Rede von
Hermann
Clausen
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat mit dieser Vorlage eine Sache angefaßt, die für das Verhältnis der Länder zum
Bund und für die Bundesrepublik überhaupt von großer Bedeutung ist. Die bestehende Ländereinteilung ist nicht glücklich und hat auch keine Zufriedenheit gebracht. Man kann daher erwarten, daß das Interesse an diesem Gesetz in den Ländern sehr stark ist.
Bei den Verhandlungen im Parlamentarischen Rat ist man davon ausgegangen, daß dem Volk ein gewisses Initiativrecht gegeben werden muß. Aber diese Verhandlungen haben auch erkennen lassen, daß mehr zentralistisch eingestellte Vertreter bemüht gewesen sind, das Initiativrecht der Bevölkerung in weitgehendem Maße zu beschränken. Man kann heute sagen, nachdem ursprünglich bei den Verhandlungen im Parlamentarischen Rat zwei Paragraphen zur Debatte standen, aus denen der Artikel 29 des Grundgesetzes entstanden ist, daß die zentralistischen Strömungen gesiegt haben und daß das Initiativrecht -des Volkes erheblich eingeschränkt worden ist. Hierzu kommt noch, daß der Abs. 2 des Art. 29 ein Muster von Unklarheit ist, mit dem selbst — das darf man wohl sagen — zu Anfang auch Juristen nicht recht etwas anzufangen wußten. Erst das vorliegende Gesetz hat mit dem § 1 eine Klarheit des Begriffes „Gebiet" geschaffen. In der Begründung zum Gesetz ist zwar gesagt, daß der § 1 keine sachliche Entscheidung treffen will, diese Entscheidung sei schon im Grundgesetz getroffen. Der Abs. 2 des Art. 29 scheint aber doch nicht ganz klar formuliert zu sein, denn sonst würde meines Erachtens der § 1 des vorliegenden Gesetzentwurfs überflüssig sein. Es ist doch wohl anzunehmen, daß die Bundesregierung es für nötig gehalten hat, mit dem § 1 den Begriff „Gebiet" klarer zu bestimmen.
Nun taucht die Frage auf, ob es möglich und notwendig ist, den Begriff „Gebiet" weiter auf kleinere Gebiete auszudehnen, um der Bevolkerung der verschiedenen Gebiete ein weitergehendes Initiativrecht zu geben. Ich weise darauf hin, daß man in den Verhandlungen und in den Ausschussen des Parlamentarischen Rats geneigt gewesen ist, bis zur Größe eines Kreises herunterzugehen. Ein Antrag des Landes Hessen — wie hier schon erwähnt worden ist —, der in der Verhandlung des Bundesrats behandelt worden ist und darauf abzielt, wurde mit Stimmenmehrheit abgelehnt, mit der Begründung von der Gegenseite, daß dieser Antrag eine Änderung des Art. 29 des Grundgesetzes bedeuten würde. Ich darf aber doch darauf hinweisen, daß nach dem Bericht des Berichterstatters im Bundesrat der Rechtsausschuß des Bundesrats es nur als zweifelhaft bezeichnet hat, ob der Antrag des Landes Hessen auf Erweiterung des Begriffs „Gebiet" gegen das Grundgesetz verstößt.
Ich kann daher nicht umhin, diese Frage bei der Beratung des Gesetzentwurfs aufzuwerfen. Es sind insbesondere die ehemaligen preußischen Gebiete — wie hier schon erwähnt worden ist —, die anderen Länder zugeteilt worden sind, die hieran ein berechtigtes Interesse haben. Nach dem Gesetz können nur sämtliche ehemalig preußischen Gebiete, die dem gleichen Lande angegliedert sind, zusammen über eine Änderung der Landeszugehörigkeit abstimmen.