Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen übergehe, einige Sätze zu dem Etat des Flüchtlingsministeriums, der. uns hier vorliegt. Man kann bei der sachlichen Beurteilung der Arbeit des Ministeriums absolut geteilter Meinung sein, ob dieses Ministerium in seiner gegenwärtigen Form und Gestalt eine zwingende Notwendigkeit ist. Man wird auf diesen Gedanken gebracht, wenn man berücksichtigt, daß beispielsweise allein in diesem Ministerium 8 Ministerialräte und 4 Ministerialdirigenten vorhanden sind, obwohl niemand bestreiten wird, daß dieses Ministerium eines Tages aufhören wird zu existieren und damit nach der beamtenmäßigen Seite hin dem Bund als Erbe dieses Ministeriums eine ziemlich starke Belastung übrigbleibt. Aber auf der andern Seite möchte ich auch feststellen, daß bei der Beurteilung der praktischen Arbeit des Ministeriums eine Reihe großer Überschneidungen mit anderen Ministerien, beispielsweise mit dem Innenministerium, zu berücksichtigen ist. Ich kann aus rein sachlichen Gründen nicht einsehen, warum beispielsweise die Kriegsgefangenenfrage nun im Flüchtlingsministerium behandelt werden soll, da sie doch, rein sachlich gesehen, bereits im Innenministerium behandelt wird.
Das zu dem Etat des Ministeriums. Im übrigen wäre ich Herrn Minister Lukaschek dankbar, wenn er einige Aufklärungen auch darüber geben wollte, wie sich die Summe von 20 000 DM für sogenannte Gutachten zusammensetzt.
Wir haben weiter in Tit. 31 der Etatvorlage für Informationsmaterial eine Summe von 50 000 DM, davon 20 000 DM vorläufig gesperrt, die aber nach meiner Überzeugung im kommenden Etatjahr um ein Bedeutendes anwächst. Ich wende mich nicht dagegen, daß beispielsweise das Flüchtlingsministerium die Verpflichtung hat, eine ganze Reihe sachlicher Veröffentlichungen zu tätigen, die in der Weltöffentlichkeit einmal auf die Lage der Flüchtlinge aufmerksam machen. Ich wende mich nicht dagegen, daß das Flüchtlingsministerium die Verpflichtung hat, auch das deutsche Volk rein informatorisch und sachlich über die Lage der Flüchtlinge aufzuklären; aber ich glaube — und ich knüpfe da an die gestrige De-
batte an —, daß diese Voraussetzungen nicht ganz erfüllt sind.
Anlaß zu dieser Bemerkung geben mir zwei Artikel, die in der Herrn Dr. Adenauer nahestehenden „Kölnischen Rundschau" am 3. und 11. März 1950 unter dem Titel erschienen sind: „Ich war mit Kardinal Mindszenty in der Todeszelle — Zellengenossen des Kardinals berichten über die Folterungen des ungarischen Kirchenfürsten". Und so dramatisch die Überschrift gewesen ist, so dramatisch war auch der Inhalt. Die „Kölnische Rundschau" hätte die saubere journalistische Verpflichtung gehabt, sich einmal zu orientieren, ob sie die in den letzten Jahren in der sogenannten neutralen Presse übliche Tradition fortzusetzen gedenkt, wenn es gilt, irgend etwas gegen Osteuropa zu schreiben. Sie hätte nur die „Neue Zeitung", die Zeitung der amerikanischen Behörden, lesen müssen, in der unter dem 3. März — gestatten Sie, daß ich Ihnen das zur Kenntnis bringe — folgendes steht:
Ungarischer Flüchtling als ein Hochstapler entlarvt.
Ein angeblich vor kurzem in Westdeutschland eingetroffener ungarischer Flüchtling wird, wie am Freitag in unterrichteten Kreisen verlautet, augenblicklich von den Behörden unter dem Verdacht gesucht, der demokratischen Presse lügenhafte Sensationsmeldungen zuzuleiten. Der Hochstapler, der sich als Ingenieur Kovac Karolyi ausgibt, sucht angebliche Einzelheiten über die Folterung prominenter Opfer des gegenwärtigen kommunistischen Regimes in Ungarn westdeutschen Zeitungen als selbsterlebte Erfahrungen zu enthüllen.
Vor einiger Zeit erschien er in der Frankfurter Redaktion der „Neuen Zeitung" und behauptete in einer offenbar melodramatischen Reportage, daß er als Dolmetscher für den kürzlich zu 15 Jahren Gefängnis verurteilten amerikanischen Geschäftsmann Robert Vogler fungiert habe und über die von Vogler erlittenen Folterungen Details geben könne. Eine sofort angestellte Überprüfung durch die „Neue Zeitung" ergab sehr schnell, daß es sich um reine Erfindungen eines internationalen Schwindlers handelt. Nun ist es dem Hochstapler gelungen, einen ähnlichen Bericht, diesmal über angebliche Einzelheiten der Folterungen von Kardinal Mindszenty, in der „Kölnischen Rundschau" unterzubringen.
— Das hat sehr viel damit zu tun; ich werde Ihnen das beweisen. Die sich daran anschließende Pressepolemik zwang die „Kölnische Rundschau"; ihren Gewährsmann einmal zu charakterisieren. Die „Kölnische Rundschau" — und das, verehrter Herr, hat es mit dem Etat des Flüchtlingsministeriums zu tun — stellte dann fest, daß er Papiere einer Hamburger Firma, einer britischen Kontrollstelle und vom Bundesministerium für Vertriebenenfragen Ausweise vorgelegt hätte.
Diese Dinge wollen wir feststellen;
sie haben mit dem Etat etwas zu tun. Wenn Sie objektiv und sachlich genug urteilen könnten, würden Sie auch die Befürchtungen über die Verwendung der Etatmittel, die ich eingangs geäußert habe, unterstützen.
In der gestrigen Debatte sind -eine ganze Reihe Fragen aufgetreten, zu denen nach meiner Auffassung gerade bei der Behandlung des Etats des Flüchtlingsministeriums einmal eine Feststellung getroffen werden muß. Sie nehmen jede Gelegenheit wahr — und das taten Sie vor allen Dingen vor der Wahl —, das Flüchtlingsproblem aus der Ebene der sachlichen Beurteilung in die Ebene des politischen Kampfes mit hineinzuziehen. Bei der Auswahl der Mittel sind Sie nicht immer wählerisch. Aber ich glaube, man soll gerade jetzt im Hinblick auf die Deutschen, die aus Polen und der Tschechei hierher zurückfluten, immerhin feststellen, daß sie das nicht, sagen wir einmal, aus freien Stücken tun, sondern daß sie zurückfluten, weil sie von deutschen Stellen und von ihren eigenen Angehörigen, die in den Westzonen und der Deutschen Demokratischen Republik leben, dazu aufgefordert worden sind.
Sie behaupten dagegen immer wieder, daß es sich auch hier in diesen Fällen um erneute Massenausweisungen handle. Wenn Ihnen der Gegenbeweis erbracht wird, dann erklären Sie großzügig, daß es eigentlich darum gehe, den Menschen das Leben zu erleichtern, das sie in den volksdemokratischen Ländern, in Polen und in der Tschechoslowakei, nicht mehr führen können. Ich empfehle Ihnen einmal einige Pressenotizen über die Dinge, die sich jetzt an der Zonengrenze abgespielt haben, zum Studium. Diese Pressenotizen stellen eindeutig fest, daß von den Leuten, die jetzt herüberkommen oder den Versuch machen, herüberzugehen, gesagt wird: Wir wurden doch alle von unseren Angehörigen drüben angefordert, und nun läßt uns der Engländer nicht über die Grenze. Ich könnte Ihnen da eine ganze Reihe Dinge vorlesen, die wirklich den Tatsachen entsprechen
und die Lage der Flüchtlinge nach dieser Seite hin beleuchten. Man soll sich die Agitation, wenn man verpflichtet ist, sie zu treiben, nicht so bequem machen. Man soll einmal vermeiden, die Äußerung anderer Meinungen einfach mit tumultuarischem Geschrei zu unterbinden.