Rede von
Dr.
Hugo
Decker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von einem Abgeordneten der Regierungskoalition wurde das Flüchtlingsministerium als ein Kabinett im Kabinett bezeichnet. Es liegt nahe, diese Bezeichnung zu gebrauchen; denn das Ministerium ist außerordentlich umfangreich und vielgestaltig aufgebaut. Trotzdem vermissen wir eine der wichtigsten Abteilungen, die diesem Ministerium nach unserer Ansicht angehören müßte, nämlich die Abteilung für den Flüchtlingsausgleich.
Es ist eine lebensentscheidende und unaufschiebbare Frage, die hier behandelt werden muß, und ich glaube, sie ist von einem Rang, daß es tatsächlich berechtigt ist, hierfür eine eigene Abteilung einzurichten. Wir stellen daher den Antrag, beim Flüchtlingsministerium eine Abteilung „Flüchtlingsausgleich" zu schaffen.
An der Form des Flüchtlingsministeriums müssen wir aber noch in weiterer Hinsicht Kritik üben. In seiner augenblicklichen Gestalt ist es ein Ministerium, das einseitig einer Interessentengruppe dient. In allen anderen Ministerien ist ein gewisser Prozentsatz von Flüchtlingen vertreten, im Innenministerium, wie wir gehört haben, ungefähr 40 Prozent. Dementsprechend wäre es nur gerecht und billig, im Flüchtlingsministerium auch die andere Gruppe, die mit den Flüchtlingsfragen eng zu tun hat, vertreten sein zu lassen, nämlich die Einheimischen, und zwar auch mit etwa 40 Prozent.
— Durchaus nicht, Herr Kollege!
Weiterhin verlangen wir, daß im Flüchtlingsministerium alle Flüchtlinge, gleichviel welcher Herkunft, also unabhängig von ihrer landsmannschaftlichen Zugehörigkeit, paritätisch vertreten sind. Im Flüchtlingsministerium existiert als Anhang eine Sonderabteilung, die sich mit der Betreuung der Kriegsgefangenen, der Heimkehrer und der Fliegergeschädigten beschäftigt. Nun frage ich: Wer hat eigentlich schwerer an den Kriegsfolgen zu tragen, der Kriegsgefangene, der heute noch in Rußland festgehalten wird, der Flüchtling, der Heimat und Besitz verloren hat, der total Fliegergeschädigte, der Kriegsversehrte, die Kriegerwitwen oder die Kriegerwaisen? Ich glaube, all das Elend ist so groß, daß man hier keinen Maßstab mehr anlegen kann. Deshalb ist es auch richtig, alle diese Gruppen gemeinsam in einem Ministerium vertreten sein zu lassen. Wir haben in unserem Antrag Drucksache Nr. 124 diesen Gedanken schon zum Ausdruck gebracht. Ich möchte nur den ersten Satz daraus vorlesen:
Um der drohenden Aufsplitterung des Volkes in verschiedenartig bevorrechtigte Klassen und Schichten zu steuern, wird die Bundesregierung ersucht, bei Gesetzentwürfen und Regierungsmaßnahmen betreffend die Fragen der Heimatvertriebenen, der Bombengeschädigten und der Heimkehrer grundsätzlich von der Gleichberechtigung dieser drei Gruppen auszugehen.
Bei diesem Ministerium müßte dieser geforderten Gleichberechtigung erstlich Rechnung getragen werden. Wir haben einen entsprechenden Antrag gestellt. Er ist unglücklicherweise schon beim Haushaltsgesetz behandelt worden. Wir konnten ihn damals nicht begründen, werden aber die Gedanken, die in diesem Antrag enthalten sind, weiterhin verfolgen.