Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die einzelnen Ministerien anschaut und auf Herz und Nieren prüft, wie das bei den Etatberatungen der Fall ist, dann wird man ohne Zweifel zu der Überzeugung gelangen müssen, daß das hier zur Rede stehende Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats am stärksten und am ausgeprägtesten die Spuren seiner schweren und unglücklichen Geburt zeigt. Dieses Ministerium ist von der Regierung offensichtlich aus Koalitionsnotwendigkeiten geschaffen worden, und wir haben vom ersten Tage an keinen Zweifel darüber gelassen, daß wir dieses Ministerium sachlich als unzweckmäßig und politisch als nicht notwendig ansehen.
Es gibt für dieses Ministerium in unserer deutschen Geschichte keinen Vorläufer, und es wird auch sehr schwer fallen, in der Geschichte der anderen europäischen Völker einen Analogiefall zu finden, es sei denn, daß man sich den schlechten Scherz erlaubt und das britische CommonwealthMinisterium als Analogiefall heranzieht. Wollen wir doch ehrlich sein, meine Damen und Herren: Wann ist dieses Ministerium seit der Regierungsbildung vor dem Parlament politisch in Erscheinung getreten? Wir müssen doch offen und ehrlich zugeben, daß es eigentlich nur ein einziges Mal im Jahre politisch in Erscheinung tritt, und das ist bei der Beratung seines Etats.
Es ist allerdings sehr die Frage, ob es sich ein Volk in unserer Armut leisten kann
— ich komme darauf gleich zu sprechen —, auch bei gewissen Notwendigkeiten, die sich bei Koalitionsregierungen ergeben, einen solchen Preis zu zahlen.
Wir glauben absolut nicht, wie es hier der Vertreter der Bayernpartei sehr akzentuiert dargestellt hat, daß die Entscheidung für oder gegen dieses Ministerium gleichzeitig eine Entscheidung pro oder contra Föderalismus sei.
Im Gegenteil, wir sind der Meinung, daß es sich hier nicht um ein echtes Attribut des Föderalismus handelt, sondern daß sich gerade in der Schaffung dieses Ministeriums eine außerordentliche Fehlinterpretation der föderalistischen Idee darstellt.
Wir sind der Meinung, daß der Föderalismus auf keinen Fall allein oder auch nur in erster Linie mit organisatorischen Mitteln realisiert werden kann, sondern daß es vielmehr darauf ankommt, die föderalistischen Prinzipien und den förderativen Charakter unseres Grundgesetzes mit Hilfe einer praktischen Regierungspolitik zu verwirklichen.
Da sind uns allerdings in der letzten Zeit angesichts der Regierungspraxis des Herrn Bundeskanzlers und seines Kabinetts nicht unerhebliche Zweifel gekommen. Es scheint uns schwerlich mit dem föderativen Charakter der Bundesrepublik vereinbar zu sein, wenn von seiten des Herrn Bundeskanzlers der Versuch unternommen wird, auf die Regierungsbildung in den einzelnen Ländern einen mehr oder weniger direkten und starken Einfluß auszuüben.
Es dürfte doch wohl eine der Grundmaximen
des Föderalismus sein, daß man den einzelnen
Gliedern die Chance läßt, in einem bestimmten
Rahmen sich nach eigenen Richtlinien zu entwickeln.
Wir haben diese Einmischung bei der Kabinettsbildung von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bzw. bei dem Versuch erlebt, die jetzt bestehende Koalition zu zerstören. Wir haben auch in Bremen den Versuch des Herrn Vizekanzlers erlebt, giftige Pfeile auf das Bündnis der Arbeiterschaft mit der Kaufmannschaft in der Regierungskoalition abzuschießen, allerdings in Verkennung der Tatsache, daß es sich bei der Bremer Partei um eine Partei handelt, die sehr stark von Elementen echten und liberalen Kaufmannsgeistes getragen wird. Deshalb mußten diese Versuche zum Scheitern verurteilt sein.
Wir wollen uns doch auch einmal überlegen, was geschähe, wenn dieses Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats tatsächlich den Versuch machte, sich zwischen die Bundesregierung oder einzelne Bundesministerien einerseits und den Bundesrat bzw. die Länderregierungen andererseits einzuschalten. Das könnte doch zwangläufig nichts anderes zur Folge haben als die beständige Herbeiführung von Kompetenzkonflikten. Wir können uns kaum vorstellen, daß politische und auch sachliche Probleme, die zwischen den Bundes- und Länderinstanzen auftreten, von einem solchen Ministerium gelöst werden können.
Wir sehen in diesem Ministerium etwas ganz anderes. Wir sehen darin viel weniger ein Attribut des Föderalismus als vielmehr den Idealtyp einer Genesis der Bürokratie.
Hier handelt es sich um die Schaffung einer fiktiven Aufgabe, und um diese fiktive Aufgabe herum wird ein Apparat aufgebaut,
der im Augenblick zwar dank der Haltung der Mehrheit der Mitglieder des Haushaltsausschusses noch nicht allzu stark angewachsen ist, der aber ganz gewiß dieselben immanenten Kräfte besitzen wird, die bislang jede Bürokratie gekennzeichnet haben, nämlich sich von sich aus auszuweiten.
Wenn der deutsche Steuerzahler in diesem halben Jahr für diesen Apparat die Kleinigkeit von einer Viertelmillion DM aufzubringen hatte, dann sind wir davon überzeugt, daß, wenn es -nicht gelingt, diese Mißgeburt — will ich einmal sagen — jetzt zu beseitigen, in Zukunft der Steuerzahler das Doppelte und Dreifache dafür wird aufwenden müssen.
Der Beweis der Unnötigkeit und auch der sachlichen Unzulanglichkeit des Ministeriums wird noch augenfälliger, wenn wir uns einmal die Muhe machen, den Aufbau und die Struktur des Ministeriums näher zu untersuchen. Das Ministerium besteht aus insgesamt 7 Beamten des höheren Dienstes, ohne mittlere und untere Beamte, aus 19 Angestellten und 8 Arbeitern. Es gliedert sich in zwei Abteilungen, nämlich- in eine politische und eine Rechtsabteilung. Wenn wir uns einmal die Aufs gaben, die dieser politischen Abteilung zugewiesen sind, näher ansehen, dann müssen wir feststellen, daß diese Abteilung eigentlich nichts anderes als ein einziges System der gegenseitigen Stellvertretung ist. Oben an der Spitze steht der Minister, dann kommt der Staatssekretär, der vom Haushaltsausschuß gestrichen worden ist, aber in Anträgen wieder gefordert worden ist. Dann kommt der Leiter der politischen Abteilung, ein Ministerialrat, der der allgemeine Vertreter des Ministers in der internen Leitung des Ministeriums ist und ferner die Vertretung des Ministers und des Staatssekretärs im Verkehr mit dem Bundesrat, dem Bundestag, den Länderregierungen, den Ländervertretungen und den Dienststellen der Besatzungsmacht hat. Dann kam ein weiterer stellvertretender Abteilungsleiter, ein Oberregierungsrat, bei dem allerdings von seiten der Regierung das Wohlwollen selbst der Vertreter der Regierungsparteien im Haushaltsausschuß überfordert worden und der deshalb dem roten Bleistift zum Opfer gefallen ist. Dieser Mann war der ständige Vertreter des leitenden Beamten der politischen Abteilung und hatte als einzige wirklich sachliche Aufgabe das Personalreferat. Er war Personalreferent für den höheren Dienst im Ministerium, d. h. also für ganze 7 Beamte, er selber dabei eingeschlossen.
Die zweite Abteilung, die Rechtsabteilung, untersteht einem Regierungsdirektor als Leiter. Wenn wir den Kompetenzkalender dieser Abteilung näher nachprüfen und dann die Organisations- und Stellenpläne der übrigen Ministerien vergleichend heranziehen, dann werden wir feststellen, daß von diesem Kompetenzkalender praktisch nichts mehr übrigbleibt. Der Leiter und Regierungsdirektor hat sich mit der Begutachtung von Gesetzentwürfen und Gesetzesvorlagen der verfassungsmäßig hierzu bestimmten Organe, der Bundesregierung, des Bundesrats und der Abgeordneten des Bundestags, zu befassen. Wir glauben, daß das doch wohl in erster Linie die Aufgabe des Justizministeriums als des Justitiars der Bundesregierung und zum zweiten die Aufgabe des Innenministeriums zu sein hat. Wir glauben auch, daß die Besetzung der Rechtsabteilung des Ministers für Angelegenheiten des Bundesrats in keiner Weise ausreichend ist, um eine ernsthafte Prüfung und Begutachtung dieser Vorlagen vorzunehmen. Was zweitens die Beobachtung der Rechtsentwicklung angeht, so haben wir auch dafür im Innenministerium, im Referat I A 1, eine entsprechende Stelle.
Die Rechtsabteilung ist weiter mit zwei Regierungsräten besetzt. Diese Abteilung hat die Aufgabe der Beobachtung der Gesetzgebung des Bundes und der Länder sowie der Begutachtung und des Entwurfs von Staatsvertragen, internationalen Vertragen und Länderverträgen mit auswärtigen Staaten. Auch hier finden wir wieder im Innenministerium in der Abteilung Verfassungs- und Staatsrecht die zuständige Stelle. Wir haben im Justizministerium ein eigenes Referat für Völkerrecht, das wir für diese Fälle der Begutachtung und des Entwurfs internationaler Vertrage für kompetenter halten als gerade das Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats. Wir finden weiterhin unter den Kompetenzen der Abteilung „Verordnungen mit Gesetzeskraft in Angelegenheiten der Fluchtlinge gemaß Art. 119 des Grundgesetzes", obwohl wir gleichzeitig ein Flüchtlingsministerium besitzen. In der Abteilung IV dieses Flüchtlingsministeriums bestehen nicht weniger als drei Referate, die sich speziell mit dieser Flüchtlingsgesetzgebung befassen, nämlich das Referat I: Bearbeitung von Gesetzentwurfen, Angleichung der Gesetzgebung und Verwaltung der Länder auf dem Gebiet der Angelegenheiten der Vertriebenen, das Referat II: laufende Überprüfung der Handhabung der Bundesgesetze und Ländergesetze auf dem Gebiet des Vertriebenenrechts durch die einzelnen Länder und Verhandlungen mit den einzelnen Flüchtlingsverwaltungen, internationale Rechtsfragen auf dem Gebiet des Verdrängtenrechts, und schließlich das Referat III: Fragen des öffentlichen Rechts, einschließlich Beamten-, Straf-, Sozialrecht, immer wieder in bezug auf die Vertriebenen. Entschuldigen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich Sie vielleicht mit dieser Materie langweilen sollte, aber ich glaube, es ist nötig, daß wir die Dinge sehr eindeutig und sehr klar und sehr detailliert auseinandersetzen.
Dann erscheint in diesem Katalog weiter die Begutachtung der Verwaltungspraxis der Länder und der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Bundes und der Länder. Ich darf dazu auf das Innenministerium, Abteilung I b: Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit verweisen. Da lesen Sie Referat 1 b 1: deutsches und ausländisches Verwaltungsrecht, Vereinheitlichung des in den Ländern geltenden Bundesverwaltungsrechts. Sie lesen im Referat I b 2: Verwaltungsorganisation in Bund und Ländern, und schließlich im Referat I b 3: Verwaltungsgerichtsbarkeit in Bund und Ländern. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie diese Aufgaben, die ebenfalls beim Ministerium für Angelegenheiten des Bundesrats aufgeführt sind, besser, vollständiger und sachgemäßer als durch die zuständige Abteilung des Innenministeriums erfüllt werden könnten. Sie finden schließlich weiter die Überwachung der Finanzverwaltung in Bund und Ländern und der Finanzgesetzgebung in Bund und Ländern. Wenn Sie im Organisations- und Stellenplan des Justizministeriums nachsehen, dann werden Sie feststellen, daß auf Seite 6 in der Abteilung IV gleichfalls sich ein entsprechendes Referat befindet, nämlich Staatsrecht, Finanz-, Verkehrsrecht und Völkerrecht. Wir dürften im übrigen wohl auch alle der Meinung sein, daß die Finanzverwaltung in Bund und Ländern weitgehend eine Angelegenheit des Finanzministeriums zu sein hat.
Schließlich finden Sie am Schluß noch „Ostzonenfragen" und „Fragen des Bundesstatuts", womit, wie ich annehme, das Grundgesetz gemeint ist. Nun, für die Ostzonenfragen haben wir ein Ministerium für gesamtdeutsche Fragen, in dem eine sogenannte Ostabteilung besteht, die sowohl die politischen als auch die speziellen Rechtsfragen auf diesem Gebiete zu bearbeiten hat. Was die Fragen des Grundgesetzes angeht, verweise ich abermals auf das Bundesjustizministerium, Abteilung IV, Referat 1 a: Grundgesetz des Bundes 'und Verfassungen der Länder.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich den Kompetenzkatalog dieses Ministeriums — ich habe ihn bereits erschöpft — so bis ins einzelne dargelegt und zu beweisen versucht habe, daß wir hier praktisch nichts anderes als eine grandiose Kompetenzüberschneidung mit der Hälfte sämtlicher Bundesministerien vor uns haben, aber kein eigentliches Ministerium.