Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Der ganze Umfang der Arbeiten und der politischen Verantwortung des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen wird schon aus dem Vorwort zum Etat ersichtlich. Darin ist die Rede davon, daß dieses Ministerium für die Mitwirkung bei der gesamten Gesetzgebung zuständig ist, soweit sie die Belange der Ostvertriebenen berührt. Wir sind allerdings nicht der Meinung, die im Rahmen der Debatte hier vorhin geäußert worden ist, daß das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen ein Kabinett im Kabinett ist. Wir wenden uns auch dagegen, daß man das Ministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen als die Vertretung einer Interessengruppe bezeichnet. Wir sind der Meinung, daß das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen die Repräsentation der acht Millionen im Bundesgebiet lebenden Heimatvertriebenen aus Ostdeutschland, vom Memelland bis hinunter zu den Sudeten, ist.
Wir sind auch nicht der Meinung, daß den Vertriebenen mit einer solchen Rede geholfen ist, wie sie eben von dem Vertreter der Kommunistischen Partei gehalten worden ist, der nach meinem Stenogramm — und ich stenographiere „nur" 300 Silben; verlassen Sie sich darauf, ich komme schon mit —
gesagt hat, daß von der Arbeit des Ministeriums die Ostvertriebenen weder satt werden noch ihnen geholfen wird.
Ich bin der Meinung, man soll über alle politischen Meinungsverschiedenheiten hinweg das Ministerium unterstützen und durch die Annahme des Etats für das Ministerium die Voraussetzungen dafür schaffen, daß der Herr Bundesminister Lukaschek nicht mehr in die Verlegenheit kommt, zu glauben, daß über dem Hauptportal seines Ministeriums das Wort „Unmöglich" steht. Es liegt am Bundestag, es liegt an der Bundesregierung und nicht zuletzt an dem von wohl allen Vertriebenen so „hoch verehrten" Herrn Bundesfinanzminister Schäffer, daß endlich einmal auf dem Gebiet auch hier praktische Arbeit geleistet wird.
Nach diesen Erklärungen, meine sehr verehrten Damen und, Herren, darf ich noch folgendes sagen: Wir wünschen uns, daß im Verhältnis des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen zu allen Dienststellen der Marshallplanverwaltung und zu sonstigen ausländischen Hilfsstellen eine noch stärkere Bindung entsteht; denn wir sind uns ja alle darüber klar, daß die Frage des Vertriebenenproblems mit eigenen Mitteln von uns Deutschen niemals wird allein gelöst werden können. Es ist also erforderlich, das Ausland in noch stärkerem Maße als bisher auf diese Dinge aufmerksam zu machen.
Im Zusammenhang damit würden wir es begrüßen, wenn im Rahmen der Verbindung mit dem Ausland, soweit das Vertriebenenproblem in Frage kommt, auch die Kreditwirtschaft noch aktiver für unsere Ostvertriebenen angekurbelt wird.
Besonders aber begrüßen wir von der Zentrumsfraktion die Eingliederung der Sonderabteilung zur Betreuung der Kriegsgefangenen und Heimkehrer in das Bundes-Vertriebenenministerium. Es wird die trizonale Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang einmal interessieren, Zahlen nach dem neuesten Stand der Dinge zu hören. Nach den Angaben, die ich mir noch heute morgen besorgt habe, sind seit dem Bestehen des Länderrats in Stuttgart und der Arbeitsgemeinschaft der westdeutschen Länder für Kriegsgefangenenbetreuung durch die Behörden bisher insgesamt 2,1 Millionen Heimkehrer betreut worden. Zur Zeit sind noch 150 000 zu betreuen. Erwartet werden nach dem augenblicklichen Stand der Dinge noch 450 000 Kriegsgefangene, von denen wir alle hoffen wollen, daß sie alle bald die Heimat wiedersehen.
Wir haben auch nichts dagegen einzuwenden, daß in Kap. 1 Tit. 20 an Kosten für Sachverständigengutachten 20 000 DM ausgeworfen werden. Diese Sachverständigengutachten sind gerade jetzt erforderlich im Zusammenhang z. B. mit der Bildung der Vertriebenenbank. Es war dabei notwendig, eine Anzahl von Bankexperten zu hören. Es ist auch immer wieder notwendig, daß man immer wieder entsprechende Gutachten über international-rechtliche Fragen, soweit sie das Vertriebenenproblem angehen, herstellen läßt. Ich bin der Meinung, man kann über das Vertriebenenproblem weit über den Rahmen von Gutachten hinweg nicht genug in die Welt hinausposaunen.
Im Kap. 1 Tit. 24 finden wir den berühmten Betrag von 10 000 DM „zur Verfügung des Bundesministers für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen", wie das bürokratisch so „schön" genannt wird. Wir haben ja gestern dem Bundestag unter der Drucksache Nr. 743 den Antrag des Zentrums vorgelegt, der dahin geht, daß dieser Titelbetrag
in sämtlichen anderen Bundesministerien gestrichen wird mit Ausnahme des Bundeskanzleramtes, des Bundespräsidialamtes und eben auch des Bundesministers für Angelegenheiten der Vertriebenen. Wir haben beantragt - und hoffen, daß dieser Antrag in der dritten Lesung dann auch durchgehen wird —, daß dafür von den auf diese Weise eingesparten Geldern der Betrag beim Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen auf 20 000 DM erhöht wird, weil sich eben doch langsam herumgesprochen zu haben scheint, daß die Not unter den Ostvertriebenen auch heute noch ungeheuer groß ist.
Wir begrüßen ferner, daß für die Herstellung und Verbreitung von Informationsmaterial zur Aufklärung über die zur Zeit abgetretenen Gebiete 50 000 DM im Etat stehen, und sind dem Haushaltsausschuß außerordentlich dankbar dafür, daß er diesen Betrag schon von sich aus auf diese Summe erhöht hat. Es muß einmal bei der Gelegenheit gesagt werden, auch von dieser Stelle aus, daß nicht genug bekannt werden kann — gerade in Hinblick auf das langsam herankommende Jahr 1952 —, daß die hunderttausend Quadratkilometer jenseits der Oder-Neiße-Linie mit ihrem Kapitalwert von 9 Milliarden Dollar ausgereicht hätte, um 20 Millionen Menschen bei täglich 2500 Kalorien zu ernähren. Daran sollte ganz Deutschland immer denken angesichts der blutenden „Grenze", die an der Oder und an der Lausitzer Neiße vor der Zone des Schweigens geschaffen worden ist!
Es wäre auch wünschenswert, wenn seitens des Herrn Bundesministers Dr. Lukaschek an die Kultusminister-Konferenz einmal eine Art Empfehlung gegeben wird dahingehend, daß in allen Schulen des ganzen Bundesgebietes endlich einmal auch eine Stunde „Ostdeutsche Geographie" in jeder Woche eingerichtet wird. Das ist Information im Kleinen.
Im Kap. 2 bei Tit. 4 stehen die Ausgaben für die Sonderabteilung „Betreuung der Kriegsgefangenen und Heimkehrer", von der ich schon vorhin sprach. Im Zusammenhang damit darf ich darauf hinweisen, daß wir vom Zentrum wie auch wahrscheinlich die anderen Fraktionen dieses Hohen Hauses nicht daran denken werden, gerade an diesem Kapitel, das der Betreuung unserer heimkehrenden Kameraden dienen soll, auch nur etwas zu rütteln. Wir sehen daher wirklich nicht ein, warum der 74jährige Herr Abgeordnete Leuchtgens sogar an diesem Kapitel noch Streichungen vorzunehmen überhaupt erst beantragt hat. Wenn wir bedenken, daß von den zwölf Arbeitskräften, die allein in dieser Abteilung tätig sind, etwa die Hälfte von 200 DM Monatsgehalt auf dem teuren bundeshauptstädtischen Pflaster Bonns leben muß, so würden wir es als sozial nicht gerecht empfinden, wenn man hier die von Herrn Leuchtgens beantragten Streichungen vornehmen würde.
Etwas aber darf ich noch sagen, was uns im Rahmen der Beratungen und. Betrachtungen des Etats für das Vertriebenenministerium aufgefallen ist. Im Einzelplan II Kap. 1 Tit. 4 Ziff. 1 S. 8 der Drucksache Nr. 671 im Haushalt des Bundestages finden wir für Überstundenvergütungen 15 500 DM eingesetzt. Im Einzelplan IV Tit. 4 Kap. 1 Seite 15 der Drucksache Nr. 674 im Haushalt des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramts finden wir an Überstundenvergütungen 7100 DM eingesetzt. Im Einzelplan IV Kap. 3 Seite 49 der Drucksache Nr. 674, das ist bekanntlich das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, finden wir Überstundenvergütungen von 30 000 DM eingesetzt. Im Einzelplan XVII Kap. 1 Tit. 4 auf Seite 10 der Drucksache Nr. 681, in dem so „außerordentlich wichtigen" Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrats, f in-den wir Überstundenvergütungen von 8000 DM eingesetzt, und dies allein beim Personaletat von nur 19 Angestellten und 8 Arbeitern! Das, meine Damen und Herren, ist uns beim besten Willen nicht verständlich, wenn man bedenkt, daß im Bundes-Vertriebenenministerium täglich durchschnittlich vier Überstunden von rund 50 Beschäftigten, darunter 30 weiblichen und 10 männlichen Angestellten, geleistet werden.
Bei der Gelegenheit muß einmal gesagt werden, was der evangelische Bischof von Berlin, Dibelius, als er vorige Woche hier im BundesVertriebenenministerium zu einer Besprechung weilte, Herrn Staatssekretär Dr. Schreiber gegenüber geäußert hat: „Ich habe den Eindruck, daß Ihr Ministerium tatsächlich ein Arbeitsministerium für die Vertriebenen ist." Wenn man diese Äußerung hört, die auch tatsächlich dem wahren Sachverhalt entspricht, muß man sich wundern, warum für diese Angestellten im Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen kein Pfennig für Überstundenvergütungen, zum mindesten nicht im Etat, erscheint.
Das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen ist kein Ministerium wie etwa gewisse andere mehr oder weniger wichtige Ministerien. Das sehen Sie schon daraus, daß die Besucherzahl im Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen monatlich durchschnittlich 2000 beträgt.
Ich darf ganz kurz noch auf das eingehen, was wir von der Arbeit des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen im neuen Etatsjahr erwarten. Vorhin ist schon von Herrn Kollegen Welke gesagt worden, daß das Bundesvertriebenengesetz endlich Wirklichkeit werden muß. Es ist auch auf den Lastenausgleich hingewiesen worden. Ich darf mir erlauben, den Vorschlag zu machen, daß das Bundes-Vertriebenenministerium in Zusammenarbeit mit dem Lastenausgleich-Ausschuß und sonstigen beteiligten Stellen alles daran setzt, daß wir bis zum 1. Oktober dieses Jahres endlich einmal etwas Greifbares für den kommenden Lastenausgleich zu sehen bekommen. Wenn das nicht der Fall ist, befürchte ich, daß eine soziale Revolution ungeahnten Ausmaßes in den Westzonen einsetzen kann, und das muß verhindert werden. Am Lastenausgleich, meine Damen und Herren, sind ja nicht nur die Ostvertriebenen beteiligt. Es sind daran auch die Ausgebombten, die Kriegsgeschädigten, ja sogar die Währungsgeschädigten beteiligt. Neulich ist von dieser Stelle aus einmal erklärt worden, daß im ganzen Bundesgebiet nicht weniger als 20 Millionen Menschen auf den Lastenausgleich warten, und 20 Millionen entrechtete und enttäuschte Menschen lassen sich eben nicht auf die Dauer von nochmals, sagen wir, 5 Jahren von Tag zu Tag und von Woche zu Woche vertrösten.
Ich würde es aber ganz besonders begrüßen, wenn noch im Laufe der ersten Hälfte des Jahres 1950 endlich einmal die Zuzugssperre aufgehoben würde. Die Zuzugssperre wirkt sich gerade gegenüber den Vertriebenen insofern sehr nachtei-
lig aus, als sie eine der Grundlagen für die Massenarbeitslosigkeit in den Reihen der Vertriebenen ist.
Zur Frage der Pensionen und Wartegelder für die heimatvertriebenen Beamten, Behördenbediensteten usw. ist heute schon viel gesprochen worden. Ich stelle dazu nur fest, daß meine Fraktion es war, die als erste bereits Mitte September vorigen Jahres den Antrag auf Gleichstellung der ostdeutschen Pensionäre und Wartegeldberechtigten gestellt hat. Am 2. Dezember ist es dann zu dem berühmten Beschluß des Bundestags gekommen. Am 1. März habe ich unter Drucksache Nr. 647, unterstützt durch die gesamte Fraktion der Zentrumspartei, die Anfrage Nr. 58 eingebracht, wann nun jener Bundestagsbeschluß endlich verwirklicht wird. Bis heute liegt die Antwort immer noch nicht vor, obwohl sie der Herr Präsident des Bundestags -zu Beginn der Sitzung am vergangenen Dienstag bereits als vorliegend angekündigt hat. Bisher ist nichts weiter bekanntgeworden als eine Verlautbarung des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung, die inzwischen in allen Zeitungen gestanden hat, über alle Rundfunkstationen gelaufen ist und in der unter anderem gesagt war, daß im Bundeskabinett „erwogen" wird, eine Übergangsregelung für die Pensionen und Wartegeldbezüge der ostvertriebenen Beamten zu treffen, bis auf Grund des Artikel 131 des Grundgesetzes im Rahmen des Haushaltsplans 1950/51 eine endgültige gesetzliche Regelung erfolgen könne. Zu diesem Zweck sei ein Betrag von 20 Millionen DM „in Aussicht genommen", der die Möglichkeit geben würde, für die Übergangszeit zusätzlich zu der bisherigen Regelung durch die Länder die Ruhegehälter in normaler Höhe und in den Fällen, in denen „die Voraussetzungen dafür gegeben erscheinen", auch Wartegelder zu zahlen. Am Schluß dieser amtlichen Verlautbarung steht ein Satz, der nach unseren bisherigen Erfahrungen fast geeignet erscheint, alle Hoffnungen, die sich aus dieser Meldung ergeben könnten, wieder zunichte werden zu lassen. Da steht nämlich drin: die Entscheidung des Kabinetts ergehe „in Kürze". Ich will hoffen, daß dieser Satz Wirklichkeit wird.
Im Zusammenhang damit ein Wort zu dem Abänderungsantrag der Fraktion der Deutschen Partei, der Ihnen unter Drucksache Nr. 765 vorliegt. Auch meine politischen Freunde und ich sind der Meinung, daß dieser Änderungsantrag der Deutschen Partei, wie das vorhin von Herrn Kollegen Dr. Ehlers vertreten worden ist, an den Ausschuß für Heimatvertriebene gehen sollte, zumal -es sich im Rahmen dieser Etatdebatte praktisch doch um Gelder handelt, die schon längst ausgegeben sind; der DP-Antrag jedoch gilt ja doch wohl für den kommenden Etat. Wir werden diesen Antrag also im Ausschuß für Heimatvertriebene erst einmal beraten müssen, bevor er hier wieder vorgelegt werden kann.
Nun zum Antrag der Bayernpartei. Selbstverständlich müssen die Fragen der Kriegsgeschädigten genau so bearbeitet werden, und zwar noch aktiver, als es bisher schon geschah; auch über diesen Antrag müßte aber erst im Ausschuß für Heimatvertriebene noch beraten werden. Ich beantrage daher, auch den Antrag der Bayernpartei zur weiteren Beratung an den Ausschuß für Heimatvertriebene zu überweisen.
Mit Unterstützung des ganzen Bundestages, mit Unterstützung der Regierung, vor allen Dingen des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer, muß es, so hoffe ich, im neuen Etatjahre möglich sein, die Arbeit für die Vertriebenen so zu leisten, wie es von den Millionenmassen meiner Schicksalsgefährten erwartet wird; denn an dem Hause Rheindorfer Straße Nr. 198 hängen Hoffnungen, die nicht enttäuscht werden dürfen!