Meine Damen und Herren, wir haben in diesen Tagen den neuesten Patentplan für die sogenannte Lösung 'des gesamtdeutschen Problems vorgelegt bekommen. Ich meine — Sie werden es bereits ahnen — den sogenannten Plan für gesamtdeutsche Wahlen. Nun gut, Sie haben dieses eine Mal selbst zugegeben, daß dieser „geniale" Plan auf eine Idee des amerikanischen Hohen Kommissars McCloy zurückzuführen ist. Ich wünschte, Sie würden bei allen Ideen, die Sie hier vortragen, mit ebenso großer Offenheit die Urheberschaft bekanntgeben.
Meine Damen und Herren, wenn die Herren Kolonialinspektoren, wenn sie einmal die Beine vom Schreibtisch herunternehmen, ein solches Produkt fabrizieren, das ihrer Fähigkeit für psychologische Kriegführung nicht gerade ein gutes Zeugnis ausstellt, dann soll einen das nicht wundern. Wir haben von derlei Herren sowieso nichts Positives erwartet, in ihrem Leistungsheft steht nur „ungenügend". Aber wenn es deutsche Lehrlinge bei diesen Kolonialinspektoren gibt, die keine andere Konzeption besitzen als nachzuleiern, was sie ihnen vorsagen, dann ist das doch wohl sehr armselig und bescheiden für Leute, die sich deutsche Politiker nennen. Das ist keine deutsche politische Linie, sondern das ist eine amerikanische Linie, eine auf ganz primitive Art und Weise hier vorgetragene amerikanische Politik. Und wenn Sie ehrlich sind, werden Sie zugeben müssen, daß Sie auf diesem Wege keinen Schritt weiter kommen.
Im Pressedienst der Christlich-Demokratischen Union heißt es denn auch schlicht und einfach: „Die Bundesregierung stellt fest, daß es die einzige Aufgabe der zu wählenden Nationalversammlung sei, eine deutsche Verfassung zu schaffen". Die einzige Aufgabe! Nun, ich frage Sie: haben Sie Mangel an Verfassungen?
Haben wir seit 1946 nicht eine Invasion von Verfassungen erlebt, von denen Sie selbst wissen, daß
sie keinen Schuß Pulver taugen? Ich denke, Sie
haben in Bonn im Parlamentarischen Rat eine Verfassung verabschiedet, für die Sie den Anspruch
erheben, daß sie für ganz Deutschland gelten soll!
Das war doch wohl im guten Glauben ausgesprochen. Und jetzt kommen Sie und wollen eine neue gesamtdeutsche Verfassung machen. Wir haben in ,der amerikanischen und französischen Zone eine Reihe von Länderverfassungen erlebt, die sich sehr bald als Bluff und sinnloses Papier erwiesen haben.
Denn wenn es darum ging, mit 'der Verfassung wirklich Ernst zu machen, sie in die Tat umzusetzen — z. B. die Überführung der Grundindustrien in Gemeineigentum, das Mitbestimmungsrecht der Betriebsräte in wirtschaftlichen und sozialen Fragen —, dann haben Sie und wir gemeinsam erlebt, wie der starke Arm der Besatzungsmächte diese Verfassungen schließlich als das kompromittierte, was sie von Anfang an waren, als ein wertloses Stück Papier. Also um allein eine neue derartige Verfassung zu schaffen, hinter der keine deutsche Souveränität steht, dazu 'braucht man wahrlich keine gesamtdeutschen Wahlen zu organisieren.
In dem Dokument des Bundespresseamtes, in dem dieser „geniale" Plan der Öffentlichkeit mitgeteilt wird, heißt es, man würde sich einsetzen für die Betätigungsfreiheit für alle Parteien in ganz Deutschland. Ja nun, das sagt dieselbe Regierung, deren Justizminister erst vor wenigen Tagen über die Bildung eines Verfassungsgerichtshofs gesprochen und dabei angekündigt hat, daß er eine politische Partei Westdeutschlands für verfassungswidrig erklären und damit ihre legale Tätigkeit verbieten würde.
- Sehr richtig? Ich danke Ihnen für die Bestätigung. Das sagen die gleichen britischen Hintermänner, die 'gleichen britischen Kolonialoffiziere, die vorgestern nacht einen deutschen Abgeordneten ohne schriftliche Legitimation und Auftrag aus dem Bett herausgezerrt und ihn gewaltsam weggeschleppt haben.
Meine Damen und Herren! Ich komme zu Punkt 2 Ihrer Deklamationen: Sie wollen die „persönliche Sicherheit und den Schutz vor wirtschaftlichen Benachteiligungen aller für politische Parteien tätigen Personen". Ich denke, es wäre gut, wenn Sie sich einmal um 'die wirtschaftliche Benachteiligung von Betriebsräten und Gewerkschaftsfunktionären hier in Westdeutschland kümmern würden, wenn sie offen für ihre politische Überzeugung eintreten.
Sie sagen in Ihrer Begründung, Sie wollten „in Frieden und in Freiheit" die Wiedervereinigung Deutschlands. In Frieden und in Freiheit bedeutet aber nicht ein Deutschland oder auch nur ein Westdeutschland unter dem Besatzungsstatut, ein
Deutschland oder Westdeutschland unter dem Ruhrstatut, unter der Anwesenheit von imperialistischen Okkupationsmächten.
Und Frieden bedeutet nicht die Remilitarisierung,
die Einrichtung neuer Übungs-, Manöver- und Bombenabwurfplätze wie im Teutoburger Wald und in der Lüneburger Heide.
Frieden bedeutet nicht die Vorbereitungsarbeit für die Aufstellung westdeutscher Fremdenlegionärdivisionen.
Und darum sage ich: Wer der Öffentlichkeit ein solches Dokument vorlegt, in dem der Anschein erweckt wird, als solle damit wirklich die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit vorbereitet werden, und eine Praxis übt, die die Unterwerfung Westdeutschlands unter die Herrschaft der amerikanischen Monopole betreibt, der spielt ein Doppelspiel, 'der spricht die Unwahrheit!
Ich unterstreiche diese Feststellung auch noch damit, daß ich daran erinnere, daß dieser Vorschlag für gesamtdeutsche Wahlen indem gleichen Augenblick veröffentlicht wurde, in 'dem der Herr Bundeskanzler — wieder einmal auf dem Wege über amerikanische Journalisten — ein neues diplomatisches Kunststückchen in die Welt -lancierte, ein Kunststückchen, durch welches er die Wiedervereinigung Deutschlands offiziell auf den SanktNimmerleins-Tag verschiebt, durch welches er Westdeutschland unter dem falschen Titel einer „Wirtschaftsunion mit Frankreich" seiner letzten Rechte berauben und es in ein staatliches Zweckgebilde eingliedern will, an dem niemand anders interessiert ist als die amerikanischen Monopole und Großkapitalisten.
Ein sogenanntes Bündnis der Kanonenkönige, ein Bündnis der Schwerindustrie ist kein Bündnis der Völker.
Es wird von den Völkern verworfen, weil sie aus der Praxis der Schwerindustriellen, der Kanonenkönige,
aus der Praxis der Vorbereitung von zwei Weltkriegen genug Erfahrung gewonnen haben.
Meine Damen und Herren, wer gleichzeitig zwei solche Projekte startet, von denen ein jedes mit dem andern unvereinbar ist, hat den Anspruch verwirkt, vom deutschen Volke ernst genommen zu werden. Eines Tages wird es gesamtdeutsche Wahlen geben,
allerdings nicht auf dem Wege, den Sie jetzt ankündigen.
Sie haben bisher die Realisierung aller Vorschläge, die diesem Ziele wirklich 'dienen, sabotiert und gestört.
Sie haben die Vorschläge für die Bildung provisorischer Zentralstellen für bestimmte wirtschaftliche Aufgaben in ganz Deutschland zurückgewiesen.
Sie haben die Vorschläge zurückgewiesen, die auf den internationalen Konferenzen
zur Schaffung eines gesamtdeutschen Konsultativrates gemacht wurden.