Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst eine tatsächliche Berichtigung: der Vertreter der Kommunistischen Partei hat ausgeführt, daß sich ein Betrüger mit einem Ausweis des Flüchtlingsministeriums irgendwelche Vorteile habe verschaffen wollen. Dazu kann ich folgendes sagen.
Mein Ministerium hat überhaupt noch niemals eine Bescheinigung ausgestellt
und wird sie auch nicht ausstellen. Ich habe versucht, mich zu erkundigen, um was es sich bei diesen Dingen handelt. Es handelt sich dort auch nicht um Bescheinigungen, um Urkunden, sondern um Abschriften von drei Briefen, die der Betreffende vorgelegt hat, um Durchschläge: erstens um den Durchschlag des Briefes einer britischen Besatzungsstelle, zweitens um den Durchschlag eines Briefes einer Hamburger Firma und drittens um den Durchschlag eines Briefes einer Landesflüchtlingsverwaltung.
Mehr weiß ich nicht. Also, die Dinge sehen hier harmlos aus. Sie sind nicht unter die allgemeine Politik einzugruppieren. Jedenfalls kann ich erklären, daß seitens des Bundesministeriums niemals eine Bescheinigung ausgestellt worden ist. Das übrige sind die Ergebnisse von Gerüchten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nun lassen Sie mich allgemein Stellung nehmen. Zunächst halte ich mich für verpflichtet, ein herzliches Wort des Dankes für die Ausführungen in diesem Hohen Hause zu machen. Es geht hier nicht allein darum, daß auch die Opposition wohlmeinende Worte zu diesem Problem gefunden hat, sondern wenn das ganze Haus zu erkennen gegeben hat, daß es die Notwendigkeit anerkennt, das Flüchtlingsproblem einheitlich zu lösen, so beweist das den Grad einer nationalen Haltung und bedeutet nach außen außerordentlich viel: nicht nur den Dank gegenüber der Haltung der Heimatvertriebenen, sondern auch die Erklärung, daß die Lösung der Flüchtlingsfrage eine der Hauptfragen des deutschen Volkes überhaupt ist,
und es bedeutet weiter, daß das ganze deutsche Volk auch gegenüber der internationalen Welt hier auf diese Bedeutung aufmerksam macht.
Ich kann nur sagen, daß sich mein Ministerium alle Mühe gibt, die drei Aufgaben, die es zu erfüllen hat, auch wirklich zu erfüllen: erstens den Heimatvertriebenen das Bewußtsein zu vermitteln, daß das deutsche Volk alles tut, um dieses Leid zu mildern; zweitens gegenüber der westdeutschen Bevölkerung mit allem Nachdruck darauf hinzuweisen, daß das eine Sache der Gesellschaft, des gesamten Volkes ist, und drittens, in die Welt hineinzurufen, daß sie helfen muß, dieses Problem zu lösen.
Mein Ministerium ist ein neuartiges Ministerium, und es ist natürlich erst die Entwicklung abzuwarten, wohin es gehen soll und wie es endgültig organisiert werden muß. Der ganz große Unterschied zwischen dem Vertriebenen-Ministerium und den alten, den klassischen Ministerien besteht darin, daß wir kein Sachgebiet, sondern ein Personengebiet zu verwalten haben, und daß wir uns damit in jedes Sachgebiet und in jedes Ministerium einschneiden und immer, wie der alte Cato, darauf hinweisen müssen: Ceterum censeo, es gibt Vertriebene, und jeden Schritt, den ihr geht, habt ihr unter dem Gesichtswinkel der Vertriebenen anzusehen. Das ist nicht angenehm: denn das bedeutet natürlich auch immer Kampf, Geisteskampf, möchte ich dazu sagen.
Nun ist hier das Wort gefallen, man wünsche mir einen stärkeren Arm. Ich bin dankbar für das Wort. In Tausenden und aber Tausenden Briefen wird mir ja geschrieben: Landgraf, werde endlich hart! Schlage endlich mit der flachen Hand in die Kompottschüssel!
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einmal sehr offen meine persönliche Meinung zu diesen Dingen sagen. Ich bekenne, daß ich Angst vor einem starken Mann habe. Von dem habe ich in den letzten 16 Jahren die Nase voll bekommen. Ich habe als Kind die schöne Erzählung von der Wette zwischen der Sonne und dem Wind gehört, wer von beiden einem Wanderer die Jacke ausziehen könne.
Diese Fabel enthält sehr viel an Bedeutung. Mit Wind und Hineinschlagen bekommen Sie in einer so fürchterlich schwierigen Situation niemals einen endgültigen Erfolg. Deshalb bin ich für die Sonne Ich danke dem Redner — ich weiß nicht. wer es war —, der mir hier das Wort von der Herzenswärme bestätigt hat.
— Ich bin auch nicht für Reden, meine sehr verehrten Damen und Herren, und mir schreiben meine Heimatvertriebenen immer: Redet doch nicht, sondern handelt!
Sie haben natürlich auch in vieler Beziehung recht. Aber wenn schon einmal geredet werden muß, dann gestatten Sie mir, wirklich aus Herzenswärme das zu sagen, was mir am Herzen liegt. Die Stunde dieser gemeinsamen großen Kundgebung, als die ich die heutige Beratung über meinen Etat stolz ansehe,
läßt mir natürlich das Herz auch wärmer schlagen
und gibt mir Mut für den weiteren Kampf. Wir
werden mit der Wärme auch denjenigen, denen
das Zahlen schwer fällt, die Jacke eher ausziehen, als wenn wir sie mit Sturm angehen.
Weiter ist hier gesagt worden, daß auch Kämpfe im Kabinett stattfinden. Damit ist ganz offensichtlich der Herr Finanzminister im Verhältnis zu mir apostrophiert worden. Meine Damen und Herren, selbstverständlich hat der Herr Finanzminister die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, sich in dieser schweren Lage zunächst einmal gegen jeden Antrag zu wehren; das achte und schätze ich. Aber ich glaube, er beugt sich doch. Wer die schweren Verhandlungen der letzten Tage über die Beamtenpensionen und Wartegelder mitgemacht hat, der weiß, daß wir auch mit ihm zu neun Zehnteln zum Erfolg gekommen sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf den Antrag Drucksache Nr. 765 eingehen. Ich begrüße diesen Antrag als die Bezeugung des guten Willens, mich zu stützen und mir etwas in die Hand zu geben. Ich nehme deshalb die Dinge gern entgegen; ich nehme auch die eine Million gern entgegen, wobei ich gleichzeitig sagen muß: es ist natürlich ein Signifikativposten, bei dem ich sofort die Bitte anknüpfen muß, daß er über den 1. April hinaus übertragbar gemacht wird; denn mit einer Million, da hat Herr Kather recht, ist selbstverständlich nichts anzufangen. Aber hier ist zunächst einmal die gesetzliche Genehmigung notwendig, die der Herr Finanzminister sowieso dafür abwarten muß, und dann werden wir über die übrigen, wie ich bemerken möchte, sehr großen bürokratischen und verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten auch hinwegkommen. So fasse ich den Antrag auf und darf in diesem Sinne dafür danken. Ich weiß, daß er auch nicht parteipolitisch gemeint ist; denn das ist heute auch wieder das Große, das hier anerkannt worden ist, daß nämlich die Not der Heimatvertriebenen unter keinen Umständen irgendwie unter parteipolitischen Gesichtspunkten — von welcher Seite es auch sei — gesehen worden ist.
— Das gilt für jede der Parteien hier von ganz links bis ganz rechts. Jedenfalls habe ich die Empfindung gehabt.
Nun zu einigen sachlichen Dingen. Mein Ministerium faßt sich nicht als die Vertretung einseitiger Interessengruppen auf. Ich bin nicht Mandatar der Vertriebenen, sondern ich bin Kabinettsminister und mit dem ganzen Kabinett dafür verantwortlich, daß die deutsche Bundesrepublik aufgebaut und erhalten wird. Nur habe ich die Dinge immer unter dem Gesichtswinkel der Vertriebenen zu sehen und darauf hinzuwirken, daß jeder Beschluß des Kabinetts unter dieser Präambel geschieht. So wollen Sie meine Tätigkeit auffassen!
Daß in unserem Ministerium vornehmlich Heimatvertriebene sein müssen, liegt auf der Hand. In meinem Ministerium sind aber nicht ausschließlich Heimatvertriebene. Wir haben etwa 11 % der Stellen mit „Ureinwohnern"
besetzt. Das geschieht aus einem einfachen
Grunde: ich muß auch Leute haben, die eine intime Kenntnis von Land und Leuten hier haben,
ebenso Leute, die den ganzen Verwaltungsgang
ab ovo kennen. Ich glaube, viel mehr brauche
ich nicht dazu zu sagen. Daß wir sonst versucht
haben, die landsmannschaftlichen Interessen zu
vertreten und die Zusammensetzung möglichst
homogen und befriedigend zu gestalten, steht auf
einem andern Blatt. Es ist im übrigen eine schwere Crux, alle die sieben X, mit denen ich Beamtenstellen besetzen muß, ausreichend zu berücksichtigen.
Eins aber muß ich hier sagen: ich weiß von 90 % der Beamten meines Ministeriums nicht, welcher Partei sie angehören, ob sie katholisch oder evangelisch sind oder sonst einer Konfession angehören.
Das spielt für mich bei der Besetzung von Beamtenstellen keine entscheidende Rolle, denn dazu ist die Aufgabe, die wir haben, zu heilig.
Dem Herrn Vertreter des Zentrums darf ich meinen besten Dank sagen, daß er mich auf eine schwere Unterlassungssünde aufmerksam gemacht hat, die darin liegt, daß ich noch nicht an die Bezahlung der Überstunden gedacht habe. Ich habe wirklich noch nicht daran gedacht! Aber das kommt daher, daß unsere Leute Fanatiker sind, Fanatiker der Arbeit aus dem Bestreben heraus, den Heimatvertriebenen zu helfen; sie haben noch niemals daran gedacht, auch nur eine Überstunde zu liquidieren. Wir werden darauf achten, daß sie es jetzt tun. Wir haben ja gespart, und ich habe mein Ministerium ganz langsam aufgebaut. Als die Kritik des Bundesrats kam und' der Bundesrat die Zahl der Stellen auf 82 zusammengestrichen hatte, war ich glücklich, denn ich wäre nicht in Verlegenheit gekommen, auch wenn der Bundestag sich angeschlossen hätte. Ich hatte damals nämlich noch nicht 82 Stellen besetzt. Ich möchte überhaupt betonen, daß ich eiserne Sparsamkeit habe walten lassen und versucht habe, den Apparat klein zu halten. Wir werden in Zukunft jedoch nicht damit auskommen, aber wir bauen das alles langsam aus.
Nun zu der Frage, die hier auch angeschnitten worden ist, wie in Zukunft die Arbeit des Ministeriums aussehen wird. Der Bundesrat hatte in seiner Kritik geschrieben — ich darf es hier einmal vulgär ausdrücken —, es wäre am besten, der Bundesminister für die Angelegenheiten der Vertriebenen schaffe sich einen Gummistempel an und drücke auf jeden Eingang den Gummistempel: „Urschriftlich ergebenst zur zuständigen Erledigung an Landesflüchtlingsverwaltungen". Darüber sind wir hinaus, und zwar deshalb, weil die Tatsachen uns notwendigerweise nicht nur zu einer Koordinierung, sondern auch zu Sorgen im Einzelfalle führen. Wir werden in bezug auf die Organisation sehr prüfen müssen, inwieweit die Einrichtungen der Länder für uns, sei es als Auftragsverwaltung oder auf sonst eine Weise unterbaut werden. Diese Angelegenheit wird Gegenstand des von mir wahrscheinlich Anfang Mai vorzulegenden Vertriebenen-Rahmengesetzes sein. Das wird ein sehr umfangreiches Werk, eine Arbeit, bei der wir sehr viele heiße Eisen anfassen müssen. Wir werden eine einheitliche Regelung in bezug auf die Frage schaffen müssen, wer nun Vertriebener ist. Wir werden alle diese Dinge einmal grundsätzlich aufnehmen müssen. Wie gesagt, ich hoffe, Ihnen das Gesetz Anfang Mai vorlegen zu können. Im übrigen möchte ich hier einfügen, daß die Länder-Flüchtlingsverwaltungen mich selber darauf aufmerksam gemacht haben, sie müßten in ein engeres Verhältnis kommen.
Lassen Sie mich nun zu dem Antrag sprechen
ich glaube, es war ein Antrag der Bayernpartei —, der die Errichtung einer Flüchtlingsausgleichsabteilung erfordert, also einer Abteilung, die für einen Ausgleich der Vertriebenen sorgt, die heute massiert in den Ländern Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern sitzen und aus diesen Notstandsgebieten in weniger belegte Länder kommen sollen. Das ist eine ungewöhnlich schwere Aufgabe, und ich glaube, eine eigene Abteilung dafür brauche ich nicht. Diese Aufgabe wird aufs sorgsamste bearbeitet, und wir haben auf dem Gebiet ja schon eine Notverordnung für den Transport der 300 000 Menschen. Ich werde dem Bundesrat in allernächster Zeit erneut eine Notverordnung vorlegen, die mir ein Weisungsrecht in dem Sinne gibt, wie es gestern im Antrag der Bayernpartei gefordert wurde.
Von der Bayernpartei ist dann ein Antrag eingegangen, mein Ministerium zu erweitern, es, sagen wir, zu einem Sozialministerium auszubauen. Im Rahmen dieser Debatte kann ich dazu nicht Stellung nehmen, besonders da das Kabinett sich noch nicht damit beschäftigt hat. Man kann einmal darüber reden, wie man das macht, muß sich aber klar sein, daß es dann eben ein großes Sozialministerium würde. Dann aber würde unsere Arbeit nicht mehr unter dem Spezialgesichtspunkt stehen, das Leid der Vertriebenen zu lindern oder überhaupt eine Lösung der Probleme der Heimatvertriebenen herbeizuführen.
Es sind hier Sachgebiete angeschnitten worden, und da besonders das Gebiet des Kredits. Ich darf dazu folgendes sagen. Geschehen ist in diesem halben Jahre manches. Wir haben manches hinbringen können, und wir werden jetzt mit dem Arbeitsbeschaffungsprogramm auch noch sehr viel hinbringen. Innerhalb des letzten halben Jahres sind allein über das Hauptamt für Soforthilfe, das nicht meinem Ministerium untersteht, aber ein sehr liebes Kind von mir ist, ausgeschüttet worden 885 Millionen für Unterhaltshilfe, 265 Millionen für Hausratshilfe, dann erneut 185 Millionen für Hausratshilfe, 100 Millionen für Aufbauhilfe und 25 Millionen für Ausbildungshilfe. Das ist, zusammengerechnet, ein Betrag von beinahe eineinhalb Milliarden; bei der Not des deutschen Volkes auch ein ganz großes Wort. Das möchte ich vor allem nach außen hin besonders unterstreichen. Denn wenn man uns in der Welt immer fragt: was habt ihr denn getan? ihr müßt doch damit anfangen!, so muß man demgegenüber darauf hinweisen, daß eineinhalb Milliarden eine Summe sind, die das deutsche Volk in all seiner Armut aufgebracht hat, und daß sich darauf auch wird aufbauen lassen.
Doch nun lassen Sie mich einmal über den Hauptzweck meines Ministeriums, das Geistige, sprechen. Wir Heimatvertriebenen sind hierhergekommen, nicht, um etwas zu fordern, nicht, um der westlichen Bevölkerung etwas wegzuessen. Wir wissen, welch ungeheure Last wir darstellen. Es ist so, wie wenn der mit seinem Geschäft zu Bruch gegangene Bruder vor der Tür des andern steht und nun anklopft. Dann verstehen wir durchaus, daß der reichere Bruder besorgt seinen Kopf senkt. Es muß nur dann der Verstand bei ihm einsetzen, und er muß sich sagen, daß es billiger ist; dem zu Bruch gegangenen Bruder eine neue Existenz zu schaffen, als ihn mit Wohl-
fahrtsmitteln unterhalten zu wollen. Und wir Heimatvertriebenen sind die Träger einer ganz großen Idee. Wenn in ein Gebiet mit 38 Millionen Einwohnern noch 8 Millionen Menschen hineingepreßt werden, so heißt das, daß dieses Gebiet unter dem Siegel eines sozialen Umbruchs steht. Wir Heimatvertriebenen haben den sozialen Umbruch erlebt. Diese westdeutsche Republik kann nur erhalten werden, wenn beide Teile mit Liebe und Wärme an die Lösung dieser ungeheuren sozialen Aufgabe gehen. Nur dann bauen wir hier einen neuen Staat.
Wir Heimatvertriebenen haben natürlich die Hoffnung auf Rückkehr in unsere Heimat, und man wird uns unser Recht, heimzukehren, niemals aus dem Herzen reißen. Niemals!
Aber wir wissen, daß, wenn wir die westdeutsche Republik nicht aufbauen, der Gedanke an die Heimkehr niemals verwirklicht werden kann.
Deshalb müssen wir in erster Linie Hand anlegen und opfern und müssen uns diese Heimat hier neu aufbauen, damit wir zurückkehren können, und wir müssen leben, als ob wir niemals zurückkehren könnten. Denn wenn der Augenblick der Rückkehr kommt — und ich hoffe, er kommt —, dann gibt es keine Probleme mehr zu lösen.
Das ist meine Überzeugung, wie ich auch jedem anderen seine Überzeugung lasse.
Meine Damen und Herren, das ist das Schicksal des deutschen Volkes. Die Aufgabe der Heimatvertriebenen aber ist es, in Wärme und Herzlichkeit und in Verständigung mit der westdeutschen Bevölkerung die neue Bundesrepublik aufzubauen. Dann wird für das deutsche Volk endlich wieder eine glückliche Zeit anbrechen, und wir werden voll Stolz die Träger dieser Idee sein.