Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine politischen Freunde messen der Aufgabe der territorialen Neugliederung des Bundesgebiets eine außerordentliche Bedeutung bei; denn die Existenz und der Umfang der Länder, die 1945 entstanden sind, sind zu einem wesentlichen Teil nichtdeutschen Interessen erwachsen. Die Länderneubildungen trugen nicht deutschen Bedürfnissen Rechnung, sondern es wirkten maßgeblich, in einigen Fällen entscheidend, die Interessen der Besatzungsmächte hinein, die teils nach bloßen technischen Gesichtspunkten der Bewältigung der Besatzungsaufgaben, teils aber nach politischen Gesichtspunkten, wie sie insbesondere der französischen Politik zu eigen waren, eine Gliederung durchgesetzt haben, die vielfach deutschen Bedürfnissen und deutschen Interessen konträr war. Eine ganze Reihe der Länder, die heute bestehen, wären überhaupt niemals entstanden, wenn Deutsche damals den maßgeblichen Einfluß auf die Länderbildung- gehabt hätten; denn es wäre Deutschen nicht eingefallen, beispielsweise im Südwestraum die eng zusammengehörigen Länder Baden und Württemberg auf eine Weise, wie das dann geschehen ist, auseinanderzureißen und dabei Zwerggebilde mit einer Einwohnerschaft von 1,2 Millionen, 1,5 Millionen künstlich zu schaffen, von denen zu sagen ist, daß sie nach Größe und Leistungsfähigkeit die einem Land obliegenden Aufgaben überhaupt nicht wirksam erfüllen können.
Deswegen ist — gleichgültig, ob man vom Standpunkt eines dezentralisierten Einheitsstaates oder aber vom föderalistischen Standpunkt die Frage der Neugliederung des Bundesgebiets beurteilt — zu begrüßen, daß das Grundgesetz die Aufgabe gestellt hat, eine Neugliederung anzustreben, die auf der Basis der Berücksichtigung der landsmann-
schaftlichen Verbundenheit, der geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und des sozialen Gefüges schließlich darin kulminieren soll, daß Länder entstehen, die überhaupt nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben erfüllen können. Gerade die Anhänger einer föderalistischen Gestaltung Deutschlands sollten erkennen, daß die Idee des Föderalismus durch nichts mehr gefährdet wird als durch das gleichzeitige Nebeneinanderbestehen von Ländern äußerster Ungleichartigkeit, zwischen denen ein auf Gleichberechtigung bestehendes Band im Grunde genommen nur äußerst künstlich geknüpft werden kann.
Wenn man deshalb die Aufgabe der territorialen Neugliederung des Bundesgebiets nach deutschen Interessen, nach deutschen Bedürfnissen, insbesondere nach den Wünschen der deutschen Bevölkerung nicht nur bejaht, sondern für ein Problem von ganz außerordentlicher Bedeutung hält, ich möchte sagen, für ein Problem, von dessen richtiger Lösung zu einem sehr erheblichen Teil die Volkstümlichkeit des demokratischen Rechtsstaates in Deutschland abhängt, dann muß man darüber wachen, daß von den Hohen Kommissaren nicht Befugnisse zurückgenommen werden, die sie bereits aufgegeben hatten.
Das ist insbesondere hinsichtlich der Neugliederung im Südwestraum zu sagen. An zwei Stellen von Ziffer 5 des Genehmigungsschreibens zum Grundgesetz haben die damaligen Militärgouverneure ausdrücklich erklärt, daß die Neugliederung im Südwestraum von dem Vorbehalt ihrer Zustimmung ausgenommen sein soll. Diese ganz akzentuierte, unmißverständlich ausgesprochene Ausnahme hat klargestellt, daß die deutschen Verwaltungen sowohl wie die gesetzgebenden Körperschaften und die deutsche Bevölkerung in den betreffenden Gebietsteilen in der sofortigen Betreibung einer territorialen Neugliederung in keiner Weise eingeschränkt sein sollten. Während hinsichtlich aller anderen Gebiete der Vorbehalt gemacht wurde, daß die Hohen Kommissare Gebietsveränderungen, damit sie wirksam werden, einstimmig zustimmen müßten, haben sie hinsichtlich der Neugliederung im Südwestraum der Entwicklung freien Lauf gegeben, so daß in keiner Weise mehr ersichtlich ist, inwiefern die rechtliche Mitwirkung der Hohen Kommissare erforderlich ist. Diese uns hinsichtlich der Entwicklung im Südwestraum gegebene Freiheit wollen wir uns durch nachträgliche Erklärungen, wie sie in den letzten Monaten von französischer Seite abgegeben worden sind, nicht wieder nehmen lassen.