Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Ich bin wirklich über die Freudigkeit des Wortes und dieses Pathos, das Sie, Herr Dr. Ehlers, auf diesem verlorenen Posten an den Tag gelegt haben, etwas erstaunt.
Wenn ein Ministerium überflüssig ist, dann ist es das, um das wir uns eben zerreden.
— Das habe ich allerdings vor. Wenn Sie auch nur mit einer Spur dieses Pathos sich im Ausschuß für diese Geschichte eingesetzt hätten, wie Sie hier an den Tag gelegt haben, dann erklären Sie mir bitte einmal, wie es möglich war, daß man dort fast einstimmig der Auffassung war, dies Ministerium könne uns tatsächlich erspart bleiben. Sie haben doch im Ausschuß ganz offen gesagt, warum man es schaffen mußte.
- Ich war leider bei der Geschichte da!
Ich kann Ihnen beweisen, daß ich da war.
Was ist eigentlich der Ausgangspunkt dieses Ministeriums? Da war ein Minister ohne Portefeuille, geschaffen von Herrn Dr. Konrad Adenauer.
Der hat dem Herrn Minister einen Titel gegeben: Minister ohne Portefeuille. Ein Titel — beileibe aber kein Titel ohne Mittel! Denn auch ohne Portefeuille hängen sowieso 36 000 Mark daran.
Nun ist es eine unangenehme Sache, wenn man so als Minister ohne Portefeuille herumläuft. Man muß sich also nach einem Amt umsehen, und wenn man dann einen guten freundnachbarlichen Parteifreund hat,
wie es dieser Herr Minister in einem gewissen Herrn Abgeordneten seiner eigenen Partei hat, dann ist es gar nicht verwunderlich, wenn das Amt dann auch einen größeren Inhalt bekommt, wenn es sich aufbläht.
Es ist doch gar nicht zu bestreiten, daß dieses Ministerium eigentlich ein gesamtes Kabinett darstellt. Es gibt kaum ein Aufgabengebiet, für das dieser Minister sich nicht ein Ressort geschaffen hat. Das hat der Herr Kollege Bärsch sehr, sehr schlagend bewiesen.
Ich habe den Eindruck — und ich glaube, ich irre mich da nicht allzusehr —, daß da ein Stellvertreter des Herrn Ministers sitzt — das ist ja auch schon gesagt worden —, dessen Produktivität auf juristischem Gebiet wir im -Parlamentarischen Rat schon kennengelernt haben, —
— nein, mich hat sie nicht erschreckt, aber einigen von Ihren eigenen Herren war sie damals manchmal sehr unwillkommen —,
und daß dieser sehr aktive Herr sich da für seine Partei einen ganz eigenen Apparat aufbaut, der ihm erlaubt, alle Dinge, die mit dem Staatsgeschäft zusammenhängen, in die eigene Hand zu nehmen und alle Ministerien zu durchleuchten.
Dieser Parteimann, dieser Abgeordnete leuchtet also mittels seines Ministers und Parteigenossen von hinten in alle Ministerien hinein.
— Ich habe das nicht wörtlich gemeint!
Aber kommen wir zum Thema zurück. Es ist doch auch von Ihnen, meine Herren von der sogenannten Mehrheit, im Ausschuß ganz offen zugegeben worden, daß die Belange der Koalition bzw. die Notwendigkeit der Erhaltung der Koalition es begreiflich machen, daß man gelegentlich auch einmal einem Minister ein Amt gibt, wenn er schon da ist und wenn man ihn schon einmal bezahlen muß.
Aber nun zur Sache selber. Wie sehr Sie befürchtet haben, daß sich dieses Ministerium in der Zukunft aufblähen könnte, kam darin zum Ausdruck, daß Sie den Staatssekretär für den Augenblick gestrichen haben. Aber ein kleines Hintertürchen haben Sie offen gelassen: die Sekretärin für den Staatssekretär, die ist da.
Sie haben die Gefährlichkeit einer derartig kleinen, minimalen Position so sehr gut begriffen, daß Sie sagten: das soll aber kein Präjudiz sein, daß sich hinter diesem Sekretärchen nachher der Herr Staatssekretär in den Bau einschleichen kann. Anders ist es doch gar nicht zu erklären, daß Sie in Ihrem Beschluß diesen Zusatz ausdrücklich ausgesprochen haben, wie ich ihn vorgetragen habe.
Aber nun zu einer sehr ernsten Seite der Geschichte. Da sitzt als Stellvertreter des Ministers ein Bundestagsabgeordneter. Was ist das nun eigentlich? Ist das der politische Staatssekretär? Wem ist dieser Abgeordnete verantwortlich,
der eine Beamtenfunktion ausübt, der also in der Lage ist, den Beamten des Ministeriums Anweisungen zu geben, selbst wenn der Herr Minister sie unterschreiben muß? Was ist das eigentlich für eine Rechtslage, für eine Verfassungslage? Der Abgeordnete übt also Exekutivtätigkeit aus. Als wir Kommunisten seinerzeit im Parlamentarischen Rat den Standpunkt vertreten haben, daß Exekutive und Legislative in die Hand des Bundestags gelegt werden müssen, haben Sie alle gesagt: unmöglich, man muß die Dreiteilung der Gewalten aufrechterhalten.
Hier haben wir zumindest einen Versuch, dieses Prinzip in etwa zu unterhöhlen.
Daß das zu Parteizwecken ausgenutzt werden kann
— das nur so an der Seite —, daran ändert doch
auch der Umstand nichts, daß diese Arbeit ehrenamtlich geleistet wird.
— Hier geht es ja nicht um den Minister, sondern hier geht es um den Staatssekretär, dem Sie ausdrücklich den Charakter eines Beamten aufgedrückt haben. Hier hat einer die Funktion des Staatssekretärs und ist nicht ein Beamter, sondern ist Abgeordneter. Mit Recht hat der Kollege Bärsch die Frage aufgeworfen: woran wollen Sie sich bei diesem Mann halten? Als Abgeordneten können Sie ihn nicht herankriegen; als Beamten können Sie ihn auch nicht herankriegen. Wer ist nun für die Arbeit im Ministerium verantwortlich, die dieser Staatssekretär-Ersatz leistet? Die Sache ist doch viel zu ernst, als daß man mit Lachen daran vorbeigehen kann. Oder billigen Sie, daß sich dort eine Partei eine Domäne geschaffen hat, die es ihr ermöglicht — ich sage es noch einmal —, sämtliche Ministerien dadurch zu durchleuchten, daß sie die Akten anfordert?
— Wieso ist das zu hoch?
Da ist zum Beispiel im Etat eine sehr schlecht dotierte Stenotypistin. Begründung: die macht den Sprachendienst. Ich frage im Ausschuß: Sprachendienst und dann so schlecht dotiert? Entweder macht sie den Sprachendienst schlecht, dann ist sie überflüssig; oder sie macht ihn gut, dann müssen wir sie höher dotieren. Da hat der Stellvertreter des Ministers zu mir gesagt: die arbeitet aus Liebe zur Sache.
Ich habe mich gefreut, daß der Herr Dr. Adenauer in seinem Staat mindestens eine Angestellte hat, die aus lauter Liebe zu dem Dr.-Adenauer-Staat arbeitet.
Aber ich habe einen zweiten Gedanken gehabt. Wo kommen wir hin, wenn alle Herren Minister
— das tun sie nicht, die Gefahr besteht nicht —
sich mit einem Stab von Stenotypistinnen entourieren, die nun alle aus Liebe zur Sache arbeiten? Da kommen die Angestellten, die diese Opferfreudigkeit nicht aufbringen, unter den Schlitten.
Das wirkt sich für die andern mindestens als eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen aus und drückt auf die Tarifgehälter. Wer aus Liebe zur Sache arbeitet, stellt j a keine Gehaltsansprüche. Das scheint der Idealzustand zu sein, den der Herr Minister für sein Ministerium ersehnt: ehrenamtlicher Staatssekretär-Ersatz,
eine Stenotypistin, die aus Liebe zur Sache arbeitet! Wollen wir nicht dem Herrn Minister zumuten, auch aus Liebe zur Sache — seine 36 000 Mark hätte er ja sowieso — das Ministerium preiszugeben?
Wollen wir nicht sagen, er soll diese Arbeit einer Abteilung der Bundeskanzlei überlassen? Das, was dort gemacht werden muß, macht uns doch ein Regierungsamtmann. Wollen wir ihm nicht zumuten, daß er die Arbeit einem Regierungsamtmann er Bundeskanzlei übergibt? Wagen Sie, mir zu sagen, daß ein Beamter in diesem Rang, in dieser Stellung nicht in der Lage wäre, das zu machen? Das macht uns ein mittlerer Beamter. Dazu brauchen wir kein Ministerium mit sieben Spitzenbeamten, das uns in einem halben Jahr mehr als eine halbe Million Mark gekostet hat. Bleiben wir einmal ernst! Hier ist der Minister ohne Portefeuille, geschaffen von Dr. Adenauer, ein Titel, aber nicht ohne Mittel, ein Titel, der einen Inhalt bekommen soll; also schaffen wir ein Ministerium und werfen den 36 000 M. dann auch noch 220 000 Mark pro halbes Jahr nach. Immer nobel!
Das ist die Situation, und nun, bitte, verantworten Sie von der Mehrheit vor dem Volke diese Situation und diese Tatsache, daß aus reinen Gründen der Sicherung dieser Koalition, die auf einem Auge steht — halt, die heute auf zwei Augen steht, auf den Augen des Herrn Hedler —, eine Viertelmillion pro halbes Jahr hinausgeworfen wird.