Es gehört schon ein großes Maß- von Selbstbeherrschung für einen Abgeordneten dazu, diese ewigen Anträge in dieser Form anzuhören. Es gehört aber ein noch größeres Maß von Selbstbeherrschung für einen Flüchtlingsabgeordneten dazu, ausgerechnet bei diesem Etat Anträge in dieser lächerlichen Form anhören zu müssen, wie es eben der Fall gewesen ist.
Ich muß ganz offen sagen, ich halte es beinahe für beschämend, in welcher Form hier in vieler Hinsicht die Etatsdebatte geführt wird. Ich hatte Gelegenheit, in zwei anderen Parlamenten des öfteren an Etatsdebatten teilzunehmen. Wie riesengroß der Unterschied ist, können Sie sich kaum vorstellen. In dieser Form, in dieser kleinlichen Art auf einzelne Punkte einzugehen, das gab es einfach nicht. Daran wäre überhaupt nicht zu denken gewesen.
Erfreulich ist andererseits die Tatsache, daß wir bei der Beratung dieses Etats doch feststellen können, daß die Notwendigkeit des Flüchtlingsministeriums hier von keiner Seite angezweifelt wurde. Das ist insofern erfreulich, als ja bei einer Reihe von anderen Ministerien das Gegenteil der Fall war.
Die Auffassungen darüber, wie lange dieses Ministerium existieren soll oder nicht, gehen schon stark auseinander. Wir hören hier im allgemeinen den Standpunkt - und es wäre selbstverständlich erfreulich, wenn wir dieses Ministerium nicht mehr brauchen würden — daß, wenn einmal die Frage gelöst ist, wenn eine wirkliche Eingliederung der Heimatvertriebenen in die gesamtdeutsche Wirtschaft und in den gesamtdeutschen Volkskörper erfolgt ist, dieses Ministerium nicht mehr nötig ist.
Nun sind aber die Grundauffassungen hier recht verschieden, von den zwei Gruppen aus gesehen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß die Ausgangsbasis doch eine recht, recht verschiedene ist und daß diese Eingliederung und Gleichstellung dadurch noch lange nicht erfolgt ist, daß man die Flüchtlingsverwaltung in die allgemeine Verwaltung einbaut. Diese Tendenz merken wir in einer ganzen Reihe von Ländern.' Wenn ich mir z. B. die Verhältnisse in dem Land, aus dem ich komme, in Bayern, vor Augen halte und beobachte, wie dort die Position des Staatskommissars für das Flüchtlingswesen von Jahr zu Jahr abbröckelt, gemindert wird, wie man sie dort gegen Beschlüsse des Landtags praktisch zu einer Abteilung des Innenministeriums gemacht hat, so sehe ich eine Tendenz darin, die wahrscheinlich auch bei anderen Ländern in Anwendung gebracht werden soll und die wahrscheinlich auch manche in diesem Haus für richtig halten. Dieser Tendenz muß ich schärfstens widersprechen. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß die Dauer dieses Flüchtlingsministeriums vorerst noch gar nicht abzusehen ist. Das hängt im wesentlichen davon ab, wieweit wir Mittel auch vom Ausland bekommen, um dieses schwierige Problem zu lösen. Wenn es von uns allein gelöst werden soll, so werden wahrscheinlich einige Jahrzehnte dazu nicht ausreichen.
Dieses Flüchtlingsministerium hat besondere Eigenarten. Es liegt in der Aufgabenstellung begründet, daß es so ist. Hier wird nicht irgendein einzelnes sachliches Arbeitsgebiet verwaltet, wie das sonst die Aufgaben der übrigen Ministerien sind, sondern hier geht es tatsächlich darum, daß das Ministerium versucht, Lebensmöglichkeiten für eine breite Schicht von durch das Schicksal schwer getroffenen Menschen zu untermauern und zu begründen. In dieser Eigenart liegt auch die ganze Zusammensetzung personeller Art begründet. Wenn wir uns überlegen, daß über die Hälfte der Heimatvertriebenen aus ungefähr 10 oder noch mehr europäischen Ländern kommt - von vor 1938 aus gesehen —, dann können wir die ungeheure Vielfältigkeit der Probleme klar erkennen. Es ist wirklich so, daß auch bei einer einzelnen Frage, die in Angriff genommen wird, immer wieder Rücksicht genommen werden muß auf all diese verschiedensten Gruppen und ihre verschiedenste Vergangenheit und die gesetzlichen Regelungen in den alten Heimatstaaten usw. Es müssen also in diesem Ministerium tatsächlich Sachkenner dieses Problems sitzen. Daß diese Sachkenner im wesentlichen nur aus den Reibei
der Heimatvertriebenen selbst kommen können, ist auch klar. Daher ist uns die indirekte Beanstandung der Bayernpartei etwas merkwürdig vorgekommen, daß man hier sagen wollte, es sollten 40 o10 der Angestellten und Beamten dieses Ministeriums auch Einheimische sein. Das geht ja praktisch in diesem Falle nicht so.
- Weil man hier eben Sachkenner braucht; das habe ich gerade ausgeführt. Anscheinend haben Sie nicht zugehört!
Das Ministerium wurde, wenn ich gut informiert bin, von ziemlich maßgebender Stelle mal als eine Krone mit Zacken bezeichnet, bei der die Zacken abgebrochen werden müßten. Dieser Vergleich ist recht gefährlich. Man könnte eher sagen: es ist ein Zahnrad — auch mit Zacken —, aber ein ganz wesentliches Zahnrad, ein Zahnrad, durch das die gesamte Maschinerie unserer Verwaltung und unserer gesamten Regierung in Gang gehalten wird. Und wir wissen, daß, wenn aus einem solchen Zahnrad eine Zacke ausgebrochen wird, die Gefahr besteht, daß die ganze Maschinerie stillsteht. Und diese Gefahr besteht. So kann die Situation des Flüchtlingsministeriums charakterisiert werden.
Ich möchte noch auf einen anderen Gedanken zurückkommen. Wir sehen eine doppelte Tendenz in der weiteren Entwicklung im Flüchtlingsministerium. Auf der einen Seite kommen die schwerbelasteten Länder und möchten sehr gern, daß die gesamte Flüchtlingsverwaltung in den Ländern allmählich vom Flüchtlingsministerium übernommen wird. Das ist begreiflich, weil das hier eine Belastung ist und weil es angenehm wäre, wenn man die gesamte Verantwortung, die man für diese Menschen trägt, nun irgendwie dorthin schieben könnte. Aber merkwürdigerweise geht die Tendenz in anderer Richtung, wenn es sich darum handelt, Mittel des Bundes zum Zwecke der Lösung dieses Problems zu verwenden. Da sind die Länder sofort da und horchen auf und machen Schwierigkeiten und sagen: Das alles muß unter allen Umständen über die Länder erfolgen. Wenn ich an die Beratungen der letzten Tage im Wohnungsbauausschuß denke, wo ich versucht habe durchzudrücken, daß gerade die zweckgebundenen Mittel über den Wohnungsbau nicht so sehr über die Länder gehen sollen, weil wir es praktisch erleben, daß die Schwierigkeiten immer wieder auftauchen; wenn ich mir vor Augen halte, welchen Weg in manchen Ländern die jetzt zur Verfügung gestellten Hunderte von Millionen DM für die Arbeitsbeschaffung gerade wieder in die mit Flüchtlingen belegten Länder gehen werden, so sehe ich die Schwierigkeiten, die sich eben dadurch ergeben, daß die Machtvollkommenheit und die Kompetenz des Ministeriums zu gering ist. Diese Frage „Kompetenz des Ministeriums" ist ganz entscheidend. Wir würden gerne ein recht kräftiges Ministerium auf diesem Sektor sehen. Warum? Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß das Vertrauen der Heimatvertriebenen zur Regierung im wesentlichen über dieses Ministerium geht.
In der Aufgabenstellung liegt es ja selbst begründet, daß dieses Ministerium sowohl mit anderen Ministerien wie auch mit einzelnen Ländern dauernd in Konflikt gerät und zusammenprallt. Es wäre gut, auf verschiedenen Gebieten dem Herrn Minister gewisse Weisungsrechte zu geben.
Ich will es an einem Beispiel zeigen, wo es unbedingt notwendig ist. Das ist der Flüchtlingsausgleich oder die Regelung der Frage der schnellen Unterbringung der neu herankommenden Flüchtlinge aus dem Ausland. Denken Sie an die Tschechoslowakei und Polen. Diese Frage kann man ja gar nicht anders regeln; sie ist zum mindesten so kompliziert und schwierig, daß es notwendig wäre, dem Minister für Heimatvertriebene diesbezüglich größere Rechte einzuräumen.
Einige kurze Bemerkungen zum Etat. Wir sind der Überzeugung, daß dieser Etat tatsächlich sehr sparsam ist. Wir sind ferner der Überzeugung, daß der personelle Stand, der hier vorgesehen ist, absolut notwendig ist. Wir sind auch der Überzeugung, daß in Zukunft die schwierigen Probleme mit diesem Personalstand allein nicht gelöst werden können, sondern daß es notwendig wird, für einzelne Arbeitsgebiete auch noch neue Kräfte mit heranzuziehen. Die Tendenz, die hier verfolgt wird, mag richtig sein, daß es weniger Beamte und mehr Angestellte sein sollen. Es wäre erfreulich und begrüßenswert, wenn wir diese Tendenz bei verschiedenen anderen Ministerien und auch öffentlich-rechtlichen Körperschaften so handhaben würden.
Nun zu den materiellen Fragen. Jetzt sind Ausgaben im wesentlichen vorgesehen für den Personalstand, für die mit der Verwaltung und dem Leben des Ministeriums unbedingt notwendigen sachlichen Ausgaben.
Praktisch haben wir dadurch einen ganz kleinen Ansatzpunkt gehabt, daß auch für eine Sonderaufgabe, und zwar für die Aufklärung über das Flüchtlingswesen im Ausland ein Betrag von 50 000 DM angesetzt worden ist. Ich habe mich aufrichtig darüber gefreut, im Haushaltsausschuß damals zu sehen und zu hören, daß auch einmal — es war wohl der einzige Fall, ich war allerdings nicht bei allen Sitzungen dabei — der Haushaltsausschuß von sich aus einen Betrag von 1000 DM auf 50 000 DM erhöht hat. Hier ist ganz klar die Wichtigkeit dieses Problems erkannt worden. Wir wollen uns aber für die Zukunft darüber im klaren sein, daß wir noch weitergehen müssen, eben aus der Erkenntnis, daß wir allein das Problem nicht lösen können, sondern daß das Ausland mitarbeiten muß. Die Tatsache, daß das Ausland steigend und steigend immer mehr Interesse an diesem Problem zeigt, daß immer mehr Beauftragte aus dem Ausland hier auch zum Ministerium- zwecks Verhandlungen kommen und umgekehrt Beauftragte hinausfahren müssen, zeigt uns, daß es notwendig sein wird, auf diesem Gebiet noch weiter zu gehen.
Ich möchte aber noch zwei Fragen im Zusammenhang damit anschneiden, von denen ich es für notwendig erachte, daß dafür in diesem Ministerium in Zukunft weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden. Da ist zuerst die Frage der Flüchtlingsorganisationen. Wenn Sie sich heute die Vielfalt der bestehenden Organisationen ansehen, wenn Sie erwägen, daß in den einzelnen Ländern „zig" neue Organisationen ins Leben gerufen werden, insbesondere in letzter Zeit neue Flüchtlingsparteien usw., so sehen wir, daß es notwendig ist, daß von oben aus einheitlich .geeignete Organisationen — nicht politischer Art — gefördert werden. Nachdem es klar ist, daß die Flüchtlinge aus eigenen Mitteln diese Organisationen nicht tragen können, kann man es, glaube
ich, ohne weiteres verantworten, daß wir aus öffentlichen Mitteln angemessene Beträge zur Aufrechterhaltung dieser unbedingt notwendigen Organisation zur Verfügung stellen. Wir ersparen uns hier unter Umständen sehr viel und können manches schwere Unglück verhindern, das auftreten könnte, wenn nicht über derartige Organisationen laufend eine entsprechende Aufklärung auch zu den Flüchtlingen hin erfolgen kann.
Eine zweite Gruppe. Denken wir einmal an die kulturellen Institutionen aus all den Gebieten, aus denen diese Heimatvertriebenen gekommen sind. Für diese steht praktisch im Haushalt gar nichts zur Verfügung. Wenn ich mir die Zahlen der Haushalte der Nachfolgestaaten aus diesen Gebieten ansehen würde, so würden bestimmt sehr wesentliche und hohe Beträge darin stehen, um diese Gebiete für sich allmählich zu sichern und zu erobern. Ich glaube, es muß unsere Aufgabe sein, wenn wir daran denken wollen, daß viele von den Heimatvertriebenen wieder in ihre ehemalige Heimat zurückgehen, hier entsprechend vorzubauen. Wir haben hier eine gewisse Erbschaft von dort übernommen. Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit dafür zu sorgen, daß wir parat und fertigstehen für den Fall, daß sie einmal zurückgehen sollten. Also auch Air diese Fragen müssen entsprechende Gelder zum mindesten in der Zukunft zur Verfügung gestellt werden. Es ist doch nicht von Bedeutung, daß wir sie jetzt schon zur Verfügung haben.. Denn praktisch ist dieses Etatsjahr ja schon aus.
Hierher gehört gleichzeitig der eine Gedanke, der in dem Antrag der DP angeschnitten ist, eine Art Sonderfonds zu bilden. Es ist tatsächlich außerordentlich bedauerlich, daß das Ministerium praktisch bis jetzt nicht eine Mark zur Verfügung hatte, um in ganz besonderen Härtefällen irgendwie durch einmalige Beiträge helfend eingreifen zu können. Es ist so nicht nur auf dem Gebiete von ehemaligen Beamten und Angestellten usw., sondern es gibt auch sonst Fälle, wo tatsächlich einmal ganz besondere Verhältnisse herrschen, wo es gerecht und notwendig wäre, durch einen einmaligen Zuschuß beizuspringen. Wir müssen also eine Art Sonderfonds für derartige Zwecke in Zukunft haben. Daher ist der Grundgedanke, der in diesem Antrag der DP zum Ausdruck kommt, zu begrüßen. Manche haben gesagt, es sei viel zu wenig. Richtig! Aber wenn man es tatsächlich als einmalige Zuwendungen in Einzelfällen betrachtet, so bedeutet der Betrag von 1 Million schon etwas. Das hat ja mit der endgültigen Regelung der Beamtenfragen usw. gar nichts zu tun.
Damit kann ich gleich auf den zweiten Punkt des DP-Antrags ganz kurz eingehen, da über diese Frage anschließend bestimmt noch eingehender gesprochen werden wird, und wir ja auch die entsprechenden Begründungen von -seiten der Deutschen Partei noch nicht gehört haben. Für uns ist bezüglich der Angestellten, Beamten und Lohnempfänger usw. ganz klar, daß wir von dem Grundsatz der Gleichstellung nicht abgehen wollen. Wir sehen nicht ein, warum wir einen Beschluß des Bundestags vom 2. Dezember in dieser Frage irgendwie noch einmal umstoßen sollten. Der Herr Präsident wird mir gestatten, daß ich Ihnen ein, zwei Sätze aus einer Entschließung vorlese, aus der gerade unsere Stellungnahme klar hervorgeht.
Wir fordern schließlich die Gleichstellung der Ruhegehaltsbezüge der heimatvertriebenen Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes sowie der Hinterbliebenen mit denen der einheimischen Ruhegehaltsempfänger. Diese Forderung gilt auch für Beamte und Angestellte solcher öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die nicht Gebietskörperschaften waren. Wir sind der Auffassung, daß die Heimatvertriebenen dem gleichen Vaterlande mit derselben Treue gedient haben wie ihre einheimischen Berufskollegen. Es gibt also keinen Grund, sie in ihren Versorgungsbezügen schlechter zu stellen.
Das ist ein Beschluß unseres letzten Parteitages, und daraus geht unsere Stellungnahme ganz klar hervor. Wir wollen zu dieser Frage auch diesen Standpunkt aufrechterhalten.
Wir bedauern es außerordentlich, daß von Regierungsseite bis heute auf den Beschluß vom 2. Dezember bezüglich der Regelung der Beamtengehälter, Pensionen, Wartegelder usw. noch nichts erfolgt ist. Wir begrüßen eine jede Anregung von allen Seiten, die dazu beiträgt, daß dieses Problem möglichst bald geregelt wird. Sie wissen, daß wir die Dringlichkeit dieser Aufgabe ganz klar erkannt haben; deswegen haben wir auch unseren Urantrag Drucksache Nr. 668 rechtzeitig schon am 3. März eingereicht. Die Frage drängt außerordentlich. Heute haben wir schon den 24. März, und der Antrag steht noch nicht einmal auf der Tagesordnung, wobei wir wissen, daß praktisch am 1. April ja ein Vakuum entsteht und keine Regelung getroffen ist, nachdem die Sache ja von den Ländern auf den Bund übergehen soll. Es wäre also sehr notwendig, daß wir uns über diese Gesetzesvorlage noch in der nächsten Woche eingehend unterhalten.
Sonst möchte ich auf einzelne Fragen, die selbstverständlich für die Flüchtlinge von größter Bedeutung sind, hier absichtlich nicht eingehen. Sie sind erstens von anderen Rednern sehr häufig erörtert worden; sie werden in allen Ausschüssen und bei sonstigen Gelegenheiten besprochen. Ich will davon bewußt Abstand nehmen. Das heißt aber nicht, daß wir daran nicht das brennendste Interesse hätten und nicht von unserer Seite alles tun werden, um hier Schritt für Schritt vorwärtszukommen.
Wir werden dem Etat unsererseits unsere Zustimmung in voller Höhe geben.