Rede von
Dr.
Linus
Kather
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, Ziffer 1 des Antrags der DP abzulehnen und den Antrag im übrigen an den Ausschuß für Heimatvertriebene zu verweisen. Um diese meine Stellungnahme zu begründen, muß ich kurz auf die letzte Entwicklung dieser Angelegenheit zu sprechen kommen.
Sie alle wissen, daß wir am 2. Dezember 1949 diesen Beschluß gefaßt haben. Sie wissen, daß im Kabinett verschiedene Entwürfe vorlagen und daß sich das Kabinett vor etwa 2 bis 3 Wochen dahin schlüssig gemacht hat, diese Angelegenheit erst einmal bei der Etatberatung auf ihre finanziellen Möglichkeiten zu prüfen und dann zu verabschieden. Sowohl der Herr Bundesminister für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen als auch ich und meine Freunde waren der Auffassung, daß das praktisch eine Hinausschiebung der Angelegenheit auf viele Monate bedeuten würde und daß es nicht möglich ist, diese Sache, die seit vier Jahren im Vordergrund der politischen Diskussion steht und deren Betroffene in demselben Zeitraum der härtesten Not ausgesetzt sind, derart dilatorisch zu behandeln.
Wir haben diese unsere Auffassung dem Herrn Bundeskanzler und dem Kabinett bekanntgegeben, und daraufhin fand vor vier Tagen eine Besprechung des Kabinetts statt, zu der auch ich zugezogen wurde, ebenso auch andere heimatvertriebene Abgeordnete und führende Abgeordnete der Koalitionsparteien. Das Ergebnis dieser neuen Beratungen hat in einer Pressenotiz seinen Niederschlag gefunden, die von der Bundespressestelle herausgegeben worden ist und die einer meiner Vorredner Ihnen schon kurz vorgetragen hat. Danach ist der gegenwärtige Stand so, daß die Bundesregierung mit großer Beschleunigung diesen Gesetzentwurf gemäß Artikel 131 des Grundgesetzes einbringen wird und daß sie zur Überbrückung der Not sich bereit erklärt hat, 20 Millionen DM für die heimatvertriebenen Beamten zur Verfügung zu stellen. Wir dürfen also damit rechnen, daß wir vielleicht und hoffentlich schon in nächster Woche einen Gesetzentwurf der Bundesregierung wegen dieser 20-Millionen-DM-Überbrückungshilfe vorgelegt bekommen. Ich darf in diesem Zusammenhang einschalten, daß am 1. April ein Stillstand in den Zahlungen nicht eintreten wird; es ist Vorsorge getroffen, daß die Zahlungen in der bisherigen Höhe von den Ländern auf Kosten des Bundes weiter geleistet werden.
Meine Damen und Herren! Unter diesen Umständen vermag ich nicht einzusehen, daß es zweckmäßig, ja auch nur tragbar ist, nun plötzlich in diesem Etat noch 1 Million DM zu dem gleichen Zweck
anzufordern. Praktisch würde es so aussehen, daß eine Vergabe in den noch gegebenen sechs Tagen sowieso unmöglich ist, so daß dieser Beschluß nur dann eine Wirksamkeit haben könnte, wenn er auf das nächste Jahr überschrieben wird. Wenn man sich das aber vor Augen hält, dann wird die heutige Beschlußfassung erst recht noch viel problematischer. Herr von Campe hat gesagt, wir müssen endlich aus dem Stadium der Theorie heraus und zur praktischen Arbeit kommen. Ich bin der Meinung, daß wir vor allem aus dem Stadium der Improvisationen herauskommen müssen, und ich muß es ablehnen, daß uns hier in der Sitzung heute ein Antrag mit so eingehenden Vorschlägen vorgelegt wird — das bezieht sich natürlich ganz besonders auf Ziffer 2 —, ohne daß wir Gelegenheit haben, diese Vorschläge zu prüfen oder uns auch nur mit unseren politischen Freunden darüber zu unterhalten.
Ich lehne es auch ab, diese Ziffer 2 im einzelnen zu diskutieren; das ist meiner Ansicht nach vollkommen unmöglich, wenn sie uns erst heute auf den Tisch gelegt wird, ganz besonders aber unmöglich im Rahmen einer Etatberatung, mit der sie ja nur in sehr losem Zusammenhang steht. Wenn wir heute 1 Million in den Etat einsetzen würden, so würden sich die Vertriebenen sofort ausrechnen, daß noch nicht 10 DM auf einen der Notleidenden kommen, und wir würden mit diesem Antrag meiner Ansicht nach mehr Schaden anrichten als Gutes tun, ganz abgesehen davon, daß sie ja doch nur mit den 20 Millionen zusammen zur Auszahlung kommen könnte.
Wenn von irgendeiner Seite hier angeregt würde, einen besonderen Fonds für das Ministerium für Heimatvertriebene zu schaffen, so wäre ich selbstverständlich der erste, der dem zustimmen würde. Aber der Antrag der DP verfolgt ja etwas ganz anderes, und es ist völlig unmöglich, diesen Betrag über einen Fonds zu verwalten, sondern er müßte den Weg gehen, den diese Hilfe im allgemeinen geht. Ich halte es aus allen diesen Gründen für zweckmäßig, heute diesen Einsatz in den Etat nicht vorzunehmen, sondern abzuwarten, bis wir — hoffentlich schon in der nächsten Woche — einen vom Ministerium in allen Einzelheiten ausgearbeiteten Entwurf zur Beratung bekommen, bei dem wir dann diese Gedanken mit der gebotenen Beschleunigung einer Verwirklichung zuführen werden. Denn die Zahlungen aus dieser Überbrückungshilfe sollen schon mit dem 1. April einsetzen.
Zu dem Antrag der Bayernpartei möchte ich heute Ausführungen nicht machen. Auch hier beantrage ich Überweisung an den Ausschuß. Diese Dinge wollen durchaus überlegt werden.
Nun zu etwas Allgemeinem. Es wäre falsch, wenn sich etwa die verschiedenen Geschädigtengruppen gegenseitig Konkurrenz machen wollten. Wir Flüchtlinge und Heimatvertriebenen sind durchaus nicht der Auffassung, daß wir die einzigen Notleidenden sind. Wir verkennen nicht die Not, die überall ist. Wir wollen die Hilfe nur in einen geordneten Rahmen gestellt wissen, und wir sollten daher aus den verschiedenen Geschädigtengruppen darin zusammenarbeiten, daß diese Dinge vom Bund möglichst weitgehend gefördert und erledigt werden.
Zu den beantragten Streichungen möchte ich nur kurz sagen: Die Entwicklung hat von Anfang an denen recht gegeben, die sagten, daß hier eine Arbeit anläuft, die sich immer weiter ausdehnen wird. Ich denke noch daran, daß bei der Konstituierung des Zonenbeirats der Antrag gestellt wurde: wir brauchen keinen besonderen Flüchtlingsausschuß; er sollte mit dem Gesundheits- und Wohlfahrtsausschuß zusammengelegt werden. Wenige Monate später wurde ein besonderer Flüchtlingsrat für die britische Zone begründet. Dann bekamen wir mit vieler Mühe die Verwaltungsstelle in Frankfurt am Main. Und auch um das Ministerium haben wir hier bei der Bildung der Bundesregierung noch kämpfen müssen. Heute ist es wohl schließlich, jedenfalls von den neugebildeten Ministerien, das einzige, das völlig außer Zweifel steht, und so wird die Entwicklung auch in Zukunft weitergehen.
Es ist heute gesagt worden, es handle sich um eine vorübergehende Einrichtung. Das glaube ich nicht. Ich glaube, daß diese Einrichtung wenigstens die Älteren von uns leider Gottes ganz bestimmt überleben wird.
Ich bitte deshalb, diesen Streichungen nicht zuzustimmen, und möchte in Übereinstimmung mit Herrn Dr. Trischler auch meinerseits anmelden, daß wir im nächsten Etat mit wesentlich höheren Forderungen kommen müssen.
Ich möchte die Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, auch meinerseits etwas zur Arbeit des Ministeriums zu sagen. Es sind Angriffe innerhalb und außerhalb des Hauses gegen Herrn Bundesminister Dr. Lukaschek gerichtet worden. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Heimatvertriebene habe ich ja besonders viel Gelegenheit, eng mit ihm zusammenzuarbeiten, und ich kann nur sagen, daß diese Arbeit immer in vorbildlicher Weise vor sich gegangen ist. Die Angriffe, die gegen den Herrn Bundesminister erhoben worden sind, sind durchweg unbegründet; er hat sich in vollem Umfange und mit ganzer Kraft für unsere Anliegen eingesetzt. Es ist ihm heute z. B. der Vorwurf gemacht worden, daß er der Steuerreform zugestimmt hat. Ich weiß genau, daß Herr Minister Dr. Lukaschek von sich aus einen Vorschlag zur Regelung der Frage der Abzüge gemacht hat, der den Interessen der Heimatvertriebenen durchaus entsprach. Ich kann weiter sagen, daß er uns bei unseren Bestrebungen, die ja letzten Endes Erfolg hatten, hier eine Besserung des Gesetzes zu erreichen, durchaus unterstützt hat.
Was ich von ihm sagen kann, kann ich auch von dem ganzen Ministerium sagen. Alle Mitarbeiter sind dort mit Begeisterung bei der Sache, und es herrscht ein geradezu fanatischer Arbeitswille und eine Einsatzfreudigkeit für die Aufgaben der Vertriebenen, für die wir herzlich dankbar sein müssen.
Ich möchte weitere Ausführungen allgemeiner Natur nicht machen. Wir kommen ja zu den einzelnen großen Fragen, bei denen wir Gelegenheit haben werden, unseren Standpunkt mit Nachdruck zu vertreten. Ich möchte nur das Hohe Haus im Augenblick doch bitten, allen diesen Fragen, die diese am meisten vom Krieg getroffene Gruppe betreffen, die nötige Aufgeschlossenheit entgegenzubringen. Es ist schon wiederholt gesagt worden, und ich möchte das heute aufgreifen: von der Art und Weise, wie sich das deutsche Volk mit dem Problem der Heimatvertriebenen abfindet, wird abhängen, wie schnell und in welchem Umfang sich das deutsche Volk die Achtung der Welt wieder erringt. Und ich möchte das dahin abwandeln, daß ich sage: auch das Ansehen des Deutschen Bundestags
im Volke wird wesentlich davon beeinflußt werden, wie er sich gerade zu diesem Problem und der
darin eingeschlossenen großen Not stellt. Daran
bitte ich Sie alle, meine verehrten Damen und
Herren, bei den kommenden Beratungen zu denken.