Rede von
Dr.
Wilhelm
Nowack
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte noch einige Worte zu dem Antrag der DP-Fraktion Drucksache Nr. 765 sagen. Dieser Antrag überrascht an sich hier; denn er behandelt eine Frage, die zu dem gesamten Komplex des Art. 131 des Grundgesetzes gehört.
Dieser Antrag schlägt nur eine Teillösung vor und zerfällt in zwei an sich völlig verschiedene Teile: einmal in einen Antrag auf eine Soforthilfe in Höhe von einer Million Mark — diesem ersten Punkt des Antrags wird meine Fraktion zustimmen —, zum andern in einen zweiten Teil, von dem ich glaube, daß wir ihn im Rahmen dieser Auseinandersetzung nicht behandeln können. Denn wir würden damit nur eine Teillösung herbeiführen und nicht das gesamte Problem des Art. 131 behandeln. Zu dem Komplex des Art. 131 gehören nicht nur die verdrängten Beamten, sondern auch die Beamten, deren Dienststellen untergegangen sind, gehören auch die Wehrmachtsangehörigen sowie die entnazifizierten Beamten und nicht zuletzt auch diejenigen Beamten, die nach 1933 durch die Nationalsozialisten aus dem Dienst entfernt und geschädigt worden sind. Alle diese Gruppen gehören in diese Kategorie hinein.
Ich sagte vorhin, wie sehr es an sich überrascht, daß 'ein solcher Antrag an dieser Stelle auftaucht. Es ist überraschend, weil man bei der Behandlung des Etats des Flüchtlingsministeriums nicht erwartet, daß eine beamtenrechtliche Frage aufgeworfen wird. Auf der anderen Seite ist es aber zu verstehen, daß ein solcher Antrag kommt; denn wir müssen mit Bedauern feststellen, daß wir von der Regierung bis heute nicht eine einzige Vorlage zur Ausführung des Art. 131 des Grundgesetzes bekommen haben.
Meine Damen und Herren, dadurch ist — nicht nur in der Öffentlichkeit — der Eindruck entstanden, daß hier eine Verschleppungstaktik getrieben wird. Das ist eine sehr gefährliche Angelegenheit. Die Älteren aus diesen betroffenen Kreisen schreiben uns Briefe, in denen immer wieder gefragt wird, ob man es durch eine weitere Verzögerung der Gesetzgebung dahin bringen wolle, daß ein größerer Teil der Anspruchberechtigten allmählich ausstirbt.
Der Art. 131 macht eine schnelle Regelung deswegen notwendig, weil er in einem seiner Absätze bestimmt, daß die betroffenen Kreise keine rechtliche Möglichkeit haben, ihre Forderungen einzuklagen; diese Klagbarkeit ist ausgesetzt worden. Eine solche Aussetzung ist im Rahmen des Grundgesetzes nur tragbar und auch nur verständlich, wenn die Gesetzgebung zu Art. 131 schnell erfolgt. Ist das aber nicht der Fall, erfolgt diese Gesetzgebung nicht mit der notwendigen Beschleunigung, dann entsteht für diese betroffenen Personenkreise eine Rechtsminderung und damit ein verfassungswidriger Zustand.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben von der Regierung nicht nur keine Vorlage zu dem Artikel 131, sondern bisher auch keine Zahlen dazu bekommen. Man erklärt uns hierzu im Innenministerium, daß die Zahlen noch nicht vorhanden seien. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, daß in einem Teil der Presse — ich habe erst vor einigen Tagen im „Münchner Merkur" zum Beispiel sämtliche Zahlen aus dem Lande Bayern gelesen — bereits Zahlen veröffentlicht worden sind. Ich glaube, wir sollten die Regierung mit allem Nachdruck darauf aufmerksam machen, daß eine weitere Hinausschiebung der Vorlagen für die Gesetzgebung zu Art. 131 nicht möglich ist und politische und soziale Gefahren von größtem Ausmaße in sich birgt. Wir selbst haben mit unserem Antrag Nr. 668 einen positiven Vorschlag gemacht, der eine Interimslösung für alle Betroffenen vorsah, der aber, obwohl er am 3. März eingereicht wurde, erstaunlicherweise bis heute dem Hause noch nicht vorgelegt wurde.
Ich glaube, wir sollten den Antrag der DP nicht nur dem Ausschuß für Heimatvertriebene, sondern auch dem Ausschuß für Beamtenrecht überweisen, der für diese Dinge federführend ist. Wir sollten auch die Gelegenheit wahrnehmen, die Regierung allen Ernstes zu bitten, dieser Frage die größte Aufmerksamkeit zu schenken.