Meine Damen und Herren! In dem Vorwort zum Einzelplan XVI, dem Etat des Herrn Ministers für gesamtdeutsche Fragen, werden die Aufgaben dieses Ministeriums in erster Linie mit der Wiederherstellung der deutschen Einheit umschrieben. Man kann wohl sagen, daß es kaum eine unrichtigere Betitelung der Aufgaben eines Ministeriums geben kann als die, die hier im Vorwort zum Einzelplan XVI angegeben ist. Die wirkliche Aufgabe dieses Ministeriums ist die Störung aller echten Versuche zur Wiederherstellung der deutschen Einheit, ist letzten Endes nichts anderes als der allerdings vergebliche Versuch, die Herrschaft der amerikanischen Kolonialherren auf ganz Deutschland auszudehnen und mit deren Einverständnis und unter deren Anleitung eine organisierte Zersetzungs- und Spionagearbeit im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik zu betreiben.
In den Zahlenangaben, die uns das Ministerium vorlegt, gibt es einige sehr schwer verständliche Dinge. In der Gesamtsumme der ordentlichen Ausgaben dieses Ministeriums wird die Zahl von 3,5 Millionen DM für die Dauer eines halben Jahres angegeben. Für einen Betrag von etwas über 500 000
DM sind bis ins kleinste gehende Details darüber angeführt, in welcher Weise diese Gelder ausgegeben werden. Da lesen wir sehr genaue Dinge über die Marken der Autos, die im Dienste des Ministeriums stehen; wir lesen Angaben über die Nummern der Häuser, die das Ministerium in Benutzung hat, über ihren baulichen Zustand usw. Aber dann finden wir plötzlich eine Summe, die nicht weniger als sechs Siebtel der gesamten ordentlichen Ausgaben des Ministeriums darstellt, nämlich die Summe von 3 Millionen DM, über deren Aufgabe nur ein kurzer lakonischer Satz zu finden ist, nämlich unter der Überschrift in Tit. 31 „Allgemeine Haushaltsausgaben": „Zuschüsse an Forschungsinstitute für kultur- und volkspolitische Fragen und ähnliche Einrichtungen sowie für allgemeine kulturelle Zwecke", und in der Erläuterung für diesen Ausgabeposten heißt es dann kurz: „Die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist im gesamtdeutschen Interesse notwendig. Die veranschlagten Beträge sind nach eingeholten Unterlagen errechnet." Ich möchte Sie fragen, Herr Minister: Warum sind Sie hier bei sechs Siebteln der Ausgaben Ihres Ministeriums schweigsam,
während Sie bei kleineren Beträgen nicht mitteilsam genug sein können? Was haben Sie hier zu verbergen über die Aufgaben und den Inhalt Ihrer Tätigkeit und über die 'Begründung einer so hohen Ausgabensumme? Wenn man sich diese Formulierungen zu Gemüte führt, die Sie für die Begründung Ihrer Ausgaben von 3 Millionen DM nehmen, wird man unwillkürlich an gewisse Formulierungen aus der Nazizeit erinnert, nämlich aus der Darstellung der Aufgaben, die ein gewisser Gauleiter Bohle einmal übernommen hatte. Da wurde auch sehr viel von volkspolitischen Aufgaben, von „kulturellen Zwecken allgemeiner Art" usw. gesprochen, und wir wissen, daß diese „volkspolitischen und kulturellen Aufgaben allgemeiner Art" nichts anderes bedeuteten als die politische Durchdringung solcher Gebiete, die man sturmreif machen wollte,
als die Organisierung einer Fünften Kolonne als
Vorbereitung eines kriegerischen Unternehmens.
Wenn früher solcherlei Aufgaben, wie sie hier im Ministerium für gesamtdeutsche Fragen skizziert sind, unter der Verantwortung des Außenpolitischen Amtes der NSDAP oder der Gestapo figurierten, so besteht kein Unterschied zwischen beiden in dem Grade der Anrüchigkeit der Ausgaben, auch dann, wenn Sie sich heute vornehmere Titel aussuchen, um die gleiche Arbeit zu erfüllen,
die jene Naziämter einmal leisteten.
Wir finden in der Begründung Ihrer Ausgaben einige Formulierungen, die nicht unwidersprochen bleiben können. Sie sagen, es ginge Ihnen um die „Verfolgung des Standes und der Entwicklung der Rechts- und Verwaltungsverhältnisse in der Ostzone". Was soll damit gesagt sein? In Wirklichkeit dient Ihre Tätigkeit der Organisierung einer illegalen Untergrundbewegung, der Störung des demokratischen Aufbaues, um damit wie einige Ihrer amtlichen Stellen schon öfter zugegeben haben, das
Gelingen des wirtschaftlichen Zweijahresplanes zu verhindern.
Ich möchte noch weiter fragen, welcherlei Aufgaben Sie sich außer der Organisierung der Spionagedienste gestellt haben, etwa in der Finanzierung gewisser Presseorgane? Wir haben vor einigen Monaten von der Gründung eines sogenannten „Mitteldeutschen Pressedienstes" gehört, von dem ich im Augenblick nicht weiß, ob er noch ,existiert oder schon eingegangen ist; aber vielleicht können Sie, Herr Minister, uns darüber Auskunft geben, ob und in welcher Höhe Mittel aus Ihrem Ministerium diesem Unternehmen zur Verfügung gestellt worden sind, einem Unternehmen, das von nicht ganz urigewichtigen Namen repräsentiert wird wie beispielsweise von Herrn Minister Lukaschek, von Herrn Brill, der Mitglied dieses Hauses ist, usw., von Leuten, die sich als „Flüchtlinge" ausgeben, in Wirklichkeit aber eine sehr sonderbare Karriere hinter sich haben, die sie keineswegs zur Führung des Titels eines „Flüchtlings" legitimiert? Es wird darauf hingewiesen, daß auch gewisse West-Berliner Zeitungen — nicht ohne Erfolg — Anspruch darauf erhoben haben, aus den Mitteln Ihres Ministeriums, Herr Minister, unterstützt zu werden. Als die Sozialdemokratie noch eine revolutionäre Partei war, bezeichnete sie derartige Fonds, etwa gegenüber dem Reichskanzler Bismarck, als „Reptilienfonds".
— Das ist allerdings lange her. Heute verwendet man nicht mehr eine solche Kennzeichnung, sondern man deckt geflissentlich eine derartige Praxis.
Was ist die Tätigkeit Ihres Ministeriums? Sie halten Reden, Reden einmal des Inhalts, die armen Menschen aus der „Ostzone" Deutschlands mögen doch alle herüberkommen in das „Land der Freiheit". Dann kommen einige, und zwar nach den Angaben sehr maßgeblicher Stellen zu 90 Prozent kriminelle Elemente. Dann stellen Sie, Herr Minister, sich wieder an die Zonengrenze und beschwören die gleichen Leute, sie mögen doch bitte drüben bleiben, weil man hier schon Leute genug dieser Art habe. — Sie organisieren die Verwirrung und die Sabotage und gleichzeitig registrieren Sie fein säuberlich die sogenannten alten Rechtsansprüche bestimmter früher privilegierter Kreise, die heute in der Deutschen Demokratischen Republik nichts mehr zu melden haben. Sie sind behilflich bei der Gründung sogenannter „Freiheitsorganisationen", wie etwa des „Mitteldeutschen Freiheitsbundes" oder des „Deutschen Bundes", in denen die ehemaligen Großgrundbesitzer, die 'ehemaligen Industriellen, die heute enteignet sind, sich zusammengeschlossen haben, um ihre alten Ansprüche um so besser geltend machen zu können. Ich möchte Ihnen sagen, Herr Minister, es ist eine vergebliche Liebesmüh und eine nutzlose Verschleuderung von Geldern, wenn Sie die Interessen solcher Leute, die drüben nun endgültig von der Bühne verschwunden sind, wahrnehmen wollen.
Ich möchte auch sagen, Herr Minister, daß Sie persönlich wohl der allerungeeignetste Mann sind, der sich zur Verfechtung gesamtdeutscher Interessen aufspielen kann. Es gab einmal eine Zeit, da gaben Sie sich als der „Brückenbauer" zwischen Ost und West aus. Dieses Unternehmen des Brükkenbauens ist Ihnen mißlungen, als Sie plötzlich den guten Ton verloren und glaubten, Sie könnten bestimmten Vertretern der sowjetischen Besatzungsmacht zuprosten auf die baldige Herbeifüh-
rung einer deutsch-sowjetischen Grenze oder, mit anderen Worten, auf die Herbeiführung einer neuen Teilung Polens. Sie kennen diese Dinge zu genau, als daß es nötig wäre, Sie an Einzelheiten zu erinnern.
Damals ist Ihnen Ihr „Brückenbauen" also mißlungen, worauf Sie sich in der westlichen Hälfte Deutschlands eingestellt haben, um Ihre politische Laufbahn hier fortzusetzen. Jetzt nennen Sie sich nicht mehr „Brückenbauer", sondern jetzt nennen Sie sich „Wellenbrecher des Marxismus". Ich glaube, daß Sie sich auch hier einen höchst ungeeigneten und undankbaren Titel ausgesucht haben. Sehen Sie, Herr Minister, solche „Wellenbrecher des Marxismus" gab es und gibt es noch heute an verschiedenen Ecken und Enden der Welt. Es gab solche „Wellenbrecher des Marxismus" einmal in Warschau, in Bukarest, in Prag und in Nanking; sie existieren heute nicht mehr. Es gab Leute, die diese Wellenbrecher immer ermutigt haben, durch die Bereitstellung von Luftbrücken usw. Es gab auch einmal eine Luftbrücke von Nanking nach Schanghai. Aber sie wurde abgebrochen, als der letzte Teppich aus Nanking evakuiert war. Sehen Sie, meine Damen und Herren, dem Herrn Minister Kaiser wird es ebenso gehen wie jenen „Wellenbrechern", die dann von ihren Auftraggebern im Stich gelassen worden sind, und den jetzt noch existierenden kleinen Wellenbrechern, etwa auf Formosa oder in Saigon oder an anderen Stellen der Welt.
Es hat ein klägliches Ende genommen mit dieser Sorte von „Wellenbrechern", so kläglich, daß sogar deren Auftraggeber, wie etwa der derzeitige amerikanische Außenminister Acheson, selbst in Verruf geraten ist, mit den Kommunisten zu konspirieren, und in Gefahr geraten, deswegen seinen Posten zu verlieren.
Sie selber, Herr Minister Kaiser, haben doch wohl in den letzten Tagen und Wochen auch einige Erfahrungen darin gemacht, wie hoch oder wie niedrig Ihr politisches Ansehen inzwischen geworden ist, sowohl in Berlin als auch hier in Bonn. Hier in Bonn werden Sie von Ihrem eigenen Bundeskanzler desavouirt, und Sie schlagen sich vor den Journalisten mit der Frage herum, ob Sie nun zu Recht oder zu Unrecht gerüffelt worden sind. Ich möchte Ihnen eine Schlußfolgerung aus dem unaufhaltsamen Abwärtsgang Ihrer politischen Karriere nahelegen, nämlich kurz und bündig zu demissionieren und zu erklären: Ihre politische Laufbahn ist am Ende. Das ist das Beste, was Sie im Interesse Gesamtdeutschlands tun können.
—Ach, Sie wissen das ja ganz genau! Sie sind wieder mal in den falschen Zug eingestiegen, Herr Kollege Dr. Bucerius!
Meine Damen und Herren, wenn man eine solche Politik betreibt, die man gelinde als Dilettantismus bezeichnen kann, politisch genauer aber als eine gefährliche Bankerottpolitik kennzeichnen muß, dann ist zu sagen: das ist eine Politik ohne Perspektive, ohne politischen Sinn und Nutzen für das deutsche Volk. Was soll denn eigentlich mit ihrer Politik vorbereitet werden? Wollen Sie den Osten Deutschlands mit Hilfe amerikanischer Tanks
zurückerobern? Die amerikanischen Generäle werden Ihnen etwas pfeifen! Die werden Ihre Bereitschaft für die Zurverfügungstellung deutscher Fußtruppendivisionen begrüßen, aber keinen einzigen Mann stellen, um Ihre einfältigen Pläne zu verfolgen! Wollen Sie damit etwa die in der Demokratischen Republik inzwischen vor sich gegangene Umwandlung der gesellschaftlichen Verhältnisse rückgängig machen? Wollen Sie die alten Großgrundbesitzer wieder zurückführen, die Hunderttausende von Flüchtlingen, Landarbeiter und landarmen Bauern von ihrer neuen Scholle zugunsten der alten adeligen und sonstigen Großgrundbesitzer vertreiben? Wollen Sie die heutigen volkseigenen Betriebe wieder in die Hände der Konzernherren zurückführen? Wollen Sie die alte reaktionäre Bürokratie wieder in die Justiz, in das Erziehungswesen, in die Verwaltung, die Polizei usw. zurückzuführen? Was sind das für einfältige Vorstellungen von dem künftigen Gang der politischen Entwicklung?
So kann man sich die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands nicht vorstellen. Sagen Sie doch offen, Sie wollen, daß es auch im Osten Deutschlands wieder wird, wie wir es hier im Westen Deutschlands haben.
Ich könnte mich zur Kennzeichnung dieser Verhältnisse im Westen auf prominente Sprecher der Sozialdemokratischen Partei berufen, die keinen Tag vergehen lassen, ohne zu unterstreichen, daß sich in den maßgeblichen Stellen von Wirtschaft und Verwaltung die Reaktion breitgemacht hat und die alten Zustände verewigen will.
Sie werden sich irren, wenn Sie glauben, Sie könnten diese Zustände auch im Osten noch einmal herbeiführen. Das Gegenteil wird der Fall sein. Jene künstliche Mauer des Mißtrauens, des Unverständnisses, der Feindschaft zwischen Deutschen, die Sie, Herr Minister, und Ihre Leute aufrichten wollen, wird dadurch leingerissen werden, daß sich die Menschen auch hier in Westdeutschland davon überzeugen, daß im Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik die Rechte des Volkes zum Siege gekommen sind.
Sie können es nicht lassen, in Ihren Dokumenten immer noch von der sogenannten „Ostzone" zu sprechen. Sie wissen ganz genau, daß es seit dem 9. Oktober 1949 keine „Ostzone" mehr gibt! Sie wissen genau so gut wie ich, daß es dort ein souveränes Staatswesen mit einem Präsidenten an der Spitze gibt.
- Ich nehme es Ihnen nicht übel, wenn Sie lachen, aber ich glaube, das Lachen wird Ihnen eines Tages ganz gehörig vergehen.
Ich könnte eine Zeitung zitieren, die Ihnen politisch sehr nahesteht, eine im Westen sehr angesehene bürgerliche Zeitung, die vor einigen Wochen einen Leitartikel mit der Überschrift veröffentlicht hat: „Präsident Pieck empfängt Botschafter",
Das war gar nicht ironisch von dieser Zeitung gemeint, sondern sehr ernst.
Diese Zeitung hat verstanden, was es für die deutsche Wirtschaft und für die Zukunft des deutschen Volkes bedeutet, daß die Deutsche Demokratische Republik heute normale diplomatische Beziehungen mit Ländern unterhält, in denen ein Drittel der Menschheit wohnt. Diese Zeitung hat verstanden, was es bedeutet.
- Es handelt sich um die „Frankfurter Allgemeine Zeitung", der Sie bestimmt nicht nachsagen können, daß es sich bei ihr um ein kommunistisches Blatt handelt.
Die Leute, die gleicher Auffassung wie die Redaktion dieser Zeitung sind, sehen eine solche Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit, wenn Handelsdelegationen in ein Dutzend Länder geschickt werden und mit Verträgen zurückkommen, die Aufträge für Hunderttausende und Millionen deutscher Arbeiter mitbringen,
Handelsverträge, die sich sehr wesentlich von den Verträgen unterscheiden, die etwa der Herr Vizekanzler aus Washington und Paris mitbringt. Was soll ich darüber mehr sagen? In Ihren Reihen selbst sitzen Wirtschaftler, die sehr viel besser erkannt haben, wie ernst dieses Problem ist, als Sie, die Abgeordneten der Rechten, die glauben, sie müßten hier ein Gelächter anstimmen. Fragen Sie sehr bedeutsame westdeutsche Wirtschaftler aus der Eisen- und Stahlindustrie
und aus anderen Industriezweigen, die heute in Hotelzimmern der Deutschen Demokratischen Republik ungeduldig auf- und abmarschieren, bis sie von den Beamten dieser Regierung empfangen werden.
Sie wissen es noch nicht, Herr Bucerius, Sie werden es noch lernen müssen!
Die Herren Wirtschaftler, die vor einigen Tagen hier in der Nähe zusammengekommen sind, um die Probleme des Osthandels anders als Sie mit Ihrem einfältigen Gelächter zu behandeln, könnten Ihnen Auskunft erteilen.
Sie könnten Sie darüber aufklären, daß man sehr positive Perspektiven für die Arbeitsbeschaffung für die Arbeiterschaft in Westdeutschland hat, wenn man sich nämlich daran hält, daß der Weg für den Handel der westdeutschen Industrie über Berlin, über die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik geht.
Diese Wirtschaftler lachen über Sie, über Ihr einfältiges professorales Gerede; sie lachen über die überheblichen Deklarationen gewisser Minister, die, wenn sie von Paris oder Washington zurückkommen, so tun, als hätten sie etwas Positives mitgebracht, in Wirklichkeit aber nichts anderes mitgebracht haben als neue Direktiven für die Amerikanisierung der westdeutschen Wirtschaft.
- Sie haben auch gestern gelacht. als mein Kollege
Rische Sie darauf aufmerksam machte, daß es das
Interesse der deutschen Wirtschaft erfordert, eine
andere Stellung zur Deutschen Demokratischen Republik einzunehmen, als Sie es bisher getan haben. Sie glaubten ihn auslachen zu können, indem
Sie sagten: Was versteht er von der deutschen
Wirtschaft? Die deutsche Wirtschaft kann nicht
identifiziert werden mit den Herren Währungsgewinnlern, mit den Herren Hortungsgewinnlern,
mit den Herren Marshallplangewinnlern. Die deutsche Wirtschaft wird einen anderen Weg gehen
als gewisse kurzsichtige Politikaster und Hohlköpfe, die glauben, sie könnten die ernsten Realitäten unserer heutigen Lage weiterhin ihrem politischen Agitationsbedürfnis unterstellen, — —