Rede von
Freiherr
Anton
von
Aretin
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen über dieses Gesetz, das in der ersten Lesung heute zur Verabschiedung kommen soll, werden sich im wesentlichen mit den Fragen befassen müssen, die in der französischen Zone durch die Grenzziehungen entstanden sind. Bei der Durchsicht des Gesetzes ergibt sich in erster Linie das Problem, wieweit man den allgemeinen Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker, nach dem die in dem Land Geborenen über ihre Heimat abstimmungsberechtigt sind, nicht auch Anwendung finden lassen soll auf die Vorgänge innerhalb unseres eigenen deutschen Vaterlandes. Nach Art. 25 des Grundgesetzes finden die im Völkerrecht anerkannten Grundsätze auch Anwendung — und sind damit auch materielles Recht — innerhalb der Bundesrepublik. Daher wird diese Forderung auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 25 begründet werden können. Man könnte demgegenüber einwenden, daß es ziemlich belanglos sei, ob und inwieweit man den im Heimatland Geborenen das Stimmrecht gebe. Hierzu darf ich auf die Zahlen verweisen, die sich bei der Volksabstimmung in Ost-Oberschlesien nach dem ersten Weltkrieg herausgestellt haben. Damals waren von 100 Stimmberechtigten 81 in dem Gebiet geboren und noch ansässig; 3 waren ansässig, folglich stimmberechtigt, ohne da geboren zu sein, und 16 waren in dem Abstimmungsgebiet zwar geboren, aber wieder fortgezogen. Nun sind diese 16 % zur Abstimmung wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Diese 16 % haben damals in Ostoberschlesien die Entscheidung gebracht. Ich glaube, man wird aus diesen Zahlen ersehen, daß es eine Ungerechtigkeit gegen diejenigen, die in einem Lande geboren sind, bedeuten würde, sie von dem Selbstbestimmungsrecht über ihre Heimat auszuschließen.
Meine Damen und Herren! Nach völkerrechtlichen Grundsätzen ist der Inwohner der Träger der Souveränität eines Landes. In Grenzen gilt diese Souveränität auch für unsere innergebietliche, innerdeutsche Frage. Und wenn wir schon der Auffassung sind, daß das Personalprinzip gilt und nicht der Einwohner das Anhängsel an das Land ist, dann müßten wir das Stimmrecht auch den Ausgezogenen geben können. .In diesem Sinne weicht leider Gottes der Antrag der Regierung nicht wesentlich ab von der Ausführungsverordnung vom 8. Juli 1922, die damals zu Art. 18 der Weimarer Verfassung ergangen ist. Diese ist damals bereits heftig befehdet und umstritten worden.
Die entsprechenden Abänderungsanträge werde ich namens meiner Fraktion im Ausschuß und im Plenum zu stellen haben. Heute erlaube ich mir, hier den Antrag zu stellen, die Drucksache Nr. 599 federführend an den Ausschuß für innergebietliche Neuordnung zu überweisen.