Meine Damen und Herren! Über den Antrag meiner Fraktion, den Haushaltsplan dieses Ministeriums zu streichen, hat das Haus bereits bei der zweiten Lesung des Haushaltsgesetzes entschieden. Es ist gewiß ein ungewöhnlicher Vorgang. Denn schließlich kann man über die Frage, ob ein Ministerium bestehen soll oder nicht, nicht schon entscheiden, bevor der Haushaltsplan, der Einzelplan des Ministeriums, zur Behandlung gekommen ist. Ebenso ungewöhnlich ist es meines Erachtens auch, daß man vor der Beratung der Einzelpläne zunächst einmal das Haushaltsgesetz in zweiter Lesung beraten hat. Denn Form und Inhalt des Haushaltsgesetzes richten sich doch zu einem großen Teil danach, was in den Einzelplänen festgesetzt wird. Aber schließlich muß man ja in diesem Hause auf alles gefaßt sein.
Und es würde sich vielleicht empfehlen, über die Eingangstür das Wort zu schreiben: „Die ihr hier einzieht, verlernt zunächst das Wundern!"
Wir hatten den Antrag auf Streichung dieses Ministeriums aus drei Gründen gestellt. Zunächst einmal aus Gründen der Sparsamkeit. Ich brauche im einzelnen nicht auszuführen, daß es selbstverständlich aufwändiger ist, wenn für eine Aufgabe eine besondere Behörde eingerichtet wird, ais wenn man diese Aufgaben durch andere Behörden, die bereits bestehen, miterledigen läßt. Wir haben aber im Laufe der letzten Wochen gesehen, daß gerade durch die Struktur der Ministerien die Gefahr besteht, daß an einem der empfindlichsten Punkte der deutschen Politik leicht Störungen entstehen. Als ich im Haushaltsausschuß feststellte, daß sich in diesem Kabinett drei Ministerien mit der Außenpolitik beschäftigen — zunächst die Bundeskanzlei, dann das ERP-Ministerium und außerdem noch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen — wurde mir aus den Reihen der Regierungsparteien freundlicherweise zugerufen, daß ich dabei das Wirtschaftsministerium noch vergessen hätte. Das wären also glücklich vier Ministerien! Aber die Außenpolitik ist ja bei unserer schwierigen Lage nun einmal der empfindlichste Punkt, und wir haben gerade durch das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen in der Saarangelegenheit erlebt, wie leicht hier Störungen auftreten können.
Als im Haushaltsausschuß die Streichung des gesamten Ministeriums abgelehnt wurde, haben wir, um solche Störungen für die Zukunft auszuschalten, dann den Antrag gestellt, wenigstens die Abteilung III dieses Ministeriums zu streichen. Unter dem Eindruck der Panne, die gerade passiert war, fanden wir auch bei der ersten Lesung eine Mehrheit. Aber zwischen der zweiten und dritten Lesung hat dann der Herr Bundeskanzler offenbar eine Ausrichtung seiner Mannschaft — ach, Verzeihung, ich wollte natürlich sagen: Fraktion — vorgenommen, und bei der zweiten Lesung wurde dann im Haushaltsausschuß diese Abteilung III wiederhergestellt.
Wir werden deshalb heute wieder den Antrag stellen, daß diese Abteilung III des Ministeriums gestrichen wird.
Meine Damen und Herren! Auf die Zwischenrufe darf ich bemerken: es hat gar nichts damit zu tun, ob das Ministerium Kaiser in diesem Falle in der Saarfrage eine Haltung vertreten hat, wie sie auch von uns vertreten wurde, sondern es handelt sich hier lediglich um die Tatsache, daß durch dieses Eingreifen oder durch die Panne, die dabei passiert ist, eben doch die wichtigen Fragen der deutschen Außenpolitik einer gewissen Störung unterworfen waren.
Das Ministerium besteht jetzt seit sechs Monaten. Wir haben bisher nicht feststellen können, daß es eine Aufgabe, die ihm übertragen ist, besser gelöst hätte als andere Ministerien, die sie hätten miterledigen können. Eine der wichtigsten Aufgaben, die das Ministerium hat, ist ja die Frage Berlin. Ich weiß, daß vielleicht in der Debatte darauf hingewiesen werden wird: in Berlin würde die Streichung dieses Ministeriums einen sehr schlechten Eindruck machen. Aber die sozialdemokratische Fraktion braucht sich in Berlin und in der Ostzone nicht mehr dafür zu legitimieren, daß sie ihren Kampf um Berlin und um die Ostzone führt. Das ist doch bekannt genug, und man wird wissen, daß unser Antrag aus sachlichen Notwendigkeiten heraus gestellt worden ist.
Aber gerade in dieser Frage Berlin hat das Ministerium in der wichtigsten Aufgabe versagt. Sie wissen, daß wir bei den ersten Entschließungen, die wir im Bundestag gefaßt ' haben, die Forderung aufgestellt haben, daß Bundesbehörden nach Berlin verlegt werden. Die Regierung selbst hat ihrerseits gewisse Erklärungen und Zusicherungen nach der Richtung hin abgegeben. Aber bereits in der zweiten Sitzung des Berlin-Ausschusses — glaube ich, war es — hat Herr Thedieck dargelegt, wie außerordentlich stark die Widerstände gegen die Verlegung von Behörden innerhalb der Behörden selbst seien. Die Einwände dagegen häuften sich zu Bergen. Ich habe darauf erwidert, daß es unbedingt notwendig sei, diesen Knoten zu durchhauen. Aber das ist dem Ministerium für gesamtdeutsche Fragen bis zum heutigen Tag offenbar nicht gelungen.
Es werden zwei Gründe gegen die Verlegung der Bundesbehörden nach Berlin angeführt. Zunächst einmal wird auf die bestehenden Verkehrsschwierigkeiten hingewiesen. Im Berlin-Ausschuß sind genügend Hinweise gemacht worden, wie diese Schwierigkeiten behoben werden können. Zweitens weist man darauf hin, daß in Berlin die notwendige Sicherheit vielleicht nicht gegeben sei. Ich möchte hier mit aller Deutlichkeit gegenüber den Beamten, die vielleicht eine gewisse Furcht beschleicht, wenn sie daran denken, daß sie demnächst in Berlin tätig sein könnten, eines sagen: Wer sich fürchtet, in Berlin als Beamter tätig zu sein, sollte sich hüten, im
Westen Deutschlands eine Beamtenstelle anzunehmen.
Denn die Auffassung, daß hier im Westen eine größere Sicherheit bestehe als in Berlin, ist doch letzten Endes nicht viel mehr als eine optische Täuschung. Das Schicksal Berlins wird auch das Schicksal Westdeutschlands sein. Darüber sollte an keiner Stelle irgendein Zweifel bestehen.
Wir haben aus der Presse ersehen, daß der Herr Bundeskanzler nach Ostern der Stadt Berlin einen Besuch machen will. Wir begrüßen das, wenn wir auf der andern Seite auch unser Bedauern zum Ausdruck bringen müssen, daß der Herr Bundeskanzler erst nach Berlin kommt, nachdem zwei Außenminister auswärtiger Staaten in Berlin gewesen sind. Wir sind der Auffassung, der Herr Bundeskanzler hätte sich den Vortritt bei dem Besuch Berlins nicht nehmen lassen sollen. Dieser Besuch wird gewiß seine großen psychologischen Wirkungen haben. Aber mit psychologischen Wirkungen allein kommt man im politischen Leben nicht weiter. Wir haben den Eindruck, daß man allzuoft in den letzten Monaten Politik unter dem Gesichtspunkt der psychologischen Wirkungen gemacht hat, so wie wir das etwa vorhin erlebt haben, als Herr Kollege von Campe seinen Antrag stellte, die eine Million Mark zur Verfügung zu stellen. Mit einem solchen Beschluß werden gewiß sehr starke Hoffnungen auf allen Seiten erweckt. Aber die Enttäuschung, die hinterher kommen muß, wird dann entsprechend größer sein. Wir möchten also, daß der Besuch des Herrn Bundeskanzlers in Berlin nicht nur psychologische Wirkungen hat, sondern daß der Herrn Bundeskanzler den Berlinern bei seinem Besuch einmal ganz klar und deutlich ein Programm der Bundesregierung für die Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin entwickelt.
Unter der Verlegung von Bundesbehörden nach Berlin verstehen wir dabei nicht nur, daß dort gewisse Zweigstellen errichtet werden, sondern eine durchgreifende Wirkung kann eine solche Aktion nur dann haben, wenn man wirklich die Behörden vollständig nach Berlin verlegt und damit klar und eindeutig zum Ausdruck bringt, daß für die deutsche Bundesrepublik Berlin immer noch die Hauptstadt ist.
Ich weiß, daß hier die Schwierigkeiten noch sehr groß sind. Ich weiß auch, daß der Herr Minister Kaiser sich hingebend bemüht hat, einen Erfolg zu erreichen. Ich kann im Augenblick nicht untersuchen und auch nicht feststellen, wo die größten Widerstände gegen die Verlegung der Bundesbehörden liegen, ob es bei den Beamten der betreffenden Behörden selbst der Fall ist oder ob vielleicht innerhalb des Kabinetts aus gewissen politischen Konzeptionen heraus auch sehr starke Widerstände bestehen. Der Herr Kollege Kather war ja vorhin so freundlich, uns einige Intimitäten aus dem Kabinett hinsichtlich der Flüchtlingsfragen zu erzählen. Vielleicht findet sich in der anschließenden Debatte auch jemand, der zur Ehre des Herrn Minister Kaiser uns auch einmal einige Intimitäten über die Berlin-Frage aus dem Kabinett erzählt.
Wenn ein Ministerium eine so außerordentlich wichtige Aufgabe hat und es ihm nicht gelungen ist, innerhalb von sechs Monaten in dieser Frage ein erhebliches Stück weiterzukommen, dann, glaube ich, hat dieses Ministerium damit nicht den Beweis erbracht, daß seine Existenz unbedingt erforderlich ist. Ich glaube, auch für Herrn Minister Kaiser müßte diese Frage von so entscheidender Bedeutung sein, daß er sehr ernstlich überlegen müßte, welche Konsequenzen sich für ihn ergeben würden, wenn die Widerstände innerhalb des Kabinetts nicht zu überwinden sind.
Wir haben ja aus der Ahnung dieser Verhältnisse vor einigen Wochen hier im Bundestag den Antrag gestellt, der Bundestag möge beschließen, bestimmte Behörden nach Berlin zu verlegen. Die Angelegenheit ruht augenblicklich im BerlinAusschuß. Ich sage ausdrücklich: sie ruht dort. Denn auch dort gewinnt man jetzt den Eindruck, daß man bestrebt ist, durch unendliche Befragungen und Verhandlungen eine Verzögerung der Entscheidung herbeizuführen. Wir werden zunächst versuchen, im Berlin-Ausschuß die Dinge zu bereinigen. Sollte das nicht gelingen, dann werden wir eine andere Gelegenheit suchen, um den Bundestag zu zwingen, jetzt klar und deutlich zu sagen, ob er aus seinem Bekenntnis zu Berlin auch die Folgerung ziehen will, nämlich der zögernden Bundesregierung einen Auftrag zu geben, bestimmte Behörden nach Berlin zu verlegen.
Wir wissen natürlich, daß nicht alle Aufgaben des Ministeriums abgebaut werden können oder überflüssig sind. Sie müssen den anderen Ministerien übertragen werden. Wir haben das in unserem Antrag zum Ausdruck gebracht. Aber wenn der größte Teil dieser Aufgaben an das Innenministerium geht, dann wird dadurch — davon sind wir überzeugt — um so stärker gegenüber dem deutschen Volk und der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebracht, daß diese Bundesregierung und dieser Bundestag nur ein Ziel haben, nämlich möglichst bald die Einheit Deutschlands wiederherzustellen.