zur Beratung bekommen, bei dem wir dann diese Gedanken mit der gebotenen Beschleunigung einer Verwirklichung zuführen werden. Denn die Zahlungen aus dieser Überbrückungshilfe sollen schon mit dem 1. April einsetzen.
Zu dem Antrag der Bayernpartei möchte ich heute Ausführungen nicht machen. Auch hier beantrage ich Überweisung an den Ausschuß. Diese Dinge wollen durchaus überlegt werden.
Nun zu etwas Allgemeinem. Es wäre falsch, wenn sich etwa die verschiedenen Geschädigtengruppen gegenseitig Konkurrenz machen wollten. Wir Flüchtlinge und Heimatvertriebenen sind durchaus nicht der Auffassung, daß wir die einzigen Notleidenden sind. Wir verkennen nicht die Not, die überall ist. Wir wollen die Hilfe nur in einen geordneten Rahmen gestellt wissen, und wir sollten daher aus den verschiedenen Geschädigtengruppen darin zusammenarbeiten, daß diese Dinge vom Bund möglichst weitgehend gefördert und erledigt werden.
Zu den beantragten Streichungen möchte ich nur kurz sagen: Die Entwicklung hat von Anfang an denen recht gegeben, die sagten, daß hier eine Arbeit anläuft, die sich immer weiter ausdehnen wird. Ich denke noch daran, daß bei der Konstituierung des Zonenbeirats der Antrag gestellt wurde: wir brauchen keinen besonderen Flüchtlingsausschuß; er sollte mit dem Gesundheits- und Wohlfahrtsausschuß zusammengelegt werden. Wenige Monate später wurde ein besonderer Flüchtlingsrat für die britische Zone begründet. Dann bekamen wir mit vieler Mühe die Verwaltungsstelle in Frankfurt am Main. Und auch um das Ministerium haben wir hier bei der Bildung der Bundesregierung noch kämpfen müssen. Heute ist es wohl schließlich, jedenfalls von den neugebildeten Ministerien, das einzige, das völlig außer Zweifel steht, und so wird die Entwicklung auch in Zukunft weitergehen.
Es ist heute gesagt worden, es handle sich um eine vorübergehende Einrichtung. Das glaube ich nicht. Ich glaube, daß diese Einrichtung wenigstens die Älteren von uns leider Gottes ganz bestimmt überleben wird.
Ich bitte deshalb, diesen Streichungen nicht zuzustimmen, und möchte in Übereinstimmung mit Herrn Dr. Trischler auch meinerseits anmelden, daß wir im nächsten Etat mit wesentlich höheren Forderungen kommen müssen.
Ich möchte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, auch meinerseits etwas zur Arbeit des Ministeriums zu sagen. Es sind Angriffe innerhalb und außerhalb des Hauses gegen Herrn Bundesminister Dr. Lukaschek gerichtet worden. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Heimatvertriebene habe ich ja besonders viel Gelegenheit, eng mit ihm zusammenzuarbeiten, und ich kann nur sagen, daß diese Arbeit immer in vorbildlicher Weise vor sich gegangen ist. Die Angriffe, die gegen den Herrn Bundesminister erhoben worden sind, sind durchweg unbegründet; er hat sich in vollem Umfange und mit ganzer Kraft für unsere Anliegen eingesetzt. Es ist ihm heute z. B. der Vorwurf gemacht worden, daß er der Steuerreform zugestimmt hat. Ich weiß genau, daß Herr Minister Dr. Lukaschek von sich aus einen Vorschlag zur Regelung der Frage der Abzüge gemacht hat, der den Interessen der Heimatvertriebenen durchaus entsprach. Ich kann weiter sagen, daß er uns bei unseren Bestrebungen, die ja letzten Endes Erfolg hatten, hier eine Besserung des Gesetzes zu erreichen, durchaus unterstützt hat.
Was ich von ihm sagen kann, kann ich auch von dem ganzen Ministerium sagen. Alle Mitarbeiter sind dort mit Begeisterung bei der Sache, und es herrscht ein geradezu fanatischer Arbeitswille und eine Einsatzfreudigkeit für die Aufgaben der Vertriebenen, für die wir herzlich dankbar sein müssen.
Ich möchte weitere Ausführungen allgemeiner Natur nicht machen. Wir kommen ja zu den einzelnen großen Fragen, bei denen wir Gelegenheit haben werden, unseren Standpunkt mit Nachdruck zu vertreten. Ich möchte nur das Hohe Haus im Augenblick doch bitten, allen diesen Fragen, die diese am meisten vom Krieg getroffene Gruppe betreffen, die nötige Aufgeschlossenheit entgegenzubringen. Es ist schon wiederholt gesagt worden, und ich möchte das heute aufgreifen: von der Art und Weise, wie sich das deutsche Volk mit dem Problem der Heimatvertriebenen abfindet, wird abhängen, wie schnell und in welchem Umfang sich das deutsche Volk die Achtung der Welt wieder erringt. Und ich möchte das dahin abwandeln, daß ich sage: auch das Ansehen des Deutschen Bundestags
im Volke wird wesentlich davon beeinflußt werden, wie er sich gerade zu diesem Problem und der
darin eingeschlossenen großen Not stellt. Daran
bitte ich Sie alle, meine verehrten Damen und
Herren, bei den kommenden Beratungen zu denken.
Herr Abgeordneter, eine kurze Anregung! Sie haben die Überweisung des zweiten Teils des Antrags der DP an den Ausschuß für Heimatvertriebene beantragt. Glauben Sie nicht, daß es gut sein könnte, auch den Haushaltsausschuß und den Ausschuß für Beamtenrecht damit zu befassen? Wollen Sie den Antrag dahin ergänzen, die beiden anderen Ausschüsse daran zu beteiligen?
Jawohl!
Danke! Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte namens der Fraktion der WAV grundsätzlich eines zum Flüchtlingsministerium sagen. Wir glauben, daß dieses Ministerium einen der allerwichtigsten Aufgabenbereiche hat, die es überhaupt für die gesamte Bundesregierung geben kann. Wir haben seinerzeit beobachtet, wie von gewisser Seite — mein Vorredner hat schon angedeutet: auch aus seinen eigenen Reihen heraus — versucht worden ist, den Plan der Errichtung eines Flüchtlingsministeriums immer und immer wieder zu torpedieren. Gott sei Dank, daß das nicht geglückt ist. Wir werden bezüglich des Stellenplanes des Flüchtlingsministeriums in Erkenntnis der ungeheuren Aufgabenbereiche, die dieses Ministerium hat, wenn es richtig arbeiten würde, von unserer Fraktion keine Streichungsanträge zu stellen haben. Allerdings werden wir schon deswegen, weil wir konsequent bei allen Ministern so vorgehen müssen, eines tun: Wir finden den Gehalt des Flüchtlingsministers zu hoch und stellen deshalb auch hier, genau wie bei anderen Ministern, den Antrag, den Grundgehalt auf jährlich 24 000 DM herabzusetzen. Ich glaube, man könnte mit diesen eingesparten Beträgen für die Heimatvertriebenen etwas schaffen!
Was aber den Stellenplan betrifft, so wäre er an sich keineswegs übertrieben. Wir haben nur eines auszusetzen: daß leider sehr oft gerade auch bei der Besetzung des Flüchtlingsministeriums nach parteipolitischen Gesichtspunkten vorgegangen wurde, daß nicht immer gerade die besten Kräfte auf diese so wichtigen Posten kamen, sondern daß sie mit Leuten besetzt wurden, die den herrschenden Regierungsparteien sehr nahe stehen oder ihnen angehören, aber leider nicht in jedem Falle die nötigen fachlichen Voraussetzungen erfüllen. Wir wissen, es gibt auch tüchtige Beamte in diesem Ministerium; wir haben uns davon schon bei einer Reihe von Gelegenheiten überzeugen können. Wir wären aber glücklich, wenn wir sagen dürften, daß allgemein bei der Besetzung dieser Stellen im Ministerium eine gute Hand gewaltet hätte.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, auch im Schoße der Bundesregierung wird die ungeheure Wichtigkeit des Flüchtlingsproblems noch viel zu wenig erkannt, und wir möchten dem Herrn Flüchtlingsminister wirklich zurufen: Herr Landgraf, werden Sie endlich härter, noch viel härter, als Sie es sind, weil es nur so Ihnen möglich ist, gegen den Widerstand anderer Fachministerien die Interessen
der Heimatvertriebenen durchzusetzen! Meine Damen und Herren, es ist geradezu beschämend, wenn immer wieder von gewisser Seite die Notwendigkeit eines Flüchtlingsministeriums überhaupt in Zweifel gezogen wird.
Denken Sie daran, wie das kleine Griechenland seinerzeit vorgegangen ist, als die Umsiedlung der kleinasiatischen Griechen ins alte Heimatland zurück stattfand. Denken Sie daran, wie die Regierung hier die ganze Kraft eingesetzt hat — einige Regierungen wurden damals sogar gestürzt, weil sie nicht in der nötigen entschiedenen Form vorgegangen sind — und wie schon nach wenigen Jahren dieses kleine und so finanzschwache Land für seine Flüchtlinge eine halbwegs annehmbare Lösung gefunden hat.
— Das stimmt sehr wohl; ich habe die Probleme damals sehr genau studiert!
— Was Griechenland fertiggebracht hat, sollten wir auch fertigbringen.
— Wir können, Herr Zwischenrufer, auch einen großen Teil der Marshallplangelder, der Gegenwertfonds, die uns gegeben worden sind, im Interesse der Heimatvertriebenen verwenden, und das wird die volle Billigung der Alliierten finden.
— Wir können ihn aber für den Bau von Wohnungen für die Heimatvertriebenen und für das alles verwenden! Leider sehen wir jedoch viel zu wenig davon. Wir ,,sehen hier viel zu wenig Initiative von der inneren Verwaltung und von seiten der deutschen Regierungen, nicht bloß der Bundesregierung, sondern genau so von seiten der Länderregierungen. Wir bedauern es übrigens sehr — ich darf hier einen Satz darüber sprechen —, daß nicht in allen Ländern eigene Flüchtlingsminister existieren, die dann zusammen mit dem Bundesflüchtlingsminister ihre Arbeit koordinieren könnten.
Ich glaube, das Problem der Heimatvertriebenen ist zusammen mit dem Problem der Kriegsopfer, der Kriegsversehrten und mit den Problemen der einheimischen Ausgebombten und der Arbeitslosen das Problem Nr. 1 in diesem Lande, und wir werden Ihnen in dieser Legislaturperiode noch eine ganze Reihe von Anträgen vorzulegen haben, bei denen Sie, meine Herren von der CDU und FDP, dann Ihre angebliche Flüchtlingsfreundlichkeit wirklich unter Beweis stellen können. Ich fürchte nur, daß dabei sehr wenig herauskommen wird, weil Sie auch diese Anträge wahrscheinlich immer wieder abwürgen werden, wie Sie das ja schon mit so vielen anderen Anträgen von uns getan haben, oder daß zwar hier Beschlüsse gefaßt werden — siehe Angleichung der Pensionen der Heimatvertriebenen —, wobei sich dann aber draußen im Lande so gut wie nichts rührt, um diese Beschlüsse raschestens durchzuführen.
Meine Damen und Herren, wir werden deshalb für den Etat des Flüchtlingsministeriums stimmen und keine Streichung beantragen, abgesehen von der Kürzung der Gehälter, von denen ich eben sprach, insbesondere der Spitzengehälter des Bundesflüchtlingsministers, genau entsprechend den Kürzungen, die wir bezüglich der anderen Minister ebenfalls beantragt haben.
Meine Herren, ein Appell, den ich an Sie alle richten möchte: Tun Sie bitte alles für die Heimat-
vertriebenen und für ihre Industrien! Das wird ein Segen sein, nicht nur für die Heimatvertriebenen, sondern genau so für die Einheimischen und für die gesamte deutsche Wirtschaft.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Nowack.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einige Worte zu dem Antrag der DP-Fraktion Drucksache Nr. 765 sagen. Dieser Antrag überrascht an sich hier; denn er behandelt eine Frage, die zu dem gesamten Komplex des Art. 131 des Grundgesetzes gehört.
Dieser Antrag schlägt nur eine Teillösung vor und zerfällt in zwei an sich völlig verschiedene Teile: einmal in einen Antrag auf eine Soforthilfe in Höhe von einer Million Mark — diesem ersten Punkt des Antrags wird meine Fraktion zustimmen —, zum andern in einen zweiten Teil, von dem ich glaube, daß wir ihn im Rahmen dieser Auseinandersetzung nicht behandeln können. Denn wir würden damit nur eine Teillösung herbeiführen und nicht das gesamte Problem des Art. 131 behandeln. Zu dem Komplex des Art. 131 gehören nicht nur die verdrängten Beamten, sondern auch die Beamten, deren Dienststellen untergegangen sind, gehören auch die Wehrmachtsangehörigen sowie die entnazifizierten Beamten und nicht zuletzt auch diejenigen Beamten, die nach 1933 durch die Nationalsozialisten aus dem Dienst entfernt und geschädigt worden sind. Alle diese Gruppen gehören in diese Kategorie hinein.
Ich sagte vorhin, wie sehr es an sich überrascht, daß 'ein solcher Antrag an dieser Stelle auftaucht. Es ist überraschend, weil man bei der Behandlung des Etats des Flüchtlingsministeriums nicht erwartet, daß eine beamtenrechtliche Frage aufgeworfen wird. Auf der anderen Seite ist es aber zu verstehen, daß ein solcher Antrag kommt; denn wir müssen mit Bedauern feststellen, daß wir von der Regierung bis heute nicht eine einzige Vorlage zur Ausführung des Art. 131 des Grundgesetzes bekommen haben.
Meine Damen und Herren, dadurch ist — nicht nur in der Öffentlichkeit — der Eindruck entstanden, daß hier eine Verschleppungstaktik getrieben wird. Das ist eine sehr gefährliche Angelegenheit. Die Älteren aus diesen betroffenen Kreisen schreiben uns Briefe, in denen immer wieder gefragt wird, ob man es durch eine weitere Verzögerung der Gesetzgebung dahin bringen wolle, daß ein größerer Teil der Anspruchberechtigten allmählich ausstirbt.
Der Art. 131 macht eine schnelle Regelung deswegen notwendig, weil er in einem seiner Absätze bestimmt, daß die betroffenen Kreise keine rechtliche Möglichkeit haben, ihre Forderungen einzuklagen; diese Klagbarkeit ist ausgesetzt worden. Eine solche Aussetzung ist im Rahmen des Grundgesetzes nur tragbar und auch nur verständlich, wenn die Gesetzgebung zu Art. 131 schnell erfolgt. Ist das aber nicht der Fall, erfolgt diese Gesetzgebung nicht mit der notwendigen Beschleunigung, dann entsteht für diese betroffenen Personenkreise eine Rechtsminderung und damit ein verfassungswidriger Zustand.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben von der Regierung nicht nur keine Vorlage zu dem Artikel 131, sondern bisher auch keine Zahlen dazu bekommen. Man erklärt uns hierzu im Innenministerium, daß die Zahlen noch nicht vorhanden seien. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß in einem Teil der Presse — ich habe erst vor einigen Tagen im „Münchner Merkur" zum Beispiel sämtliche Zahlen aus dem Lande Bayern gelesen — bereits Zahlen veröffentlicht worden sind. Ich glaube, wir sollten die Regierung mit allem Nachdruck darauf aufmerksam machen, daß eine weitere Hinausschiebung der Vorlagen für die Gesetzgebung zu Art. 131 nicht möglich ist und politische und soziale Gefahren von größtem Ausmaße in sich birgt. Wir selbst haben mit unserem Antrag Nr. 668 einen positiven Vorschlag gemacht, der eine Interimslösung für alle Betroffenen vorsah, der aber, obwohl er am 3. März eingereicht wurde, erstaunlicherweise bis heute dem Hause noch nicht vorgelegt wurde.
Ich glaube, wir sollten den Antrag der DP nicht nur dem Ausschuß für Heimatvertriebene, sondern auch dem Ausschuß für Beamtenrecht überweisen, der für diese Dinge federführend ist. Wir sollten auch die Gelegenheit wahrnehmen, die Regierung allen Ernstes zu bitten, dieser Frage die größte Aufmerksamkeit zu schenken.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete von Campe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur ganz kurz! Die Ausführungen des Herrn Vorsitzenden des Flüchtlingsausschusses bringen mich in einige Verlegenheit. Ich kann sagen: ich bin sehr erschüttert. Wenn es nicht so ernst wäre, Herr Kollege, würde ich sagen: ich komme mir vor, als hätte ich einen Kater. In bin an diesen Vorschlag einer Beihilfe von einer Million herangegangen, nachdem ich mich mit allen zuständigen Herren Ministern in Verbindung gesetzt hatte. Ich glaubte, daß wir hier etwas tun könnten, um den Ärmsten der Armen schnell zu helfen. Aus den Ausführungen des Herrn Kollegen Kather kann ich nicht einen einzigen Grund erkennen, der gegen diese Sache sprechen würde. Im Gegenteil! Meine Herren, geben Sie sich doch keinen falschen Hoffnungen hin. Selbst wenn wir in der nächsten Woche eine Gesetzesvorlage von der Regierung bekommen, selbst wenn der Bundesrat die gesetzliche Frist einhält, selbst wenn auch die Hohe Kommission die Frist einhält, haben wir das Gesetz allerfrühestens Mitte Juni. Dann brauchen wir die Gelder überhaupt nicht mehr; denn dann hoffen wir ja, daß wir das endgültige Gesetz haben. Es ist ein Irrtum, wenn man meint, man könne mit einem Gesetz in den nächsten Wochen sofort 20 Millionen flüssig machen. Wir haben heute die Gelegenheit, durch die Annahme unseres Antrags zu diesem Haushalt für das laufende Rechnungsjahr diese eine Million zu bekommen; diese steht dem Flüchtlingsminister zur Verfügung. Er kann schon morgen damit helfen, er kann sie aber auch bis nach dem 31. März überschreiben. Warum sollen wir das vertagen? Da ist nichts übers Knie gebrochen.
Dann zum zweiten Punkt, meine Herren. Auch da möchte ich Sie dringend bitten, dem zweiten Teil der von uns vorschlagenen Entschließung zuzustimmen. Ich glaube nicht, daß wir da irgend
etwas übers Knie brechen, sondern wir müssen heute schon bekunden, wie wir uns die sachliche Regelung vorstellen. Der Einwand, daß noch andere Beamte und Pensionäre betroffen werden, braucht uns nicht zu schrecken. Wir können ja für die anderen nachher dieselbe Regelung treffen. Es muß ja dieselbe sein. Wir müssen uns nur klar werden: in welcher Richtung wollen wir das Schiff jetzt führen?
Und auch da, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen versichern, habe ich mit den zuständigen Ministern vorher gesprochen — gestern — und ihre Zustimmung eingeholt, daß wir heute schon in dieser Richtung vorgehen. Wenn wir diesen Antrag dem Ausschuß überweisen — der andere Antrag ruht ja dort schon seit dem 3. März, das sind drei Wochen, nun kommt der noch dazu —, dann warten wir noch weitere Wochen. Dann haben wir ein Begräbnis erster Klasse; das aber gerade will ich verhindern. Ich will dem Lande zeigen, daß wir etwas tun.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kather.
Meine Damen und Herren, ich möchte anknüpfen an die letzten Worte des Herrn von Campe: „Ich möchte dem Lande zeigen, daß wir etwas tun". Mir kommt es weniger darauf an, es dem Lande zu zeigen, als etwas wirklich Praktisches zu erreichen. Deshalb sind wir in die Verhandlungen mit dem Bundeskanzler und der Bundesregierung eingetreten, und wir glaubten, zu einem Kompromiß gekommen zu sein, das uns wirklich einer baldigen und tragbaren Lösung zuführt.
Diese eine Million, Herr von Campe, nützt uns ja überhaupt nichts!
Wir haben allein 80 000 heimatvertriebene Wartegeldbeamte. Herr von Campe, Ihr Antrag nützt uns nicht nur nichts, sondern er verwässert leider Gottes den Erfolg, den wir erreicht haben, und stellt ihn in Frage.
In der Verlautbarung der Bundesregierung ist nämlich nicht die Rede von dringendsten Notmaßnahmen, denen man mit einer Million, nebenbei bemerkt, überhaupt nicht beikommen kann, sondern da heißt es:
Zu diesem Zweck ist ein Betrag von 20 Millionen DM in Aussicht genommen, der die Möglichkeit geben würde, für die Übergangszeit zusätzlich zu der bisherigen Regelung durch die Länder die Ruhegehälter in normaler Höhe und in den Fällen, in denen die Voraussetzungen dafür gegeben erscheinen, auch Wartegelder zu zahlen.
Das aber wird durch Ihre Aktion vollkommen in Frage gestellt. Sie machen daraus eine Notstandsaktion, in deren Rahmen man Zahlungen, die ins Gewicht fallen, überhaupt nicht leisten kann. Ich möchte doch erwarten, daß wir es, wenn die Bundesregierung in der nächsten Woche mit dieser Notmaßnahme für die Vertriebenen kommt, die uns endlich einmal einer praktischen Lösung näherbringt,
dann wohl auch fertigbekommen werden, diesen Gesetzentwurf in drei Lesungen ohne Widerspruch hier durch das Haus zu bringen und schnell zur Durchführung der beschlossenen Maßnahmen zu kommen. Das habe ich mir allerdings eingebildet. Aber ich sage mir, durch Ihren Antrag ist dieser ganze Erfolg, den wir erzielt zu haben glaubten, in Frage gestellt. Das wollte ich Ihnen sagen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, ehe ich dem Herrn Bundesminister das Wort erteile, möchte ich darauf hinweisen, daß nach der Geschäftsordnung erst in der dritten Lesung über die Entschließung abgestimmt werden kann.
Herr Bundesminister Dr. Lukaschek hat das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst eine tatsächliche Berichtigung: der Vertreter der Kommunistischen Partei hat ausgeführt, daß sich ein Betrüger mit einem Ausweis des Flüchtlingsministeriums irgendwelche Vorteile habe verschaffen wollen. Dazu kann ich folgendes sagen.
Mein Ministerium hat überhaupt noch niemals eine Bescheinigung ausgestellt
und wird sie auch nicht ausstellen. Ich habe versucht, mich zu erkundigen, um was es sich bei diesen Dingen handelt. Es handelt sich dort auch nicht um Bescheinigungen, um Urkunden, sondern um Abschriften von drei Briefen, die der Betreffende vorgelegt hat, um Durchschläge: erstens um den Durchschlag des Briefes einer britischen Besatzungsstelle, zweitens um den Durchschlag eines Briefes einer Hamburger Firma und drittens um den Durchschlag eines Briefes einer Landesflüchtlingsverwaltung.
Mehr weiß ich nicht. Also, die Dinge sehen hier harmlos aus. Sie sind nicht unter die allgemeine Politik einzugruppieren. Jedenfalls kann ich erklären, daß seitens des Bundesministeriums niemals eine Bescheinigung ausgestellt worden ist. Das übrige sind die Ergebnisse von Gerüchten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun lassen Sie mich allgemein Stellung nehmen. Zunächst halte ich mich für verpflichtet, ein herzliches Wort des Dankes für die Ausführungen in diesem Hohen Hause zu machen. Es geht hier nicht allein darum, daß auch die Opposition wohlmeinende Worte zu diesem Problem gefunden hat, sondern wenn das ganze Haus zu erkennen gegeben hat, daß es die Notwendigkeit anerkennt, das Flüchtlingsproblem einheitlich zu lösen, so beweist das den Grad einer nationalen Haltung und bedeutet nach außen außerordentlich viel: nicht nur den Dank gegenüber der Haltung der Heimatvertriebenen, sondern auch die Erklärung, daß die Lösung der Flüchtlingsfrage eine der Hauptfragen des deutschen Volkes überhaupt ist,
und es bedeutet weiter, daß das ganze deutsche Volk auch gegenüber der internationalen Welt hier auf diese Bedeutung aufmerksam macht.
Ich kann nur sagen, daß sich mein Ministerium alle Mühe gibt, die drei Aufgaben, die es zu erfüllen hat, auch wirklich zu erfüllen: erstens den Heimatvertriebenen das Bewußtsein zu vermitteln, daß das deutsche Volk alles tut, um dieses Leid zu mildern; zweitens gegenüber der westdeutschen Bevölkerung mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß das eine Sache der Gesellschaft, des gesamten Volkes ist, und drittens, in die Welt hineinzurufen, daß sie helfen muß, dieses Problem zu lösen.
Mein Ministerium ist ein neuartiges Ministerium, und es ist natürlich erst die Entwicklung abzuwarten, wohin es gehen soll und wie es endgültig organisiert werden muß. Der ganz große Unterschied zwischen dem Vertriebenen-Ministerium und den alten, den klassischen Ministerien besteht darin, daß wir kein Sachgebiet, sondern ein Personengebiet zu verwalten haben, und daß wir uns damit in jedes Sachgebiet und in jedes Ministerium einschneiden und immer, wie der alte Cato, darauf hinweisen müssen: Ceterum censeo, es gibt Vertriebene, und jeden Schritt, den ihr geht, habt ihr unter dem Gesichtswinkel der Vertriebenen anzusehen. Das ist nicht angenehm: denn das bedeutet natürlich auch immer Kampf, Geisteskampf, möchte ich dazu sagen.
Nun ist hier das Wort gefallen, man wünsche mir einen stärkeren Arm. Ich bin dankbar für das Wort. In Tausenden und aber Tausenden Briefen wird mir ja geschrieben: Landgraf, werde endlich hart! Schlage endlich mit der flachen Hand in die Kompottschüssel!
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einmal sehr offen meine persönliche Meinung zu diesen Dingen sagen. Ich bekenne, daß ich Angst vor einem starken Mann habe. Von dem habe ich in den letzten 16 Jahren die Nase voll bekommen. Ich habe als Kind die schöne Erzählung von der Wette zwischen der Sonne und dem Wind gehört, wer von beiden einem Wanderer die Jacke ausziehen könne.
Diese Fabel enthält sehr viel an Bedeutung. Mit Wind und Hineinschlagen bekommen Sie in einer so fürchterlich schwierigen Situation niemals einen endgültigen Erfolg. Deshalb bin ich für die Sonne Ich danke dem Redner — ich weiß nicht. wer es war —, der mir hier das Wort von der Herzenswärme bestätigt hat.
— Ich bin auch nicht für Reden, meine sehr verehrten Damen und Herren, und mir schreiben meine Heimatvertriebenen immer: Redet doch nicht, sondern handelt!
Sie haben natürlich auch in vieler Beziehung recht. Aber wenn schon einmal geredet werden muß, dann gestatten Sie mir, wirklich aus Herzenswärme das zu sagen, was mir am Herzen liegt. Die Stunde dieser gemeinsamen großen Kundgebung, als die ich die heutige Beratung über meinen Etat stolz ansehe,
läßt mir natürlich das Herz auch wärmer schlagen
und gibt mir Mut für den weiteren Kampf. Wir
werden mit der Wärme auch denjenigen, denen
das Zahlen schwer fällt, die Jacke eher ausziehen, als wenn wir sie mit Sturm angehen.
Weiter ist hier gesagt worden, daß auch Kämpfe im Kabinett stattfinden. Damit ist ganz offensichtlich der Herr Finanzminister im Verhältnis zu mir apostrophiert worden. Meine Damen und Herren, selbstverständlich hat der Herr Finanzminister die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sich in dieser schweren Lage zunächst einmal gegen jeden Antrag zu wehren; das achte und schätze ich. Aber ich glaube, er beugt sich doch. Wer die schweren Verhandlungen der letzten Tage über die Beamtenpensionen und Wartegelder mitgemacht hat, der weiß, daß wir auch mit ihm zu neun Zehnteln zum Erfolg gekommen sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf den Antrag Drucksache Nr. 765 eingehen. Ich begrüße diesen Antrag als die Bezeugung des guten Willens, mich zu stützen und mir etwas in die Hand zu geben. Ich nehme deshalb die Dinge gern entgegen; ich nehme auch die eine Million gern entgegen, wobei ich gleichzeitig sagen muß: es ist natürlich ein Signifikativposten, bei dem ich sofort die Bitte anknüpfen muß, daß er über den 1. April hinaus übertragbar gemacht wird; denn mit einer Million, da hat Herr Kather recht, ist selbstverständlich nichts anzufangen. Aber hier ist zunächst einmal die gesetzliche Genehmigung notwendig, die der Herr Finanzminister sowieso dafür abwarten muß, und dann werden wir über die übrigen, wie ich bemerken möchte, sehr großen bürokratischen und verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten auch hinwegkommen. So fasse ich den Antrag auf und darf in diesem Sinne dafür danken. Ich weiß, daß er auch nicht parteipolitisch gemeint ist; denn das ist heute auch wieder das Große, das hier anerkannt worden ist, daß nämlich die Not der Heimatvertriebenen unter keinen Umständen irgendwie unter parteipolitischen Gesichtspunkten — von welcher Seite es auch sei — gesehen worden ist.
— Das gilt für jede der Parteien hier von ganz links bis ganz rechts. Jedenfalls habe ich die Empfindung gehabt.
Nun zu einigen sachlichen Dingen. Mein Ministerium faßt sich nicht als die Vertretung einseitiger Interessengruppen auf. Ich bin nicht Mandatar der Vertriebenen, sondern ich bin Kabinettsminister und mit dem ganzen Kabinett dafür verantwortlich, daß die deutsche Bundesrepublik aufgebaut und erhalten wird. Nur habe ich die Dinge immer unter dem Gesichtswinkel der Vertriebenen zu sehen und darauf hinzuwirken, daß jeder Beschluß des Kabinetts unter dieser Präambel geschieht. So wollen Sie meine Tätigkeit auffassen!
Daß in unserem Ministerium vornehmlich Heimatvertriebene sein müssen, liegt auf der Hand. In meinem Ministerium sind aber nicht ausschließlich Heimatvertriebene. Wir haben etwa 11 % der Stellen mit „Ureinwohnern"
besetzt. Das geschieht aus einem einfachen
Grunde: ich muß auch Leute haben, die eine intime Kenntnis von Land und Leuten hier haben,
ebenso Leute, die den ganzen Verwaltungsgang
ab ovo kennen. Ich glaube, viel mehr brauche
ich nicht dazu zu sagen. Daß wir sonst versucht
haben, die landsmannschaftlichen Interessen zu
vertreten und die Zusammensetzung möglichst
homogen und befriedigend zu gestalten, steht auf
einem andern Blatt. Es ist im übrigen eine schwere Crux, alle die sieben X, mit denen ich Beamtenstellen besetzen muß, ausreichend zu berücksichtigen.
Eins aber muß ich hier sagen: ich weiß von 90 % der Beamten meines Ministeriums nicht, welcher Partei sie angehören, ob sie katholisch oder evangelisch sind oder sonst einer Konfession angehören.
Das spielt für mich bei der Besetzung von Beamtenstellen keine entscheidende Rolle, denn dazu ist die Aufgabe, die wir haben, zu heilig.
Dem Herrn Vertreter des Zentrums darf ich meinen besten Dank sagen, daß er mich auf eine schwere Unterlassungssünde aufmerksam gemacht hat, die darin liegt, daß ich noch nicht an die Bezahlung der Überstunden gedacht habe. Ich habe wirklich noch nicht daran gedacht! Aber das kommt daher, daß unsere Leute Fanatiker sind, Fanatiker der Arbeit aus dem Bestreben heraus, den Heimatvertriebenen zu helfen; sie haben noch niemals daran gedacht, auch nur eine Überstunde zu liquidieren. Wir werden darauf achten, daß sie es jetzt tun. Wir haben ja gespart, und ich habe mein Ministerium ganz langsam aufgebaut. Als die Kritik des Bundesrats kam und' der Bundesrat die Zahl der Stellen auf 82 zusammengestrichen hatte, war ich glücklich, denn ich wäre nicht in Verlegenheit gekommen, auch wenn der Bundestag sich angeschlossen hätte. Ich hatte damals nämlich noch nicht 82 Stellen besetzt. Ich möchte überhaupt betonen, daß ich eiserne Sparsamkeit habe walten lassen und versucht habe, den Apparat klein zu halten. Wir werden in Zukunft jedoch nicht damit auskommen, aber wir bauen das alles langsam aus.
Nun zu der Frage, die hier auch angeschnitten worden ist, wie in Zukunft die Arbeit des Ministeriums aussehen wird. Der Bundesrat hatte in seiner Kritik geschrieben — ich darf es hier einmal vulgär ausdrücken —, es wäre am besten, der Bundesminister für die Angelegenheiten der Vertriebenen schaffe sich einen Gummistempel an und drücke auf jeden Eingang den Gummistempel: „Urschriftlich ergebenst zur zuständigen Erledigung an Landesflüchtlingsverwaltungen". Darüber sind wir hinaus, und zwar deshalb, weil die Tatsachen uns notwendigerweise nicht nur zu einer Koordinierung, sondern auch zu Sorgen im Einzelfalle führen. Wir werden in bezug auf die Organisation sehr prüfen müssen, inwieweit die Einrichtungen der Länder für uns, sei es als Auftragsverwaltung oder auf sonst eine Weise unterbaut werden. Diese Angelegenheit wird Gegenstand des von mir wahrscheinlich Anfang Mai vorzulegenden Vertriebenen-Rahmengesetzes sein. Das wird ein sehr umfangreiches Werk, eine Arbeit, bei der wir sehr viele heiße Eisen anfassen müssen. Wir werden eine einheitliche Regelung in bezug auf die Frage schaffen müssen, wer nun Vertriebener ist. Wir werden alle diese Dinge einmal grundsätzlich aufnehmen müssen. Wie gesagt, ich hoffe, Ihnen das Gesetz Anfang Mai vorlegen zu können. Im übrigen möchte ich hier einfügen, daß die Länder-Flüchtlingsverwaltungen mich selber darauf aufmerksam gemacht haben, sie müßten in ein engeres Verhältnis kommen.
Lassen Sie mich nun zu dem Antrag sprechen
ich glaube, es war ein Antrag der Bayernpartei —, der die Errichtung einer Flüchtlingsausgleichsabteilung erfordert, also einer Abteilung, die für einen Ausgleich der Vertriebenen sorgt, die heute massiert in den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern sitzen und aus diesen Notstandsgebieten in weniger belegte Länder kommen sollen. Das ist eine ungewöhnlich schwere Aufgabe, und ich glaube, eine eigene Abteilung dafür brauche ich nicht. Diese Aufgabe wird aufs sorgsamste bearbeitet, und wir haben auf dem Gebiet ja schon eine Notverordnung für den Transport der 300 000 Menschen. Ich werde dem Bundesrat in allernächster Zeit erneut eine Notverordnung vorlegen, die mir ein Weisungsrecht in dem Sinne gibt, wie es gestern im Antrag der Bayernpartei gefordert wurde.
Von der Bayernpartei ist dann ein Antrag eingegangen, mein Ministerium zu erweitern, es, sagen wir, zu einem Sozialministerium auszubauen. Im Rahmen dieser Debatte kann ich dazu nicht Stellung nehmen, besonders da das Kabinett sich noch nicht damit beschäftigt hat. Man kann einmal darüber reden, wie man das macht, muß sich aber klar sein, daß es dann eben ein großes Sozialministerium würde. Dann aber würde unsere Arbeit nicht mehr unter dem Spezialgesichtspunkt stehen, das Leid der Vertriebenen zu lindern oder überhaupt eine Lösung der Probleme der Heimatvertriebenen herbeizuführen.
Es sind hier Sachgebiete angeschnitten worden, und da besonders das Gebiet des Kredits. Ich darf dazu folgendes sagen. Geschehen ist in diesem halben Jahre manches. Wir haben manches hinbringen können, und wir werden jetzt mit dem Arbeitsbeschaffungsprogramm auch noch sehr viel hinbringen. Innerhalb des letzten halben Jahres sind allein über das Hauptamt für Soforthilfe, das nicht meinem Ministerium untersteht, aber ein sehr liebes Kind von mir ist, ausgeschüttet worden 885 Millionen für Unterhaltshilfe, 265 Millionen für Hausratshilfe, dann erneut 185 Millionen für Hausratshilfe, 100 Millionen für Aufbauhilfe und 25 Millionen für Ausbildungshilfe. Das ist, zusammengerechnet, ein Betrag von beinahe eineinhalb Milliarden; bei der Not des deutschen Volkes auch ein ganz großes Wort. Das möchte ich vor allem nach außen hin besonders unterstreichen. Denn wenn man uns in der Welt immer fragt: was habt ihr denn getan? ihr müßt doch damit anfangen!, so muß man demgegenüber darauf hinweisen, daß eineinhalb Milliarden eine Summe sind, die das deutsche Volk in all seiner Armut aufgebracht hat, und daß sich darauf auch wird aufbauen lassen.
Doch nun lassen Sie mich einmal über den Hauptzweck meines Ministeriums, das Geistige, sprechen. Wir Heimatvertriebenen sind hierhergekommen, nicht, um etwas zu fordern, nicht, um der westlichen Bevölkerung etwas wegzuessen. Wir wissen, welch ungeheure Last wir darstellen. Es ist so, wie wenn der mit seinem Geschäft zu Bruch gegangene Bruder vor der Tür des andern steht und nun anklopft. Dann verstehen wir durchaus, daß der reichere Bruder besorgt seinen Kopf senkt. Es muß nur dann der Verstand bei ihm einsetzen, und er muß sich sagen, daß es billiger ist; dem zu Bruch gegangenen Bruder eine neue Existenz zu schaffen, als ihn mit Wohl-
fahrtsmitteln unterhalten zu wollen. Und wir Heimatvertriebenen sind die Träger einer ganz großen Idee. Wenn in ein Gebiet mit 38 Millionen Einwohnern noch 8 Millionen Menschen hineingepreßt werden, so heißt das, daß dieses Gebiet unter dem Siegel eines sozialen Umbruchs steht. Wir Heimatvertriebenen haben den sozialen Umbruch erlebt. Diese westdeutsche Republik kann nur erhalten werden, wenn beide Teile mit Liebe und Wärme an die Lösung dieser ungeheuren sozialen Aufgabe gehen. Nur dann bauen wir hier einen neuen Staat.
Wir Heimatvertriebenen haben natürlich die Hoffnung auf Rückkehr in unsere Heimat, und man wird uns unser Recht, heimzukehren, niemals aus dem Herzen reißen. Niemals!
Aber wir wissen, daß, wenn wir die westdeutsche Republik nicht aufbauen, der Gedanke an die Heimkehr niemals verwirklicht werden kann.
Deshalb müssen wir in erster Linie Hand anlegen und opfern und müssen uns diese Heimat hier neu aufbauen, damit wir zurückkehren können, und wir müssen leben, als ob wir niemals zurückkehren könnten. Denn wenn der Augenblick der Rückkehr kommt — und ich hoffe, er kommt —, dann gibt es keine Probleme mehr zu lösen.
Das ist meine Überzeugung, wie ich auch jedem anderen seine Überzeugung lasse.
Meine Damen und Herren, das ist das Schicksal des deutschen Volkes. Die Aufgabe der Heimatvertriebenen aber ist es, in Wärme und Herzlichkeit und in Verständigung mit der westdeutschen Bevölkerung die neue Bundesrepublik aufzubauen. Dann wird für das deutsche Volk endlich wieder eine glückliche Zeit anbrechen, und wir werden voll Stolz die Träger dieser Idee sein.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.
Meine Damen und Herren, nur einige kurze Worte zu dem Antrag Drucksache Nr. 765 Ziffer 1. Ich verstehe die Absicht des Antragstellers, und ich glaube, daß diese Absicht lediglich dahin geht, daß von der in Aussicht genommenen Überbrückungshilfe ein Betrag möglichst sofort, sozusagen im Vorgriff auf die künftige Gesetzgebung, bereitgestellt werden möge. Es ist ja hier schon davon gesprochen worden, daß die Bundesregierung beabsichtigt, bis zum Inkrafttreten des Gesetzes auf Grund des Artikels 131 durch eine Überbrückungsmaßnahme zu helfen. Die Form, in der der Antrag gestellt worden ist, scheint mir aber diesen Gedanken nicht richtig zum Ausdruck zu bringen.
Denn in dieser Form würde das auf eine Art
Dispositionsfonds eines Ministeriums hinauslaufen. Die Überbrückungsmaßnahme muß natürlich auf einer gesetzlichen oder verordnungsmäßigen Grundlage erfolgen
und kann nicht im freien Belieben stehen. Ich glaube aber, daß auch der Antragsteller sich damit begnügen wird, wenn ich erkläre: Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, alles Mögliche zu tun, um diese Überbrückungsmaßnahme möglichst rasch wirksam werden zu lassen.
Meine Damen und Herren, zu diesem Einzelplan liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor; damit ist die Beratung darüber geschlossen. Nach den getroffenen Vereinbarungen soll die Abstimmung erst nach 15 Uhr stattfinden.
Wir treten nunmehr ein in die Beratung des Einzelplans XVI — Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen .
Das Wort als Berichterstatter hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Meine Damen und Herren! Der Stellenplan des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen zeigt eine einsichtsvolle Zurückhaltung hinsichtlich der nach Ansicht des Ministeriums unbedingt notwendigen Besetzung. Der Aufbau des Ministeriums gliedert sich wie folgt: an der Spitze der Minister, ein Ministerialdirektor als Vertreter des Ministers und je ein Ministerialdirigent in Bonn und in Berlin. Aufgeteilt ist das Ministerium in eine Zentralabteilung, der die Behandlung von Kabinettsfragen, Angelegenheiten des Bundestages und des Bundesrates, Rechtsangelegenheiten und die Verwaltung des Apparates des Ministerium obliegen.
Abteilurig I bearbeitet unter Leitung eines Ministerialdirigenten die Angelegenheiten des deutschen Ostens. Als Abteilung II wird die Vertretung des Ministeriums in Berlin bezeichnet. Sie leitet ein Ministerialdirigent, dem ein Amtsrat zur Seite steht. Die Berliner Vertretung umfaßt das Referat 1 für politische und Verwaltungsangelegenheiten unter einem Oberregierungsrat, das Referat 2 für Wirtschafts- und Sozialangelegenheiten, ebenfalls unter einem Oberregierungsrat, das Referat 3 für kulturelle Angelegenheiten unter einem Referenten der Gruppe T II und das Referat 4, Presse- und Informationsstelle, das einem Referenten der Gruppe T I untersteht.
Die in Bonn befindliche Abteilung III bearbeitet die Angelegenheiten der Grenzgebiete der Bundesrepublik Deutschland. Der Abteilungsleiter ist ein Ministerialrat. Insgesamt sieht der Stellenbesetzungsplan dieses Ministeriums außer dem Minister einen Ministerialdirektor, zwei Ministerialdirigenten und einen Ministerialrat vor. Die Zahl der Beamtenstellen stellt sich auf insgesamt 28. Mit Rücksicht auf die befristete Dauer dieses Ministeriums wurde die Mehrzahl der Stellen mit Angestellten besetzt. Hiermit ist einem Wunsche entgegengekommen, der heute schon von diesem Hause geäußert wurde. Insgesamt sind es 39 Angestellte. Der Haushaltsplan des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen schließt mit einem Zuschuß von 3 737 900 DM ab, Die persönlichen Ver-
waltungsausgaben betragen 10 % der Sachausgaben. Für einmalige Ausgaben sind 155 000 DM vorgesehen. Aus ihnen wird der Aufbau und die Einrichtung des Ministeriums bestritten.
Der Haushaltsausschuß schlägt die Genehmigung dieses Planes vor.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Über den Antrag meiner Fraktion, den Haushaltsplan dieses Ministeriums zu streichen, hat das Haus bereits bei der zweiten Lesung des Haushaltsgesetzes entschieden. Es ist gewiß ein ungewöhnlicher Vorgang. Denn schließlich kann man über die Frage, ob ein Ministerium bestehen soll oder nicht, nicht schon entscheiden, bevor der Haushaltsplan, der Einzelplan des Ministeriums, zur Behandlung gekommen ist. Ebenso ungewöhnlich ist es meines Erachtens auch, daß man vor der Beratung der Einzelpläne zunächst einmal das Haushaltsgesetz in zweiter Lesung beraten hat. Denn Form und Inhalt des Haushaltsgesetzes richten sich doch zu einem großen Teil danach, was in den Einzelplänen festgesetzt wird. Aber schließlich muß man ja in diesem Hause auf alles gefaßt sein.
Und es würde sich vielleicht empfehlen, über die Eingangstür das Wort zu schreiben: „Die ihr hier einzieht, verlernt zunächst das Wundern!"
Wir hatten den Antrag auf Streichung dieses Ministeriums aus drei Gründen gestellt. Zunächst einmal aus Gründen der Sparsamkeit. Ich brauche im einzelnen nicht auszuführen, daß es selbstverständlich aufwändiger ist, wenn für eine Aufgabe eine besondere Behörde eingerichtet wird, ais wenn man diese Aufgaben durch andere Behörden, die bereits bestehen, miterledigen läßt. Wir haben aber im Laufe der letzten Wochen gesehen, daß gerade durch die Struktur der Ministerien die Gefahr besteht, daß an einem der empfindlichsten Punkte der deutschen Politik leicht Störungen entstehen. Als ich im Haushaltsausschuß feststellte, daß sich in diesem Kabinett drei Ministerien mit der Außenpolitik beschäftigen — zunächst die Bundeskanzlei, dann das ERP-Ministerium und außerdem noch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen — wurde mir aus den Reihen der Regierungsparteien freundlicherweise zugerufen, daß ich dabei das Wirtschaftsministerium noch vergessen hätte. Das wären also glücklich vier Ministerien! Aber die Außenpolitik ist ja bei unserer schwierigen Lage nun einmal der empfindlichste Punkt, und wir haben gerade durch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in der Saarangelegenheit erlebt, wie leicht hier Störungen auftreten können.
Als im Haushaltsausschuß die Streichung des gesamten Ministeriums abgelehnt wurde, haben wir, um solche Störungen für die Zukunft auszuschalten, dann den Antrag gestellt, wenigstens die Abteilung III dieses Ministeriums zu streichen. Unter dem Eindruck der Panne, die gerade passiert war, fanden wir auch bei der ersten Lesung eine Mehrheit. Aber zwischen der zweiten und dritten Lesung hat dann der Herr Bundeskanzler offenbar eine Ausrichtung seiner Mannschaft — ach, Verzeihung, ich wollte natürlich sagen: Fraktion — vorgenommen, und bei der zweiten Lesung wurde dann im Haushaltsausschuß diese Abteilung III wiederhergestellt.
Wir werden deshalb heute wieder den Antrag stellen, daß diese Abteilung III des Ministeriums gestrichen wird.
Meine Damen und Herren! Auf die Zwischenrufe darf ich bemerken: es hat gar nichts damit zu tun, ob das Ministerium Kaiser in diesem Falle in der Saarfrage eine Haltung vertreten hat, wie sie auch von uns vertreten wurde, sondern es handelt sich hier lediglich um die Tatsache, daß durch dieses Eingreifen oder durch die Panne, die dabei passiert ist, eben doch die wichtigen Fragen der deutschen Außenpolitik einer gewissen Störung unterworfen waren.
Das Ministerium besteht jetzt seit sechs Monaten. Wir haben bisher nicht feststellen können, daß es eine Aufgabe, die ihm übertragen ist, besser gelöst hätte als andere Ministerien, die sie hätten miterledigen können. Eine der wichtigsten Aufgaben, die das Ministerium hat, ist ja die Frage Berlin. Ich weiß, daß vielleicht in der Debatte darauf hingewiesen werden wird: in Berlin würde die Streichung dieses Ministeriums einen sehr schlechten Eindruck machen. Aber die sozialdemokratische Fraktion braucht sich in Berlin und in der Ostzone nicht mehr dafür zu legitimieren, daß sie ihren Kampf um Berlin und um die Ostzone führt. Das ist doch bekannt genug, und man wird wissen, daß unser Antrag aus sachlichen Notwendigkeiten heraus gestellt worden ist.
Aber gerade in dieser Frage Berlin hat das Ministerium in der wichtigsten Aufgabe versagt. Sie wissen, daß wir bei den ersten Entschließungen, die wir im Bundestag gefaßt ' haben, die Forderung aufgestellt haben, daß Bundesbehörden nach Berlin verlegt werden. Die Regierung selbst hat ihrerseits gewisse Erklärungen und Zusicherungen nach der Richtung hin abgegeben. Aber bereits in der zweiten Sitzung des Berlin-Ausschusses — glaube ich, war es — hat Herr Thedieck dargelegt, wie außerordentlich stark die Widerstände gegen die Verlegung von Behörden innerhalb der Behörden selbst seien. Die Einwände dagegen häuften sich zu Bergen. Ich habe darauf erwidert, daß es unbedingt notwendig sei, diesen Knoten zu durchhauen. Aber das ist dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen bis zum heutigen Tag offenbar nicht gelungen.
Es werden zwei Gründe gegen die Verlegung der Bundesbehörden nach Berlin angeführt. Zunächst einmal wird auf die bestehenden Verkehrsschwierigkeiten hingewiesen. Im Berlin-Ausschuß sind genügend Hinweise gemacht worden, wie diese Schwierigkeiten behoben werden können. Zweitens weist man darauf hin, daß in Berlin die notwendige Sicherheit vielleicht nicht gegeben sei. Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit gegenüber den Beamten, die vielleicht eine gewisse Furcht beschleicht, wenn sie daran denken, daß sie demnächst in Berlin tätig sein könnten, eines sagen: Wer sich fürchtet, in Berlin als Beamter tätig zu sein, sollte sich hüten, im
Westen Deutschlands eine Beamtenstelle anzunehmen.
Denn die Auffassung, daß hier im Westen eine größere Sicherheit bestehe als in Berlin, ist doch letzten Endes nicht viel mehr als eine optische Täuschung. Das Schicksal Berlins wird auch das Schicksal Westdeutschlands sein. Darüber sollte an keiner Stelle irgendein Zweifel bestehen.
Wir haben aus der Presse ersehen, daß der Herr Bundeskanzler nach Ostern der Stadt Berlin einen Besuch machen will. Wir begrüßen das, wenn wir auf der andern Seite auch unser Bedauern zum Ausdruck bringen müssen, daß der Herr Bundeskanzler erst nach Berlin kommt, nachdem zwei Außenminister auswärtiger Staaten in Berlin gewesen sind. Wir sind der Auffassung, der Herr Bundeskanzler hätte sich den Vortritt bei dem Besuch Berlins nicht nehmen lassen sollen. Dieser Besuch wird gewiß seine großen psychologischen Wirkungen haben. Aber mit psychologischen Wirkungen allein kommt man im politischen Leben nicht weiter. Wir haben den Eindruck, daß man allzuoft in den letzten Monaten Politik unter dem Gesichtspunkt der psychologischen Wirkungen gemacht hat, so wie wir das etwa vorhin erlebt haben, als Herr Kollege von Campe seinen Antrag stellte, die eine Million Mark zur Verfügung zu stellen. Mit einem solchen Beschluß werden gewiß sehr starke Hoffnungen auf allen Seiten erweckt. Aber die Enttäuschung, die hinterher kommen muß, wird dann entsprechend größer sein. Wir möchten also, daß der Besuch des Herrn Bundeskanzlers in Berlin nicht nur psychologische Wirkungen hat, sondern daß der Herrn Bundeskanzler den Berlinern bei seinem Besuch einmal ganz klar und deutlich ein Programm der Bundesregierung für die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin entwickelt.
Unter der Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin verstehen wir dabei nicht nur, daß dort gewisse Zweigstellen errichtet werden, sondern eine durchgreifende Wirkung kann eine solche Aktion nur dann haben, wenn man wirklich die Behörden vollständig nach Berlin verlegt und damit klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, daß für die deutsche Bundesrepublik Berlin immer noch die Hauptstadt ist.
Ich weiß, daß hier die Schwierigkeiten noch sehr groß sind. Ich weiß auch, daß der Herr Minister Kaiser sich hingebend bemüht hat, einen Erfolg zu erreichen. Ich kann im Augenblick nicht untersuchen und auch nicht feststellen, wo die größten Widerstände gegen die Verlegung der Bundesbehörden liegen, ob es bei den Beamten der betreffenden Behörden selbst der Fall ist oder ob vielleicht innerhalb des Kabinetts aus gewissen politischen Konzeptionen heraus auch sehr starke Widerstände bestehen. Der Herr Kollege Kather war ja vorhin so freundlich, uns einige Intimitäten aus dem Kabinett hinsichtlich der Flüchtlingsfragen zu erzählen. Vielleicht findet sich in der anschließenden Debatte auch jemand, der zur Ehre des Herrn Minister Kaiser uns auch einmal einige Intimitäten über die Berlin-Frage aus dem Kabinett erzählt.
Wenn ein Ministerium eine so außerordentlich wichtige Aufgabe hat und es ihm nicht gelungen ist, innerhalb von sechs Monaten in dieser Frage ein erhebliches Stück weiterzukommen, dann, glaube ich, hat dieses Ministerium damit nicht den Beweis erbracht, daß seine Existenz unbedingt erforderlich ist. Ich glaube, auch für Herrn Minister Kaiser müßte diese Frage von so entscheidender Bedeutung sein, daß er sehr ernstlich überlegen müßte, welche Konsequenzen sich für ihn ergeben würden, wenn die Widerstände innerhalb des Kabinetts nicht zu überwinden sind.
Wir haben ja aus der Ahnung dieser Verhältnisse vor einigen Wochen hier im Bundestag den Antrag gestellt, der Bundestag möge beschließen, bestimmte Behörden nach Berlin zu verlegen. Die Angelegenheit ruht augenblicklich im BerlinAusschuß. Ich sage ausdrücklich: sie ruht dort. Denn auch dort gewinnt man jetzt den Eindruck, daß man bestrebt ist, durch unendliche Befragungen und Verhandlungen eine Verzögerung der Entscheidung herbeizuführen. Wir werden zunächst versuchen, im Berlin-Ausschuß die Dinge zu bereinigen. Sollte das nicht gelingen, dann werden wir eine andere Gelegenheit suchen, um den Bundestag zu zwingen, jetzt klar und deutlich zu sagen, ob er aus seinem Bekenntnis zu Berlin auch die Folgerung ziehen will, nämlich der zögernden Bundesregierung einen Auftrag zu geben, bestimmte Behörden nach Berlin zu verlegen.
Wir wissen natürlich, daß nicht alle Aufgaben des Ministeriums abgebaut werden können oder überflüssig sind. Sie müssen den anderen Ministerien übertragen werden. Wir haben das in unserem Antrag zum Ausdruck gebracht. Aber wenn der größte Teil dieser Aufgaben an das Innenministerium geht, dann wird dadurch — davon sind wir überzeugt — um so stärker gegenüber dem deutschen Volk und der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß diese Bundesregierung und dieser Bundestag nur ein Ziel haben, nämlich möglichst bald die Einheit Deutschlands wiederherzustellen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fisch.
Meine Damen und Herren! In dem Vorwort zum Einzelplan XVI, dem Etat des Herrn Ministers für gesamtdeutsche Fragen, werden die Aufgaben dieses Ministeriums in erster Linie mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit umschrieben. Man kann wohl sagen, daß es kaum eine unrichtigere Betitelung der Aufgaben eines Ministeriums geben kann als die, die hier im Vorwort zum Einzelplan XVI angegeben ist. Die wirkliche Aufgabe dieses Ministeriums ist die Störung aller echten Versuche zur Wiederherstellung der deutschen Einheit, ist letzten Endes nichts anderes als der allerdings vergebliche Versuch, die Herrschaft der amerikanischen Kolonialherren auf ganz Deutschland auszudehnen und mit deren Einverständnis und unter deren Anleitung eine organisierte Zersetzungs- und Spionagearbeit im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu betreiben.
In den Zahlenangaben, die uns das Ministerium vorlegt, gibt es einige sehr schwer verständliche Dinge. In der Gesamtsumme der ordentlichen Ausgaben dieses Ministeriums wird die Zahl von 3,5 Millionen DM für die Dauer eines halben Jahres angegeben. Für einen Betrag von etwas über 500 000
DM sind bis ins kleinste gehende Details darüber angeführt, in welcher Weise diese Gelder ausgegeben werden. Da lesen wir sehr genaue Dinge über die Marken der Autos, die im Dienste des Ministeriums stehen; wir lesen Angaben über die Nummern der Häuser, die das Ministerium in Benutzung hat, über ihren baulichen Zustand usw. Aber dann finden wir plötzlich eine Summe, die nicht weniger als sechs Siebtel der gesamten ordentlichen Ausgaben des Ministeriums darstellt, nämlich die Summe von 3 Millionen DM, über deren Aufgabe nur ein kurzer lakonischer Satz zu finden ist, nämlich unter der Überschrift in Tit. 31 „Allgemeine Haushaltsausgaben": „Zuschüsse an Forschungsinstitute für kultur- und volkspolitische Fragen und ähnliche Einrichtungen sowie für allgemeine kulturelle Zwecke", und in der Erläuterung für diesen Ausgabeposten heißt es dann kurz: „Die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist im gesamtdeutschen Interesse notwendig. Die veranschlagten Beträge sind nach eingeholten Unterlagen errechnet." Ich möchte Sie fragen, Herr Minister: Warum sind Sie hier bei sechs Siebteln der Ausgaben Ihres Ministeriums schweigsam,
während Sie bei kleineren Beträgen nicht mitteilsam genug sein können? Was haben Sie hier zu verbergen über die Aufgaben und den Inhalt Ihrer Tätigkeit und über die 'Begründung einer so hohen Ausgabensumme? Wenn man sich diese Formulierungen zu Gemüte führt, die Sie für die Begründung Ihrer Ausgaben von 3 Millionen DM nehmen, wird man unwillkürlich an gewisse Formulierungen aus der Nazizeit erinnert, nämlich aus der Darstellung der Aufgaben, die ein gewisser Gauleiter Bohle einmal übernommen hatte. Da wurde auch sehr viel von volkspolitischen Aufgaben, von „kulturellen Zwecken allgemeiner Art" usw. gesprochen, und wir wissen, daß diese „volkspolitischen und kulturellen Aufgaben allgemeiner Art" nichts anderes bedeuteten als die politische Durchdringung solcher Gebiete, die man sturmreif machen wollte,
als die Organisierung einer Fünften Kolonne als
Vorbereitung eines kriegerischen Unternehmens.
Wenn früher solcherlei Aufgaben, wie sie hier im Ministerium für gesamtdeutsche Fragen skizziert sind, unter der Verantwortung des Außenpolitischen Amtes der NSDAP oder der Gestapo figurierten, so besteht kein Unterschied zwischen beiden in dem Grade der Anrüchigkeit der Ausgaben, auch dann, wenn Sie sich heute vornehmere Titel aussuchen, um die gleiche Arbeit zu erfüllen,
die jene Naziämter einmal leisteten.
Wir finden in der Begründung Ihrer Ausgaben einige Formulierungen, die nicht unwidersprochen bleiben können. Sie sagen, es ginge Ihnen um die „Verfolgung des Standes und der Entwicklung der Rechts- und Verwaltungsverhältnisse in der Ostzone". Was soll damit gesagt sein? In Wirklichkeit dient Ihre Tätigkeit der Organisierung einer illegalen Untergrundbewegung, der Störung des demokratischen Aufbaues, um damit wie einige Ihrer amtlichen Stellen schon öfter zugegeben haben, das
Gelingen des wirtschaftlichen Zweijahresplanes zu verhindern.
Ich möchte noch weiter fragen, welcherlei Aufgaben Sie sich außer der Organisierung der Spionagedienste gestellt haben, etwa in der Finanzierung gewisser Presseorgane? Wir haben vor einigen Monaten von der Gründung eines sogenannten „Mitteldeutschen Pressedienstes" gehört, von dem ich im Augenblick nicht weiß, ob er noch ,existiert oder schon eingegangen ist; aber vielleicht können Sie, Herr Minister, uns darüber Auskunft geben, ob und in welcher Höhe Mittel aus Ihrem Ministerium diesem Unternehmen zur Verfügung gestellt worden sind, einem Unternehmen, das von nicht ganz urigewichtigen Namen repräsentiert wird wie beispielsweise von Herrn Minister Lukaschek, von Herrn Brill, der Mitglied dieses Hauses ist, usw., von Leuten, die sich als „Flüchtlinge" ausgeben, in Wirklichkeit aber eine sehr sonderbare Karriere hinter sich haben, die sie keineswegs zur Führung des Titels eines „Flüchtlings" legitimiert? Es wird darauf hingewiesen, daß auch gewisse West-Berliner Zeitungen — nicht ohne Erfolg — Anspruch darauf erhoben haben, aus den Mitteln Ihres Ministeriums, Herr Minister, unterstützt zu werden. Als die Sozialdemokratie noch eine revolutionäre Partei war, bezeichnete sie derartige Fonds, etwa gegenüber dem Reichskanzler Bismarck, als „Reptilienfonds".
— Das ist allerdings lange her. Heute verwendet man nicht mehr eine solche Kennzeichnung, sondern man deckt geflissentlich eine derartige Praxis.
Was ist die Tätigkeit Ihres Ministeriums? Sie halten Reden, Reden einmal des Inhalts, die armen Menschen aus der „Ostzone" Deutschlands mögen doch alle herüberkommen in das „Land der Freiheit". Dann kommen einige, und zwar nach den Angaben sehr maßgeblicher Stellen zu 90 Prozent kriminelle Elemente. Dann stellen Sie, Herr Minister, sich wieder an die Zonengrenze und beschwören die gleichen Leute, sie mögen doch bitte drüben bleiben, weil man hier schon Leute genug dieser Art habe. — Sie organisieren die Verwirrung und die Sabotage und gleichzeitig registrieren Sie fein säuberlich die sogenannten alten Rechtsansprüche bestimmter früher privilegierter Kreise, die heute in der Deutschen Demokratischen Republik nichts mehr zu melden haben. Sie sind behilflich bei der Gründung sogenannter „Freiheitsorganisationen", wie etwa des „Mitteldeutschen Freiheitsbundes" oder des „Deutschen Bundes", in denen die ehemaligen Großgrundbesitzer, die 'ehemaligen Industriellen, die heute enteignet sind, sich zusammengeschlossen haben, um ihre alten Ansprüche um so besser geltend machen zu können. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Minister, es ist eine vergebliche Liebesmüh und eine nutzlose Verschleuderung von Geldern, wenn Sie die Interessen solcher Leute, die drüben nun endgültig von der Bühne verschwunden sind, wahrnehmen wollen.
Ich möchte auch sagen, Herr Minister, daß Sie persönlich wohl der allerungeeignetste Mann sind, der sich zur Verfechtung gesamtdeutscher Interessen aufspielen kann. Es gab einmal eine Zeit, da gaben Sie sich als der „Brückenbauer" zwischen Ost und West aus. Dieses Unternehmen des Brükkenbauens ist Ihnen mißlungen, als Sie plötzlich den guten Ton verloren und glaubten, Sie könnten bestimmten Vertretern der sowjetischen Besatzungsmacht zuprosten auf die baldige Herbeifüh-
rung einer deutsch-sowjetischen Grenze oder, mit anderen Worten, auf die Herbeiführung einer neuen Teilung Polens. Sie kennen diese Dinge zu genau, als daß es nötig wäre, Sie an Einzelheiten zu erinnern.
Damals ist Ihnen Ihr „Brückenbauen" also mißlungen, worauf Sie sich in der westlichen Hälfte Deutschlands eingestellt haben, um Ihre politische Laufbahn hier fortzusetzen. Jetzt nennen Sie sich nicht mehr „Brückenbauer", sondern jetzt nennen Sie sich „Wellenbrecher des Marxismus". Ich glaube, daß Sie sich auch hier einen höchst ungeeigneten und undankbaren Titel ausgesucht haben. Sehen Sie, Herr Minister, solche „Wellenbrecher des Marxismus" gab es und gibt es noch heute an verschiedenen Ecken und Enden der Welt. Es gab solche „Wellenbrecher des Marxismus" einmal in Warschau, in Bukarest, in Prag und in Nanking; sie existieren heute nicht mehr. Es gab Leute, die diese Wellenbrecher immer ermutigt haben, durch die Bereitstellung von Luftbrücken usw. Es gab auch einmal eine Luftbrücke von Nanking nach Schanghai. Aber sie wurde abgebrochen, als der letzte Teppich aus Nanking evakuiert war. Sehen Sie, meine Damen und Herren, dem Herrn Minister Kaiser wird es ebenso gehen wie jenen „Wellenbrechern", die dann von ihren Auftraggebern im Stich gelassen worden sind, und den jetzt noch existierenden kleinen Wellenbrechern, etwa auf Formosa oder in Saigon oder an anderen Stellen der Welt.
Es hat ein klägliches Ende genommen mit dieser Sorte von „Wellenbrechern", so kläglich, daß sogar deren Auftraggeber, wie etwa der derzeitige amerikanische Außenminister Acheson, selbst in Verruf geraten ist, mit den Kommunisten zu konspirieren, und in Gefahr geraten, deswegen seinen Posten zu verlieren.
Sie selber, Herr Minister Kaiser, haben doch wohl in den letzten Tagen und Wochen auch einige Erfahrungen darin gemacht, wie hoch oder wie niedrig Ihr politisches Ansehen inzwischen geworden ist, sowohl in Berlin als auch hier in Bonn. Hier in Bonn werden Sie von Ihrem eigenen Bundeskanzler desavouirt, und Sie schlagen sich vor den Journalisten mit der Frage herum, ob Sie nun zu Recht oder zu Unrecht gerüffelt worden sind. Ich möchte Ihnen eine Schlußfolgerung aus dem unaufhaltsamen Abwärtsgang Ihrer politischen Karriere nahelegen, nämlich kurz und bündig zu demissionieren und zu erklären: Ihre politische Laufbahn ist am Ende. Das ist das Beste, was Sie im Interesse Gesamtdeutschlands tun können.
—Ach, Sie wissen das ja ganz genau! Sie sind wieder mal in den falschen Zug eingestiegen, Herr Kollege Dr. Bucerius!
Meine Damen und Herren, wenn man eine solche Politik betreibt, die man gelinde als Dilettantismus bezeichnen kann, politisch genauer aber als eine gefährliche Bankerottpolitik kennzeichnen muß, dann ist zu sagen: das ist eine Politik ohne Perspektive, ohne politischen Sinn und Nutzen für das deutsche Volk. Was soll denn eigentlich mit ihrer Politik vorbereitet werden? Wollen Sie den Osten Deutschlands mit Hilfe amerikanischer Tanks
zurückerobern? Die amerikanischen Generäle werden Ihnen etwas pfeifen! Die werden Ihre Bereitschaft für die Zurverfügungstellung deutscher Fußtruppendivisionen begrüßen, aber keinen einzigen Mann stellen, um Ihre einfältigen Pläne zu verfolgen! Wollen Sie damit etwa die in der Demokratischen Republik inzwischen vor sich gegangene Umwandlung der gesellschaftlichen Verhältnisse rückgängig machen? Wollen Sie die alten Großgrundbesitzer wieder zurückführen, die Hunderttausende von Flüchtlingen, Landarbeiter und landarmen Bauern von ihrer neuen Scholle zugunsten der alten adeligen und sonstigen Großgrundbesitzer vertreiben? Wollen Sie die heutigen volkseigenen Betriebe wieder in die Hände der Konzernherren zurückführen? Wollen Sie die alte reaktionäre Bürokratie wieder in die Justiz, in das Erziehungswesen, in die Verwaltung, die Polizei usw. zurückzuführen? Was sind das für einfältige Vorstellungen von dem künftigen Gang der politischen Entwicklung?
So kann man sich die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands nicht vorstellen. Sagen Sie doch offen, Sie wollen, daß es auch im Osten Deutschlands wieder wird, wie wir es hier im Westen Deutschlands haben.
Ich könnte mich zur Kennzeichnung dieser Verhältnisse im Westen auf prominente Sprecher der Sozialdemokratischen Partei berufen, die keinen Tag vergehen lassen, ohne zu unterstreichen, daß sich in den maßgeblichen Stellen von Wirtschaft und Verwaltung die Reaktion breitgemacht hat und die alten Zustände verewigen will.
Sie werden sich irren, wenn Sie glauben, Sie könnten diese Zustände auch im Osten noch einmal herbeiführen. Das Gegenteil wird der Fall sein. Jene künstliche Mauer des Mißtrauens, des Unverständnisses, der Feindschaft zwischen Deutschen, die Sie, Herr Minister, und Ihre Leute aufrichten wollen, wird dadurch leingerissen werden, daß sich die Menschen auch hier in Westdeutschland davon überzeugen, daß im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik die Rechte des Volkes zum Siege gekommen sind.
Sie können es nicht lassen, in Ihren Dokumenten immer noch von der sogenannten „Ostzone" zu sprechen. Sie wissen ganz genau, daß es seit dem 9. Oktober 1949 keine „Ostzone" mehr gibt! Sie wissen genau so gut wie ich, daß es dort ein souveränes Staatswesen mit einem Präsidenten an der Spitze gibt.
- Ich nehme es Ihnen nicht übel, wenn Sie lachen, aber ich glaube, das Lachen wird Ihnen eines Tages ganz gehörig vergehen.
Ich könnte eine Zeitung zitieren, die Ihnen politisch sehr nahesteht, eine im Westen sehr angesehene bürgerliche Zeitung, die vor einigen Wochen einen Leitartikel mit der Überschrift veröffentlicht hat: „Präsident Pieck empfängt Botschafter",
Das war gar nicht ironisch von dieser Zeitung gemeint, sondern sehr ernst.
Diese Zeitung hat verstanden, was es für die deutsche Wirtschaft und für die Zukunft des deutschen Volkes bedeutet, daß die Deutsche Demokratische Republik heute normale diplomatische Beziehungen mit Ländern unterhält, in denen ein Drittel der Menschheit wohnt. Diese Zeitung hat verstanden, was es bedeutet.
- Es handelt sich um die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", der Sie bestimmt nicht nachsagen können, daß es sich bei ihr um ein kommunistisches Blatt handelt.
Die Leute, die gleicher Auffassung wie die Redaktion dieser Zeitung sind, sehen eine solche Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit, wenn Handelsdelegationen in ein Dutzend Länder geschickt werden und mit Verträgen zurückkommen, die Aufträge für Hunderttausende und Millionen deutscher Arbeiter mitbringen,
Handelsverträge, die sich sehr wesentlich von den Verträgen unterscheiden, die etwa der Herr Vizekanzler aus Washington und Paris mitbringt. Was soll ich darüber mehr sagen? In Ihren Reihen selbst sitzen Wirtschaftler, die sehr viel besser erkannt haben, wie ernst dieses Problem ist, als Sie, die Abgeordneten der Rechten, die glauben, sie müßten hier ein Gelächter anstimmen. Fragen Sie sehr bedeutsame westdeutsche Wirtschaftler aus der Eisen- und Stahlindustrie
und aus anderen Industriezweigen, die heute in Hotelzimmern der Deutschen Demokratischen Republik ungeduldig auf- und abmarschieren, bis sie von den Beamten dieser Regierung empfangen werden.
Sie wissen es noch nicht, Herr Bucerius, Sie werden es noch lernen müssen!
Die Herren Wirtschaftler, die vor einigen Tagen hier in der Nähe zusammengekommen sind, um die Probleme des Osthandels anders als Sie mit Ihrem einfältigen Gelächter zu behandeln, könnten Ihnen Auskunft erteilen.
Sie könnten Sie darüber aufklären, daß man sehr positive Perspektiven für die Arbeitsbeschaffung für die Arbeiterschaft in Westdeutschland hat, wenn man sich nämlich daran hält, daß der Weg für den Handel der westdeutschen Industrie über Berlin, über die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik geht.
Diese Wirtschaftler lachen über Sie, über Ihr einfältiges professorales Gerede; sie lachen über die überheblichen Deklarationen gewisser Minister, die, wenn sie von Paris oder Washington zurückkommen, so tun, als hätten sie etwas Positives mitgebracht, in Wirklichkeit aber nichts anderes mitgebracht haben als neue Direktiven für die Amerikanisierung der westdeutschen Wirtschaft.
- Sie haben auch gestern gelacht. als mein Kollege
Rische Sie darauf aufmerksam machte, daß es das
Interesse der deutschen Wirtschaft erfordert, eine
andere Stellung zur Deutschen Demokratischen Republik einzunehmen, als Sie es bisher getan haben. Sie glaubten ihn auslachen zu können, indem
Sie sagten: Was versteht er von der deutschen
Wirtschaft? Die deutsche Wirtschaft kann nicht
identifiziert werden mit den Herren Währungsgewinnlern, mit den Herren Hortungsgewinnlern,
mit den Herren Marshallplangewinnlern. Die deutsche Wirtschaft wird einen anderen Weg gehen
als gewisse kurzsichtige Politikaster und Hohlköpfe, die glauben, sie könnten die ernsten Realitäten unserer heutigen Lage weiterhin ihrem politischen Agitationsbedürfnis unterstellen, — —
Herr Abgeordneter, Sie haben den Ausdruck „Hohlköpfe" gebraucht, Ich nehme an, daß Sie damit kein Mitglied des Hauses meinen.
Ich habe kein Mitglied dieses Hauses persönlich angesprochen und überlasse es den Mitgliedern dieses Hauses, selbst zu entscheiden, ob sie sich angesprochen fühlen oder nicht.
Ich muß Sie dringend bitten, derartige Zweideutigkeiten zu unterlassen.
Meine Damen und Herren, wir haben in diesen Tagen den neuesten Patentplan für die sogenannte Lösung 'des gesamtdeutschen Problems vorgelegt bekommen. Ich meine — Sie werden es bereits ahnen — den sogenannten Plan für gesamtdeutsche Wahlen. Nun gut, Sie haben dieses eine Mal selbst zugegeben, daß dieser „geniale" Plan auf eine Idee des amerikanischen Hohen Kommissars McCloy zurückzuführen ist. Ich wünschte, Sie würden bei allen Ideen, die Sie hier vortragen, mit ebenso großer Offenheit die Urheberschaft bekanntgeben.
Meine Damen und Herren, wenn die Herren Kolonialinspektoren, wenn sie einmal die Beine vom Schreibtisch herunternehmen, ein solches Produkt fabrizieren, das ihrer Fähigkeit für psychologische Kriegführung nicht gerade ein gutes Zeugnis ausstellt, dann soll einen das nicht wundern. Wir haben von derlei Herren sowieso nichts Positives erwartet, in ihrem Leistungsheft steht nur „ungenügend". Aber wenn es deutsche Lehrlinge bei diesen Kolonialinspektoren gibt, die keine andere Konzeption besitzen als nachzuleiern, was sie ihnen vorsagen, dann ist das doch wohl sehr armselig und bescheiden für Leute, die sich deutsche Politiker nennen. Das ist keine deutsche politische Linie, sondern das ist eine amerikanische Linie, eine auf ganz primitive Art und Weise hier vorgetragene amerikanische Politik. Und wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben müssen, daß Sie auf diesem Wege keinen Schritt weiter kommen.
Im Pressedienst der Christlich-Demokratischen Union heißt es denn auch schlicht und einfach: „Die Bundesregierung stellt fest, daß es die einzige Aufgabe der zu wählenden Nationalversammlung sei, eine deutsche Verfassung zu schaffen". Die einzige Aufgabe! Nun, ich frage Sie: haben Sie Mangel an Verfassungen?
Haben wir seit 1946 nicht eine Invasion von Verfassungen erlebt, von denen Sie selbst wissen, daß
sie keinen Schuß Pulver taugen? Ich denke, Sie
haben in Bonn im Parlamentarischen Rat eine Verfassung verabschiedet, für die Sie den Anspruch
erheben, daß sie für ganz Deutschland gelten soll!
Das war doch wohl im guten Glauben ausgesprochen. Und jetzt kommen Sie und wollen eine neue gesamtdeutsche Verfassung machen. Wir haben in ,der amerikanischen und französischen Zone eine Reihe von Länderverfassungen erlebt, die sich sehr bald als Bluff und sinnloses Papier erwiesen haben.
Denn wenn es darum ging, mit 'der Verfassung wirklich Ernst zu machen, sie in die Tat umzusetzen — z. B. die Überführung der Grundindustrien in Gemeineigentum, das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte in wirtschaftlichen und sozialen Fragen —, dann haben Sie und wir gemeinsam erlebt, wie der starke Arm der Besatzungsmächte diese Verfassungen schließlich als das kompromittierte, was sie von Anfang an waren, als ein wertloses Stück Papier. Also um allein eine neue derartige Verfassung zu schaffen, hinter der keine deutsche Souveränität steht, dazu 'braucht man wahrlich keine gesamtdeutschen Wahlen zu organisieren.
In dem Dokument des Bundespresseamtes, in dem dieser „geniale" Plan der Öffentlichkeit mitgeteilt wird, heißt es, man würde sich einsetzen für die Betätigungsfreiheit für alle Parteien in ganz Deutschland. Ja nun, das sagt dieselbe Regierung, deren Justizminister erst vor wenigen Tagen über die Bildung eines Verfassungsgerichtshofs gesprochen und dabei angekündigt hat, daß er eine politische Partei Westdeutschlands für verfassungswidrig erklären und damit ihre legale Tätigkeit verbieten würde.
- Sehr richtig? Ich danke Ihnen für die Bestätigung. Das sagen die gleichen britischen Hintermänner, die 'gleichen britischen Kolonialoffiziere, die vorgestern nacht einen deutschen Abgeordneten ohne schriftliche Legitimation und Auftrag aus dem Bett herausgezerrt und ihn gewaltsam weggeschleppt haben.
Meine Damen und Herren! Ich komme zu Punkt 2 Ihrer Deklamationen: Sie wollen die „persönliche Sicherheit und den Schutz vor wirtschaftlichen Benachteiligungen aller für politische Parteien tätigen Personen". Ich denke, es wäre gut, wenn Sie sich einmal um 'die wirtschaftliche Benachteiligung von Betriebsräten und Gewerkschaftsfunktionären hier in Westdeutschland kümmern würden, wenn sie offen für ihre politische Überzeugung eintreten.
Sie sagen in Ihrer Begründung, Sie wollten „in Frieden und in Freiheit" die Wiedervereinigung Deutschlands. In Frieden und in Freiheit bedeutet aber nicht ein Deutschland oder auch nur ein Westdeutschland unter dem Besatzungsstatut, ein
Deutschland oder Westdeutschland unter dem Ruhrstatut, unter der Anwesenheit von imperialistischen Okkupationsmächten.
Und Frieden bedeutet nicht die Remilitarisierung,
die Einrichtung neuer Übungs-, Manöver- und Bombenabwurfplätze wie im Teutoburger Wald und in der Lüneburger Heide.
Frieden bedeutet nicht die Vorbereitungsarbeit für die Aufstellung westdeutscher Fremdenlegionärdivisionen.
Und darum sage ich: Wer der Öffentlichkeit ein solches Dokument vorlegt, in dem der Anschein erweckt wird, als solle damit wirklich die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit vorbereitet werden, und eine Praxis übt, die die Unterwerfung Westdeutschlands unter die Herrschaft der amerikanischen Monopole betreibt, der spielt ein Doppelspiel, 'der spricht die Unwahrheit!
Ich unterstreiche diese Feststellung auch noch damit, daß ich daran erinnere, daß dieser Vorschlag für gesamtdeutsche Wahlen indem gleichen Augenblick veröffentlicht wurde, in 'dem der Herr Bundeskanzler — wieder einmal auf dem Wege über amerikanische Journalisten — ein neues diplomatisches Kunststückchen in die Welt -lancierte, ein Kunststückchen, durch welches er die Wiedervereinigung Deutschlands offiziell auf den SanktNimmerleins-Tag verschiebt, durch welches er Westdeutschland unter dem falschen Titel einer „Wirtschaftsunion mit Frankreich" seiner letzten Rechte berauben und es in ein staatliches Zweckgebilde eingliedern will, an dem niemand anders interessiert ist als die amerikanischen Monopole und Großkapitalisten.
Ein sogenanntes Bündnis der Kanonenkönige, ein Bündnis der Schwerindustrie ist kein Bündnis der Völker.
Es wird von den Völkern verworfen, weil sie aus der Praxis der Schwerindustriellen, der Kanonenkönige,
aus der Praxis der Vorbereitung von zwei Weltkriegen genug Erfahrung gewonnen haben.
Meine Damen und Herren, wer gleichzeitig zwei solche Projekte startet, von denen ein jedes mit dem andern unvereinbar ist, hat den Anspruch verwirkt, vom deutschen Volke ernst genommen zu werden. Eines Tages wird es gesamtdeutsche Wahlen geben,
allerdings nicht auf dem Wege, den Sie jetzt ankündigen.
Sie haben bisher die Realisierung aller Vorschläge, die diesem Ziele wirklich 'dienen, sabotiert und gestört.
Sie haben die Vorschläge für die Bildung provisorischer Zentralstellen für bestimmte wirtschaftliche Aufgaben in ganz Deutschland zurückgewiesen.
Sie haben die Vorschläge zurückgewiesen, die auf den internationalen Konferenzen
zur Schaffung eines gesamtdeutschen Konsultativrates gemacht wurden.
Meine Damen und Herren, ich bitte, den Redner nicht zu unterbrechen.
Meine Damen und Herren, wenn Sie jetzt im Sprechchor rufen: „Freie Wahlen!", so möchte ich Ihnen sagen: Jawohl, freie Wahlen, aber freie Wahlen,
wenn wir Frieden haben, freie Wahlen dann, wenn die Okkupationsmächte unser Land verlassen haben!
Freie Wahlen werden erst sein, wenn das deutsche Volk einen Friedensvertrag erhält.
Freie Wahlen wird es dann geben, wenn das deutsche Volk seine vollen Selbstbestimmungsrechte, seine volle Souveränität zurückerhalten hat.
Freie Wahlen wird es geben, wenn niemand mehr über die deutsche Volkswirtschaft und den deutschen Außenhandel diktiert.
Freie Wahlen wird es geben, wenn Ruhrstatut und Besatzungsstatut gefallen sind.
— Sie sind ein bißchen zu spät geboren, mein Herr!
Freie Wahlen wird es dann gehen, wenn das deutsche Volk seine wirkliche Freiheit, Unabhängigkeit und demokratische Ordnung errungen hat.
Meine Damen und Herren, wir lehnen den Etat des Herrn Bundesministers Kaiser ab,
weil er Schaden anrichtet und Sabotage übt an der Existenz
und an der Zukunft unseres Volkes.
Meine Damen und Herren! Darf ich einmal darauf aufmerksam machen, daß Zwischenrufe ihren Reiz und ihre Eindrucksfähigkeit verlieren, wenn sie ein Massenartikel werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Fisch hat eine sehr laute und auch eine sehr mutige Rede gehalten.
Mutige Reden hier in Bonn zu halten, ist auch für die Angehörigen der Kommunistischen Partei eine leichte und ungefährliche Sache.
Ich mußte während Ihrer Rede, Herr Abgeordneter Fisch, daran denken, was wäre, wenn etwa in dem Parlament Ihres „Einheitsstaates" drüben ein Abgeordneter, der nicht Ihrer Auffassung ist, eine ähnliche Rede gehalten hätte. Was wäre dem wohl passiert?
Dasselbe Wort Freiheit hier wie drüben, und doch zwei Welten!
Und ein Zweites, Herr Abgeordneter Fisch. Ich bin der Meinung, und manche Damen und Herren hier im Hause werden, wie ich glaube, derselben Meinung sein, daß die Freiheit auch in diesem Staate einmal eine Grenze haben muß.
Wenn Reden und vielleicht Taten die Freiheit mißbrauchen, so liegt hier die Grenze für die Selbstbehauptung der Demokratie.
Und ein Drittes zu Ihrer Rede, und jetzt auch ein ernstes Wort. Das, was hier von Ihnen gesagt wurde, enthielt auch eine schwere und bittere Wahrheit, nämlich die, daß 18 Millionen Deutsche unter einer Herrschaft stehen, die von Ihnen repräsentiert wird.
Und das ist heute die ungeheure Tragik unseres deutschen Volkes.
Wenn Sie von Gesamtdeutschland sprechen, dann frage ich: Wer war es denn, der dieses Gesamtdeutschland bisher verhindert hat? Sie und Ihre Freunde!
Und wer ist es, der es noch heute dauernd verhindert? Sie und Ihre Freunde!
- Herr Rische,
hören Sie einmal ruhig zu und machen Sie meinetwegen Zwischenrufe, aber ernsthafter, bitte!
Ich will mit Ihnen jetzt über das Wort Freiheit sprechen.
Geben Sie drüben den 18 Millionen Deutschen die Freiheit des Stimmzettels
und nicht nur eine Einheitspartei, eine Einheitsparole, wo auf Vordermann marschiert wird, wie wir es zwölf Jahre erlebt haben.
Ob die Farbe braun oder rot ist, das ist einerlei.
Diese Chance der Freiheit wagen Sie aber nicht zu geben, weil das Volk drüben Ihnen die Antwort geben würde.
Wir wissen, daß auch hier im Westen nicht alles glänzend ist. Aber wenn die Menschen von drüben ihre Lage messen an dem, was drüben ist, dann sagen sie, daß sie doch die Sorgen haben möchten, die wir hier haben.
Meine Damen und Herren, das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Krone und sonst niemand.
Ich habe nicht vor, mich weiter mit Ihnen auseinanderzusetzen. Das genügt.
Ich möchte noch ein Wort zum Herrn Kollegen Mellies sagen. Wenn ich Herrn Kollegen Mellies recht verstanden habe, hat er hier seine früheren Bedenken gegen die Errichtung eines Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen erneuert, ohne, wie ich annehmen möchte, in dieser Stunde einen praktischen Schluß daraus zu ziehen.
- Herr Kollege Mellies, ich glaube, im Hinblick auf das, was wir eben von der äußersten Linken gehört haben, muß man doch sagen: was hier an Aufgaben und Problemen gestellt ist, überschreitet die Arbeit einer Abteilung eines Ministeriums.
Hier liegen doch wirklich Aufgaben gesamtdeutscher Art, die zu den schwersten und drückendsten
des ganzen 'deutschen Volkes gehören und für seine Zukunft von Bedeutung sind.
Wenn man von Wunden spricht, aus denen das deutsche Volk blutet, dann denkt man einmal an die 10 Millionen Vertriebenen im Westen des Reiches und zum andern an die 18 Millionen Deutschen, 'die vom Mutterland getrennt sind.
Ich glaube, daß es unsere Pflicht ist, diesen beiden großen Anliegen unseres Volkes auch nach außen hin eine Repräsentation zu geben.
Ich bin mir klar 'darüber, daß die Aufgaben dieses Ministeriums mutig und zielbewußt angepackt werden müssen und daß hier große Aufgaben liegen, von denen wir wünschen möchten, daß sie eines Tages, und zwar möglichst bald, überholt sind. Daß es aber notwendig ist, sie zu sehen, steht, glaube ich, außer jedem Zweifel.
Und ich meine auch, meine Herren von der äußersten Linken: auf einen groben Klotz von Ihnen gehört ein grober Keil von hier.
Das ist die einzige Sprache, die Sie und Ihre Freunde drüben verstehen.
Im Zusammenhang damit, Herr Kollege Mellies, noch ein Wort: Berlin. Ich glaube, daß wir uns in der grundsätzlichen Seite dieser Frage durchaus einig sind. Es kommt darauf an, dieser Stadt, die 'ein Symbol des Kampfes ist, der für die Freiheit im dortigen Raum geführt wird, auch nach außen hin die Stellung zu geben, die ihr gebührt.
Ich bin mit Ihnen der Meinung und stehe auf dem Standpunkt, daß nach Berlin auch Oberbehörden kommen müssen.
Ich möchte wünschen, daß wir uns — Sie und wir — in der Frage der Auswahl dessen, was nach drüben kommen soll, finden. Ich glaube, das dient dem Frieden dieser Stadt und dient der Aufgabe, die alle demokratischen Parteien in dieser Stadt gemeinsam zu erfüllen haben.
Es scheint mir die Aufgabe des Sprechers der christlichen Demokraten, der von Berlin kommt, zu sein, daß er hier dieses Gemeinsame der nationalen Verpflichtung 'gegenüber Berlin und für diese Stadt über den Rahmen der Stadt hinaus betont. Es gibt Dinge, wo wir uns trennen; aber es gibt für ein Volk, das in Not ist, vieles und großes Gemeinsames. Und das hervorzukehren gerade für diese Stadt und für die 18 Millionen der Sowjetzone, scheint mir die Aufgabe dieser Stunde zu sein, in der wir hier vom Ministerium für gesamtdeutsche Fragen sprechen. Ich möchte wünschen, daß wir in derselben Einmütigkeit, die bei der Beratung des Haushalts des Ministeriums für die Heimatvertriebenen gewaltet hat, uns über die Parteien hinweg auch in dieser Frage Berlin und Gesamtdeutschland zusammenfinden. Das von mir aus zu betonen, halte ich für meine Pflicht, und ich bin sicher, daß dieses Hohe Haus in all seinen Parteien, von Ihnen ganz links abgesehen, diese Meinung teilt.
Hier in diesem Saale steht die neue Bundesflagge mit ihren Farben schwarz, rot und gold, Farben, die aus vergangenen früheren Jahrhunderten eine große Tradition mit sich bringen, Farben aber auch, unter denen vor hundert Jahren der Kampf der deutschen Einheit und Freiheit gegen die Reaktion geführt worden ist. Heute ist das deutsche Land geteilt. Wir Deutsche sind leicht in der Gefahr, in Extreme zu fallen zum Nachteil der Mitte. Wir sind entweder Nationalisten oder wir sind ohne jedes nationale Bewußtsein. Es wäre besser, wir hätten eine gesunde nationale Haltung. Mir scheint, diese Flagge Schwarz-Rot-Gold sollte so lange einen Trauerflor tragen, wie dieses deutsche Land und Volk nicht geeint ist, und wir sollten diesen Flor erst in der Stunde, in der Deutschland geeint ist, abnehmen, damit eine deutsche Jugend nicht vergißt, daß 18 Millionen Deutsche jenseits des Eisernen Vorhangs unter schwersten seelischen und materiellen Bedingungen leben müssen.
Es gibt Völker, die für diese Dinge einen Sinn haben, so das französische Volk. Ich möchte wünschen, daß im deutschen Volk, in der deutschen Jugend nie der Gedanke dafür ausstirbt, daß 18 Millionen Menschen drüben leben müssen.
Wenn dieses Ministerium sich diesen Aufgaben widmet, ich glaube, dann erfüllt es eine große nationale Aufgabe, und wir sollten es alle, über alle Parteien hinweg, bei der Lösung dieser Aufgabe unterstützen.
Herr Abgeordneter Dr. Hamacher hat idas Wort.
Meine Damen und Herren, wenn ich noch Bedenken gehabt hätte gegen die Selbständigkeit des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen, dann sind diese Bedenken durch die Rede des Herrn Fisch aber auch restlos beseitigt worden.
Gestatten Sie mir eine humorvolle Bemerkung: dieser Herr Fisch kam mir vor wie ein Hecht im Karpfenteich,
der nicht eher ruhig ist, bis er alles aufgefressen und verschlungen hat.
Von den Gedankengängen, die er nun hier vor uns entwickelt- hat - und es ist nicht zu leugnen: mit großer Meisterschaft und Propagandatechnik! —, möchte ich hoffen und wünschen, daß die Vertreter der Auslandspresse sie auch nach Amerika, nach England und nach Frankreich hinüberbringen und daß die öffentliche Meinung in Amerika, England und Frankreich sich etwas intensiver mit der Bedeutung Deutschlands für den Frieden in Europa, den Wiederaufbau der Wirtschaft in Europa und für den Frieden in der Welt interessiert.
Diese öffentliche Meinung zu beeinflussen, ist unsere Aufgabe. Das sind für uns die Waffen, die wir jetzt gebrauchen können und gebrauchen-
sen, nicht die Waffen des Krieges, sie sind schartig, sie sind vergiftet, und sie sind befleckt, sie sind
überholt. Aber wir Deutsche spüren doch, daß wir mit der Waffe des Rechts, der Wahrheit, der Propaganda, der Bearbeitung der öffentlichen Meinung und mit der richtigen Wertung und Ausnutzung
dieser Tribüne, die ja nicht nur eine deutsche Tribüne ist, sondern eine Tribüne für die Weltöffentlichkeit, die Möglichkeit haben, auf die öffentliche Meinung der Welt derart einzuwirken, daß man die Bedeutung Deutschlands für den Frieden der Welt und für den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft etwas stärker erkennt und uns stärker fördert, als das bisher der Fall gewesen ist. Es verstärkt sich doch in unserem Volk immer mehr die Überzeugung, und ausländische maßgebende Stimmen fördern gerade diese Überzeugung, daß es ohne Deutschland einen Wiederaufbau Europas nicht gibt. Freilich wissen wir auch, daß es ohne Europa einen Wiederaufbau Deutschlands nicht gibt.
Wenn ich noch einmal an die Rede des Herrn Fisch anknüpfen darf, dann mit dem Wort, daß, wer Berlin hat, Deutschland hat. Lenin hat den Satz geprägt: Wer Deutschland hat, hat Europa!
Wir haben erfahren, daß derjenige, der Berlin hat, Deutschland hat, und wer Berlin hat, der wird Europa haben. Darum ist gerade bei der Beratung des Haushalts des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen - und damit komme ich zum ersten Punkt meiner Ausführungen — idas Thema Berlin von entscheidender Bedeutung. Ich habe früher einmal darauf hinweisen dürfen, daß Berlin für uns zur Zeit eine dreifache Bedeutung hat:
1. Berlin als eigenständiger Organismus, der in den letzten vier Jahren soviel Heldentum des Leidens, des Duldens, des Hungern
und Standhaltens an den Tag gelegt hat, daß wir wirklich Respekt vor dieser Berliner Bevölkerung haben dürfen und ihr jede Hilfe zuteil werden lassen müssen, die wir gewähren können.
2. habe ich darauf hingewiesen, daß Berlin ein Vorort für den deutschen Osten ist und daß wir nicht daran denken können, den Osten wieder für uns zu gewinnen, wenn wir nicht Berlin so gesund und so stark machen, wie einst Magdeburg als Ausgangsposten für die Kolonisation ides deutschen Ostens gewesen ist.
3. habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß Berlin ein neuralgischer, wenn nicht der neuralgischste Punkt zwischen Ost und West ist. Das sagen uns ja die Stimmen des Auslands. das sagt uns das, was wir soeben auch von Herrn Fisch gehört haben. — Das mag zum Thema Berlin genügen.
Aber dieses Ministerium für gesamtdeutsche Fragen hat auch noch eine andere, nicht minder große Bedeutung. Es soll ein Ministerium für die Pflege der Grenzlandfragen sein. Hier darf ich Sie daran erinnern, daß das deutsche Volk in den vergangenen Jahrhunderten die bittere Erfahrung hat machen müssen, und wir durchleben sie jetzt, daß das Deutsche Reich und das deutsche Volk keine Grenzlandpflege betrieben haben. In dem Mangel an Grenzlandpflege und in der Verständnislosigkeit für die Bedeutung der Grenzen liegt die letzte Erklärung dafür, daß wir an allen deutschen Grenzen, vor allen Dingen aber im Westen, in den vergangenen Jahrhunderten ein Stück Land nach dem anderen, ein Stück Volkstum nach dem anderen
preisgeben mußten und verloren haben, obschon — und der Beweis hierfür ist von der Geschichte eindeutig zu erbringen — dieses Volkstum an den Grenzen treu zu Kaiser und Reich und zum deutschen Volkstum gestanden hat.
Aber es fehlte eben die starke Zentralgewalt, und es fehlte der Sinn für die Bedeutung der Grenzlandpflege. Wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dann lassen Sie sich von der Gegenseite, nämlich unserem Nachbarn beeindrucken, von dem wir wissen, daß er seit vielen Jahrhunderten eine systematische, zielbewußte, offensive Grenzpolitik getrieben hat, mit dem Erfolg, den wir jetzt leider Gottes bei der Erörterung der Saarfrage wieder haben zur Kenntnis nehmen müssen.
Wenn nun die Geschichte der Grenzlandverluste in den vergangenen Jahrhunderten so bitter Zeugnis abgelegt hat, dann wollen wir uns jetzt, da wir arm und wehrlos sind — wehrlos in der Sprache des bisherigen Krieges, nicht wehrlos, indem wir an die öffentliche Meinung denken und an die Mittel, die ich kurz als Waffen eines armen Volkes bezeichnet habe —, darauf besinnen, daß wir Grenzlandpflege treiben müssen. Deshalb halte ich das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen für unbedingt notwendig und möchte Sie bitten, Ihre Stimme für die Beibehaltung und Förderung dieses Ministeriums zu geben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Brandt.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Krone hat von den gemeinsamen Auffassungen gesprochen, die sicherlich für einen sehr großen Teil des Hauses mit Recht festgestellt werden können, wenn es sich um das Bemühen um die Durchsetzung der gesamtdeutschen Aufgabe der Wiederherstellung der deutschen Einheit in Freiheit handelt. Was die Stellungnahme meiner politischen Freunde angeht, so ist sie niemals, auch nicht bei der Haltung gegenüber dem jetzt zur Debatte stehenden Sonderministerium. dadurch gekennzeichnet gewesen, daß wir uns über zu große gesamtdeutsche Aktivität der gegenwärtigen Bundesregierung beschwert hätten. Davon kann keine Rede sein. Es gibt sehr viele, sicherlich nicht nur im Hause, sondern auch draußen im Volk und nicht zuletzt in Berlin, woher ich komme, die der Meinung sind, daß die konkreten Vorschläge, die die Bundesregierung zur Frage der Wahl zu einer Nationalversammlung unterbreitet hat, schon viel früher hätten unterbreitet werden sollen.
In diesem Zusammenhang erlauben Sie mir aber auch ein Wort an die Adresse des Herrn Fisch. Er hat die Dinge etwas leicht abtun wollen mit der Bemerkung, diese Nationalversammlung, die die Bundesregierung vorgeschlagen habe — zweifellos in Übereinstimmung mit dem Wunsche des überwiegenden Teiles unseres Volkes —, solle nur eine einzige Aufgabe haben, die nämlich, sich mit der Ausarbeitung einer gesamtdeutschen Verfassung zu befassen. Herr Fisch, noch vor wenigen Tagen hat die „Tägliche Rundschau" — ich sage das darum und machte Sie schon vorhin durch einen Zwischenruf darauf aufmerksam, weil ich Sie nicht der Gefahr aussetzen möchte, daß Sie sich einer neuen Abweichung schuldig machen, ohne daß Sie es wissen —
darauf hingewiesen, daß gesamtdeutsche Wahlen deswegen nicht möglich seien, weil man erst eine Verfassung haben müßte; erst wenn man die habe, könne man wählen. Jetzt wird Ihnen vorgeschlagen, daß man erst durch die Nationalversammlung die Verfassung schaffen wolle, auf Grund deren dann die Abgeordneten in ganz Deutschland zum ersten deutschen Parlament zusammentreten sollen.
Nun, eines ist, glaube ich, klar, und das kann auch nicht verwirrt werden durch die Ausführungen eines Vertreters der Kommunistischen Partei: Man mag zu diesen Wahlen heute von seiten der temporären Machthaber der Ostzone nein sagen, auf die Dauer wird sich die elementare und außerdem durch internationale Abkommen verbriefte Forderung durchsetzen!
— Warten Sie mal einen Augenblick, wir werden uns gleich noch weiter unterhalten!
Die gesamtdeutschen Aufgaben, mit denen sich nach Auffassung der Vertreter der Mehrheitsparteien ein besonderes Ministerium befassen sollte, sind unserer Meinung nach Aufgaben der Regierung als Gesamtheit. Sie sollten auch — auch das möchte ich im Zusammenhang mit dem Vorschlag für gesamtdeutsche Wahlen gesagt haben — von seiten der Regierung in noch stärkerem Maße zu einer Angelegenheit gemacht werden, bei deren Lösung das Parlament als Vertretung des Volkes dauernd beteiligt ist. Bei den Einwänden, die meine politischen Freunde erhoben haben, handelt es sich nicht um solche in bezug auf die Notwendigkeit dieser hier auch vom Kollegen Dr. Krone herausgestellten Aufgaben. Es handelt sich hier um eine Organisationsfrage, wie zu einem früheren Zeitpunkt schon vom Vorsitzenden unserer Fraktion zum Ausdruck gebracht worden ist. Ich glaube, man kann diesen Standpunkt, es solle eine eindeutige gesamtdeutsche Politik betrieben werden, sehr wohl von der Frage des Aufbaues einer Regierung und der Schaffung eines Sonderministeriums trennen. Ich glaube, daß diese Auffassung in Berlin durchaus verstanden wird.
Ich habe mich zum Wort gemeldet nicht zuletzt deswegen, meine Damen und Herren, weil während dieser Debatte und nachdem mein Freund Mellies über die Frage der Bundesbehörden und über ihre Verlegung nach Berlin gesprochen hatte, bekannt wurde, daß auf einer Pressekonferenz Mitteilungen über gewisse Beschlüsse gemacht worden sind, die das Kabinett heute vormittag in dieser Angelegenheit gefaßt haben soll. Ich möchte daher die Gelegenheit benutzen, die Frage hier anzuschneiden, in der Hoffnung, daß der Herr Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen selbst noch Gelegenheit nimmt, dem Hause darüber Aufklärung zu geben.
Nach dem, was hier aus der Pressekonferenz bekannt wird, soll sich das Kabinett darauf geeinigt haben, daß zunächst das Bundesverwaltungsgericht nach Berlin verlegt werden soll und, wenn ich es recht verstanden habe, auch ein Senat des Obergerichts. So wichtig der prinzipielle Ansatz gerade in der Frage des Bundesverwaltungsgerichts ist, so sehr muß ich doch betonen, meine Damen und Herren: wenn Sie das mit den Vorstellungen ver-
gleichen, von denen aus diese Verlegung von Bundesbehörden bei verschiedenen Gelegenheiten hier im Hause besprochen worden ist, dann werden Sie zugeben, daß diese Mitteilung vom Hause nicht anders als ein Zwischenbescheid und ein noch nicht einmal sehr befriedigender Zwischenbescheid betrachtet werden kann. Es kann sich nur um einen Ansatz handeln, dann nämlich, wenn man in Berlin mehr sieht als nur ein Symbol. Ich glaube, man sollte auch mehr darin sehen als nur einen Vorposten. Man sollte in ihm einen Angelpunkt des gesamtdeutschen Geschehens sehen.
Da komme ich noch einmal auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Fisch zurück.
Herr Kollege Fisch hat sich hier lang und breit darüber ereifert, daß eine gesamtdeutsche Einstellung und Politik auf Spionagetätigkeit in dem Gebiet hinauslaufen könnte, das er die Deutsche Demokratische Republik nennt.
— Ich will Ihnen einmal etwas sagen, Herr Kollege Renner. Ist derjenige ein Spion, der versucht, sich über das, was in seinem eigenen Lande vorgeht, Aufklärung zu verschaffen, oder ist derjenige ein nichtswürdiger Agent, der entgegen dem Willen der Bevölkerung seines Landes die Interessen einer fremden Unterdrückermacht wahrnimmt?
sondern ich habe davon gesprochen, Herr Kollege Fisch — wenn ich das noch hinzufügen darf —, daß es, wenn man es ernst meint mit der deutschen Zukunft und mit einer deutschen Zukunft in Freiheit, eine nationale und demokratische Pflicht zum Widerstand gibt.
Diese nationale und demokratische Pflicht zum Widerstand bejaht meine Partei.
Die Aufgabe, die Berlin im Zusammenhang mit der Bundesrepublik zu erfüllen hat, jenes Berlin, in das wir in stärkerem Maße Bundesbehörden verlegt sehen möchten, diese Aufgabe Berlins — ja, schreiben Sie es sich auf! — besteht unter anderem darin, die Stabilisierung einer sowjetischen Ordnung in der Sowjetzone so sehr wie möglich zu erschweren und damit Wege für eine Wiedervereinigung des deutschen Westens und Ostens offenzuhalten.
Zum Schluß, meine Damen und Herren, darf ich eines sagen: Zu den gesamtdeutschen Aufgaben, die Sache des Kabinetts, die Sache vor allen Dingen aber auch dieses Hauses sein müssen und die nicht gebunden sein können an eine unserer Meinung nach wenig geglückte Konstruktion eines
Sonderministeriums, würde auch gehören, daß von berufener Seite der Bundesregierung langsam etwas deutlichere Worte gefunden werden gegenüber manchen oberbürgermeisterlichen, parteipolitischen und manchmal vielleicht auch kirchenpolitischen Naivlingen und auch gegenüber jenen gewissenlosen Geschäftemachern, mit denen sich Herr Fisch heute morgen von der Tribüne dieses Hauses aus verbündet hat,
jenen Geschäftemachern oder besser jener Gruppe von Geschäftemachern, die sich in Leipzig vor 14 Tagen nicht servil genug benehmen konnten und die in der Leipziger Straße in Berlin Schlange stehen, während das Volk in der Ostzone geknechtet und geschunden wird.
Meine Damen und Herren, ich habe es, glaube ich, nicht nötig, noch im einzelnen Ausführungen über diese geradezu phantastische Behauptung zu machen, daß wir es bei der Ostzone mit einem souveränen Staat zu tun hätten. Die Bevölkerung in Berlin und überall weiß, daß das nicht so ist. Aber wenn Sie die Probe aufs Exempel machen wollen,
mit Hilfe von Methoden, die nur mit denen des Naziregimes verglichen werden können, jenes, worauf unser Volk in ganz Deutschland und in Berlin einen Anspruch hat, jenes primitive Recht nämlich, über sein eigenes Schicksal zu bestimmen und auch das, was widernatürlich zerrissen worden ist, durch eigene Bestimmung freiheitlich wieder zusammenzufügen.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Ich möchte an die Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion
die herzliche und dringende Bitte richten, bis zur dritten Lesung des Haushaltsplans die Frage ihrer Stellungnahme zu diesem Ministerium noch einmal nachzuprüfen. Es ist keineswegs allein eine Frage der Organisation, um die es sich hier handelt, sondern bedenken Sie doch, meine Damen und Herren, daß es eine außenpolitische Frage von ganz besonderer Bedeutung ist.
Bitte, denken Sie doch daran, welchen Eindruck es in Berlin, in der Ostzone und, meine Damen und Herren, in der gesamten Welt machen würde, wenn, nachdem dieses Ministerium nun einmal da ist, eine so große Partei, wie die sozialdemokratische Fraktion sie repräsentiert, für die Abschaffung dieses Ministeriums stimmen würde.
Glauben Sie mir, meine Damen und Herren, diese
Abstimmung würde zu einer ungeheuerlichen Agitation im Ausland Anlaß geben, und ich bitte Sie sehr dringend: Überprüfen Sie doch bitte Ihre Stellungnahme einmal unter diesem außenpolitischen Gesichtspunkt! Sie mögen in diesem oder jenem recht haben; ich weiß ganz genau, meine Damen und Herren, daß sich manche im Etat behandelte Frage so oder so beurteilen läßt. Aber alles das — und darum bitte ich Sie — müssen Sie zurückstellen hinter dem außenpolitischen Gesichtspunkt, der gerade in dieser Frage des deutschen Ostens und unseres Willens, den deutschen Osten zu behaupten, ausschlaggebend sein muß.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren! Gerade weil auch wir glauben, daß die Aufrechterhaltung enger Beziehungen mit unseren deutschen Brüdern — ich sage nicht in der Ostzone, sondern in Mitteldeutschland —, daß die Aufrechterhaltung enger Beziehungen mit unseren Brüdern in ganz Deutschland von größter Bedeutung ist, gerade deswegen glauben wir von der WAV, daß es das Beste gewesen wäre, diese Angelegenheiten dem Herrn Bundeskanzler direkt zu unterstellen, vielleicht ihm dazu noch einen Staatssekretär zur Seite zu geben, nicht aber ein eigenes Ministerium zu schaffen. Denn wir wissen ganz genau, daß eigene Ministerien immer das Bestreben haben, sich von anderen abzuriegeln. Sie müssen sich ja wohl abgrenzen, Kompetenzen aller Art an sich heranziehen, die dabei in Reibung geraten und Reibungsflächen für die anderen Ministerien schaffen. Denn all die Fragen, die hier einschlägig sind, gehören ja zur Zuständigkeit irgendeines Ressortministeriums, sei es des Justizministers, sei es des Wirtschaftsministers, sei es des Arbeitsministers, des Flüchtlingsministers usw.
Gerade durch die Schaffung eines eigenen Ministeriums Kaiser ist hier die Arbeit zugunsten aller Deutschen nicht etwa erleichtert, sondern erschwert worden. Und das ist der allgemeine Grund, warum die Fraktion der WAV sich für die Streichung dieses eigenen Ministeriums Kaiser eingesetzt und erklärt hat, daß wir es als die beste Lösung ansehen würden, wenn der Bundeskanzler selbst, unterstützt durch einen Staatssekretär, den Aufgabenbereich übernehmen würde.
Erfolgen weitere Wortmeldungen? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über den Einzelplan XVI.
Wir kommen nunmehr zurück zur Abstimmung über den
Einzelplan XV — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen.
Es liegen folgende Abänderungsanträge zum Einzelplan XV vor. In der Reihenfolge zunächst Drucksache Nr. 755, Abänderungsantrag der Abgeordneten Dr. Leuchtgens und Genossen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -
Danke! Ich bitte- um die Gegenprobe. — Eindeutig mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen dann zu dem Abänderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei, Drucksache Nr. 765 erster Teil, Ziffer 1. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit Mehrheit abgelehnt.
Es liegt ferner der mündlich vorgetragene Antrag der Bayernpartei vor, beim Ministerium für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen eine Abteilung für den Flüchtlingsausgleich einzurichten. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Gesamtabstimmung. Wer für Einzelplan XV in Verbindung mit der Drucksache Nr. 679 und den darin verzeichneten Einnahmen und Ausgaben im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist Einzelplan XV verabschiedet.
Die Aussprache über
Einzelplan XVI — Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen
war abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es liegen folgende Abänderungsanträge vor: Drucksache Nr. 741 bezüglich des Einzelplans XVI. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP. — Wer für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 741 bezüglich des Einzelplans XVI ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist dieser Abänderungsantrag angenommen.
Wir kommen dann zu dem Antrag der Fraktion der SPD. Ist er bereits mündlich vorgetragen?
Er geht dahin: Der Einzelplan XVI — Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen — wird gestrichen usw. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Gesamtabstimmung über Einzelplan XVI in Verbindung mit Drucksache Nr. 680 und den darin ausgeworfenen Einnahmen und Ausgaben. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist Einzelplan XVI angenommen.
Meine Damen und Herren! Wir treten damit in die Beratung des letzten Einzelplanes:
Einzelplan XVII — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates — in Verbindung mit Drucksache
Nr. 681 —
ein.
Als Berichterstatter erteile ich Herrn Abgeordneten Renner das Wort.
Meine Damen und Herren! Der Haushaltsplan des Ministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates — —
Der Berichterstatter hat das Wort.
Ich bitte, den Berichterstatter anzuhören.
Der Haushaltsplan des Ministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates, über den ich im Auftrage des Haushaltsausschusses Bericht zu erstatten habe, schließt mit einem Zuschußbedarf von 259 200 DM ab. Gegenüber dem ursprünglich von der Regierung vorgelegten Entwurf sind durch die Beschlüsse des Haushaltsausschusses 55 400 DM eingespart worden. Der Gesamtzuschuß in Höhe von 259 200 DM ist folgendermaßen unterteilt: Persönliche Verwaltungsausgaben 151 400 DM, Sächliche Verwaltungsausgaben 64 800 DM, Einmalige Ausgaben 43 000 DM. Der Personalstand des Ministeriums beläuft sich auf 7 Beamte, 19 Angestellte und 8 Arbeiter. Organisatorisch ist das Ministerium, wie Sie aus der Ihnen vorliegenden Drucksache ersehen mögen, in zwei Abteilungen aufgegliedert: Politische Abteilung und Rechtsabteilung.
Im Haushaltsausschuß hat man sich sehr eingehend mit den Aufgaben dieses Ministeriums befaßt.
Die Minderheit des Ausschusses warf die Frage auf, ob dieses Ministerium überhaupt Lebensberechtigung habe. Die Minderheit verneinte das und vertrat den Standpunkt, daß die Aufgabe, die diesem Ministerium aus den Bestimmungen des Grundgesetzes erwachsen, ohne Schwierigkeiten von anderen Ministerien wahrgenommen werden könnten. Die Mehrheit entschied sich aber für die Beibehaltung dieses Ministeriums.
Allgemein jedoch bestand die Auffassung, daß die vom Ministerium vorgeschlagene Personalbesetzung, gemessen an den Aufgaben des Ministeriums, zu hoch sei. Der Ausschuß hat demzufolge beschlossen, zunächst einige Stellen zu streichen. Der Ausschuß war der Auffassung, daß die Aufgaben des Ministeriums mit dem Personalstab, wie aus der Ihnen vorliegenden Drucksache zu ersehen ist, erfüllt werden können.
Ein Wort noch zu dem ursprünglichen Vorschlag der Regierung, die Stelle eines Staatssekretärs einzurichten. Die Mehrheit des Auschusses kam zu der Auffassung, daß eine Staatssekretärstelle für dieses Ministerium nicht vertretbar sei. Der zuständige Minister hat sich schließlich auch mit der Streichung dieser Stelle einverstanden erklärt. Ich stelle dies ausdrücklich im Namen der Mehrheit des Ausschusses und mit Rücksicht darauf, daß die Bayernpartei in der Drucksache Nr. 746 die Wiedereinsetzung der gestrichenen Stelle verlangt hat, vor dem Plenum fest.
Der Ausschuß billigte ferner in seiner Mehrheit die Auffassung, daß ein Vertreter für den Minister vorhanden sein müsse, ließ aber die Frage offen, mit welcher Dotierung dieser Stellvertreter des Ministers eingesetzt werden soll. Der Ausschuß bewilligte die für diesen Stellvertreter vorgesehene Stelle einer Sekretärin, sprach sich aber klar und deutlich dafür aus, daß die Schaffung dieser Stelle einer Sekretärin auf keinen Fall präjudiziell als Schaffung einer Staatssekretärstelle aufgefaßt werden dürfe.
— Ich bin unschuldig an dem Beschluß und habe nur zu berichten.
Weitere Ausführungen sind ,zu dem vorliegenden
Etat nicht zu machen. So bitte ich, in Ausführung des mir erteilten Auftrags namens der Mehrheit des Ausschusses, dem vorliegenden Entwurf eines Beschlusses Ihre Zustimmung geben zu wollen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Einnahmen und Ausgaben im Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats bestimmen sich nach anliegendem Einzelplan XVII.
Dieser Haushaltsplan schließt demnach ab in Einnahmen mit —
in Ausgaben mit 259 200 DM,
mithin Zuschuß 259 200 DM.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Ich eröffne die Aussprache über den Einzelplan XVII.
Das Wort hat zunächst der Herr Abgeordnete Dr. Etzel — Ich sage das, um einer Verwechslung mit Etzel (Duisburg) vorzubeugen.
Herr Präsident: Meine Damen und Herren ! Der Bundesrat ist die Vertretung der Einzelstaaten als Träger des Bundes. Es besteht ein geradezu lebenswichtiges politisches, ein staatsmännisches Interesse daran, eine Einrichtung zu besitzen, welche geeignet ist, das Spannungsfeld zwischen den unitaristischen und den foderalistisehen Kräften zu dampfen, Reibungen zu vermindern, drohenden Konflikten vorzubeugen und ausgebrochene Zwistigkeiten zu schlichten, kurz eine Atmosphäre der Loyalität, des Vertrauens und der Zusammenarbeit zwischen den unitarischen und den förderativen Organen zu schaffen und ihrem unmittelbaren schroffen Zusammenprall entgegenzuwirken. Diese Aufgabe ist dem Ministerium für Bundesratsangelegenheiten gestellt, Es ist eine Art Verfassungsministerium. Es ist — möchte ich sagen — ein Organ der bündischen Prophylaxe. Zwar wird das Bundesverfassungsgericht durch dieses Ministerium nicht arbeitslos gemacht werden; aber das Ministerium hat die Möglichkeit, verfassungsrechtliche Gegensätze zu mildern und ernsten verfassungsrechtlichen Konflikten rechtzeitig vorzubeugen. Es ist das Ministerium, das die außerhalb Deutschlands so erfolgreich angewandte Methode des „easy doing", wie die Angelsachsen sagen, der behutsamen Hand, in der Politik und im staatlichen Leben endlich auch bei uns verwirklichen und spasmische Verkrampfungen und gefährliche Zuspitzungen tunlichst verhindern soll, damit wir nicht eines Tages wieder in einem apoplektischen Anfall enden. Der Zentralismus der deutschen Geschichte ist so gründlich, so eindeutig und in einer für uns so schmerzlichen Weise widerlegt worden, daß wir allen Anlaß haben, überall den Föderalismus zu entwickeln und zu festigen. Die Aufgabe des Ministeriums und dessen organische Stellung kann nicht überschätzt werden. Es wird sich bei der Beschlußfassung über das Plansoll erweisen, ob dieses Hohe Haus von einem echten, ehrlichen Willen des Föderalismus beseelt und getragen ist.
Damit das Ministerium seine Aufgabe erfüllen kann, muß es auch einen ausreichenden Apparat haben. Wir sind bei der Bemessung des Plansolls für die einzelnen Ministerien von dem Bestreben größter Sparsamkeit geleitet. Das Ministerium für Bundesratsangelegenheiten hat aber von allen Ressorts den kleinsten Umfang. Es ist in Wahrheit ein
Dr. Etzel
Miniatur-Ministerium. Das Lob der Sparsamkeit, die schon bisher geübt wurde, kann man ihm nicht versagen.
Es ist aber bezeichnend, daß der Haushaltsausschuß an allen Ressorts kleinere Abstriche gemacht hat als gerade bei diesem Ministerium, wo die Abstriche nicht weniger als 17,62 % betragen gegenüber einem Abstrich von nur 1,28 % bei dem soeben verabschiedeten Ministerium. Wir sind also der Meinung, daß es der Bedeutung und der Aufgabe dieses Ministeriums für Bundesratsangelegenheiten entspricht, daß die Regierungsvorlage wiederhergestellt wird. Ich darf daher namens der Fraktion der Bayernpartei den Antrag stellen:
Der Bundestag wolle beschließen:
In dem Einzelplan des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrats wird in Kap. 1 Tit. 1 die durch den Haushaltsausschuß gestrichene Stelle des Stellvertreters des Ministers gemäß den ursprünglichen Vorschlägen der Bundesregierung als Staatssekretärstelle — Besoldungsgruppe B 2 — wiederhergestellt.
Sollte diesem Antrag die Zustimmung des Hauses
nicht zuteil werden, so stellen wir als Eventualantrag folgende Bitte:
Der Bundestag wolle beschließen:
Es wird eine Planstelle der Gruppe B 4 geschaffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bärsch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die einzelnen Ministerien anschaut und auf Herz und Nieren prüft, wie das bei den Etatberatungen der Fall ist, dann wird man ohne Zweifel zu der Überzeugung gelangen müssen, daß das hier zur Rede stehende Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats am stärksten und am ausgeprägtesten die Spuren seiner schweren und unglücklichen Geburt zeigt. Dieses Ministerium ist von der Regierung offensichtlich aus Koalitionsnotwendigkeiten geschaffen worden, und wir haben vom ersten Tage an keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir dieses Ministerium sachlich als unzweckmäßig und politisch als nicht notwendig ansehen.
Es gibt für dieses Ministerium in unserer deutschen Geschichte keinen Vorläufer, und es wird auch sehr schwer fallen, in der Geschichte der anderen europäischen Völker einen Analogiefall zu finden, es sei denn, daß man sich den schlechten Scherz erlaubt und das britische CommonwealthMinisterium als Analogiefall heranzieht. Wollen wir doch ehrlich sein, meine Damen und Herren: Wann ist dieses Ministerium seit der Regierungsbildung vor dem Parlament politisch in Erscheinung getreten? Wir müssen doch offen und ehrlich zugeben, daß es eigentlich nur ein einziges Mal im Jahre politisch in Erscheinung tritt, und das ist bei der Beratung seines Etats.
Es ist allerdings sehr die Frage, ob es sich ein Volk in unserer Armut leisten kann
— ich komme darauf gleich zu sprechen —, auch bei gewissen Notwendigkeiten, die sich bei Koalitionsregierungen ergeben, einen solchen Preis zu zahlen.
Wir glauben absolut nicht, wie es hier der Vertreter der Bayernpartei sehr akzentuiert dargestellt hat, daß die Entscheidung für oder gegen dieses Ministerium gleichzeitig eine Entscheidung pro oder contra Föderalismus sei.
Im Gegenteil, wir sind der Meinung, daß es sich hier nicht um ein echtes Attribut des Föderalismus handelt, sondern daß sich gerade in der Schaffung dieses Ministeriums eine außerordentliche Fehlinterpretation der föderalistischen Idee darstellt.
Wir sind der Meinung, daß der Föderalismus auf keinen Fall allein oder auch nur in erster Linie mit organisatorischen Mitteln realisiert werden kann, sondern daß es vielmehr darauf ankommt, die föderalistischen Prinzipien und den förderativen Charakter unseres Grundgesetzes mit Hilfe einer praktischen Regierungspolitik zu verwirklichen.
Da sind uns allerdings in der letzten Zeit angesichts der Regierungspraxis des Herrn Bundeskanzlers und seines Kabinetts nicht unerhebliche Zweifel gekommen. Es scheint uns schwerlich mit dem föderativen Charakter der Bundesrepublik vereinbar zu sein, wenn von seiten des Herrn Bundeskanzlers der Versuch unternommen wird, auf die Regierungsbildung in den einzelnen Ländern einen mehr oder weniger direkten und starken Einfluß auszuüben.
Es dürfte doch wohl eine der Grundmaximen
des Föderalismus sein, daß man den einzelnen
Gliedern die Chance läßt, in einem bestimmten
Rahmen sich nach eigenen Richtlinien zu entwickeln.
Wir haben diese Einmischung bei der Kabinettsbildung von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bzw. bei dem Versuch erlebt, die jetzt bestehende Koalition zu zerstören. Wir haben auch in Bremen den Versuch des Herrn Vizekanzlers erlebt, giftige Pfeile auf das Bündnis der Arbeiterschaft mit der Kaufmannschaft in der Regierungskoalition abzuschießen, allerdings in Verkennung der Tatsache, daß es sich bei der Bremer Partei um eine Partei handelt, die sehr stark von Elementen echten und liberalen Kaufmannsgeistes getragen wird. Deshalb mußten diese Versuche zum Scheitern verurteilt sein.
Wir wollen uns doch auch einmal überlegen, was geschähe, wenn dieses Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats tatsächlich den Versuch machte, sich zwischen die Bundesregierung oder einzelne Bundesministerien einerseits und den Bundesrat bzw. die Länderregierungen andererseits einzuschalten. Das könnte doch zwangläufig nichts anderes zur Folge haben als die beständige Herbeiführung von Kompetenzkonflikten. Wir können uns kaum vorstellen, daß politische und auch sachliche Probleme, die zwischen den Bundes- und Länderinstanzen auftreten, von einem solchen Ministerium gelöst werden können.
Wir sehen in diesem Ministerium etwas ganz anderes. Wir sehen darin viel weniger ein Attribut des Föderalismus als vielmehr den Idealtyp einer Genesis der Bürokratie.
Hier handelt es sich um die Schaffung einer fiktiven Aufgabe, und um diese fiktive Aufgabe herum wird ein Apparat aufgebaut,
der im Augenblick zwar dank der Haltung der Mehrheit der Mitglieder des Haushaltsausschusses noch nicht allzu stark angewachsen ist, der aber ganz gewiß dieselben immanenten Kräfte besitzen wird, die bislang jede Bürokratie gekennzeichnet haben, nämlich sich von sich aus auszuweiten.
Wenn der deutsche Steuerzahler in diesem halben Jahr für diesen Apparat die Kleinigkeit von einer Viertelmillion DM aufzubringen hatte, dann sind wir davon überzeugt, daß, wenn es -nicht gelingt, diese Mißgeburt — will ich einmal sagen — jetzt zu beseitigen, in Zukunft der Steuerzahler das Doppelte und Dreifache dafür wird aufwenden müssen.
Der Beweis der Unnötigkeit und auch der sachlichen Unzulanglichkeit des Ministeriums wird noch augenfälliger, wenn wir uns einmal die Muhe machen, den Aufbau und die Struktur des Ministeriums näher zu untersuchen. Das Ministerium besteht aus insgesamt 7 Beamten des höheren Dienstes, ohne mittlere und untere Beamte, aus 19 Angestellten und 8 Arbeitern. Es gliedert sich in zwei Abteilungen, nämlich- in eine politische und eine Rechtsabteilung. Wenn wir uns einmal die Aufs gaben, die dieser politischen Abteilung zugewiesen sind, näher ansehen, dann müssen wir feststellen, daß diese Abteilung eigentlich nichts anderes als ein einziges System der gegenseitigen Stellvertretung ist. Oben an der Spitze steht der Minister, dann kommt der Staatssekretär, der vom Haushaltsausschuß gestrichen worden ist, aber in Anträgen wieder gefordert worden ist. Dann kommt der Leiter der politischen Abteilung, ein Ministerialrat, der der allgemeine Vertreter des Ministers in der internen Leitung des Ministeriums ist und ferner die Vertretung des Ministers und des Staatssekretärs im Verkehr mit dem Bundesrat, dem Bundestag, den Länderregierungen, den Ländervertretungen und den Dienststellen der Besatzungsmacht hat. Dann kam ein weiterer stellvertretender Abteilungsleiter, ein Oberregierungsrat, bei dem allerdings von seiten der Regierung das Wohlwollen selbst der Vertreter der Regierungsparteien im Haushaltsausschuß überfordert worden und der deshalb dem roten Bleistift zum Opfer gefallen ist. Dieser Mann war der ständige Vertreter des leitenden Beamten der politischen Abteilung und hatte als einzige wirklich sachliche Aufgabe das Personalreferat. Er war Personalreferent für den höheren Dienst im Ministerium, d. h. also für ganze 7 Beamte, er selber dabei eingeschlossen.
Die zweite Abteilung, die Rechtsabteilung, untersteht einem Regierungsdirektor als Leiter. Wenn wir den Kompetenzkalender dieser Abteilung näher nachprüfen und dann die Organisations- und Stellenpläne der übrigen Ministerien vergleichend heranziehen, dann werden wir feststellen, daß von diesem Kompetenzkalender praktisch nichts mehr übrigbleibt. Der Leiter und Regierungsdirektor hat sich mit der Begutachtung von Gesetzentwürfen und Gesetzesvorlagen der verfassungsmäßig hierzu bestimmten Organe, der Bundesregierung, des Bundesrats und der Abgeordneten des Bundestags, zu befassen. Wir glauben, daß das doch wohl in erster Linie die Aufgabe des Justizministeriums als des Justitiars der Bundesregierung und zum zweiten die Aufgabe des Innenministeriums zu sein hat. Wir glauben auch, daß die Besetzung der Rechtsabteilung des Ministers für Angelegenheiten des Bundesrats in keiner Weise ausreichend ist, um eine ernsthafte Prüfung und Begutachtung dieser Vorlagen vorzunehmen. Was zweitens die Beobachtung der Rechtsentwicklung angeht, so haben wir auch dafür im Innenministerium, im Referat I A 1, eine entsprechende Stelle.
Die Rechtsabteilung ist weiter mit zwei Regierungsräten besetzt. Diese Abteilung hat die Aufgabe der Beobachtung der Gesetzgebung des Bundes und der Länder sowie der Begutachtung und des Entwurfs von Staatsvertragen, internationalen Vertragen und Länderverträgen mit auswärtigen Staaten. Auch hier finden wir wieder im Innenministerium in der Abteilung Verfassungs- und Staatsrecht die zuständige Stelle. Wir haben im Justizministerium ein eigenes Referat für Völkerrecht, das wir für diese Fälle der Begutachtung und des Entwurfs internationaler Vertrage für kompetenter halten als gerade das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats. Wir finden weiterhin unter den Kompetenzen der Abteilung „Verordnungen mit Gesetzeskraft in Angelegenheiten der Fluchtlinge gemaß Art. 119 des Grundgesetzes", obwohl wir gleichzeitig ein Flüchtlingsministerium besitzen. In der Abteilung IV dieses Flüchtlingsministeriums bestehen nicht weniger als drei Referate, die sich speziell mit dieser Flüchtlingsgesetzgebung befassen, nämlich das Referat I: Bearbeitung von Gesetzentwurfen, Angleichung der Gesetzgebung und Verwaltung der Länder auf dem Gebiet der Angelegenheiten der Vertriebenen, das Referat II: laufende Überprüfung der Handhabung der Bundesgesetze und Ländergesetze auf dem Gebiet des Vertriebenenrechts durch die einzelnen Länder und Verhandlungen mit den einzelnen Flüchtlingsverwaltungen, internationale Rechtsfragen auf dem Gebiet des Verdrängtenrechts, und schließlich das Referat III: Fragen des öffentlichen Rechts, einschließlich Beamten-, Straf-, Sozialrecht, immer wieder in bezug auf die Vertriebenen. Entschuldigen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich Sie vielleicht mit dieser Materie langweilen sollte, aber ich glaube, es ist nötig, daß wir die Dinge sehr eindeutig und sehr klar und sehr detailliert auseinandersetzen.
Dann erscheint in diesem Katalog weiter die Begutachtung der Verwaltungspraxis der Länder und der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder. Ich darf dazu auf das Innenministerium, Abteilung I b: Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit verweisen. Da lesen Sie Referat 1 b 1: deutsches und ausländisches Verwaltungsrecht, Vereinheitlichung des in den Ländern geltenden Bundesverwaltungsrechts. Sie lesen im Referat I b 2: Verwaltungsorganisation in Bund und Ländern, und schließlich im Referat I b 3: Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bund und Ländern. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie diese Aufgaben, die ebenfalls beim Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats aufgeführt sind, besser, vollständiger und sachgemäßer als durch die zuständige Abteilung des Innenministeriums erfüllt werden könnten. Sie finden schließlich weiter die Überwachung der Finanzverwaltung in Bund und Ländern und der Finanzgesetzgebung in Bund und Ländern. Wenn Sie im Organisations- und Stellenplan des Justizministeriums nachsehen, dann werden Sie feststellen, daß auf Seite 6 in der Abteilung IV gleichfalls sich ein entsprechendes Referat befindet, nämlich Staatsrecht, Finanz-, Verkehrsrecht und Völkerrecht. Wir dürften im übrigen wohl auch alle der Meinung sein, daß die Finanzverwaltung in Bund und Ländern weitgehend eine Angelegenheit des Finanzministeriums zu sein hat.
Schließlich finden Sie am Schluß noch „Ostzonenfragen" und „Fragen des Bundesstatuts", womit, wie ich annehme, das Grundgesetz gemeint ist. Nun, für die Ostzonenfragen haben wir ein Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, in dem eine sogenannte Ostabteilung besteht, die sowohl die politischen als auch die speziellen Rechtsfragen auf diesem Gebiete zu bearbeiten hat. Was die Fragen des Grundgesetzes angeht, verweise ich abermals auf das Bundesjustizministerium, Abteilung IV, Referat 1 a: Grundgesetz des Bundes 'und Verfassungen der Länder.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich den Kompetenzkatalog dieses Ministeriums — ich habe ihn bereits erschöpft — so bis ins einzelne dargelegt und zu beweisen versucht habe, daß wir hier praktisch nichts anderes als eine grandiose Kompetenzüberschneidung mit der Hälfte sämtlicher Bundesministerien vor uns haben, aber kein eigentliches Ministerium.
Das meinen Sie doch als Terminus technicus?
Wir haben über den Aufbau des Ministeriums weitere außerordentlich interessante Erfahrungen im Haushaltsausschuß sammeln können, als sich nämlich der Ausschuß fast einmütig entschloß, die Stelle des Staatssekretärs zu streichen, weil für sie beim besten Willen keine Berechtigung zu sehen war. Da machte uns nämlich
Rede von: Unbekanntinfo_outline
den sogenannten „ehrenamtlichen Staatssekretär".
Wir Sozialdemokraten hatten geglaubt, daß die Ehrenamtlichkeit in solchen Stellungen des Staates seit der Zeit überwunden sei, seit der wir den Klassenstaat nicht mehr in der offenen und unverhüllten Form haben, wie das früher einmal der Fall gewesen ist, als die Interessen der herrschenden Klasse mit dem Staatsinteresse mehr oder weniger identisch waren und es aus diesem Grund nicht als ungewöhnlich angesehen wurde, wenn die herrschende Klasse in solcher Form auf die unmittelbare Leitung und Führung des Staates Einfluß nahm. Es würde uns außerordentlich interessieren, wie man sich die Verantwortlichkeit eines solchen ehrenamtlichen Staatssekretärs vorstellt,
der weder mit Hilfe des Beamtengesetzes noch auf parlamentarischem Wege für seine Tätigkeit zur Verantwortung gezogen werden kann. Es würde uns weiter interessieren — wir halten das für eine sehr bedeutende politische Frage —, ob dieser Typ des ehrenamtlichen Staatssekretärs mit Zustimmung des Herrn Bundeskanzlers geschaffen worden ist und ob der Herr Bundeskanzler für den Fall der eventuellen Streichung von Staatssekretären gedenkt, weiterhin von diesem Typ Gebrauch zu machen.
Denn wenn das der Fall wäre, würde das Haushaltsrecht des Parlaments zu einer absoluten Farce.
Das Haushaltsrecht des Parlaments ist in erster
Linie eine politische Funktion. Wenn man sich aber seitens der Regierung auf diese Weise über die Entscheidungen des Parlaments hinwegsetzen kann, dann wird damit in der Tat in dieses Haushaltsrecht, das die Grundlage des modernen Parlamentarismus ist, eine ganz gewaltige Bresche geschlagen.
Wenn wir heute diesen Präzedenzfall zulassen, dann wird man morgen mit dem fadenscheinigen Argument der Sparsamkeit den Antrag stellen, sämtliche Staatssekretäre auf ehrenamtlicher Basis zu bestellen,
und dann wird man auf diese Art eventuell wieder die Syndici der Arbeitgeberverbände an die Schlüsselstellungen des Staates heranbringen.
Wir haben leider in diesem Falle des Staatssekretärs — wie schon des öfteren — erfahren müssen, daß die Rebellen der Regierungskoalition, die im Haushaltsausschuß so mutig und tapfer für die Streichung gestimmt hatten, nach einer gewissen Latenzzeit umgefallen sind.
— Dann bitte ich um Entschuldigung; dann habe ich mich getäuscht.
Ich möchte zu dem Antrag der Bayernpartei, für dieses Ministerium unter allen Umständen einen Staatssekretär zu schaffen, Stellung nehmen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Regierung hat sich nicht für den Parlamentarischen Staatssekretär entschieden, dessen Akzent auf der polischen Vertretung des Ministers liegt, sondern sie hat sich entschieden für den beamteten Staatssekretär, der in erster Linie die fachliche Spitze seines Ministeriums ist. Nun frage ich Sie: woraus will man in aller Welt für ein Ministerium von 7 Beamten die Notwendigkeit eines Staatssekretärs herleiten? Man muß sich im übrigen darüber klar sein, daß ein Staatssekretär, der Berufsbeamter ist, auf Lebenszeit angestellt wird und daß dieser Staatssekretär eines 'rages, wenn dieses Ministerium nicht mehr wäre — wir wünschen, daß dieser Zeitpunkt schon möglichst heute eintritt —, in ein anderes Ministerium überführt werden müßte. Das ist aber bei Berufsbamten, die für eine solche Position hochqualifiziert sein sollen, außerordentlich schwer möglich.
Ich darf zum Schluß kommen. Wir können aus allen diesen Gründen — sowohl aus sachlichen als auch aus politischen Gründen — die Notwendigkeit dieses Ministeriums unter keinen Umständen anerkennen und sind auch deshalb nicht bereit, dieses Ministerium zu akzeptieren. Wir betrachten das Ministerium vielmehr als einen offenen Affront gegen den Steuerzahler, und ich möchte auch darüber hinaus betonen, daß es ganz im Gegenteil zu dem von der Bayernpartei erwarteten Effekt einer Stärkung der föderativen Struktur unserer Bundesrepublik eher zu einer Schwächung und zu einer Erschwerung der politischen Arbeit in unserer Bundesrepublik wird.
— Meine sehr verehrten Herren Kollegen von der Bayernpartei, man müßte zunächst in eine Debatte darüber eintreten, wann Sie den Föderalismus als gesichert ansehen. Ich befürchte: erst dann, wenn die Personalunion zwischen dem deutschen Bundes-
kanzler und dem Ministerpräsidenten von Bayern durchgeführt ist.
Wir glauben also, daß aus allen diesen Gründen das Ministerium nicht akzeptiert werden kann, und bitten Sie deshalb, unserem Antrag auf Streichung des gesamten Ministeriums stattzugeben.
Das Wort hat, der Herr Abgeordnete Dr. Ehlers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß das Hohe Haus dem Antrag, den Herr Dr. Bärsch gestellt hat, stattgeben kann, da es diesen Antrag bereits gestern abgelehnt hat. Ich wundere mich, daß der Herr Kollege Dr. Bärsch in so bilderreichen medizinischen Redewendungen, bei denen er bis zur Mißgeburt gelangt ist
— es soll ja vorkommen, daß auch Mediziner den ihnen vorliegenden Tatbestand falsch beurteilen —, zur Tötung dieses nach seiner Überzeugung so belanglosen Ministeriums ein so erhebliches Maß von Rhetorik aufgewandt hat. Wenn man das hört, was der Herr Kollege Dr. Bärsch vorgetragen hat, dann sollte man glauben, daß hier wirklich der Angelpunkt des deutschen Geschehens liegt; wenn man ihn sagen hört, daß dieses Ministerium — ich zitiere wörtlich — eine grandiose Überschneidung mit den Zuständigkeiten sämtlicher anderen Ministerien darstellt
— das reicht auch aus bei der Zahl der Ministerien—,
dann muß ich sagen, daß der Herr Kollege Dr. Bärsch dem Herrn Minister und seinen sechs höheren Beamten, die ihm beigeordnet sind, ein erstaunlich hohes Maß von Fähigkeiten und Arbeitskraft zutraut. Denn sonst würde diese Überschneidung zweifellos nicht stattfinden können.
Ich möchte aber noch auf folgendes hinweisen: Der Herr Kollege Dr. Bärsch hat u. a. gesagt, dieses Ministerium habe weder in der Geschichte noch im In- und Auslande irgendeine Parallele. Da muß doch einmal ein ernstes Wort gesagt werden: Die Situation, in der wir uns staatsrechtlich befinden, hat mit dem, was im In- und Auslande vorgekommen ist, auch keine Parallele!
Wir kommen aus einer Situation, in der wir den zerstörerischen Zentralismus in einer Weise kennengelernt haben wie kaum ein anderes Volk dieser Erde.
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Von einer ganz bestimmten Art von Staaten abgesehen; aber über die haben wir keine Möglichkeit zu entscheiden.
Nachdem wir diese Erfahrungen gemacht haben, meine Damen und Herren, stehen für uns im Neubau unseres Staates Fragen auf, die gerade im Verhältnis von Bund und Ländern und im Selbstverständnis dieses Staates von einem Gewicht sind, wie sie bisher nicht aufgetaucht sind.
Die Herren Vertreter der Sozialdemokratischen Partei haben wiederholt zum Ausdruck gebracht und das ist natürlich durchaus auch aus den eigenen Erfahrungen gesprochen —, daß sie volles Verständnis dafür gehabt hätten, wenn man ein Ministerium ohne Portefeuille geschaffen hätte. Ich glaube, daß angesichts der Situation, wie sie vorliegt, daß deutsche Volk für ein Ministerium ohne Portefeuille wesentlich weniger Verständnis gehabt hätte
— ich glaube nicht, daß diese Frage mit dem Begriff der Ehrlichkeit zu entscheiden ist —, als wenn der Versuch gemacht worden ist, wie er hier vorliegt, in einer ganz bestimmten kritischen Situation unseres Staates etwas zu tun, damit das Verhältnis von Bund und Ländern, das Selbstverständnis der Länder und des Bundes zu einer Klärung kommt, die für unsere staatliche Entwicklung nur von Nutzen sein kann.
Meine Damen- und Herren, ich möchte einmal sagen, daß ich es doch schwer tragbar finde, wenn heute gegen jeden Versuch, den Föderalismus zu vertreten und ihn in unseren staatlichen Institutionen zu sichern, in dieser Weise Protest erhoben wird.
Es könnte sein, daß dahinter nicht nur die Sorge um 259 000 Mark, sondern ganz andere Dinge stehen.
Wir haben allen Anlaß, in der Gesamtstruktur unseres Staates darauf zu achten, daß die Restbestände eines falschen Zentralismus nicht durchschlüpfen und unter der Hand doch das politische Leben unserer Länder und des Bundes bestimmen. Ich komme aus Oldenburg, meine Damen und Herren; wir haben zu diesem Thema ja auch einiges beizutragen. Und wenn ich gelegentlich einmal in die bayerischen Erblande gegangen bin, dann habe ich etwa in Schwaben auch ganz erhebliche Zeitungsartikel gegen den Münchener Zentralismus gelesen.
Es ist mir wichtig, daß der Herr Bundesminister für die Angelegenheiten des Bundesrats aus der Tradition einer Partei kommt, die in dem Verhältnis zu Preußen und in der Sicherung eines deutschen Föderalismus Erfahrung und eine gute Tradition hat. Ich glaube, daß sich das in der Arbeit dieses Ministeriums bewähren wird.
Meine Damen und Herren! Es ist durchaus zweckmäßig, die Aufgaben, die hier anfallen und die zweifellos ständig auf der ganzen Breite unseres staatlichen Lebens anfallen werden, in dieser Weise einer Lösung zuzuführen. Im übrigen habe ich keineswegs den Eindruck, daß sich die Bedeutung und die Wichtigkeit eines Ministeriums in dem Lärm erschöpft, den es in der Öffentlichkeit macht. Ich glaube vielmehr, daß die Fragen, die hier aufstehen, am positivsten gelöst werden, wenn sie nicht mit großem Lärm in der Öffentlichkeit, sondern in der stillen Verhandlung von Mann zu Mann und von Behörde zu Behörde erörtert werden. Hier stehen Fragen auf, die man, ohne daß unser öffentliches Leben davon belastet zu werden braucht, von vornherein klären und lösen kann. Das Ministerium ist jederzeit bereit gewesen, den
Wünschen der Mehrheit des Haushaltsausschusses auf Beschränkung seines Stellenplans nachzugeben. Wir können den Ihnen vorgelegten Stellenplan in gar keiner Weise als übersetzt bezeichnen, und ich empfehle namens meiner Freunde die Annahme des Haushaltsplans.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich über die Freudigkeit des Wortes und dieses Pathos, das Sie, Herr Dr. Ehlers, auf diesem verlorenen Posten an den Tag gelegt haben, etwas erstaunt.
Wenn ein Ministerium überflüssig ist, dann ist es das, um das wir uns eben zerreden.
— Das habe ich allerdings vor. Wenn Sie auch nur mit einer Spur dieses Pathos sich im Ausschuß für diese Geschichte eingesetzt hätten, wie Sie hier an den Tag gelegt haben, dann erklären Sie mir bitte einmal, wie es möglich war, daß man dort fast einstimmig der Auffassung war, dies Ministerium könne uns tatsächlich erspart bleiben. Sie haben doch im Ausschuß ganz offen gesagt, warum man es schaffen mußte.
- Ich war leider bei der Geschichte da!
Ich kann Ihnen beweisen, daß ich da war.
Was ist eigentlich der Ausgangspunkt dieses Ministeriums? Da war ein Minister ohne Portefeuille, geschaffen von Herrn Dr. Konrad Adenauer.
Der hat dem Herrn Minister einen Titel gegeben: Minister ohne Portefeuille. Ein Titel — beileibe aber kein Titel ohne Mittel! Denn auch ohne Portefeuille hängen sowieso 36 000 Mark daran.
Nun ist es eine unangenehme Sache, wenn man so als Minister ohne Portefeuille herumläuft. Man muß sich also nach einem Amt umsehen, und wenn man dann einen guten freundnachbarlichen Parteifreund hat,
wie es dieser Herr Minister in einem gewissen Herrn Abgeordneten seiner eigenen Partei hat, dann ist es gar nicht verwunderlich, wenn das Amt dann auch einen größeren Inhalt bekommt, wenn es sich aufbläht.
Es ist doch gar nicht zu bestreiten, daß dieses Ministerium eigentlich ein gesamtes Kabinett darstellt. Es gibt kaum ein Aufgabengebiet, für das dieser Minister sich nicht ein Ressort geschaffen hat. Das hat der Herr Kollege Bärsch sehr, sehr schlagend bewiesen.
Ich habe den Eindruck — und ich glaube, ich irre mich da nicht allzusehr —, daß da ein Stellvertreter des Herrn Ministers sitzt — das ist ja auch schon gesagt worden —, dessen Produktivität auf juristischem Gebiet wir im -Parlamentarischen Rat schon kennengelernt haben, —
— nein, mich hat sie nicht erschreckt, aber einigen von Ihren eigenen Herren war sie damals manchmal sehr unwillkommen —,
und daß dieser sehr aktive Herr sich da für seine Partei einen ganz eigenen Apparat aufbaut, der ihm erlaubt, alle Dinge, die mit dem Staatsgeschäft zusammenhängen, in die eigene Hand zu nehmen und alle Ministerien zu durchleuchten.
Dieser Parteimann, dieser Abgeordnete leuchtet also mittels seines Ministers und Parteigenossen von hinten in alle Ministerien hinein.
— Ich habe das nicht wörtlich gemeint!
Aber kommen wir zum Thema zurück. Es ist doch auch von Ihnen, meine Herren von der sogenannten Mehrheit, im Ausschuß ganz offen zugegeben worden, daß die Belange der Koalition bzw. die Notwendigkeit der Erhaltung der Koalition es begreiflich machen, daß man gelegentlich auch einmal einem Minister ein Amt gibt, wenn er schon da ist und wenn man ihn schon einmal bezahlen muß.
Aber nun zur Sache selber. Wie sehr Sie befürchtet haben, daß sich dieses Ministerium in der Zukunft aufblähen könnte, kam darin zum Ausdruck, daß Sie den Staatssekretär für den Augenblick gestrichen haben. Aber ein kleines Hintertürchen haben Sie offen gelassen: die Sekretärin für den Staatssekretär, die ist da.
Sie haben die Gefährlichkeit einer derartig kleinen, minimalen Position so sehr gut begriffen, daß Sie sagten: das soll aber kein Präjudiz sein, daß sich hinter diesem Sekretärchen nachher der Herr Staatssekretär in den Bau einschleichen kann. Anders ist es doch gar nicht zu erklären, daß Sie in Ihrem Beschluß diesen Zusatz ausdrücklich ausgesprochen haben, wie ich ihn vorgetragen habe.
Aber nun zu einer sehr ernsten Seite der Geschichte. Da sitzt als Stellvertreter des Ministers ein Bundestagsabgeordneter. Was ist das nun eigentlich? Ist das der politische Staatssekretär? Wem ist dieser Abgeordnete verantwortlich,
der eine Beamtenfunktion ausübt, der also in der Lage ist, den Beamten des Ministeriums Anweisungen zu geben, selbst wenn der Herr Minister sie unterschreiben muß? Was ist das eigentlich für eine Rechtslage, für eine Verfassungslage? Der Abgeordnete übt also Exekutivtätigkeit aus. Als wir Kommunisten seinerzeit im Parlamentarischen Rat den Standpunkt vertreten haben, daß Exekutive und Legislative in die Hand des Bundestags gelegt werden müssen, haben Sie alle gesagt: unmöglich, man muß die Dreiteilung der Gewalten aufrechterhalten.
Hier haben wir zumindest einen Versuch, dieses Prinzip in etwa zu unterhöhlen.
Daß das zu Parteizwecken ausgenutzt werden kann
— das nur so an der Seite —, daran ändert doch
auch der Umstand nichts, daß diese Arbeit ehrenamtlich geleistet wird.
— Hier geht es ja nicht um den Minister, sondern hier geht es um den Staatssekretär, dem Sie ausdrücklich den Charakter eines Beamten aufgedrückt haben. Hier hat einer die Funktion des Staatssekretärs und ist nicht ein Beamter, sondern ist Abgeordneter. Mit Recht hat der Kollege Bärsch die Frage aufgeworfen: woran wollen Sie sich bei diesem Mann halten? Als Abgeordneten können Sie ihn nicht herankriegen; als Beamten können Sie ihn auch nicht herankriegen. Wer ist nun für die Arbeit im Ministerium verantwortlich, die dieser Staatssekretär-Ersatz leistet? Die Sache ist doch viel zu ernst, als daß man mit Lachen daran vorbeigehen kann. Oder billigen Sie, daß sich dort eine Partei eine Domäne geschaffen hat, die es ihr ermöglicht — ich sage es noch einmal —, sämtliche Ministerien dadurch zu durchleuchten, daß sie die Akten anfordert?
— Wieso ist das zu hoch?
Da ist zum Beispiel im Etat eine sehr schlecht dotierte Stenotypistin. Begründung: die macht den Sprachendienst. Ich frage im Ausschuß: Sprachendienst und dann so schlecht dotiert? Entweder macht sie den Sprachendienst schlecht, dann ist sie überflüssig; oder sie macht ihn gut, dann müssen wir sie höher dotieren. Da hat der Stellvertreter des Ministers zu mir gesagt: die arbeitet aus Liebe zur Sache.
Ich habe mich gefreut, daß der Herr Dr. Adenauer in seinem Staat mindestens eine Angestellte hat, die aus lauter Liebe zu dem Dr.-Adenauer-Staat arbeitet.
Aber ich habe einen zweiten Gedanken gehabt. Wo kommen wir hin, wenn alle Herren Minister
— das tun sie nicht, die Gefahr besteht nicht —
sich mit einem Stab von Stenotypistinnen entourieren, die nun alle aus Liebe zur Sache arbeiten? Da kommen die Angestellten, die diese Opferfreudigkeit nicht aufbringen, unter den Schlitten.
Das wirkt sich für die andern mindestens als eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen aus und drückt auf die Tarifgehälter. Wer aus Liebe zur Sache arbeitet, stellt j a keine Gehaltsansprüche. Das scheint der Idealzustand zu sein, den der Herr Minister für sein Ministerium ersehnt: ehrenamtlicher Staatssekretär-Ersatz,
eine Stenotypistin, die aus Liebe zur Sache arbeitet! Wollen wir nicht dem Herrn Minister zumuten, auch aus Liebe zur Sache — seine 36 000 Mark hätte er ja sowieso — das Ministerium preiszugeben?
Wollen wir nicht sagen, er soll diese Arbeit einer Abteilung der Bundeskanzlei überlassen? Das, was dort gemacht werden muß, macht uns doch ein Regierungsamtmann. Wollen wir ihm nicht zumuten, daß er die Arbeit einem Regierungsamtmann er Bundeskanzlei übergibt? Wagen Sie, mir zu sagen, daß ein Beamter in diesem Rang, in dieser Stellung nicht in der Lage wäre, das zu machen? Das macht uns ein mittlerer Beamter. Dazu brauchen wir kein Ministerium mit sieben Spitzenbeamten, das uns in einem halben Jahr mehr als eine halbe Million Mark gekostet hat. Bleiben wir einmal ernst! Hier ist der Minister ohne Portefeuille, geschaffen von Dr. Adenauer, ein Titel, aber nicht ohne Mittel, ein Titel, der einen Inhalt bekommen soll; also schaffen wir ein Ministerium und werfen den 36 000 M. dann auch noch 220 000 Mark pro halbes Jahr nach. Immer nobel!
Das ist die Situation, und nun, bitte, verantworten Sie von der Mehrheit vor dem Volke diese Situation und diese Tatsache, daß aus reinen Gründen der Sicherung dieser Koalition, die auf einem Auge steht — halt, die heute auf zwei Augen steht, auf den Augen des Herrn Hedler —, eine Viertelmillion pro halbes Jahr hinausgeworfen wird.
Meine Damen und Herren, das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die materielle Begründung für dieses umfochtene Ministerium hat Herr Dr. Ehlers so ausgezeichnet gegeben, daß ich dem eigentlich nichts mehr hinzuzusetzen habe. Verwunderlich ist nur, daß um dieses der numerischen Belastung nach unwichtigste Ministerium so viel Heiterkeit und so viel Beredsamkeit hier verspritzt wird.
Dieses Ministerium ist selbstverständlich für jede Partei, die wie die kommunistische totalitär oder wie die sozialdemokratische unitarisch denkt und solche Verfassungsformen anstrebt, gänzlich überflüssig. Es ist kein Zweifel: wenn wir einen deutschen Einheitsstaat, wie wir ihn unter Adolf Hitler hatten, wiederbekommen, ist an ein solches Ministerium nicht mit einem Atemzuge zu denken. Demgegenüber aber wollen wir uns vorsehen, daß wir nicht wieder einen solchen totalitären Einheitsstaat bekommen, sondern einen Föderalismus, wie ihn das Grundgesetz im Auge hat. Ich sage: „im Auge hat", denn wir haben ja schon hier bei mannigfachen Debatten zu Einzelfragen immer wieder erlebt, daß die Fragen der Zuständigkeit von Bund und Ländern durch die Bestimmungen dieses Gesetzes nicht überall klar erfaßt sind. Gerade die SPD ist es gewesen, die in mannigfachen Beziehungen wegen der Mehrdeutigkeit der Bestimmungen des Grundgesetzes Klagen beim Staatsgerichtshof mindestens angedroht hat, vielleicht heute noch entschlossen ist, sie in dem einen oder anderen Punkt auch zu erheben.
Nun liegen die Dinge so: meine Fraktion und Partei huldigen einem ehrlichen, anständigen Föderalismus, dessen innere geistige Haltung Herr Dr. von Merkatz vor einigen Tagen hier dem Hause, ich
glaube, in nicht zu überbietender Klarheit vor Augen geführt hat.
Es gibt mindestens noch eine Partei im Hause, die Bayernpartei, die ebenfalls reichstreu nur in einem föderalistischen Bundesstaat sein will. Bei dieser Situation kommen wir zu einem Zustand, den wir unter Adolf Hitler überhaupt nicht, in der Weimarer Republik kaum mehr — denn damals waren die Zuständigkeiten der Länder völlig ausgehöhlt — und selbst im Kaiserreich in dieser gelockerten und bei den Zuständigkeiten etwas zweifelhaften Form nicht mehr gekannt haben. Damals galt der klare Satz: „Reichsrecht bricht Landesrecht"; diesen klaren Satz haben wir heute nicht.
Wenn wir nunmehr mit diesem neuen Staat starten, dann gibt es selbstverständlich zwischen Land und Bund so viel Friktionsmöglichkeiten und Friktionen, daß es in der Tat zweckmäßig ist, daß dieses Ministerium sich ein Mitglied aussucht, das diese Dinge, und zwar vom föderativen Standpunkt aus betrachtet, abwägt und dann in der Tat ohne großes Geschrei in der Öffentlichkeit zu einer Lösung führt, die ebenso Länder wie Bund am Leben läßt. Das ist die Aufgabe, die allerdings in der Praxis, bei der Arbeit im Parlament und bei den Vorbereitungen, sich erst mit Materie füllen muß. Daß dieses Ministerium bescheidenst aufgezogen ist, daß es hoffentlich und vielleicht ur ein Übergangsministerium zu sein braucht, bis sich die Dinge endgültig eingespielt haben, alles das wird da mitberücksichtigt.
Entschuldigen Sie daher, daß ich in den humorigen Ton meiner Herren Vorredner nicht überall einfallen konnte. Er liegt mir sonst auch sehr am Herzen, aber ich meine, man kann gegenüber den Ausführungen von Herrn Dr. Bärsch sehr wohl, wenn man Föderalist ist, die zwingende Notwendigkeit dieses Ministeriums begründen. Es war auch nicht etwa so, daß Herr Hellwege lediglich ablehnte, ein Minister ohne Portefeuille zu sein, was er allerdings getan hat, sondern daß er vom Standpunkt unserer Partei, der CSU und CDU und der Bayernpartei aus erklärte, daß er als Föderalist ein solches Ministerium angesichts der zum Teil unklaren Bestimmungen des Grundgesetzes unmittelbar fordern müsse. Die Forderung ist von ihm gestellt worden nicht zu diesen etwas drolligen Spionagezwecken mit Blick von hinten,
sondern deshalb, weil er in der Tat befürchten mußte, daß der gesamte Bundesapparat etwas straucheln könnte, wenn man nicht die Stelle schafft, die berufen ist, ein solches Straucheln zu verhindern. Dazu hat Herr Dr. Etzel von der Bayernpartei schon das Notwendige gesagt.
Ich bitte daher die Mehrheit des Hauses, dieses Ministerium in seiner ganz bescheidenen Aufmachung zu bewilligen. Ich gehe auf die Einzelheiten nicht ein und betone ausdrücklich: Herr Dr. von Merkatz, dessen Name ja schamhaft verschwiegen wurde, ist nicht etwa „ehrenamtlicher" Staatssekretär gewesen, sondern unbesoldet, ohne Weisungsrecht und ohne Exekutive, nur im inneren Dienst des Ministeriums tätig; er war ein parlamentarischer Staatssekretär nach englischem Muster. Ob man einen solchen nun einführen soll oder nicht, darüber sind in diesem Hause die Ansichten offenbar geteilt. Von irgendwelchen klassenmäßigen Maßnahmen oder einseitiger Verwaltung kann überhaupt nicht die Rede sein. Die Stellung eines solchen Staatssekretärs — die beamtenrechtliche Stellung usw. — ist klar. Als Beamter kann er jederzeit entlassen werden, auch wenn er unbesoldet ist, wenn er nicht den Weisungen folgt oder seine Zuständigkeiten überschreitet. Nur mit Gehaltseinbußen kann er nicht bestraft werden, weil er kein Gehalt bezieht.
Ich lasse alle übrigen Einzelheiten unbetrachtet. Es gäbe noch mehr zu erwähnen; das ist aber unwesentlich. Sie werden auch meines Erachtens nur an den Haaren herbeigezogen, um gegen etwas, was man in der Hauptsache eben nur kraft seiner Grundhaltung angreifen kann, auch in den Einzelheiten Material zu schaffen.
Ich bitte das Haus, dem Etat dieses Ministeriums zuzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gleichgültig, wie man sich zum Problem einer mehr unitarischen zentralistischen Gestaltung Deutschlands einerseits oder einer mehr föderativen Gestaltung andererseits stellen mag — für die praktische Entscheidung, ob das Ministerium für die Angelegenheiten des Bundesrats zu bejahen ist oder nicht, sollte der Inhalt des Grundgesetzes maßgebend sein, der dem Bundesrat außerordentliche Befugnisse hinsichtlich der Gesetzgebung und der Exekutive zuweist.
Je mehr Aufgaben zur Erreichung einer guten Abstimmung zwischen den beiden Organen der Legislative wie zwischen der Regierung und dem Bundesrat zu bewältigen sind, um so mehr liegt es im Interesse der Allgemeinheit, daß diese Aufgaben der Abstimmung und Koordinierung gut wahrgenommen werden, und zwar von einem Mann, der die entsprechenden Probleme mit Kabinettsrang bearbeiten kann. Zum mindesten für eine Obergangszeit ist unter diesem Gesichtspunkt die Existenz des Ministeriums erforderlich und wird deshalb von uns bejaht.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz, an dem ich ja auch mitgearbeitet habe, — —
— Sie haben doch auch mitgearbeitet!
Ich möchte doch hier zur Ehre des Herrn Kollegen
Renner feststellen, daß er in den Ausschüssen sehr
nett und fleißig am Grundgesetz mitgearbeitet hat.
Meine Damen und Herren! Die Handhabung des Grundgesetzes hat sich als außerordentlich kompliziert erwiesen.
Der Bundesrat hat im Grundgesetz eine sehr starke
Stellung bekommen, und zwar sowohl gegenüber
der Bundesregierung wie auch gegenüber dem Bundestag.
Der Bundesrat — das ist natürlich sein gutes Recht
— ist sehr darauf bedacht, diese Funktionen, die ihm das Grundgesetz zuweist, nach allen Richtungen hin zu erfüllen.
Das Ministerium für den Bundesrat erweist sich als außerordentlich nützlich, um Reibungen, die sonst ganz bestimmt eintreten würden, zu vermeiden.
Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich glaube, die Existenz dieses Ministeriums hat wesentlich dazu beigetragen, daß das Grundgesetz besser funktioniert, als es zuerst den Anschein gehabt hat.
Ich glaube, daß es der Bundesrat nicht gerade als eine besondere Freundlichkeit empfinden würde, wenn wir, um mit Herrn Kollegen Renner zu sprechen, sagen würden: die Beschäftigung mit dem Bundesrat kann ein Regierungsamtmann machen.
Es gehört außerordentlich viel Einfühlungsvermögen in den Bundesrat und in die dort vorhandenen Strömungen dazu, und ich glaube, es ist richtig, wenn dieses Ministerium so bleibt, wie es ist. Das liegt im Interesse eines guten Funktionierens des Grundgesetzes.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe hiermit die Aussprache zum Einzelplan XVII.
Wir kommen zur Abstimmung zunächst über die Abänderungsanträge. Der Abänderungsantrag Drucksache Nr. 741, soweit er sich auf den Einzelplan XVII bezieht, und der Abänderungsantrag Drucksache Nr. 746 stimmen der Sache und dem Grundsatz nach überein. Wir können daher gemeinsam darüber abstimmen.
— Aber verehrte Frau Abgeordnete, von Ihrer eigenen Partei!
- Ich habe das heute schon dreimal beantworten müssen.
— Verzeihung, die beziehen sich beide auf Einzelplan XVII, Herr Abgeordneter Seelos. Wer für diese Anträge Drucksachen Nr. 741 und 746 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit sind diese beiden Anträge angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Gesamtabstimmung. Wer für den Einzelplan XVII in Verbindung mit der Drucksache Nr. 681 und den daraus hervorgehenden Einnahmen und Ausgaben im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Ich erkläre den Einzelplan XVII für angenommen und damit zugleich den Entwurf eines
Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans samt den damit verbundenen 17 Einzelhaushaltsplänen in zweiter Lesung für beendet und verabschiedet.
Meine Damen und Herren! Wir fahren nun in der vorgesehenen Tagesordnung fort. Ich darf zunächst eine Art Gretchenfrage an Sie richten. Es ist erst ein Viertel nach fünf Uhr, und wir haben noch die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Bekanntmachungen vorgesehen. Wir waren uns im Ältestenrat darüber einig, daß wir lediglich die Berichterstattung vornehmen und dann das Gesetz ohne Debatte in zweiter und dritter Lesung verabschieden. Das wird eine Angelegenheit von schätzungsweise einer Viertelstunde sein. Dann wäre es 1/26 Uhr. Ich glaube, meine Damen und Herren, im Interesse der Verkürzung des Arbeitspensums zu Beginn der kommenden Woche können wir dann noch, entgegen unserem Beschluß im Ältestenrat heute früh, auf den dritten vorgesehenen Punkt kommen, nämlich auf die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Volksbegehren, Drucksache Nr. 509, für dessen Einbringung und Berichterstattung wir im ganzen 70 Minuten vorgesehen haben. Dann würden wir tatsächlich um 7 Uhr fertig sein. Darf ich das Einverständnis des Hauses zu dieser Ergänzung der Tagesordnung feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Wir kommen danach zu Punkt 1 der heutigen gedruckten Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfes eines Gesetzes über Bekanntmachungen .
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Schatz.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat sich in' seiner letzten Sitzung mit dem Entwurf eines Gesetzes über Bekanntmachungen befaßt.
Darf ich einen Augenblick unterbrechen? — Auch ein Berichterstatter kann beanspruchen, das Ohr des Hauses zu haben. Ich appelliere an alle Damen und Herren, ihre Vorliebe für das harte Dur etwas zu dämpfen und etwaige Privatgespräche lieber in dem weicheren Moll zu führen. — Bitte, Herr Berichterstatter.
Zweck dieses Gesetzes ist, ein einheitliches Veröffentlichungsorgan für das ganze Bundesgebiet zu schaffen, und zwar für Bekanntmachungen, die Rechtsfolgen nach sich ziehen. Diese liegen vor im Handelsrecht, im Zivilrecht, im materiellen und formellen Recht. Bisher hatten im Bundesgebiet die Bekanntmachungen im „Öffentlichen Anzeiger für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet" Aufnahme gefunden; wenigstens waren ihm die Bekanntmachungen zugewiesen, Bekanntmachungen des Wirtschaftsrats, aber auch der Besatzungsmächte. Die Regierung hat mit Beschluß vom 20. September 1949 den Bundesanzeiger eingeführt. Formell wurden aber die Bekanntmachungen bisher noch dem „Öffentlichen Anzeiger für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet" zugewiesen, so daß ein Gesetz geschaffen werden muß, um für die Zukunft hier eine klare Rechtslage zu schaffen. Gleichzeitig war es aber notwendig, daß die Be-
kanntmachungen, die dem „Öffentlichen Anzeiger für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet" durch die Besatzungsmächte zugewiesen waren, auf Grund des Besatzungsstatuts aufgehoben werden. Im Verfolg dieser Angelegenheit hat die Regierung eine Eingabe an die Besatzungsmächte gerichtet. Wie der Vertreter des Justizministeriums im Ausschuß bekanntgab, hat die Hohe Alliierte Kommission bereits die Aufhebung der entsprechenden Bestimmungen zugesagt.
Die §§ 1 bis 5 dieses Gesetzes - das ganze Gesetz umfaßt sieben Paragraphen — enthalten Bestimmungen über die Anwendungsgebiete und den Zuständigkeitsbereich des Gesetzes. Sie können darüber, falls Sie das noch nicht getan haben, in der Drucksache Nr. 733 nachlesen. Die §§ 6 und 7 enthalten Übergangs- und Schlußbestimmungen.
Der Rechtsausschuß hat sich die Anregung des Rechtsausschusses des Bundesrats zu eigen gemacht und hat im § 1 Abs. 1 und 2 nach den Worten „des Statuts" die Worte „oder andere Verträge!" hinzugefügt, um einen möglichst großen Anwendungsrahmen für das Gesetz zu schaffen.
Weiter ist der Rechtsausschuß der Anregung des Rechtsausschusses des Bundesrats gefolgt, die sich auf eine Klarstellung für die Übergangszeit bezieht, und zwar sollen in § 6 die Worte „nach dem 8. Mai 1945" geändert werden in „zwischen dem 9. Mai 1945 und dem Tage des Inkrafttretens des Gesetzes".
Der Rechtsausschuß des Bundestages hat von sich aus das Datum in § 4 „1. Oktober 1947" abgeändert in „20. Juni 1948". Dort ist festgelegt, daß die Bekanntmachungen der Jahresabschlüsse von Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien, die sich auf ein Geschäftsjahr beziehen, das vor dem 1. Oktober 1947 endete — so hieß es ursprünglich —, nicht veröffentlicht zu werden brauchen. Man hat das Datum in „20. Juni 1948" geändert, weil die Jahresabschlüsse, die noch auf Reichsmark lauten, nicht von so erheblicher Bedeutung sind, daß sie noch zu veröffentlichen wären
Schließlich hat der Rechtsausschuß den § 7, wo die Bestimmung über das Inkrafttreten des Gesetzes offengelassen war, vervollständigt. Das Gesetz tritt einen Monat nach seiner Verkündung in Kraft. Diese lange Frist ist deshalb gewählt worden, damit für die Beteiligten eine gewisse Anlaufzeit gegeben ist, in der sie sich auf das Gesetz über Bekanntmachungen einrichten können.
Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht hat den Entwurf des Gesetzes, wie er in Drucksache Nr. 733 vorliegt, einstimmig genehmigt. Ich bin beauftragt, Sie zu bitten, diesem Gesetz Ihre Zustimmung zu erteilen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Da Übereinstimmung im Hause darüber besteht, daß keine Debatte stattfinden soll, schreiten wir zur Abstimmung.
Wer für die §§ 1, 2, 3, 4, 5, 6 und 7 in der Fassung der Drucksache Nr. 733 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Wer für die Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich ebenfalls, die Hand zu erheben. — Danke schön! Damit erkläre ich die zweite Beratung für beendet.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für das soeben in zweiter Beratung angenommene Gesetz im ganzen, Drucksache Nr. 733, ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Damit erkläre ich das Gesetz über Bekanntmachungen, Drucksache Nr. 733, für angenommen und in dritter Lesung verabschiedet.
Meine Damen und Herren, wir kommen dann zum nächsten Punkt der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Volksbegehren und Volksentscheid bei Neugliederung des Bundesgebietes gemäß Artikel 29 Absatz 2 bis 6 des Grundgesetzes .
Der Ältestenrat hat beschlossen, für alle Fraktionen eine Gesamtredezeit von 60 Minuten nach dem üblichen, schematischen Schlüssel dem Hause vorzuschlagen. Ich bitte, insoweit das Einverständnis des Hauses dazu einholen zu können. — Ich höre keinen Widerspruch; die Redezeit ist demgemäß geregelt. Im übrigen gibt der Ältestenrat der Erwartung Ausdruck, daß der Herr Bundesminister sich für die Einbringung der Gesetzesvorlage mit 10 bis 12 Minuten begnügt.
Ich erteile dem Herrn Bundesminister des Innern das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach demokratischen Prinzipien soll die Staatszugehörigkeit von Volksteilen und Gebieten nicht ohne Befragung der Bevölkerung geändert werden. Nach 1945 sind in Deutschland eine Reihe von Gebieten ohne solche Befragung in ihrer Staats- oder Landeszugehörigkeit verändert worden. Infolgedessen sieht das Grundgesetz in Art. 29 vor, daß Gelegenheit gegeben werden soll, nachträglich eine Befragung des Volkes stattfinden zu lassen, sofern aus der betroffenen Bevölkerung heraus ein hinreichend legitimierter Wunsch vorgebracht wird. Außerdem ist bezüglich des Südwestraums in Art. 118 eine Sonderregelung vorgeschrieben des Inhaltes, daß die dortigen derzeitigen Ländergrenzen durch Vereinbarung unter den beteiligten Landesregierungen geändert werden können oder gegebenenfalls auch durch ein Bundesgesetz, welches eine Volksbefragung vorsehen muß.
Das im September 1949 neu etablierte Bundesministerium des Innern hat diese aus den beiden Artikeln gegebene Aufgabe alsbald angefaßt. Wir befanden uns dabei aber in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite bestimmt Art. 29 des Grundgesetzes für die Durchführung dieser Volksbefragungen eine Frist bis zum 23. Mai 1950. Auf der anderen Seite steht dem ein Vorbehalt der Hohen Kommissare entgegen, der in Ziff. 5 des Genehmigungsschreibens vom 12. Mai vergangenen Jahres zum Grundgesetz enthalten ist. Dieser Vorbehalt der Alliierten lautet:
Ein vierter Vorbehalt bezieht sich auf Art. 29 und 118 und das allgemeine Problem der Neufestlegung der Ländergrenzen. Mit Ausnahme des Falles von Württemberg-Baden und Hohenzollern hat sich unser Standpunkt in dieser Frage, seitdem wir die Angelegenheit mit Ihnen am 2. März besprachen, nicht geändert. Wenn die Hohen Kommissare sich nicht einstimmig entschließen, diesen Standpunkt zu
revidieren, sollen die in den zwei genannten Artikeln dargelegten Befugnisse nicht ausgeübt werden, und die Grenzen aller Länder mit Ausnahme von Württemberg-Baden und Hohenzollern sollen bis zur Zeit des Friedensvertrages so bleiben, wie sie jetzt festgelegt sind.
Was bedeutet das alles? Eine Fülle von Fragen bricht hier auf, nämlich: Beharren die Hohen Kommissare heute auf diesem Vorbehalt oder kommen sie einstimmig dazu, den Weg der Rückgliederung oder von Neugliederungen freizugeben? Wenn sie auf dem Vorbehalt beharren, gilt er dann auch für bloße Volksbegehren, die ja sachlich noch nichts ändern? Wenn auch Volksbegehren unter den Vorbehalt fallen, was wird dann vollends aus der Frist des Art. 29, nämlich aus dem Termin vom 23. Mai 1950? Sodann: wenn der Vorbehalt auch den Südwestraum erfaßt, in welchem Sinne tut er es dann gegebenenfalls?
Alle diese Fragen standen von Anfang an bei der Bearbeitung vor uns. Infolgedessen mußte die Bearbeitung der Aufgabe in einem Doppelten bestehen, nämlich auf der einen Seite eine Gesetzesvorlage so zu fertigen, wie Sie sie jetzt in Händen haben, auf der anderen Seite aber in ständiger Fühlungnahme mit den Hohen Kommissaren klarzustellen, welche Bewandtnis es mit dem Vorbehalt hat. Die Vorlage war in meinem Hause recht früh fertiggestellt, jedenfalls früh genug, um bis zum 23. Mai 1950 alles termingemäß abwickeln zu können für den Fall, daß der Weg freigegeben sei. Aber die andere Seite der Sache, die Klärung der Bedeutung des Vorbehalts mit den Hohen Kommissaren, ist nicht recht vom Fleck gekommen. Vor etwa zwei Monaten war vorgesehen, daß eine gemischte Kommission von alliierten und deutschen Vertretern sich dieser Aufgabe widmen sollte. Diese gemischte Kommission ist aber nicht einberufen worden, sie ist nicht zustande gekommen. Infolgedessen haben wir uns vom Bundesinnenministerium aus mit Hilfe der Verbindungsstelle bemüht, an die Hohen Kommissare einige spezielle Fragen heranzubringen, und um deren Beantwortung mündlich und schriftlich wiederholt gebeten. Diese Fragen waren: Wird der Vorbehalt aufrechterhalten? Wenn ja, fällt unter den Vorbehalt auch schon ein bloßes Volksbegehren? Und endlich: wenn der Vorbehalt wirksam bleibt, wie kommen wir dann mit der Frist vom 23. Mai 1950 zurecht? Die Hohen Kommissare haben gestern erstmalig auf diese Fragen geantwortet, und zwar zunächst nur in einer telefonischen Mitteilung; die schriftliche Bestätigung soll in einigen Tagen in unseren Händen sein. Die telefonische Antwort lautet:
Die Frist des Art. 29 Abs. 2 läuft nicht, da das Genehmigungsschreiben der Militärgouverneure vom 12. Mai 1949 ihren Lauf nicht hat beginnen lassen. Diese Frist läuft erst, wenn er weggefallen ist.
Der andere Teil der Antwort, der sich auf Art. 118 bezieht, ist in folgender Weise durchgegeben worden:
Im Rahmen des Art. 118 ist eine Volksbefragung an sich zulässig. Entsprechende Anträge können an die Hohe Kommission gestellt werden.
Das ist das, was ich Ihnen als Meinung oder Standpunkt der Hohen Kommissare zu dieser Frage in diesem Augenblick sagen kann. Nach dieser zunächst nur telefonisch durchgegebenen Antwort können die einschlägigen Fragen noch nicht abschließend gewürdigt werden, es bleiben immer noch einige Unklarheiten. Meine Damen und Herren, ich empfehle Ihnen, dennoch heute die erste Lesung dieser Gesetzesvorlage zu vollziehen und mit der Überweisung an den zuständigen Ausschuß abschließen zu lassen in der Erwartung, daß ich diesem Ausschuß dann alsbald die formulierte Antwort der Hohen Kommissare werde vorlegen können. Im Ausschuß kann dann geprüft werden, welche Folgerungen wir für die Vorlage als solche oder für ihren Inhalt zu ziehen haben werden.
Unter diesen Umständen möchte ich davon absehen, die Vorlage nun in ihren Einzelheiten zu erläutern. Die Vorlage ist Ihnen ja mit einer ausführlichen Begründung übermittelt worden. Darauf möchte ich mich im Augenblick beziehen und, wie gesagt, alles weitere der Ausschußberatung vorbehalten.
Wir treten in die Beratung ein. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kopf.
Meine Damen und Herren! Der heutige Bestand der Bundesrepublik Deutschland verdankt seine Beschaffenheit nicht organischem Wachstum; er verdankt sie auch keineswegs einer planmäßigen und zielhaften Gestaltung. Er verdankt vielmehr den jetzigen Zustand seiner inneren Gliederung dem Ausgang des Krieges auf der einen Seite, der Ziehung der Zonengrenzen auf der anderen Seite und Anordnungen der Militärregierungen. Den Urhebern des Grundgesetzes war es daher klar, daß der jetzige Zustand, der das Gegenteil einer organischen Gliederung darstellt, einer Berichtigung bedarf. Sie haben daher in dem Artikel 29 des Grundgesetzes den allgemeinen Weg und im Artikel 118 den speziellen Weg für den südwestdeutschen Raum eröffnet, um die Gliederung der Bundesrepublik Deutschland in eine organische Gliederung umzugestalten. Man hat dabei mit vollem Recht das Selbstbestimmungsrecht der Bevölkerungskreise der beteiligten Landesteile zugrunde gelegt und hat diesen Bevölkerungskreisen die Möglichkeit gegeben, ihren Neugestaltungswillen durch Volksbegehren und Volksentscheid zum Ausdruck zu bringen.
Man ist nur in einer einzigen Bestimmung nicht im Einklang mit diesem Prinzip der Selbstbestimmung geblieben, und zwar in Abs. 4 des Art. 29, in dem es heißt, daß, wenn das Gesetz in einem Gebietsteil abgelehnt wird, es nach erneuter Verabschiedung im Bundestag der Annahme durch Volksentscheid im gesamten Bundesgebiet bedarf. Ich kann nicht verhehlen, daß wir in der Südwestecke Deutschlands ein gewisses Unbehagen verspüren würden, wenn wir uns vor die Notwendigkeit gestellt sehen würden, Neugliederungsfragen aus dem äußersten Norden Deutschlands, die Frage der Wiederherstellung Oldenburgs, die Frage des Gebietsaustausches zwischen Hessen und Rheinland-Pfalz von uns aus zu entscheiden. Wir würden glauben, daß uns für diese Fragen die notwendige Sachkenntnis und die notwendige Informationsmöglichkeit abgehen, und finden es daher bedauerlich, daß diese letzte und endgültige Entscheidung nicht in erster Linie ausschließlich den betroffenen Gebietsteilen und ihrer Bevölkerung überlassen bleibt. Wir müssen aber das Grundgesetz so in Anwendung bringen, wie es geschaffen ist.
Nun haben die Erklärung des Herrn Bundesministers und die Mitteilung des Telefongesprächs mit der Hohen Kommission eine erfreuliche Klarheit über eine Frage geschaffen, über die Frage der Fristen. Nach Art. 29 muß ja der Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens innerhalb einer einjährigen Frist nach Inkrafttreten des Grundgesetzes gestellt werden. Das Neugliederungsgesetz, das uns vorliegt, bemüht sich, dieser Frist gerecht zu werden. Die Durchführung des Volksbegehrens soll bis zum 15. April 1950 beantragt werden, und die Eintragungsfrist für alle zugelassenen Volksbegehren soll am 14. Mai 1950 beginnen und am 23. Mai 1950 ablaufen. Diese enge zeitliche Begrenzung wäre nach unserer Auffassung mit großen technischen Schwierigkeiten verbunden. Es ist nun aber Klarheit darüber geschaffen worden, daß diese einjährige Frist bis heute nicht zu laufen begonnen hat. Ihre Laufzeit hat nicht begonnen, weil nach dem Vorbehalt der Hohen Kommission, der in dem Begleitschreiben zur Genehmigung des Grundgesetzes enthalten war, die Neugliederung Deutschlands mit Ausnahme des Südwestraumes bis zum Friedensvertrag zurückgestellt werden soll. Wir wissen daher nunmehr aus der authentischen Mitteilung der Hohen Kommission, die uns durch den Herrn Bundesinnenminister vermittelt wurde, daß eine Notwendigkeit zu einer besonderen Eile und vor allem zur Einhaltung dieser zu knapp bemessenen und technisch nicht einzuhaltenden Fristen nicht gegeben ist.
Ich glaube, daß wir diese Feststellung eigentlich in gewisser Hinsicht begrüßen sollten. Denn die Neugliederung Deutschlands, die ja kommen muß, muß mit Einsicht und Umsicht, mit sorgfältigen Erwägungen und nach genauen Vorbereitungen getroffen werden. Sie kann in dem kurzen Ablauf weniger gehasteter Tage nicht getroffen werden.
Wenn ich mir nun einige wenige Bemerkungen zu dem Inhalt des Neugliederungsgesetzes erlauben darf, so bezieht sich das zunächst einmal auf die Gestaltung des § 16. Es ist von verschiedenen Seiten bereits im Bundesrat der Wunsch geäußert worden, daß abstimmungsberechtigt nicht nur diejenigen Personen sein sollen, die am Tage der Abstimmung im Abstimmungsgebiet wahlberechtigt sind. Es ist vielmehr die Forderung erhoben worden, zur Abstimmung auch diejenigen Personen zuzulassen, die im Abstimmungsgebiet geboren sind oder die längere Jahre ihren Wohnsitz im Abstimmungsgebiet gehabt haben.
Diese Forderung entspricht einem Grundsatz, der auch bereits in den Bestimmungen des Versailler Vertrages für die dort vorgesehenen Abstimmungen, und zwar in Schleswig, in Ostpreußen, in Oberschlesien und im Saargebiet, niedergelegt worden war. Ich glaube, daß dieser Grundsatz ganz allgemein auch unserem Neugliederungsgesetz einverleibt werden sollte. Ich möchte Herrn Geheimrat Laforet nicht vorgreifen, der den speziellen Anwendungsfall dieses Grundsatzes uns nachher noch zu entwickeln beabsichtigt.
Es ist ein zweiter Wunsch geäußert worden, und zwar von seiten der Vertreter Hessens. Er geht dahin, eine Bestimmung einzufügen, nach der, soweit preußische Gebiete verschiedenen Ländern zugeteilt worden sind, diejenigen Teile einer preußischen Provinz einen besonderen Gebietsteil bilden, die dem gleichen Land eingegliedert oder mit einem gleichen neu gebildeten Land zusammengeschlossen worden sind. Dies bezieht sich speziell auf Kreise, die früher der Provinz Hessen-Nassau angehört haben. Der Bundesrat hat die Aufnahme dieser Bestimmung abgelehnt. Die Ausschüsse werden aber erneut zu prüfen haben, ob und inwieweit sich die Aufnahme dieser Bestimmung empfiehlt.
Schließlich ist noch eine letzte Bestimmung zu erwägen. Die Regierungsvorlage hat im § 26 vorgesehen, daß dieses Gesetz im Geltungsbereich des Art. 118 des Grundgesetzes keine Anwendung findet. Sie hat diesen Grundsatz damit begründet, daß für das Südwestgebiet Art. 118 des Grundgesetzes eine Sonderregelung getroffen hat, die die Anwendung des Gesetzes für dieses Gebiet ausschließt. Der Bundesrat hat diese Bestimmung gestrichen. Er hat zwar auch ausgesprochen, daß für die Länder des Südwestraums die Regelung des Art. 118 derjenigen des Art. 29 vorgeht. Er hat aber dann darauf Bezug genommen, daß möglicherweise dem Verfahren des Art. 118 seitens der Hohen Kommissare Bedenken entgegengestellt würden. Es soll daher diesen Ländern nicht die Möglichkeit verschlossen sein, auf dem Wege des Art. 29 nach dem Verfahren dieses Gesetzes auch im Südwestraum Volksbegehren und Volksentscheid herbeizuführen.
Die Meinungen über die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der Aufrechterhaltung dieser Bestimmung sind auch in unserer Fraktion geteilt. Es wird vor allem von seiten der württembergischen Freunde die Streichung dieser Bestimmung gewünscht. Auf der anderen Seite aber besteht bei anderen Vertretern unserer Fraktion der Wunsch, daß gerade durch diese Bestimmung zum Ausdruck gebracht wird, daß die spezielle Regelung des Art. 118 für den Südwestraum der generellen Regelung des Art. 29 vorgeht. Es wird geltend gemacht, es sei nicht einzusehen, warum auf diese allgemeine Regelung zurückgegriffen werden soll, da Art. 118 die Möglichkeit gibt, auch im Falle des Scheiterns von Verhandlungen durch ein Bundesgesetz eine endgültige Regelung im südwestdeutschen Raum herbeizuführen. Es wird also Sache des Ausschusses sein, auch die Frage der Wiederherstellung des § 26 des Neugliederungsgesetzes zu prüfen und hierzu geeignete Vorschläge zu machen.
Wir beantragen, die Regierungsvorlage dem Neugliederungsausschuß zu überweisen, zugleich aber auch dem Rechtsausschuß. Die Vorlage enthält schwierige rechtliche Probleme, wie der Herr Minister auch eben betont hat. Die Mitarbeit des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht wird gerade bei dieser Vorlage nicht zu entbehren sein. Wir hoffen dabei aber zugleich, daß, wie immer auch die endgültige Formulierung dieses Gesetzes ausfallen mag, das festzulegende Verfahren ausgeübt wird im Geist einer echten Loyalität und in einer Form, die es ermöglicht, den wahren Willen der Bevölkerung zum Ausdruck zu bringen. Dann wird diese Neugliederung auch zu einer inneren Befriedung der Bundesrepublik beitragen.
: Ich kann Ihnen unter diesen Umständen das Wort nicht erteilen. Die gesamte Redezeit für Ihre Fraktion ist in Anspruch genommen.
Das Wort hat der Abgeordnete Freiherr von Aretin.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen über dieses Gesetz, das in der ersten Lesung heute zur Verabschiedung kommen soll, werden sich im wesentlichen mit den Fragen befassen müssen, die in der französischen Zone durch die Grenzziehungen entstanden sind. Bei der Durchsicht des Gesetzes ergibt sich in erster Linie das Problem, wieweit man den allgemeinen Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker, nach dem die in dem Land Geborenen über ihre Heimat abstimmungsberechtigt sind, nicht auch Anwendung finden lassen soll auf die Vorgänge innerhalb unseres eigenen deutschen Vaterlandes. Nach Art. 25 des Grundgesetzes finden die im Völkerrecht anerkannten Grundsätze auch Anwendung — und sind damit auch materielles Recht — innerhalb der Bundesrepublik. Daher wird diese Forderung auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 25 begründet werden können. Man könnte demgegenüber einwenden, daß es ziemlich belanglos sei, ob und inwieweit man den im Heimatland Geborenen das Stimmrecht gebe. Hierzu darf ich auf die Zahlen verweisen, die sich bei der Volksabstimmung in Ost-Oberschlesien nach dem ersten Weltkrieg herausgestellt haben. Damals waren von 100 Stimmberechtigten 81 in dem Gebiet geboren und noch ansässig; 3 waren ansässig, folglich stimmberechtigt, ohne da geboren zu sein, und 16 waren in dem Abstimmungsgebiet zwar geboren, aber wieder fortgezogen. Nun sind diese 16 % zur Abstimmung wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Diese 16 % haben damals in Ostoberschlesien die Entscheidung gebracht. Ich glaube, man wird aus diesen Zahlen ersehen, daß es eine Ungerechtigkeit gegen diejenigen, die in einem Lande geboren sind, bedeuten würde, sie von dem Selbstbestimmungsrecht über ihre Heimat auszuschließen.
Meine Damen und Herren! Nach völkerrechtlichen Grundsätzen ist der Inwohner der Träger der Souveränität eines Landes. In Grenzen gilt diese Souveränität auch für unsere innergebietliche, innerdeutsche Frage. Und wenn wir schon der Auffassung sind, daß das Personalprinzip gilt und nicht der Einwohner das Anhängsel an das Land ist, dann müßten wir das Stimmrecht auch den Ausgezogenen geben können. .In diesem Sinne weicht leider Gottes der Antrag der Regierung nicht wesentlich ab von der Ausführungsverordnung vom 8. Juli 1922, die damals zu Art. 18 der Weimarer Verfassung ergangen ist. Diese ist damals bereits heftig befehdet und umstritten worden.
Die entsprechenden Abänderungsanträge werde ich namens meiner Fraktion im Ausschuß und im Plenum zu stellen haben. Heute erlaube ich mir, hier den Antrag zu stellen, die Drucksache Nr. 599 federführend an den Ausschuß für innergebietliche Neuordnung zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Von der Fraktion der Deutschen Partei ist mir mitgeteilt worden, daß sie bereit ist, die ihr zustehende Redezeit dem Herrn Abgeordneten Dr. Laforet zur Verfügung zu stellen.
Ich nehme Ihre Zustimmung dazu an. Ich darf daraufhin Herrn Dr. Laforet das Wort erteilen.
Meine Damen und Herren!' Dieser Gesetzentwurf über Volksbegehren und Volksentscheid bei der Neugliederung des Bundesgebiets erfaßt ein Gebiet, das für uns Bayern im Brennpunkt der Neugliederung steht. Jahrhundertelang waren pfälzische und rechtsrheinische bayerische Gebiete verbunden. Jetzt ist die Pfalz von Bayern getrennt. Das weitere Schicksal der Pfalz in der Gestaltung der Länder berührt aber auch diejenigen, die durch Geburt und Herkunft Pfälzer sind,
wenn sie auch das Leben später in andere deutsche Teile geführt hat. Es sind Männer und Frauen fast aller Parteien, die entscheidenden Wert darauf legen, beim Volksentscheid über das Schicksal der Pfälzer Heimat entscheidend mitwirken zu können, auch wenn sie jetzt außerhalb der Pfalz wohnen. Sie stützen sich auf den von dem Herrn Vorredner schon betonten Gesichtspunkt, den völkerrechtlichen Grundsatz der bleibenden Lebensverbundenheit, wie er auch bei den letzten Abstimmungen in Oberschlesien und im Saargebiet anerkannt worden ist. Nach den Forderungen weiter Kreise von alten Pfälzern fast. aller Parteien werden wir im Ausschuß den Antrag stellen, in § 16 Abs. 2 auszusprechen, daß stimmberechtigt beim Volksentscheid auch diejenigen sind, die im Abstimmungsgebiet geboren und zum Bundestag wahlberechtigt sind, auch wenn sie nicht mehr im Abstimmungsgebiet selbst ihren Wohnsitz haben.
Die beteiligten Kreise würden es weiter dankbar anerkennen, wenn der Gesetzentwurf möglichst bald verabschiedet wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde messen der Aufgabe der territorialen Neugliederung des Bundesgebiets eine außerordentliche Bedeutung bei; denn die Existenz und der Umfang der Länder, die 1945 entstanden sind, sind zu einem wesentlichen Teil nichtdeutschen Interessen erwachsen. Die Länderneubildungen trugen nicht deutschen Bedürfnissen Rechnung, sondern es wirkten maßgeblich, in einigen Fällen entscheidend, die Interessen der Besatzungsmächte hinein, die teils nach bloßen technischen Gesichtspunkten der Bewältigung der Besatzungsaufgaben, teils aber nach politischen Gesichtspunkten, wie sie insbesondere der französischen Politik zu eigen waren, eine Gliederung durchgesetzt haben, die vielfach deutschen Bedürfnissen und deutschen Interessen konträr war. Eine ganze Reihe der Länder, die heute bestehen, wären überhaupt niemals entstanden, wenn Deutsche damals den maßgeblichen Einfluß auf die Länderbildung- gehabt hätten; denn es wäre Deutschen nicht eingefallen, beispielsweise im Südwestraum die eng zusammengehörigen Länder Baden und Württemberg auf eine Weise, wie das dann geschehen ist, auseinanderzureißen und dabei Zwerggebilde mit einer Einwohnerschaft von 1,2 Millionen, 1,5 Millionen künstlich zu schaffen, von denen zu sagen ist, daß sie nach Größe und Leistungsfähigkeit die einem Land obliegenden Aufgaben überhaupt nicht wirksam erfüllen können.
Deswegen ist — gleichgültig, ob man vom Standpunkt eines dezentralisierten Einheitsstaates oder aber vom föderalistischen Standpunkt die Frage der Neugliederung des Bundesgebiets beurteilt — zu begrüßen, daß das Grundgesetz die Aufgabe gestellt hat, eine Neugliederung anzustreben, die auf der Basis der Berücksichtigung der landsmann-
schaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges schließlich darin kulminieren soll, daß Länder entstehen, die überhaupt nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben erfüllen können. Gerade die Anhänger einer föderalistischen Gestaltung Deutschlands sollten erkennen, daß die Idee des Föderalismus durch nichts mehr gefährdet wird als durch das gleichzeitige Nebeneinanderbestehen von Ländern äußerster Ungleichartigkeit, zwischen denen ein auf Gleichberechtigung bestehendes Band im Grunde genommen nur äußerst künstlich geknüpft werden kann.
Wenn man deshalb die Aufgabe der territorialen Neugliederung des Bundesgebiets nach deutschen Interessen, nach deutschen Bedürfnissen, insbesondere nach den Wünschen der deutschen Bevölkerung nicht nur bejaht, sondern für ein Problem von ganz außerordentlicher Bedeutung hält, ich möchte sagen, für ein Problem, von dessen richtiger Lösung zu einem sehr erheblichen Teil die Volkstümlichkeit des demokratischen Rechtsstaates in Deutschland abhängt, dann muß man darüber wachen, daß von den Hohen Kommissaren nicht Befugnisse zurückgenommen werden, die sie bereits aufgegeben hatten.
Das ist insbesondere hinsichtlich der Neugliederung im Südwestraum zu sagen. An zwei Stellen von Ziffer 5 des Genehmigungsschreibens zum Grundgesetz haben die damaligen Militärgouverneure ausdrücklich erklärt, daß die Neugliederung im Südwestraum von dem Vorbehalt ihrer Zustimmung ausgenommen sein soll. Diese ganz akzentuierte, unmißverständlich ausgesprochene Ausnahme hat klargestellt, daß die deutschen Verwaltungen sowohl wie die gesetzgebenden Körperschaften und die deutsche Bevölkerung in den betreffenden Gebietsteilen in der sofortigen Betreibung einer territorialen Neugliederung in keiner Weise eingeschränkt sein sollten. Während hinsichtlich aller anderen Gebiete der Vorbehalt gemacht wurde, daß die Hohen Kommissare Gebietsveränderungen, damit sie wirksam werden, einstimmig zustimmen müßten, haben sie hinsichtlich der Neugliederung im Südwestraum der Entwicklung freien Lauf gegeben, so daß in keiner Weise mehr ersichtlich ist, inwiefern die rechtliche Mitwirkung der Hohen Kommissare erforderlich ist. Diese uns hinsichtlich der Entwicklung im Südwestraum gegebene Freiheit wollen wir uns durch nachträgliche Erklärungen, wie sie in den letzten Monaten von französischer Seite abgegeben worden sind, nicht wieder nehmen lassen.
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das wollte ich grundsätzlich festgestellt haben.
Wenn man nun davon ausgeht, daß die ganze Neugliederung im Südwestraum einer Eigengesetzlichkeit untersteht, die von den Besatzungsmächten bereits als eine rein deutsche Angelegenheit sanktioniert ist, dann erschließt sich erst der richtige Zugang zu dem Verhältnis der Art. 118 und 29 des Grundgesetzes. Der Art. 118 ist eine lex specialis, der gegenüber die Anwendung des Art. 29 ausgeschlossen ist. Das hat die Folge, daß es nur zwei Möglichkeiten gibt, entweder die staatsvertragliche Vereinbarung zwischen den 1 betroffenen Ländern oder aber die Regelung durch Bundesgesetz mit nachfolgender Bestätigung durch Volksentscheid.
Hinsichtlich des Art. 29 sollte kein Zweifel bestehen, daß die Frist des Art. 29 Abs. 2, die Einjahresfrist seit Inkrafttreten des Grundgesetzes, selbstverständlich nicht zu laufen beginnen konnte, nachdem die damaligen Militärgouverneure mit dem Genehmigungsschreiben die Vornahme der territorialen Neugliederung vom Abschluß des Friedensvertrages bzw. von einer vorher erklärten Zustimmung von Fall zu Fall abhängig gemacht hatten. Die Frist ist gehemmt. Sie ist es solange, bis entweder eine friedensvertragliche Regelung zustande kommt oder aber bis die Alliierten erklären, daß sie mit territorialen Neugliederungen außerhalb des Südwestraums einverstanden sind. Deshalb hat es die Verwunderung meiner politischen Freunde erregt, daß der Gesetzentwurf über Volksbegehren und Volksentscheid davon ausgeht, daß die Frist am 23. Mai dieses Jahres abläuft.
Herr Abgeordneter, ich muß Sie bitten, aufzuhören; Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Von dieser Annahme kann man nicht ausgehen. Wir sollten uns also bei der weiteren Arbeit an dem Gesetz, so sehr wir seine Beschleunigung wünschen, jedenfalls dadurch nicht zu einer nicht zu verantwortenden Übereilung bringen lassen, daß man von der Erwägung ausgeht, daß der Fristablauf droht. Er droht nicht. Wir haben volle Handlungsfreiheit, ohne von dem Fristablauf bedroht zu werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Zinn.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hat im Grunde verfahrensrechtliche Bedeutung. An sich braucht er deshalb kein Anlaß zu sein, das sehr wichtige, hochpolitische Thema der Neugliederung der Länder im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu erörtern. Dieses Thema sollte bei anderer Gelegenheit, und zwar in aller Breite und Ausführlichkeit, diskutiert werden. Dennoch geben sein Inhalt und die vorherigen Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers bei der Einbringung des Gesetzentwurfs Grund zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen.
Zunächst das Gesetz als solches. Der § 1 Abs. 2 dieses Gesetzes sieht vor, daß jene Gebiete, deren Landeszugehörigkeit nach 1945 geändert worden ist, Abstimmungsgebiet für einen Volksentscheid sein sollen und daß in ihnen ein Volksbegehren auf Änderung der inzwischen erworbenen Landeszugehörigkeit veranstaltet werden kann, eine dem Geist und Sinn des Art. 29 des Grundgesetzes durchaus entsprechende Lösung. Sie entspricht aber nicht ohne weiteres dem Sinn des Grundgesetzes, wenn man an die ehemals preußischen Landesteile denkt. Alle nichtpreußischen Landesteile haben nach diesem § 1 Abs. 2 die Möglichkeit, zu wählen, ob sie bei dem Land, dem sie jetzt angehören, verbleiben, oder aber ob sie zu dem noch bestehenden Land, dem sie früher einmal angehört haben, zurückkehren wollen. Preußen wird nicht wieder existieren. Hier gibt es keine Wahl zwischen dem neuen Land und dem
alten Preußen. Infolgedessen hat es keinen Sinn, die preußischen Landesteile, die unter Umständen aus verschiedenen Provinzen oder aus Teilen verschiedener Provinzen bestehen, zusammenzufassen, damit diese zusammengefaßten verschiedenen ehemals preußischen Verwaltungsbezirken angehörigen Landesteile einheitlich über ihr Schicksal bestimmen. Die preußischen Provinzen haben zum Teil eine völlig verschiedene Geschichte. Sowohl ihre landsmannschaftliche Zusammensetzung als auch ihre soziale und ökonomische Struktur weichen voneinander ab. Nassau, das erst im Jahre 1866 zu Preußen gekommen ist, hat sowohl nach seiner landsmannschaftlichen als auch nach seiner ökonomischen und sozialen Struktur und seiner Geschichte gar nichts mit der Rheinprovinz oder jenen Teilen der Rheinprovinz zu tun, die zufällig zum Lande Rheinland-Pfalz gehören. Wenn man schon bei der Neugliederung, dem Geist des Grundgesetzes folgend, die landsmannschaftliche Zugehörigkeit, die soziale und ökonomische Struktur maßgebend sein lassen will, darin muß man diese Tatsache auch hierbei berücksichtigen. Darum erscheint es mir berechtigt, wenn man der Anregung, die, so glaube ich, wohl im Bundesrat schon gemacht worden ist, folgt — Herr Dr. Kopf hat sie erwähnt —, diejenigen Teile zu einem Abstimmungsbereich zu erklären, die einer bestimmten preußischen Provinz angehört haben, auch wenn diese jetzt nicht zu ein und demselben Land gehört.
Wir sind ferner der Auffassung, daß die Anregung des Bundesrats,- den § 26 dieses Gesetzes zu streichen, zu begrüßen ist. Der § 26 dieses Gesetzes sah vor, daß es nicht auf den Südweststaat Anwendung finden soll. Wir sind für diese Streichung, weil wir nämlich Anhänger des Südweststaates sind.
Rein rechtlich ist die Sache so, daß der Art. 118 als Übergangsbestimmung keine lex specialis darstellt, die die Anwendung des Art. 29 des Grundgesetzes ausschließt — wie Herr Euler meint —, der Art. 118 ist eine reine Kann-Vorschrift. Es heißt: es kann abweichend von Art. 29 des Grundgesetzes im Wege freier Vereinbarung die Frage des Südweststaats, gegebenenfalls durch ein spezielles Bundesgesetz, geregelt werden. Man sollte die verschiedensten Möglichkeiten, um zu einem Zusammenschluß im Südwesten zu kommen, nicht verbauen, sich die verschiedenen Wege offen halten. Aus diesem Grunde sind auch wir für die Streichung.
Wir teilen nicht ganz die Meinung, daß die Frist des Art. 29 Abs. 2 — Jahresfrist — am 23. Mai noch nicht abläuft. Man kann durchaus der Auffassung sein, daß durch den Vorbehalt der Militärgouverneure zwar die Dreijahresfrist des Art. 29 des Grundgesetzes suspendiert ist, aber niemand kann uns daran hindern, unsere Bevölkerung zu befragen, wie sie sich selbst die Neugliederung denkt. Im übrigen bin ich der Auffassung, die Hohe Kommission ist überhaupt nicht legitimiert, das Grundgesetz auszulegen. Das ist unsere Angelegenheit.
Mit Nachdruck sollte das Bundesinnenministerium, ganz gleich, welche rechtliche Auffassung man in diesem besonderen Falle hat, diese Ansicht vertreten.
Es trifft leider zu, daß die scheinbare Zusage, die die Hohen Kommissare — oder besser die Militärgouverneure — damals bei Genehmigung des
Grundgesetzes wegen des Südweststaats gemacht I haben, offenbar heute nicht mehr gehalten wird, daß also auch bei der Bildung dieses Südweststaats Schwierigkeiten bereitet werden. Es ist immerhin ganz neckisch, zu erfahren, worauf man sich dabei stützt. In der Erklärung, dem Schreiben der Militärgouverneure, das der Herr Bundesinnenminister vorgelesen hat, wird von Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern gesprochen. Das Wörtchen „Baden"
— gemeint wäre damit das Land Wohllebien — hat man vergessen. Das ist ein ganz offensichtlicher Schreibfehler. Das wird nunmehr als Vorwand benutzt, um diesem Zusammenschluß von draußen Schwierigkeiten zu bereiten.
Wenn diese Schwierigkeiten überhaupt aufgetreten sind, dann sind wir Deutsche daran nicht ganz unschuldig. Herr Kollege Euler hat mit Recht darauf hingewiesen, daß 1945 kein Deutscher auf die Idee gekommen wäre, eine derartige Kette von nicht lebensfähigen Kleinstaaten links und rechts des Rheins zu gründen. Es haben sich aber leider Deutsche gefunden, die diese Kleinstaaten nachdem sie nun einmal da waren, mit aller Zähigkeit verteidigt haben. Diese an sich künstlichen Länder ohne Tradition, diese künstlichen Gebilde, die, um ein Wort unseres hochverehrten Herrn Bundespräsidenten zu wiederholen, das er während der Zeit des Parlamentarischen Rates einmal gebraucht hat, gar nicht originär — oder besser: mehr originell denn originär — sind, beweisen nunmehr eine geradezu erstaunliche Zähigkeit. Sie zeigen ein Beharrungsvermögen, für das wir kein Verständnis haben.
— Sicher nicht die Gebiete und auch nicht die Bevölkerung dieser Gebiete, aber die Regierungen und die Ministerpräsidenten.
Das Londoner Dokument Nr. 2 gab bekanntlich die Möglichkeit, deutscherseits Vorschläge zu machen, wie man sich die Neugliederung im Geltungsbereich des Grundgesetzes dachte. Man hat — „leider" muß ich sagen — nicht den Mut gehabt, diese Möglichkeit auszunutzen, und das gab den Besatzungsmächten den Vorwand, diese ganze Frage bis zum Abschluß eines Friedensvertrages hinauszuschieben.
Es ist das erste entscheidende Versagen des deutschen Neo-Föderalismus, und ich möchte nur hoffen, daß der Bund es unternimmt, die ihm danach
gestellte hochpolitische Aufgabe der Neugliederung
— von der Neugliederung hängt ja nicht nur die
Leistungs- und Lebensfähigkeit dieser Gebilde ab,
sondern auch die Verteilung der politischen Gewichte im Bundesrat — trotz dieses Vorbehalts der
Militärgouverneure einer Lösung entgegenzuführen. Diese Frage ist nicht nur eine innenpolitische,
sondern sie ist mit Rücksicht auf diesen Vorbehalt
und angesichts dieser letzten, allerdings nur telefonischen Erklärung der Hohen Kommission eine
durchaus außenpolitische, eine hochpolitische Frage.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Clausen.
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat mit dieser Vorlage eine Sache angefaßt, die für das Verhältnis der Länder zum
Bund und für die Bundesrepublik überhaupt von großer Bedeutung ist. Die bestehende Ländereinteilung ist nicht glücklich und hat auch keine Zufriedenheit gebracht. Man kann daher erwarten, daß das Interesse an diesem Gesetz in den Ländern sehr stark ist.
Bei den Verhandlungen im Parlamentarischen Rat ist man davon ausgegangen, daß dem Volk ein gewisses Initiativrecht gegeben werden muß. Aber diese Verhandlungen haben auch erkennen lassen, daß mehr zentralistisch eingestellte Vertreter bemüht gewesen sind, das Initiativrecht der Bevölkerung in weitgehendem Maße zu beschränken. Man kann heute sagen, nachdem ursprünglich bei den Verhandlungen im Parlamentarischen Rat zwei Paragraphen zur Debatte standen, aus denen der Artikel 29 des Grundgesetzes entstanden ist, daß die zentralistischen Strömungen gesiegt haben und daß das Initiativrecht -des Volkes erheblich eingeschränkt worden ist. Hierzu kommt noch, daß der Abs. 2 des Art. 29 ein Muster von Unklarheit ist, mit dem selbst — das darf man wohl sagen — zu Anfang auch Juristen nicht recht etwas anzufangen wußten. Erst das vorliegende Gesetz hat mit dem § 1 eine Klarheit des Begriffes „Gebiet" geschaffen. In der Begründung zum Gesetz ist zwar gesagt, daß der § 1 keine sachliche Entscheidung treffen will, diese Entscheidung sei schon im Grundgesetz getroffen. Der Abs. 2 des Art. 29 scheint aber doch nicht ganz klar formuliert zu sein, denn sonst würde meines Erachtens der § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs überflüssig sein. Es ist doch wohl anzunehmen, daß die Bundesregierung es für nötig gehalten hat, mit dem § 1 den Begriff „Gebiet" klarer zu bestimmen.
Nun taucht die Frage auf, ob es möglich und notwendig ist, den Begriff „Gebiet" weiter auf kleinere Gebiete auszudehnen, um der Bevolkerung der verschiedenen Gebiete ein weitergehendes Initiativrecht zu geben. Ich weise darauf hin, daß man in den Verhandlungen und in den Ausschussen des Parlamentarischen Rats geneigt gewesen ist, bis zur Größe eines Kreises herunterzugehen. Ein Antrag des Landes Hessen — wie hier schon erwähnt worden ist —, der in der Verhandlung des Bundesrats behandelt worden ist und darauf abzielt, wurde mit Stimmenmehrheit abgelehnt, mit der Begründung von der Gegenseite, daß dieser Antrag eine Änderung des Art. 29 des Grundgesetzes bedeuten würde. Ich darf aber doch darauf hinweisen, daß nach dem Bericht des Berichterstatters im Bundesrat der Rechtsausschuß des Bundesrats es nur als zweifelhaft bezeichnet hat, ob der Antrag des Landes Hessen auf Erweiterung des Begriffs „Gebiet" gegen das Grundgesetz verstößt.
Ich kann daher nicht umhin, diese Frage bei der Beratung des Gesetzentwurfs aufzuwerfen. Es sind insbesondere die ehemaligen preußischen Gebiete — wie hier schon erwähnt worden ist —, die anderen Länder zugeteilt worden sind, die hieran ein berechtigtes Interesse haben. Nach dem Gesetz können nur sämtliche ehemalig preußischen Gebiete, die dem gleichen Lande angegliedert sind, zusammen über eine Änderung der Landeszugehörigkeit abstimmen.
Herr Abgeordneter, ich darf Sie bitten, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Ich habe nur die einzige Möglichkeit - -
Ich bin an den Verteilungsschlüssel über die Redezeit gebunden. Ich habe Ihnen die Redezeit einer Gruppe zur Verfügung gestellt, mehr ist mir nicht möglich.
Nun sagt aber Art. 29 Abs. 1 des Grundgesetzes, daß bei der Neugliederung — und dazu muß doch auch die Änderung der Ländergrenzen durch Volksbegehren und Volksentscheid gerechnet werden — die landsmannschaftliche Verbundenheit und die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge gewürdigt werden sollen. Das ist ein guter Gedanke. Eine solche Gliederung bietet die beste Gewähr für eine gute bundesstaatliche Grundlage. Sorgen wir also dafür, daß diese Grundsätze verwirklicht werden und keine leeren Worte bleiben.
Eine unbestreitbare Tatsache dürfte wohl sein, daß gerade -das alte Preußen stark zentralistisch zusammengebaut war und auch zentralistisch regiert worden ist. Das alte Preußen hat nur wenig, ja an vielen Stellen des Landes überhaupt keine Rücksicht auf landsmannschaftliche Verbundenheit und geschichtliche und kulturelle Zusammenhänge genommen. Um so mehr sollte die Bundesregierung bestrebt sein, diesen Gebieten ein weitergehendes Initiativrecht, als in § 1 vorgesehen ist, zu gewähren.
Herr Abgeordneter, ich muß Sie auf das Ende der Redezeit aufmerksam machen.
Bei der Behandlung des Gesetzentwurfs — —
Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, doch der Regelung des Hauses Rechnung zu tragen und mich nicht in eine unangenehme Lage zu bringen. Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich behalte mir vor, Änderungsanträge zu dem Gesetz in den weiteren Beratungen zu stellen. Meine Wähler sind an der Gestaltung dieses Gesetzes stark interessiert. Ich möchte darauf hinweisen, daß ich nur die Möglichkeit habe, im Plenum zu dieser Frage zu sprechen, wenn nicht der Ausschuß von den Bestimmungen des § 31 der Geschäftsordnung Gebrauch macht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Leuchtgens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar, daß die 'Regierung diesen Gesetzentwurf eingebracht hat, um so mehr, als ich der Auffassung bin, daß die Neugliederung der deutschen Länder eine unbedingte Notwendigkeit ist. Wir haben elf Länder, die teilweise sich nicht selbst erhalten können, die nicht die Voraussetzungen für die Eigenstaatlichkeit mitbringen, und zwar sowohl in steuerlicher als auch in bevölkerungsmäßiger Hinsicht. Es ist deshalb zu begrüßen, daß alles unternommen wird, um die Gliederung der deutschen Länder auf eine neue Ebene zu stellen. Der vorliegende Gesetzentwurf gibt zunächst die äußeren Möglichkeiten für eine solche Neugliederung. Ich bin der Meinung, daß alles getan werden muß, um auf Grund des Art. 29 sowohl hinsichtlich der Zahl der Länder als auch ihrer Grenzen eine Neugestaltung herbeizuführen und Staaten zu schaffen, die sowohl innerlich, wirt-
schaftlich als auch bevölkerungsmäßig den Anspruch auf Staatlichkeit erheben können. Ich bin also der Meinung, daß alles getan werden muß, um das Gesetz rasch unter Dach und Fach zu bringen und dafür zu sorgen, daß wir von dem unmöglichen Zustand wegkommen, heute noch in Westdeutschland elf Länder zu haben.
Weitere Wortmelden gen liegen nicht vor. Die Beratung ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist Überweisung an den Ausschuß für innergebietliche Neuordnung als den federführenden Ausschuß und zugleich an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht beantragt. Ich bitte diejenigen, die mit dieser Regelung einverstanden sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist also so beschlossen.
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der für heute vorgesehenen Beratungsgegenstände angekommen.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestags auf kommenden Montag, vormittags 10 Uhr. Die Tagesordnung wird durch Umdruck bekanntgegeben.
Ich schließe die Sitzung.