Protokoll:
18203

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 203

  • date_rangeDatum: 24. November 2016

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:44 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/203 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 203. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 24. November 2016 Inhalt: Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20263 A Absetzung des Tagesordnungspunktes V c . . . 20263 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 20263 C Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Drucksachen 18/9200, 18/9202 . . . . . . . . . 20264 B b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Finanz- plan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20264 C I.13 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Drucksachen 18/9809, 18/9824 . . . . . . . 20264 C Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 20264 C Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20265 C Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20267 C Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20269 A Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . 20271 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20274 C Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 20275 D Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20276 D Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20278 B Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20279 D Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 20281 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 20282 C Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20283 D Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20285 A Mark Hauptmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20286 B Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20287 A Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20288 B Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU) . . . . . . . . 20290 A I.14 Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung Drucksachen 18/9821, 18/9824 . . . . . . . 20292 A Nicole Gohlke (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20292 B Anette Hübinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20293 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20295 C Swen Schulz (Spandau) (SPD) . . . . . . . . . . . . 20297 C Thomas Rachel, Parl. Staatssekretär BMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20299 C Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20301 C Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . 20302 B Dr. Philipp Lengsfeld (CDU/CSU) . . . . . . . . . 20303 D Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. November 2016II Ralph Lenkert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 20304 A Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD) . . . . . . . . . 20304 B Kai Gehring (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20305 B Albert Rupprecht (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 20306 D Martin Rabanus (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20309 B Sven Volmering (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20310 A Dr. Simone Raatz (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20311 B Tankred Schipanski (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20312 C Rainer Spiering (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20314 A Oliver Kaczmarek (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20315 A Tagesordnungspunkt IV: Antrag der Abgeordneten Peter Meiwald, Nicole Maisch, Harald Ebner, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu den Entwürfen der Kommis- sion für zwei Rechtsakte zur Festlegung wissenschaftlicher Kriterien für die Bestim- mung endokrinschädigender Eigenschaften im Zusammenhang mit Pflanzenschutzmit- teln und Biozidprodukten (C(2016) 3751, C(2016) 3752) hier: Stellungnahme gegenüber der Bun- desregierung gemäß Artikel 23 Ab- satz 3 des Grundgesetzes Schutz vor Hormongiften verbessern – Die Kriterien für endokrine Disruptoren müs- sen dem Vorsorgeprinzip entsprechen Drucksache 18/10382 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20316 B Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Ent- wurfs eines Vierten Gesetzes zur Ände- rung des Conterganstiftungsgesetzes Drucksache 18/10378 . . . . . . . . . . . . . . . . 20316 C b) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kotting- Uhl, Dr. Julia Verlinden, Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Atomkosten verursachergerecht anlas- ten –Kernbrennstoffsteuer beibehalten und anheben Drucksache 18/10034 . . . . . . . . . . . . . . . . 20316 C Tagesordnungspunkt V: a) – Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro- tokoll vom 27. Juni 1997 zur Neufas- sung des Internationalen Überein- kommens vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ Drucksachen 18/9877, 18/10314 . . . . . 20317 A – Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung ein- gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 8. Oktober 2002 über den Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Internationalen Übereinkommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Si- cherung der Luftfahrt „EUROCON- TROL“ entsprechend den verschie- denen vorgenommenen Änderungen in der Neufassung des Protokolls vom 27. Juni 1997 Drucksachen 18/9878, 18/10314 . . . . . 20317 A b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Beteiligung des Bundes an den Kosten der Inte- gration und zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen Drucksachen 18/9980, 18/10264, 18/10307 Nr. 12, 18/10397 . . . . . . . . . 20317 C Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . 20317 D Sevim Dağdelen (DIE LINKE) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . 20318 D Bernhard Daldrup (SPD) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . 20319 C Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . 20321 B d)–j) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersich- ten 375, 376, 377, 378, 379, 380 und 381 zu Petitionen Drucksachen 18/10266, 18/10267, 18/10268, 18/10269, 18/10270, 18/10271, 18/10272 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20322 C Tagesordnungspunkt II: Wahlvorschlag der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wahl der Mitglieder des Natio- nalen Begleitgremiums gemäß § 8 Absatz 3 des Standortauswahlgesetzes Drucksache 18/10377 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20323 A Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Ge- setzes über die Feststellung des Bundes- Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. November 2016 Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. November 2016 III haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) Drucksachen 18/9200, 18/9202 . . . . . . . . . 20264 B b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Finanz- plan des Bundes 2016 bis 2020 Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827 . 20264 C I.15 Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und So- ziales Drucksachen 18/9811, 18/9824 . . . . . . . 20323 B Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 20323 B Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS . . . 20325 A Markus Kurth (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20326 D Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20328 A Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20329 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20330 D Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20332 C Matthias W. Birkwald (DIE LINKE) . . . . . . . 20334 D Karl Schiewerling (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 20335 B Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20335 C Dr. Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 20337 A Mark Helfrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20338 A Kerstin Griese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20339 D Tobias Zech (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 20340 C Sabine Zimmermann (Zwickau) (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20341 A Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20343 B Antje Lezius (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 20344 A I.16 Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Seni- oren, Frauen und Jugend Drucksachen 18/9816, 18/9824 . . . . . . . 20345 D Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20346 A Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20347 B Katja Dörner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20348 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20349 C Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 20350 D Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20352 B Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20353 D Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU) . . . . 20355 C Dr. Franziska Brantner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20357 B Svenja Stadler (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20358 C Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU). . . 20359 C Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20361 D Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 20362 D Christina Schwarzer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 20364 C I.17 Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Drucksachen 18/9810, 18/9824 . . . . . . . 20366 A Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 20366 B Cajus Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 20368 A Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20369 D Ulrich Freese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20371 B Christian Schmidt, Bundesminister BMEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20372 B Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 20374 D Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 20375 C Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20376 D Johannes Röring (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 20378 A Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 20379 D Franz-Josef Holzenkamp (CDU/CSU) . . . . . . 20380 B Christina Jantz-Herrmann (SPD) . . . . . . . . . . 20382 B Alois Gerig (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 20383 B Jeannine Pflugradt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 20384 D Willi Brase (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20385 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20386 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 20387 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. November 2016 20263 203. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 24. November 2016 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Willi Brase (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 203. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 24. November 2016 20387 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Connemann, Gitta CDU/CSU 24.11.2016 De Ridder, Dr. Daniela SPD 24.11.2016 Gleicke, Iris SPD 24.11.2016 Heller, Uda CDU/CSU 24.11.2016 Hennrich, Michael CDU/CSU 24.11.2016 Hintze, Peter CDU/CSU 24.11.2016 Kretschmer, Michael CDU/CSU 24.11.2016 Marwitz, Hans-Georg von der CDU/CSU 24.11.2016 Möhring, Cornelia DIE LINKE 24.11.2016 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 24.11.2016 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Schimke, Jana CDU/CSU 24.11.2016 Schlecht, Michael DIE LINKE 24.11.2016 Schnieder, Patrick CDU/CSU 24.11.2016 Strebl, Matthäus CDU/CSU 24.11.2016 Sütterlin-Waack, Dr. Sabine CDU/CSU 24.11.2016 Tank, Azize DIE LINKE 24.11.2016 Timmermann-Fechter, Astrid CDU/CSU 24.11.2016 Wawzyniak, Halina DIE LINKE 24.11.2016 Zeulner, Emmi * CDU/CSU 24.11.2016 *aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 203. Sitzung Inhaltsverzeichnis EPL 09 Wirtschaft und Energie EPL 30 Bildung und Forschung TOP IV Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP V Abschließende Beratungen ohne Aussprache TOP II Wahl zum Begleitgremium gemäß Standortauswahlgesetz EPL 11 Arbeit und Soziales EPL 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend EPL 10 Ernährung und Landwirtschaft Anlage
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820300000

Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich zur Fortsetzung unserer Haushalts-
debatte.

Bevor ich den nächsten Einzeletat aufrufe, möchte
ich Ihnen mitteilen, dass es eine interfraktionelle Ver-
einbarung gibt, die Tagesordnung um die in der Zusatz-
punkteliste aufgeführten Punkte zu erweitern:

ZP 1 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs
eines Vierten Gesetzes zur Änderung des
Conterganstiftungsgesetzes

Drucksache 18/10378

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Atomkosten verursachergerecht anlasten –
Kernbrennstoffsteuer beibehalten und
anheben

Drucksache 18/10034

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Federführung strittig

Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit
erforderlich, abgewichen werden.

Tagesordnungspunkt V c soll abgesetzt werden.

Schließlich mache ich noch auf mehrere nachträgli-
che Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatz-
punkteliste aufmerksam:

Der am 20. Oktober 2016 (196. Sitzung) überwie-
sene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe

(17. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen werden:


Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stär-
kung der nichtfinanziellen Berichterstattung
der Unternehmen in ihren Lage- und Kon-

(CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz)


Drucksache 18/9982
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Der am 10. November 2016 (199. Sitzung) überwie-
sene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung (18. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen
werden:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau
verzichtbarer Anordnungen der Schriftform
im Verwaltungsrecht des Bundes

Drucksache 18/10183
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung
Ausschuss Digitale Agenda

Der am 10. November 2016 (199. Sitzung) überwie-
sene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem
Ausschuss für Kultur und Medien (22. Ausschuss) zur
Mitberatung überwiesen werden:






(A) (C)



(B) (D)


Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Neunten Geset-
zes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbe-
werbsbeschränkungen

Drucksache 18/10207

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Kultur und Medien
Ausschuss Digitale Agenda

Der am 11. November 2016 (200. Sitzung) überwiese-
ne nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus-
schuss für Gesundheit (14. Ausschuss) zur Mitberatung
überwiesen werden:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Rege-
lung von Ansprüchen ausländischer Personen
in der Grundsicherung für Arbeitsuchende
nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und
in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch So-
zialgesetzbuch

Drucksache 18/10211

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Der am 20. Oktober 2016 (196. Sitzung) überwiesene
nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus-
schuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung (18. Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen
werden:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Weiter-
entwicklung der steuerlichen Verlustverrech-
nung bei Körperschaften

Drucksachen 18/9986, 18/10348

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO

Ich frage Sie, ob Sie damit einverstanden sind. – Das
ist offenkundig der Fall.

Wir setzen nun unsere Haushaltsberatungen – Tages-
ordnungspunkt I – fort:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017)


Drucksachen 18/9200, 18/9202

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020

Drucksachen 18/9201, 18/9202, 18/9827

Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt I.13 auf:

Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Ener-
gie

Drucksachen 18/9809, 18/9824

Berichterstatter sind die Abgeordneten Thomas Jurk,
Andreas Mattfeldt, Roland Claus und Anja Hajduk.

Zum Einzelplan 09 liegen zwei Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke sowie ein Änderungsantrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 125 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Also verfahren wir so.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Roland Claus für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820300100

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und

Herren! Bundesminister Sigmar Gabriel wird uns in etwa
einer halben Stunde wieder die gute wirtschaftliche Situ-
ation in Deutschland erklären in Bezug auf Arbeitsmarkt,
Steuereinnahmen, Wachstumsraten.


(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Mit gutem Grund! – Johannes Kahrs [SPD]: Mit Recht, Herr Kollege! – Dr. Michael Fuchs [CDU/ CSU]: Was stimmt, stimmt!)


– Das habe ich auch nicht bestritten, Herr Kollege. – Im
September hat der Minister diese Betrachtung mit der
Einschätzung abgerundet – ich zitiere ihn –:

In der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik muss
die Bundesregierung also irgendetwas richtig ge-
macht haben.

Bescheiden wie wir ihn kennen! Nun frage ich einmal
andersherum: Kann es nicht vielleicht auch sein, dass die
Opposition in Deutschland etwas richtig gemacht hat,


(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Nein!)


weil sie die Regierung regelmäßig von noch größeren
Fehlern abhält?


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wäre das nicht auch einmal einen Dank wert, meine Da-
men und Herren? Sie müssen sich darüber gar nicht so
aufregen; denn ich denke nicht nur an die Opposition im
Bundestag, sondern zum Beispiel auch an die CDU-Op-
position in Nordrhein-Westfalen. Sie von der Union ha-

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


ben doch immer den Hauptfeind in Düsseldorf ausge-
macht.

Zurück zu den wirtschaftlichen Leistungen. Leider
sind die Früchte des Erfolgs sehr ungleich verteilt. Für
Millionen von Beschäftigten und deren Kinder gilt leider:
arm trotz Arbeit. Wer von seinem Lohn nicht leben kann
und noch staatliche Hilfe braucht, wird verwaltungsmä-
ßig „Aufstocker“ genannt. Das ist diskriminierend. Herr
Bundesminister und Parteivorsitzender, das kann Sie
doch nicht kaltlassen. Da muss ein Wirtschaftsminister
doch etwas tun. Dafür gibt ihm das Parlament ja den Etat
in die Hand.

Mit diesem Etat bedient das Bundeswirtschafts- und
-energieministerium erneut staatsnahe Monopolisten,
zum Beispiel Flugzeugbauer. Das kritisieren wir regel-
mäßig; das kennen Sie von uns. Aber mit diesem Etat tut
das Ministerium auch etwas für die Förderung des Mit-
telstandes. Das Zentrale Innovationsprogramm Mittel-
stand, ZIM, ist ein solches Programm, das von uns allen
unterstützt wird. Insofern beantragt die Linke hier, die
Mittel für dieses Programm im nächsten Jahr um 80 Mil-
lionen Euro zu erhöhen.


(Beifall bei der LINKEN)


Das ist ein Vorschlag, dem Sie sich anschließen sollten.
Dass das Geld in diesem Lande da ist, sehen Sie doch
allein daran, dass das Kabinett schon in der nächsten Wo-
che einen Nachtragshaushalt für 2016 beschließen wird,
über den wiederum Geld verteilt wird.

Das Bundeswirtschaftsministerium fördert bekannt-
lich auch die internationalen Wirtschaftsbeziehungen,
unter anderem durch Zuschüsse an etwa 130 Außenhan-
delskammern in aller Welt. Gerade von diesen Handels-
kammern ergeht seit Jahren die Botschaft an das Minis-
terium: Macht Schluss mit den Wirtschaftssanktionen
gegen Russland, unter denen insbesondere ostdeutsche
kleine und mittelständische Unternehmen leiden! Erfreu-
lich ist, dass der Außenhandel zwischen Deutschland und
Russland 2016 wahrscheinlich wieder anwachsen wird;
aber noch immer beschäftigen Sie sich mit diesen Sank-
tionen.

Das Bundeswirtschaftsministerium ist auch das Ost-
ministerium der Bundesregierung. Die Parlamentarische
Staatssekretärin Gleicke fungiert als Beauftragte der Bun-
desregierung für die sogenannten – so der Begriff – neu-
en Länder; mit dem komischen Begriff muss man auch
irgendwann mal aufräumen. Ein völlig falsches Signal
aber setzen Sie nun mit diesem Haushalt, in dem die Mit-
tel für die Ostbeauftragte um exakt ein Viertel abgesenkt
werden. Das ist doch ein absurdes Signal. Wenn man das
auf den Kalender von 2017 umrechnet, heißt das: Im Ver-
gleich zu 2016 reicht das Geld dann gerade mal bis zum
September 2017, also bis zur Wahl. Und da wundern Sie
sich, wenn manche Kritiker daraus ableiten, dass hier
womöglich die Abschaffung einer Ostverantwortung in
der Bundesregierung etatisiert wird. Das haben Sie vom
Wirtschaftsministerium bei der Beratung zwar vehement
dementiert. Aber warum, frage ich Sie, gibt es dann ei-
nen solchen Dilettantismus beim Haushalt? Auch hierzu
stellen wir einen Änderungsantrag. Das lässt sich ändern;

da geht es nicht um so viel Geld. Folgen Sie unserem
Vorschlag, meine Damen und Herren!


(Beifall bei der LINKEN)


Eine zukunftsfähige Wirtschafts- und Energiepolitik
ist mit diesem Etat nicht möglich. Das weiß wohl auch
Bundesminister Gabriel. Eine andere Wirtschafts- und
Energiepolitik ist nötig, und sie ist auch möglich.

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie abschlie-
ßend um Verständnis bitten: Ich kann der Debatte nicht
bis zum Schluss folgen, weil ich zu einer Trauerfeier für
den verstorbenen langjährigen Stadtvorsitzenden meiner
Partei in Halle, Frank Baier, fahren möchte. Ich bitte Sie
um Verständnis dafür und danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820300200

Das Wort erhält nun der Kollege Thomas Jurk.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Thomas Jurk (SPD):
Rede ID: ID1820300300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer Feststel-
lung beginnen: Es steht einem sozialdemokratischen Mi-
nister gut zu Gesicht, wenn er sich auch unter schwierigen
Rahmenbedingungen für den Erhalt von Arbeitsplätzen
einsetzt. Ich meine aktuell das Engagement von Bundes-
wirtschaftsminister Sigmar Gabriel beim Streit um die
Zukunft der Filialen von Kaiser’s Tengelmann. Denn es
ist nicht selbstverständlich, nach all den Rückschlägen
und trotz massiven Gegenwinds weiter am Ball zu blei-
ben und mit den Gewerkschaften und unserem Altkanz-
ler Gerhard Schröder eine Schlichtung auf den Weg zu
bringen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, die
Einigung wird nun hoffentlich die Arbeitsplätze von
15 000 Beschäftigten sichern. Herzlichen Dank für Ihren
Einsatz, Herr Minister.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auf die allgemeine wirtschaftliche Lage will ich hier
nur kurz eingehen. Fakt ist: Die deutsche Wirtschaft be-
findet sich auf einem soliden Wachstumskurs. Die Er-
werbstätigkeit liegt auf hohem Niveau, und die Arbeits-
losigkeit sinkt kontinuierlich. Ich verschweige nicht, dass
leider immer noch viel zu viele Menschen trotz harter
Arbeit einen zu geringen Lohn beziehen. Dennoch: Die
Löhne und Renten steigen, auch dank des von der SPD
durchgesetzten gesetzlichen Mindestlohnes, weshalb
die wirtschaftliche Entwicklung derzeit ganz wesentlich
vom privaten Konsum getragen wird.

Wenn wir über den Haushalt des Bundeswirtschafts-
ministeriums, kurz: BMWi, sprechen, geht es immer
darum, wie wir mit den zur Verfügung stehenden Haus-
haltsmitteln die deutsche Wirtschaft weiter stärken, In-
novationen vorantreiben, unsere Fachkräftebasis sichern
und stärker investieren. Kurz gesagt: Es geht darum, wie
wir heute die Grundlagen für unseren Wohlstand von
morgen sichern.

Roland Claus






(A) (C)



(B) (D)


Wir beraten in dieser Woche den letzten regulären
Haushalt dieser Wahlperiode. Das ist ein guter Anlass,
eine Bilanz über die Entwicklung des BMWi-Haushal-
tes seit 2013 zu ziehen. An unseren Haushaltszahlen lässt
sich dies ja auch ganz gut ablesen. Danach haben wir in
dieser Wahlperiode im Wirtschaftsetat ganz zweifellos
die notwendigen Schwerpunkte bei Innovation und Di-
gitalisierung gesetzt.

Eine zentrale Aufgabe unserer Wirtschaftspolitik ist
es, die Leistungsfähigkeit des deutschen Forschungs-
und Innovationssystems sicherzustellen. Deshalb haben
wir im Einzelplan 09 die Ausgaben für anwendungs-
orientierte Forschung und Entwicklung von 3 Milliarden
Euro um rund 600 Millionen Euro auf 3,6 Milliarden
Euro erhöht. Das ist eine Steigerung von 20 Prozent in
nur einer Wahlperiode.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist eine beachtliche Leistung, die zeigt, dass wir es
mit der Modernisierung unserer Volkswirtschaft ernst
meinen – wie ernst, das zeigt sich insbesondere bei der
Industriellen Gemeinschaftsforschung, IGF, und dem
Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, die
wir massiv gestärkt haben. Für die IGF stehen im kom-
menden Jahr nun 169 Millionen Euro bereit; das sind
35 Millionen Euro mehr als im Jahre 2013.


(Johannes Kahrs [SPD]: Sehr gut!)


Auch beim ZIM haben wir noch eine Schippe draufge-
legt. Mit einem Titelansatz von 548,5 Millionen Euro so-
wie dem Verstärkungsvermerk über weitere 20 Millionen
Euro können 2017 für das ZIM bis zu 568,5 Millionen
Euro eingesetzt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Großartig!)


– Der Beifall ist völlig richtig, Kollege Kahrs und liebe
Freunde von der SPD-Fraktion; damit stehen im kom-
menden Jahr beim ZIM etwa 58 Millionen Euro mehr
zur Verfügung als zu Beginn dieser Wahlperiode. Daran
möchte ich noch einmal ausdrücklich erinnern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


– Ich freue mich auch über den Beifall von der rechten
Seite hier; denn das sind doch beachtliche Steigerungen,
welche den hohen Stellenwert unterstreichen, den die
Große Koalition der Förderung von Forschung und Ent-
wicklung in kleinen und mittelständischen Unternehmen
einräumt.


(Johannes Kahrs [SPD]: Daran merkt man, wie gut wir sind!)


Damit Deutschland ein wettbewerbsfähiger Indus-
trie- und Produktionsstandort bleibt, müssen wir die Di-
gitalisierung der Wirtschaft vorantreiben. Die dafür zur
Verfügung stehenden Fördermittel haben wir deshalb
in dieser Wahlperiode massiv erhöht, von 60 Millionen
Euro im Jahre 2013 auf immerhin 173 Millionen Euro für
das Jahr 2017. Davon profitieren nicht zuletzt kleine und
mittlere Unternehmen und das Handwerk.

Ich verweise hier beispielsweise auf das sehr erfolg-
reiche Modellvorhaben „go-digital“, welches wir 2017
zu einem bundesweiten Förderprogramm ausbauen wer-
den. Mit „go-digital“ können kleine und mittlere Unter-
nehmen und das Handwerk externe Beratungsleistungen
in Anspruch nehmen, um fit für die digitalen Herausfor-
derungen zu sein.


(Johannes Kahrs [SPD]: Auch schön!)


Zudem werden wir im kommenden Jahr eine bundeswei-
te Abdeckung mit Mittelstand-4.0-Kompetenzzentren
erreichen. Diese Kompetenzzentren sind eine große Un-
terstützung für kleine und mittlere Unternehmen bei der
Digitalisierung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Fördermittel für die Digitale Agenda werden wir
in den kommenden Jahren deutlich erhöhen, steigen wir
doch mit diesem Haushalt massiv in die strategische För-
derung von Neuentwicklungen in der Mikroelektronik
ein. Hier sollen in den nächsten Jahren allein im Etat des
BMWi bis zu 1 Milliarde Euro bereitstehen.

Wenn wir von Innovationen sprechen, darf die Luft-
und Raumfahrt nicht fehlen, die ein wichtiger Innovati-
onstreiber für die gesamte Wirtschaft ist. Wir geben im
kommenden Jahr für diesen Bereich 214 Millionen Euro
mehr aus als 2013. Besonders freut es mich, dass es uns
gelungen ist, für den Betrieb von sechs neuen Instituten
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt an ver-
schiedenen Standorten zusätzlich dauerhaft 42 Millionen
Euro jährlich bereitzustellen;


(Johannes Kahrs [SPD]: Sehr gute Sache!)


denn dies ist ein überaus wichtiger Beitrag zum Aufbau
Ost, werden doch erstmals zwei neue DLR-Institute in
den neuen Ländern angesiedelt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch die maritime Wirtschaft statten wir finanziell
besser aus. Insgesamt stehen hier 2017 mehr als 17 Mil-
lionen Euro bzw. 37 Prozent mehr Mittel als 2013 zur
Verfügung. Wir setzen damit ein deutliches Zeichen für
eine starke und innovative maritime Wirtschaft bei uns
im Land.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


In meiner gestrigen Rede sprach ich davon, dass wir
den Zusammenhalt in Deutschland stärken müssen. Dazu
haben wir im Etat des BMWi einen wichtigen Beitrag
geleistet. Wir haben die Mittel für die Gemeinschafts-
aufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk-
tur“, kurz: GRW, dem wichtigsten Förderprogramm für
strukturschwache Regionen, insbesondere in Ostdeutsch-
land, auf 624 Millionen Euro erhöht. Gegenüber der Fi-
nanzplanung der Vorgängerregierung sind das sage und
schreibe 55 Millionen Euro mehr. Auch das gehört zu
unserer Leistungsbilanz dieser Wahlperiode.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Thomas Jurk






(A) (C)



(B) (D)


Selbstverständlich haben wir den Mittelstand fest im
Blick behalten: Für die Fachkräftesicherung der kleinen
und mittleren Unternehmen steht im Vergleich zu 2013
mehr als doppelt so viel Geld bereit. Wir haben die Mittel
für die immer bedeutsamer werdende Kultur- und Krea-
tivwirtschaft um 5 Millionen Euro angehoben, und bei
den Investitionen in überbetriebliche Fortbildungsein-
richtungen haben wir den Ansatz um 8 Millionen Euro er-
höht. Weil die Existenzgründer von heute der Mittelstand
von morgen sind, haben wir in diesem Bereich die Mittel
seit 2013 massiv erhöht: beim Investitionszuschuss Wag-
niskapital um 16 Millionen Euro auf 46 Millionen Euro
und bei den Existenzgründungen aus der Wissenschaft,
bekannt unter „EXIST“, um knapp 7 Millionen Euro auf
55 Millionen Euro.

Zu Beginn dieser Legislaturperiode haben wir die
Kompetenzen zur Energiewende im BMWi gebündelt,
für eine Politik aus einem Guss und eine bessere Verzah-
nung der einzelnen Förderinstrumente. Wir haben seit-
dem nicht nur das Strommarktgesetz verabschiedet und
das EEG weiterentwickelt. Wir haben auch die Ausgaben
im Energiebereich deutlich erhöht. Neben den Mitteln
aus dem Einzelplan des Bundeswirtschaftsministeriums
bewirtschaftet das Ministerium auch Mittel aus dem
Energie- und Klimafonds. Das sind im Haushalt 2017
für den Bereich der Energieforschung über 540 Millio-
nen Euro, für die erneuerbaren Energien über 455 Milli-
onen Euro und für die Energieeffizienz sage und schreibe
2,43 Milliarden Euro; darin enthalten sind insbesondere
Mittel für die CO2-Gebäudesanierung, aber auch für das
Anreizprogramm Energieeffizienz.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Lassen Sie mich abschließend noch kurz auf den An-
trag der Linken eingehen;


(Johannes Kahrs [SPD]: Lohnt nicht!)


Kollege Claus hat ihn gerade begründet. Beantragt wird
eine Erhöhung der Mittel für „Schwerpunktaufgaben der
Beauftragten für die neuen Länder“ um 950 000 Euro.


(Zuruf von der LINKEN: Ein guter Antrag!)


Der Sachverhalt – darauf hat Herr Claus richtigerweise
hingewiesen – wurde bereits im Rahmen der Haushalts-
beratungen hinreichend diskutiert. Kurz zusammenge-
fasst: Bei Bedarf stehen ausreichend Haushaltsreste zur
Verfügung.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ja!)


Aber Sie wollen ja den Eindruck erwecken, wir würden
im Wirtschaftsetat nicht genug für den Osten tun. Des-
halb möchte ich die Fakten kurz zusammenfassen: Al-
lein beim ZIM und der IGF stehen für die neuen Länder
in dieser Wahlperiode insgesamt mehr als 80 Millionen
Euro zusätzlich bereit, und für die GRW stellen wir zu-
sätzlich mehr als 123 Millionen Euro zur Verfügung.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das ist doch mal was!)


Nicht zu vergessen die Förderung der Mikroelektronik,
bei der voraussichtlich 80 Prozent der Investitionszu-
schüsse in die neuen Länder fließen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bis 2020 sind das immerhin 800 Millionen Euro. Zur Be-
deutung der DLR-Institute für den Osten habe ich schon
genug gesagt. – Vor diesem Hintergrund hält sich mein
Verständnis für Ihr kleines Karo nun wirklich in Grenzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ehe mich der Präsident rügt, komme ich zum Schluss.
Ich kann zusammenfassend feststellen: Unsere Bilanz
nach vier Jahren fällt sehr positiv aus. Wir haben wich-
tige Weichenstellungen vorgenommen und den Etat des
Bundeswirtschaftsministeriums zu einem echten Zu-
kunftshaushalt umgestaltet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Großartig!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820300400

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält nun

die Kollegin Anja Hajduk das Wort.


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820300500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Wir sprechen hier über den Haushalt des Wirt-
schafts- und Energieministers. Ein Energieminister im
21. Jahrhundert hat sicherlich die Verantwortung dafür,
dass auch und gerade ein Industrieland wie Deutschland
seine eigenen Klimaschutzziele erreicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Da ist es schon ein großer Makel, Herr Minister, dass sich
die Experten bei der Verantwortungszuschreibung einig
sind: Der Klimaschutz in Deutschland scheitert vor allem
an der Kohlepolitik von Minister Gabriel.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Quatsch mit Soße!)


Sie, der zuständige Minister, haben eine klare Ziel-
setzung für den Kohleausstieg verhindert und Frau
Hendricks mit einem entkernten Klimaschutzplan nach
Marrakesch geschickt. Ich betone da Ihre Verantwortung,
weil es schon interessant ist, dass gerade ein SPD-Minis-
ter, der für Energie verantwortlich ist, dies zulässt. Ich
sage dazu: Man kann über den Zeitpunkt des Kohleaus-
stiegs wahrlich streiten, und man muss ihn industrie- und
arbeitsmarktpolitisch verantwortlich organisieren; das
wissen auch wir Grünen, und wir werden deswegen über
den richtigen Zeitpunkt streiten. Aber dass man den Zeit-
punkt ganz killt und das Thema Kohleausstieg nicht als
Ziel formuliert, ist keine richtige Politik im 21. Jahrhun-
dert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Thomas Jurk






(A) (C)



(B) (D)


Herr Gabriel, ich muss Ihnen sagen: Gerade Sie als So-
zialdemokrat haben da wirklich die Chance verpasst,
einmal mutig und überraschend ein Innovationsziel zu
setzen. Dazu fehlt Ihnen offensichtlich die Kraft. Da ma-
chen Sie den Rücken nicht gerade.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage das vor dem Hintergrund, dass sich ande-
re Länder solche Ziele gesetzt haben; in der Folge ist
Deutschland im Klimaschutz-Index von Platz 22 auf
Platz 29 abgerutscht, hinter Indien, Indonesien und
Ägypten. Die kanadische Regierung zum Beispiel hat
sich Anfang dieser Woche das Ziel gesetzt, 2030 aus der
Kohle auszusteigen. Offensichtlich brauchen wir in der
nächsten Legislaturperiode eine andere Regierung, um
hier auf einen Zukunftspfad zu kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber, Herr Minister, es wird auch nicht besser, wenn
wir uns einmal genauer anschauen, wie es mit der Ener-
gieeffizienz und der Wende dort aussieht; dieser Bereich
ist ja eigentlich der Riese der Energiewende. Da müssen
wir feststellen, dass das, was Sie vorschlagen, im Grun-
de gar nicht funktioniert. Mehr als eine halbe Milliarde
Euro bleibt in 2016 ungenutzt, weil Ihr Energieeffizienz-
fonds nicht funktioniert und weil die Mittel des Gebäude-
sanierungsprogramms nicht richtig abfließen. Auch beim
Anreizprogramm Energieeffizienz bleiben weit über
100 Millionen Euro übrig.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie auch mal etwas zu Moorburg?)


500 Millionen Euro bleiben ungenutzt. Es gibt ein
Wirrwarr an Zuständigkeiten und Programmen. Das
lähmt die Energieeinsparung und die Unternehmen, die
daran Interesse haben. Natürlich gibt es aufgrund des
Niedrigzinsumfeldes schwierige Rahmenbedingungen;
aber das ist doch lange bekannt. Wenn also die Kampa-
gnen und die Programme nicht wirken, dann muss man
doch einmal über die Instrumentenwahl nachdenken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])


Da sagen wir ganz klar: Hier braucht es mehr Markt.
Ausschreibungen zur Steigerung der Effizienz werden
langsam – viel zu langsam – angegangen. Wir schlagen
seit zwei Jahren vor, ein 800-Millionen-Euro-Programm
aufzulegen. Sie fangen in diesem Jahr ganz zögerlich an.
Von den geplanten 50 Millionen Euro sind 1,6 Millionen
Euro in Anspruch genommen worden. Das ist doch ein
Armutszeugnis. Sie bekommen beim Thema Energieeffi-
zienz keinen richtigen Drive hinein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will Ihnen ein kleines Beispiel nicht ersparen.
Kanzlerin Merkel hat gestern gesagt, dass wir bei der
Batterieherstellung grundsätzlich einen Nachholbedarf
haben. Aber das wirklich gut laufende Photovoltaik-Bat-
teriespeicherprogramm bremsen Sie aus.


(Thomas Jurk [SPD]: Nein!)


Die KfW kann von Oktober dieses Jahres bis Januar
nächsten Jahres keine Förderung betreiben. In anderen
Bereichen des Ministeriums liegt das Geld unverbraucht
herum. Was ist das denn für eine Steuerung? Das ist doch
ein Armutszeugnis. Herr Jurk, da brauchen Sie sich über-
haupt nicht auf die Schulter zu klopfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn Sie dann einmal ein Programm auflegen und för-
dern, dann ist es das falsche. Geht es um umweltschädli-
che Subventionen und die Förderung fossiler Energieträ-
ger, sind Sie immer ganz fröhlich und stramm dabei. Es
fließen weiterhin Förderungen von über 280 Millionen
Euro für Heizsysteme mit fossilen Brennstoffen, für Gas-
und Ölheizungen. Wir behaupten ja nicht, dass wir auf
solche Heizungen sofort verzichten könnten;


(Zuruf von der SPD: Ach nein? Oh!)


der Markt läuft wirklich gut. Aber dass Sie hier För-
dergeld hineinstecken, zeigt, dass Sie eine völlig falsche
Steuerung betreiben. Innovation und Zukunft erkennen
Sie nicht. Auch das sind große verpasste Chancen beim
Thema Energieeffizienz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie doch mal etwas zu Moorburg!)


Jetzt möchte ich noch etwas zum Thema Mittelstand
sagen. Darüber haben wir ja auch in der ersten Lesung
gesprochen. Herr Minister, Sie haben noch viele Tage
später behauptet, ich hätte Sie da mit falschen Zahlen
konfrontiert. Nein, ich habe Sie mit Ihren eigenen Zielen
aus der Digitalen Strategie 2025 konfrontiert, dass näm-
lich die Mittel für das Zentrale Innovationsprogramm
Mittelstand, ZIM, auf 700 Millionen Euro gesteigert
werden sollen, während 200 Millionen Euro für die In-
dustrielle Gemeinschaftsforschung bereitgestellt werden
sollen. Die Zahlen sind und bleiben richtig. Sie haben
dann gesagt: Nein, ich habe die Priorität in meiner Förde-
rung – hin zur Mikroelektronik – verschoben. – So weit,
so gut. Auch das ist ein richtig wichtiger Bereich. Aber
auf meine Frage hin, wie hoch der Anteil der kleinen und
mittleren Unternehmen bei der Mikroelektronikförde-
rung ist – die Sie jetzt als die Priorität haben, welche die
anderen Ziele, zeitlich gesehen, ersetzen soll –, mussten
Sie zugestehen: Es sind weniger als 5 Prozent, die diese
Förderung in Anspruch nehmen. Deswegen bleiben wir
dabei: Industrielle Gemeinschaftsforschung muss besser
gefördert werden. Sie haben es am Ende der Beratungen
auch eingestanden und wenigstens 30 Millionen Euro
hierfür draufgelegt. Das ist so gut wie gar nichts. Und
auch beim ZIM sind Sie von Ihrem selbstgesteckten Ziel,
dafür 100 Millionen Euro mehr bereitzustellen, weit ent-
fernt.


(Thomas Jurk [SPD]: Ich habe Ihnen doch die Tendenz dargestellt! Die geht ständig nach oben!)


Deswegen sage ich Ihnen: Auch da besteht dringende
Handlungsnotwendigkeit. Gerade bei der Industriellen
Gemeinschaftsforschung – ich komme zum Schluss –

Anja Hajduk






(A) (C)



(B) (D)


handelt es sich um ein Programm mit einem qualitativ
hochwertigen Bewertungsverfahren. 70 Prozent der be-
willigungsfähigen Projekte werden dort mangels Geld
abgelehnt.


(Thomas Jurk [SPD]: Deshalb schmeißen wir das Geld nicht raus!)


Es bleibt dabei: Wir brauchen eine andere Regierung
für eine erfolgreiche Doppelstrategie für den Mittelstand,
für steuerliche Forschungsförderung und wirkliche Pro-
jektförderung. Das muss vorankommen. Herr Gabriel,
dies sind Sie in dieser Legislaturperiode leider schuldig
geblieben.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820300600

Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die CDU/

CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Jurk [SPD]: Das kannst Du jetzt nicht so stehen lassen, Andreas!)



Andreas Mattfeldt (CDU):
Rede ID: ID1820300700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau
Hajduk, auch wenn die Rollen zwischen Koalition und
Opposition gerade bei Plenardebatten eindeutig geregelt
sind, kann es nicht schaden, wenn Sie als Opposition ab
und an auch einmal die Wirklichkeit in Deutschland be-
trachten und sich ganz gelassen die Frage stellen: Woran
liegt es, dass Deutschland – vor allem auch im Vergleich
zu unseren europäischen Nachbarn – um so viel besser
dasteht als andere?

Meine Damen und Herren, wir haben in Deutsch-
land ein kontinuierliches, ja mittlerweile beständiges
wirtschaftliches Wachstum, und wir sind eine der füh-
renden Exportnationen weltweit. Wenn mir jemand vor
zehn Jahren gesagt hätte, dass wir im Jahr 2016 mit rund
2,5 Millionen Arbeitslosen die niedrigste Arbeitslosen-
zahl seit 25 Jahren haben, dann hätte ich zumindest zu
dieser Zeit nur ungläubig den Kopf geschüttelt.

Diese guten Daten sind nicht über Nacht und auch
nicht von allein gekommen. Ich sage häufig ein wenig
flapsig, dass bei hoher Arbeitslosigkeit und schlechten
wirtschaftlichen Daten in Deutschland immer und aus-
schließlich – Sie haben das ja deutlich gemacht, Frau
Hajduk – die Regierungskoalition verantwortlich ist,
während bei guten Arbeitsmarktdaten und hohem Wirt-
schaftswachstum die Regierungskoalition hingegen – ge-
rade aus Sicht der Opposition – überhaupt keinen Anteil
daran hat. Das ist natürlich nicht richtig. Kluge und vo-
rausschauende Entscheidungen, die wir in der vergange-
nen und in dieser Legislaturperiode unter Führung der
Union mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin getroffen
haben, sind für die gute wirtschaftliche Lage – nicht nur,
aber zu einem ganz großen Teil – verantwortlich. Des-

halb ist es gut, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, auch für
eine weitere Kanzlerschaft zur Verfügung stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber nicht auf der Spur ausrutschen! – Thomas Jurk [SPD]: Musst du dich jetzt um die Liste kümmern?)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, gerade in
wirtschaftlich starken Zeiten tragen wir eine sehr große
Verantwortung. Gerade jetzt ist es unsere Pflicht, güns-
tige Rahmenbedingungen zu erhalten, damit wir mit
zukünftigen Herausforderungen auch in schlechteren
Zeiten besser zurechtkommen als vielleicht andere. Wir
sollten dies auch tun – das ist mir sehr wichtig –, um den
kommenden Generationen, die eben auch noch gestalten
und nicht bloß Schulden verwalten wollen, Raum für
eigene Entscheidungen und vor allen Dingen für eigene
Visionen zu lassen. Darum ist es absolut richtig, in der
jetzt guten konjunkturellen Lage keine neuen Schulden
aufzunehmen und sogar Schulden zurückzuzahlen.

Ich habe, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposi-
tion, gerade in diesen Haushaltsberatungen, Herr Kolle-
ge Claus, bei Ihren milliardenschweren Ausgabeanträgen
gemerkt, dass Ihnen die schwarze Null überhaupt nicht
gefällt. Warum Ihnen das nicht gefällt, ist mir ein we-
nig schleierhaft, aber nach Ihrer Interpretation gehört das
Schuldenmachen wohl zur Politik dazu.

Wir als Union sehen das anders. Ich bin es auch ganz
persönlich meinen eigenen Kindern schuldig, dass unse-
re Politikergeneration dauerhaft mit dem vermaledeiten
Schuldenmachen aufhört.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deutschland geht es vor allen Dingen auch deshalb
besser als anderen Ländern, weil Deutschland von einem
starken Mittelstand geprägt ist. Diese mittelständischen
Unternehmen haben einen großen Anteil an der wirt-
schaftlichen Stabilität Deutschlands, an unserer Innovati-
onsfähigkeit und unserer Technologieführerschaft in sehr
vielen Bereichen. Auch im Exportbereich ist der Mittel-
stand ein starker Partner für ausländische Unternehmen.
Er genießt mit seinen qualitativ hochwertigen Produkten
höchste Anerkennung. Die Marke „made in Germany“ –
das erleben wir Parlamentarier gerade auf Auslandsrei-
sen immer wieder – steht nach wie vor für Qualität und
Verlässlichkeit, und sie verkauft sich ausgesprochen gut.

Dennoch können wir in diesem Bereich, wie ich mei-
ne, noch viel für kleine und mittelständische Unterneh-
men machen, was nicht immer mit Haushaltsmitteln
zu tun haben muss. So haben wir zum Beispiel mit der
Unterzeichnung des Freihandelsabkommens mit Kanada
einen ersten Schritt getan, um exporthemmende Regula-
rien abzubauen und unsere Wirtschaft damit zu stärken.

Gerade für eine Exportnation wie Deutschland sind
solche Freihandelsabkommen von größter Wichtigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie erleichtern in besonderem Maße den Zugang zu neuen
Märkten. Außerdem können wir so gemeinsam mit Part-
nern in der Europäischen Union und unseren transatlanti-
schen Partnern in Zeiten der Globalisierung, die wirklich

Anja Hajduk






(A) (C)



(B) (D)


häufig nicht einfach sind, aktiv weltweite Standards und
unsere Vorstellungen von Freihandel, Umweltschutz,
Datensicherheit und Verbraucherschutz gegenüber Staa-
ten wie zum Beispiel Russland und China durchsetzen.

Ich sage deutlich: Weitere Abkommen sind aus deut-
scher Sicht zwingend erforderlich, wenn wir unseren
hohen Lebensstandard auch in Zukunft – mit enormen
Ausgaben für Soziales und Umwelt – halten wollen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber nicht das Fracking einführen!)


Für mich ist es nicht nachvollziehbar, dass gerade Sie
von den Linken und insbesondere auch Sie von den Grü-
nen – das gilt leider auch für Teile der SPD – das Abkom-
men mit den Vereinigten Staaten bekämpft haben. Liebe
Kollegen der Grünen, in ganz ferner Zukunft mögen Sie
auch einmal wieder Regierungsverantwortung tragen,
und spätestens dann werden Sie lernen, dass man das,
was man verteilen möchte, vorher erst erarbeitet haben
muss.


(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


Das wird, so leid es mir tut, nur mit einer ganz starken
Wirtschaft gehen. Ich bin mir ganz sicher: Irgendwann
in der Zukunft blicken Sie nicht mehr selbstverliebt auf
Ihren Kampf gegen TTIP zurück; denn dieses heute noch
nicht umgesetzt zu haben – da bin ich mir ganz sicher –,
wird uns in der Zukunft erheblich belasten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, ich komme nun zu den
Rahmendaten des Etats. Sehr vieles hat der Kollege Jurk
richtigerweise ja schon vorgestellt. Der Haushalt des
Wirtschaftsministeriums ist mit 7,73 Milliarden Euro
ausgestattet.

Mit dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand,
das angesprochen wurde, und der industriellen Gemein-
schaftsforschung haben wir – da bin ich mir sicher – her-
vorragende Instrumentarien, um den Mittelstand zu för-
dern und zu unterstützen. Diese Programme werden sehr
stark nachgefragt, sodass wir regelmäßig natürlich nicht
alle Anträge bewilligen können und – das mag ja auch
gar nicht verkehrt sein – die besten auswählen müssen.


(Beifall des Abg. Thomas Jurk [SPD])


Diese Programme helfen dem Mittelstand, Produkte
zu entwickeln und gegebenenfalls auch Spielräume zu
schaffen, damit diese Produkte auch erfolgreich ver-
marktet werden können. Das ZIM kann nach unseren Be-
ratungen mit dem Haushaltsvermerk über 10 Millionen
Euro mehr verfügen, und auch den Titel für die indus-
trielle Gemeinschaftsforschung haben wir in den Bera-
tungen von 210 Millionen Euro um 30 Millionen Euro
angehoben. Das ist schon eine stattliche Summe.

Ein weiteres Instrument für die Förderung von kleinen
und mittelständischen Unternehmen sind die Auslands-
messen. Viele Unternehmen haben oft nicht die finanzi-
ellen und vor allen Dingen nicht die personellen Ressour-
cen, um sich Auslandsmärkte gezielt zu erschließen. Die
Beteiligung an Ausstellungen und Messen ist für viele

Unternehmen aber ein ganz wichtiger Vertriebsfaktor,
um mit den qualitativ hochwertigen Produkten, die unser
Mittelstand herstellt, auch Umsätze zu generieren. Da-
rum haben wir uns dafür eingesetzt, dass die Mittel für
das Auslandsmesseprogramm in diesem Jahr noch ein-
mal um 1,5 Millionen Euro heraufgesetzt wurden.

Einen ganz neuen und, wie ich meine, mutigen Schritt
gehen wir, um große Auslandsprojekte strategisch besser
zu begleiten. Wir werden im kommenden Jahr einen Ko-
ordinator der Bundesregierung für strategische Auslands-
projekte einsetzen. Er wird Großprojekte und vor allem
auch Aufträge bei Infrastruktur- und Industrieprojekten
mit herausragender Bedeutung für unsere Wirtschaft
begleiten. Dies tun wir vor allem, um unsere deutsche
Wettbewerbsfähigkeit auszubauen sowie Markanteile auf
ausländischen Märkten zu erschließen; denn entschei-
dend für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Angebote
in strategisch relevanten Bereichen ist – das mussten wir
bei einem nicht erhaltenen U-Boot-Auftrag schmerzhaft
lernen – heute mehr denn je die gezielte politische Be-
gleitung. Deshalb, Herr Minister, müssen Großprojekte
heute stärker politisch flankiert werden, als wir dies in
der Vergangenheit getan haben. Ich bin froh, dass wir das
mit der Einsetzung eines Koordinators und einer kleinen,
aber feinen Geschäftsstelle nun tun.

Meine Damen und Herren, ich sprach anfangs von
klugen und vorausschauenden Entscheidungen, die wir
für zukünftige Generationen treffen müssen. Darum
bin ich froh darüber, dass wir auch in den diesjährigen
Haushaltsberatungen mit der Einrichtung von sechs For-
schungsinstituten unter dem Dach des Deutschen Zen-
trums für Luft- und Raumfahrt die Forschungslandschaft
in Deutschland weiter stärken werden. Für diese sechs
neuen Institute stellen wir zusätzlich 42 Millionen Euro
bereit. Die Institute werden so wichtige Themen wie das
virtuelle Flugzeug – unter dem Stichpunkt Industrie 4.0 –
oder den Schutz maritimer Infrastrukturen mittels Satel-
litentechnologie bearbeiten.

Als Niedersachse – das sei mir abschließend er-
laubt – möchte ich die maritime Wirtschaft natürlich
nicht vergessen. Sie ist für uns ein großer und wichtiger
Wirtschaftszweig und schafft vor allen Dingen hochqua-
lifizierte und sehr gut bezahlte Arbeitsplätze gerade bei
uns in der Region.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU])


Deutschland ist vor allen Dingen im Spezial- und Kreuz-
fahrtschiffbau weltweit führend. Deshalb ist es richtig
gewesen, dass wir den Ansatz des Regierungsentwurfes
für den innovativen Schiffbau von 15 Millionen Euro
wieder auf 25 Millionen Euro heraufgesetzt haben.

Sehr geehrter Herr Minister Gabriel, zum Schluss
möchte ich mich für die – müssen wir jetzt schon sagen –
sehr gute Zusammenarbeit in den vergangenen vier Jah-
ren bei Ihnen persönlich, ganz besonders aber bei Ihrem
Staatssekretär Herrn Rainer Sontowski bedanken. Auch
beim gesamten Haushaltsreferat möchte ich mich für die

Andreas Mattfeldt






(A) (C)



(B) (D)


gute, vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit
bedanken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben für das Jahr 2017 – wie auch in den ver-
gangenen Jahren – einen sehr verantwortungsbewussten
und zukunftsweisenden Haushaltsplan aufgestellt, dem
jeder – das sage ich auch deutlich mit Blick in Richtung
Opposition – in diesem Haus zustimmen könnte, und ich
werbe um Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820300800

Das Wort hat nun der Bundeswirtschaftsminister

Sigmar Gabriel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bun-
deshaushalt ist sozusagen in Zahlen geronnene Politik.
Deswegen macht es auch Sinn, über die politischen Zu-
sammenhänge zu sprechen, die hinter diesem Zahlen-
werk stehen.

Wir alle merken ja, dass die Welt in ganz unterschied-
licher Hinsicht gerade neu vermessen wird. Wir erleben
das an der rasanten Veränderung der Digitalisierung. Wir
erleben es in der Auseinandersetzung zwischen sozialen
und liberalen Demokratien auf der einen Seite und dem
Anwachsen autoritärer Antworten auf der anderen Seite,
nicht nur in anderen Teilen der Welt, sondern auch mit-
ten bei uns in Europa. Wir erleben es auch im eigenen
Land, indem wir trotz einer sehr guten wirtschaftlichen
Entwicklung auch feststellen, dass die Nervosität, die
Sorge von Menschen über ihre Zukunft gestiegen ist. Ich
glaube, dass wir mit dem Bundeshaushalt jedenfalls eine
ganze Reihe von Angeboten geschaffen haben, um da-
rauf zu reagieren.

Auf Deutschland kommt sehr viel Verantwortung zu.
Wir sind ein Anker der Stabilität, der seine Stabilität auch
nutzt, um andere zu stabilisieren. Deutschlands Aufga-
be ist eben auch die einer gefestigten Demokratie: Men-
schen zu zeigen, dass sie trotz dieser Veränderungen in
der Welt in unserem Land sicher und gut leben können.

Ich will am Anfang sagen: Trotz allem, was wir in die-
sen Monaten an Schwierigkeiten beobachten, trotz man-
cher Dinge, die in unserer Gesellschaft an den Rändern
passieren, der Gewalt in der Sprache und der Gewalt im
Alltag, die wir erleben: Dies ist nach wie vor eines der
friedlichsten, eines der sichersten und eines der demokra-
tischsten Länder der Welt. Die Menschen dieses Landes
in ihrer ganz überwiegenden Mehrheit gehen jeden Tag
fleißig arbeiten, lesen ihren Kindern abends Bücher am
Bett vor, engagieren sich in Sportvereinen, für Flüchtlin-
ge, für Kultur und in Wirtschaftsverbänden. Das ist das

Deutschland, finde ich, dessen Bild wir in der Öffentlich-
keit stärken müssen, und nicht das, was wir ansonsten
erleben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dieser Anker der Stabilität hat natürlich etwas mit der
wirtschaftlichen Entwicklung dieses Landes zu tun. Es
stimmt: Sie ist ausgesprochen gut. Seit drei Jahren er-
möglichen die Wachstumsraten, eine Beschäftigtenzahl
in Deutschland zu erreichen, die es noch nie gegeben
hat: 43,5 Millionen Menschen – im nächsten Jahr mögli-
cherweise 44 Millionen Menschen –, die in Deutschland
Arbeit und Beschäftigung bekommen, und zwar nicht,
wie manche behaupten, steigend in prekärer Beschäfti-
gung, sondern, im Gegenteil, in steigender sozialversi-
cherungspflichtiger Beschäftigung, verbunden mit einer
Abnahme prekärer Beschäftigung, mit steigenden Re-
allöhnen, mit einer Rentenerhöhung, die wir gerade hat-
ten, der höchsten seit 20 Jahren, und mit der niedrigsten
Arbeitslosigkeit seit 26 Jahren. Das ist das Pfund, mit
dem wir wuchern und das es uns erlaubt, die gewaltige
Aufgabe der Flüchtlingsintegration ohne Steuererhöhun-
gen und ohne große Verteilungskämpfe, jedenfalls bis-
her, zu bewältigen.

Das zeigt auch, wie wichtig es ist, dass wir uns über die
Frage unterhalten: Was können wir tun, damit das nicht
nur jetzt so gut ist, sondern auch in zehn Jahren noch
so gut ist? Das, glaube ich, bedeutet, dass wir vor allen
Dingen mehr investieren müssen. Mit diesem Haushalt
tun wir das schon. Das Investitionsvolumen des Bundes-
haushaltes hat sich in den Jahren, in denen wir Haushalte
beschlossen haben, um ein Drittel erhöht.

Wir haben eine gewaltige Entlastung, zum Beispiel
der kommunalen Haushalte, mit Größenordnungen er-
reicht, die es in der Geschichte der Republik bisher nicht
gegeben hat. Länder und Kommunen haben wir in dieser
Legislaturperiode mit 70 Milliarden Euro aus dem Bun-
deshaushalt entlastet. Das ist deshalb wichtig, weil die
große Investitionstätigkeit in der Regel in den Kommu-
nen stattfindet: früher zu fast drei Viertel, heute gerade
noch zu 50 Prozent. Deswegen war es gut, dass wir die
Kommunen entlastet haben. Daran müssen wir weiter
festhalten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Übrigens wird da eine Aufgabe auf uns zukommen, die
wir, glaube ich, in der Gegenwart noch nicht richtig im
Blick haben. Wir haben für vieles in unserer kommuna-
len Entwicklung Parameter: Zahlen, wie viele Menschen
in einem Ort leben müssen, damit bestimmte Einrichtun-
gen der Daseinsvorsorge existieren; Zahlen für Kliniken,
geburtshilfliche Abteilungen; Zahlen für Ämter, für Ge-
richte vor Ort. Diese Zahlen wenden wir derzeit an. Das
führt dazu, dass wir Ämter schließen, Gerichte schließen,
Kliniken schließen, geburtshilfliche Abteilungen dort
schließen, wo der demografische Wandel dazu führt, dass
die Orte kleiner werden.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Vorpommern zum Beispiel!)


Andreas Mattfeldt






(A) (C)



(B) (D)


Ich glaube, dass wir so nicht weitermachen können.
Ich glaube, dass über die kommunale Entlastung hinaus,
die wir jetzt erreicht haben, sichergestellt werden muss,
dass die öffentliche Daseinsvorsorge auch in kleiner wer-
denden Gemeinden existiert. Nicht nur die Kirche muss
im Dorf bleiben, sondern zum Beispiel auch die Grund-
schule.


(Beifall bei der SPD und sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Du tust was für die Kinder!)


Ich sage das wirklich, weil es keine soziale und libe-
rale Demokratie ohne soziale und offene Gemeinden und
Dörfer gibt. Verwahrloste Städte und Gemeinden schaf-
fen verwahrloste Köpfe und Seelen. Deswegen wird es
sehr darauf ankommen, die Kraft der Dörfer, der Ge-
meinden, der Stadtteile und der Städte auch außerhalb
der Ballungszentren deutlich zu stärken, damit Menschen
wissen: Wir wissen, dass sie dort leben und auch leben
wollen, sodass sie dort eine Heimat finden. – Heimat ist
ein moderner Begriff.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


In einer Zeit, in der das Große wichtiger wird, wird
auch das Kleine wieder wichtiger. Menschen brauchen
sicheren Grund unter den Füßen, weil sie wissen, dass
die Veränderungen, mit denen sie konfrontiert sind, nicht
aufhören werden. Deshalb war es so wichtig, in dieser
Periode die kommunale Finanzkraft und die kommunale
Investitionskraft zu stärken.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist jetzt Bundeskompetenz!)


Ich glaube, dass wir bei dieser Investitionstätigkeit
diese Herausforderungen in den kommenden Jahren wei-
ter annehmen müssen. Im Bereich der Digitalisierung hat
der Kollege Dobrindt schon vieles auf den Weg gebracht.
Die digitale Infrastruktur wird sich aber noch weiter ent-
wickeln müssen. Das gilt nicht nur für die Fläche, sondern
vor allen Dingen auch für die Geschwindigkeit. Dort, wo
Unternehmen sie brauchen, um neue Geschäftsfelder zu
entwickeln und wettbewerbsfähig zu bleiben, werden wir
sie weiter ausbauen müssen.

Wir haben einen gigantischen Sanierungsstau von
34 Milliarden Euro im Bereich unserer Schulen. Wir
brauchen mehr Geld. Es ist gut, dass es mithilfe der
Bund-Länder-Finanzverhandlungen gelungen ist, das
Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der
Bildung wenigstens im Investitionsbereich zu lockern.
Wir wollen dort in den nächsten Jahren mehr investieren.


(Beifall bei der SPD)


Ich glaube übrigens, das ganze Thema Fachkräfteman-
gel kann man nicht nur durch Zuwanderung lösen, son-
dern man muss es vor allen Dingen auch dadurch lösen,
dass wir da, wo wir immer noch Bildungsferne vererben,
in den schwierigen Stadtteilen, mehr dafür tun, dass jun-
ge Leute in unserem Land besser gefördert werden. Die
besten Schulen müssen in den schwierigsten Stadtteilen

stehen. Da müssen sie Leuchttürme unserer Gesellschaft
sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Macht doch mal was dafür!)


Auch da schaffen wir einiges. Ich bin dem Kollegen
Schäuble sehr dankbar dafür. Denn sozusagen ein biss-
chen angehängt an den Haushalt jetzt machen wir den
Nachtragshaushalt. Dort erweitern wir noch einmal das
kommunale Investitionsprogramm für finanzschwache
Kommunen. Das soll gerade den Einstieg in die Sanie-
rung von Schulen in schwierigen Stadtteilen mit verbin-
den.

Das heißt, wir zeigen in dem Haushalt überall, dass
Investitionen im Mittelpunkt stehen. Aber lassen Sie uns
auch offen sagen, dass wir, gerade weil wir vor einem
Wahljahr stehen, alle miteinander aufpassen müssen,
dass wir in diesem Wahljahr durch die unterschiedlichen
Möglichkeiten, die man hat – um es einmal zurückhal-
tend zu sagen –, nicht die Investitionsmöglichkeiten im
nächsten und übernächsten Haushalt reduzieren. Denn
die Wahrheit ist, dass es uns auch deshalb finanziell so
gut geht, weil wir eine Niedrigzinsphase haben. Wir spa-
ren 20 Milliarden Euro pro Jahr durch niedrige Zinsen.
Ich glaube nicht, dass man davon ausgehen kann, dass
das dauerhaft so bleibt. Im Übrigen wollen wir sogar hö-
here Zinsen, wegen anderer Themen, die uns auch be-
lasten.

Deswegen verbieten sich zwei Dinge. Ich sage das
auch an die Adresse meiner eigenen Fraktion. Es verbie-
ten sich zu schnelle und zu große konsumtive Verspre-
chungen neuer Ausgabenpakete, die man nicht nachhal-
tig finanzieren kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


– Ich wusste, dass die Kollegen aus der Union da klat-
schen. – Aber wissen Sie, was sich auch verbietet? Gi-
gantische Steuersenkungsversprechen, von denen man
nicht weiß, ob man sie bezahlen kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Deswegen habe ich nicht geklatscht!)


Noch gefährlicher wird es, wenn wir uns – ausgelöst
durch die Probleme in Großbritannien – in Europa auf
eine neue Runde der Senkung von Unternehmensteuern
einlassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich lese Ihnen einmal etwas aus der Süddeutschen Zei-
tung von gestern vor. Da heißt es:

Der Wettbewerb um Niedrigsteuern ist auch ein
Wettbewerb um das richtige gesellschaftspoliti-
sche Konzept. Die Regierungen in Washington
und London wollen Unternehmen und Kapital
ins Land holen, um zu beweisen, dass es richtig
ist, sich ins Nationale zurückzuziehen. Es ist an

Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Uni-
on, mit einem gemeinsamen Steuerkonzept ihrer-
seits zu beweisen, dass die Bürger davon profi-
tieren, wenn sie einer Gemeinschaft angehören.
Statt Deutschland zum Steuerparadies auszubau-
en … Die Steuerpläne in den USA sollten die Eu-
ropäer motivieren, sich endlich auf eine einheitliche
Grundlage zur Besteuerung von Unternehmen zu
einigen. Es wäre ein wichtiger Schritt zu mehr Steu-
ergerechtigkeit.

Mehr muss man zu diesem Thema eigentlich nicht sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Hier ist in den unterschiedlichsten Reden oft von Maß
und Mitte gesprochen worden. Ich finde, Maß und Mit-
te heißt auch, mit den guten Zahlen, die wir jetzt haben,
vorsichtig umzugehen, auch was konsumtive Ausgaben-
versprechungen angeht. Ich finde zum Beispiel, dass die
Koalition gerade auf einem guten Weg ist, in der Renten-
politik Maß und Mitte zu behalten. Das liegt an Andrea
Nahles, aber auch an dem Bewusstsein in der Koalition,
dass da manches getan werden muss, aber dass wir nicht
alles versprechen können.

Maß und Mitte müssen wir aber auch in der Frage be-
halten, wie wir mit Steuersenkungen umgehen. Statt mit
der Gießkanne durch die Lande zu ziehen, ist es besser,
Familien und Alleinerziehende gezielt zu entlasten, zum
Beispiel durch die bundesweite Abschaffung von Kin-
dertagesstättengebühren. Das ist besser für die Familien
und bringt mehr als manches andere.


(Beifall bei der SPD)


Ich sage das immer wieder vor dem Hintergrund,
dass wir die Stabilität im Land bewahren müssen. Das
geht nur durch Investitionen in die wirtschaftliche Zu-
kunft unseres Landes. Der Kollege Mattfeldt hat eben
gesagt – das wurde ein bisschen belächelt –: Offenbar
muss zuerst die Wirtschaft florieren, bevor wir über an-
dere Fragen reden. – Da hat er recht. Wo wären wir jetzt
in der Flüchtlingsdebatte bei steigender Arbeitslosigkeit
oder schlechtem Wirtschaftswachstum? Deswegen ist
es kein Widerspruch, gleichzeitig von wirtschaftlichem
Erfolg und sozialer Stabilität zu reden. Beides gehört zu-
sammen; da hat er völlig recht. Das ist sehr wichtig; denn
wir merken, dass es Abstiegsängste in Deutschland gibt,
selbst bei denjenigen, denen es gut geht.

Die FAZ hat vor ein paar Tagen etwas Richtiges ge-
schrieben:

Wenn es also etwas ernst zu nehmen gibt am Res-
sentiment der Zukurzgekommenen, dann ist es nicht
das Ressentiment; es ist die Zukurzgekommenheit.

Wir können trotz guter Entwicklung nicht übersehen,
dass es Menschen bei uns gibt, die sich nicht beachtet
fühlen, die nicht den Traum ihrer Eltern erleben, dass
man durch Arbeit für sich und seine Kinder ein besseres
Leben bekommt, sondern die kleine Einkommen haben,
prekär beschäftigt sind und erleben, dass ihre Kinder
trotz guter Ausbildung nur in Zeitarbeit sind, sowie, Frau
Kollegin Hajduk, die Sorge haben, dass die gemeinsame

Politik der hier im Bundestag vertretenen Parteien sie gar
nicht mehr beachtet.

Ja, ich habe mit Absicht das Datum für den Kohleaus-
stieg nicht genannt. Dazu bekenne ich mich ausdrück-
lich. Wissen Sie, warum? Weil ich es für anständig halte,
denen, die davon betroffen sind, zuerst eine reale Per-
spektive für sich und ihre Kinder zu geben und sie nicht
mit Gutachten zu vertrösten, um gleichzeitig den Tag
festzustellen, an dem sie ihren Job los sind. Das will ich
nicht.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie können das hier im Bundestag und im Wahlkampf
noch ein paarmal behaupten. Jeder weiß, dass die Kli-
maschutzziele bei der bisherigen Höhe der Kohleverstro-
mung in Deutschland nicht zu erreichen sind. Das wissen
auch die Betroffenen. Sie wissen, dass die Bedeutung
der Kohle abnehmen wird. Aber ich, der ich aus einem
Gebiet komme, in dem ein Strukturwandel in den 70er-
und 80er-Jahren stattgefunden hat, habe die Erfahrung
gemacht, dass man von der Politik immer Versprechun-
gen bekommt, wie viele Ersatzarbeitsplätze geschaffen
werden. Ich kann Ihnen die entsprechenden Stichworte
dazu nennen. „Man muss die regionalen Potenziale he-
ben“ und andere theoretische Formulierungen sind dann
zu hören. Prognos und andere erstellen dann bändeweise
Gutachten und verdienen sich daran eine goldene Nase.
Aber am Ende passiert nur eines: Die Jobs sind weg, und
die Perspektiven sind auf dem Papier geblieben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


– Sie reden doch gleich, Herr Kollege. Dann höre ich
Ihnen wieder geduldig zu. Versuchen Sie es doch umge-
kehrt auch einmal. Wir müssen ja nicht einer Meinung
sein. Im Gegenteil: In dieser Frage ist es ganz gut, wenn
wir nicht einer Meinung sind.

Wir haben in der Koalition deswegen sehr präzise be-
schrieben, was wir machen wollen, und haben eine Kom-
mission eingesetzt, um zu klären, wie die realistischen
Perspektiven für Ersatzarbeitsplätze aussehen. Da steht
nicht, dass wir aus der Kohle aussteigen. Aber die Rei-
henfolge ist wichtig.

Ich sage Ihnen: Ich kenne zu viele Potenziale in der
deutschen Bevölkerung, die sich von uns nicht mehr
wahrgenommen fühlen und deshalb in andere Richtungen
schauen. Ich will nicht, dass diese Potenziale zunehmen.
Die Arbeitsplätze, über die wir derzeit reden, sind sicher,
tarifvertraglich gut bezahlt und in der Mitbestimmung
verankert. Den betroffenen Menschen will ich nicht sig-
nalisieren: Ihr interessiert uns gar nicht; uns interessiert
ausschließlich das Datum des Kohleausstiegs. – Deswe-
gen habe ich das Datum herausgestrichen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie haben noch gesagt, Kanada sei viel besser. Aber
dann sagen Sie auch, dass Kanada für Fracking ist


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Und CCS!)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


– genau, auch für CCS – und dass in Kanada eine Ener-
giepolitik betrieben wird, die Sie hier – übrigens aus gu-
ten Gründen – bekämpfen. Die Alternative in Kanada zur
Kohle sind nicht die Erneuerbaren, sondern die unkon-
ventionelle Gasförderung und Ölsande. Das verschwei-
gen Sie in der Debatte. Im Übrigen gibt es kein Land der
Erde, das einen solchen detaillierten Klimaschutzplan
auf den Tisch gelegt hat, wie wir ihn in der vorletzten
Woche im Kabinett beschlossen haben – kein Land der
Erde! Wir sind die Einzigen, die das machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Kollegin Hajduk, ja, das birgt ein Risiko. Wenn
man sich auf klare Ziele festlegt – Deutschland hat das in
jeder Regierung getan –, birgt das das Risiko, dass man
die Ziele auch verfehlt. Dann muss man – da haben Sie
völlig recht, das ist auch Ihr Argument – darüber streiten:
Ist das richtig gemacht worden? Sind die richtigen Maß-
nahmen eingesetzt worden? Aber tun Sie nicht immer so,
als würden wir uns keine Ziele setzen. Wir sind beim Kli-
maschutz nicht so pflaumenweich in unseren Formulie-
rungen wie der Rest der Welt. Wir müssen schon darauf
achten, dass in diesem Land industrielle Arbeitsplätze
erhalten bleiben.

Es gibt noch eine Gruppe, um die wir uns kümmern
müssen, auch im Zusammenhang mit dem Thema ETS,
also Emissionshandel in Europa: Ich will nicht, dass die
Stahlarbeiter in Deutschland den Eindruck haben, die
offenen Märkte und der Klimaschutz seien uns wichtig,
aber nicht ihre Jobs in der deutschen Stahlindustrie. Das
will ich nicht, dazu bekenne ich mich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich finde, dass wir mit dem, was wir in der Regierung
jetzt getan haben, beides auf den Weg bringen. Wir brin-
gen auf den Weg, dass wir wirtschaftlichen Erfolg si-
chern oder jedenfalls Bedingungen dafür schaffen wollen
und gleichzeitig sozialen Zusammenhalt. Die Regierung
hat hier in dieser Periode eben beides geschafft: Sie hat
die Investitionen ausgebaut. Frau Kollegin Hajduk, wir
geben übrigens in der Digitalisierung über 1 Milliarde
Euro bis 2020 aus. Da sagen Sie, das gehe nicht an die
kleinen und mittelständischen Unternehmen. Wissen Sie
eigentlich, was passiert, wenn dieses Land in der Mikro-
elektronik – –


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Ihre Antwort gewesen!)


– Ja, wissen Sie, der Unterschied zwischen uns beiden
ist: Wir schauen ab und zu hin, ob die Politik mit der
Praxis in Einklang zu bringen ist. Wenn wir merken, dass
sich die Praxis ändert, dann ändern wir das. So einfach
ist das.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Ja, das stimmt, wir haben die Prioritäten geändert. Wis-
sen Sie, warum? Wenn uns die Mikroelektronik verlo-
ren geht, dann haben auch die kleinen und mittelständi-
schen Unternehmen im Bereich der Digitalisierung keine

Chance mehr. Dann werden wir verlängerte Werkbank.
Das ist der Grund, warum wir über 1 Milliarde Euro in
den nächsten Jahren dort investieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn Sie sagen: Da haben Sie Ihre Prioritäten ge-
wechselt, dann sage ich: Wissen Sie was, Sie haben recht,
weil es nötig war, haben wir es gemacht.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820300900


Herr Minister, darf die Kollegin Hajduk eine Zwi-
schenfrage stellen?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Selbstverständlich.


(Ulrich Freese [SPD]: Erklären Sie mal, warum Sie Moorburg weiter betrieben haben! – Heiterkeit bei der SPD)



Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820301000


Dass Moorburg nicht so ein Zukunftsprojekt ist, wie
Sie als SPD immer behauptet haben, das können Sie jetzt
auch nicht mehr laut sagen. Deswegen ist dieser Zwi-
schenruf sowieso ein bisschen seltsam.

Herr Minister, ich lege Wert darauf, dass Sie das auch
ernst nehmen, wenn ich sage, dass das mit der Mikro-
elektronik wichtig ist und dass ich nicht kritisiert habe,
dass es auch einmal sein kann, dass man die Prioritäten
ändert. Ich habe Sie nur mit Blick auf die kleinen und
mittleren Unternehmen damit konfrontiert, dass Ihr eige-
nes Ministerium auf meine Nachfrage gesagt hat: Richtig
ist aber, dass diese sogar milliardenschwere Förderung
nur zu unter 5 Prozent kleine und mittlere Unternehmen
erreicht. – Deswegen habe ich gesagt, dass es nicht als
Ersatzmaßnahme für die Förderung von kleinen und
mittleren Unternehmen taugt. Ich bitte Sie, diese Argu-
mentation auch so zu verstehen, wie ich es gesagt habe.

Dass das in Zukunft auch für die kleinen und mittle-
ren Unternehmen Potenzial hat, wenn wir bei der Mikro-
elektronik stärker werden, das erkenne ich an. Aber Sie
haben auf diesen Umstand auch noch zu reagieren: Was
erreichen wir eigentlich in den Jahren 2016/2017 an För-
derungen für kleine und mittlere Unternehmen, wenn wir
wissen, dass dort über 70 Prozent von förderfähigen An-
trägen liegen bleiben?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Der Grund, warum wir die dafür vorhandenen Förder-
programme ausgebaut haben, ist, dass beides notwendig
ist. Wenn Sie sagen, Sie finden es auch vernünftig für die

Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Kleinen und Mittleren, sich in der Mikroelektronik nicht
abhängen zu lassen – –


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat sie vorher auch schon gesagt!)


– Das hat sie vorher nicht gesagt.


(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, genau das! Sie agieren mit bewusstem Missverstehen darauf!)


– Sie dürfen jetzt nicht glauben, dass das alte Sprichwort
meiner Großmutter: „Was ich denk und tu, das trau ich
jedem andern zu“, auch auf mich zutrifft.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das war das, was Sie da versucht haben.

Aber lassen Sie uns doch einfach feststellen: Wir bei-
de sind uns einig: Die Förderung der Mikroelektronik
ist sinnvoll. Wir beide sind uns einig: Das hilft kleinen
und mittleren Unternehmen. Und wir beide sind uns auch
einig: Es wäre gut, wenn wir die mittelständischen För-
derprogramme noch mehr, als es diese Koalition bereits
getan hat, ausbauen würden.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)


– Na, gucken Sie mal,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Sie nähern sich mit rasanter Geschwindigkeit wirt-
schaftspolitisch meinen Auffassungen. Das finde ich gut.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wird nicht besser!)


– Ein bisschen Humor geht doch auch. Ihr habt doch
gleich noch die Möglichkeit, mich zu beschimpfen, und
werdet sie auch nutzen.

Ich will noch zwei Bemerkungen machen. Eines ist
hier etwas zu kurz gekommen, aber wir haben an anderer
Stelle Gelegenheit, das auszuführen. Wir haben Gewal-
tiges in der Energiewende geleistet. Übrigens ist keine
der Prognosen, die zum Thema Windenergie aufgestellt
wurden, eingetroffen – Ende des Ausbaus, Stopp der er-
neuerbaren Energien –, als wir das EEG novelliert ha-
ben. Wir nähern uns wieder Rekordjahren, zum Ärger
von Michael Fuchs. Ich finde, wir haben gerade dort den
Markt fit für die erneuerbaren Energien gemacht und die
erneuerbaren fit für den Markt.

Übrigens, Frau Kollegin, ich bin deshalb gegen gro-
ße Förderprogramme für Speichertechnologien, weil sie
nur eine Flexibilitätsoption darstellen. Sie haben sich
an einer Stelle in Ihrer Rede massiv widersprochen. Sie
können nicht für den Markt plädieren und dann mit einer
Technologie Markteingriffe machen. Damit befördern

Sie möglicherweise die falsche Technologie. Deswegen
glaube ich, dass wir vieles richtig gemacht haben.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben Sie nicht zugehört!)


Der letzte Punkt. Ich glaube, dass es auch richtig war,
mit Mindestlohn und vielen anderen Dingen zu zeigen,
dass wir die soziale Marktwirtschaft in unserem Land er-
neuern. Das stimmt, und das ist der Grund, warum ich für
die 15 000 Beschäftigten bei Kaiser’s Tengelmann kämp-
fe – offensichtlich jetzt mit ziemlich großem Erfolg.


(Beifall bei der SPD)


Am Ende – das wird Frau Dröge nicht gefallen – ist
all das, was wir jetzt erreichen, nur durch die Ministerer-
laubnis überhaupt erreichbar gewesen; sonst würden die
nicht einmal miteinander reden. Sie würden sich weiter
zulasten der Beschäftigten bekämpfen. Ich glaube, dass
das auch die Antwort auf die Verunsicherung in der Welt
ist. Die Menschen bekommen zwei Angebote. Das eine
Angebot lautet: Pass dich an, die Globalisierung ist eben
so. – Das andere Angebot besteht darin, Mauern hoch-
zuziehen.

Wir geben ein drittes Angebot. Dazu zählt übrigens
auch CETA. Wir geben das Angebot, für Rahmenbedin-
gungen der sozialen Marktwirtschaft zu kämpfen, und
zwar nicht nur national, sondern europäisch und inter-
national. Das ist die beste Antwort, die in der Geschichte
der Industrialisierung, in der Geschichte Europas und in
der Geschichte unseres Landes überhaupt gegeben wur-
de. Sie ist nicht aus dem 20. Jahrhundert; sie ist eine ganz
moderne Antwort auch auf die Herausforderungen des
21. Jahrhunderts. Aber wir müssen unter Beweis stellen,
dass wirtschaftlicher Erfolg und sozialer Zusammenhalt
und Sicherheit in unserem Land geleistet werden, damit
andere diesem Versprechen trauen und ihm folgen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820301100

Nächster Redner ist der Kollege Michael Schlecht für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820301200

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr

Minister, wenn die 28-jährige Frau, die ein Studium her-
vorragend absolviert hat und nach dem Studium zum
dritten, vierten Mal nur in einem befristeten Job arbeiten
kann, Ihre Rede gehört hätte, wenn der Leiharbeiter bei
VW, dem wie 5 000 anderen Leiharbeitern in Aussicht
gestellt worden ist, dass er demnächst bei VW über die
Klinge springen kann, unter anderem auch wegen des
Dieselskandals, Ihre Rede gehört hätte, in der Sie die Si-
tuation hier in Deutschland so rosig malen, dann würden
die sich veräppelt fühlen oder in der Sprache der Betrof-
fenen: Die würden sich verarscht fühlen.


(Beifall bei der LINKEN)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Entschuldigung, das ist jetzt nicht besonders parlamen-
tarisch, aber das ist die Sprache der Menschen draußen,
oder das ist die Denke da draußen.

Es wird immer mit großer Betroffenheit viel über die
Rechtsverschiebung in unserem Lande geredet. Es wird
auch gesehen, dass Leute Ängste haben usw., aber wenn
man sich dann immer wieder nur hinstellt und alles, was
hier in diesem Lande geschieht, beschönigt und so tut,
als ob wir in der besten aller Welten leben würden, dann
ist das selbst ein Beitrag, um dieser Rechtsverschiebung
Vorschub zu leisten und Wasser auf die Mühlen der rech-
ten Populisten zu lenken.


(Beifall bei der LINKEN)


Aber das viel größere Problem bei dieser ganzen Debat-
te, auf das ich aufgrund der Zeit nur begrenzt eingehen
kann, ist die Rechtsverschiebung, die wir in Europa ha-
ben, und der Erfolg rechtspopulistischer Rattenfänger in
anderen europäischen Ländern; denn diese Entwicklung
bedroht die Idee eines friedlichen und sozialen und ver-
einten Europas am meisten.

Es wird immer wieder so getan – vor allen Dingen
wird eine von Frankreich ausgehende Bedrohung gese-
hen, dass dort möglicherweise ein weiblicher Trump auf
den Schild gehoben wird –, als wäre das alles ein Pro-
blem der anderen. Hier wird immer nur gesagt, unsere
wirtschaftliche Entwicklung sei so hervorragend. Warum
ist unsere wirtschaftliche Entwicklung denn so hervorra-
gend? Sie basiert zentral darauf, dass seit 15 Jahren, po-
litisch veranlasst, durch Deregulierung am Arbeitsmarkt,
durch die Agenda 2010 Befristungen eingeführt worden
sind, dass Leiharbeit, Werkverträge und vieles andere
mehr ermöglicht worden sind und dass Deutschland in
der Folge ein Land des Lohndumpings geworden ist.

Trotz der verbesserten Lohnentwicklung der letzten
zwei, drei Jahre, die Sie immer nur isoliert herausstellen,
ist die Lohnentwicklung hierzulande heute nach wie vor
katastrophal. Im Vergleich zum Jahre 2000 ist das Re-
allohnniveau bezogen auf den einzelnen Beschäftigten
gerade einmal 1 bis 2 Prozent höher als damals. Auf der
anderen Seite hatten wir in diesen 15 Jahren aber einen
Anstieg der Profite von 60, 70 Prozent. Das ist ein ganz
eklatantes Auseinandergehen. Das kommt natürlich auch
bei den Menschen an; aber das hat auch etwas damit zu
tun, dass die vermeintliche ökonomische Stabilität auf
einer sehr fragilen und auf einer sehr zynischen Kon-
struktion basiert, die wirklich skandalös ist.


(Beifall bei der LINKEN)


Diese Entwicklung des Lohndumpings ist die zen-
trale Ursache dafür, dass es vielen hier in Deutschland
zwar scheinbar gut geht, dass es aber gleichzeitig genü-
gend Abgehängte gibt, über die Sie nur in Sonntagsreden
sprechen, ohne recht zu wissen, was man für sie machen
kann. Der entscheidende Punkt ist, dass diese Lohnent-
wicklung zentral dafür verantwortlich ist, dass Deutsch-
land mit seiner überbordenden Konkurrenzfähigkeit die
Ökonomien anderer europäischer Länder niederkonkur-
riert hat. Gleichzeitig ist mit der Beschneidung der Lohn-
entwicklung hier in Deutschland die Binnennachfrage
stranguliert worden. Damit sind die Möglichkeiten von

Unternehmen anderer Länder, in Deutschland Absatz zu
finden, deutlich beschnitten worden. Das Ganze drückt
sich in einem Leistungsbilanzüberschuss aus, der mittler-
weile skandalöse 9 Prozent beträgt usw. Ich kann darauf
jetzt hier nicht weiter eingehen.

Die scheinbare Stabilität in Deutschland hat also sehr
viel damit zu tun; sie geht zulasten anderer Länder. Wenn
das so weitergeht, dann ist die Stabilität dieses Europas
hochgradig gefährdet, und wir leisten damit einen Bei-
trag, Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten in den
anderen Ländern zu lenken. Das wird hier in Deutsch-
land komplett ausgeblendet, und es wird auch komplett
negiert.

Dabei wäre es so einfach, die Entwicklung hier zu
ändern. Wir müssten hier in Deutschland endlich, um
unserer europäischen Verantwortung gerecht zu werden,
eine solidarische Wirtschaftspolitik betreiben. Um aber
auch den Abgehängten hier in Deutschland wieder in
einer positiven Weise zu begegnen, müssten wir all die
Lohndumping-Maßnahmen wie Befristungen, Leiharbeit
wieder zurückdrängen. Die Bundesregierung und auch
der Herr Minister – er ist gerade nicht da – brüsten sich
ja damit, man habe so viel getan. Aber in den Ohren der
Betroffenen klingt das doch nur wie Hohn. Die Lage auf
dem Leiharbeitsmarkt ist schlechter geworden, das heißt,
die Situation im Leiharbeitsbereich ist deutlich prekä-
rer geworden. Wir bräuchten dringend eine Beendigung
dieses Regimes der Leiharbeit; sie müsste eigentlich
verboten sein. Ich finde, Sklavenarbeit gehört nicht ins
21. Jahrhundert.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie müsste aber zumindest deutlich reguliert werden.

Wir bräuchten endlich auch ein Verbot der sachgrund-
losen Befristung, damit junge Leute selbst nach hervor-
ragenden Berufsabschlüssen nicht mehr in Perspektiv-
losigkeit, in Planlosigkeit geschickt werden. Das sind
Maßnahmen, über die hier geredet werden muss, wenn
es darum geht, Rechtspopulismus in Deutschland zu be-
kämpfen und vor allen Dingen den drohenden Machtver-
schiebungen in Europa zu begegnen.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820301300

Nächster Redner für die CDU/CSU-Fraktion ist der

Kollege Joachim Pfeiffer.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1820301400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deutschland
geht es in schwieriger werdendem Umfeld immer noch
erstaunlich gut; das ist heute Morgen und auch gestern in
der Debatte bereits deutlich geworden. Wir haben kon-
tinuierliches Wachstum, höchste Beschäftigung, höchste
Renten, höchste Einkommen. Das, was Sie gerade skiz-
ziert haben, Kollege Schlecht, hat nicht nur nichts mit den

Michael Schlecht






(A) (C)



(B) (D)


Fakten zu tun, sondern das ist wirklich aus einer anderen
Welt. Diese Rede hätten Sie vielleicht vor 10, 15 Jahren
halten können, in die heutige Zeit passt sie nicht mehr.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Haben wir keine Leiharbeit auf Rekordniveau?)


Warum geht es uns so gut? Wir haben innovative
Unternehmer, die diversifizierte Produkte entwickeln.
Wir haben engagierte Unternehmer, die investieren. Wir
haben gut ausgebildete und produktive Arbeitnehmer.
Unternehmer und Arbeitnehmer schaffen attraktive Pro-
dukte und Dienstleistungen, die wir in Deutschland und
weltweit vermarkten. Das ist das Geheimnis unseres Er-
folgs.

Die Politik versucht, Rahmenbedingungen zu schaf-
fen, so auch mit diesem Haushalt, indem sie – die Kolle-
gen haben es schon vorgetragen – in vielfältigster Weise
Innovation, Forschung und Entwicklung sowie die Digi-
talisierung fördert, die Infrastruktur ausbaut und kleine
und mittlere Unternehmen und Weiteres mehr fördert.

All die guten Produkte und Dienstleistungen helfen
uns aber nicht, wenn wir keinen Markt haben, auf dem
wir sie verkaufen können. Der deutsche Markt ist zu
klein. 80 Millionen Menschen reichen nicht aus, um un-
serer Volkswirtschaft mit den Produkten und Dienstleis-
tungen, mit unserer Wertschöpfung als Markt zu dienen.
Deshalb ist Deutschland nicht nur auf den Binnenmarkt
angewiesen – der im Übrigen sehr gut läuft, der Binnen-
markt war einer der Wachstumsfaktoren in den letzten
Jahren, aber allein reicht er eben nicht –, sondern wir
brauchen auch andere Märkte, in Europa und in der Welt.

Ich möchte Ihnen das gerne anhand einiger Zahlen dar-
legen: Die Exporte Deutschlands haben nach der Wieder-
vereinigung 1991 bei 1,5 Billionen Euro Bruttoinlands-
produkt rund 340 Milliarden Euro betragen. Das waren
rund 25 Prozent. 2012 betrugen die Exporte 1,1 Billionen
Euro bei einem Bruttoinlandsprodukt von 2,7 Billionen
Euro. Das waren 41 Prozent, also knapp doppelt so viel.
Jeder vierte Arbeitsplatz ist direkt vom Export abhängig,
in der Industrie jeder zweite.

Im Jahr 2016 wird Deutschland mit 1,3 Billionen Euro
und vielleicht sogar noch mehr wiederum Exportwelt-
meister vor China, und zwar nicht nur relativ, sondern
auch in absoluten Zahlen. Dem stehen aber auch Impor-
te in Höhe von rund 1 Billion Euro gegenüber. Handel
und offene Märkte führen zu gegenseitigen, komparati-
ven Vorteilen und internationaler Arbeitsteilung. Es ist
eben nicht fix und eine Verteilung, so wie Herr Kollege
Schlecht uns hier weiszumachen versucht, dass der eine
nur etwas mehr haben kann, wenn er dem anderen et-
was wegnimmt. Das Gegenteil ist der Fall. Nur mit Pro-
dukten und Vorleistungen, Dienstleistungen aus anderen
Ländern sind unsere deutschen Produkte so gut und so
wettbewerbsfähig, dass wir sie wiederum exportieren
können. Deshalb brauchen wir freie, offene Märkte in
Europa und in der Welt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb ist die Rolle des Freihandels so wichtig. Ab-
schottung, Protektionismus und nationale Lösungen sind
keine Lösungen im 21. Jahrhundert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir es historisch betrachten, dann stellen wir
fest: In Zeiten, in denen die Märkte offen waren, in denen
die internationale Arbeitsteilung begonnen hat – ich will
nur 100 Jahre zurückblicken, ins Zeitalter der Industriali-
sierung bis zum Ersten Weltkrieg –, war die Welt so ver-
flochten wie nie zuvor. Dann kam der Erste Weltkrieg mit
all seinen Folgen. In den 1920er-, 1930er-, 1940er-Jah-
ren waren Abschottung, Protektionismus, Nationalismus,
Zurückziehen, Isolationismus das Maß der Dinge – et-
was, das wir jetzt zum Teil wieder sehen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hallo?!)


– Ich komme gleich zu Ihnen; denn Sie sind da mit im
gleichen Boot. – Heute sehen wir zum Teil wieder ähnli-
che Tendenzen. Wozu das geführt hat, haben wir erlebt.

Deshalb: Was ist zu tun? Ich glaube, zuerst brauchen
wir geostrategische Sicherheit und auch Ruhe. Das heißt,
wir als Deutschland, als Europa müssen unsere Rolle in
der Welt spielen. Es geht nicht nur darum, dass Seewege
für den Handel gesichert sind und werden, sondern auch
darum, dass Frieden erhalten bleibt; denn ohne Frieden
gibt es keine wirtschaftliche Entwicklung, keine Nach-
frage, keinen Export, sondern Flüchtlinge, wie wir an
anderer Stelle gesehen haben. Deshalb ist das sicher die
erste Aufgabe.

Die zweite Aufgabe ist, multilaterale Ansätze mög-
lichst wiederzubeleben oder zu forcieren. Die WTO hat
dies versucht. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben Bret-
ton Woods, GATT, die Doha-Runde, anderes mehr diesen
Fortschritt, diese Wohlstandsentwicklung insbesondere
für uns in Deutschland ermöglicht. Die WTO ist multi-
lateral aufgestellt, aber seit Jahren in der Krise. Deshalb
müssen wir alles unternehmen, dass diese multilateralen
Ansätze wieder an Gewicht gewinnen.

Dort, wo wir multilateral bisher nicht weiterkamen,
gibt es bilaterale Lösungen wie CETA. Das ist Gott sei
Dank das beste Abkommen, glaube ich, das wir weltweit
als Vorbild haben. Das gilt es jetzt zügig zu ratifizieren.
Es ist ja noch nicht ratifiziert, sondern dieser Prozess
geht erst los. Da bin ich mal gespannt. Die Grünen ha-
ben angekündigt, im Bundesrat dagegenzustimmen. Sie
sind diejenigen, die gegen Freihandel, gegen Gestaltung
der Globalisierung sind. Sie setzen sich mit den Linken
zusammen in dasselbe Boot wie Le Pen und Trump. Das
ist das, was Sie tun.


(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


– Doch! Mit dem, was Sie in den letzten Jahren in
Deutschland betrieben haben, setzen Sie sich in dasselbe
Boot.


(Beifall der Abg. Michaela Noll [CDU/ CSU] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie mal was über die Empörungsindustrie!)


Dr. Joachim Pfeiffer






(A) (C)



(B) (D)


– Ja genau, da kennen Sie sich aus; denn Sie sind ein
Bestandteil davon.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ansonsten gilt es – das ist angesprochen worden –,
TTIP, Handelsabkommen mit China, ASEAN zu nutzen,
dranzubleiben; denn auch dort gilt es, die Globalisierung
zu gestalten. Wir müssen neue Chancen nutzen. Wir als
Koalitionsfraktionen – nicht nur aus Deutschland, son-
dern auch aus Europa – haben in der nächsten Woche ein
Gespräch mit dem neuseeländischen Botschafter. Neu-
seeland hat ein Interesse an einem Freihandelsabkom-
men mit der Europäischen Union.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Neuseeland hat zwar nur ein Außenhandelsvolumen von
rund 3 Milliarden Euro, aber es ist bereit, etwas zu tun.
Das müssen wir nutzen und gestalten. Das ist die Antwort
auf das Fallenlassen von TPP, das Donald Trump ange-
kündigt hat. Es gilt, mehr miteinander zu reden, mehr
miteinander zu machen und nicht in Nationalismus und
Protektionismus zurückzufallen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820301500

Der Kollege Ernst möchte eine Zwischenfrage stel-

len. – Bitte schön.


Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820301600

Danke, Herr Pfeiffer, dass Sie die Frage zulassen. –

Bleiben wir beim ersten Punkt: CETA und TTIP. Wir ha-
ben erlebt, dass eine Region wie die Wallonie berechtigt
fragt: „Welche Folgen hat dieses Freihandelsabkommen
zum Beispiel für uns?“, sich sperrt und dann, ich sage
mal, mehr oder weniger überrollt wird.

Ich stimme Ihnen zu, dass es notwendig ist, ein ver-
nünftiges Europa zu organisieren, sodass vernünftige
Verhältnisse entstehen, Frieden entsteht. Glauben Sie
nicht, dass diese, ich sage mal, Haltung des Restes von
Europa – nicht der Menschen, sondern der Regierungen,
übrigens auch des Präsidenten des Europäischen Parla-
ments – dazu führt, dass die Menschen sagen: „Moment
mal! Wollen wir wirklich so ein Europa, wie uns da vor-
geschrieben wird? Wollen wir wirklich, dass unsere regi-
onalen Bedürfnisse vollkommen außer Acht bleiben?“?
Ich kann mich daran erinnern, dass die CSU einmal vom
Europa der Regionen gesprochen hat. Was wird mit die-
sem Europa der Regionen, wenn die Interessen einer Re-
gion, wenn die Interessen der Menschen in Diskrepanz
zu diesem Handelsabkommen geraten, die Menschen
dies spüren und ihnen dieses Abkommen trotzdem über-
gestülpt wird? – Sie wissen, wie der Prozess war.

Ein zweiter Punkt, den ich ansprechen möchte, Herr
Pfeiffer. Sie haben gerade von den tollen Entwicklungen
im internationalen Außenhandel gesprochen. Ich gebe Ih-
nen einmal zu bedenken: Stellen Sie sich einmal vor, Sie
sind Deutschland und Herr Fuchs ist der Rest der Welt.

Sie verkaufen Herrn Fuchs dauernd mehr, als Herr Fuchs
bei Ihnen kauft.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Sie argumentieren wie die Fidschiinseln!)


Plötzlich haben Sie das Problem, dass Herr Fuchs – ich
will es ihm nicht andienen – pleite ist, weil er andauernd
bei Ihnen kauft, Sie aber ihm nichts abkaufen. Deshalb
steht im Stabilitätsgesetz: ausgeglichene Handelsbilan-
zen. Die haben wir nicht. Also, wenn Sie nicht Herrn
Fuchs bzw. den Rest der Welt in eine Krise führen wol-
len, dann müssen wir als Bundesrepublik Deutschland
dazu beitragen, dass wir ausgeglichene Handelsbilanzen
haben, Herr Pfeiffer.


(Barbara Lanzinger [CDU/CSU]: Eine eigene Rede! Das ist keine Frage!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820301700

Herr Kollege Ernst, darf ich noch einmal daran erin-

nern, dass sich eine Kurzintervention von einer Regie-
rungserklärung auch durch die Prägnanz der Fragestel-
lung unterscheiden sollte?

Bitte schön, Herr Kollege Pfeiffer.


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das versteht er nicht! Man kann auch sagen: Das nächste Mal kürzer!)



Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1820301800

Aber sie bedarf natürlich einer gebotenen Antwort da-

rauf. Die wollen wir dann nicht abkürzen.

Was es mit dem Kollegen Fuchs zu tun hat, weiß ich
nicht. Den lassen wir jetzt einmal außen vor.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird ihn sicher treffen!)


Es ist eindeutig, dass internationale Arbeitsteilung al-
len Vorteile bringt. Es ist nicht nur so, dass wir expor-
tieren, sondern wir importieren auch. Wir importieren
Vorleistungen. Andere Länder können andere Dinge bes-
ser als wir. Deshalb haben wir nachher ein gegenseiti-
ges Mehr. Zwei plus zwei ist im internationalen Handel
nicht vier, sondern fünf. Das sind die Synergieeffekte,
die wir dadurch erzielen. Es ist so, dass Deutschland
oder die Europäische Union zu unterschiedlichen Län-
dern unterschiedliche Handelsbilanzen haben. Auch wir
haben beispielsweise zu China oder Ländern, von denen
wir Energie importieren, eine negative Handelsbilanz.
Insgesamt ist es aber trotzdem eine positive Entwicklung
für beide Seiten, weil wir die Energie beziehen, mit der
wir hier Wertschöpfung schaffen und wiederum Produk-
te und Dienstleistungen, die in diesen Ländern weitere
Entwicklungen ermöglichen. Das ist das Einmaleins des
Handels und einer internationalen Arbeitsteilung.

Herr Ernst, es ist in Europa überhaupt niemandem et-
was aufgestülpt worden. Wir haben im Vertrag von Lissa-
bon eine Arbeitsteilung verabredet. Wir haben gesagt, es
gibt Aufgaben, die die Europäische Union wahrnimmt.
Es war vorher von Klimaschutz die Rede. Da kritisierte
es niemand. Die Europäische Union verhandelt für Eu-

Dr. Joachim Pfeiffer






(A) (C)



(B) (D)


ropa den Klimaschutz. Genauso verhandelt die Europäi-
sche Union Handelsverträge. Selbst bei der WTO vertritt
die Kommission die Europäische Union. Sie hat einen
Auftrag der Länder bekommen, ein Verhandlungsman-
dat. Dieses Verhandlungsmandat führt sie aus. Wo wird
etwas aufgestülpt? Das versuchen Sie zusammen mit der
Empörungsindustrie den Leuten einzureden. Sie reden es
den Leuten ein. Sie sagen, dass die Demokratie ausgehe-
belt wird von Geheimverhandlungen, von Paralleljustiz.
Wo sind denn die Paralleljustiz und die Geheimverträge
bei CETA? Da liegt es auf dem Tisch. Es ist das moderns-
te Abkommen, das wir haben. Deshalb wollen wir weite-
re solche Abkommen. Das Gegenteil ist kein Abkommen.
Das Gegenteil ist keine Gestaltung der Globalisierung.
Es ist ein Zurückfallen in Abschottung, in Protektionis-
mus und die Haltung, den anderen die Gestaltung zu
überlassen. Das ist nicht die Politik der Union.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es wird hoffentlich nicht die Politik Deutschlands und
der Europäischen Union.

Was ist weiter zu tun? Neue Chancen nutzen – Neu-
seeland habe ich gerade angesprochen –, eine Koalition
der Willigen zu bilden, mit denen wir die Globalisierung
gestalten müssen und wollen. Wir müssen alte Märkte
neu erschließen. Ich nenne beispielsweise den Iran, der
sich aus der Welt abgemeldet hatte, der jetzt aber zurück-
will, traditionell mit besten Beziehungen zu Deutschland.
Dieses Potenzial müssen wir nutzen. Es gilt, neue Märkte
zu erschließen. Ich nenne hier Afrika. Afrika ist nicht nur
ein amorpher Kontinent, wo es nur Flüchtlinge und Pro-
bleme gibt. Es gibt Länder in Afrika, die befinden sich
in Bezug auf Korruption vor Ländern der Europäischen
Union. Die haben hohe Wachstumsraten. Wir waren in
diesem Jahr mit dem Ausschuss in Südafrika. Wir wa-
ren in Mosambik und haben gesehen, welcher Wille zur
Gestaltung vorhanden ist. Deshalb – Kollege Mattfeldt
hat es ausgeführt – stärken wir die Auslandshandels-
kammern, die Instrumente, mit denen wir neue Märkte
erschließen. Afrika wird das Asien des 21. Jahrhunderts.
Im Jahr 2100 werden in Afrika über 5 Milliarden Men-
schen leben. Diesen Markt müssen wir uns ebenfalls er-
schließen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen den europäischen Binnenmarkt stärken.
Wir geben mit diesem Haushalt allein für Außenhan-
dels- und Außenwirtschaftsförderung und wirtschaft-
liche Zusammenarbeit beim Auswärtigen Amt, beim
Wirtschaftsministerium und beim Ministerium für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit – die Instrumente wurden
genannt – rund 6 Milliarden Euro direkt aus. Um das
einmal in eine Relation zu setzen: Das sind bei einem
Haushaltsvolumen von gut 300 Milliarden Euro, genauer
gesagt 330 Milliarden Euro, gut 5 Prozent, die wir dafür
ausgeben.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: 6 Milliarden von 330 Milliarden sind nicht 5 Prozent!)


– Haben Sie aufgepasst? Sehr gut!


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Wir können auch mal eine Stunde machen!)


– Also wie viel Prozent? 2 Prozent. – Wir geben also
2 Prozent der Haushaltsmittel dafür aus. Das kann sich
sehen lassen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820301900

Herr Kollege.


Dr. Joachim Pfeiffer (CDU):
Rede ID: ID1820302000

Wir sorgen auch für eine Hebelwirkung: Beispiels-

weise setzen wir für Hermesbürgschaften, Exportkredite,
dreistellige Milliardenbeträge ein.

Mit den genannten Punkten stärken wir den Freihan-
del, stärken wir unser Engagement. Ich glaube, das ist die
Zukunft: Über Offenheit, Austausch und internationale
Arbeitsteilung können wir unseren Wohlstand nicht nur
sichern, sondern auch weiter stärken. Dafür brauchen wir
einen starken Binnenmarkt. Wir brauchen freie Märkte,
freien Welthandel, Offenheit, um auch in Zukunft Frie-
den und Wohlstand für uns und in der Welt zu schaffen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820302100

Kerstin Andreae ist die nächste Rednerin für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820302200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

ist nicht meine Aufgabe und auch nicht mein Wunsch,
das Land schlechtzureden. Es ist richtig, dass die Arbeits-
losenzahlen gut sind und dass wir in der Europäischen
Union im Vergleich wirtschaftlich gut dastehen. Aber wir
müssen doch konstatieren, dass wir eine Gesellschaft der
zwei Gesichter haben: Wir haben auf der einen Seite gute
Arbeitslosenzahlen, aber auf der anderen Seite eine sehr
verfestigte Struktur bei den Langzeitarbeitslosen. Wir ha-
ben die reichste Rentnergeneration und auf der anderen
Seite immer mehr alte Menschen, die von Armut bedroht
sind. Wir haben die Situation, dass wir viele Milliarden
Euro für die Familienförderung ausgeben, aber trotzdem
jedes fünfte Kind armutsgefährdet ist. Und wir haben die
Situation, dass die Digitalisierung eine der notwendigen
industriepolitischen Strategien ist und auf der anderen
Seite menschliche Arbeitskraft entwertet wird und sich
Arbeitsplatzsituationen verändern. Das ist die Gesell-
schaft der zwei Gesichter, und da müssen Sie Antworten
geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich frage mich schon, ob sich diese Bundesregierung
den Herausforderungen eigentlich wirklich stellt. Neh-
men wir die Digitalisierung: Innovationszyklen werden
immer kürzer, die Arbeitswelt verändert sich. Wir haben
bezüglich dieser Veränderungsprozesse offene Fragen:
Sind unsere sozialen Sicherungssysteme angesichts glo-
baler Arbeitsmärkte überhaupt noch in der Lage, Antwor-
ten zu geben?

Dr. Joachim Pfeiffer






(A) (C)



(B) (D)


Es gibt aber auch schon Lösungen, die wir immer wie-
der diskutieren. Eine der Fragen ist – wir werden Ihnen
morgen einen entsprechenden Antrag vorlegen –: Schaf-
fen wir es, neben der Projektförderung endlich die steuer-
liche Forschungsförderung zu etablieren? Heute darf ich
im Handelsblatt lesen, dass Sie dort laut Staatssekretär
Machnig einen Vorschlag machen, nämlich „eine Zula-
ge von zehn Prozent auf die Personalkosten“ erreichen
wollen, weil die Innovationsausgaben des Mittelstandes,
wie er sagt, Jahr für Jahr sinken. Dann frage ich Sie:
Kommen Sie morgen endlich zum Schwur und stim-
men einem grünen Entschließungsantrag zu, der da sagt:
„Bringt endlich die steuerliche Forschungsförderung auf
den Weg“? Wir müssen das Innovationspotenzial des
Mittelstandes nutzen. Kreativität lebt davon, dass sie sich
frei entfalten kann. Ich hoffe, dass Sie morgen – es wäre
dringend an der Zeit – endlich mal zu Ihren Ankündi-
gungen stehen und der steuerlichen Forschungsförderung
den Weg frei machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ungeduldig werden wir wirklich auch beim Thema
Klimawandel. Es ist ja richtig, dass man Fragen des Kli-
maschutzes und der ökologischen Industriepolitik nicht
mit Zeiten und Zeitpunkten beantwortet.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aha!)


Und es ist richtig, dass das Ganze natürlich in eine Strate-
gie eingebunden sein muss, die die Menschen mitnimmt
und die Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes sehr ernst
nimmt. Aber seit 2010 gibt es die Nationale Plattform
Elektromobilität, damals mit dem Ziel, bis 2020 1 Mil-
lion Elektrofahrzeuge, bis 2030 potenziell 6 Millionen,
auf die Straße zu bringen. Davon sind wir meilenweit
entfernt.

Meilenweit entfernt sind wir auch von vielem ande-
rem; denn es geht ja nicht nur darum, Autos zu bauen,
sondern es geht auch darum, darum herum eine Strategie
zu entwickeln: Ausbau der Stromnetze, Batteriezellpro-
duktion, Aufbau von Ladeinfrastruktur, Rohstoffsiche-
rung. Natürlich geht es auch um die Frage der Beschäf-
tigung. Aber eine so umfassende Strategie ist von der
Nationalen Plattform Elektromobilität überhaupt nicht
angefasst worden. Wir dagegen haben eine Vision, wir
haben ein Ziel. Deswegen ist es richtig, dass meine Partei
gesagt hat: Wir schaffen Planungssicherheit. Und diese
Planungssicherheit beinhaltet: Ab 2030 werden nur noch
emissionsfreie Autos zugelassen. Und was passiert? Die
Industrie fängt an zu handeln. Sie braucht solche Visio-
nen und Ziele. Und Planungssicherheit dafür muss auch
vom Wirtschaftsminister kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich erwarten wir eine ökologische Finanzre-
form. Wir erwarten, dass Sie im wahrsten Sinne des Wor-
tes umsteuern. Es werden jedes Jahr 52 Milliarden Euro
für umweltschädliche Subventionen ausgegeben. Es geht
hier gar nicht darum, Subventionen abzubauen, um mehr
Geld für den Haushalt zu bekommen. Vielmehr geht es
darum, dass wir endlich umsteuern, dass wir ökologisch
schädliches Verhalten besteuern und dass wir ökologisch
kluges und vernünftiges Verhalten fördern. Wir müssen

hier etwas anbieten. Ich nenne nur die Bereiche Dienst-
wagenbesteuerung, Kerosinsteuer, Brennelementesteuer
und Industrierabatte. Es gäbe so viel zu tun, aber diese
Bundesregierung packt nichts davon an, gar nichts! Mit
ökologischer Industriepolitik hat das überhaupt nichts
mehr zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die dritte Herausforderung ist schließlich die demo-
grafische Entwicklung. Wenn Sie sich mit Unternehmern
unterhalten, dann sagen diese: Wir haben zwei große Pro-
bleme: Bürokratie und Fachkräftemangel. Dass die Rente
mit 63, die Sie am Anfang der Legislatur hier verabschie-
det haben, ein ziemlicher GAU war, darüber haben wir
zur Genüge diskutiert. Auch dass die Mütterrente, die
jetzt wieder von der CSU thematisiert wird, uns ein wei-
teres Loch in der Rentenkasse bringen wird, ist auch ein
Thema.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wollen Sie nichts Gutes für die Frauen?)


Ich konzentriere mich aber darauf, zu sagen: Wir müssen
den Arbeitsmarkt so gestalten, dass er für Frauen zugäng-
licher wird, dass er für Migranten zugänglicher wird,
dass es Aufstiegsmobilität gibt.

Wir werden auch ein Einwanderungsgesetz brauchen.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [Peine] [SPD])


Die Botschaft ins Ausland muss doch sein: Fachkräf-
te sind hier willkommen. Wir machen es euch einfach.
Ihr könnt hierherkommen, und dann könnt ihr euch um
einen Job bemühen – und zwar nicht aus dem Ausland
heraus, sondern dann, wenn ihr hier seid, könnt ihr euch
hier einen Arbeitsplatz suchen. – Bringen Sie ein Ein-
wanderungsgesetz auf den Weg! Ich bin ja froh, dass die
SPD sich an dieser Stelle bewegt. Aber auch Sie von der
Union müssen Ihre Position zu diesem Thema endlich
ändern. Deutschland ist ein Einwanderungsland, und wir
brauchen ein vernünftiges Einwanderungsgesetz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Angesichts der Herausforderungen Klimawandel, Di-
gitalisierung und Demografie müssen wir uns im Übrigen
auch über die haushalterische Situation in den kommen-
den Jahren Gedanken machen. Wenn Sie von der Union
ernsthaft glauben, wir könnten es uns leisten, 30 Milliar-
den Euro nach dem Gießkannenprinzip auf die Steuer-
zahler zu verteilen, und nicht in der Lage sind, zu überle-
gen: „Wer braucht wirklich Unterstützung? Wo sind die
Menschen, die unsere Hilfe brauchen?“, dann machen
Sie genau den Fehler, der letztlich zu Politikverdrossen-
heit führt: Sie versprechen irgendetwas, was Sie nie ein-
halten werden, was Sie auch nicht einhalten können und
was Sie auch nicht einhalten sollten.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Nicht so aggressiv!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820302300

Frau Kollegin.

Kerstin Andreae






(A) (C)



(B) (D)



Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820302400

Machen Sie eine Politik, die sich tatsächlich an den

Menschen orientiert, die Unterstützung brauchen. Ma-
chen Sie eine Politik, die Antworten auf die Herausfor-
derungen durch Klimawandel, Digitalisierung und De-
mografie gibt. Das wäre zukunftsgewandte Politik, die
dieses Land wirklich nach vorne bringt.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820302500

Frau Kollegin!


Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820302600

Was Sie machen, ist rückschrittlich, und das machen

wir nicht mit. Ich hoffe, dass wir beim nächsten Haushalt
mit grüner Regierungsbeteiligung hier andere Schwer-
punkte setzen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820302700

Hubertus Heil ist für die SPD-Fraktion der nächste

Redner.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Wenigstens wieder einer, der was versteht!)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1820302800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Zwei Tage vor der Wahl in den Vereinigten Staa-
ten von Amerika gab es eine, wie ich finde, leider sehr
hellsichtige Dokumentation in der ARD mit dem Titel
„Warum Trump Clinton schlagen kann“. In dieser Do-
kumentation – das war eine Reise durch die Vereinigten
Staaten von Amerika – wurden Szenen aus dem soge-
nannten Rust Belt gezeigt, aus den Staaten an den Ap-
palachen, in denen früher dank der Kohleförderung, der
Montanindustrie und vor allen Dingen der Stahlindustrie
das industrielle Herz Amerikas schlug. Die Bilder von
den zerfallenden Industriebrachen waren eine Antwort
darauf, warum viele Menschen, die früher aus Überzeu-
gung demokratisch gewählt haben, die sogar 1980, als
Reagan kandidierte, immer noch Carter gewählt haben,
weil ihre Gewerkschaften gesagt haben: „Wählt demo-
kratisch, das ist besser für Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer“, dieses Mal Trump gewählt haben.

Deindustrialisierung, meine Damen und Herren, ist
etwas, was uns in Deutschland aus guten Gründen nicht
passieren darf. Sie ist Nährboden für Radikalismus, für
Rechtspopulismus. Deshalb setzen wir auf Industriepo-
litik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das heißt allerdings, wir dürfen uns auf den guten Da-
ten – wir haben derzeit einen Anteil der Industrie in Höhe
von 22 Prozent an der Wertschöpfung – nicht ausruhen;
denn der Strukturwandel wird weitergehen. Ich kann es
am Beispiel meiner Heimatregion, die Sigmar Gabriel

vorhin angesprochen hat, weil das auch seine Heimat-
region ist, des Südostens Niedersachsens, sagen: Wir
haben in den 70er-, 80er-Jahren einen Strukturwandel
in der Stahlindustrie erlebt. In den nächsten Jahren wird
er aber noch beschleunigt durch die Digitalisierung und
neue Antriebe, beispielsweise in der Automobilindustrie.

Die Ankündigung des Unternehmens Volkswagen, bis
2025 24 000 Stellen abzubauen – Gott sei Dank nicht
durch betriebsbedingte Kündigungen in den Stammbe-
legschaften,


(Michael Schlecht [DIE LINKE]: Leiharbeiter!)


aber bei den Leiharbeitern – warten Sie doch mal einen
Moment ab –, ist für meine Region ein ziemlich harter
Schlag, und für andere VW-Standorte auch. Gleichzeitig
kündigt VW Gott sei Dank auch an, 9 000 neue Stellen zu
schaffen. Diese Ankündigung ist aber nicht nur eine Kon-
sequenz aus dem Dieselgate, sondern auch bedingt durch
die Tatsache, dass die Automobilindustrie durch die Di-
gitalisierung und neue Antriebe – Stichwort „Elektromo-
bilität“, Stichwort „Wasserstoff“ – vor einem massiven
Strukturwandel steht. Das gilt für die ganze industrielle
Basis unseres Landes.

Deshalb sage ich, meine Damen und Herren: Struktur-
wandel ist nicht aufzuhalten, Strukturwandel darf auch
nicht aufgehalten werden durch konservierende Politik,


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht ihr, Hubertus! Ihr macht konservierende Politik!)


Strukturwandel muss vielmehr gestaltet werden, und des-
wegen bedingt Strukturwandel auch Strukturpolitik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will Ihnen sagen, was ich damit meine: Es geht
beispielsweise um die Frage, welche Qualifikationen
gebraucht werden. Wenn die Bedeutung des Verbren-
nungsmotors in den Wertschöpfungsketten der deutschen
Automobilindustrie zurückgeht, ist das nicht nur für die
Automobilhersteller, sondern auch für die gesamte Zu-
lieferkette eine ziemliche Herausforderung, auf die man
sich einstellen muss. An dieser Stelle geht es ja zum Bei-
spiel um Getriebe, um die Motorenproduktion oder die
Teileproduktion. Wir werden uns den Fragen widmen
müssen: Welche Qualifikationen werden zukünftig ge-
braucht? Was kann getan werden, damit kleine und mit-
telständische Unternehmen, die Teil der Zuliefererkette
sind, sich auf den Weg machen können?

Bei all dem geht es um Forschung und Entwicklung.
Deshalb ist es richtig, dass wir mit diesem Bundeshaus-
halt die notwendigen Investitionsmittel bereitstellen. Die
Investitionsquote des Bundeshaushalts ist seit 2013 kräf-
tig gestiegen, und zwar um 45 Prozent. Ich sage es Ihnen
auch in Beträgen ausgedrückt: von 24,8 Milliarden Euro
auf 36 Milliarden Euro.

Ich will zunächst ein Beispiel nennen, das mit Quali-
fikationen zu tun hat: Es ist jetzt endlich gelungen, das
Kooperationsverbot im Bereich der schulischen Bil-
dung durch die Bund-Länder-Finanzvereinbarung auf-






(A) (C)



(B) (D)


zubrechen. Wir stellen noch in dieser Legislaturperiode
3,5 Milliarden Euro zusätzlich für die Schulsanierung
und -modernisierung bereit. Deshalb habe ich eine herz-
liche Bitte an Sie, Frau Kollegin Andreae – Sie kommen
ja aus Baden-Württemberg –:


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich kann mir ungefähr vorstellen, was jetzt kommt!)


Helfen Sie mit, dass der Ministerpräsident von Ba-
den-Württemberg dieses Vorhaben nicht weiter blockiert
und damit kaputtmacht; denn wir brauchen Qualifikatio-
nen in Deutschland.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es kann ja nicht sein, dass Sie hier schöne Reden halten,
aber dort, wo die Grünen regieren, genau das nicht ge-
macht wird. Das geht nicht.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Moment! Moment! Alles, was ich gesagt habe, machen wir vor Ort, Hubertus!)


Ich sage Ihnen an dieser Stelle: Wir müssen zusehen,
dass wir im Bereich der Bildung, der Qualifikationen, die
in dieser neuen Zeit gebraucht werden, vorankommen.

Nun komme ich zu dem, was Sie zum Bereich For-
schung und Entwicklung gesagt haben, Frau Andreae. Da
bin ich ja ganz bei Ihnen. Wir haben – das muss man sa-
gen; das können Sie auch mal loben – im Bundeshaushalt
für die anwendungsorientierte Forschung, beispielsweise
in den Fraunhofer-Instituten oder in den DLR-Zentren im
Bereich Mikroelektronik, eine ganze Menge geschaffen,
um die Industriepolitik im Sinne einer modernen Indus-
triepolitik voranzubringen. Es geht dabei um Dinge, die
wir dringend brauchen, wie die Digitalisierung der Mi-
kroelektronik oder die Erforschung von Batteriezellen-
technologien. Wenn wir über Elektromobilität sprechen,
dann wissen wir, dass ein großer Teil der Wertschöpfung
über die Batteriezellentechnik erfolgt. Daher muss es
unser Ziel sein, eine Batteriezellenproduktion der neuen
Generation in Deutschland hinzubekommen; denn das
ist der wesentliche Teil der Wertschöpfung. Es ist auch
wichtig, dass wir in der Mikroelektronik nicht den An-
schluss verlieren. Daher müssen wir als Staat Anstöße
geben, damit es vorangeht. Genau das tut die Bundesre-
gierung. Da wäre ein bisschen Lob von Ihnen großzügig
gewesen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU] – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hubertus!)


– Man kann ja auch über Gutes reden.

Zum Schluss will ich Folgendes sagen: Diese Bun-
desregierung hat im Bereich der Wirtschafts- und Ener-
giepolitik eine ganze Menge vorangebracht. Der zustän-
dige Minister hat sich wirklich für vieles reingehängt: für
ein faires Handelsabkommen, für eine kluge Energiepo-
litik, für die Beschäftigten im Einzelhandel. Aber er setzt
in seinem Haushalt auch Schwerpunkte im Hinblick auf
eine moderne, zukunftsgerichtete Industriepolitik. Es ist

notwendig, sich dieser Aufgabe zu stellen, meine Damen
und Herren, um einen Zustand, den es bei uns in Deutsch-
land leider gibt, zu überwinden, nämlich den komischen
Widerspruch zwischen einer guten wirtschaftlichen Lage
und wahnsinnigen Zukunftsängsten in diesem Land.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820302900

Herr Kollege.


Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1820303000

Wir wollen, dass sich die Menschen auch morgen wie-

der freuen können. Dafür stellen wir die Weichen, auch
in der Wirtschaftspolitik.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820303100

Das Wort erhält nun die Kollegin Eva Bulling-Schröter

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820303200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

denke, wir stehen vor dem Ende des fossilen Energiezeit-
alters. Ich denke auch, dass uns allen das eigentlich klar
ist. Vielleicht kommt das Ende schneller, als wir es uns,
als Sie es sich wünschen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das Ende ist nah!)


Einige von Ihnen, die das steinzeitliche Energiezeitalter
hinauszögern wollen, sind auf die eine oder andere Art
mit der fossilen Energieindustrie verbandelt. Wir spre-
chen davon, dass viele Menschen vor Ort schlicht und
einfach Angst vor dem Wandel haben. Das wissen auch
wir; das ist heute schon angesprochen worden. Ich kenne
diese Angst. Wir, die Linken, nehmen sie ernst.


(Beifall bei der LINKEN)


Das hat aber auch etwas mit Unwissen und Misstrau-
en gegenüber Ihrer Politik zu tun. Ich kann mich noch
erinnern, dass ich kurz vor meiner Zeit im Bundestag auf
einer IG-Metall-Schulung war.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das muss aber lange her sein!)


Da ging es um die Verhinderung bzw. Vernichtung von
Arbeitsplätzen durch nicht betriebenen Umweltschutz.


(Mark Hauptmann [CDU/CSU]: Bestimmt „Verhinderung“! Das passt ja zu Ihnen!)


Heute haben regenerative Energien im Strombereich ei-
nen Anteil in Höhe von 33 Prozent.

Ich habe Herrn Gabriel gerade genau zugehört und
muss sagen: Natürlich sind uns Jobs wichtig


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das merkt man aber an Ihren Entscheidungen nicht!)


Hubertus Heil (Peine)







(A) (C)



(B) (D)


– Sie sollten uns nicht immer das Gegenteil unterstel-
len –, und natürlich wollen wir keine Deindustrialisie-
rung. Aber ich sage an dieser Stelle auch: Wir wollen
existenzsichernde Arbeitsplätze. Wir wollen zukunfts-
fähige Arbeitsplätze. Wir wollen keine Minijobs, und
wir wollen nicht solche Jobs, wie es sie bei bestimmten
Zulieferern gibt, bei denen alle Beschäftigten Aufstocker
sind. Wir wollen so auch Altersarmut verhindern. Ich
denke, es gibt genug Möglichkeiten, entsprechende Jobs
zu schaffen, gerade im regenerativen Bereich.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn wir über die Entwicklung und das Potenzi-
al der erneuerbaren Energien sprechen, dann sprechen
wir wahrscheinlich über die innovativste, wachstums-
freudigste und kreativste Branche, die wir haben. Die
Branche der erneuerbaren Energien könnte in den kom-
menden Jahrzehnten zusätzlich – ich betone: zusätzlich –
230 000 Arbeitsplätze schaffen – dazu gibt es Studien –,
und dabei handelt es sich um zurückhaltende Berechnun-
gen. Natürlich sollen diese Arbeitsplätze unter Tarif fal-
len, und natürlich muss es einen Betriebsrat geben; das
ist doch gar keine Frage.


(Beifall bei der LINKEN – Thomas Jurk [SPD]: Doch, das ist die Frage!)


Dabei sind übrigens die zusätzlichen Arbeitsplätze in der
Baubranche – Stichwort „Gebäudesanierung“ –, in der
Energiedienstleistungsbranche und in der Effizienzbran-
che noch nicht einberechnet.

Ich sagte „könnte“, weil die Bundesregierung alles tut,
um dies zu verhindern. Sie bremsen, Sie blockieren den
Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor; dabei
brauchen wir den Stromsektor künftig auch für Mobilität
und Wärme. Sie gefährden auch bestehende Arbeitsplät-
ze bei der Kraft-Wärme-Kopplung, wo wahrscheinlich
durch die überstürzte Einführung von Ausschreibungen
ein Fadenriss entsteht; das haben auch die Anhörungen
gezeigt.

Wir stehen im Energiebereich, auch im Verkehrsbe-
reich vor einem gewaltigen ökologischen Umbau. Im
Automobilbereich steckt Innovationspotenzial in der
Umstellung auf ökologische Antriebe. Deutschland
könnte hier Vorreiter sein. Das gilt übrigens auch für
die Klimakiller Luftfahrt und Schifffahrt, wo noch viel
passieren muss. Ich frage mich halt: Wo ist denn da die
Bundesregierung, die den Rahmen für eine umweltver-
trägliche Mobilität vorgibt? Aber was soll man von ei-
nem CSU-Verkehrsminister erwarten, der noch immer
seine schützende Hand über die Manipulationen der hei-
mischen Autoindustrie legt? Aber vielleicht gehört das ja
schon zur Vorstufe zum Paradies; das könnte auch sein.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hä?)


Jetzt ist der VW-Konzern durch die Abgasaffäre of-
fenbar aufgewacht, will verstärkt in die Elektromobilität
einsteigen – und das ist gut so. Aber mit dem angekün-
digten Abbau von 23 000 Stellen allein in Deutschland
lässt der Konzern die Beschäftigten für die Verluste
durch den Abgasskandal bluten. Das ist nicht fair. Die
Kolleginnen und Kollegen fühlen sich verkauft. Dabei

handelt es sich nicht nur um die Kernmann- und -frau-
schaften, sondern natürlich auch um all die Leiharbeiter
und die Zulieferer, deren Einkünfte man sowieso immer
drückt. Herr Gabriel, dazu, zu VW, habe ich von Ihnen
gar nichts gehört.

Die Braunkohlewirtschaft hat ja den gravierenden
Stellenabbau schon hinter sich. Gerade deshalb sollte nun
ein Kohleausstieg ohne weitere Strukturbrüche erreicht
werden. Dazu haben wir Anträge zum Haushalt gestellt.
Wir wollen 250 Millionen Euro im Jahr für einen Struk-
turfonds; der ist notwendig, damit dieser Strukturwandel
eingeleitet werden kann.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820303300

Frau Bulling-Schröter, lassen Sie noch eine Zwischen-

frage zu?


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820303400

Wir wollen ja nicht sofort aus der Kohle aussteigen,

aber wir wollen den Strukturwandel befördern.


(Beifall bei der LINKEN)


Hier geht es um Arbeitsplätze, hier geht es um den Kli-
maschutzplan, und hier geht es um die Zukunft von ganz
vielen Menschen, auch um die Zukunft der Kindeskinder.
Des Weiteren geht es auch um gute Arbeitsplätze sowie
um armutsfeste Renten. All das gehört zusammen. Sozi-
ales und Ökologie können nicht mehr getrennt werden.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820303500

Das Wort erhält nun die Kollegin Barbara Lanzinger

für die CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Barbara Lanzinger (CSU):
Rede ID: ID1820303600

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Besuchertribü-
nen! Haushalt 2017: wiederum keine Neuverschuldung,
stark steigende Investitionen. Ich sage einfach nur: Cha-
peau! Das ist keineswegs selbstverständlich bei durchaus
vielen Begehrlichkeiten und Forderungen. Dahinter ste-
cken harte Arbeit und ein hartes Ringen um die richtigen
Weichenstellungen und die richtigen Inhalte.

Die Kunst dabei ist es immer, zu sparen, zu investie-
ren, das dringend Notwendige nicht zu vergessen und
eine gesunde Balance zu halten – so wie es jedes Unter-
nehmen beständig tun muss, um, wie vor allem unsere
mittelständischen Betriebe, ausgezeichnete Arbeit ab-
zuliefern mit dem wichtigsten Potenzial, das sie haben,
mit gut ausgebildeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
und somit gut für die Zukunft aufgestellt zu sein und
jederzeit auf der Basis solider Finanzen bereit zu sein,
zu investieren. Dort wie hier bei unserem Haushalt gilt:
Wachstum auf Pump funktioniert nicht.

Ich denke schon, dass wir sehr selbstbewusst sagen
können, dass dies ein sehr solider Haushalt ist. Ebenso
gilt auch für den gut aufgestellten Mittelstand, dass er

Eva Bulling-Schröter






(A) (C)



(B) (D)


sich beständig darum kümmern muss, starke und nach-
haltige Investitionen zu tätigen, gerade im Bereich der
innovativen Technologien, in Digitalisierung und Fort-
schritt, um gut für den Wettbewerb aufgestellt zu sein.
Deswegen – ich wiederhole dies heute noch einmal sehr
bewusst – liegt die Investitionsquote des kommenden
Haushalts so hoch wie seit 16 Jahren nicht mehr, nämlich
bei rund 11 Prozent der Gesamtausgaben. Allein im Ver-
gleich zu 2016 investieren wir 4,6 Milliarden Euro mehr,
insgesamt 36 Milliarden Euro.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir setzen mit unseren Haushaltsmitteln ein starkes
Zeichen für das Zugpferd Mittelstand und Handwerk in
Deutschland. Sie sind das Rückgrat der deutschen Volks-
wirtschaft. Allein in Bayern zählen zum Mittelstand über
600 000 Unternehmen mit mehr als 3,6 Millionen sozial-
versicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Dazu kommen
190 000 Ausbildungsstellen in Stadt und Land. Unser
Ziel dabei muss es sein, die Investitionskraft und die in-
ternationale Wettbewerbsfähigkeit unseres Mittelstands
zu befördern, um dieses hohe Niveau der Arbeitsplätze,
der Ausbildung sowie bei Innovationen halten zu kön-
nen. Der Bereich Forschung und Entwicklung ist hierbei
besonders wichtig. Vor allem kleinen und mittelstän-
dischen Unternehmen – auch das wurde heute schon
gesagt – fehlt hierzu oftmals das notwendige Kapital.
Deshalb haben wir im Haushalt darauf hingewirkt, noch
einmal 40 Millionen Euro mehr zur Verfügung zu stellen,
als es im letzten Haushalt der Fall war.

Nicht vergessen dürfen wir dabei auch unseren Tou-
rismus. Der Tourismus schafft mehr Arbeitsplätze als die
Automobilindustrie.


(Zuruf von der SPD: Ohne Automobil kommt man nicht zu touristischen Zielen!)


Mit 32 Millionen Euro dafür haben wir einen, wie ich
denke, sehr gesunden Ansatz. Der Tourismus in Deutsch-
land boomt. Diese Wirtschaftsbranche wächst ohne Ende.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Programm ZIM wurde schon erwähnt. Ich nenne
es „Zugpferd im Mittelstand“. Es ist eines der am meis-
ten nachgefragten Programme für marktorientierte For-
schung, für Technologietransfer und für die Vernetzung
von Wissenschaft und Wirtschaft.

Daneben nenne ich auch noch einmal das Programm
„Industrielle Gemeinschaftsforschung“ – kurz: IGF. Ge-
rade für die KMU, die kleinen und mittelständischen Un-
ternehmen, ist es enorm wichtig, die Forschung voranzu-
treiben, die der Produktentwicklung vorgelagert ist, um
mit neuen Trends auf den Markt gehen zu können.

Aufgestockt wurden auch die Mittel für „go-digital“.
Vor allem unsere kleinen und mittelständischen Unter-
nehmen müssen sich der Digitalisierung stellen. Für sie
kann dieses Programm ein ganz toller Unterstützungs-
faktor sein, sich im Bereich der Informationstechnik fit
zu machen.

Ich denke, eines sollten wir heute hier auch festhalten:
Neben der Industrie sind es gerade unsere kleinen und
mittelständischen Unternehmen bzw. unsere Handwerks-

betriebe, die mit ihren Mitarbeitern bzw. ihren Familien
das Rückgrat, den Mittelbau unserer Gesellschaft bilden.
Bei all unseren Überlegungen gilt es, auch diesen Mittel-
bau zu fördern und zu fordern, damit hier wirklich keine
Probleme entstehen; denn diese Betriebe tragen die Last
der Herausforderungen, die vor uns liegen, am allermeis-
ten auf ihren Schultern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie warten darauf, dass wir das, was wir ihnen verspro-
chen haben, auch angehen, zum Beispiel Steuersenkun-
gen. Wenn es nach dem Haushalt möglich ist, sollten wir
dafür sorgen. Dies ist auch ganz wichtig für unsere künf-
tige Arbeit.

Eines muss für uns auch glasklar sein: Investitionspro-
gramme, vor allem für Gründerinnen und Gründer, sind
nur dann effizient und hilfreich, wenn damit keine neuen
und oftmals unnötigen Anforderungen geschaffen wer-
den. Das Unwort heißt hier für mich „Bürokratieschaf-
fung“. Unser Fraktionsvorsitzender Kauder hat es ges-
tern sehr schön gesagt: Bürokratie liegt manchmal wie
Mehltau über allem; macht es klebrig und lässt einfach
keinen Schwung zu. – Ich denke, mit unseren Bürokratie-
entlastungsgesetzen gehen wir hier erste wichtige Schrit-
te. Sie reichen aber noch lange nicht aus.

Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Der Haus-
halt setzt die richtigen Prioritäten – ohne neue Schul-
den und mit Investitionen in die Zukunft. Wir gestalten
Zukunft. Unsere bisherige Bilanz – das wurde schon
erwähnt, und ich denke, das müssen wir immer wieder
ganz selbstbewusst wiederholen, damit es bei den Men-
schen auch ankommt – lautet: Wir haben Rekordbeschäf-
tigung, wir haben eine so niedrige Arbeitslosigkeit wie
nie seit der Wiedervereinigung, wir haben solides Wachs-
tum der Wirtschaft, es gibt massive Investitionen in die
Infrastruktur, es gibt einen stärkeren Anstieg von Löh-
nen, Gehältern und Renten.

All das ist nicht gottgegeben; das ist nicht selbstver-
ständlich. Wir können und dürfen uns darauf auch nicht
ausruhen. Wir stellen uns nicht hin und reden einfach al-
les schön, aber wir reden auch nicht alles schlecht, Herr
Schlecht.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns ein klares
Profil und klare Ansagen, die Orientierung geben. Dieser
Haushalt ist eine klare Ansage hinsichtlich Handlungsfä-
higkeit, Kompetenz und Zuverlässigkeit. Ich würde mir
wünschen, dass wir alle sagen: Wir sind dafür und nicht
dagegen.

In diesem Sinne: Danke schön für Ihre Aufmerksam-
keit.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820303700

Julia Verlinden ist die nächste Rednerin für die Frakti-

on Bündnis 90/Die Grünen.

Barbara Lanzinger






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820303800

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und

Herren! Es sind viele Investitionen in die Infrastruktur
unserer Energieversorgung notwendig. Die Energiever-
sorgung wird zukünftig dezentraler, sie wird vielfältiger,
es gibt mehr Akteure – und das ist gut so. Aber diese
Akteure brauchen Orientierung und Planungssicherheit.
Sie wollen sehr viel Geld in die Hand nehmen, um die
Energieinfrastruktur zu modernisieren. Das sind Inves-
titionen, die für lange Zeiträume getätigt werden. Bei
der Erdgasinfrastruktur zum Beispiel spricht man von
Investitionszyklen von über 40 Jahren. Deswegen ist
es zum Beispiel wichtig, vorher zu entscheiden, welche
Rolle das Erdgasnetz in Zukunft haben wird. Solch eine
Planungssicherheit müsste die Bundesregierung geben
durch Klarheit in den Zielen, die sie wirklich gemein-
sam – und damit meine ich mit allen Ressorts gemein-
sam – erreichen will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Klimaschutzabkommen von Paris verlangt noch
mehr Anstrengungen als bisher. Doch Sie, Herr Gabriel,
verweigern eine konsequente Klimaschutzpolitik. Oder
warum sonst sind Sie erneut vor der Kohlelobby einge-
knickt und haben den Klimaschutzplan Ihrer Kollegin
Hendricks bis zur Unkenntlichkeit zerfleddert?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Gabriele Katzmarek [SPD]: Es wird doch nicht besser, wenn man es wiederholt! – Bernd Westphal [SPD]: Völliger Unsinn! – Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben nicht zugehört!)


Sie haben eben gesagt, die Arbeitsplätze seien Ih-
nen wichtig. Ich glaube, die sind Ihrer Parteikollegin
Hendricks ebenfalls äußerst wichtig. Deswegen ver-
schließt Ihre Kollegin Hendricks eben nicht die Augen
davor, dass sich die Welt verändert.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Letztes Jahr gab es mehr Investitionen in erneuerbare
als in fossile Energien. Sehr viele Unternehmen – Ro-
ckefeller, der Allianz-Konzern und viele andere – ziehen
Geld aus den fossilen Energieträgern ab; das nennt man
Divestment. Damit verändern sie die Energieversorgung,
damit verändern sie die Richtung von Geldströmen. Und
ja, genau dafür – für den Strukturwandel, für eine mo-
derne Industriepolitik – muss man Konzepte erarbeiten
und sie auch arbeitsmarktpolitisch begleiten. Aber ein-
fach darauf zu hoffen, dass wir noch jahrzehntelang Zeit
hätten, weil Sie sich das so wünschen, geht nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zur Planungssicherheit für Investitionen gehört auch
eine Konsistenz von verlässlichen energiepolitischen
Rahmenbedingungen. Dazu gehört zum Beispiel ein
Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, das die richtigen In-
vestitionen anreizt. Leider haben Sie auch dieses Thema
nun wieder auf die lange Bank geschoben, nachdem die
Anträge bereits zehn Monate herumlagen und Unterneh-
men Arbeitsplätze abbauen und Investitionen abschrei-

ben mussten. Erst in einem halben Jahr sollen die De-
tails für die Ausschreibung von KWK-Anlagen von 1 bis
50 Megawatt vorliegen.

Außerdem müsste die Bundesregierung mit ihrer
Haushaltspolitik und ihren Förderprogrammen konse-
quent die richtigen Signale setzen. Aber Sie verpassen
dieses Mal schon wieder die Chance, die Energiewende
endlich in allen Bereichen beherzt anzupacken.

Sie haben die wettbewerblichen Ausschreibungen
für Energiesparmaßnahmen eingeführt, stellen aber im
Haushalt viel zu wenig Mittel dafür zur Verfügung. Und
dann gestalten Sie die Regeln für diese wettbewerblichen
Ausschreibungen auch noch so kompliziert, dass Unter-
nehmen abgeschreckt werden. Das Ergebnis sieht dann
so aus: In der ersten Ausschreibungsrunde gab es gerade
einmal 18 Anträge. 18 Anträge! Das ist eine Ohrfeige für
Ihr Ausschreibungsverfahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihre Politik ist ebenso widersprüchlich, wenn es um
den Umstieg auf Erneuerbare im Wärmesektor geht. Es
nützt doch zum Beispiel nichts, wenn Sie den Leuten
einen roten Aufkleber auf die alte Heizung packen und
gleichzeitig das Heizöl niedriger besteuern, als es in fast
jedem anderen EU-Land besteuert wird.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wollen Sie höhere Steuern? Dann müssen Sie den Leuten aber auch sagen, dass Sie höhere Steuern wollen! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sagen Sie das aber auch den Leuten, dass Sie höhere Steuern wollen!)


Damit benachteiligen Sie im Übrigen auch die Erdgas-
industrie. Woher soll da der Impuls kommen, die ineffi-
ziente alte Ölheizung durch eine Heizung auf der Basis
erneuerbarer Energien zu ersetzen? Damit nicht genug.
Sie halten sogar an Fehlanreizen fest. Wenn die alte Öl-
heizung dann kaputtgeht, bekommt man für den Einbau
einer neuen Ölheizung auch noch Steuergelder über die
KfW.

Wer jetzt noch fossile Heizungen fördert, zemen-
tiert klimaschädliche Strukturen für die nächsten 20 bis
30 Jahre. Die Energiewende darf aber nicht im Heizungs-
keller stecken bleiben. Deswegen fordern wir: Stecken
Sie das Geld lieber in den Ausbau von erneuerbaren Hei-
zungstechnologien! Dann bewegt sich endlich mal was
im Wärmemarkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mein letzter Punkt: Viele Menschen wollen bei der
Energiewende mitmachen. Sie können aber nicht, weil
ihnen die Gebäude, in denen sie wohnen, nicht gehören,
weil sie den Strom, den sie nutzen, nicht selbst erzeugen
können, und weil sie die Gebäude, in denen sie leben,
nicht selbst sanieren können. Hier muss die Bundesre-
gierung endlich liefern. Sie, Herr Gabriel, haben es in der
Hand, vernünftige Bedingungen für Mieterstrommodelle
zu schaffen. Sie haben es in der Hand, die energetische
Sanierung ganzer Quartiere mit einem entsprechenden
Förderprogramm voranzutreiben.






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820303900

Frau Kollegin.


Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820304000

Und Sie haben es in der Hand, mehr Möglichkeiten für

die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an Sanie-
rungen und dem Ausbau Erneuerbarer zu schaffen. Eine
erfolgreiche Energiewende kann nur gelingen, wenn wir
sie gemeinsam mit den Menschen gestalten.

Also, legen Sie endlich los!


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820304100

Frau Kollegin.


Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820304200

Legen Sie uns einen Haushaltsplan vor, der für die In-

vestition in die Dekarbonisierung unserer Energieversor-
gung klare Anreize setzt.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1820304300

Wenn Sie noch viel schneller geredet hätten, wäre es,

glaube ich, unverständlich geworden.


(Zuruf von der SPD: Das ist auch so unverständlich!)


So aber haben unsere bewährten Stenografinnen und
Stenografen den Text im Protokoll sicher präzise er-
fasst. – Nun ist der Kollege Mark Hauptmann der nächste
Redner für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Mark Hauptmann (CDU):
Rede ID: ID1820304400

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kollegen! Ver-

ehrte Gäste! Mit dem Bundeshaushalt 2017 legen wir
zum vierten Mal in Folge einen ausgeglichenen Bundes-
haushalt vor. Sehr geschätzte Kollegin Andreae, wir ma-
chen hier nicht etwa falsche Versprechen und posaunen
etwas hinaus, was wir am Ende nicht halten können.


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann lest mal euren Koalitionsvertrag!)


Wir sind angetreten und haben gesagt: Wir wollen einen
nachhaltigen Bundeshaushalt, wir wollen einen generati-
onengerechten Haushalt.

Wir wissen, dass unsere Kinder nicht auf Schulden-
bergen spielen können. Deswegen wollen wir dafür sor-
gen, dass wir endlich einen Paradigmenwechsel vollzie-
hen – den ersten seit 1969 in diesem Land. Wir wollen
uns daran halten, woran sich auch jeder private Konsu-
ment hält: Er kann einfach nicht mehr ausgeben, als er
selber in der Tasche hat. Für diesen Paradigmenwechsel
steht diese Bundesregierung.

Mein Dank gilt dem Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble und der gesamten Bundesregierung, die dafür
sorgen, dass wir diese schwarze Null haben. Das ist eine
vorausschauende Finanzpolitik und kein Sparzwang als
Selbstzweck, sondern uns geht es darum, die Bedürfnisse
der künftigen Generation in Deutschland zu berücksich-
tigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sehr geehrte Frau Kollegin Verlinden, Sie haben wahr-
scheinlich dem Minister Sigmar Gabriel gerade nicht zu-
gehört. Er hat doch gesagt: Natürlich gehen wir diesen
Weg der Energiewende in Deutschland. – Ich glaube, wir
haben einen gesellschaftlichen Konsens in diesem Haus,
in Zukunft aus der Kernenergie und den fossilen Energie-
trägern Schritt für Schritt auszusteigen und stattdessen in
die erneuerbaren Energieformen einzusteigen.

Doch der Unterschied zwischen unseren Parteien ist
vielleicht der, wie wir diesen Weg beschreiten. Unser An-
satz ist: Wir wollen diesen Weg mit Augenmaß beschrei-
ten, um die Wirtschaft nicht vor den Kopf zu stoßen, um
durch diesen strukturellen Umbruch nicht eine ganze
Region und die darin lebenden Menschen, die wir dann
nicht auffangen können, zurückzulassen. Wir wollen
stattdessen die Menschen mitnehmen und ihnen Ange-
bote machen. Wir wollen sie im 21. Jahrhundert in Lohn
und Arbeit haben. Wir wollen die Zahl von 43 Millionen
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Zukunft er-
höhen und nicht reduzieren.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann war das
gerade von Ihnen ein Plädoyer für höhere Steuern. Sie
haben gesagt: Heizöl muss stärker besteuert werden. –
Da frage ich mich schon, ob Sie Ihr Ohr wirklich bei den
Menschen haben, die das am Ende des Monats bezahlen
müssen. Das ist genau der Grund, warum diese Bundes-
regierung hier maßvoll vorgeht.

Wir sagen: Die Energiewende muss bezahlbar sein.
Sie muss sozial verträglich sein, und sie muss wirtschaft-
lich verkraftbar sein; denn wir wollen in der Zukunft
nicht nur noch die Einsen und Nullen im Finanzplan ver-
schieben, sondern wir wollen industrielle Wertschöpfung
in unserem Land halten. Deswegen, glaube ich, sind Sie
auf dem falschen Weg, wenn Sie wieder einmal höhere
Steuern und höhere Abgaben fordern – was vor allem für
sozial Schwächere mehr Belastung bedeutet –,


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)


aber nicht berücksichtigen, dass das am Ende des Tages
jemand bezahlen muss.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820304500

Herr Kollege Hauptmann, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage der Kollegin Dr. Verlinden?


Mark Hauptmann (CDU):
Rede ID: ID1820304600

Gerne.






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Julia Verlinden (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820304700

Danke, Herr Hauptmann, dass Sie die Zwischenfrage

zulassen. – Nehmen Sie zur Kenntnis, dass ich wortwört-
lich gesagt habe, dass derzeit das Heizöl in Deutschland
niedriger besteuert wird als in fast jedem anderen EU-
Land? Tatsache ist: 6 Cent pro Liter beträgt derzeit die
Heizölsteuer für leichtes Heizöl in Deutschland; 18 Cent
ist der Durchschnitt in den EU-Ländern.

Vor allen Dingen habe ich darauf hingewiesen, dass es
eine interessante Ungleichbesteuerung zwischen Heizöl
und Erdgas gibt. Wenn Sie umrechnen, wie viel Heizöl
derzeit pro Tonne CO2 an Steuern kostet und wie viel
Erdgas pro Tonne CO2 an Steuern kostet, dann gibt es da
einen Unterschied. Auf diese Differenz habe ich hinge-
wiesen. Wenn man eine konsistente Klimaschutzpolitik
machen möchte, dann wäre es meiner Ansicht nach klug,
eine einheitliche Steuer bezogen auf den CO2-Ausstoß
anzustreben, weil damit der Anreiz entsteht, dass die
Brennstoffe, die weniger CO2 emittieren, stärker nach-
gefragt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Mark Hauptmann (CDU):
Rede ID: ID1820304800

Frau Kollegin, ich habe Ihre Punkte sehr wohl zur

Kenntnis genommen. Aber bitte nehmen Sie zur Kennt-
nis, dass wir in Deutschland 30 Prozent höhere Energie-
kosten als Frankreich und 50 Prozent höhere Energiekos-
ten als die USA haben. Mit diesen Ländern stehen wir
im Wettbewerb. Hier geht es uns darum, überhaupt noch
wirtschaftlich konkurrenzfähig zu sein.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie dürfen die Energiekosten nicht mit Stromkosten verwechseln, Herr Hauptmann! Energiekosten sind etwas anderes als Stromkosten!)


– Geschätzter Kollege, wer schreit, hat immer unrecht.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Damit habe ich völlig recht!)


Es lohnt sich, jenseits der Heizölkosten sich die Ge-
samtbilanz anzuschauen. In der Gesamtbilanz der Ener-
giekosten gab es in den letzten Jahren – bedingt durch die
Energiewende, die wir wohl alle in diesem Hause mit-
tragen – einen stetigen Anstieg für private Verbraucher
und für Industrieunternehmen. Deswegen müssen wir
das maßvoll gestalten, wie wir das auf Regierungsseite
auch wollen, statt mit übertriebenen Forderungen seitens
der Opposition.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sehr geehrte Damen und Herren, seitens der Opposi-
tion kommt immer wieder der Vorwurf, dieser Bundes-
haushalt investiere nicht genug. Ich frage mich, wie Sie
zu diesem Schluss kommen. Denn in den relevanten Po-
litikbereichen in unserem Land haben wir die Investitio-
nen des Bundes seit 2013 kontinuierlich gesteigert, und
das wird bis 2020 fortgesetzt.

Wir haben allein in diesem Jahr die Investitionen um
4,6 Milliarden Euro auf 36 Milliarden Euro erhöht, und
das alles – noch einmal – ohne neue Schulden. Wir ha-

ben darauf geachtet, dass wir besonders die Bereiche der
Wirtschaft unterstützen, die in dem Prozess der Transfor-
mation in eine neue Zukunft starten möchten, und zwar
durch eine kluge Investitionspolitik für den technischen
Fortschritt.

Wir greifen dabei auch unserem forschenden Mittel-
stand unter die Arme. Wir haben die Mittel für die In-
dustrielle Gemeinschaftsforschung um 30 Millionen
Euro erhöht und das ZIM-Programm um 10 Millionen
Euro erweitert. Informieren Sie sich doch einmal in Ihren
Wahlkreisen darüber, wie die Förderung des Bundes bei
den Unternehmen vor Ort ankommt! Ich finde das immer
wieder phänomenal. Ich habe mir die Mühe gemacht, mir
in meinem südthüringischen Wahlkreis vor Ort ein Bild
davon zu machen. Es gibt 248 geförderte Projekte. Über
30 Millionen Euro an ZIM-Mitteln gehen an die Unter-
nehmen, und die Unternehmen verdoppeln diesen Anteil
noch einmal. Das heißt, hier entsteht, angetrieben durch
den Mittelstand, wirklich Forschung „made in Germa-
ny“, die uns international wettbewerbsfähig macht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist, glaube ich, ein sehr vernünftiger Ansatz, den wir
hier verfolgen.

Aber wir setzen noch einen anderen Schwerpunkt,
und zwar mit einem Dreiklang: Wir wollen die Digitali-
sierung, die Automatisierung und Internationalisierung.
Was den ersten Punkt, die Digitalisierung, angeht, ist,
glaube ich, jedem klar, dass wir in ein neues Zeitalter
übergehen, wobei wir es in Deutschland nicht geschafft
haben, Weltmarktführer bei den Plattformanwendungen
zu werden. Sie werden alle durch die USA betrieben.
Hier sind wir nicht dabei.

Aber jetzt stehen wir vor der Frage, wie wir bei ei-
ner hohen Industriedichte und einem unglaublich großen
Know-how in unseren Hochschulen ansetzen können,
um die Industrie mit den Plattformen der Zukunft und
der Digitalisierung verknüpfen zu können, und wie wir
zukunftsfähige Modelle schaffen können, um in Zukunft
auf einer globalen Ebene wettbewerbsfähig zu sein.

Der zweite Punkt – Automatisierung – ist nicht min-
der spannend. Auch hier lohnt ein Blick in die mittelstän-
dische Unternehmenskultur. Ich spreche also nicht von
den großen DAX-30-Konzernen, sondern von Familien-
unternehmen mit 20 oder 30 Beschäftigten, die vor den
Herausforderungen des demografischen Wandels und
des Fachkräftemangels in unserem Land stehen und die
Automatisierung nutzen wollen, um zusätzlich Wettbe-
werbsfähigkeit zu generieren.

Der dritte Punkt ist ein Thema, das dieses Haus in den
Debatten immer wieder sehr emotional berührt, nämlich
die Internationalisierung. Wir von der Union – ich bin
dankbar, dass die Bundesregierung das genauso sieht –
sagen: Wir wollen uns nicht international abschotten. Wir
wollen nicht, wie es aktuell der neugewählte amerikani-
sche Präsident als erste Maßnahme der neuen Regierung
vorgeschlagen hat, Mauern hochziehen, Zölle einführen
und uns vor dem internationalen Handel verstecken.

Wir glauben an die Mehrwirtschaft. Im internationa-
len Handel ist zwei plus zwei nicht gleich vier, sondern






(A) (C)



(B) (D)


gleich fünf. Ich nenne ein praktisches Beispiel dafür.
Schauen wir uns das Freihandelsabkommen zwischen
der Europäischen Union und Südkorea an. Der Zuwachs
beim Handelsvolumen beträgt 55 Prozent, und das auf
beiden Seiten, getrieben durch Export und Import. Wir
verkaufen mehr nach Südkorea, kaufen aber auch mehr
aus Südkorea. Das ist ein Benefit, ein Zugewinn für Süd-
korea, aber auch für Deutschland und die EU. Der größte
Bedenkenträger im Vorfeld, die deutsche Automobilin-
dustrie, gehört nun zu denjenigen, die am meisten davon
profitieren. Es lohnt sich also, ins Detail zu gehen.

Wir sind mit unseren 1 600 Hidden Champions im
Mittelstand besser gerüstet als jedes andere Land der
Welt, nicht nur um den Prozess der Globalisierung ak-
tiv zu gestalten, sondern auch um im Wettbewerb zu be-
stehen. Deswegen wollen wir fairen Handel. Aber fairer
Handel bedingt freien Handel. Mit Zollschranken und
Abschottung lässt sich kein fairer Handel auf der Welt
generieren. Wir stehen auf der Seite derjenigen, die welt-
weit für fairen und gerechten Handel einstehen.

Wir wollen internationale Freihandelsabkommen. Wir
wollen unsere hohen europäischen Standards zu golde-
nen Standards auf der Welt machen. Deswegen kämpfen
wir auf der Seite der Bundesregierung mit der EU-Kom-
missarin Cecilia Malmström so vehement um eine sozial
gerechte Definition der Regeln des 21. Jahrhunderts. Wir
nehmen aber auch unsere Unternehmen mit und geben
ihnen die besten Chancen im internationalen Wettbe-
werb. Dafür sorgen diese Bundesregierung und dieser
Haushalt. Deswegen verdient er volle Zustimmung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820304900

Nächster Redner ist für die CDU/CSU der Kollege

Peter Stein.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Stein (CDU):
Rede ID: ID1820305000

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Gäste! Wirtschaftlich stehen wir in Deutsch-
land nach nun elf Jahren CDU/CSU-geführter Regierung
unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel so gut da wie
noch nie. Besonders nach den letzten drei Jahren in ei-
ner Großen Koalition mit der SPD lässt sich festhalten:
Die Beschäftigung ist so hoch wie noch nie. Die Lohn-
steigerungen sind so hoch wie noch nie in den letzten
25 Jahren. Gleiches gilt für die Rentenerhöhungen. Die
Steuereinnahmen sind auf allen Ebenen – Bund, Länder
und Gemeinden – auf einem mehr als gesunden Niveau.
Hinzu kommt eine ganze Legislaturperiode ohne Neu-
verschuldung. Mit diesem Ergebnis können wir in das
Wahljahr 2017 sehr selbstbewusst starten.

Im Gegensatz zu anderen Ländern um uns herum ha-
ben wir stabile politische, soziale und wirtschaftliche
Verhältnisse. Wir leben und praktizieren eine freiheitli-
che und tolerante Demokratie sowie eine soziale Markt-
wirtschaft mit einem stabilen, zukunftsfesten und voll
ausfinanzierten Sozialsystem. Damit das so bleibt, setzen

wir auf eine starke Wirtschaft. Wir stärken unsere klei-
nen und mittelständischen Unternehmen, insbesondere
die Handwerksbetriebe. Wir investieren aber auch so viel
wie noch nie in Ausbildung, Bildung und Hochschulen.
Wir haben einen guten, starken Wirtschaftsstandort mit
einer weltweit einzigartig guten Infrastruktur und beson-
ders hochqualifizierten Menschen.

Beim Blick in den Haushalt des Ministeriums für
Wirtschaft und Energie lassen sich für die Zukunft viele
neue, gute Ansätze erkennen. Ich möchte als Abgeord-
neter aus Mecklenburg-Vorpommern mit der maritimen
Wirtschaft beginnen. Die Koalition unterstützt die mari-
time Branche in diesem Haushalt zusätzlich mit 1,9 Mil-
liarden Euro. Wir, die Union, erweisen uns einmal mehr
als verlässlichster Partner der maritimen Branche in
Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Den ehemals geplanten Kürzungen im Investitionsförde-
rungsprogramm für den Schiffbau setzen wir eine Erhö-
hung der Mittel für dieses Programm um 10 Millionen
Euro entgegen. Nur so können wir unsere Werften und
Zulieferer stärken. Das ist die maritime Handschrift der
Union.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mein Dank gilt an dieser Stelle ausdrücklich und be-
sonders unseren Haushältern rund um Eckhardt Rehberg.
Wir zeigen hier einmal mehr gemeinsam, dass sich die
maritime Wirtschaft auf die Union verlassen kann. Wir
setzen auch in der maritimen Branche auf Innovations-
und Technologieführerschaft. Genau deshalb werden die
Haushaltsmittel in der Innovationsförderung im Bereich
Schiffbau und Meerestechnik auf hohem Niveau verste-
tigt. Übrigens befindet sich ein nicht unerheblicher Teil
der Zulieferbranche der maritimen Industrie im Süden
der Republik. Das ist also keineswegs nur ein Küstenthe-
ma.


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Absolut richtig!)


Flankiert werden diese Investitionen in unsere Wirt-
schaft durch Investitionen in die Infrastruktur. Dazu
möchte ich beispielhaft die doch mit über 750 Millionen
Euro sehr gut ausgefallene Ausstattung des Bundesver-
kehrswegeplanes für den Nordosten erwähnen. Wir fin-
den darin die Seekanalvertiefung des Seehafens Rostock
ebenso wie die Fahrrinnenvertiefung des Hafens Wismar.
Das sind wesentliche Voraussetzungen, um die Wettbe-
werbsfähigkeit unserer Seehäfen zu erhalten und die
Position als Logistikdrehscheibe in der südlichen Ostsee
und im gesamten Ostseeraum zu erhalten und zu stärken.

Ich nehme auch das Thema Klimaschutz nicht aus.
Der Bund übernimmt beispielsweise bezüglich des Baus
von LNG-betriebenen Schiffen eine Vorbildfunktion im
Hinblick auf die Erfüllung der zukünftig strengeren Wer-
te in Nord- und Ostsee. Bei diesem Projekt arbeiten das
Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie Indus-
triepartner, aber auch die Endnutzer – übrigens schon seit
2012 – erfolgreich zusammen. Gemeinsam mit dem Be-
schluss zur Gründung des neuen DLR-Instituts für den
Schutz maritimer Infrastrukturen in Bremerhaven erhält

Mark Hauptmann






(A) (C)



(B) (D)


dieses wichtige Thema ein neues, zukunftsfähiges Fun-
dament.

Auch im Bereich Forschung und Entwicklung hat sich
einiges getan. Auch hier hat sich wieder die Union als
zukunftsorientierter Impulsgeber in den Haushaltsbera-
tungen gezeigt. Mit der Erhöhung der Grundfinanzierung
bei der Fraunhofer-Gesellschaft um 60 Millionen Euro
stärken wir die anwendungsorientierte Forschung der
Fraunhofer-Institute. Wir werden die Weichen stellen für
die zukünftige Entwicklung beispielsweise der selbst-
ständigen Fraunhofer-Einrichtung in der Hansestadt
Rostock, wo man sich mit dem Thema Großstrukturen
in der Produktionstechnik beschäftigt. Professor Wan-
ner leistet da unglaublich gute Arbeit, besitzt hoch aner-
kannte Expertise und wird mittlerweile in der gesamten
deutschen Industrie geschätzt. Das ist dann – darauf kön-
nen wir ein bisschen stolz sein – die erste selbstständige
Fraunhofer-Einrichtung in Mecklenburg-Vorpommern.
Hier geht mein ganz herzlicher Dank an die Haushälter,
die das ermöglicht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Ausbau der wirtschaftsnahen Forschung in mei-
ner Heimatstadt Rostock ist vor dem Hintergrund der
in Mecklenburg-Vorpommern immer noch nicht ausrei-
chend vorhandenen Großindustrie und des hohen Stel-
lenwerts der maritimen Industrie im Norden Deutsch-
lands von immenser Bedeutung. Es ist gelungen, die
Innovationsförderung für die neuen Bundesländer auf
insgesamt 159 Millionen Euro anzuheben. Das ist ein
sehr gutes Signal – gerade auch in die ostdeutsche Indus-
trielandschaft.

Gut ist auch, dass wir dem forschenden Mittelstand
insgesamt weitere 40 Millionen Euro zur Verfügung stel-
len können. Dabei erhält die Industrielle Gemeinschafts-
forschung, mit der auch kleine und mittlere Unternehmen
durch Forschungseinrichtungen in ihrer Forschungs- und
Entwicklungsarbeit unterstützt werden, einen Aufwuchs
von 30 Millionen Euro. Im ZIM, im Zentralen Investiti-
onsprogramm Mittelstand – dazu ist heute schon einiges
gesagt worden, deshalb kann ich das abkürzen –, stellen
wir ebenfalls mehr Geld zur Verfügung – seit Beginn die-
ser Legislatur fast 60 Millionen Euro zusätzlich.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zusammengerechnet kann unser forschender Mittelstand
damit über insgesamt 35 Millionen Euro mehr verfügen
als ursprünglich vom Minister selbst beantragt. Auch hier
geht mein ganz herzlicher Dank an unsere Haushälter,
die das im Haushalt ermöglicht haben und entsprechende
Prioritäten gesetzt haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


An dieser Stelle auch ein ganz herzlicher Dank an den
Kollegen Mattfeldt, der sich für diese Erhöhung ganz be-
sonders stark eingesetzt hat. Wir haben oft darüber gere-
det. Das ist wie ein roter Faden in deiner Arbeit. Herzli-
chen Dank!

In einem Bereich muss ich allerdings auch etwas
Wasser in den Wein gießen, da hätte ich mir mehr Mut
gewünscht. Das ist das Thema Elektromobilität. Dieses
Thema umfasst wahrscheinlich den Bereich, bei dem ge-
rade im etablierten industriellen Kern um die Automo-
bilindustrie herum die stärksten Veränderungen passieren
werden – und das unaufhaltsam.

Ich mache kein Geheimnis daraus, dass mir persönlich
die Kaufanreizregelung für E-Mobilität nicht besonders
positiv erscheint. Ich halte sie für ungeeignet, um an die-
ser Stelle den richtigen Hebel anzusetzen. Wir brauchen
viel dringender Investitionen in Ladestellen-Infrastruk-
tur. Wir müssen rechtliche – auch baurechtliche – und
soziale Hemmnisse beseitigen, um in Innenstädten oder
auch in Mietwohnungsanlagen diese elektrischen La-
destellen möglich zu machen und zu erlauben. Es kann
nicht sein, dass Wohnungsgemeinschaften in Mietwoh-
nungsanlagen mehrheitlich entscheiden können, dass ein
einzelner Elektrofahrzeugbesitzer keine Ladestelle in sei-
ne Tiefgarage bauen kann. Das muss erleichtert werden.
Da ist sicherlich der rechtliche Rahmen zu verändern.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen nicht zuletzt in Forschung und Entwick-
lung im Bereich der Batterie- und Wasserstofftechnik in-
vestieren. Da hängt, nebenbei bemerkt, unsere gesamte
Zulieferindustrie dran, weil in einem Elektroauto bis zu
50 Prozent weniger Bauteile verbaut sind. Wir müssen
uns in Deutschland über den Zulieferer der Zukunft Ge-
danken machen; denn es sind nicht gerade wenige Ar-
beitsplätze, die da auf dem Spiel stehen. Bei uns, bei un-
seren deutschen Unternehmen, kauft momentan noch die
gesamte internationale Automobilbranche viele Bauteile
ein. Das darf sich nicht grundlegend ändern, das müssen
wir erhalten.

Abschließend möchte ich sagen: Wir haben seit 2005,
also seit elf Jahren, eine CDU/CSU-geführte Regierung.
Seitdem sind 5 Millionen zusätzliche sozialversiche-
rungspflichtige Arbeitsverhältnisse geschaffen worden.
In der Zusammenarbeit mit der SPD in den letzten drei
Jahren ist ein erheblicher Teil davon zustande gekom-
men. Daher ein ganz herzlicher Dank für die gute Zusam-
menarbeit in den letzten drei Jahren im Bereich der So-
zial- und Wirtschaftspolitik und der Arbeitsmarktpolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Das ist ein starker Ausdruck dessen, dass sich in Deutsch-
land die gesamte Situation der Beschäftigung und damit
auch der Einkommensverhältnisse durch gute Regie-
rungsarbeit der CDU/CSU gemeinsam mit der SPD ver-
bessert haben.

Eine starke Wirtschaft und gute Arbeitsplätze sind das
beste sozialpolitische Fundament, auf dem wir auch in
Zukunft bestehen können. Unser aktueller wirtschaftli-
cher Erfolg gibt uns nämlich die Spielräume im Haushalt,
die wir nun nutzen, um den strukturellen Herausforde-
rungen zu begegnen. Eine gute und soziale Wirtschafts-
politik gestaltet die eigene Zukunft stärker und nachhal-
tiger als die meisten anderen Politikfelder.

Peter Stein






(A) (C)



(B) (D)


Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820305100

Abschließender Redner zum Einzelplan 09 ist der

Kollege Professor Dr. Heinz Riesenhuber für die CDU/
CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Heinz Riesenhuber (CDU):
Rede ID: ID1820305200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kol-

legen! Die Debatte hat mir schon Freude gemacht. Das
war ein wohlerwogener Streit. Auf zwei Punkte werde
ich noch eingehen, liebe Frau Andreae.

Ich habe mich besonders über die Rede des Vizekanz-
lers gefreut. Das war eine schöne Ergänzung zur Rede
der Kanzlerin. Bei den meisten Stellen konnten wir mit
Fröhlichkeit mitklatschen – ein Zeichen für die brüderli-
che Einmütigkeit dieser vorzüglichen Regierung.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


An einem einzigen Punkt haben wir vielleicht eine
kleine Differenz. Aber vielleicht streiten wir uns darü-
ber im Wahlkampf. Steuersenkungen macht man nicht
deshalb, um Menschen glücklich zu machen – wir haben
nicht vor, Menschen glücklich zu machen –, aber wir ha-
ben gelernt, dass das Geld, das bei den Leuten bleibt, die
es erarbeitet haben, am klügsten, am effizientesten und
am besten von ebendiesen Leuten eingesetzt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn das Geld bei den Leuten bleibt, dann läuft der La-
den. Insofern war es eine großartige Sache, dass wir in
dieser Periode keine Abgaben erhöht haben, außer denen
für die Pflegeversicherung, die wir vereinbart hatten. Wir
haben keine Steuern erhöht. Die Leute atmen ein biss-
chen leichter. Wenn die Fröhlichkeit der Menschen zu-
nimmt, dann wächst das Land.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wolfgang Schäuble – Entschuldigung: der hochver-
ehrte Herr Bundesfinanzminister – hat zu Beginn der
Woche gesagt: Wir müssen unsere Zukunftsfähigkeit be-
wahren. – Jawohl, das ist in vielen Bereichen der Fall.
Auch die Fröhlichkeit der Menschen gehört dazu. Dazu
gehören die Arbeit und die Arbeitsplätze, die uns zu-
wachsen. Dazu gehören tüchtige Familien, die fröhliche
Kinder heranziehen. Dazu gehört der Frieden im Land.

Aber dazu gehören auch der Wohlstand und die Zuver-
sicht, dass er weiter wachsen kann. Dafür ist der stärkste
Anker in unserem Land in einer immer noch und, wie
wir hoffen, auch weiterhin offenen Welt ein Vorsprung
in Wissenschaft und Technik und in der Gestaltung der
Zukunft mit Blick auf Arbeit und Umwelt. Da haben wir
in den letzten fast zwölf Jahren eine großartige und steti-
ge Arbeit hingelegt. Die entsprechenden Forschungsaus-
gaben des Bundes sind gestiegen – das wurde mehrfach
gepriesen –, sie wurden fast verdoppelt in dieser Zeit.
Schön. Aber das Geld wurde auch ziemlich intelligent

eingesetzt. Geld ersetzt Intelligenz nur begrenzt, aber
wenn man Geld und Intelligenz zusammenbringt, dann
kann das hilfreich sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sehe, welche Schwerpunkte wir gesetzt haben,
auch in diesem Haushalt. Mehrere Kollegen haben zu
Recht gepriesen, dass der Mittelstand eine Säule unserer
Wirtschaft ist. Mark Hauptmann sprach von den Hidden
Champions. Aber es gibt eben auch ein breites Feld derer,
die die Sorge haben – auch dies ist kurz angesprochen
worden –, dass die Innovationsfähigkeit des Mittelstan-
des nachlässt. Es ist richtig, dass wir für die Industriel-
le Gemeinschaftsforschung 2017 30 Millionen Euro
zusätzlich bereitgestellt haben. Fast noch wichtiger ist,
dass wir die entsprechenden Verpflichtungsermächtigun-
gen um 48 Millionen Euro erhöht haben. Ich sage „wir“,
obwohl ich kein Mitglied des Haushaltsausschusses bin.
Andreas Mattfeldt und Thomas Jurk sind kluge Bericht-
erstatter.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Das kann man doch wohl mal sagen!)


Sie denken im gleichen Geist wie die Fachpolitiker hier,
und das ist gut für Deutschland. Wir haben die Sache also
durchaus ausgebaut.

Frau Andreae, Sie mahnen die steuerliche Forschungs-
förderung an.


(Beifall der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Schön, dass Sie mir applaudieren. Sie wissen, dass ich
im Herzen dabei bin.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich auch!)


– Sie auch? – Das wird schon sehr gut. Dann wollen wir
es einmal alle in unsere Wahlprogramme schreiben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer auch immer nach der Wahl koaliert, wird hier ein
interessantes Arbeitsfeld in den Verhandlungen mit dem
Finanzminister haben.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Jetzt ist dafür nicht der Kairos, der rechte Moment.

Wir haben aber jetzt – das läuft leise, aber es ist
wahr – mit Zustimmung des Finanzministers den Erhalt
der Verlustvorträge für die Wagniskapitalgesellschaften
bei Beteiligungen an jungen Technologieunternehmen
in einen vernünftigen Arbeitsprozess gebracht. Der Fi-
nanzminister sagt: 600 Millionen Euro mag das im Jahr
kosten. – Daran haben wir seit mittlerweile zehn Jahren
gearbeitet. Mit dem früheren Finanzminister Steinbrück
waren wir uns hier schon einmal einig gewesen. Alle ha-
ben uns gesagt: Das ist europafest. – Das war aber nicht
ganz der Fall.

Peter Stein






(A) (C)



(B) (D)


Dass wir bei allem, was wir tun, die Schwerpunkte
in der Zusammenarbeit mit Europa sinnvoll abstimmen,
ist auch eine wichtige Sache. Vom Mikroelektronikpro-
gramm sehen wir im jetzigen Haushalt nur die Spitze des
Rüssels.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dessen Anfinanzierung umfasst Mittel in Höhe von
50 Millionen Euro – viel Geld. Aber der Wirtschaftsmi-
nister hat insgesamt rund 1 Milliarde Euro bis 2020 vor-
gesehen, und das ist nur ein Teil des gesamten Elefanten.
Die deutsche Wirtschaft wird zusätzlich 2,4 Milliarden
Euro bereitstellen. Die anderen Partner in Europa wollen
das Ganze auf 6,5 Milliarden Euro aufstocken. Das ge-
schieht auf einem Feld, auf dem wir noch ziemlich stark
sind und stark engagiert sind, etwa bei Aktoren, Senso-
ren, Leistungselektronik, Halbleiterelektronik. Es ist also
ein großer Bereich.

Hier hat die Europäische Kommission, über die wir
uns bei den Verlustvorträgen herzlich geärgert haben, als
politische Kommission durchaus politische Intelligenz
gezeigt; denn sie hat wichtige Projekte gemeinsamen eu-
ropäischen Interesses – dieser gehört dazu – definiert, bei
denen die Frage der Beihilfeprüfung nach anderen ver-
nünftigen Kriterien erfolgt. Europa stand sich manchmal
selbst im Weg.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ja!)


Das ist schade, auch weil es die Leidenschaft der Men-
schen für Europa nicht immer hinreichend befeuert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dennoch: In kritischen Situationen einen politischen
Konsens über wichtige Dinge zu erreichen, das ist eine
gute Sache.

Es gibt viele wunderbare Themen. Wir müssten hier
über die Industrie 4.0 sprechen – eine geniale Vision. Die
Idee ist, dass man hier eine Spitzmarke setzt, um das, was
digital in der Produktion geschehen muss, wirklich zu ei-
nem Thema zu machen, bei dem sich jeder einzelne Un-
ternehmer überlegt: Was bedeutet das? Was bedeutet das
für meinen Zugang zum Markt, für mein Verhältnis zu
den Zulieferern und für meine Vernetzung? Wie kann ich
meine Strategien anlegen? Dies wächst jetzt erst langsam
heran. Dass wir noch Rahmenbedingungen setzen müs-
sen, dass wir internationale Standards bekommen müs-
sen, dass wir gemeinsame Infrastrukturen erhalten, dass
wir hier Plattformen aufbauen – wir haben neun Plattfor-
men und zwei Foren –, die Gesellschaft, Wirtschaft und
Wissenschaft wirklich zu einem gemeinsamen Verständ-
nis und zu einem gemeinsamen Handeln heranziehen,
das gehört entscheidend dazu.

Dies alles wird auch in den nächsten Jahren ziemlich
viel kosten. Wir haben unsere Aufwendungen für For-
schung – ich sagte es zu Beginn – in den vergangenen
zwölf Jahren nahezu verdoppelt, und die Wirtschaft hat
mitgezogen. Was passiert, wenn wir vorangehen und uns
niemand folgt? Herr Vizekanzler, Sie sprachen davon,
dass wir uns ein Beispiel an Korea nehmen sollten, wo
heute 4,3 oder 4,4 Prozent des Bruttosozialprodukts für

die Forschung ausgegeben werden. Im Innovationspro-
gramm Ihrer Partei, der Sie ja angehören –


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


ich spreche sonst nicht parteipolitisch zu Ihnen –, steht,
dass wir im Jahr 2025 auf 4,0 Prozent kommen müssen.
Solche Ziele bedeuten, dass der Bund mit seinem Budget
Schritt hält, sonst funktioniert es nicht. Das sind enorme
Beträge. Dies hier klarzumachen, bevor wir in die nächste
Periode gehen, sodass jeder weiß, welche Schwerpunkte
zu setzen sind, das wird eine der großen Aufgaben sein.
Das dürfen wir nicht leise machen, das muss durch die
Faszinationskraft der Zukunft erkennbar werden.

Die Kanzlerin sprach von der digitalen Welt, in die
wir gehen. Hierbei die Menschen mitzunehmen, ist eine
der großen Aufgaben. Es geht nicht nur darum, technisch
erfolgreich zu sein. Der Digitalpakt, den die Bildungs-
ministerin andenkt, ist ein wichtiges Element. Wir hof-
fen, dass die Länder dabei mitziehen. Dies alles muss zu
einer einzigen Strategie zusammenfließen, die deutlich
macht, dass wir mit Vernunft und Augenmaß die Zukunft
bewältigen können, in der jeder sein Leben aus Freude
an den eigenen Aufgaben gestalten kann. Wir alle zusam-
men sind eine Gemeinschaft mit unterschiedlichen Mei-
nungen, über die wir uns in einem fröhlichen Streit im
Parlament austauschen und dann Entscheidungen treffen,
zu denen wir stehen. Das ist die Grundlage dafür, dass
die Menschen auch in Zukunft glücklich in diesem Land
leben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820305300

Herzlichen Dank, auch dafür, dass der Fröhlichkeits-

faktor in diesem Hohen Hause nachprüfbar gehoben wor-
den ist. Ich darf versichern, dass weiterhin mit Hochtech-
nologie am Redepult gearbeitet wird.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Damit schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 09 – Bundesministerium für Wirtschaft und Ener-
gie – in der Ausschussfassung. Hierzu liegen Änderungs-
anträge vor.

Wir beginnen mit zwei Änderungsanträgen der Frakti-
on Die Linke. Zunächst der Änderungsantrag auf Druck-
sache 18/10401. Wer stimmt für diesen Änderungsan-
trag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Änderungsantrag ist damit mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion Die Lin-
ke und von Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag auf Drucksa-
che 18/10402. Wer für diesen Änderungsantrag stimmt,
den bitte ich um das Handzeichen – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist damit
mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD sowie Bünd-
nis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die
Linke abgelehnt.

Dr. Heinz Riesenhuber






(A) (C)



(B) (D)


Wir kommen nun zu dem Änderungsantrag der Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 18/10403.
Wer für diesen Änderungsantrag stimmt, den bitte ich um
das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
gen? – Der Änderungsantrag ist damit mit den Stimmen
von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bünd-
nis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 09 in der Ausschussfassung. Wer für diesen Einzel-
plan stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 09 ist
damit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/
Die Grünen angenommen.

Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt I.14 auf:

Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und For-
schung

Drucksachen 18/9821, 18/9824

Berichterstatter sind die Kollegen Swen Schulz,
Anette Hübinger, Roland Claus und Ekin Deligöz.

Zu dem Einzelplan 30 liegen je ein Entschließungs-
antrag der Fraktion Die Linke sowie der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor, über die wir morgen nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Widerspruch
dagegen erhebt sich keiner. Dann ist das somit beschlos-
sen.

Deshalb eröffne ich auch sofort die Aussprache und
erteile als erster Rednerin das Wort der Kollegin Nicole
Gohlke für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Nicole Gohlke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820305400

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es ist schon komisch: Da wirft die Koalition
mit Eigenlob und Superlativen in den Beratungen zum
Bildungshaushalt nur so um sich und scheint doch selbst
ganz genau zu wissen, dass ihre eigene Bildungspolitik
die großen Probleme im Kern ungelöst lässt. Oder wie
sonst ist es eigentlich zu verstehen, dass wir seit Wochen
eine Debatte darüber haben, in welchem Bildungsbereich
mehr Geld fehlt, ob jetzt die Ausstattung der Schulen mit
IT Priorität hat oder zum Beispiel die Sanierung von ma-
roden Schulbauten? Offenbar sind die jahrelangen Ver-
säumnisse im Bildungsbereich mittlerweile so gravie-
rend, dass nicht einmal mehr die Union sie leugnen kann,
und offenbar löst dieser Bildungshaushalt, den wir heute
in zweiter Lesung beraten, die großen Probleme in der
Bildung nicht. Das wirkt sich für die Menschen, insbe-
sondere für die junge Generation, fatal aus. Diese Politik
der dauerhaften Unterlassung macht die Linke nicht mit.
Diese Politik muss sich endlich ändern.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie haben in den letzten Wochen mit der Digitalisie-
rung und der Schulsanierung zwei sehr wichtige The-

men angesprochen. Es ist, ehrlich gesagt, auch höchste
Eisenbahn, dass die Koalition mal die Bildung für sich
entdeckt. Bei den letzten Reden von Ministerin Wanka
oder auch bei der Schwerpunktsetzung im Haushalt hatte
man das Gefühl, dass sie sich eigentlich nur und einsei-
tig als Forschungsministerin sieht. Schule, frühkindliche
Bildung, Weiterbildung, das alles scheint für sie Neben-
sache zu sein. Das taucht bei Ihnen so gut wie gar nicht
mehr auf.


(Martin Rabanus [SPD]: Nein, dazu sage ich gleich noch etwas!)


Jetzt, pünktlich zum Wahljahr, fällt Ihnen ein, was es
noch so zu tun gäbe. Aber so durchsichtig die Wahl des
Zeitpunktes auch sein mag: Wir sagen natürlich: besser
eine späte Erkenntnis als gar keine.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber das Problem ist: Ihrer neuen Entdeckung von
wichtigen Themen folgt wenig Konkretes. Eventuell
sollen jetzt 3,5 Milliarden Euro für Schulsanierung über
einen Nachtragshaushalt zur Verfügung gestellt werden.
Aber weil Sie ideologisch zu verbohrt sind,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Das sagt die Richtige!)


um das Verbot der Zusammenarbeit von Bund und Län-
dern in der Bildung aufzuheben, muss dieses Geld über
ein Sondervermögen abgewickelt werden und soll nur
finanzschwachen Kommunen zur Verfügung stehen. Aus
ideologischen Gründen gehen Sie schon wieder den Weg
der Sonderfinanzierung und nicht der Regelfinanzierung.
Dafür gibt es nicht ein Argument auf Ihrer Seite.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Da gibt es sehr viele Argumente!)


Legen Sie endlich die ideologischen Scheuklappen ab,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und schaffen Sie das Kooperationsverbot ab!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch zum großangekündigten Digitalpakt von Frau
Wanka findet man im Haushalt keine Angaben. Es heißt,
die Ministerin hoffe auf die kommenden Koalitionsver-
handlungen, damit es in der nächsten Legislaturperiode
losgehen kann. Das sind wirklich Wahlkampfplattitüden
in Reinkultur. Das hat nichts damit zu tun, dass man die
drängenden Aufgaben jetzt anpackt. Verschieben Sie das
Politikmachen nicht auf PR im Wahlkampf oder auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag, sondern machen Sie eine Bil-
dungspolitik, die den Menschen jetzt zugutekommt und
von der die Menschen jetzt etwas haben!


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die aktuelle Debatte verweist doch auch auf eines: Die
Missstände quer über alle Bildungsbereiche sind enorm.
Die Unterfinanzierung der letzten Jahre, die Sie poli-
tisch zu verantworten haben, hat an vielen Stellen eine

Vizepräsident Johannes Singhammer






(A) (C)



(B) (D)


dramatische – das ist keine sprachliche Übertreibung –
Situation hinterlassen. Ich kann der Digitalisierung und
Schulsanierung noch eine lange Liste von unerledigten
Aufgaben hinzufügen. Wir brauchen dringend mehr Geld
für die Ausbildung und vor allem eine bessere Bezahlung
von Erzieherinnen und Erziehern. Wir brauchen gebüh-
renfreie Kitas, damit man anfangen kann, ernsthaft von
Wahlfreiheit zu sprechen.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir brauchen eine Lösung dafür, wie der Ausbau von
Ganztagsschulen vom Bund gefördert werden kann und
wie wir endlich zur Umstellung auf barrierefreie und
inklusive Bildungseinrichtungen kommen. Die soziale
Schere in der Bildung muss endlich überwunden werden.


(Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es kann doch nicht sein, dass dieser Bundesregierung
nichts dazu einfällt, dass Kinder aus finanziell schwa-
chen Familien nach wie vor so viel schlechtere Chancen
haben, ein Abitur zu machen und zu studieren, als Kinder
aus Akademikerhaushalten.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Baustellen beim BAföG fassen Sie nicht an, aber
am unsinnigen Deutschlandstipendium und der Eliten-
förderung halten Sie fest. Das ist ein Unding.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die prekären Beschäftigungsbedingungen von Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftlern müssen beendet
werden. Wir brauchen endlich mehr feste Stellen in der
Wissenschaft, vor allem neben der Professur.

Eines ist auch klar: Es muss endlich etwas anderes aus
dem Ministerium kommen als die Politik von befriste-
ten Pakten und Programmen. Es wird beim Digitalpakt
auch nicht ausreichen, die Hardware in einem einma-
ligen Kraftakt zur Verfügung zu stellen, aber dann die
Wartung und Erneuerung den Kommunen zu überlassen.
Der Bund muss sich endlich dauerhaft an solchen Auf-
gaben beteiligen können und wollen. Im Falle der Digi-
talisierung ist es Ihnen jetzt schon möglich. Artikel 91c
des Grundgesetzes erlaubt die Beteiligung des Bundes
beim Betrieb informationstechnischer Systeme. Nutzen
Sie das. Lassen Sie die Kommunen und die jungen Men-
schen nicht im Regen stehen.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich finde, es ist endlich an der Zeit, einen Rahmen
zu schaffen, in dem gute Bildung nicht am Geldbeutel
der Eltern, nicht an Schuldenbremsen und nicht an der
schwarzen Null von Herrn Schäuble scheitert. Wenn
Sie jetzt wieder nicht wissen, woher das Geld kommen
soll, dann gebe ich Ihnen gerne einen Hinweis zu den
Dimensionen, mit denen wir es hier zu tun haben. Das
reichste Promille in Deutschland – das sind 40 000 Haus-
halte – besitzt 17 Prozent des Vermögens. Allein mit dem

geschätzten Privatvermögen der Familie Quandt, die
der Union regelmäßig Hunderttausende Euros Spenden
beschert, ließe sich der Investitionsstau an Schulen und
Hochschulen auf einen Schlag auflösen. Familie Quandt
hätte dann immer noch 10 Milliarden Euro übrig. Es ist
höchste Zeit, dass Sie sich einmal an eine Millionär- und
ordentliche Erbschaftsteuer herantrauen. Es geht nämlich
um das Wohl und die Zukunft aller und nicht nur um die
von Quandt und Co. Das und nichts weniger ist die Auf-
gabe einer Regierung.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820305500

Für die CDU/CSU spricht jetzt die Kollegin Anette

Hübinger.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Anette Hübinger (CDU):
Rede ID: ID1820305600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau
Gohlke, ich komme jetzt einmal zur Realität und lasse
die Ideologie fernab.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Heute beraten wir zum letzten Mal in dieser Legisla-
turperiode den Einzelplan 30 für Bildung und Forschung.
Ich denke, wir können mit dem Geld, das wir zur Ver-
fügung haben, zufrieden sein: 17,6 Milliarden Euro. Als
ich 2005 in den Bundestag kam, standen uns 7,6 Milli-
arden Euro zur Verfügung. Jetzt sind es 10 Milliarden
Euro mehr. Der Haushaltsausschuss hat in seiner Berei-
nigungssitzung sogar noch etwas draufgelegt, nämlich
86 Millionen Euro.

Dies darf man nicht als Normalität ansehen; denn die
stetig wachsenden Investitionen in Bildung und For-
schung sind eine bewusste Priorisierung dieser Bundes-
regierung, die es auch in künftigen Jahren fortzusetzen
gilt.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Die außen- und innenpolitischen Herausforderungen,
denen Deutschland gegenübersteht, bedürfen dieser be-
sonderen Anstrengung in Bildung und Forschung, um
die Wettbewerbsfähigkeit, die Konkurrenzfähigkeit und
die Wachstumsmöglichkeiten unserer Wirtschaft zu ge-
nerieren. Dabei ist Bildung das beste Rüstzeug, das wir
unserer jungen Generation mitgeben können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Der Bund hat – das sage ich auch in Richtung der
Fraktion Die Linke – enorme neue finanzielle Verantwor-
tung übernommen. Es geht dabei auch um Aufgaben, die
ursprünglich den Ländern zugeteilt waren, so im Haus-
halt für Bildung und Forschung zum Beispiel die gänz-
liche Übernahme der Kosten des BAföGs oder auch die
Zusage, dass die Kosten des Aufwuchses der Mittel zur
Finanzierung der Forschungsinstitutionen um 3 Prozent
gänzlich vom Bund getragen werden.

Nicole Gohlke






(A) (C)



(B) (D)


Insofern müssen wir als Haushälter – da schaue ich
mal zu meinen Kolleginnen und Kollegen – in Zukunft
stärker darauf achten, dass der Bund auch seine Kern-
aufgaben im Bereich Bildung und Forschung, für die
der Steuerzahler ihm Gelder zur Verfügung stellt, erfül-
len kann. Wir müssen auch dafür sorgen, dass wir, wenn
Geld an die Länder weitergegeben wurde, hinsichtlich
der Verwendung der Mittel eine gewisse Kontrollfunk-
tion übernehmen dürfen und können, damit die Mittel
dann auch zweckgebunden – also für den Zweck, für den
wir sie an die Länder oder auch an die Kommunen wei-
tergegeben haben – eingesetzt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Der Bereich Bildung und Forschung ist nicht nur fi-
nanziell, sondern auch inhaltlich sehr gut aufgestellt; wir
haben zwar noch einige wenige Veränderungen vorge-
nommen, die meisten beziehen sich allerdings auf den
Forschungsbereich. Dafür möchte ich der Ministerin in
Abwesenheit – Frau Ministerin Wanka ist erkrankt; von
dieser Stelle unsere besten Genesungswünsche –


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ganz herzlich danken.

Ein zentrales Anliegen der Unionsparteien ist die Bil-
dungsgerechtigkeit. Beim Thema Bildungsgerechtigkeit
muss man auch die Erwachsenen im Blick haben, die –
aus welchen Gründen auch immer – einer Grundbildung
im Bereich der Lese- und Schreibfähigkeit bedürfen.
Deswegen haben wir die Mittel für den entsprechenden
Ansatz im Rahmen der nationalen Dekade für Alphabeti-
sierung um 2 Millionen Euro angehoben.

Mit dem Konzept „Chance Beruf“ wird das berufli-
che Bildungssystem verbessert und seine intensive Be-
rufs- und Bildungsorientierung ausgebaut. Damit wollen
wir die immer noch zu hohe Zahl von Ausbildungs- und
Studienabbrüchen reduzieren und jungen Menschen an
ihren Potenzialen orientiert den Weg in das Berufsleben
ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Auch eine Integration von Menschen, die in den letz-
ten Monaten zu uns gekommen sind, klappt am besten
über Bildung. Das BMBF hat im vergangenen Jahr beste-
hende Programme ausgebaut und entsprechend den Er-
fordernissen der Flüchtlinge modifiziert. Dazu gehören
unter anderem das Programm „Berufsorientierung für
Flüchtlinge“, Projekte von „Kultur macht stark“ und das
Programm „Integra“ des DAAD für Studierende. Diese
Programme sind sehr gut angelaufen und werden auch
bedarfsgerecht weiter finanziert.

In der Bildung wertschätzen wir die akademische und
die duale Ausbildung gleichermaßen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Gerade unter dem Aspekt des Fachkräftemangels müs-
sen wir dafür sorgen, dass die berufliche duale Ausbil-
dung weiter gestärkt wird. Denn Handwerk und Indus-

trie bieten den Absolventen sichere Arbeitsplätze mit
Zukunftsperspektiven, wie gerade die Regionaldirektion
Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit
bestätigt hat.

Weil die berufliche Ausbildung mit der Digitalisierung
Schritt halten muss, haben wir den digitalen Ausbau der
überbetrieblichen Bildungsstätten mit 10 Millionen Euro
weiter gestärkt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich danke Ministerin Wanka auch dafür, dass sie die Stär-
kung der beruflichen Ausbildung mit zu ihrem Thema ge-
macht hat. Denn wir sehen, es ist für unsere Jugend ein
sehr wichtiges Thema.

Langjährige Schwerpunkte wie die Verstärkung von in-
ternationalen Forschungskooperationen und Hochschul-
kooperationen, wie beispielsweise DAAD-Programme
zum Studierenden- und Wissenschaftleraustausch, blei-
ben bestehen, und der Dreiklang von Exzellenzinitiative,
Hochschulpakt und Pakt für Forschung und Innovation
ist weiterhin zentraler Ankerpunkt. Erst dieses Jahr wur-
den beispielsweise durch die Humboldt-Professur inter-
nationale Spitzenforscher aus den Bereichen Mathema-
tik, Ökologie und Physik für Deutschland gewonnen.

Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
bleibt ein Kernanliegen der Unionsparteien und der Bun-
desregierung.


(Beifall der Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/ CSU] und Dr. Simone Raatz [SPD] – Dr. Simone Raatz [SPD]: Auch der SPD!)


– Auch der SPD, genau. – Die Zeiten, in denen es vor-
rangig Meldungen gab, dass deutsche Spitzenforscher
ihrer Heimat den Rücken kehren, sind Gott sei Dank
vorbei. Mit einem neuen Bund-Länder-Programm wer-
den ab nächstem Jahr, also ab 2017, 1 000 neue Te nure-
Track-Professuren in Deutschland strukturell verankert.
Konkret in Zahlen heißt das, dass über eine Laufzeit von
15 Jahren 1 Milliarde Euro dafür eingesetzt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich möchte an die Hochschulen den Appell richten, diese
Möglichkeit auch zur Verbesserung der Frauenquote zu
nutzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wie der Bereich Bildung, ist auch der Bereich For-
schung gut aufgestellt, dennoch haben wir einige Ver-
änderungen vorgenommen, sei es durch Umschichtung
oder durch Aufstockung der Mittel. Bei der Fraunho-
fer-Gesellschaft haben wir zum Beispiel die Mittel um
60 Millionen Euro aufgestockt, die in deren Grundfinan-
zierung fließen sollen. Das ist gut angelegtes Geld; denn
die angewandte Forschung ist sehr stark nachgefragt und
leistet einen wesentlichen Beitrag zum wirtschaftlichen

Anette Hübinger






(A) (C)



(B) (D)


Wachstum, aber auch zur Verbesserung der Konkurrenz-
fähigkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Swen Schulz [Spandau] [SPD])


Das Programm „Unternehmen Region“, das die Inno-
vationsförderung in den neuen Ländern zum Inhalt hat,
wird um 2 Millionen Euro auf 161 Millionen Euro aufge-
stockt. Auch die Leibniz-Forschungsmuseen – ein Anlie-
gen meines Kollegen Swen Schulz – wurden berücksich-
tigt. Sie bekommen 5 Millionen Euro zur Umsetzung des
„Aktionsplans Forschungsmuseen – Orte von Bildung
und Wissenstransfer“. 3 Millionen Euro gehen an das
Museum für Naturkunde in Berlin für eine Kooperation
mit der Fossilienlagerstätte Bromacker.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Sehr gute Entscheidung!)


Neu in den Einzelplan 30 wurde die Einrichtung ei-
nes Forschungsverbundes zum Thema SED-Unrecht
aufgenommen, mit dem Ziel, für die zeitgeschichtliche
Forschung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur eine neue
Struktur zu schaffen.


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sehr wichtig!)


Finanziert wird dies mit 5 Millionen Euro. Für die Grün-
dung eines Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt
wird 1 Million Euro bereitgestellt.

Die sehr gute Gesamtstruktur des Bundeshaushaltes
sowie die gute Einnahmesituation ermöglichen es, unser
Land zu modernisieren und Zukunftsthemen wie zum
Beispiel die Digitalisierung noch stärker anzupacken.

Letzte Woche war ich auf dem Nationalen IT-Gipfel,
der in meinem Wahlkreis Saarbrücken stattgefunden hat.
Bei diesem IT-Gipfel ging es vor allem um die digitale
Bildung. Es war beeindruckend, zu sehen, was das Bun-
desministerium für Bildung und Forschung hier bereits
leistet – mit den Smart Schools, mit den neuen Lehrer-
programmen, mit den Forschungsthemen zur Bedeutung
von IT im Arbeits- und Alltagsleben der Bürgerinnen und
Bürger. Für diese Zukunftsperspektive wurde unter ande-
rem ein neuer Titel mit über 70 Millionen Euro angelegt.
Auch das neu zu gründende Deutsche Internet-Institut
sowie das Programm „Digitales Lernen in der berufli-
chen Bildung“ fallen darunter.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber nicht nur die digitalen Herausforderungen, auch
die Herausforderungen des globalen Wandels, bei denen
wir unsere Forschungsanstrengungen vertiefen müssen,
werden in diesem Haushalt berücksichtigt. Die Mittel für
den gesamten Forschungsbereich Klima und Nachhaltig-
keit wurden in den letzten acht Jahren kontinuierlich um
über 220 Millionen Euro auf knapp 548 Millionen Euro
aufgestockt.

Im Forschungsfeld Gesundheit hat sich auch vieles
getan. Ganz besonders glücklich bin ich, dass wir eine
nationale Wirkstoffinitiative verankern konnten, geför-
dert über die nächsten vier Jahre mit 21 Millionen Euro.

Bei der Initiative geht es darum, Bedrohungen durch An-
tibiotikaresistenzen und Krankenhauskeime zu bekämp-
fen. Dafür sollen neue Wirkstoffe erforscht werden.

So steht fest: Mit diesem Haushalt für Bildung und
Forschung können wir gut in das neue Haushaltsjahr bli-
cken, da alle wichtigen und zukunftsweisenden Themen
adressiert und finanziert sind. Das BMBF hat die Priori-
sierung, die wir im Koalitionsvertrag festgelegt haben,
gut umgesetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum Schluss danke ich unserem Hauptberichterstat-
ter Swen Schulz und meinen Mitberichterstattern Ekin
Deligöz und Roland Claus – er ist leider aus persönlichen
Gründen nicht anwesend – für die gute Zusammenarbeit.
Ich bedanke mich ebenso sowohl bei den Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern unserer AGs, die immer Nacht-
schichten einlegen mussten, als auch bei unserem Haus
für die konstruktive Kooperation.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820305700

Nächster Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz für

Bündnis 90/Die Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820305800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Herr Staatssekretär Rachel, bitte richten Sie auch
von uns die besten Genesungswünsche an die Ministerin
aus. – Dem Dank meiner Kollegin Hübinger an die Be-
richterstatter des Bildungs- und Forschungsetats schließe
ich mich natürlich an. Das war wie immer ein sehr gutes
Zusammenarbeiten. Insbesondere unser Hauptberichter-
statter, Herr Schulz, hat mit gewohnter Professionalität
moderiert. – Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja auch ein Berliner!)


Seit der ersten Lesung des Bildungsetats hat sich im
Wesentlichen nur eines verändert, und das betrifft die
Schulen. Der Ehrlichkeit halber müssen wir aber sagen,
dass das Ergebnis der Bund-Länder-Verhandlungen über
die Schulen nicht vom Bundesbildungsministerium ein-
gebracht wurde, sondern der Hartnäckigkeit der rot-grün
regierten Länder und auch der SPD-Fraktion zu verdan-
ken ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insofern ist das ein Erfolg. Wir von der grünen Bundes-
tagsfraktion tragen das absolut mit. Wir finden, dass die
maroden Schulgebäude der Vergangenheit angehören
müssen, dass unsere Kinder die besten Bedingungen fürs
Lernen verdienen. Wir sind übrigens auch der Meinung,
dass wir dabei nicht stehen bleiben dürfen, sondern eine
komplette Abschaffung des Kooperationsverbots brau-

Anette Hübinger






(A) (C)



(B) (D)


chen, damit wir auch seitens des Bundes endlich wieder
in die Bildung in diesem Land investieren können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Da sagt Ministerpräsident Kretschmann etwas ganz anderes!)


– Darauf habe ich jetzt gehofft. Noch besser wäre es, Sie
würden mir eine Frage stellen; dann hätte ich eine Rede-
zeitverlängerung.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So nicht!)


– Aber das gönnen Sie mir nicht.

Sie sagen jetzt: Was sagt Ministerpräsident
Kretschmann?


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Er hat es ganz präzise formuliert! Er lehnt das ab!)


Wissen Sie, Herr Kretschmann und wir sind uns einig,
dass die Länder Planungssicherheit brauchen. Es ist ihm
und uns wichtig, dass wir die Länder nicht von Pro-
gramm zu Programm hoppeln lassen, ohne eine gewisse
Planungssicherheit zu gewährleisten. Herr Kretschmann
und ich bzw. wir als Fraktion sind uns auch einig,


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Nein, sind Sie nicht!)


dass wir in die Strukturen von Bildung und Wissen-
schaft investieren müssen. Dafür arbeitet auch er als ba-
den-württembergischer Ministerpräsident.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Haarscharf am Thema vorbei!)


Über den Weg, wie wir dahin kommen, gibt es tatsäch-
lich eine Differenz; aber die gibt es nicht nur zwischen
den Grünen und dem Ministerpräsidenten, sondern die
gibt es generell zwischen Bund und Ländern. Es ist unser
Auftrag, das gemeinsam zu verhandeln und den besten
Weg zu suchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Darüber müssen wir streiten. Die Art und Weise, wie Sie
diese Debatte blockieren, bringt uns nicht weiter. Das
Kooperationsverbot haben wir übrigens Ihrer Fraktion zu
verdanken. Und jetzt versuchen Sie, die Scherbenhaufen,
die Sie angerichtet haben, irgendwie wieder zusammen-
zusetzen. Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung.
Manchmal fliegt einem das auch um die Ohren, Herr
Kollege.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind uns mit den Ländern übrigens auch darüber
einig, dass es selbstverständlich im Kompetenzbereich
der Länder liegt, über Inhalte und das Funktionieren der
Schulsysteme zu bestimmen. Eine Differenz gibt es an
folgender Stelle: Wir von der Bundestagsfraktion beto-
nen immer wieder, dass der Bund auch mit Finanzmit-
teln in die Schulfinanzierung in den Ländern hineingehen
muss. Warum fordern wir das? Weil wir in diesem Land

dringend eine Dynamik des sozialen Aufstiegs durch Bil-
dung brauchen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Diese Dynamik des sozialen Aufstiegs durch Bildung
muss unabhängig vom Elternhaus, also vom Einkommen
der Eltern und von der Herkunft der Kinder, funktionie-
ren.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist alles schon erfüllt! Schauen Sie sich mal den Nationalen Bildungsbericht an! – Gegenruf des Abg. Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da werden viele Defizite aufgezeigt!)


Für viele Kinder ist das die einzige Möglichkeit, später
erwerbstätig zu sein, den Armutskreislauf zu durchbre-
chen und teilzuhaben an dieser Gesellschaft. Das ist eine
hohe Verantwortung. Hätten Sie es 2006 nicht verbockt,
hätten Sie mit Ihrer Grundgesetzänderung damals Ko-
operationen zwischen Bund und Ländern nicht verhin-
dert, wären wir schon viel weiter. Ihnen haben wir die
verpassten Chancen der vergangenen Jahre zu verdan-
ken, und zwar Ihnen alleine.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Es gab noch nie so viel Kooperation wie heute!)


Fast alle Reden von Vertretern der Koalition begannen
in dieser Woche damit, wie toll es ist, dass die Mittel für
den Etat des Bildungsministeriums gesteigert wurden.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: So ist es!)


Ja, das finde ich wichtig. Das ist richtig. Aber es geht
nicht nur darum, mehr Geld auszugeben und mehr Leute
zu bedienen, sondern auch darum, wie das Geld, das aus-
gegeben wird, wirkt.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Da haben Sie auch recht!)


In diesem Zusammenhang ist es interessant, Bundes-
rechnungshofberichte zu lesen. Der Bundesrechnungshof
sagt, dass er große Zweifel daran hat, dass die Ausga-
be der vielen Fördermillionen vom Ministerium ausrei-
chend überwacht und kontrolliert wird, dass messbare
Ziele formuliert werden. Auch bei den Großprojekten,
bei denen viel Geld draufgeht – die Stilllegung atoma-
rer Forschungsanlagen, der Teilchenbeschleuniger FAIR
in Darmstadt –, gibt es große Versäumnisse, und die
bleiben. Das sind die Hausaufgaben, die Sie erledigen
müssen. Noch schlimmer kommt es, wenn man sich die
Situation beim Kernfusionsreaktor ITER anschaut. Da
fließen Milliarden hinein. Jetzt sagen Sie: Wir vom Bil-
dungs- und Forschungsministerium sind dafür gar nicht
direkt verantwortlich.


(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Waren Sie mal dort? Fahren Sie mal hin, Frau Kollegin!)


Aber das Ministerium ist maßgeblich dafür verant-
wortlich, welche Position die Bundesregierung diesbe-

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


züglich einnimmt. Sie wollen das Projekt politisch un-
terstützen. Ob ITER jemals Energie erzeugt, steht aber
in den Sternen. Es gibt inzwischen sogar den Witz von
der Fusionskonstante; ich weiß nicht, ob Sie den kennen.


(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Haben Sie sich inhaltlich damit beschäftigt?)


Egal welchen Experten Sie fragen, ab wann mit ITER
Strom produziert wird, kommt immer die Antwort: In 40
bis 50 Jahren. – Bis dahin kostet das Geld.


(Dr. Philipp Lengsfeld [CDU/CSU]: Nur die Forschung!)


Es werden jetzt 5 Milliarden Euro zusätzlich vom eu-
ropäischen Steuerzahler dafür erbracht werden müssen,
dass es womöglich auch in 40 Jahren noch heißt: In
40 Jahren. – Hier müssen Sie dringend umsteuern.


(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Reine Ideologie, Frau Kollegin!)


Wenn Sie die Debatte zum Wirtschafts- und Energieetat
vorhin gehört hätten, wüssten Sie, dass wir dieses Geld
eigentlich viel dringender in die erneuerbaren Energi-
en und in innovative Technologien investieren müssten,
auch hier in Deutschland, damit wir da mithalten können.
Diese Chance für unser Land haben Sie verpasst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sven Volmering [CDU/CSU]: 20 Milliarden Euro reichen Ihnen nicht?)


Inhaltlich haben wir einen Dissens, und wir teilen auch
Ihre Prioritätensetzung nicht. Ich frage mich manchmal,
von wem das Haus und die Ministerin sich eigentlich be-
raten lassen.


(Sven Volmering [CDU/CSU]: Von den Abgeordneten zum Beispiel! – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Vom Parlament!)


Interessanterweise frage das nicht nur ich, sondern das
fragt inzwischen auch der Bundesrechnungshof. Liebe
Kolleginnen und Kollegen, warum nennt das Bildungs-
ministerium die Namen seiner externen Beratungsunter-
nehmen eigentlich nicht? Wir wollen wissen: Wer sind
die Einflüsterer?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was für Eigeninteresse haben diese Unternehmen, von
denen Sie sich beraten lassen? Wer sind diese Berater?


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen Transparenz! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Intransparenzressort!)


Ich frage Sie: Was verschweigen Sie?


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Und vor allem: Wie viele schwarze Koffer müssen geöffnet werden?)


Warum fällt es Ihnen so schwer, zu klären und uns mitzu-
teilen, wie viele Beratungsverträge Sie wirklich an wen
vergeben haben?


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Jawohl, Transparenz!)


Der Bundesrechnungshof schreibt in seinem Bericht,
dass diese Strukturen im Beraterwesen potenziell geeig-
net sind, die Integrität der Bundesverwaltung zu beein-
trächtigen. Sie schulden der Öffentlichkeit, den Abge-
ordneten, den Menschen hier eine Antwort. Transparenz
dient der Herstellung von Akzeptanz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber so, wie Sie vorgehen, unterstützen Sie dieses Anlie-
gen mit der Politik Ihres Hauses nicht. Das ist ein Haus-
halt der verpassten Chancen. Deshalb werden wir nicht
zustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820305900

Nächster Redner ist der Kollege Swen Schulz für die

SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Swen Schulz (SPD):
Rede ID: ID1820306000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundes-
tag hat in den letzten Jahren im Rahmen der Haushalts-
beratungen immer wieder einiges am Regierungsentwurf
geändert. Wir haben, wie man so schön sagt, einen guten
Entwurf noch verbessert. Doch in diesem Jahr haben wir
uns selbst übertroffen.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD] – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na! Jetzt übertreib mal nicht!)


Es ist wirklich außergewöhnlich und – das kann man so
sagen – krass, was wir geschafft haben.

Schon der Regierungsentwurf sah eine Erhöhung der
Mittel für Bildung und Forschung um über 1 Milliarde
Euro vor.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Gigantisch!)


Wir haben noch fast 100 Millionen Euro für das nächste
Jahr obendrauf gepackt.


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Ui! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Super! – Gegenruf des Abg. Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Da freut sich ja sogar der Herr Gehring!)


Zusammengerechnet mit den zusätzlichen Mitteln für die
Folgejahre ist das ein Vielfaches. Diese Koalition setzt
einen klaren Schwerpunkt bei Bildung und Forschung

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


und damit bei den wichtigsten Zukunftsinvestitionen
überhaupt, meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie zu viele Selbstbeweihräucherungsstäbchen im Büro? Unglaublich!)


Es ist gesagt worden: Dies ist der letzte reguläre Haus-
haltsplan in dieser Legislaturperiode; darum kann man
schon einmal Bilanz ziehen. Die Entwicklung des Haus-
halts in den letzten Jahren ist beeindruckend und geht
deutlich – wirklich deutlich – über das hinaus, was die
Vorgängerregierung von CDU/CSU und FDP ursprüng-
lich geplant hatte.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Ja, aber das ist doch immer so! Das ist nicht die große Leistung!)


2013 sah die Finanzplanung von Schwarz-Gelb für das
Jahr 2017 Ausgaben für Bildung und Forschung in Höhe
von 13,5 Milliarden Euro vor. Ich wiederhole: 13,5 Mil-
liarden Euro.


(Zuruf von der CDU/CSU: Auch schon nicht schlecht!)


Jetzt sind es 17,6 Milliarden Euro.


(Dr. Simone Raatz [SPD]: Viel besser!)


Das sind über 4 Milliarden Euro mehr.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Bernhard Kaster [CDU/CSU])


Ich will nun nicht behaupten, dass das alles auf die SPD
zurückgeht,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Das war unter Steinbrück genauso! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Oh, oh, oh! Jetzt müssen Sie aber aufpassen!)


aber das meiste schon, meine sehr verehrten Damen und
Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Einige Bereiche will ich ansprechen. Deutschlands
Wirtschaft ist stark. Das ist sie im internationalen Wett-
bewerb nur mit Forschung und Entwicklung. Der Staat
leistet dabei mit den Hochschulen und außeruniversitä-
ren Einrichtungen unverzichtbare Beiträge. Wir haben
mit der Exzellenzinitiative, mit der Initiative für Nach-
wuchswissenschaftler, mit dem Pakt für Forschung und
Innovation, mit der Hightech-Strategie usw. usf. Jahr
für Jahr die Finanzierung verbessert, in diesem Haushalt
zum Beispiel durch die zusätzliche Erhöhung der Mittel
für die Fraunhofer-Gesellschaft, damit sie ihre anwen-
dungsorientierte Forschung ausbauen kann.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es spricht zwar kaum jemand darüber, aber es liegt auf
der Hand: Ohne die Forschung stünden wir bei weitem
nicht so gut da. Das ist das Verdienst der Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftler, und wir schaffen die Vo-

raussetzungen dafür. Dass das so gut klappt, ist auch ein
großer Erfolg der Politik – unserer Politik, meine sehr
verehrten Damen und Herren.

Uns geht es aber nicht ausschließlich um die Wirt-
schaft. Darum fördern wir die Wissenschaft in ihrer
ganzen Vielfalt und Breite. Es geht eben auch zum Bei-
spiel um Gesundheit, um die Bekämpfung von Krank-
heiten und Seuchen. Insbesondere meine Kollegin Anette
Hübinger hat erneut darauf geachtet, dass da in den
nächsten Jahren so viel wie möglich gemacht wird.

Weiter geht es um gesellschaftliche Fragen bei den
Geistes- und Sozialwissenschaften, die wir auch in die-
sem Jahr noch einmal gestärkt haben, insbesondere mit
Blick auf die Migrations- und Friedensforschung – kleine
Fächer – und auf neue Zentren für Islamische Theologie.

Wir finanzieren auch ein neues Institut für gesell-
schaftlichen Zusammenhalt in Sachsen.


(Dr. Simone Raatz [SPD]: Das ist gut und nötig!)


Das ist wirklich nötig und dort sicher auch gut angelegt
und gut angesiedelt, meine sehr verehrten Damen und
Herren. Bei der Forschungsförderung geht es auch um
Themen wie Klima und Umwelt, Energie, Zukunft der
Arbeit, soziale Innovation, Sicherheit usw. Es geht um
die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, die
wir ohne Wissenschaft nicht bewältigen können.

Natürlich kümmern wir uns auch um die Bildung.
Auch in diesem Bereich sind wir deutlich über die Ver-
einbarungen im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und
SPD hinausgegangen. Von einer BAföG-Erhöhung stand
darin nämlich nichts. Wir haben das im Deutschen Bun-
destag trotzdem geschafft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gerade uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemo-
kraten ist Chancengleichheit wichtig. Dazu gehört eben,
dass alle – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern – die
gleiche Bildung erhalten können. Wir fördern akademi-
sche Bildung mit Studierenden-BAföG, Hochschulpakt,
Begabtenförderung usw. Genauso wichtig ist uns aber
die berufliche Bildung. Darum haben wir in der Koali-
tion das Meister-BAföG, die Begabtenförderung berufli-
che Bildung, die Förderung überbetrieblicher Berufsbil-
dungsstätten und anderes mehr verbessert. Wir kümmern
uns aber auch – das betone ich ausdrücklich – um die, die
ganz grundlegende Angebote brauchen. Darum fördern
wir Alphabetisierung und Grundbildung. Wir haben die
Mittel für das Programm „Kultur macht stark“ verstetigt,
und wir machen Angebote für Geflüchtete.

Von der Grundbildung bis zum Nobelpreis, von der
Kita bis zur Universität, vom kleinen Unternehmen etwa
in Sachsen-Anhalt bis zur Sozialwissenschaft in der Sub-
sahara: Hier wird großartige Arbeit geleistet. Ich danke
heute allen herzlich für ihr Engagement in diesem Feld.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben es in der Großen Koalition – bei allen un-
terschiedlichen Auffassungen – immer vermocht, zusam-

Swen Schulz (Spandau)







(A) (C)



(B) (D)


menzukommen und die Sache voranzubringen. Und doch
gibt es eben Unterschiede zwischen den Parteien, und die
zu benennen ist wichtig für unsere parlamentarische De-
mokratie. Deutlich wird das etwa bei dem Thema Schule.
Wir von der SPD wollen eine Grundgesetzänderung, die
es Bund und Ländern ermöglicht, gemeinsam die Schu-
len zu verbessern, sie zu sanieren, gute Ganztagsangebo-
te zu schaffen und Schulsozialarbeit zu organisieren. Es
kann doch nicht sein, dass die Schulen herunterkommen,
wir aber zum tatenlosen Zuschauen verdonnert sind. Das
kann so nicht bleiben.


(Beifall bei der SPD)


Ministerin Wanka hat immerhin einen Impuls für einen
Digitalpakt gegeben. Allerdings habe ich in den Haus-
haltsberatungen eine konkrete Initiative der Bundesre-
gierung vermisst.

Trotzdem scheinen wir auf der Zielgeraden dieser
Wahlperiode immerhin für die Schulsanierung etwas
hinzubekommen. Dafür gibt es 3,5 Milliarden Euro vom
Bund. Das ist großartig. Allerdings gibt es noch ein paar
Unwägbarkeiten. Der größte Gegner dieser Politik – das
kann ich Ihnen, liebe Frau Deligöz, nun nicht ersparen –
ist der grüne Ministerpräsident Kretschmann aus Ba-
den-Württemberg.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dahinter sollten Sie sich nicht verstecken! Was ist mit Herrn Scholz?)


Der will ja auch, lieber Kai Gehring, Studiengebühren.
Ich kann nur sagen: Eine moderne Bildungspolitik geht
anders als bei Grün-Schwarz.


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt für
Bildung und Forschung ist wirklich gut, und dennoch
braucht es in der nächsten Dekade sehr viel mehr. Ich
spreche über eine Größenordnung von mindestens
10 Milliarden Euro jährlich, die wir für eine bessere
Bildung aufwenden müssten. Bessere Kitas, Schulen,
Berufsschulen und Hochschulen benötigen eben qualifi-
ziertes Personal und eine entsprechende Ausstattung. Es
gibt sehr viele Studien darüber, was verbessert werden
müsste. Das alles ist erörtert worden.

Lassen Sie mich das einmal ein bisschen persönlich
ausdrücken: Ich habe Kinder. Die bekommen gute För-
derung. Sie haben beste Chancen. Denn wir, ihre Eltern,
haben Geld, Bildung und Interessen – alle Möglichkei-
ten. Meine kleine Tochter – sie ist drei Jahre alt – hat zu
Hause fast schon eine ganze Bibliothek mit Büchern, aus
denen sie morgens, nachmittags und abends vorgelesen
bekommt. Das ist nicht in allen Familien so. Und für mei-
ne große Tochter sind Klassenreisen, Sprachaufenthalte,
Sportaktivitäten oder Anschaffung von technischen Ge-
räten kein Problem. Den meisten Familien sind hier je-
doch ganz andere Grenzen gesetzt.

Hier entstehen Belastungen, Ungerechtigkeiten und
Benachteiligungen. Dies wollen wir durch eine entspre-
chende Unterstützung und Angebote für alle Kinder, Ju-
gendlichen und Familien so gut es geht verhindern.


(Beifall bei der SPD)


Dafür brauchen wir einen ganz neuen Angang, eine neue
Bildungsoffensive für Deutschland, die nicht an Geld
und auch nicht an einem Zuständigkeitsgerangel im Fö-
deralismus scheitert.


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das war jetzt fast wie das Ende meiner Rede!)


Zum guten Schluss bedanke ich mich bei den Mitar-
beiterinnen und Mitarbeitern und der Leitung des Bun-
desministeriums für Bildung und Forschung, bei den
Mitarbeitern des Bundestages und bei meinen Kollegin-
nen und Kollegen für ihre jeweiligen Beiträge zum Ge-
lingen des Haushaltsplans 2017.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820306100

Für die Bundesregierung hat jetzt der Parlamentari-

sche Staatssekretär Thomas Rachel das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


T
Thomas Rachel (CDU):
Rede ID: ID1820306200


Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Wir befinden uns inmitten großer Verän-
derungsprozesse: Globalisierung, Digitalisierung, großes
Bevölkerungswachstum, Flüchtlingsbewegungen, Kli-
mawandel. – Dies sind einige der Stichworte, die für Un-
sicherheiten in unserer Bevölkerung sorgen.

Brauchen wir in diesem Zusammenhang Wissen? Ist
es vielleicht ein menschliches Grundbedürfnis, den Din-
gen auf den Grund zu gehen?

Gestern hat Bundeskanzlerin Angela Merkel den gro-
ßen Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz zi-
tiert, der damals formulierte:

Wir sind umso freier, je mehr wir der Vernunft ge-
mäß handeln, und umso mehr geknechtet, je mehr
wir uns von der Leidenschaft regieren lassen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das muss man sagen!)


Vielleicht hat dieses Zitat eine größere Aktualität, als
man auf den ersten Blick erkennt;


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie recht!)


denn gerade in diesen Monaten erleben wir auch in un-
serem Lande eine stark emotionalisierte und selektive
Wahrnehmung. Erleben wir hier den Übergang von der
lange gepriesenen Wissensgesellschaft zur emotionali-
sierten Gesellschaft, die vornehmlich selektiv Fakten zur
Kenntnis nimmt? Es gibt zwar das „Recht auf eine eigene
Meinung“, aber eben nicht das „Recht auf eigene Tatsa-

Swen Schulz (Spandau)







(A) (C)



(B) (D)


chen“, wie es vor einiger Zeit in einem klugen Kommen-
tar formuliert wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Ralph Lenkert [DIE LINKE])


Nicht der emotionale Reflex, sondern die Wahrneh-
mung der Realität, der Dinge, wie sie sind, und die fak-
tenbasierte Analyse sind geeignete Basis, um Verände-
rungen nicht einfach hinzunehmen, sondern zu gestalten.
Offenheit für Sichtweisen, Erfahrungen und Erkenntnis-
se, die sachorientiert in unserer Gesellschaft diskutiert
werden: Das zeichnet eine Wissenschaftsgesellschaft und
eine Wissensgesellschaft aus. Ob diese Offenheit unser
Land auch künftig prägen wird, haben wir alle gemein-
sam in der Hand.

Die Wissenschaft liefert Antworten und Innovatio-
nen, damit wir die beschriebenen Veränderungsprozesse
faktenbasiert und mit Vernunft gestalten können. Wis-
senschaft zum Wohle von Menschen und um Fortschritt
zu ermöglichen, ist für unser Land hochrelevant; denn
in Deutschland lebt zwar nur rund 1 Prozent der Welt-
bevölkerung, aber wenn es um die global wettbewerbs-
fähigsten Staaten geht, liegen wir in der Spitzengruppe,
nämlich auf Platz vier.

Die Fähigkeit, Wohlstand zu generieren, hängt immer
stärker von Innovationen ab. Im globalen Wettbewerb
wird in absehbarer Zeit nicht mehr zwischen Industrie-
staaten auf der einen Seite und weniger entwickelten
Ländern auf der anderen Seite unterschieden, sondern
stattdessen zwischen den innovationsreichen und den in-
novationsärmeren Ländern.

Wettbewerbsfähigkeit lässt sich auch an Investitionen
in Forschung und Entwicklung und das Bildungswesen
ermessen. Hier stehen wir gut da. Bildung und Forschung
sind Prioritäten dieser Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Seit 2005, seitdem Angela Merkel Bundeskanzle-
rin ist, ist der Etat für Bildung und Forschung mehr als
verdoppelt worden. Auch im nächsten Jahr wird er um
sage und schreibe 1,2 Milliarden Euro steigen. Deswegen
fand ich die Bewertung dieses Haushalts durch die grüne
Fraktion, ehrlich gesagt, ein Stück vermessen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Bernhard Kaster [CDU/ CSU]: Vorsichtig ausgedrückt!)


Die Forschungsförderung des BMBF steht auch für
Verlässlichkeit. Mit dem Pakt für Forschung und Innova-
tion steigen die Mittel für die beteiligten Wissenschafts-
organisationen Jahr für Jahr um 3 Prozent. Wir über-
nehmen als Bund den Aufwuchs der finanziellen Mittel
allein, um die Länder zu entlasten.

Die Hightech-Strategie haben wir zu einer ressort-
übergreifenden Innovationsstrategie ausgearbeitet. Al-
lein aus dem Forschungsetat stehen dafür 2,7 Milliarden
Euro bereit. Im Rahmen dieser Strategie werden techno-
logische Innovationsfreude und Themen von besonderer
gesellschaftlicher Bedeutung gebündelt. Beispielhaft

nenne ich nur die Kopernikus-Projekte für die Energie-
wende, das Förderkonzept Medizininformatik oder das
neue Rahmenprogramm zur Mikroelektronik für die Di-
gitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Wir wollen die Hochschulen in ihrer wichtigen Rol-
le als Treiber technologischer und sozialer Innovationen
stärken. Wir nutzen die neuen Kooperationsmöglichkei-
ten des Artikels 91b Grundgesetz gemeinsam mit den
Ländern. Auf Initiative von Forschungsministerin Frau
Professor Wanka haben wir gemeinsam mit den Ländern
eine neue Exzellenzstrategie vorgelegt. Auf Initiative
von Frau Professor Wanka legen wir die Förderinitiati-
ve „Innovative Hochschule“ vor und das Programm zur
Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Mit
diesem Tenure-Track-Programm eröffnen wir endlich
verlässliche Karrierechancen und steigern damit auch die
Attraktivität des Standorts Bundesrepublik Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Neben Spitzenforschung und Spitzenuniversitäten ha-
ben wir natürlich auch die kleineren Hochschulen und
Fachhochschulen im Blick; denn wir wollen flächen-
deckend für gute Bildungs- und auch Karrierechancen
sorgen. All das dient dazu, die internationale Spitzenstel-
lung des deutschen Wissenschaftssystems weiter auszu-
bauen. Ja, Deutschland gehört zu den leistungsstärksten
und innovativsten Ländern dieser Welt. Aber damit das
so bleibt, gilt es, weiter am Forschungsfortschritt zu ar-
beiten, und zwar nicht zuletzt mit Blick auf die Chan-
cen, die sich aus der weltweiten Digitalisierung ergeben.
Schließlich beeinflusst der digitale Wandel sämtliche
unserer Lebensbereiche: wie wir arbeiten, wie wir Frei-
zeit genießen, wie wir forschen, wie wir reisen, wie wir
Gesundheit organisieren, wie wir uns miteinander aus-
tauschen.

Beim IT-Gipfel in Saarbrücken hat Bildungsministe-
rin Frau Professor Wanka den Startschuss für eine Smart
School gegeben. Diese setzt verstärkt auf digitale Tech-
nologien im Schulalltag und kann Beispiel für andere
sein. Das Programmieren wird Schülern künftig eine
ganz neue Welt eröffnen.

Nun ist Schulbildung Ländersache, aber mit dem Di-
gitalpakt bieten wir als Bundesregierung den Ländern an,
sie bei der digitalen Ausstattung der Schulen zu unter-
stützen.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wann soll der denn starten? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist eine krasse Kehrtwende des BMBF! Jetzt doch in Schulen! Es geht also doch!)


Im Mittelpunkt des digitalen Wandels muss weiterhin
der Mensch stehen: der Lernende und der Lehrende. Sie
stehen im Mittelpunkt des staatlichen Bildungsauftrags.
Das bedeutet, dass das Primat der Pädagogik vor der di-
gitalen Technik gilt. Ausstattung ist nach unserem Ver-
ständnis im Bildungs- und Forschungsministerium zwar
wichtig, aber kein Selbstzweck. Ohne passende Inhalte

Parl. Staatssekretär Thomas Rachel






(A) (C)



(B) (D)


und Konzepte wird die digitale Technik nicht leisten kön-
nen, was wir zu Recht erhoffen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und was wollen Sie für die Pädagogik tun?)


Souverän und selbstbestimmt mit digitalen Medien
umgehen zu können, gehört heute einfach dazu, meine
Damen und Herren, das ist eine Basiskompetenz wie
Schreiben, Lesen und Rechnen. Diese Basiskompetenz
entscheidet künftig auch über berufliche und gesell-
schaftliche Teilhabe.

Digitalisierung heißt eigentlich, einzugestehen, dass
wir alle hinzulernen müssen. Schulen und Bildungsein-
richtungen werden sich darauf einstellen müssen. Sie
müssen jüngeren wie auch älteren Menschen den Schlüs-
sel zur digitalen Welt in die Hand geben, damit sie dort
ihren Platz finden können.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und
Kollegen, Bildungschancen für alle zu erschließen, und
zwar auch Integration durch Bildung zu ermöglichen –
und zwar heute –, ist sehr wichtig. Wenn die Integrati-
on der nach Deutschland Geflüchteten nicht ernst genug
genommen oder auf morgen verschoben wird, dann ist
das ein großes Problem für die betroffenen Menschen.
Im Übrigen wird das dann für unsere Gesellschaft teurer.

Wir müssen heute in die Integration durch Bildung
investieren und haben deshalb ein umfassendes Maßnah-
menpaket aufgelegt, mit dem wir zweierlei unterstützen:
den Erwerb der deutschen Sprache und die Integration in
Ausbildung, in Studium und Beruf, indem wir auf den
vorhandenen Potenzialen und Kompetenzen der betrof-
fenen Menschen aufbauen und sie fördern.

Über ein Jahrzehnt sind die Ausgaben für Bildung und
Forschung kontinuierlich gestiegen, ein Aufwuchs, wie
wir ihn in der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-
land noch nie erlebt haben, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deutschland steht auch dank dieser Prioritätensetzung
hervorragend da. Diese doch positive Erfahrung sollten
wir auch für die Zukunft nutzen. Wissenschaft darf eben
nicht abseitsstehen und nur beobachten, was in der Ge-
sellschaft, gerade auch in diesen Wochen, passiert. Nein,
nach meinem Verständnis muss Wissenschaft ein aktiver
Teil dieses diskursiven Prozesses in der Gesellschaft sein.

Statt Vorgaben oder geistigen Fesseln von Autokraten
in anderen Staaten wollen wir hier in der Bundesrepublik
Deutschland auch künftig Freiheit der Forschung ermög-
lichen. Statt Abschottung wollen wir auch die Sichtweise
und die Neugier anderer in unserem Land willkommen
heißen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gibt es ein Einwanderungsgesetz? Machen Sie ein Einwanderungsgesetz? Das wäre toll! – Gegenruf der Abg. Dr. Simone Raatz [SPD]: Das ist eine gute Idee!)


Hier gilt die Feststellung von Bundeskanzlerin Angela
Merkel: „Gelebte Vielfalt ist die logische Konsequenz
von Freiheit.“ – Recht hat sie.

Faktenbasierter Diskurs und Respekt vor Erfahrungen
und Kenntnissen anderer: Das formt eine demokratische
und eine offene Gesellschaft. Für diese lohnt es sich ein-
zustehen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das war wohl eine Predigt in Richtung Bayern! Er muss wohl die CSU überzeugen! – Gegenruf des Abg. Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Keine Plattitüden!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820306300

Der Kollege Ralph Lenkert spricht als Nächster für die

Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Jetzt kommt das postfaktische Zeitalter!)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820306400

Sehr geehrter Herr Präsident! Geehrte Kolleginnen

und Kollegen! Reicht das, was dieser Haushalt für Bil-
dung, Forschung und Technikfolgenabschätzung bein-
haltet, wirklich aus? Ich denke, nein.


(Beifall der Abg. Susanna Karawanskij [DIE LINKE] – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Jawohl! Was wundert mich das?)


Müssen wir uns nicht fragen, welche Folgen zu we-
nig oder falsch eingesetztes Geld bei Bildung und For-
schung für unsere Gesellschaft haben? Welche Folgen
hat es, wenn sich viele Bürgerinnen und Bürger im de-
mokratischen System ausgegrenzt fühlen? Wieso haben
sie Angst und fürchten die Zukunft? Wieso wählten viele
Menschen in den USA aus Verzweiflung oder Überzeu-
gung Donald Trump und in Deutschland AfD?


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber dafür kann Frau Wanka nichts!)


Trump gewann in Regionen mit Abwanderung und
Resignation, mit maroden Schulen und Hochschulen. Er
gewann bei Menschen, die Hilfe brauchen, aber sie nicht
erhalten.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Und bei Multimillionären!)


Da wächst auch bei uns die Zahl der Rechtspopulisten
am stärksten.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Und die der Linkspopulisten!)


Woher kommt die Bereitschaft, Fakten zu verdrängen
und menschenverachtenden Heilsverkündigungen zu fol-
gen?


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Wegen solcher Untergangspropheten wie euch!)


Parl. Staatssekretär Thomas Rachel






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn nicht jetzt,
wann dann müssen wir selbstkritisch hinterfragen: Ha-
ben wir Fehler gemacht? Was müssen wir tun, um glaub-
würdige Antworten und Veränderungen anzubieten?


(Marianne Schieder [SPD]: Nicht so negativ reden über die Welt!)


Vermitteln wir zu viel reines Faktenwissen statt An-
regungen zum Denken? Sprechen wir die Sprache der
Menschen? Werden wir verstanden, und verstehen wir?

Dabei spielt das Internet eine wachsende Rolle. Wie
gehen wir mit den Gruppendynamiken des Internet um?
Im Internet bleiben Gruppen unter sich. Dank der Algo-
rithmen von Google und Facebook finden sie im Netz
ständige Selbstbestätigung. Immer mehr Menschen kli-
cken weg, was nicht ins eigene Weltbild passt – auch
manche Abgeordnete –, oder verunglimpfen anonym im
Netz.

Einer der fatalen Fehler ist die Fixierung auf Leucht-
türme und das Abschreiben des Restes des Landes.


(Beifall bei der LINKEN – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wo denn?)


Die derzeitige Verteilung von Exzellenz- und For-
schungsmitteln verschärft die Spannung zwischen den
Leuchttürmen und dem Rest. Die Fortschreibung der
Exzellenzinitiative dient längst nicht mehr der Förderung
neuer Exzellenz, sondern wird zum Dauerzuschuss für
die derzeitigen Nutznießer. Diese planen jetzt langfris-
tiger, aber die anderen Hochschulen haben Pech gehabt.

In Zahlen bedeutet dies: Baden-Württemberg erhält
pro Jahr und Einwohner 8,16 Euro Exzellenzmittel,
Sachsen-Anhalt dagegen 0,0. Und meine Heimat Thürin-
gen kann je Einwohner und Jahr ganze 69 Cent Exzel-
lenzmittel nutzen.


(Anette Hübinger [CDU/CSU]: Das ist ein Wettbewerb! Dann muss man drauflegen!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820306500

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des

Kollegen Schipanski?


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820306600

Ja.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt er wieder mit Thüringen!)



Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1820306700

Nein, Herr Kollege, ich komme nicht mit Thürin-

gen. – Aber wenn Sie von Leuchttürmen sprechen und
sagen, dass Sachsen-Anhalt nichts bekommt, frage ich
mich, ob Sie die Zahlen kennen und wissen, dass wir ein
Programm „Unternehmen Region“ haben, dessen Mittel
in Höhe von 161 Millionen Euro in diesem Haushaltsjahr
nur in die neuen Länder fließen,


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das ist ja auch ungefähr genauso viel wie die Exzellenzinitiative!)


und dass wir Hochschulen haben, die primär vom soge-
nannten ZIM-Programm profitieren, das in diesem Jahr
mit 558 Millionen Euro gefördert wird. Das Gleiche gilt
für das Programm „INNO-KOM“, für das 71 Millionen
Euro vorgesehen sind.


(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Hören Sie ruhig zu! Das bildet auch die Grünen.

Des Weiteren bekommt Jena, Ihr Wahlkreis, ein neu-
es DLR-Institut mit der ersehnten 90-Prozent-Förderung
und 7 Millionen Euro im ersten Jahr.

Wieso verschweigt man das? Ist das kein Geld, das in
die neuen Länder fließt, wo vielleicht nicht so viel Exzel-
lenz ausgelebt wird?


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Hackt es, oder wie?)



Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820306800

Sehr geehrter Herr Kollege Schipanski, das ZIM-Pro-

gramm steht allen Bundesländern offen und wird in allen
Bundesländern reichlich und gut genutzt.


(Zuruf von der CDU/CSU: 50 Prozent für den Osten!)


Es ist ein hervorragendes Programm. Zu Ihrer Informa-
tion: Wir reden gerade über die Exzellenzinitiative des
Forschungsministeriums. Das ZIM-Programm ist aber
ein – sehr gutes – Programm des Wirtschaftsministeri-
ums.

Zum nächsten Punkt: Selbst wenn jetzt in Jena das
DLR-Zentrum eingerichtet wird, dann steigt der Thü-
ringer Anteil an den Exzellenzmitteln von 69 Cent auf
72 Cent pro Jahr und Einwohner. Das ist schon etwas,
aber es ist bei weitem noch kein Ausgleich der Nachteile.

Wenn Sie meiner Rede weiter folgen, dann werden
Sie merken, dass mit diesen derzeitigen Maßnahmen die
Ungleichgewichte in der Bundesrepublik verschärft wer-
den statt verringert. Und – das ist das Problem – diese
Ungleichgewichte sorgen dafür, dass sich Regionen ab-
gehängt fühlen und dass dort eben nicht mehr mit Argu-
menten gearbeitet werden kann, sondern dass das Gefühl
der Benachteiligung gegenüber allem anderen überhand-
nimmt.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Strukturierung von Forschungsgeldern für Max
Planck, Fraunhofer, Leibniz und Helmholtz ist ähnlich.
Das starke Baden-Württemberg musste 2014 nur 30 Cent
Eigenmittel einsetzen, um 1 Euro Bundesforschungs-
geld zu erhalten. Das wirtschaftlich schwächere Rhein-
land-Pfalz braucht 91 Cent Eigenmittel für 1 Euro Bun-
desgeld. Thüringen benötigt 79 Cent. Diese Nachteile
müssen abgeschwächt werden, statt sie zu verschärfen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)


Die Linke fordert: weniger Exzellenzförderung und
stattdessen mehr Grundfinanzierung für die Hochschu-
len.


(Beifall bei der LINKEN)


So macht es das rot-rot-grün regierte Thüringen vor. Es
steigert jetzt die Grundfinanzierung seiner Hochschulen
um jährlich 4 Prozent: ein Vorbild für die Bundesrepu-
blik.


(Beifall bei der LINKEN – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Überall, wo Grüne regieren, wird es besser!)


Wir fordern zusätzliche Forschungsmittel für die For-
schung in benachteiligten Regionen. Außerhalb der Bal-
lungszentren unserer Republik ist Landwirtschaft oft die
einzige Einnahmequelle. Das zeigt ein ausführliches Bei-
spiel aus diesem Bereich.

Alle Leibniz-Landwirtschaftsforschungseinrichtun-
gen sind außerhalb der großen Zentren: In Dummerstorf/
Mecklenburg ist das Institut für Nutztierbiologie, in Pots-
dam-Bornim das Institut für Agrartechnik und Bioöko-
nomie, in Müncheberg/Brandenburg das Zentrum für
Agrarlandschaftsforschung, und das Institut für Gemüse-
und Zierpflanzenbau, IGZ, ist in Großbeeren/Branden-
burg und Erfurt/Thüringen. 1998 wurden alle in Leibniz
integriert. Leider ist die Agrarforschung nicht nobelpreis-
verdächtig, und das ist ein Problem. All diese Institute
stehen wegen nicht ausreichender wissenschaftlicher Be-
deutung für die Leibniz-Gemeinschaft auf der Kippe.


(Zuruf von der CDU/CSU: Dann müssen sie sich mal anstrengen!)


Das IGZ in Erfurt wird bereits abgewickelt. Die Bauern-
höfe, der Gartenbau und die Agrarunternehmen brauchen
wissenschaftliche Unterstützung bei der Anpassung an
den Klimawandel, für neue Anbaumethoden ohne Gen-
technik und mit weniger Chemie sowie für eine artge-
rechte Tierhaltung.


(Beifall bei der LINKEN)


Die genannten Institute leisten genau dies hervorragend.
Aber gerade deshalb erfüllen sie nicht die Evaluierungs-
auflagen der Leibniz-Gemeinschaft.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Dann übernimmt das Landwirtschaftsministerium!)


Bevor Deutschland die Agrarforschung verliert, sollten
wir den Vorschlag meiner Kollegin Tackmann umsetzen:
Befreien wir die Leibniz-Gemeinschaft von der Agrar-
forschung! Überführen wir die genannten Institute inklu-
sive deren Budgets in eine neu zu gründende Akademie
für Landwirtschaft!


(Beifall bei der LINKEN)


Thüringen wird die Bundesregierung bei der Überfüh-
rung des IGZ unterstützen.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Forschungskombinat!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wenn
Sie den Klimaplan und die Energiepolitik der Bundesre-

gierung mittragen, dann wird spätestens 2050 eine Erd-
gasnutzung unmöglich und Fracking überflüssig.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820306900

Herr Kollege Lenkert, gestatten Sie zum Schluss Ihrer

Redezeit eine Zwischenfrage des Kollegen Lengsfeld?


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820307000

Nein. Es reicht.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lass doch die Frage zu!)


Abgesehen von den Gefahren der Frack-Chemikalien
für Grundwasser und anderen Risiken ergibt es keinen
Sinn, 4,75 Millionen Euro für eine Geschäftsstelle zur
Fracking-Bewertung und Bürgerkommunikation auszu-
geben. Streichen wir diesen Posten und nutzen das Geld
für die Gründung einer Akademie für Landwirtschaft.

Bildung ist mehr als Wissen. Sorgen wir dafür, dass
nicht das reine Eintrichtern, sondern Bildung mehr Raum
gewinnt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Das ist Sozialismus pur! – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nächstes Mal Lengsfeld zulassen! Dann wird es lustig!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820307100

Der Kollege Lengsfeld hat die Gelegenheit zu einer

Kurzintervention.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt ein Karton!)



Dr. Philipp Lengsfeld (CDU):
Rede ID: ID1820307200

Überhaupt nicht. – Vielen Dank, Herr Präsident. –

Herr Kollege Lenkert, es ist sogar besser, dass ich mei-
ne Bemerkung am Ende Ihrer Rede machen kann. Ich
verstehe zwar, dass Negativismus zur DNA der Links-
partei gehört. Aber ich hätte mir schon gewünscht, dass
der Abgeordnete Ralph Lenkert als Mitberichterstatter
für den Bereich Technikfolgenabschätzung wenigstens
erwähnt hätte, dass wir nach 25 Jahren und intensiven
Diskussionen – das war keine leichte Übung – beim Etat
des Büros für Technikfolgen-Abschätzung eine deutliche
Anpassung vorgenommen haben, und zwar im Konsens
und über alle Fraktionsgrenzen hinweg.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ohne Sie wäre es schneller gegangen!)


Obwohl es formal nicht zu diesem Etat gehört, ist es doch
unser Bereich. Ich hätte mich gefreut, wenn es erwähnt
worden wäre. Aber vielleicht ist das zu positiv für die
Linkspartei.


(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre fast an Ihnen gescheitert! Ihr habt doch die ganze Zeit verzögert!)


Ralph Lenkert






(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820307300

Herr Kollege Lenkert, Sie haben die Möglichkeit, da-

rauf zu erwidern.


Ralph Lenkert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820307400

Vielen Dank, Herr Kollege Lengsfeld, für Ihre Kurz-

intervention, die mir Gelegenheit gibt, Ihnen an dieser
Stelle zuzustimmen. Meine Redezeit war leider zu Ende
bzw. zu knapp bemessen.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich den Haushäl-
tern danken für die Aufstockung des Etats des Büros für
Technikfolgen-Abschätzung, das sich unter anderem mit
dem Thema befasst, wie über künstliche Computerpro-
gramme im Internet, über Social Bots, Meinungen beein-
flusst werden können und wie wir damit umgehen sollen.
Es gab eine sehr gute Zusammenarbeit der Kolleginnen
und Kollegen. Dafür möchte ich den Kolleginnen und
Kollegen sowie insbesondere den Haushältern danken.
Ich danke auch Ihnen, Herr Lengsfeld, für Ihre Kurzin-
tervention, die mir Gelegenheit gegeben hat, diesen Dank
auszusprechen.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Schüttelt euch mal die Hände hier!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820307500

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Ernst Dieter

Rossmann für die SPD.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):
Rede ID: ID1820307600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es

macht den Reiz von Haushaltsberatungen aus, dass sie
zwischen dem ganz Konkreten und dem sehr Grund-
sätzlichen hin- und herwechseln können. Ich gehe nun
mehr auf das Grundsätzliche ein. Ich möchte an das an-
knüpfen, was die Regierung und die Koalition bei ihrer
Gewichtung zugunsten von Bildung und Forschung in
den letzten vier Jahren getragen hat, und vier Grundsätze
nennen.

Der erste Grundsatz ist: Wir sind deshalb so stark in
Bildung und Forschung, weil wir es nicht nur im Bil-
dungs- und Forschungshaushalt sind. Vielmehr handelt
es sich hier um eine Aufgabe der gesamten Regierung.
Um aufzunehmen, was Kollege Schipanski gesagt hat:
Das Wirtschaftsministerium hat über das DLR sechs zu-
sätzliche Forschungsinstitute angestoßen, zwei im Osten,
drei im Norden, eines im Süden. Das hat zudem eine aus-
gleichende Funktion.

Weil wir Frau Kramme dort sehen: Frau Nahles ist ak-
tiv in der Weiterbildung, was sehr wichtig ist, ebenso wie
in der Flüchtlingsintegration und in nachgeholter Bildung
für bis dahin nicht mit der zweiten, dritten Chance positiv
Identifizierte. Frau Ferner, Sie haben bei Flüchtlingen in
Sachen C1 dafür gesorgt, dass sie den Hochschulzugang
bekommen. Sie machen sehr viel in Bezug auf Bildung
und Sprachförderung für Kinder, die in der Kindertages-
stätte sind. Diese Ganzheitlichkeit macht diese Regie-
rung und die Bildungs- und Forschungspolitik so stark,

weil sie in alle Ressorts hineinspielt und alle Ressorts sie
aufnehmen,


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


und unser Haushalt trägt das dann mit 3,7 Milliarden
Euro obendrauf als Haushalt des Leit-Ministeriums nach
vorn.

Das Zweite. Es muss nachhaltig, verlässlich und dyna-
misch sein. Deshalb zur Größe des Pakts für Forschung
und Innovation – 3 Prozent Zuwachs, 5 Prozent Zu-
wachs, 3 Prozent Zuwachs –: Wenn wir ihn durchfinan-
ziert haben, dann geben wir 5,8 Milliarden Euro in eine
verlässliche Gestaltung – zwar nicht durch das Ministe-
rium. Jedenfalls schaffen wir dort auch eine Dynamik.
Da gebe ich Frau Hübinger und Herrn Schulz recht: Das
muss weitergeführt werden. Da können wir nicht auf 1
oder 2 Prozent zurückgehen, da müssen wir mindestens
weiter bei 3 Prozent für die Zukunft liegen. Wenn wir den
Hochschulpakt ins Auge fassen: Da geben wir 20 Milli-
arden Euro seitens des Bundes, 2,4 Milliarden Euro im
Jahr. Und wenn der Hochschulpakt ausläuft, müssen wir
alle wissen: Jedenfalls die SPD will es konstant fortge-
setzt haben. Es darf nicht in den Sollüberschuss oder
anderswo hineinfließen, sondern es muss an den Hoch-
schulen bleiben können – zur Stabilisierung, zur verläss-
lichen, dynamischen Stärkung des Hochschulwesens in
Deutschland.


(Beifall bei der SPD)


Mein dritter Punkt. Da muss man auch mit anderen
zusammenarbeiten können, und man muss auch gönnen
können. Herr Rachel, deshalb freuen wir uns über den
Pakt für wissenschaftlichen Nachwuchs. Da darf sich an
erster Stelle das Parlament freuen, weil es dazu die Ini-
tiative ergriffen hat. Dass die Ministerin es gut umgesetzt
hat, freut uns auch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieser Geist, auch gönnen zu können und koopera-
tiv miteinander umzugehen, ist wichtig in Bezug auf die
Bund-Länder-Gestaltung; denn das macht auch die Stär-
kung der Bildungs- und Forschungspolitik mit aus. Haus-
hälter haben ausgerechnet – Frau Hübinger, ich glaube,
bei Ihnen habe ich die Zahl gehört –: 43 Milliarden Euro
sind in dieser Legislaturperiode als Entlastung an die
Länder und Kommunen geflossen. Mit dem, was jetzt die
Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin vereinbart haben,
sollen noch einmal 10 Milliarden Euro an die Länder
fließen. Das ist doch auch gut für Bildung und für For-
schung; denn wenn wir uns ehrlich machen, dann wissen
wir, wo die entscheidenden Finanzierungen für Bildung
und Forschung in der Breite stattfinden. Um es nur noch
einmal bei Bildung in Erinnerung zu rufen: 53 Prozent
der Aufwendungen übernehmen die Länder, 19 Prozent
Private und Wirtschaft, 15 Prozent Kommunen, 13 Pro-
zent Bund.

All das, was wir an die Länder und Kommunen geben,
wird von denen ja auch anteilig in mehr Lehrerstellen, in
mehr Strukturförderung, auch in die Bildungseinrichtun-
gen hinein, umgesetzt. Deshalb ist es gut – da greife ich
den vierten Punkt auf –, dass jetzt die Bundesregierung






(A) (C)



(B) (D)


in Sachen Gestaltung etwas sehr Konkretes aufgegriffen
hat. Wir müssen bei der Bildungs- und Forschungspolitik
auch immer die Bundesgestaltung hochhalten, weil sie zu
zielgerichteter Politik führt.

Aber nun hat mich eines gewundert: Gestern haben
wir hier eine Debatte erlebt – die Grünen wissen, was
kommen könnte –, zu der unser Fraktionsvorsitzender al-
les Wesentliche gesagt hat, was Herr Kauder dann noch
einmal getoppt hat, indem er gesagt hat, es wundere ihn
doch, dass die Grünen nicht ihren einzigen Ministerprä-
sidenten mit verteidigen würden. Mich wundert bei der
heutigen Debatte, dass die Vertreter von CDU/CSU – sei
es aus Regierung oder Parlament – nicht mit einem Wort
das verteidigen, was diese Bundesregierung mit 3,5 Mil-
liarden Euro gezielter Förderung für Bildung und Schul-
infrastruktur in finanzschwachen Kommunen machen
will. Herr Kauder, Sie dürfen sich auch selbst verteidigen
für das, was Sie jetzt gut mit auf den Weg bringen wollen:


(Beifall bei der SPD)


3,5 Milliarden Euro als Investitionsförderung für finanz-
schwache Kommunen, damit dort Schulinfrastruktur ver-
bessert werden kann. Wenn Sie es nicht verteidigen – uns
macht es nichts aus; denn es wird auf jeden Fall kommen.


(Zurufe von der CDU/CSU)


Es wird kommen. Es wird den Gesichtspunkt sozialer
Gerechtigkeit in die Bildungsförderung hineinbringen.

In diesem Sinne ganz selbstbewusst: Die SPD hat
diese vier Jahre Haushaltspolitik mitgestalten können.
Wir werden ganz sicher auch weiter Haushaltspolitik für
Bildung und Forschung in Deutschland mitgestalten kön-
nen, und wir verteidigen auch alles Gute, was wir dort
machen.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820307700

Für Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege

Kai Gehring.


(Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Wie ist das jetzt mit Kretschmann? Kai, erzähl mal! Wer setzt sich durch bei euch?)



Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820307800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Letzte Woche war ich in einer Grundschule in meiner
Heimat Essen anlässlich des bundesweiten Vorlesetags,
der alljährlich großartigen Aktion der Stiftung Lesen. Ein
Pferd namens Milchmann habe ich vorgelesen. Die Viert-
klässler waren begeistert und haben mich mit Fragen ge-
löchert: Was tun Sie für den Tierschutz? Was macht der
Bundestag für Flüchtlinge? Wie sieht Ihr Arbeitsalltag
aus? Bei den Kids waren mir gute und ehrliche Antwor-
ten ganz besonders wichtig.

Bei einer Frage war das besonders schwer, nämlich:
Was macht der Bundestag für Schulen? Der eine oder
andere hier im Haus hätte wohl mit ordnungspolitischen

Grundsätzen oder föderaler Prinzipienreiterei geantwor-
tet. In leichter Sprache: Is’ nicht meine Aufgabe. – Aber
das ist aus meiner Sicht weder eine gute noch eine ehrli-
che Antwort.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


34 Milliarden Euro beträgt der Sanierungsstau an den
Schulen, schätzt der Deutsche Städte- und Gemeinde-
bund – eine gewaltige Summe, zweimal so viel wie der
Bund 2017 für Bildung und Forschung insgesamt aus-
geben will. Allein schon vor diesem Hintergrund ver-
blassen die großen Aufwüchse der Bildungs- und For-
schungsausgaben der letzten 15 Jahre.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])


Dieser krasse Sanierungsstau treibt mich um, und das
muss auch eine Bundesbildungsministerin Wanka end-
lich umtreiben, sonst soll sie sich nur noch Forschungs-
ministerin nennen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Die erwähnte Grundschule in Essen war auch dank
Schüler-, Eltern- und Lehrerengagements durchaus gut in
Schuss. Aber anderenorts wird in Räumen unterrichtet, in
die es hineinregnet, in denen der Schimmel blüht und wo
die Kinder sich ekeln, auf die Toilette zu gehen. So etwas
muss schnell geändert werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wenn das Problem so flächendeckend und so milliar-
denschwer ist, dann bringt man Eltern und alle Steuer-
zahler mit Aussagen wie „Das ist nicht meine Aufgabe“
zu Recht in Rage. Mit einem Investitionsstau in dieser
Größe wird Deutschland kein Innovationsspitzenreiter.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen mehr investieren in gute Bildungsinfrastruk-
tur von der Kita bis zur Volkshochschule.

Wir haben konjunkturelles Glück: keine Massenar-
beitslosigkeit und Steuerüberschüsse. Das ist eine gute
Ausgangslage, Deutschland zu modernisieren und die
krasse soziale Kluft auch durch mehr Bildungsgerechtig-
keit endlich zu kitten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Umso enttäuschender ist es, dass Union und SPD die-
se gute Ausgangslage wenig nutzen; sie versemmeln
vielmehr eine Chance nach der nächsten. Sie haben die
Chance verpasst, mit uns gemeinsam das unsägliche
Kooperationsverbot in der Bildung gänzlich abzuschaf-
fen. Entscheidend ist doch, dass Kinder und Jugendliche
bundesweit von guter Bildung profitieren, unabhängig
von ihrer sozialen und regionalen Herkunft, ob mit deut-
schem Pass oder mit Fluchterfahrung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Dr. Ernst Dieter Rossmann






(A) (C)



(B) (D)


Deswegen wollen wir, dass Bund, Länder und Kom-
munen für die Bildung unter Wahrung der Länderhoheit
gemeinsam Verantwortung übernehmen können, koope-
rativ statt konfrontativ. Bildung integriert und stimuliert;
daher dürfen Chancen nicht von der Postleitzahl abhän-
gen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie haben die Chance verpasst, für bessere Infrastruk-
turen in Bildung, Ausbildung und Hochschulen zu sor-
gen. Wir wollen gute Infrastrukturen für die Wissensge-
sellschaft und stärker in diese investieren. Wir haben im
Haushalt ein 10-Milliarden-Euro-Sanierungsprogramm
für die Schulen und ein Sanierungsprogramm in gleicher
Höhe für die Universitäten und Fachhochschulen vorge-
schlagen. Das sollte gemacht werden, das brächte Fort-
schritt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Sie haben die Kindertagesstätten vergessen!)


Sie haben die Chance verpasst, das BAföG nachhaltig
zu stärken. Ihre Reform hat jahrelanges Nichtstun und
Nullrunden lediglich leidlich kompensiert. Ein Plus für
Studierende und ein Plus für Bildungsgerechtigkeit, das
geht anders. Wir wollen dagegen das BAföG noch 2017
um 10 Prozent erhöhen und danach regelmäßig und auto-
matisch. Das muss jetzt kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Sie haben die Chance verpasst, die Forschung von klei-
nen und mittleren Unternehmen zu stimulieren. Die In-
vestitionsaktivität der KMU fällt seit Jahren. Wir wollen
ihnen einen Steuerbonus gewähren. Das wollen auch Ihre
Wahlprogramme, Ihre Expertenkommission Forschung
und Entwicklung und auch unser aller Alterspräsident,
Herr Riesenhuber. Die steuerliche Forschungsförderung
endlich zu beschließen, wäre ein Push für F-und-E von
KMU und eine Weihnachtsfeier für uns Grüne und Herrn
Riesenhuber.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Darauf einen Tusch!)


Es ist eine verpasste Chance, bei der Forschungsförde-
rung alleine auf Hightech zu fokussieren anstatt auf die
großen globalen Herausforderungen. Demografie, Kli-
makrise, Energiewende sind im vollen Gange, und das
beschäftigt die Leute. Von Digitalisierung bis Dekarboni-
sierung: Wir brauchen mehr kreative Antworten aus der
Wissenschaft. Wir wollen die Chancen dieser Verände-
rung herausarbeiten und Deutschland ökologisch, nach-
haltig und sozial modernisieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Im letzten Haushalt dieser Koalition gibt es nix ex-
tra für bessere Studienbedingungen oder sichere Karri-
erewege für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler,
sondern Ministerin Wanka hangelt sich von Pakt zu Pakt.
Das Problem der stagnierenden Grundfinanzierung der

Hochschulen lässt sie aber ungelöst. Auch das ist eine
verpasste Chance.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Zurück in meine Essener Grundschule. Ein Neunjäh-
riger fragte mich: Wie ändert sich die Welt mit Präsident
Trump? – Ich kann nur mutmaßen, war meine Antwort,
und ich versuchte, ihn zu beruhigen: Im Bundestag sitzt
keine Fraktion, die sich von Vorurteilen leiten lässt und
Fakten komplett leugnet.


(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Na ja!)


In der Tat, diesen Konsens haben wir weitestgehend. Wir
werden nicht zulassen, dass unter der Parole „Lügenwis-
senschaft“ Wissenschaftsfeindlichkeit und postfaktische
Diffamierung von Forscherinnen und Forschern um sich
greifen; denn das macht unser Land kaputt. Wissen-
schaftsfreiheit ist ein Wert und ein Kennzeichen einer
freien und demokratischen Gesellschaft hierzulande und
weltweit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Anette Hübinger [CDU/CSU])


Wir stehen inmitten dieser fundamentalen Auseinan-
dersetzung, und wir stehen vor der Herausforderung,
unser Land gemeinsam zusammenzuhalten. Wir müssen
der klaffenden sozialen Spaltung mit einem neuen Wohl-
stands- und Aufstiegsversprechen entgegenwirken. Der
dafür notwendige Bildungsaufbruch steht noch aus. Wir
wollen ihn 2017 einläuten, damit unser Land weniger
Abgehängte und mehr Dichter und Denker hervorbringt
und damit wir eine starke Demokratie und eine starke so-
ziale Marktwirtschaft bleiben.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820307900

Für die CDU/CSU spricht jetzt der Kollege Albert

Rupprecht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Albert Rupprecht (CSU):
Rede ID: ID1820308000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! An dieser Stelle auch von unserer Seite
ein herzliches Dankeschön an das Haus für den Haus-
halt 2017, verbunden mit einem Dank an die Ministerin.
Auch von mir an sie die besten Genesungswünsche! Ich
bedanke mich auch bei den Berichterstattern aller Frak-
tionen. Ganz besonders bedanke ich mich am heutigen
Tag bei Anette Hübinger, unserer Haushaltsberichterstat-
terin. Sie hat angekündigt, nicht mehr für den Deutschen
Bundestag zu kandidieren. Das ist heute sicherlich ihre
letzte Haushaltsberatung. Liebe Anette, es war immer
superschön und angenehm, mit dir als Haushaltsbericht-
erstatterin und als Fachpolitikerin zusammenzuarbeiten.
Ein herzliches Dankeschön an dich!


(Beifall im ganzen Hause)


Kai Gehring






(A) (C)



(B) (D)


Es ist heute eine besondere Debatte, weil es die letzte
in dieser Legislatur ist. Es ist aus der Sicht der Unions-
fraktion aber auch eine Debatte, in der wir – 2005 kamen
wir in die Regierung – auf elf Jahre zurückschauen und
in diesem zeitlichen Horizont darstellen können, welche
Prinzipien, welche dominanten Elemente und Bausteine
wir hatten. Das möchte ich in dieser Debatte über die
aktuelle Situation des Haushalts 2017 hinaus machen.
Darüber hinaus möchte ich in die Zukunft schauen. Wir
haben als Fachpolitiker der Unionsfraktion seit der Klau-
sur im Frühjahr ein „Ideenpapier 2018“ vorgelegt, das
inzwischen 40 Seiten umfasst und sich tagtäglich weiter-
entwickelt. Darin legen wir als Fachpolitiker unsere Vor-
stellungen dar, wie wir diesen Bereich in den nächsten
Jahren gestalten wollen.

Zu den Schwerpunkten, zu den prägenden Merkma-
len dieses Haushalts gehört natürlich, dass wir im For-
schungs- und Bildungsbereich einen massiven finanziel-
len Aufwuchs haben – die Zahl wurde genannt –: Der
BMBF-Etat ist seit 2005 – ich beziehe mich auf den
langen zeitlichen Horizont, seit wir an der Regierung
sind – von 7,5 Milliarden Euro auf 17,6 Milliarden Euro
gestiegen. Das heißt, er hat sich mehr als verdoppelt: Die
Steigerung liegt bei 133 Prozent.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich finde, das ist ein herausragendes Ergebnis.

Bevor ich einen Vergleich mit anderen Ländern, aber
auch mit einzelnen Bundesländern ziehe, zunächst ein
Vergleich mit den USA, dem Maßstabsland, wenn es um
Innovationskraft geht: Die USA forschen in der Tat auf
sehr hohem Niveau, auch was die Finanzausstattung be-
trifft. Richtig ist aber auch – das erkennt man, wenn man
sich die Zahlen anschaut –, dass die Ausgaben im Bun-
deshaushalt der USA von 2005 bis 2016, also im besag-
ten Zeitraum, um 13 Milliarden Euro gesunken und nicht
gestiegen sind; das heißt, sie sind um fast 10 Prozent
zurückgegangen. Also: Bei uns sind sie um 133 Prozent
gestiegen, in den USA sind sie um 10 Prozent gesunken.

Insofern ist es schon eine klare Ansage, wenn wir in
Gesprächen mit Wissenschaftlern in den USA erfahren,
dass sie dort zwar sehr gut forschen können und dass das
Niveau dort hoch ist, dass sie aber mit Neid und Bewun-
derung nach Deutschland schauen und sagen: Die Dyna-
mik, die ihr habt, haben wir bei uns nicht. – Ich glaube,
das kann uns ermutigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zum Vergleich mit den Bundesländern – nur für den
Bildungsbereich; Frau Gohlke, Sie sagen, wir tun nichts
für die Bildung –, die originär für die Bildung zuständig
sind: In den Jahren 2005 bis 2015 ist der Bundeshaushalt
um 112 Prozent gestiegen. Ihrer Meinung nach ist das
nichts. 112 Prozent Steigerung sind nichts? Diejenigen,
die originär dafür zuständig wären, die Bundesländer,
hatten im selben Zeitraum lediglich eine Steigerung um
36 Prozent.


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Weil die keinen Bock haben, oder wie?)


Inzwischen sind Sie im postrealistischen Zeitalter ange-
kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Da sitzen die Demagogen!)


Es gibt auch Unterschiede zwischen den Bundeslän-
dern. In meinem Heimatland Bayern ist die Welt noch ein
ganzes Stück in Ordnung.


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Oh!)


Dort gab es eine überdurchschnittliche Steigerung um
54 Prozent, in Nordrhein-Westfalen hingegen eine un-
terdurchschnittliche Steigerung um lediglich 35 Prozent.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die sogenannte Rüttgers-Delle!)


Wer behauptet, die Länder und Kommunen seien
klamm, der Bund hätte ja das Geld, der sollte die Reali-
täten und Fakten zur Kenntnis nehmen; das führt zu einer
realistischen Sicht. Ja, die Steuereinnahmen des Bundes
sind in diesem Zeitraum um 45 Prozent gestiegen; das
war ein erheblicher Zuwachs aufgrund der wirtschaftlich
starken Situation. Aber die Einnahmen der Länder sind
um 51 Prozent und die Einnahmen der Kommunen sogar
um 53 Prozent gestiegen. Deswegen ist es nicht primär
eine Frage der Steuereinnahmen der jeweiligen Länder,
sondern es ist eine Frage des politischen Willens und der
Prioritätensetzung, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Zahlen beweisen auch, dass das ständige Geschrei
des linken Blocks hier im Haus,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, wer ist das?)


der Bund müsse endlich etwas für Bildung machen und
deswegen müsse das angebliche Kooperationsverbot
endlich weggeräumt werden, nichts anderes als ideologi-
scher Blödsinn ist, der mit der Realität überhaupt nichts
zu tun hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das, was Sie reden, ist ideologischer Blödsinn!)


Die Fakten zeigen, dass es im Nachkriegsdeutschland
materiell nachweislich noch nie so viel Kooperation zwi-
schen Bund und Ländern gab.


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch gar keine Ahnung!)


Die Zahlen, die der Bund für die Bereiche zur Verfügung
stellt, in denen er Länderaufgaben in Milliardenumfang
übernimmt – –


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie schon mal eine staatliche deutsche Schule von innen besucht?)


– Ja, habe ich schon, und zwar gute bayerische Schulen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und, haben die alle einen Schulsozialarbeiter?)


Albert Rupprecht






(A) (C)



(B) (D)


Was wollen wir – das „Ideenpapier 2018“ werden wir
Ihnen in den nächsten Wochen gern zum Lesen und zur
Ideenanreicherung zur Verfügung stellen – in der nächs-
ten Legislaturperiode machen? Wir werden Forschung
und Bildung auch künftig, so unsere Vorstellung, stärken.
Wir haben lange darüber diskutiert.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie machen doch Opposition! – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie eigentlich in der Regierung?)


– Zuhören, es ist spannend.

Bis 2025 wollen wir die Forschungs- und Entwick-
lungsausgaben auf 3,5 Prozent des BIP steigern. Das
würde in der Konsequenz für die nächste Legislatur ei-
nen zusätzlichen Betrag für Forschung – allein im Bun-
deshaushalt – von 8 bis 10 Milliarden Euro bedeuten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie schon 2008 versprochen!)


Der zweite prägende Baustein in den letzten elf Jahren
war die massive Expansion in die Breite. Herr Lenkert,
wenn Sie hier das Szenario malen „Nur Spitze und keine
Breite“, dann ist das wider jegliche Realität. Dann ken-
nen Sie schlicht die Fakten nicht. Die Zahlen belegen es:
Seit 2005 ist die Zahl der Studierenden in Deutschland
um 40 Prozent angestiegen, von 1,9 auf 2,7 Millionen.
Die Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter an den
Hochschulen ist in dieser Zeit um 60 Prozent gewachsen,


(Dr. Thomas Feist [CDU/CSU]: Richtig!)


und das in der Breite des Landes, nicht an wenigen Ex-
zellenzuniversitäten. An den außeruniversitären For-
schungseinrichtungen betrug der Zuwachs bei den
wissenschaftlichen Mitarbeitern im selben Zeitraum
42 Prozent.


(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Aber unter schlechten Bedingungen!)


Dieser Anstieg in der Breite unseres Landes wäre nie und
nimmer möglich gewesen – wiederum Stichwort: Ko-
operation –, wenn der Bund nicht in den letzten Jahren
mit Milliarden Euro Unterstützung geleistet hätte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Tankred Schipanski [CDU/ CSU]: Sehr richtig!)


Was wollen wir in den nächsten Jahren machen? Der
Hochschulpakt läuft 2020 aus. Künftig kann es nicht
mehr darum gehen, mit Bundesmitteln neue Studienplät-
ze zu finanzieren, sondern die freiwerdenden Mittel müs-
sen anderweitig verwendet werden:

Erstes Motto: Qualität statt Quantität an den Hoch-
schulen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zweitens. Wir wollen ein dem Tenure-Track-Pro-
gramm für die Universitäten analoges Programm für die
Fachhochschulen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dritter Punkt. Ein Teil der Gelder muss zur Stärkung
der beruflichen Bildung umgeschichtet werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wer von Gleichwertigkeit von akademischer und berufli-
cher Bildung redet, jedoch die eine mit Milliarden unter-
stützt und zu der anderen sagt: „Ihr kriegt noch ein paar
Krümel ab“, der meint es nicht ernst. So geht das nicht.
Deswegen muss man da auch klare Kante zeigen und sa-
gen: Was machen wir, wenn der Hochschulpakt ausläuft,
mit den freiwerdenden Mitteln?


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sehr geehrte Damen und Herren, der dritte prägen-
de Baustein war die Exzellenz. Denn wir brauchen Ex-
zellenz. Ohne wissenschaftliche Spitzenleistung gibt es
keinen Wohlstand. Ohne führende Hochschulen wie Har-
vard, MIT oder Stanford gäbe es Facebook, Google und
viele andere Unternehmen in den USA nicht. Deswegen
braucht Deutschland wissenschaftliche Breite, ja, aber
auch wissenschaftliche Spitze. Sie ist notwendig, wenn
wir den Wohlstand in Deutschland sichern und erhalten
wollen.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wissenschaftliche Tiefe auch!)


– Das außerdem.

Mit der Exzellenzinitiative haben wir 2005 eine Dyna-
mik angestoßen, und trotzdem stellen wir 2016 fest, dass
keine deutsche Universität bei den namhaften weltweiten
Rankings auf einem der ersten 40 Plätze ist.


(Zuruf des Abg. René Röspel [SPD])


Lediglich die Max-Planck-Gesellschaft als außeruni-
versitäre Forschungseinrichtung spielt ganz vorn in der
Weltspitze mit.

Deswegen war es richtig, die zeitlich befristete Exzel-
lenzinitiative zur dauerhaften Exzellenzstrategie weiter-
zuentwickeln. Deswegen war es richtig, dass wir 2009
die Alexander-von-Humboldt-Professuren eingerichtet
haben und viele andere Maßnahmen ergriffen haben.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Möchte Herr Seehofer eigentlich auch Geld für Bildung?)


Was heißt das für die nächste Legislatur? Um nur weni-
ge Punkte zu nennen: Wir brauchen weitere Formate, um
diese Exzellenz auszubauen oder an der Weltspitze mit-
zumarschieren, und bestehende Formate müssen gestärkt
werden. Deswegen wollen wir die Zahl der AvH-Profes-
suren verdoppeln. Wir unterstützen die Einrichtung von
Max-Planck-Schools. Wir wollen ein Spitzeninstitut zur
Entwicklung von Algorithmen in gemeinsamer Träger-
schaft mehrerer außeruniversitärer und universitärer Ein-
richtungen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das sind drei Beispiele für Formate, die wir brauchen,
um in den einzelnen Fachbereichen auch an der Weltspit-
ze dabei zu sein.

Albert Rupprecht






(A) (C)



(B) (D)


Abschließend, sehr geehrte Damen und Herren: Es
gab eine Befragung der britischen Regierung zu der Fra-
ge: Welches Land bietet jungen Menschen die meisten
Chancen?


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Deutschland!)


Wir erinnern uns an die Situation von vor zehn Jahren:
5 Millionen Arbeitslose in Deutschland, Jugendarbeits-
losigkeit bei 15 Prozent. Wir haben die Jugendarbeitslo-
sigkeit auf 6 Prozent im Jahr 2016 gesenkt. Bei der Frage
„Welches Land bietet Jugendlichen die meisten Chancen:
auf dem Arbeitsmarkt, bei Freiheit, bei demokratischer
Teilhabe, bei Aufstiegsmöglichkeiten und im Bildungs-
system?“ hat Deutschland in dieser Befragung den Platz
eins erreicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das hat mit den Menschen im Land zu tun, sehr ge-
ehrte Damen und Herren, aber das hat sehr wohl auch
mit dem zu tun, was wir in diesem Haus politisch, auch
bildungspolitisch, machen, und darauf können wir stolz
sein.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1820308100

Der Kollege Martin Rabanus spricht als Nächster für

die SPD.


(Beifall bei der SPD)



Martin Rabanus (SPD):
Rede ID: ID1820308200

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So ein bisschen
ist man versucht, etwas Ähnliches zu machen, nämlich
die Haushaltsberatung hier mit einem Parteitag zu ver-
wechseln,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Rainer Spiering [SPD] – Albert Rupprecht [CDU/ CSU]: Das war nicht Parteitag!)


sei es von der CSU oder von der Linkspartei. Nun sagt
Oscar Wilde: Widerstehe nie einer Versuchung. Du weißt
nicht, ob sie wiederkommt. – Ich ahne, dass, je näher
wir an die Bundestagswahl kommen, diese Versuchun-
gen wieder entstehen. Deshalb will ich ihr heute nicht
erliegen, sondern ich möchte gern fokussieren, und zwar
auf einen Bereich der Bildungspolitik, der mir besonders
am Herzen liegt, der uns auch als Fraktion in besonderer
Weise am Herzen liegt. Das ist die Weiterbildung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Es stimmt nicht, liebe Frau Gohlke, dass da nichts
passiert sei. Ganz im Gegenteil: Die Weiterbildung ist
ein wichtiger Teil des Bildungsbereichs; klar. Stichworte
wie: „Wirtschaft 4.0“, „Dynamik des Wissens“ legen das
nahe und machen es zur Binsenweisheit, dass wir in dem
Bereich arbeiten müssen. Wir haben das getan – als Frak-

tion und als Koalition, und zwar in allen Bereichen der
Weiterbildung: von der Einstiegsqualifizierung, der Al-
phabetisierung, der Grundbildung – die Stichworte sind
genannt worden – bis hin zur Aufstiegsfortbildung. Mit
der substanziellen Reform des Meister-BAföGs haben
wir einen wichtigen Beitrag geleistet.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Ich will daran erinnern: 2015 hat der Bundeshaushalt
181 Millionen Euro für diesen Bereich vorgesehen; 2017
sieht er 264 Millionen Euro vor. Das ist eine Steigerung
um 40 Prozent. Das ist nicht nichts, liebe Frau Gohlke.

Auch in der Einstiegsqualifizierung wurde vieles ge-
tan – darauf hat mein Kollege Ernst Dieter Rossmann
schon hingewiesen –, und zwar über Ressortgrenzen
hinweg. Das Arbeitslosenversicherungsschutz- und Wei-
terbildungsstärkungsgesetz ist ein wichtiger Beitrag zur
Stärkung der Weiterbildung im Rahmen der Einstiegs-
qualifizierung. Dafür haben wir zusätzliche Haushalts-
mittel zur Verfügung gestellt, die Jahr für Jahr ansteigen
und nach Lage der Dinge im Jahre 2019 die 200-Millio-
nen-Euro-Marke überschreiten werden.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Das ist für die Weiterbildung ein großer Schritt nach vor-
ne.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich könnte weitere Beispiele anführen, will aber nur si-
gnalisieren: Wir sind auf dem Weg, und zwar auf einem
guten Weg.

Ich will stichwortartig drei Punkte für künftige Akti-
vitäten im Bereich der Weiterbildung nennen, die uns als
SPD-Fraktion und mir persönlich sehr wichtig sind:

Erstens. In einer sozialdemokratisch gestalteten Zu-
kunft sind nicht nur die Studierenden an den Hochschu-
len von Studiengebühren befreit. In einer solchen Zu-
kunft sind auch Meisterschülerinnen und Meisterschüler
von den Gebühren für die Meisterkurse befreit.


(Beifall bei der SPD)


Zweitens. In einer sozialdemokratisch gestalteten Zu-
kunft sind die Förderbedingungen von BAföG und Meis-
ter-BAföG nicht nur einander angenähert – das haben wir
in dieser Wahlperiode geschafft –, sondern tatsächlich
gleich.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Das wollen wir gerne in der nächsten Wahlperiode er-
reichen.

Drittens. In einer sozialdemokratisch gestalteten Zu-
kunft schaffen wir es, über die Feststellung von Berufs-
qualifizierungen – auch über informell erworbene – al-
len Menschen eine Weiterbildung anzubieten und sie in
Weiterbildung zu bringen, die ihnen ein selbstbestimmtes
und unabhängiges Leben ermöglicht. Ich betone dabei:
alle Menschen, nicht die eine oder die andere Gruppe,
schon gar nicht die eine Gruppe gegen die andere Grup-

Albert Rupprecht






(A) (C)



(B) (D)


pe. Wir brauchen weniger Gegeneinander und mehr Mit-
einander.


(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Ist das eine Parteitagsrede oder eine Haushaltsrede?)


Das ist die Aufgabe, die wir in diesem Land erledigen
müssen. Dann haben wir eine Perspektive, die uns wei-
terbringt.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820308300

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU spricht jetzt Sven

Volmering.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Sven Volmering (CDU):
Rede ID: ID1820308400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Der Dramatiker Christian Friedrich Hebbel
sagte einmal:

Es gibt Leute, die nur aus dem Grunde in jeder Sup-
pe ein Haar finden, weil sie, wenn sie davor sitzen,
so lange den Kopf schütteln, bis eins hineinfällt.

Diese Weisheit passt zur heutigen Oppositionsvorstel-
lung, wie ich nun, liebe Frau Gohlke, am Beispiel der
digitalen Bildung zeigen werde.

Letztes Jahr haben die Grünen beispielsweise behaup-
tet, dass der Bund gar kein Interesse habe, Konsequen-
zen aus der Computerstudie ICILS zu ziehen. Nach der
Vorstellung des Digitalpakts durch Frau Wanka vor dem
IT-Gipfel wurde es noch ein bisschen grotesker. Da hieß
es, Deutschland sei ein Entwicklungsland beim Lernen in
der digitalen Welt, alles sei verfrühtes Wahlkampfgetöse
und die Bildungsministerin lasse die Länder allein.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt ja auch! Wo ist denn was im Haushalt 2017?)


Zum allerersten Mal, seitdem ich nicht mehr in der Schu-
le unterrichte, habe ich mich ernsthaft gefragt, ob Sie
überhaupt aufgepasst haben, was der Bund und die Große
Koalition in diesem Bereich alles getan haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Nach Herrn Kretschmann steht nun auch Frau Löhrmann
auf der Liste der Grünen, auf die die eigene Bundestags-
fraktion nicht hört; denn Frau Löhrmann hat den Digital-
pakt von Frau Wanka gelobt.

Zur Erinnerung: Im Juli 2015 hat der Bundestag auf
Antrag der Koalition Bund und Länder beauftragt, eine
Strategie „Digitales Lernen“ zu entwickeln. Professor
Eickelmann, eine der Hauptverantwortlichen für diese
internationale Computerstudie, sagte bei der entspre-
chenden Anhörung im Ausschuss dazu:

Die Maßnahmen, die in dem Antrag verschriftlicht
worden sind, sind wirklich zielführend und zum

großen Teil wirklich das, was wir aus der Wissen-
schaft auch genauso empfehlen würden.

Auf dieser Grundlage haben dann Bund und Länder
gearbeitet. Nachdem Frau Wanka ihre Offensive vorge-
stellt hat, werden die Länder am 8. Dezember nachzie-
hen. Diese Konzepte müssen nun in Einklang gebracht
werden. Frau Bogedan beispielsweise setzt eine Zielmar-
ke, indem sie vom Jahr 2018 spricht. Von daher sind wir
jetzt in der Situation, dass die Bundesländer unabhängig
von der Bundestagswahl 2017 aufgefordert sind, den
Ball, den Frau Wanka ihnen butterweich zugespielt hat,
im Tor zu versenken.

Die Bedingungen sind klar: Sie müssen pädagogische
Konzepte liefern, die Aus- und Fortbildung von Lehrern
muss gestärkt werden, und sie müssen gemeinsame tech-
nische Standards umsetzen. Die CDU/CSU legt dabei
sehr großen Wert darauf, dass es Bundesgeld nur dann
gibt, wenn klare Kriterien, Verfahren sowie Kontroll-
und Sanktionsmöglichkeiten mit den Ländern festgelegt
werden. Dass die Länder, wie beim BAföG, die Gelder
zum Stopfen von Haushaltslöchern zweckentfremden,
werden wir beim Digitalpakt nicht zulassen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Geld soll nicht für die Länderfinanzminister, sondern
für die Schulen und die Zukunft unserer Kinder sein.

Nun, da wir erkannt haben, dass die Digitalisierung
des Bildungssystems eine sehr notwendige Maßnahme
für unser Land, für unsere Zukunftsfähigkeit ist, darf es
nicht dazu kommen, dass die Debatte zur Umsetzung als
Steigbügelhalter genutzt wird, um weitere Milliardenpa-
kete für andere Bereiche der Bildungspolitik zu fordern.
Die Länder müssen schon noch ihre eigenen Hausaufga-
ben machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


So können sie beispielsweise jedem Schulkollegium zu-
mindest mal eine Digitalfortbildung finanzieren. Eine
vernünftige Fortbildung in diesem Bereich kostet zwi-
schen 1 500 und 2 000 Euro. Die Länder müssten in der
Lage sein, die 60 bis 80 Millionen Euro, die das kosten
würde, zu stemmen. Im Übrigen weist beispielsweise
auch das SPD-geführte Wirtschaftsministerium in seiner
Bildungsbroschüre darauf hin, dass es bereits jetzt mög-
lich ist, Bundesgelder aus dem 4-Milliarden-Euro-Breit-
bandförderprogramm sowie aus der Digitalen Dividen-
de II – in Höhe von 600 Millionen Euro – für digitale
Bildung zu erhalten. Die 3,5 Milliarden Euro für Schul-
sanierungen hat Herr Rossmann gerade erwähnt. Das
alles geht ohne Grundgesetzänderung, die hier wie ein
Fetisch wirklich in jeder Debatte angeführt wird.

Jedem Skeptiker, der wirklich meint, es passiere zu
wenig, sei ein Blick in die BMBF-Broschüre zur digita-
len Bildungsoffensive empfohlen. Es sind wirklich alle
Bildungsbereiche abgedeckt. Digitale Bildung spielt eine
Rolle beim Programm „Kultur macht stark“; sie wird bei
der Qualitätsoffensive Lehrerbildung ausgebaut. Es gibt
zahlreiche Wettbewerbe. Es gibt die Förderbekanntma-
chung „Erfahrbares Lernen“. Die Initiative Berufsbil-
dung 4.0 ist schon mehrmals erwähnt worden. Es gibt das
F-und-E-Programm „Zukunft der Arbeit“; es wird dauer-

Martin Rabanus






(A) (C)



(B) (D)


haft mit über 1 Milliarde Euro gefördert. Das Hochschul-
forum Digitalisierung legt nächste Woche Vorschläge vor.
Es gibt die Förderbekanntmachung „Medienbildung 2“,
den Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: offene Hoch-
schulen“. Digitale Bildung wird in den Bildungsbericht
aufgenommen. Wir fördern eine OER-Informationsstel-
le. Wir starten ein Schul-Cloud-Pilotprojekt. Es wird ein
Internetinstitut geben. Wir werden bis zu 20 Kompe-
tenzzentren für Digitalisierung einrichten. – Diese Maß-
nahmen, verehrte Kollegen der Opposition, haben doch
nichts mit einem Entwicklungsland zu tun, sondern sind
Ausdruck unseres Ziels, die Chancen der Digitalisierung
in Deutschland erfolgreich zu gestalten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In fast allen Ländern gibt es WLAN in der ganzen Stadt!)


Ja, manches dauert seine Zeit; aber Gründlichkeit geht
vor Schnelligkeit.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie schon mal in der Welt unterwegs gewesen? In ganz Skandinavien gibt es WLAN!)


Wenn Sie den Digitalpakt kritisieren, dann stellen Sie
sich in eine Reihe mit Herrn Spitzer, der gesagt hat, das
sei eine Maßnahme zur Verdummung. Wenn Sie mit
Herrn Spitzer in einer Reihe stehen wollen – herzlich
willkommen in dieser Reihe! Wir, die CDU/CSU, stehen
für Zukunft; Sie stehen für Herrn Spitzer.

Zum Abschluss eine Anmerkung in Richtung Herrn
Heil, der am Sonntag getwittert hat: „16 Jahre Merkel?
Warum eigentlich? Und wofür?“ Die Antwort ist auch
aus bildungs- und forschungspolitischer Sicht sehr ein-
fach: Damit wir weitere vier Jahre einen ausgeglichenen,
generationengerechten Bundeshaushalt mit steigenden
Bildungs- und Forschungsausgaben haben. Rot-Rot-
Grün wird das nämlich mit Sicherheit nicht hinbekom-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer schreit, hat nicht immer recht! – Lachen bei der CDU/ CSU – Gegenruf von der CDU/CSU: Das weißt du am besten!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820308500

Vielen Dank. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt

Dr. Simone Raatz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1820308600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es ist ja schön, dass wir eine sehr lebendige
und teilweise auch sehr laute Debatte haben. Ich denke,
dass mein Redebeitrag ein bisschen zur Ruhe beitragen
wird.

Ich starte mit einem Satz aus dem aktuellen Jahresbe-
richt zum Stand der Deutschen Einheit, der uns kürzlich
von Iris Gleicke vorgelegt worden ist:

Der Erfolg von Volkswirtschaften, Regionen und
Unternehmen hängt im 21. Jahrhundert wesentlich
von der Innovationskraft ab.

Ich denke, das ist keine ganz neue Weisheit, aber ein
wichtiger Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen; denn
gerade wir in Deutschland sind in hohem Maße vom
technologischen Fortschritt abhängig. Doch wenn wir
uns die Innovationsintensität unserer kleinen und mittel-
ständischen Unternehmen anschauen – Herr Rachel, aber
auch Herr Gehring sind teilweise darauf eingegangen –,
dann stellen wir fest, dass sie seit Jahren rückläufig ist.
Insbesondere bei jungen KMUs sanken die Innovations-
ausgaben in den letzten Jahren deutlich. An dieser Stelle
hat unser Bildungs- und Forschungsetat die sehr wich-
tige Funktion, diesem Negativtrend etwas entgegenzu-
setzen. Ich denke, dass die eben von Herrn Gehring an-
gesprochene steuerliche Forschungsförderung nicht das
Nonplusultra ist,


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie doch endlich! Streichen Sie es aus Ihrem Wahlprogramm!)


auch wenn das Thema immer wieder angeführt wird, um
die Innovationsfähigkeit unserer Unternehmen zu ge-
währleisten.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Streichen Sie es aus Ihrem Wahlprogramm? Aber Sie nehmen ja Ihr eigenes Wahlprogramm nicht ernst!)


– Ich möchte jetzt nicht lauter sprechen; ich habe auf die
sehr laute Debatte verwiesen. Lassen Sie uns in künftigen
Debatten sachliche Argumente austauschen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich hoffe doch!)


Rein quantitativ geht unser Haushalt in die richtige
Richtung. Viele haben die Zahl schon erwähnt: Wir stel-
len mehr als 17,6 Milliarden Euro allein für Bildung und
Forschung zur Verfügung. Das ist einfach großartig. Ich
finde, das kann man an dieser Stelle ruhig noch einmal
sagen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Doch wir müssen die Mittel auch so einsetzen, dass die
gewünschten Innovationsprozesse angeschoben werden
und auch bei den Menschen in unserem Land ankommen.

Was wir meines Erachtens in Zukunft brauchen, ist
ein klares Bekenntnis zur sogenannten Third Mission,
der dritten Aufgabe unserer Wissenschaft. Neben Leh-
re und Forschung muss der Transfer von Innovationen
in Wirtschaft und Gesellschaft zur selbstverständlichen
Aufgabe unserer Hochschulen und außeruniversitären
Forschungseinrichtungen werden. Hier gibt es nicht nur
Nachholbedarf; vielmehr braucht es einen grundlegen-
den Kulturwandel. Wenn die durchschnittliche Unter-
nehmensgröße in Ostdeutschland – das muss man sich
wirklich einmal auf der Zunge zergehen lassen – neun
Personen beträgt und die Unternehmen seit über 15 Jah-

Sven Volmering






(A) (C)



(B) (D)


ren nicht wachsen, dann macht das doch deutlich, wie
wichtig an dieser Stelle der Wissenstransfer ist.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Der vorliegende Haushalt versucht, dem an wichti-
gen Stellen mit deutlichen Mittelaufwüchsen Rechnung
zu tragen. So erhöhen wir die Mittelansätze für beson-
ders transferfreundliche und anwendungsbezogene For-
schung. Allein die Fraunhofer-Gesellschaft wird in den
nächsten Jahren 68 Millionen Euro mehr bekommen,
nicht nur 60 Millionen Euro, wie viele Kollegen hier
gesagt haben, da wir den Pakt für Forschung und Inno-
vation und den automatischen Aufwuchs von 3 Prozent
mit berücksichtigen müssen. 68 Millionen Euro mehr pro
Jahr, das ist doch was. Ich denke, damit kann man etwas
anfangen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


So sollen aktuelle Forschungsthemen wie zum Beispiel
die Batterieforschung nachhaltig gestärkt und der Wis-
senstransfer gesichert werden. Ich glaube, es ist ganz
wichtig, den Fraunhofer-Instituten mehr auf die Finger
zu schauen, als wir das bisher gemacht haben.

Darüber hinaus wird auch das Wirtschaftsministerium
im kommenden Jahr seine Programme zur Forschungs-
förderung ausweiten. Mein Kollege Schipanski wird da-
rauf noch eingehen; er hatte ja schon in seiner Frage dazu
einiges untergebracht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir tragen mit
diesem Haushalt nicht nur dem Bedarf an technischem
Fortschritt Rechnung. Vielmehr müssen wir auch im Be-
reich der Geistes- und Sozialwissenschaften den Transfer
ausbauen. Es ist sicher nicht nur für uns zutiefst beun-
ruhigend, dass wissenschaftliche Erkenntnisse scheinbar
nicht mehr zu allen Menschen durchdringen und platten
Parolen mehr Glauben geschenkt wird; Herr Rachel hat
dazu schon einiges gesagt. Daher begrüße ich es außer-
ordentlich, dass wir mit diesem Haushalt auch Mittel
bereitstellen, um die gesellschafts- und sozialpolitische
Forschung durch den Aufbau eines neuen Instituts für ge-
sellschaftlichen Zusammenhalt in Sachsen zu stärken; ich
möchte nicht vertiefen, warum ich das gerade in Bezug
auf Sachsen als sehr zielführend erachte. Im kommenden
Jahr werden 1 Million Euro zur Verfügung gestellt – das
ist ein guter Start –, in den Folgejahren 36 Millionen
Euro. Ich glaube, da kann etwas draus werden. Im Übri-
gen: Wenn wir das Konzept für dieses Institut demnächst
erhalten könnten – ich blicke in Richtung BMBF –, dann
wäre das sehr schön.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820308700

Frau Kollegin Raatz, es wäre jetzt auch schön, wenn

Sie zum Schluss kommen würden.


Dr. Simone Raatz (SPD):
Rede ID: ID1820308800

Ja, ich komme zum Schluss. – Liebe Kolleginnen und

Kollegen, wir sind auf dem richtigen Weg zu mehr Trans-
fer von Innovationen in Gesellschaft und Wirtschaft. Wir
müssen diesen Weg in Zukunft weitergehen und noch et-
was entschlossener agieren.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820308900

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Tankred

Schipanski, CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Tankred Schipanski (CDU):
Rede ID: ID1820309000

Danke schön. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Kollege Rossmann hat es gesagt:
Die Haushaltsdebatte ist dazu da, um auch einmal etwas
grundsätzlicher auszuführen. Das will ich tun, und zwar
bei zwei Themen: Chancengerechtigkeit und Bund-Län-
der-Finanzvereinbarung, die schon angesprochen wurde.

Zu Beginn muss ich aber auf das „postfaktische Zeit-
alter“ eingehen. Ich dachte, wir hätten das gestern mit
Sahra Wagenknecht erlebt, aber heute haben wir das von
Ihrer Seite, liebe Frau Gohlke und Herr Lenkert, wieder
erleben müssen. Ich kann Sie nur ermahnen, nicht wie
die AfD mit Populismus und Propaganda Unsicherheit
bei den Leuten zu schüren. Das, was da betrieben wird,
ist unmöglich. Ich glaube, die Redner aller anderen Frak-
tionen haben die Fakten zum Bereich „Bildung und For-
schung“ hier dargelegt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Noch etwas in Richtung der Linken. Herr Schulz hat
gesagt, dass wir die Forschung im Bereich der Sozial-
und Geisteswissenschaften stärken. Heute wurde aber
noch nicht betont, dass wir ganz bewusst einen For-
schungsverbund zum Thema SED-Unrecht auflegen. Wir
starten mit 5 Millionen Euro. Das Volumen soll in den
nächsten Jahren auf 25 Millionen Euro steigen. Ich halte
es für sehr notwendig, dass wir diesen Forschungsver-
bund auflegen, insbesondere wenn man sich vor Augen
führt, dass die von Rot-Rot-Grün in Thüringen verspro-
chene Aufarbeitung nicht stattfindet.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum Thema Chancengerechtigkeit. Bei allen Maß-
nahmen, die wir im Bildungs- und Forschungsbereich er-
greifen, haben wir die Chancengerechtigkeit aller Bürge-
rinnen und Bürger im Blick. Das bedeutet, dass wir allen
gleichermaßen den Zugang zu einem Bildungsangebot
ermöglichen wollen, den sozial Benachteiligten eine be-
sondere Förderung zuteilwerden lassen, aber eben auch
den Begabten. Dass das Ganze gelingt, hat unser Nati-
onaler Bildungsbericht 2016, über den wir in der letzten
Plenarwoche debattiert haben, gezeigt.

Wir streben nach Chancengerechtigkeit für alle. Das
heißt aber nicht Ergebnisgleichheit, wie das von Rot-
Rot-Grün sehr oft propagiert wird.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Quatsch!)


Alles Ungleiche abschaffen zu wollen, kann nicht das
Ziel von demokratischer Politik sein. In unserer Gesell-
schaft spielt das Individuum mit seinen Entfaltungsmög-

Dr. Simone Raatz






(A) (C)



(B) (D)


lichkeiten glücklicherweise eine große Rolle. Dem wer-
den wir in der Bildungspolitik gerecht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wer die Ungleichheiten unter den Menschen von
Staats wegen beseitigen will, landet zwangsläufig in Un-
terdrückung und Diktatur.


(Dr. Simone Raatz [SPD]: Das ist ja jetzt Quatsch!)


Das stellte Hubertus Knabe in einem Tweet sehr treffend
fest. Im Übrigen twitterte er das zum Bundesparteitag der
Grünen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das habe ich jetzt nicht verstanden!)


Es muss uns vielmehr darum gehen, die Menschen mit
ihren individuellen Fähigkeiten bestmöglich zu fördern.

Dazu haben wir ein vielseitiges Bildungssystem, bei
dem es um optimale Bildung geht, aber nicht um gleiche
Abschlüsse für jeden. Es geht um Wahlmöglichkeiten. Es
geht um verschiedene Bildungswege. Unser Stichwort
lautet: „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Dass das Gan-
ze funktioniert, zeigen – Kollege Rupprecht hat es ange-
sprochen – die Studierendenzahlen. Der Bund hat sich in
der dritten Phase des Hochschulpakts noch einmal betei-
ligt und freiwillig 9,9 Milliarden Euro in den Hochschul-
pakt investiert. Auch die Mittel für das BAföG erhöhen
wir jetzt noch einmal. 2017 geben wir 2,6 Milliarden Euro
dafür aus. Auch die Mittel für das Aufstiegs-BAföG, das
ehemalige Meister-BAföG, werden um rund ein Viertel
auf 265 Millionen Euro erhöht. Das verdeutlicht, was
auch die OECD festgestellt hat: In Deutschland ist Bil-
dung für Privatpersonen so erschwinglich wie in kaum
einem anderen OECD-Land. – Das ist ein gutes und
wichtiges Zeichen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Der nächste Themenblock betrifft die Bund-Län-
der-Finanzvereinbarung vom 14. Oktober 2016. Da gibt
es in der Tat Unterschiede zwischen den Koalitionspart-
nern. Ich kann für die Union nur feststellen: Unkondi-
tioniertes Geben von Geld ist falsch. „Unkonditioniert“
meint: ohne konkrete Bedingungen, ohne konkrete Ziele.
Unkonditioniertes Geld kennen wir aus dem Bürgerli-
chen Recht. Da heißt es Taschengeld, § 110 BGB. Wir
sagen ganz deutlich: Bundesgeld ist kein Taschengeld.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Simone Raatz [SPD]: Dann sagen Sie das mal den Ministerpräsidenten!)


Von daher kann man nicht über jede Entscheidung vom
14. Oktober 2016 froh sein. Wir sagen: Geld des Bundes
muss zielgerichtet eingesetzt werden und einen Mehr-
wert bringen. Es darf nicht mit der Gießkanne ausge-
schüttet werden.

Zur Umsetzung dieser Bund-Länder-Vereinbarung
bedarf es einer Änderung des Grundgesetzes. Nun wird
viel darüber spekuliert, ob das etwas mit der generellen
Frage nach der Zuständigkeit des Bundes für den Bil-
dungsbereich zu tun hat, und es wird die Frage nach dem
vermeintlichen Kooperationsverbot aufgeworfen. Das ist

ein völlig falsches Wort, das Rot-Rot-Grün in dieser De-
batte verwendet.


(Dr. Simone Raatz [SPD]: Welches ist das richtige Wort?)


Ein Kooperationsverbot steht nicht im Grundgesetz, aber
Zuständigkeitsregelungen und eine Aufgabenverteilung.
Und „Bundesstaat“ bedeutet kooperatives Zusammen-
wirken im Rahmen der Zuständigkeiten und der Aufga-
ben. Der Bund kooperiert in einem hohen Maße. Albert
Rupprecht hat aufgezeigt, bei wie vielen Pakten der Bund
dabei ist. Wir kooperieren also, und da gibt es keine Ver-
bote. Aber wir haben Zuständigkeiten und Verantwort-
lichkeiten.

Die Menschen in Deutschland, meine Damen und
Herren, sehen ein ganz anderes großes Defizit, nämlich
bei Schulabschlüssen und Schulausbildung. Da fehlt es
an einer Vergleichbarkeit der Abschlüsse, an verbind-
lichen Bildungsstandards, an Mobilität zwischen den
Bundesländern. Dieses Defizit kann man nicht mit Ta-
schengeld des Bundes beseitigen, sondern nur mit einer
reformierten Kultusministerkonferenz bzw. mit einem
Länderstaatsvertrag, den wir seit vielen Jahren fordern,
um endlich vergleichbare Abschlüsse zu schaffen und ge-
meinsame Prüfungsaufgaben und verbindliche Bildungs-
standards festzulegen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


– Da kann man klatschen; das ist sehr richtig. – In diesem
Bereich sind dem Bund nämlich die Hände gebunden. Da
hilft auch keine Grundgesetzänderung, um dieses Defi-
zit zu beseitigen; das sollten Sie den Menschen ehrlich
sagen. Wir brauchen keine Grundgesetzänderung, um
in diesen Bereichen besser zu werden. Es braucht einen
Länderstaatsvertrag und weiterhin eine koordinierende
Rolle des Bundes.


(Marianne Schieder [SPD]: Ach, das wissen Sie doch besser!)


Meine Damen und Herren, am Ende noch eine positi-
ve Nachricht, auch mit Blick auf die Bund-Länder-Ver-
einbarung: Der Bund hat aus dem BAföG-Desaster
gelernt und in den Verhandlungen mit den Ländern ein
Kontrollrecht bei der Mitfinanzierung von Länderaufga-
ben erstritten. Der Bundesrechnungshof soll künftig auch
die Länderhaushalte prüfen können. Das ist wichtig, und
das ist gut. Da hat die Politik einmal gelernt.

In diesem Sinne: Vielen Dank für Ihre Aufmerksam-
keit.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Beim Nachtragshaushalt sehen wir uns wieder!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820309100

Vielen Dank. – Nächster Redner ist Rainer Spiering,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Tankred Schipanski






(A) (C)



(B) (D)



Rainer Spiering (SPD):
Rede ID: ID1820309200

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Liebe

Zuschauerinnen und Zuschauer! Vorab – auch nach die-
sen teilweise sehr rhetorischen Ausflügen –: Ich glaube,
man muss diesem Haushalt ein großes Kompliment ma-
chen. Es ist ein gelungener Entwurf. Ich werde gleich auf
ein paar Kritikpunkte zu sprechen kommen. Sie gehören,
finde ich, dazu; aber man kann sie gemäßigt und in Ruhe
ansprechen.

Eine Gruppe von uns ist in Argentinien und Chile un-
terwegs gewesen; auch Herr Lenkert und Herr Gehring
waren dabei. Ich glaube, die Komplimente, die wir vom
Ausland im Hinblick auf die deutsche Forschung bekom-
men haben, waren so gewaltig, dass wir ganz glücklich
sein können, wie wir da aufgestellt sind. So sollten wir
dieses Thema auch behandeln.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn ich noch eine Bemerkung loswerden darf: Herr
Rupprecht, das ständige Länder-Bashing, vor allen Din-
gen mit dem Fokus auf Nordrhein-Westfalen, ist in einer
Debatte zum Bundeshaushalt nicht unbedingt dienlich.
Ich finde es schade, dass wir uns auf diese Ebene bege-
ben.


(Beifall bei der SPD)


Heute haben wir den Fokus vor allen Dingen auf die
Forschung gelegt; das ist auch gut so. Aber der Aus-
schuss heißt ja nicht „Ausschuss für Forschung“, sondern
„Ausschuss für Bildung und Forschung“. Ich möchte mit
Ihnen einen Ausflug in die Berufsbildung mit dem Fokus
auf Berufsschulen wagen.

Die Berufsschule ist mit 2,5 Millionen Schülern die
größte eigenständige Sek-II-Schulform, die wir haben.
Mich wundert immer wieder, dass wir sie so wenig im
Fokus haben. Berufsschulen haben einige Hundert bis
etliche Tausend Schüler. Die Schule, von der ich kom-
me, ein reines Technikum, hat 4 500 Schüler. Ohne die-
ses Technikum wäre meine Region wirtschaftlich nicht
denkbar.

Übrigens, Herr Rupprecht: Es gibt auch außerhalb
Bayerns erfolgreiche Regionen in Deutschland. Wir zum
Beispiel haben eine Jugendarbeitslosenquote von 3 Pro-
zent und eine Arbeitslosenquote von 3,6 Prozent; bei
uns herrscht damit Vollbeschäftigung. Wissen Sie, wo-
durch das möglich wurde? Wir haben eine Kooperation
zwischen SPD und CDU; seitdem funktioniert das. Ich
wäre also sehr vorsichtig, immer Bayern als Vorbild zu
bezeichnen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Albert Rupprecht [CDU/CSU]: In Bayern funktioniert das aber noch besser!)


Die Schulform Berufsschule umfasst Berufsfachschu-
le, Berufsvorbereitungsschule, Berufsschule, Fachober-
schule, Fachgymnasium, Technikerschule und einiges
mehr. Der große Vorteil einer Berufsschule ist, dass sie
ein sozialer Raum ist, der nicht abgegrenzt ist. Wir haben

viele Schulformen, in denen soziale Ausgrenzungen oder
Abgrenzungen stattfinden. Das ist in Berufsschulen nicht
der Fall. Sie ist ein Campus, auf dem sich alle Menschen
mit all ihren Betroffenheiten und allen Vorteilen treffen.
Die Berufsschule ist von Hause aus integrativ, interaktiv
und häufig übrigens auch inklusiv, und das tradierend.
Ich würde mich freuen, wenn wir der Berufsschule ein
bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken würden. Wir
können das allerdings nur dann richtig tun – bei allem
Respekt –, wenn wir das Kooperationsverbot abschaffen.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


– Ja, das ist schon einen Applaus wert.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Bei der Debatte um Bildung habe ich mit Verwunde-
rung festgestellt, dass Frau Wanka jetzt doch den Ansatz
zeigt, in die allgemeinbildenden Schulen Geld zu inves-
tieren. Das ist eine richtige Entscheidung. Der Finanzmi-
nister hat das unterstützt. Erstaunlich aber ist, dass dies
der Wirtschaftsminister dieses Landes in der Funktion
seines Amtes für einen zentralen Bereich der deutschen
Bildung einfordern muss. Ich glaube, dass man Frau
Wanka bei ihren Gedankengängen durchaus noch helfen
kann, ihren Fokus mehr auf die Berufsschulen zu legen,
weil wir sie als Bildungsstandard brauchen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die Berufsschule steht übrigens im Gegensatz zu den
anderen Schulformen, die wir haben, in direktem Kon-
text mit dem Bundesgesetzgeber. Die Berufsschule hängt
direkt am Berufsbildungsgesetz. Ich kann überhaupt
nicht verstehen, dass wir in einem zentralen Bereich, in
dem wir Gesetzeskompetenz haben, nicht dazu in der
Lage sind, dies dann vor Ort materiell und immateriell
zu unterlegen. Da machen wir Fehler, Kolleginnen und
Kollegen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


„Dual“ bedeutet immer „zwei“. Wir haben hier in allen
Diskussionen den Fokus auf den wirtschaftlichen Zweig
gelegt. Die materielle Leistung kommt vom Staat. Was
wäre eigentlich Berufsausbildung in Deutschland ohne
Berufsschulen? Das muss man sich einmal vergegenwär-
tigen. Es würde überhaupt nicht funktionieren. Deswe-
gen appelliere ich an dieser Stelle an den Staat bzw. an
den Bundesgesetzgeber und die Bundeshaushälter: Neh-
men Sie Ihre Aufgabe gegenüber den Berufsschulen in
Deutschland ernst! Wertschätzen Sie die Arbeit der Kol-
leginnen und Kollegen dort! Helfen Sie den Schulen in
den schwächeren Regionen mit materiellen Zuweisungen
des Bundes, damit diese sowohl im IT-Bereich als auch
bei der räumlichen Ausstattung klarkommen!

Lassen Sie mich zum Ende kommen. Stärken Sie Be-
rufsbildungsforschung! Fördern Sie die Qualitätsoffen-
sive für Berufsschullehrer! Verbessern Sie endlich die
technischen Ausstattungen! Fördern Sie Schulsozialar-
beit! Die Berufsschulen sind das Aushängeschild unseres
Berufsbildungswesens. Bringen Sie es durch Taten dazu,
dass das auch zur Kenntnis genommen wird!






(A) (C)



(B) (D)


Danke schön.


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820309300

Vielen Dank. – Jetzt hat der Kollege Oliver Kaczmarek,

SPD-Fraktion, die Gelegenheit, die Debatte zu diesem
Einzelplan abzuschließen.


(Beifall bei der SPD)



Oliver Kaczmarek (SPD):
Rede ID: ID1820309400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natür-

lich dokumentiert der Haushalt die großartigen Leistun-
gen der Großen Koalition in dieser Wahlperiode. Dazu
gibt es unterschiedliche Bewertungen. Ich möchte aber
darauf hinaus, dass er auch Entscheidungen für die Zu-
kunft aufzeigt. Dazu möchte ich wenige Beispiele nen-
nen.

Erstens. Natürlich ist die Lockerung des Kooperati-
onsverbots für die Wissenschaft ein Meilenstein in dieser
Wahlperiode gewesen. Wir sind jetzt in der Tat – Herr
Rupprecht hat es angesprochen – an der Stelle, wo wir
darüber nachdenken müssen, wie wir die entsprechende
Grundgesetzänderung ausgestalten. Dabei geht der Blick
in das Jahr 2020: Der Hochschulpakt sowie der Pakt für
Forschung und Innovation laufen aus. Da ist viel Geld
im Topf. Wir müssen Klarheit darüber schaffen, wie es
eigentlich weitergehen soll. Das ist eine politische Ent-
scheidung, eine Entscheidung, die nicht in den Ministeri-
en fällt, sondern die Parlamente treffen müssen.


(Beifall bei der SPD)


Die Vorstellung der SPD-Fraktion ist, dieses Geld
bzw. diese Instrumente in eine dauerhafte, vielleicht
leicht geänderte Finanzierungsarchitektur zu überführen;
denn die Botschaft muss sein: Dieses Geld ist Geld für
die Wissenschaft und muss Geld für die Wissenschaft
bleiben. Ich war bei Ihrer Ankündigung, Herr Rupprecht,
nicht mehr Quantität, sondern nur noch Qualität zu för-
dern, etwas verwundert; denn ich glaube, dass das Unsi-
cherheit an den Hochschulen schafft, die in den nächsten
Jahren mit genau diesen Einnahmen planen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Für die SPD-Fraktion ist klar: Wir wollen nicht nur Ex-
zellenz fördern. Wir haben die Exzellenzinitiative. Sie
ist wichtig; sie wird weiter gefördert und ist dauerhaft
gesichert. Aber es braucht doch einen Beitrag zur Brei-
tenförderung. Der Bund darf sich nicht aus seiner Ver-
antwortung für gleichwertige Lebensverhältnisse verab-
schieden.


(Beifall bei der SPD)


Zweitens. Ich habe mich, ehrlich gesagt, über die De-
batte bezüglich der Lockerung des Kooperationsverbotes
in der Bildung gewundert. Ich glaube, dass die Möglich-
keit, in Schulen zu investieren, ein großer Durchbruch
ist, und frage mich, warum alle anderen Fraktionen – au-
ßer der SPD-Fraktion – versuchen, das kleinzureden. Das
ist ein großer Durchbruch.


(Beifall bei der SPD)


Wir werden noch in dieser Wahlperiode darüber ent-
scheiden, das Grundgesetz zu ändern, weil alle Minis-
terpräsidenten und die Bundeskanzlerin das miteinander
besprochen und verabschiedet haben. Dann werden wir
die Möglichkeit haben, auch finanzschwache Kommu-
nen bei ihren Investitionen in Bildungsinfrastruktur zu
unterstützen. Damit verbunden sind 3,5 Milliarden Euro,
die wir zusätzlich für die Schulsanierung mobilisieren
wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Angesichts der Debatte, die ich hier gehört habe, frage
ich mich manchmal, ob dieses Geld eigentlich irgendwer
nicht haben will. Ich glaube, es ist gut angelegtes Geld.
Investitionen in Bildungsinfrastruktur bedeuten Investi-
tionen in Ganztagsschulen, in das Schaffen von Barri-
erefreiheit sowie in digitale Infrastruktur in den Schul-
räumen. Das sind Zukunftsinvestitionen. Das ist eine
weitreichende Entscheidung, und ich bin froh, dass der
Bund da zukünftig mithelfen darf.


(Beifall bei der SPD)


Dritter Punkt. Ich glaube, in dieser Wahlperiode ist
deutlich geworden – das wird auch im Haushalt doku-
mentiert –, Chancengleichheit ist wieder ein Schwer-
punkt der Bundesbildungspolitik. Das zeigt sich insbe-
sondere an der BAföG-Novelle, die in diesem Haushalt
ja erstmals ihre volle Wirkung entfaltet und ganz real
bei den Studierenden ankommt. Es war nötig, dass wir
das gemacht haben, weil die Vorgängerregierung beim
BAföG nicht – zumindest nicht substanziell – tätig ge-
worden ist.


(Dr. Stefan Kaufmann [CDU/CSU]: Weil die Länder nicht mitgemacht haben! Das wissen Sie doch hoffentlich!)


Wir müssen nun aber auch schauen, wie wir das in
die Zukunft transportiert bekommen. Das BAföG ist
das wichtigste Instrument zur Herstellung von Chancen-
gleichheit, das der Bund hat,


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


und wir müssen es jetzt noch besser darauf ausrichten,
veränderte Lebenslagen und veränderte Bildungsbiogra-
fien zu berücksichtigen. Es geht hier um die Berücksich-
tigung von vollzeitschulischen Ausbildungen und auch
Teilzeitstudien. Die Hochschulrektorenkonferenz hat
dazu eine Empfehlung ausgesprochen. Daneben geht es
auch um die Altersgrenzen.


(Beifall der Abg. Marianne Schieder [SPD])


All das soll deutlich machen: Das BAföG ist und
bleibt das wichtigste Instrument für Chancengleichheit.
Deswegen müssen wir es auch prioritär und zeitgemäß
weiterentwickeln. Das ist die Aufgabe für die nächste
Wahlperiode.


(Beifall bei der SPD – Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Die Präsidentin ist wegen der Redezeit schon ganz nervös! – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja noch ein paar Monate Zeit, das zu tun!)


Rainer Spiering






(A) (C)



(B) (D)


Ich würde gerne auch noch etwas zu den Fachhoch-
schulen sagen, weil ich mich über die Ankündigung der
Ministerin gefreut habe, sie zum Schwerpunkt der letzten
Etappe dieser Wahlperiode zu machen. Das werden wir
als SPD-Fraktion am nächsten Montag auf einem Kon-
gress diskutieren, zu dem ich Sie alle herzlich einlade.
Die Fachhochschulen sind ein Qualitätsmerkmal unseres
Wissenschaftssystems.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Am Ende ist folgende Botschaft wichtig – wenn ich
das noch eben sagen darf, Frau Präsidentin –: Ich glaube,
es nützt nichts, wenn wir uns einfach nur auf dem Erfolg,
den wir in dieser Wahlperiode erreicht haben, ausruhen
und ihn immer wieder betonen. Wir müssen uns auch den
Herausforderungen der Zukunft stellen. Vielleicht schaf-
fen wir das in der nächsten Debatte.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820309500

Vielen Dank. – Damit ist die Aussprache beendet.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 30 – Bundesministerium für Bildung und For-
schung – in der Ausschussfassung. Wer stimmt da-
für? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Einzelplan 30 ist mit den Stimmen der Koalitionsfrakti-
onen gegen die Stimmen der Opposition angenommen.

Ich brauche jetzt noch einmal Ihre Konzentration, weil
wir eine Reihe von Abstimmungen durchzuführen haben.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt IV sowie die Zu-
satzpunkte 1 a und 1 b auf:

IV. Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter
Meiwald, Nicole Maisch, Harald Ebner, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

zu den Entwürfen der Kommission für
zwei Rechtsakte zur Festlegung wissen-
schaftlicher Kriterien für die Bestimmung
endokrinschädigender Eigenschaften im
Zusammenhang mit Pflanzenschutzmit-

(C 2016)


hier: Stellungnahme gegenüber der Bun-
desregierung gemäß Artikel 23 Ab-
satz 3 des Grundgesetzes

Schutz vor Hormongiften verbessern – Die
Kriterien für endokrine Disruptoren müs-
sen dem Vorsorgeprinzip entsprechen

Drucksache 18/10382
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit (f)

Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit

ZP 1 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der
CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs
eines Vierten Gesetzes zur Änderung des
Conterganstiftungsgesetzes

Drucksache 18/10378
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Sylvia Kotting-Uhl, Dr. Julia Verlinden,
Annalena Baerbock, weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Atomkosten verursachergerecht anlasten –
Kernbrennstoffsteuer beibehalten und
anheben

Drucksache 18/10034
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsi-
cherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Energie
Federführung strittig

Es handelt sich hierbei um Überweisungen im ver-
einfachten Verfahren ohne Debatte.

Wir kommen zunächst zu den unstrittigen Überwei-
sungen: Tagesordnungspunkt IV sowie Zusatzpunkt 1 a.
Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die
in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu über-
weisen. Die Vorlage auf Drucksache 18/10382 – Tages-
ordnungspunkt IV – soll federführend an den Ausschuss
für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich
sehe, das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so
beschlossen.

Wir kommen nun zu einer Überweisung, bei der die
Federführung strittig ist: Zusatzpunkt 1 b. Interfraktionell
wird Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 18/10034 mit dem Titel
„Atomkosten verursachergerecht anlasten – Kernbrenn-
stoffsteuer beibehalten und anheben“ an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die
Fraktionen der CDU/CSU und SPD wünschen Federfüh-
rung beim Finanzausschuss. Die Fraktion Bündnis 90/
Die Grünen wünscht Federführung beim Ausschuss für
Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.

Ich lasse nun zuerst über den Überweisungsvor-
schlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.
Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damit ist der Über-
weisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen und Ablehnung durch den Rest des
Hauses abgelehnt.

Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag der
Fraktionen CDU/CSU und SPD, Federführung beim
Finanzausschuss, abstimmen. Wer stimmt für diesen

Oliver Kaczmarek






(A) (C)



(B) (D)


Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Überweisungsvorschlag ist gegen die
Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte V a und b sowie d
bis j auf. Es handelt sich hierbei um die Beschlussfas-
sung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgese-
hen ist.

Tagesordnungspunkt V a:

– Zweite und dritte Beratung des von der Bun-
desregierung eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. Juni
1997 zur Neufassung des Internationalen
Übereinkommens vom 13. Dezember 1960
über Zusammenarbeit zur Sicherung der
Luftfahrt „EUROCONTROL“

Drucksache 18/9877

– Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom
8. Oktober 2002 über den Beitritt der Eu-
ropäischen Gemeinschaft zum Internatio-
nalen Übereinkommen vom 13. Dezember
1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung
der Luftfahrt „EUROCONTROL“ ent-
sprechend den verschiedenen vorgenom-
menen Änderungen in der Neufassung des
Protokolls vom 27. Juni 1997

Drucksache 18/9878

Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-
schusses für Verkehr und digitale Infrastruktur

(15. Ausschuss)


Drucksache 18/10314

Der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung
auf Drucksache 18/10314, den Gesetzentwurf der Bun-
desregierung auf Drucksache 18/9877 anzunehmen. Ich
bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung
mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die
Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die Linke angenom-
men.

Damit kommen wir zur

dritten Beratung

und zur Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die
dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich von den
Plätzen zu erheben. – Wer ist dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit dem
gleichen Stimmenverhältnis angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den von der
Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zu dem
Protokoll vom 8. Oktober 2002 über den Beitritt der Eu-
ropäischen Gemeinschaft zum Internationalen Überein-
kommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit
zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ ent-

sprechend den verschiedenen vorgenommenen Änderun-
gen in der Neufassung des Protokolls vom 27. Juni 1997.

Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf
Drucksache 18/10314 empfiehlt der Ausschuss für Ver-
kehr und digitale Infrastruktur, den Gesetzentwurf der
Bundesregierung auf Drucksache 18/9878 anzunehmen.

Zweite Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist mit den Stimmen der CDU/CSU, SPD und
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die
Linke angenommen.

Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt V b:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundes-
regierung eingebrachten Entwurfs eines Geset-
zes zur Beteiligung des Bundes an den Kosten
der Integration und zur weiteren Entlastung
von Ländern und Kommunen

Drucksachen 18/9980, 18/10264, 18/10307
Nr. 12

Beschlussempfehlung und Bericht des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss)


Drucksache 18/10397

Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen vor.

Bevor wir zu den weiteren Abstimmungen kommen,
erteile ich das Wort zu einer Erklärung gemäß § 31 der
Geschäftsordnung dem Kollegen Eckhardt Rehberg.


Eckhardt Rehberg (CDU):
Rede ID: ID1820309600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich möchte mein Abstimmungsverhalten zum Gesetz zur
Beteiligung des Bundes an den Kosten der Integration
und zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommu-
nen für meine Fraktion wie folgt erklären.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieses Paket um-
fasst gut 20 Milliarden Euro für die nächsten vier Jah-
re, die Integrationspauschale von dreimal 2 Milliarden
Euro. Das sind keine verbesserten Steuereinnahmen. Ich
erkläre für meine Fraktion, dass wir schon erwarten, dass
diese 2 Milliarden dort, wo es keine Spitzabrechnung bei
den Flüchtlingskosten zwischen Bund und Ländern gibt,
dazu dienen, die Kommunen vor Ort zu entlasten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn ich mir die Debatte in dieser Woche anhöre, ge-
winne ich den Eindruck, dass der Bund die Finanzver-
antwortung für die Kommunen trägt. Liebe Kolleginnen
und Kollegen, nach Artikel 28 des Grundgesetzes tragen
die Länder die Finanzverantwortung für die Kommunen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Inhalt ist die Spitzabrechnung: dieses Jahr – 2016 –
2,6 Milliarden Euro, für nächstes Jahr ein Abschlag von
1,2 Milliarden Euro und insgesamt die Übernahme der

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Kosten der Unterkunft für asylberechtigte Flüchtlinge
von 2,6 Milliarden Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe heute ein
Interview in der Ostsee-Zeitung gelesen, in dem der
Kämmerer von Oberhausen, Herr Apostolos Tsalastras,
SPD-Mitglied, zu Wort kommt. Er beklagt sich darüber,
dass der Bund – Stichwort: Flüchtlingskosten, Stichwort:
Grundsicherung im Alter, Stichwort: Unterhaltsvor-
schuss – keine Kosten der Kommunen trägt. Liebe Kol-
leginnen und Kollegen, wenn so argumentiert wird wie
von diesem Kämmerer, dann muss ich annehmen, dass
in Nordrhein-Westfalen die Gelder nicht durchgereicht
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU – René Röspel [SPD]: Ist das jetzt die Erklärung für was?)


– Entschuldigung. – Wisst Ihr, warum ich das sage und
warum ich das anführe?


(René Röspel [SPD]: Sollen wir auch darüber reden, wer den Osten finanziert?)


Wir reden über Folgendes: Wir reden unter anderem da-
rüber, dass in dieser Legislaturperiode, wie es Sigmar
Gabriel heute Morgen gesagt hat, 70 Milliarden Euro an
Entlastungen für Länder und Kommunen auf dem Tisch
liegen. Meine Berechnungen liegen bei 90 Milliarden
Euro. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer wie dieser
Kämmerer so tut, als ob der Bund die Kommunen im Re-
gen stehen ließe, der nährt Verdruss vor Ort. Diese Be-
hauptung entspricht auch nicht den Tatsachen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


In diesem Gesetz ist auch das 5-Milliarden-Euro-Pa-
ket für das Jahr 2018 zur Entlastung der Kommunen ent-
halten. Jetzt haben sich die Länder da 1 Milliarde Euro
abgezwackt. Thomas Oppermann hat gestern gesagt, er
habe den Kampf mit den Ländern aufgenommen. Es gibt
dabei nur ein Problem: Dieses Gesetz ist zustimmungs-
pflichtig. Ich habe den SPD-Kollegen gesagt: Wenn ihr
mir die Unterschriften der Ministerpräsidenten gebt, dass
die 1 Milliarde Euro wieder an die Kommunen zurück-
kommt, habe ich nichts dagegen. – Die Unterschriften
habe ich nicht bekommen.

Eine zweite Anmerkung zu diesem 5-Milliarden-Eu-
ro-Paket. Die Bundesarbeitsministerin sitzt hier im
Raum. Ich rate jedem, der leichtfertig in die Bundesauf-
tragsverwaltung gehen will, indem wir mehr als 50 Pro-
zent der Kosten für die Unterkunft übernehmen, sich mit
ihr darüber zu unterhalten, was das für Folgen hat.

Die Kosten für die Unterkunft belaufen sich aktuell
auf 1,24 Milliarden Euro, der Umsatzsteueranteil liegt
bei 2,76 Milliarden Euro. Auch mir wäre eine andere Ver-
teilung als über die Umsatzsteuer lieber. Aber ich muss
dann natürlich wissen, bevor ich eine solche Verteilung
vornehme: Muss ich dafür das Grundgesetz ändern?


(Waltraud Wolff [Wolmirstedt] [SPD]: Das ist doch keine Erklärung nach der Geschäftsordnung!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist keine triviale
Geschichte.


(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das ist ein Redebeitrag!)


Letzte Bemerkung. Wir werden das 3,5-Milliar-
den-Euro-Programm noch debattieren müssen. Wir ha-
ben die Kosten für die Grundsicherung im Alter komplett
übernommen. Von den 3,5 Milliarden Euro für das kom-
munale Investitionsprogramm sind bis zum heutigen Tag
nicht einmal 50 Millionen Euro abgeflossen. Die Lauf-
zeit ist um zwei Jahre verlängert. Die Laufzeit des Pro-
gramms für Investitionen in Kindergärten in Höhe von
780 Millionen Euro haben wir um ein Jahr verlängert,
obwohl auch da der Abfluss sehr mangelhaft war, usw.
usf. Die pauschale Entlastung der Kommunen in den Jah-
ren 2016, 2017 und 2018 beträgt 8,5 Milliarden Euro.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man anfängt,
darüber zu reden, der Bund tue hier nichts und der Bund
tue da nichts, dann kann ich Ihnen sagen: Mit den 7 Mil-
liarden Euro für die Grundsicherung im Alter und die
Kommunalentlastung hätte man Schwimmhallen, Schu-
len und Kindergärten sanieren können. Der Bund hat
noch nie so viel für Länder und Kommunen getan wie in
dieser Legislaturperiode.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820309700

Vielen Dank. – Jetzt hat die Kollegin Sevim Dağdelen

das Wort.


Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820309800

Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und

Kollegen! Auch ich möchte hier eine Erklärung zum Ab-
stimmungsverhalten meiner Fraktion zum Integrations-
kostenbeteiligungsgesetz abgeben. In der ersten Lesung
des Gesetzentwurfs sagte der Bundesfinanzminister, die
Bundesregierung habe vom ersten Moment an alles ge-
tan, um die Herausforderungen im Zusammenhang mit
den nach Deutschland gekommenen Flüchtlingen zu
meistern. Diese Aufgabe habe oberste Priorität für die
Bundesregierung, und sie werde entsprechend finanziert.
Herr Innenminister de Maizière sagte, dass dies bisher
gut gelungen sei.

Ich muss für meine Fraktion sagen: Die Bundesregie-
rung redet sich die Welt schön. Die Wahrheit ist nämlich:
Der Bund und auch ein Teil der Bundesländer haben sich
aus der Verantwortung gestohlen. Monatelang haben sie
über die Verteilung der Kosten gestritten und die Kom-
munen sich selbst überlassen. Die Kommunen haben sich
vielerorts nach Kräften um Lösungen bemüht und auch
bemühen müssen. Dass ihnen das halbwegs gelungen ist,
liegt gerade auch an den vielen ehrenamtlichen Helferin-
nen und Helfern vor Ort. Deshalb gebührt ihnen an dieser
Stelle unser großer Dank.


(Beifall bei der LINKEN)


Dass es nun eine Vereinbarung gibt, ist beileibe kein
Verdienst dieser Bundesregierung. Sie kommt, weil die

Eckhardt Rehberg






(A) (C)



(B) (D)


Kommunen und auch die Bundesländer Druck gemacht
haben. Doch was die Bundesregierung anbietet, ist der
Situation unseres Erachtens nicht angemessen. Zu Recht
nennt der Finanzminister des Landes Brandenburg,
Christian Görke, diesen Kompromiss lediglich eine Ar-
beitsgrundlage, welche noch ausgebaut werden muss.


(Beifall bei der LINKEN)


Jetzt schlagen die Bürgermeister in Nordrhein-West-
falen erneut Alarm. Mein Vorredner hat darauf hingewie-
sen. Die Städte an Rhein und Ruhr sind mit der Aufgabe,
Flüchtlinge erfolgreich zu integrieren, vollkommen über-
fordert. So sagt beispielsweise der Vorsitzende des Städ-
tetages Nordrhein-Westfalen, Pit Clausen – übrigens ein
SPD-Mitglied –: „Die besten Integrationspläne werden
Makulatur, wenn das Geld fehlt, sie zu verwirklichen.“


(Dagmar Ziegler [SPD]: Das ist grundsätzlich auch richtig!)


In Essen beispielsweise lebten Anfang 2015 rund
1 350 Syrer. Heute sind es mehr als 8 000. Der Oberbür-
germeister der Stadt Essen, Thomas Kufen von der CDU,
sagt: „Essen allein hat mehr Flüchtlinge aufgenommen
als ganz Polen.“ Es liegt auf der Hand: Essen kann das
so nicht schaffen.


(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieso das denn nicht? Das klappt besser, als Sie wissen! Kommen Sie mal vorbei! Machen Sie Essen nicht so schlecht! Meine Heimat! Unsinn!)


In einem Brandbrief warnen Kufen und die anderen Bür-
germeister in NRW, die Kommunen seien nicht in der
Lage, für die notwendigen Investitionen in Kinderbetreu-
ung, Schulen, für Sprachkurse und im Wohnungsbau auf-
zukommen. Die Integrationspauschale reicht nicht, und
sie kommt auch leider nicht immer vor Ort an.

So schafft man das nicht, meine Damen und Herren.
Deshalb glaube ich, dass der Bund sich auf Nachbesse-
rungsforderungen der Länder einstellen muss, je früher,
desto besser.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linksfraktion wird diese Forderungen auf jeden Fall
unterstützen. Wir fordern vom Bund, beispielsweise die
Hälfte der Integrationskosten pauschal zu übernehmen.
Das käme der Problematik, zu helfen, am nächsten.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte noch einen letzten Punkt erwähnen. Das
Problem bei der Integration ist nicht nur die Finanzie-
rung; ein Problem sind auch unsinnige Gesetze wie das
Integrationsgesetz, das am 1. August 2016 in Kraft ge-
treten ist; einige Neuregelungen treten am 1. Januar in
Kraft. So wollen Sie beispielsweise mit diesem Integra-
tionsgesetz eine neue Wohnsitzauflage für Flüchtlinge
umsetzen. Davon sind vor allem Menschen betroffen, die
vor längerem in ein anderes Bundesland gezogen sind,
wo sie Verwandte oder Freunde und ein soziales Netz-
werk haben, und deren Kinder inzwischen in Schulen
und Kindergärten gehen. Sie besuchen Integrationskurse
und haben einen eigenen Wohnraum gefunden. Jetzt wer-

den sie aber durch das von Ihnen verabschiedete Gesetz
gezwungen, in das Bundesland zurückzukehren, das ih-
nen für die Durchführung des Asylverfahrens zugewie-
sen worden ist. Viele Familien nehmen das Gesetz als
chaotisch wahr. Erste Städte in Nordrhein-Westfalen bei-
spielsweise rücken von diesem Gesetz ab. Dazu gehören
auch Städte, die von der SPD regiert werden. Mülheim
an der Ruhr zum Beispiel lehnt dieses Gesetz generell ab.
Gelsenkirchen will es nicht umsetzen, weil man meint,
das schaffe nur Chaos.

Also, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um
die Finanzierung. Hören Sie auch auf, unsinnige Gesetze
wie das Integrationsgesetz mit der Wohnsitzauflage zu
verabschieden! Denn das fördert die Integration in un-
serem Land nicht, sondern es erschwert die Integration.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820309900

Vielen Dank. – Weil einige Kollegen Zwischenfragen

stellen wollten: Es handelt sich hierbei um Erklärungen
nach § 31 unserer Geschäftsordnung. – Jetzt hat der Kol-
lege Bernhard Daldrup das Wort.


(Beifall bei der SPD)



Bernhard Daldrup (SPD):
Rede ID: ID1820310000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich will auch für meine Fraktion eine Erklärung abge-
ben. – Ich muss etwas ausholen, Herr Rehberg. Sie brau-
chen ja diese Feindbildnummer. Aber der Kämmerer von
Oberhausen, ein Sozialdemokrat, ist in der Frage der Be-
wältigung von Integrationsaufgaben genauso zuverlässig
wie der Oberbürgermeister von der CDU. Es hat gar kei-
nen Sinn, dass Sie diese Leute beschimpfen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Hat er gar nicht! – Anette Hübinger [CDU/ CSU]: Er hat das Dilemma dargestellt!)


– Ja, doch. Ich komme darauf zurück.

Wir beschließen zum heutigen Zeitpunkt im Bund
ein Gesetz – das ist das eigentlich Wichtige –, das die
Länder und Kommunen um round about 20 Milliarden
Euro entlastet. Dabei geht es um Punkte, die zum Teil
einen akuten Bedarf auslösen: dreimal 2 Milliarden Euro
zur Deckung der Integrationskosten, 2,6 Milliarden Euro
zur Deckung der Unterkunftskosten bei Flüchtlingen und
zusätzlich 1 Milliarde Euro für den Wohnungsbau. Das
alles sind gute und vernünftige Sachen. Vor allem treffen
wir eine Entscheidung – es ist wichtig, dass wir darüber
diskutieren und das noch einmal erklären –, die auf Dau-
er angelegt ist, nämlich die Entlastung der Kommunen
um 5 Milliarden Euro jährlich. Mit dieser Entscheidung
setzen wir ein wichtiges Vorhaben aus dem Koalitions-
vertrag um. Wir können also gemeinsam feststellen: Wir
halten Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sevim Dağdelen






(A) (C)



(B) (D)


Unser besonderes Augenmerk gilt dabei finanzschwa-
chen Kommunen wie Oberhausen. Anders als der Bund
können sie ihre Situation kaum eigenständig ändern. Sie
brauchen den Bund.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Was ist mit den Ländern?)


– Darauf komme ich zurück. – Die Hilfen des Bundes
könnten vielleicht etwas günstiger ausfallen, wenn wir
eine strukturell auskömmlichere Kommunalfinanzierung
hätten. Das hat nicht nur etwas mit den Ländern zu tun.
Wir leisten sehr oft programmorientierte Hilfen, durch
die die Kommunen teilweise von dem entlastet werden,
was wir ihnen zuvor als Belastung in den Rucksack ge-
packt haben.


(Beifall bei der SPD – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Genau das ist der Punkt!)


Das ist auch jetzt der Fall. Dann beschweren wir uns
über Umsetzungsdefizite. Man muss die gesamte Situa-
tion wahrnehmen. Bei dem Schritt hin zu einer besseren
strukturellen Finanzierung der Kommunen ist eine dau-
erhafte Unterstützung der Kommunen immens wichtig.
Mit anderen Worten: Wir machen seitens der Koalition
etwas Gutes, um die Investitionsmöglichkeiten und -fä-
higkeiten der Kommunen jedenfalls ein bisschen zu ver-
stärken.

Wir haben den Schlüssel kritisiert. Wir haben gesagt,
dass die Verteilung der 5 Milliarden Euro nicht zielgenau
erfolgt; ich habe schon in der Vergangenheit darauf hin-
gewiesen. In der Tat hätte es bessere Wege gegeben, un-
ter anderem eine anteilige oder vollständige Übernahme
der KdU, wie es im sogenannten Scholz/Schäuble-Papier
steht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Andere Vorschläge betrafen eine Bundesauftragsverwal-
tung oder eine Änderung des Grundgesetzes. Wir Sozial-
demokraten wären viele Wege mitgegangen und hätten
dementsprechend entschieden. Aber leider konnten wir
uns mit Ihnen, unserem Koalitionspartner, nicht verstän-
digen.

Gestern hat die Bundeskanzlerin gesagt, das Geld sol-
le besser nach Bedürftigkeit als mit der Gießkanne ver-
teilt werden. Sie hat recht. Aber warum entscheiden wir
es dann nicht anders?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Rehberg, Sie sagen: Bringt mir die Unterschriften!
Weil nicht alle Länder einverstanden sind, machen wir
das nicht. – Welches Selbstbewusstsein als Parlamentari-
er haben wir eigentlich?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Bundestag ist genauso ein Verfassungsorgan wie der
Bundesrat. Aber die Ministerpräsidentenkonferenz ist es
nicht. Ich bin fest davon überzeugt – Thomas Oppermann
hat recht –: Wenn wir heute eine andere Entscheidung

treffen würden, dann würde sie vom Bundesrat akzep-
tiert, weil sonst die Länder Finanzierungsprobleme be-
kämen.


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Große Klappe!)


Viele stellen sich hierhin und sagen – Herr Rehberg
ist ein Musterbeispiel dafür –: Die Länder haben kleb-
rige Finger. – Sie tun so, als ob die Länder keine Finan-
zierungsprobleme hätten. Wer so redet, muss aber auch
seine eigenen Entscheidungsspielräume nutzen. Es nutzt
nichts, nur den Mund zu spitzen. Man muss auch pfeifen,
Herr Rehberg, wenn es dazu eine Möglichkeit gibt. Diese
Möglichkeit hätte es gegeben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Dieses alte Länder-Bashing zu betreiben, hilft uns nicht
weiter.

Nordrhein-Westfalen hat längst beschlossen, die kom-
munale Finanzmasse um die anteiligen Mittel des Bundes
zu verstärken. Diese Mittel hat das schwarz-grüne Hes-
sen schon früher kassiert. Das macht das grün-schwar-
ze Baden-Württemberg zum gegenwärtigen Zeitpunkt
ebenfalls. Hier muss man etwas genauer hinschauen.
Vorsicht an der Bahnsteigkante!


(Beifall bei der SPD)


Wenn der Bundestag nur so entscheidet, wie die MPK es
vorgibt, dann können wir es lassen. Unser Maßstab war
Hilfe nach Bedürftigkeit und nicht das Wunschkonzert
der Länder.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Länder haben von den 5 Milliarden Euro 1 Milliarde
Euro für sich beansprucht und wollen sie den Kommunen
geben. Allerdings sage ich in Richtung der Länder: Wer
das Recht haben will, hat auch die Pflicht. Wir werden
nachprüfen, wo die Milliarde landet. Am besten machen
wir Sie, Herr Rehberg, zum Beauftragten dafür, und zwar
in Hessen, Baden-Württemberg und Mecklenburg-Vor-
pommern.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Und in Nordrhein-Westfalen!)


– Ja, auch in Nordrhein-Westfalen.

Apropos Pflichten. Nicht alle Länder geben die Inte-
grationspauschale vollumfänglich weiter. Bayern zum
Beispiel will die Mittel nicht an die Kommunen weiter-
geben. Ich kann auch andere Länder nennen.


(Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Weil die schon vorher 100 Prozent der Kosten übernommen haben!)


– Es gefällt Ihnen nicht, wenn Sie eine Antwort auf Ihr
klassisches NRW-Bashing bekommen. Aber dieses Ba-
shing lassen wir uns nicht bieten. Merken Sie sich das!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In allen Ländern leisten die Kommunen Integrations-
arbeit. Deshalb ist es richtig, zu fordern, dass die Kom-

Bernhard Daldrup






(A) (C)



(B) (D)


munen seitens der Länder an der Integrationspauschale
beteiligt werden.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820310100

Sie müssen bitte zum Schluss kommen, Kollege

Daldrup.


Bernhard Daldrup (SPD):
Rede ID: ID1820310200

Ja, sofort. – Ich will trotz aller kritischen Bemerkun-

gen feststellen, dass wir hier gemeinsam ein gutes Gesetz
auf den Weg bringen, das für eine wichtige und dauerhaf-
te Entlastung sorgt, auch wenn wir im Detail unterschied-
licher Auffassung sind.

Wir Sozialdemokraten wollen gleichwertige Lebens-
bedingungen durch mehr Chancengleichheit, durch mehr
Teilnahme und Teilhabe der Bevölkerung in allen Teilen
des Landes.


(Beifall bei der SPD)


Darauf hat auch Sigmar Gabriel heute hingewiesen. Des-
wegen werden wir diesem Gesetz selbstverständlich trotz
der Mängel zustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820310300

Vielen Dank. – Als Letzte hat jetzt die Kollegin Britta

Haßelmann, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Britta Haßelmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820310400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Da einige vorhin fragten: Warum jetzt mit
Aussprache? – Ich meine, dass die Aussprache in der Tat
bisher deutlich gemacht hat, warum es zwingend notwen-
dig ist, dass dazu zwei oder drei Sätze verloren werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich fand es ein bisschen schade, dass zuerst nur wir
darauf drängen mussten, dass das stattfindet; denn es ist
ein Gesetzentwurf in zweiter und dritter Lesung, der na-
türlich für die Länder, für die Kommunen und für uns
alle von ganz großer Bedeutung ist, da er zwei Elemente
beinhaltet: die Frage der Entlastung der Kommunen ins-
gesamt und die Frage der Leistungen des Bundes für die
Beteiligung an den Kosten der Integration. Es ist ganz
zentral, dass der Bund hier seine Verantwortung gegen-
über den Ländern und Kommunen übernimmt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will heute deutlich machen, warum ich trotz erheb-
licher Bedenken, was die Frage des Verteilungsschlüssels
angeht – die sind massiv, und die sind in diesem Gesetz-
entwurf, der jetzt vorliegt, nicht gut geregelt –, dennoch
meiner Fraktion die Zustimmung zu diesem Gesetzent-
wurf vorgeschlagen habe und wir deshalb heute auch
in zweiter und dritter Lesung zustimmen. Es ist einfach
überfällig. Schon im Jahr 2012 haben sich Bund und
Länder darauf verständigt, bei der Verabschiedung des
Fiskalpaktes zu sagen: Wir wollen alle gemeinsam dafür

sorgen, dass die Kommunen um 5 Milliarden Euro über –
so sagten wir damals noch – die Eingliederungshilfe ent-
lastet werden. Daraus wurde bis heute faktisch nichts.
Das muss man deutlich sagen. Diese Vereinbarung halten
Sie mit diesem Gesetzentwurf auch nicht ein.

Zum einen redet niemand mehr über die notwendige
Entlastung durch den Bund bei der Eingliederungshilfe,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


sondern wir reden nur noch über das Bundesteilhabege-
setz – ohne Finanzierungsfragen vonseiten des Bundes.
Zum anderen reden wir hier inzwischen nicht mehr über
5 Milliarden Euro für die kommunale Ebene, sondern
plötzlich nur noch über 4 Milliarden Euro. Das ist ein
Punkt, bei dem – das haben wir doch so vereinbart – die-
ses Parlament ein Wörtchen mitzureden hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da kann man doch nicht einfach sagen: Das haben die
Ministerpräsidentinnen und -präsidenten auf der MPK
mit der Kanzlerin nun einmal so verhandelt. – Klamm-
heimlich werden jetzt aus den 5 Milliarden Euro nur
noch 4 Milliarden Euro für die Kommunen. Das halte ich
für falsch, dafür gibt es keine sachliche Begründung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das war so vereinbart, und das halten wir an dieser Stelle
nicht ein.

Zweiter Punkt: Gestern in der Generaldebatte zum
Bundeshaushalt hat die Bundeskanzlerin selbst in Bezug
auf die kommunale Ebene noch gefragt, Herr Rehberg:
Wie können wir eigentlich punktgenau helfen? – Jeder
und jede von uns, der oder die hier sitzt und sich mit dem
Thema kommunale Entlastung und Weitergabe von Bun-
desmitteln an die Kommunen befasst, weiß ganz genau,
dass Ihr Verteilschlüssel keine punktgenaue Hilfe ist;


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


denn für die finanzschwachen Kommunen findet mit Ih-
rem Verteilschlüssel weniger Entlastung statt als für die
finanzstarken Kommunen. Wie wollen Sie den finanz-
schwachen Kommunen denn diesen Finanzschlüssel er-
klären?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben nach dem Verteilungsschlüssel, den Sie
hier vorschlagen, die Situation, dass Frankfurt am
Main – ich nenne nur ein paar Beispiele, wir könnten
auch viele andere Städte erwähnen – mit 127 Euro pro
Einwohnerin und Einwohner entlastet wird. Düsseldorf
wird mit 102 Euro pro Einwohnerin und Einwohner ent-
lastet, während zum Beispiel strukturschwache Städte
wie Gelsenkirchen oder Herne mit 75 oder 62 Euro ent-
lastet werden. Wo sind denn da punktgenaue Hilfen, Herr
Rehberg? Wo ist das denn?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Bernhard Daldrup LINKEN – Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)





(A) (C)


(B) (D)


– Doch, das stimmt; denn Sie legen ja viel mehr Wert
auf den Umsatzsteueranteil als auf den Kosten-der-Un-
terkunft-Anteil. Deshalb ist es genau so, wie ich sage.

Wir können das auf alle anderen Städte und Gemein-
den beziehen. Die Städte und Gemeinden, die es wirklich
nötig hätten, die strukturschwach sind, in denen Arbeits-
losigkeit herrscht, die besondere Strukturhärten und hohe
Kosten der Unterkunft haben, werden weniger entlastet
als diejenigen, die gewerbesteuer- und einkommensteu-
erstark sind. Das ist Fakt, und das ist ein Fehler in diesem
Gesetz und im Verteilschlüssel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Da nützen auch alle Appelle der Kanzlerin, dass wir kein
Gießkannenprinzip wollen, nichts; denn faktisch setzen
Sie das im Verteilschlüssel um.

Dennoch wird meine Fraktion heute zustimmen; denn
es geht um eine Entlastung der kommunalen Ebene.


(Beifall des Abg. Bernhard Daldrup [SPD])


Deshalb haben wir gesagt: Es ist wichtig, dass der Bund
seine Verantwortung übernimmt, sowohl bei den Kosten
der Integration als auch bei der Entlastung der Kom-
munen, auch wenn der Verteilschlüssel falsch ist und
es mich ärgert, dass wir als Parlament nicht so selbst-
bewusst waren, die Auseinandersetzung mit der Minis-
terpräsidentenkonferenz zu suchen. Die kommunalen
Spitzenverbände werden sich jetzt im Hinblick auf den
Verteilschlüssel an die Länder wenden müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820310500

Vielen Dank. – Damit kommen wir zur Abstimmung.

Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschluss-
empfehlung auf Drucksache 18/10397, den Gesetzent-
wurf der Bundesregierung auf Drucksache 18/9980 und
18/10264 in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte
diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfas-
sung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzent-
wurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von
CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthal-
tung der Fraktion Die Linke angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz-
entwurf ist in dritter Beratung mit dem gleichen Stim-
menverhältnis angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/10398. Wer stimmt dafür? – Die Grünen
und die Linken. Wer stimmt dagegen? – SPD und CDU/
CSU. Enthaltungen? – Damit ist der Entschließungsan-
trag abgelehnt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte V d bis j auf. Wir
kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitions-
ausschusses.

Tagesordnungspunkt V d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 375 zu Petitionen

Drucksache 18/10266

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Die Sammelübersicht 375 ist einstimmig an-
genommen.

Tagesordnungspunkt V e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 376 zu Petitionen

Drucksache 18/10267

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen – Wer ent-
hält sich? – Die Sammelübersicht 376 ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt V f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 377 zu Petitionen

Drucksache 18/10268

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 377 ist bei Enthaltung der
Fraktion Die Linke angenommen.

Tagesordnungspunkt V g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 378 zu Petitionen

Drucksache 18/10269

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 378 ist einstimmig ange-
nommen.

Tagesordnungspunkt V h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 379 zu Petitionen

Drucksache 18/10270

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Sammelübersicht 379 ist gegen die Stim-
men von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Tagesordnungspunkt V i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Britta Haßelmann






(A) (C)



(B) (D)


Sammelübersicht 380 zu Petitionen

Drucksache 18/10271

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 380 ist gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke angenommen.

Tagesordnungspunkt V j:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2. Ausschuss)


Sammelübersicht 381 zu Petitionen

Drucksache 18/10272

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Sammelübersicht 381 ist mit den Stimmen
der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppo-
sition angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt II auf:

Wahlvorschlag der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wahl der Mitglieder des Nationalen Begleit-
gremiums gemäß § 8 Absatz 3 des Standort-
auswahlgesetzes

Drucksache 18/10377

Hierzu liegen Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 18/10377 vor. Wer stimmt für diese Wahl-
vorschläge? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Die Wahlvorschläge sind einstimmig angenommen.

Wir können die Haushaltsberatungen fortsetzen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.15 auf:

Einzelplan 11
Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Drucksachen 18/9811, 18/9824

Berichterstatter zu diesem Einzelplan sind die Abge-
ordneten Ekin Deligöz, Axel E. Fischer, Ewald Schurer
und Dr. Gesine Lötzsch.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich sehe kei-
nen Widerspruch dazu. Dann ist das so beschlossen.

Ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen. – Ich er-
öffne die Aussprache. Das Wort hat Dr. Gesine Lötzsch,
Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820310600

Herzlichen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr ge-

ehrten Damen und Herren! Sie, Frau Ministerin Nahles,
haben gerade in den Medien davor gewarnt, unhaltbare
Rentenversprechungen zu machen, und Sie haben schon
einmal kräftig in Richtung Linke ausgeteilt.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Unglaublich!)


dpa zitiert Sie:

Das kann sich nur die Linkspartei leisten, die sich
einen feuchten Kehricht darum kümmert, was es
kostet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Voll daneben, die Ministerin!)


– Gut, dass Sie dazu klatschen. – Ich sage Ihnen, Frau
Nahles: Das ist eine grandiose Fehleinschätzung. Wir
Linke haben ein durchgerechnetes Rentenkonzept.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Außerdem müssen wir noch einmal betonen: Die Grund-
lage für eine gute Rente sind gute Löhne.


(Beifall bei der LINKEN)


Sorgen wir endlich gemeinsam dafür, dass die Menschen
nicht mehr in prekäre Arbeitsverhältnisse gezwungen
werden.

Die Kanzlerin hat in den vergangenen Wahlkämpfen
den Ostdeutschen immer wieder gerechte Renten ver-
sprochen. Auch dieses Rentenversprechen ist gebrochen
worden, und das ist nicht hinnehmbar.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Jahr 2013 hat der Spitzenkandidat der SPD, Herr
Steinbrück – er ist damals gescheitert –, die Angleichung
der Ostrenten an das Westniveau versprochen. Es wäre
Ihre Aufgabe gewesen, Frau Nahles, dieses Versprechen
endlich umzusetzen.


(Beifall bei der LINKEN)


Schon über ein Vierteljahrhundert werden die Menschen
im Osten hingehalten. Ich kann Ihnen sagen, wie sie das
empfinden: Die Menschen empfinden das als permanen-
ten Wahlbetrug, und das sollte sich hier niemand leisten.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, wir brauchen ein solidari-
sches Netz, das vor Altersarmut schützt. Deshalb sagt die
Linke: Wir brauchen eine solidarische Mindestrente von
1 050 Euro im Monat. Das wäre der richtige Weg. Stim-
men Sie zu. Beschließen wir gemeinsam die solidarische
Mindestrente.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen zuerst das Rentenniveau stabilisieren und es
danach wieder auf lebensstandardsichernde 53 Prozent
anheben.


(Beifall bei der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer soll das bezahlen?)


– Zur Finanzierung will ich Ihnen noch Folgendes sagen:
Eine solidarische Rente gibt es nur, wenn wir endlich
auch den Reichtum in unserem Land anfassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Diese Erkenntnis hatten Sie, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, vor der Bundestagswahl 2013; aber danach haben
Sie sie nicht umgesetzt. Frau Nahles, für Ihre Vergess-
lichkeit können Sie die Linke nicht kritisieren.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Aufgaben, und lassen
Sie bitte unfaire Unterstellungen.


(Beifall bei der LINKEN)


Eigentlich hatten Sie angekündigt, noch vor Ende der
Haushaltsberatungen, Ihre Rentenvorschläge auf den
Tisch zu legen. Ich glaube, es ist Taktik, dass das ver-
schoben wurde; denn andernfalls hätten wir diese Vor-
schläge hier besser, konkreter und auf den Haushalt be-
zogen diskutieren können.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung be-
tont gern – das werden wir gleich wieder hören –, wie
viel Geld im Bereich Arbeit und Soziales ausgegeben
wird. Machen wir einmal ein Gedankenexperiment.
Schauen wir uns einmal den Haushalt Ihres Ministeriums
ohne den Rentenzuschuss an, und vergleichen wir dann
das, was übrig bleibt, mit dem Rüstungshaushalt.


(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/ CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


– Man muss ja im Zusammenhang denken. Das ist unsere
Aufgabe als Politikerinnen und Politiker: sich nicht nur
mit Einzelfragen zu beschäftigen.


(Beifall bei der LINKEN – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Ohne Freiheit keine Rente!)


Der Etat des Verteidigungsministeriums umfasst
37 Milliarden Euro. Das ist wirklich ein Ausgabenre-
kord. Damit ist es der zweitgrößte Haushalt aller Mi-
nisterien. Wenn wir, wie gesagt, den Rentenzuschuss
he rausrechnen, ist im Haushalt von Arbeit und Soziales
nur noch wenig mehr drin. Der Höhepunkt war für mich
in der Schlussrunde, in der Bereinigungssitzung, dass im
Bereich Arbeit und Soziales noch einmal um 1 Milliarde
Euro gekürzt wurde, während bei Frau von der Leyen für
die Bundeswehr 1,5 Milliarden Euro draufgelegt wurden.
Das ist eine völlige Fehlgewichtung. Das ist die Höhe.
Das können wir nicht hinnehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


In einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung ha-
ben die Autoren festgestellt – ich zitiere mit Erlaubnis
der Präsidentin –:

Wir waren überrascht, dass trotz steigender Be-
schäftigung in Europa das Armutsrisiko, auch in
Deutschland, nicht geringer wird.

Meine Damen und Herren, wir alle müssen uns doch
ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, warum Ihre
Politik trotz Wachstums eben nicht das Armutsrisiko ver-
ringert. Das hängt doch mit prekären Arbeitsverhältnis-
sen zusammen, mit zu niedrigen Löhnen und damit, dass
die Menschen nicht planen können. Gerade junge Men-
schen stolpern von einem Minijob oder Praktikum in das

andere. Damit muss endlich Schluss sein. Die Menschen
müssen ihr Leben wieder planen können.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das ist doch Unfug, was Sie da erzählen!)


Abschließend: Wir haben im Rahmen der Haushalts-
debatte auch über die Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes ge-
sprochen. Völlig klar ist: Dieser Satz ist zu niedrig.


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Das wussten Sie doch schon vorher! Darüber brauchen wir doch gar nicht zu diskutieren!)


Die Linke fordert in einem ersten Schritt, den Betrag auf
560 Euro anzuheben.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Zweite, was uns ungeheuer wichtig ist: Es muss
endlich Schluss mit den Sanktionen für Arbeitslose sein.
Die Sanktionen, die immer noch ausgeübt werden, wi-
dersprechen unserem Menschenbild.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Hartz IV ist das Mindestniveau. Wer vom Mindestniveau
noch etwas heruntersanktioniert, der handelt gegen das
Grundgesetz. Darum sind wir der Auffassung: Die Sank-
tionen verstoßen gegen das Grundgesetz. Hier müssen
wir endlich wieder grundgesetzkonform handeln.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU: Sie können ja eine Verfassungsklage anstrengen! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE], zum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Da können die Grünen ja auch klatschen! Nach ihrem Parteitag! – Gegenruf des Abg. Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Grundgesetzwidrig“ ist so eine Sache!)


Sie erinnern sich vielleicht, Kolleginnen und Kollegen
von der SPD, dass der damalige Minister Müntefering im
Januar 2010 während Ihrer Fraktionssitzung gesagt hat:
Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. – Die Aufregung
in Ihrer Fraktion war damals groß.


(Zuruf von der SPD: Das ist doch Diffamierung!)


Diese Aufregung sollte nicht nur verbal sein. Setzen Sie
es endlich um! Machen Sie Schluss mit der Sanktions-
praxis!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820310700

Vielen Dank. – Für die Bundesregierung hat jetzt Bun-

desministerin Andrea Nahles das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Dr. Gesine Lötzsch






(A) (C)



(B) (D)


Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und So-
ziales:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
puncto Arbeitsmarkt stehen wir in Deutschland hervorra-
gend da. Die Beschäftigung ist auf Rekordniveau. Nie in
den letzten 25 Jahren war die Arbeitslosigkeit so niedrig.
Die soziale Sicherung ist für dieses und auch das nächste
Jahrzehnt fest und verlässlich aufgestellt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf von der LINKEN)


– Ich muss sagen: Dass Sie schon das Ansehen der Wahr-
heit aufregt, sollte Ihnen zu denken geben. Sie haben of-
fensichtlich ein schräges Bild von unserem Land.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Denn ich habe hier nichts als die Wahrheit gesagt. Das
heißt ja nicht, dass wir nichts zu tun hätten. Wir ruhen
uns darauf nicht aus; das ist nicht unser Selbstverständ-
nis. Wir gehen die Zukunftsaufgaben an, damit wir auch
weiter in Wohlstand und sozialem Frieden leben, damit
in Zukunft alle – ich betone: alle, auch die, die jetzt noch
nicht die Chance dazu haben – am Arbeitsmarkt teilha-
ben können. Das ist das Herzstück des Haushalts, den wir
heute vorlegen, sein Charakter. Mit rund 138 Milliarden
Euro setzen wir einen erheblichen Teil des Gesamthaus-
halts dafür ein, das Leben der Menschen zu verbessern.

Es ist geradezu ein Witz, wenn Sie, Frau Lötzsch, ein-
fach mal den Rentenzuschuss herausrechnen. Sollen wir
den jetzt ein Jahr lang nicht auszahlen, oder was meinen
Sie?


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist doch ein ganz wesentlicher Punkt des Haushalts,
der die soziale Sicherheit in diesem Land gewährleistet.
Deswegen ist es gut, dass wir so viel Geld in die Hand
nehmen. Das sorgt gerade bei den Kernversprechen des
Sozialstaates, nämlich bei der Rente und bei der Integra-
tion derjenigen, die zurzeit noch nicht die volle Teilhabe
genießen können, für Verlässlichkeit.

Es ist uns gelungen, gerade die Mittel, die wir für das
Programm „Soziale Teilhabe“ ausgeben, das gezielt für
die besonders Benachteiligten am deutschen Arbeits-
markt eingesetzt wird, noch einmal massiv aufzustocken.
Darüber freue ich mich ganz persönlich. Das wird vielen
Menschen eine echte Chance geben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Mehr und bessere Arbeit, das ist unser Ziel. Die Di-
gitalisierung bietet uns auch Chancen dazu. Das ist für
mich die eigentliche Zukunftsaufgabe, auch im Hinblick
auf die Rente. Da, wo die Wirtschaft Arbeit schafft, wo
die guten Löhne entstehen müssen, damit wir am Ende
auch gute Renten auszahlen können, spielt jetzt eine
Menge Musik, die wir in Dur begleiten müssen und nicht
in Moll.

Ich sage Ihnen ganz klar: Das Weißbuch „Arbei-
ten 4.0“, das ich in der nächsten Woche vorlegen werde,
nach einem langen Dialogprozess, der mit dem Grün-
buch begonnen hat, in dem wir viele Fragen gestellt ha-
ben, wird vielleicht wegweisende Antworten darauf ge-

ben. Eine der wegweisenden Antworten ist, massiv in die
Qualifizierung und die Weiterbildung der Menschen in
diesem Land zu investieren.

Es ist gut, dass es uns gelungen ist, Frau Wanka und
mir, durch die Bildungsketten genau an dieser Stelle,
auch in den Schulen schon für eine ordentliche Berufs-
orientierung zu sorgen. Darauf müssen wir weiter auf-
bauen. Wir brauchen eine umfassende Weiterbildungs-
strategie für dieses Land, um den Transformationsprozess
„Arbeiten 4.0“ erfolgreich zu gestalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das zweite große Thema, das sich in diesem Dialog-
prozess zu „Arbeiten 4.0“ herauskristallisiert hat, ist die
Arbeitszeit. Wie kommen wir da eigentlich zu Arrange-
ments, die einerseits die Flexibilisierungsbedürfnisse in
den Unternehmen, die vorhanden sind, die in der globali-
sierten arbeitsteiligen Welt auch erwartbar sind, mit mehr
selbstbestimmter Zeit für die Beschäftigten andererseits
verbinden? Die Beschäftigten haben nämlich auch andere
Arbeitszeitwünsche als in der Vergangenheit. Das erken-
nen wir insbesondere, wenn wir uns angucken, wie die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Familien im
Alltag gemanagt wird. Deswegen – das will ich an dieser
Stelle klar sagen – brauchen wir mehr selbstbestimmte
Zeit, brauchen wir auch das Gesetz zur Rückkehr aus
Teilzeit in Vollzeit; das werde ich hier in Kürze vorlegen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU])


Wir wollen gemeinsam gesellschaftliche Anstrengun-
gen für mehr Weiterbildung unternehmen; das ist gar kei-
ne Frage. Übrigens: Da machen wir schon vieles. Man
wundert sich manchmal, dass es kaum Beachtung findet.
Das AWStG – so hieß das Gesetz in schönster Abkür-
zung – haben wir hier mal eben so durchgeschoben. Es
gibt jetzt eine Weiterbildungsprämie. Da haben wir eine
sehr wichtige Sache miteinander verabredet, nämlich
dass die Bundesagentur jetzt auch fördern kann, wenn
die berufliche Weiterbildung außerhalb der Arbeitszeit
erfolgt. Das war für den Mittelstand eine ganz wichtige
Verabredung. Sie sehen also: Wir kündigen nicht nur für
die Zukunft an; wir haben hier auch schon einiges be-
schlossen. Darüber freue ich mich.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Hinzu kommt: Was die Zukunft der Arbeit angeht, ha-
ben wir wahrscheinlich mit mehr Formen selbstständiger
Arbeit zu tun, mit neuen Formen, die durch die Plattfor-
misierung der Ökonomie entstehen, die die Konsumenten
nutzen; darüber kann man klagen, wie man will. Airbnb
ist auch in Deutschland eine Erfolgsgeschichte, Helpling
und andere ebenso. Damit müssen wir uns auseinander-
setzen. Ob wir das alles gut oder schlecht finden, ist erst
die zweite Frage.

Es wird genutzt. Das bedeutet: Viele Arbeitnehmer
müssen in dieser Form ihr Einkommen erzielen. Da gibt
es Schutzlücken; das sage ich ganz klar. Wir brauchen
deswegen für Selbstständige Zugänge zu einer anständi-
gen Altersversorgung. Das werden wir auch vorschlagen.
Da gibt es für mich noch eine Menge zu tun. Ich wäre






(A) (C)



(B) (D)


froh, wenn wir an dieser Stelle in der Koalition noch ge-
meinsam etwas anpacken könnten.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Integration der Flüchtlinge wird in diesem Haus-
halt natürlich in zentraler Weise abgebildet. Wir haben
ganz klar darauf gesetzt, dass wir den Spracherwerb ver-
bessern und dass die Angebote, die Kapazitäten für die
Sprachkurse nach oben gefahren werden. Das ist eine
gemeinsame Anstrengung des BMI, das für die Integra-
tionskurse zuständig ist, und des BMAS, das für die be-
rufsbezogenen Sprachkurse zuständig ist. Das baut auf-
einander auf. Ich will sagen: Wir sind hier schon enorm
vorangekommen, aber wir sind noch nicht ganz am Ziel.
Wir bauen weiter Kapazitäten auf. Es lohnt sich.

Es gibt zum ersten Mal seit langem eine valide Unter-
suchung des IAB. Die hat uns Fachleuten Hoffnung ge-
macht. Die Untersuchung hatte zum Ergebnis, dass viele,
die zu uns gekommen sind, keinen formalen Abschluss,
wie wir ihn hier gewohnt sind, aber Berufserfahrung ha-
ben. Hier können wir aufsetzen. Das tun wir auch. Es gibt
zum Zweiten auch ganz viele junge Menschen, für die es
sich allemal lohnt, eine Tür aufzustoßen, um hier eine
ordentliche Ausbildung zu machen. Mit diesem Haushalt
stellen wir die nötigen Mittel zur Verfügung. Das ist eine
ganz wichtige Integrationsanstrengung, die in den nächs-
ten Jahren vor uns liegt.

Es sei gesagt: Gemeinsam können wir das schultern,
aber es ist nicht im Sprint zu schaffen. Deswegen werden
auch die Passivleistungen in diesem Haushalt angehoben
werden müssen; denn wir müssen die Leute unterstützen.
Aber es ist eine Erkenntnis, dass wir wissen: Wir schaf-
fen es, aber es dauert. Das ist ganz simpel. Das müssen
wir ehrlich sagen. Es ist eine Anstrengung, die vor uns
liegt. Aber ich mache mir, seitdem ich die Ergebnisse
vom IAB gehört habe, große Hoffnung, dass uns das er-
folgreich gelingen wird.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wenn ich „uns“ sage, dann lassen Sie mich sagen:
Damit ist nicht nur die politische Seite gemeint, sondern
damit sind auch die Unternehmen, die Handwerkskam-
mern, die Industrie- und Handelskammern, diejenigen,
die vor Ort ehrenamtliche Patenschaften übernommen
haben, und viele Sozialverbände, die sich kümmern, ge-
meint. Wir alle sehen, dass das nur gemeinsam zu schaf-
fen ist.

In der nächsten Woche beraten wir das BTHG. Das
ist ein großer Schritt hin zu mehr Teilhabe für Menschen
mit Behinderung. An dieser Stelle ist auch zu diskutie-
ren – hier müssen Sie sich keine Sorgen machen –, dass
wir die parlamentarischen Wünsche, die noch in Arbeit
sind, finanziell absichern müssen. Das ist ganz klar, das
werden wir auch tun.

Schließlich ist die Rentenpolitik ein großes Thema.
Morgen werde ich mein Gesamtkonzept vorstellen. Ich
möchte Ihnen an dieser Stelle nur sagen: Wir brauchen
aus meiner Sicht Verlässlichkeit. Wir müssen etwas ge-
gen Altersarmut tun. Wir müssen vor allem aber auch
Verlässlichkeit bei den Beiträgen schaffen. Das ist genau-
so wichtig. Wir müssen auch Verlässlichkeit beim Siche-

rungsniveau schaffen. Das ist für alle wichtig. Deshalb
spreche ich von einer doppelten Haltelinie und werde an
dieser Stelle ganz konkrete Vorschläge unterbreiten, die
wir dann selbstverständlich im parlamentarischen Raum
diskutieren werden.

Sie sehen also, diese Bundesregierung legt mit diesem
Haushalt gerade im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozi-
alpolitik eine wesentliche Grundlage für eine verlässli-
che Sozialpolitik, für eine gute Integration der Menschen
und vor allem für die Zukunft der Arbeit. Das ist für mich
der Dreh- und Angelpunkt, damit wir eine ausgesprochen
gute Arbeitsmarktlage, die wir jetzt haben, auch in Zu-
kunft ermöglichen können. Daran machen sich dann auch
verteilungspolitische Wünsche, die wir haben, fest. Das
eine hängt mit dem anderen zusammen. Deswegen bin
ich auch froh, anders als es bei vielen anderen Ländern
der Welt ist, in denen es einen Arbeits- und einen Sozial-
minister gibt, dass ich das bei all den Schwierigkeiten in
Kombination sein darf. Das passt und gehört zusammen.
Mit diesem Haushalt legen wir für die Zukunft einen gu-
ten Grundstein.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820310800

Vielen Dank. – Nächster Redner für Bündnis 90/Die

Grünen ist Markus Kurth.


Markus Kurth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820310900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin Nahles, ich habe ein gewisses Verständ-
nis dafür, dass Sie angesichts einer guten Beschäfti-
gungslage das betonen und ein Stück weit für sich ver-
einnahmen, obwohl man trefflich darüber streiten kann,
ob die gute Beschäftigungslage trotz oder wegen Ihrer
Politik da ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich finde es problematisch, wenn man einfach so tut,
als ob die Zahl der arbeitenden Armen nicht angestiegen
sei, was sie nämlich ist, als ob trotz der guten Beschäfti-
gungslage die Zahl der Langzeitarbeitslosen und die Zahl
von armen Kindern nicht auf einem erschreckend hohen
Niveau verbleiben. Wenn man das nicht sieht und es ein-
fach ausblendet, weil man sich an guten Zahlen berau-
schen möchte, dann trägt man leider einen Gutteil dazu
bei, dass viele Menschen in diesem Land der Auffassung
sind, die Politik nehme Probleme nicht wahr, und das
sollten wir vermeiden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Dann nimmt man auch Handlungsnotwendigkeiten und
auch Chancen nicht wahr. Das ist der Grund, warum wir
hier von einem Haushalt der verpassten Chancen spre-
chen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bundesministerin Andrea Nahles






(A) (C)



(B) (D)


Wann, wenn nicht jetzt, wäre zum Beispiel die Zeit,
um massiv gegen Langzeitarbeitslosigkeit vorzugehen?
Die Konjunktur ist gut, die Steuereinnahmen sind nicht
gerade schlecht, der Arbeitsmarkt einigermaßen aufnah-
mefähig. Warum wird nicht einmal im Rahmen eines
Modellprojekts der Versuch unternommen, das Arbeits-
losengeld in einen Arbeitskostenzuschuss umzuwandeln
und den sogenannten Passiv-Aktiv-Transfer für beson-
ders schwer vermittelbare Arbeitslose zu fördern? Wann,
wenn nicht jetzt, wäre die Zeit, um so etwas wenigstens
mal auszuprobieren –


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


in den Regionen, die besonders betroffen sind?

Meine Damen und Herren, das Ende der Wahlperiode
ist so langsam absehbar, und mit diesem Haushalt ist klar,
dass auch diese Legislaturperiode als eine der verpassten
Chancen in die Geschichte eingehen wird. Abgesehen
von einer Ausnahme, der Einführung des gesetzlichen
Mindestlohns, bleibt von der Großen Koalition der Jah-
re 2013 bis 2017 inhaltlich nichts,


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Mütterrente!)


was diese Zeit überdauern und die nächsten Jahre prägen
wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Dann haben Sie die Wahlperiode verpennt, Herr Kurth!)


Das Einzige, was diese Zeit – leider – überdauern wird,
sind die dicken Kostenverpflichtungen aus dem Renten-
paket, das die Koalition zu Anfang geschnürt hat: 10 Mil-
liarden Euro pro Jahr, die noch dem nächsten und über-
übernächsten Bundestag Kopfschmerzen bereiten werden.

Ansonsten bringen Sie von Union und SPD keine
Strukturentwicklung in sozialpolitischer Hinsicht wirk-
lich voran. Die Regierungsfraktionen haben leider in
etwa die Dynamik einer Herde satter Wasserbüffel: Brä-
sig stehen Sie im Brackwasser Ihrer unambitionierten
Vorhaben.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Katja Mast [SPD]: Ich hasse nasse Füße!)


Dabei wäre jetzt die Zeit der Chancen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Verpasste Chancen gibt es auch in der Rentenpolitik.
Jetzt wäre die Zeit, um ein wichtiges Sicherungsverspre-
chen der Rentenversicherung zu erneuern. Wir Grüne ha-
ben es vor zehn Tagen in einem Parteitagsbeschluss for-
muliert: Wer über Jahrzehnte gearbeitet, Kinder erzogen,
Eltern gepflegt hat, soll im Alter eine Rente erhalten, die
vor Armut schützt. – Wir nennen es Garantierente.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und wir sagen auch: Wer es in Jahrzehnten trotz kleiner
Verdienste und Erwerbsunterbrechungen geschafft hat,

privat etwas fürs Alter zurückzulegen, zum Beispiel über
einen Riester-Vertrag oder eine Betriebsrente mit Eigen-
beteiligung, soll diese Sparleistung im Alter auch behal-
ten dürfen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Und das geht mit unserem Modell der Garantierente, weil
diese keine nachrangige Sozialhilfeleistung darstellt,
sondern eine echte Rente, die durch Mitgliedschaft in der
Rentenversicherung entstanden ist. Das ist für uns eine
zentrale Frage der Gerechtigkeit.

Was macht diese Regierung? Nichts. Im Gegenteil:
Sie gibt sogar ein Vorhaben auf, das wenigstens dem An-
spruch nach die Zielsetzung gehabt hätte, den beschrie-
benen jahrzehntelang Arbeitenden, die dann trotzdem in
die Grundsicherung fallen, unter die Arme zu greifen:
Ihre solidarische Lebensleistungsrente.


(Kerstin Griese [SPD]: Das weißt du doch noch gar nicht!)


– Na ja, Sie von der Koalition haben sie immer hervor-
gezogen, um denen, die trotz eines langen Arbeitslebens
nur Grundsicherung erhalten, das künftige soziale Ru-
hekissen zu zeigen. Dabei wissen Sie selbst, dass die
Lebensleistungsrente unrealistisch hohe Zugangsvo-
raussetzungen hat, dass sie in Wirklichkeit den Charme
einer verschimmelten Matratze hat und nicht den eines
Ruhekissens.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Darum kann man ja auch froh sein, dass Sie sie jetzt ent-
sorgt haben.


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Gestern zu lange am Stammtisch gewesen, oder was?)


Ich glaube nicht, dass Sie in dieser Legislaturperiode
noch etwas Belastbares vorlegen – außer Versprechungen
für die nächste Legislaturperiode.

Leider muss ich jetzt zum Schluss kommen; meine
Redezeit steht in keinem Verhältnis zur Zahl der verpass-
ten Chancen dieser Koalition, über die ich noch reden
müsste.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir können nur hoffen, dass nach der nächsten Bundes-
tagswahl weniger träge Büffel hier sind und mehr Platz
für die schnelle grüne Gazelle bleibt.

Danke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820311000

Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion hat jetzt

Axel E. Fischer das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt kannst du ein paar Sachen klarstellen!)


Markus Kurth






(A) (C)



(B) (D)


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Kompliment! Kompliment an
die Bundesregierung für diesen Haushaltsentwurf für den
Bundeshaushalt 2017, der in guter Zusammenarbeit der
verschiedenen Ministerien, vor allem unter Führung des
Finanzministeriums, zusammengestellt wurde. Kompli-
ment aber auch an das Bundesministerium für Arbeit und
Soziales für eine gute Zusammenarbeit bei der Erstellung
des Entwurfs des Einzelplanes 11 zum Thema Arbeit und
Soziales. In der Haushaltsberatung hat sich für uns da gar
kein so großer Änderungsbedarf ergeben; denn wir konn-
ten schon im Vorfeld in einer guten Zusammenarbeit
mit den Arbeitsgruppen Arbeit und Soziales der CDU/
CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion die Dinge vorberei-
ten. Jetzt werden wir den vorliegenden Haushaltsentwurf
der Bundesregierung noch ein bisschen besser machen.

Der Entwurf, über den wir heute diskutieren, zeigt
deutlich die Früchte der von der Großen Koalition ein-
geleiteten Modernisierung am Arbeitsmarkt und im
Bereich sozialer Sicherung. Er ist zukunftsgerichtet, er
zeigt Wege zur besseren Teilhabe behinderter Menschen
sowie zur Bewältigung des durch die Flüchtlingsströme
einhergehenden Integrationsbedarfs auf. Zugleich ist er
ein weiterer Schritt zur Fortsetzung des Konsolidierungs-
pfades, den Finanzminister Schäuble nach überwundener
Wirtschafts- und Finanzkrise eingeleitet und vor allem
durchgehalten hat; und das war nicht einfach. Deshalb
richte ich meinen Glückwunsch auch an Bundesfinanz-
minister Dr. Wolfgang Schäuble.

Ein paar Zahlen müssen sein, das gehört einfach mit
dazu. Der Sollansatz für den Einzelplan 11 für das kom-
mende Jahr lag bei den Ausgaben bei 138,6 Milliarden
Euro. Wir sind in der Einzelplanberatung auf 137,6 Mil-
liarden Euro gekommen. Das sind 42 Prozent der gesam-
ten Ausgaben des Bundes im kommenden Jahr. Diese
Mittel, meine Damen und Herren, sollen für Hartz IV, für
die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit, für die Be-
teiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und
Verpflegung, für Zuschüsse zur Rentenversicherung, für
die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
sowie für die Förderung der Inklusion von Menschen mit
Behinderungen im kommenden Jahr ausgegeben werden.

Aus dem parlamentarischen Verfahren ergibt sich da-
mit gegenüber dem Regierungsentwurf eine Absenkung
um rund 1 Milliarde Euro. Das ist unser Beitrag für ei-
nen ausgeglichenen Bundeshaushalt, für eine verant-
wortungsvolle Ausgabenpolitik ohne Neuverschuldung,
mit der wir finanzielle Lasten heute ausgleichen und sie
eben nicht einseitig auf den jüngeren Bevölkerungsteil
und deren Nachkommen abwälzen. Dass dies möglich
geworden ist, liegt vor allem an zwei Faktoren: Einer-
seits brummt der Arbeitsmarkt – Kollege Mattfeldt hat
darauf bereits hingewiesen –, und andererseits verursa-
chen die Flüchtlinge deutlich weniger Kosten als bislang
angenommen.

Zum Arbeitsmarkt. Auch dank der guten Wirtschafts-
politik der vergangenen Jahre und natürlich – auch das
muss man offen ansprechen – des freundlichen Zinsum-
felds ist die Zahl der Erwerbstätigen auf das Rekordni-

veau von knapp 44 Millionen gestiegen. Allein in den
vergangenen drei Jahren stieg die Zahl der Erwerbstäti-
gen um weit über 1 Million Menschen, von 42,5 Milli-
onen im September 2013 auf nunmehr 43,7 Millionen.

Und der Ausblick auf die weitere Entwicklung am Ar-
beitsmarkt


(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Mehr prekäre Beschäftigung!)


ist weiterhin gut. Nach den aktuellen Erwartungen der
Bundesregierung aus der Herbstprojektion wird die Zahl
der Erwerbstätigen im Jahr 2017 bis auf 44 Millionen
Menschen ansteigen. Das ist doch etwas!

Die positive Entwicklung resultiert aber allein aus
dem Anstieg der Zahl der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten, die in den letzten Jahren um 1,6 Millionen
angewachsen ist. Dies kann nicht deutlich genug her-
vorgehoben werden; denn nur allzu oft höre ich – auch
hier im Hause, so vorhin schon mehrfach – ungerecht-
fertigte Klagen über vermeintliche Fehlentwicklungen
am Arbeitsmarkt. Diese sind aber derzeit überhaupt nicht
angebracht. Im Gegenteil: Spiegelbildlich zu den neuen
Beschäftigungsrekorden ist selbstverständlich auch die
Arbeitslosigkeit gesunken, wenn auch nicht im gleichen
Umfang. Im Oktober dieses Jahres jedoch lag die Zahl
der Arbeitslosen mit 2,5 Millionen auf dem niedrigsten
Stand seit der Wiedervereinigung. In den letzten drei
Jahren ist sie um 260 000 gesunken. Auch hier sind die
weiteren Aussichten derzeit rosig. Wir gehen von ei-
nem weiteren Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um
100 000 Personen im Jahr 2016 aus.

Meine Damen und Herren, angesichts dieser positi-
ven Entwicklungen konnten wir in unseren Haushaltsbe-
ratungen in den vergangenen Wochen deutlich weniger
Ausgaben für Arbeitslose veranschlagen, als noch im
Regierungsentwurf vorgesehen war. Im Gegenzug haben
wir die Mittel für das Bundesprogramm „Soziale Teil-
habe am Arbeitsmarkt“, das insbesondere auf die Inte-
gration arbeitsmarktferner Personen ausgerichtet ist, um
weitere 150 Millionen Euro auf 300 Millionen Euro im
nächsten Jahr verdoppelt. Damit haben wir ein Zeichen
für die Integration von Langzeitarbeitslosen gesetzt.
Auch wenn jemand lange arbeitslos war, gilt: Wer den
Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt finden will, dem
helfen wir dabei. Wir unterstützen ihn nach Kräften. Wol-
len muss er aber selbst.

Meine Damen und Herren, damit komme ich zum
zweiten Faktor, der uns die Einsparungen ermög-
licht hat: die seit der Schließung der Balkanroute im
März 2016 und dem EU-Türkei-Abkommen von Ende
März 2016 deutlich gebremste Flüchtlingszuwanderung.
Im Regierungsentwurf vom Frühjahr, als man noch von
400 000 Flüchtlingen im Jahr 2017 ausgegangen war, wa-
ren noch Flüchtlingsmehrbedarfe in Höhe von 1,2 Mil-
liarden Euro gegenüber dem alten Finanzplan für das
Gesamtbudget SGB II vorgesehen. Aufgrund der neuen
Annahmen zur Flüchtlingszuwanderung ist der Bedarf
natürlich nach unten angepasst worden. Nunmehr wer-
den 900 Millionen Euro zur Entlastung der Kommunen
und Länder zur Übernahme flüchtlingsbedingter Kosten
der Unterkunft bereitgestellt.






(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, der brummende Arbeits-
markt sowie die insgesamt positiven wirtschaftlichen
Eckdaten haben sich auch bei den Zuschüssen zur Ren-
tenversicherung bemerkbar gemacht. Trotz erheblicher
Rentenerhöhungen im Sommer konnten wir im Saldo die
Ausgaben hier um rund 150 Millionen Euro verringern.
Auch den Ansatz für die Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung konnten wir um gut 40 Millionen
Euro vermindern. Vorgesehen sind jetzt an Leistungen an
die Rentenversicherung gut 91 Milliarden Euro sowie gut
7 Milliarden Euro für die Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung. Zusammen sind das rund 30 Pro-
zent der vorgesehenen Ausgaben des Bundes oder, anders
formuliert: Fast jeden dritten Euro werden wir im kom-
menden Jahr für Rente und Grundsicherung ausgeben.
Das ist doch neben den enormen Beitragsleistungen der
Arbeitnehmer eine sehr beachtliche Leistung des aktiven
Bevölkerungsteils für das Wohlergehen der älteren Ge-
neration in unserem Land, die man durchaus würdigen
sollte.

Meine Damen und Herren, bei den Beratungen haben
wir auch über andere Einsparpotenziale gesprochen, zum
Beispiel bei der Datenverarbeitung. In Zukunft sollten
wir uns auch über neue Finanzierungsformen Gedanken
machen. Die klassische Form des Kaufes könnte mit
alternativen Preismodellen verglichen werden. Aus Un-
ternehmen gibt es Beispiele, die zeigen, dass eine Kos-
tensenkung im Bereich der IT-Bereitstellung durchaus
erreichbar sein könnte.

Darüber hinaus haben wir gemeinsam dafür gesorgt,
dass wir die Bundeswahlbeauftragte für die Sozialversi-
cherungswahlen stärken.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben strukturelle Änderungen vorgenommen, weil
wir glauben, dass dies eine wichtige Aufgabe ist, die
durchgeführt werden muss. Ich danke hier allen Bericht-
erstattern, weil wir das im Konsens über alle Fraktionen
hinweg gemacht haben.

Zum Abschluss möchte ich Ekin Deligöz Dank sagen,
die als Hauptberichterstatterin die Hauptarbeit bei der
Vorbereitung unserer Sitzungen getragen hat, meinem
Freund und Kollegen Ewald Schurer und auch Gesine
Lötzsch. Gemeinsam haben wir, glaube ich, gute und
faire Beratungen durchgeführt. Ich bin sicher, dass die-
ser Haushalt eine gute Richtung für das kommende Jahr
vorgibt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820311100

Vielen Dank. – Jetzt hat Ewald Schurer, SPD-Frakti-

on, die Gelegenheit, das Wort zu ergreifen. Bitte schön.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1820311200

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Der Einzelplan des Bundes-
ministeriums für Arbeit und Soziales wird heute vor dem
Hintergrund einer extrem guten Arbeitsmarktsituation
beraten.

Erster Punkt. Nachdem ich die ersten Beiträge von
Frau Dr. Lötzsch und Herrn Kurth gehört habe, würde
ich mich spontan bereitfinden, Sie beide nächste Woche
einzuladen – ich habe da noch ein bisschen Zeit –, um
den Haushalt gemeinsam mit Ihnen durchzugehen


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


und Ihnen die Erfolge, die wir erzielt haben, noch einmal
auf eine nette Art und Weise zu erklären. Ich glaube, das
würde uns allen helfen.


(Katja Mast [SPD]: Die hören ja gar nicht zu!)


– Das war ein nettes Angebot, das Sie annehmen sollten.
Ich zahle auch den Kaffee usw.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Vorsicht, die kommen sonst nur wegen des Kaffees!)


Zweiter Punkt. 2,5 Millionen Menschen in Deutsch-
land sind noch arbeitslos. Diese Zahl lag schon einmal
bei 5 Millionen und höher. Frau Ministerin, mit Recht
haben Sie betont, dass dies der Bestwert im letzten Vier-
teljahrhundert ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das sollte man sagen dürfen, und das muss man auch
betonen, weil es das Ergebnis einer Interaktion, einer
Zusammenarbeit ist: zwischen Bundesagentur für Arbeit,
Wirtschaft, Politik, Gesellschaft und allen anderen, die
daran beteiligt sind. Vor diesem Hintergrund können wir
einigermaßen zufrieden sein. Allerdings wissen wir, dass
es immer noch viele langzeitarbeitslose Menschen gibt
und wir im Hinblick auf die Aufgaben im Zusammen-
hang mit Flucht und Migration in den nächsten Mona-
ten und Jahren eine Menge Leistungen werden erbringen
müssen.

Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland hat mit
43,8 Millionen einen Höchstwert erreicht; auch das ist
einsame Spitze. Davon sind 31,5 Millionen Menschen
sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Am Arbeits-
markt, werte Kolleginnen und Kollegen, gibt es Schät-
zungen zufolge im Augenblick einen Bedarf an über
1 Million Facharbeitskräften. Alleine von der Agentur für
Arbeit werden etwa 750 000 Facharbeitskräfte gesucht,
aber es gibt noch weitere Nachfrage. 1 Million Menschen
werden in gewissen Segmenten der Wirtschaft derzeit
schon gesucht, um Facharbeitsplätze, die offen sind, zu
besetzen.

Eine ganz große Herausforderung ist natürlich die
Integration der geflüchteten Menschen. Die öffentliche
Diskussion darüber wird ja zum Teil sehr schrill und
sehr populistisch geführt. Ganz klar ist: Wir brauchen

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)







(A) (C)



(B) (D)


eine Beschleunigung der Asylverfahren. Ein bisschen hat
das in diesem Jahr mit dem BAMF schon geklappt – ich
sage das etwas hintergründig –, aber nicht so gut wie pro-
gnostiziert.

Wir müssen die Sprachförderung – Frau Ministerin,
Sie haben es gesagt: 410 Millionen Euro werden dafür
allein im Haushalt für 2017 zur Verfügung gestellt – in-
tensivieren. Ohne Sprache geht nichts. Die berufliche
Qualifizierung, die Arbeits- und Ausbildungsvermittlung
und natürlich auch die Bereitschaft der Firmen und Be-
triebe, also der Wirtschaft draußen, sind entscheidend da-
für, dass wir diese Aufgabe wirklich bewältigen können.

Die Herausforderung ist groß. Wir haben deshalb den
Ansatz für 2017 im Hinblick auf die Unterbringung der
Flüchtlinge um 1,4 Milliarden Euro auf 6,5 Milliarden
Euro erhöht, um für eine Entlastung der Länder und Kom-
munen zu sorgen und sie bei der Erfüllung dieser wich-
tigen Aufgabe zu unterstützen. Auch mit Blick auf die
Jobcenter und die flüchtlingsbedingten Mehrausgaben
und Mehraufwendungen haben wir eine Menge gemacht.
Künftig werden mit den bereitgestellten 300 Millionen
Euro zum Beispiel 90 zusätzliche Jobcenter bedient, um
den von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen zu helfen,
Integrationskurse anzubieten und Angebote zu machen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Freundinnen und Freunde – hier im Parlament
zähle ich ja fast alle dazu –,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


der soziale Zusammenhalt dieser Gesellschaft ist auch
der Grund, wieso wir Sozial- und Rentenpolitik machen.
Die rentenpolitische Debatte ist eine ganz wichtige. Die
Rente ist für die Menschen ein Indikator für soziale Ge-
rechtigkeit; das muss man sehen. In diesem Zusammen-
hang hat Frau Lötzsch eine wichtige Zahl vergessen: Was
den Rententitel betrifft, mussten die Zuführungen auf-
grund der guten Arbeitsmarktsituation gekürzt werden.
Das war also überhaupt nicht politisch induziert. Der Zu-
schuss des Bundes an die Rentenversicherung im Haus-
halt 2017 beträgt 91 Milliarden Euro; zusätzlich werden
7,1 Milliarden Euro für die Grundsicherung im Alter und
bei Erwerbsminderung zur Verfügung gestellt. Was die
mittelfristige Finanzplanung angeht, so wird prognosti-
ziert, dass dieser Zuschuss von rund 98 Milliarden Euro
auf circa 110 Milliarden Euro im Jahr 2020 steigen wird.

Zum realen Rentenniveau – die Zukunftsfrage der
Rente – wird die Frau Ministerin morgen der Öffentlich-
keit Bausteine aufzeigen. Ich bin gespannt. Ich kann mir
vorstellen, dass dabei Verbesserungen bei der Sicherung
gegen Altersarmut oder auch der letzten Haltelinie beim
Rentenniveau, indem sie sich an den Nettolöhnen der
Menschen in der Volkswirtschaft orientiert, eine Rolle
spielen werden.

Meine letzte Aussage, meine Damen und Herren, ist:
Rente ist eine Grundsatzfrage der Gesellschaft. Das The-
ma fällt in den Bereich „Arbeit und Soziales“. Es geht
aber auch um politische Grundsatzentscheidungen, die
die Bereiche Wirtschaft, Gesundheit und Pflege betreffen

und damit die Bundeskanzlerin und das gesamte Parla-
ment angehen. Will ich, dass die gesetzliche Rente künf-
tig gestärkt wird? Und verstehe ich endlich, dass Rente
nicht irgendwie vom Wesen her ein fremdes Staatssystem
ist, sondern darauf beruht, dass sich die Menschen ihre
Rentenanteile ein Leben lang erarbeiten, und zwar sehr
hart?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit Bundeszuschüssen kann ich gewisse soziale Fakto-
ren – eben eine Mütterrente; aber auch Maßnahmen im
Kampf gegen Armut – induzieren und die Rente somit
leistungsmäßig so verbessern, dass die Menschen im Al-
ter ein lebenswertes Dasein haben. Das geht nur mit einer
stabilisierten gesetzlichen Rente.

Deswegen spreche ich mich zum Schluss explizit da-
für aus, dass die Rentenformel in Zukunft so verändert
wird, dass sich die Produktivitätsgewinne der Volkswirt-
schaft in der Rente wiederfinden.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Oh! Sehr gut!)


Das ist meine persönliche Vision. Dies ist eine politische
Aufgabe für uns alle.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sehr guter Vorschlag! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Da unterstützen wir Sie!)


Ich bin für eine gesetzliche Rente, die den Menschen das
Leben ermöglicht.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820311300

Vielen Dank. – Jetzt hat die Kollegin Sabine

Zimmermann, Fraktion Die Linke, das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820311400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Wenn man Ihnen hier zuhört, denkt man, Sie le-
ben in einer anderen Welt. Ich als Gewerkschafterin er-
fahre täglich, dass die Wirklichkeit ganz vieler Menschen
völlig anders ist.

Frau Nahles, ich muss Ihnen hier einige andere Zahlen
nennen, die Sie immer gerne weglassen, weil sie nicht
in Ihr Bild hineinpassen: Jeder zehnte Beschäftigte in
Deutschland arbeitet zu einem Armutslohn. Jeder Sechs-
te über 65 Jahre ist von Armut bedroht.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, das sind die richtigen Zahlen! Nicht Ihre, Frau Ministerin!)


Jedes siebte Kind lebt von Hartz IV. In Ostdeutschland
ist es sogar jedes fünfte Kind. Mindestens 14,5 Millionen
Menschen haben seit Einführung von Hartz IV mindes-

Ewald Schurer






(A) (C)



(B) (D)


tens einmal diese Leistung bezogen. Viele dieser Men-
schen können sich ab Mitte des Monats kein warmes
Mittagessen mehr leisten. Sie haben Angst, am Ende des
Monats die Stromrechnung nicht bezahlen zu können.
Sie fühlen sich in ihrer Würde verletzt. Sie sind verletzt,
meine Damen und Herren. Und Sie? Sie tun überhaupt
nichts dagegen!


(Beifall bei der LINKEN – Ewald Schurer [SPD]: Ist doch Unsinn!)


Wenn Sie hier immer so schön davon reden und an-
preisen, dass es 43 Millionen Beschäftigungsverhältnis-
se gibt, kann ich Ihnen nur entgegnen: Erzählen Sie das
einmal meinem Kollegen Leiharbeiter in Zwickau – der
arbeitet nämlich bei einem Automobilzulieferer, weil wir
ein VW-Standort sind –, der drei Jobs hat. Er sagt immer
zu mir: Sabine, von den 43 Millionen Jobs gehören mir
allein drei. Das finde ich so ungerecht. Und da stellen
Sie sich hier hin und sagen, dass Sie es geschafft haben,
dass es 43 Millionen Beschäftigungsverhältnisse gibt.
Deutschland bedeutet bei uns, dass viele in einem Zweit-
job arbeiten müssen.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Jeder?)


Es gibt nämlich in Deutschland 2,6 Millionen Menschen,
die noch in einem Zweitjob arbeiten. Das ist ihre Reali-
tät! So sieht es nämlich aus.


(Beifall bei der LINKEN – Zurufe des Abg. Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU])


Fest steht: Deutschland ist wie nie zuvor in Arm und
Reich gespalten.

Die Tafeln, die Kleiderkammern, die Suppenküchen –
Herr Weiß, Sie können ja einmal dort hingehen und sich
anschauen, was dort für ein Andrang herrscht –, die ha-
ben Hochkonjunktur und haben sogar Probleme, den Be-
darf zu decken. Das ist die Realität!

Es ärgert mich hier an dieser Stelle, dass Sie die Armut
nicht sehen wollen. Sie können da nicht weggucken. Sie
können sich da auch nicht verstecken. Die Armut ist da
in Deutschland! Sie aber sehen zu, wie die Rentnerinnen
und Rentner mit 500 Euro nach Hause gehen und damit
ihren Lebensabend bestreiten müssen,


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Sie sind die schlechteste Anwältin dafür!)


wenn Kinder kein Geld haben, um am Klassenausflug
teilzunehmen, weil die Eltern das eben nicht finanzie-
ren können, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
trotz Vollzeitjob am Ende des Monats nicht mehr wissen,
wie sie über die Runden kommen sollen. Und Sie? Sie
sehen da einfach zu. Sie sehen zu, wie 1 Million Lang-
zeitarbeitslose schon seit vier Jahren oder länger in der
Erwerbslosigkeit gefangen sind.

Denken Sie allen Ernstes, dass das Einzelfälle sind?
Ich sage Ihnen, Sie irren sich ganz gewaltig. Das sind
keine Einzelfälle, es handelt sich hier um Millionen von
Menschen, die keine Perspektive mehr haben.


(Zurufe von der SPD)


Sie lassen diese Menschen einfach in der Statistik ver-
schwinden. Das ist das Resultat Ihrer Politik in den letz-
ten Jahren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dass sich diese Bundesregierung beharrlich weigert,
etwas gegen diesen Missstand zu tun, finde ich unerträg-
lich.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der linke Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten,
Professor Dr. Christoph Butterwegge, sagte,


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das wäre jetzt nicht notwendig!)


dass die Bundesregierung Reichtumsförderung statt Ar-
mutsbekämpfung betreibt; recht hat er. Er hat auch recht,
wenn er sagt:

Seit der „Agenda 2010“ und den sog. Hartz-Geset-
zen herrscht soziale Eiseskälte in Deutschland.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Die Sozialhilfeempfänger sind wieder in der Vermittlung! Das ist das Gute daran!)


Frau Ministerin Nahles, Sie sind mit dem Versprechen
angetreten, deutlich mehr für langzeiterwerbslose Men-
schen zu tun und sie eher und schneller in Arbeit zu brin-
gen. Was haben Sie erreicht? Nichts haben Sie erreicht.


(Dr. Carola Reimann [SPD]: Oh doch!)


Die Langzeiterwerbslosigkeit stagniert auf einem hohen
Niveau; es sind immer noch knapp 1 Million Menschen.

Wir brauchen endlich deutlich mehr Mittel für Unter-
stützungsleistungen. Wir brauchen eine Vermittlung auf
Augenhöhe, sodass die Erwerbslosen eben nicht als Bitt-
steller in die Jobcenter kommen,


(Beifall bei der LINKEN)


und wir brauchen einen Rechtsanspruch auf Weiterbil-
dung. Zudem fordern wir immer noch die Schaffung ei-
nes öffentlich geförderten Beschäftigungssektors; andere
sagen „sozialer Arbeitsmarkt“ dazu.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN)


Das entwürdigende Hartz-IV-System muss abgeschafft
werden. Wir brauchen eine sanktionsfreie Mindestsiche-
rung. All das fordert die Linke.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik muss den Menschen
wieder in den Mittelpunkt stellen. Warum haben die
Rechtspopulisten solchen Zulauf? Die Motive, rechtspo-
pulistisch zu wählen – ob nun in Deutschland, in ande-
ren EU-Ländern oder in den USA –, sind soziale Aus-
grenzung, Perspektivlosigkeit und Abstiegsängste. Diese
Bundesregierung hat nicht verstanden, was die meisten
Menschen in Deutschland bewegt. Sie haben wertvolle

Sabine Zimmermann (Zwickau)







(A) (C)



(B) (D)


Zeit verschenkt. Kein zentrales Problem haben Sie ge-
löst. Die Spaltung zwischen Arm und Reich wird immer
größer.


(Dagmar Ziegler [SPD]: Das Gegenteil ist schon bewiesen!)


Auch der Mindestlohn kam zu spät und ist viel zu
niedrig. 12 Euro ohne Ausnahmen: Das wäre hier der
richtige Schritt.


(Beifall bei der LINKEN)


Und: Schaffen Sie die Leiharbeit ab! Gute Arbeit,
unbefristete Beschäftigung und Löhne, von denen man
leben und seine Familie ernähren kann: Das fordert die
Linke. Nur so würde es gehen.

Stärken Sie die gesetzliche Rente! Sie muss armuts-
fest sein.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Rentenniveau muss wieder angehoben werden. Raus
mit den Kürzungsfaktoren! Weg mit der Rente ab 67!


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir brauchen eine solidarische Mindestrente von
1 050 Euro;


(Beifall bei der LINKEN)


denn ich finde, unsere Rentnerinnen und Rentner haben
es verdient, nach einem harten Arbeitsleben keine Zei-
tungen austragen oder in Müllcontainern wühlen zu müs-
sen, um die Flaschen dort einzusammeln.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine Riesenschande ist die zunehmende Kinderarmut.
Aber auch hier tun Sie nichts. Lediglich eine Kindergel-
derhöhung um 2 Euro pro Monat waren Ihnen die Kinder
wert.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist lächerlich wenig!)


Die Linke fordert Sofortmaßnahmen, um diesen unwür-
digen Zustand zu beenden.


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: 2 000 Euro?)


Ja, all das kostet Geld, aber dieses Geld ist im System.
Es muss nur ordentlich verteilt werden. Sie verteilen es
falsch. Wir brauchen unbedingt eine Vermögensteuer.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich komme zum Schluss. Nachdem die Kanzlerin nun
gesagt hat: „Ich mache weiter“, wissen wir, dass alles so
bleibt, wie es ist. Dazu sagen wir: Nein! Sozial geht an-
ders. Was wir brauchen, ist ein Politikwechsel, und der
geht nur mit der Linken.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Langweilig, langweilig!)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820311500

Danke. – Für die CDU/CSU-Fraktion spricht jetzt der

Kollege Karl Schiewerling.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1820311600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Zimmermann,
ich bin fast geneigt, auf Ihre Rede einzugehen,


(Dagmar Ziegler [SPD]: Bloß nicht!)


aber ich werde dem widerstehen. Ich habe nur gera-
de einmal nachgeguckt, wie viele Nebenjobs Frau
Dr. Wagenknecht hat. Ich glaube, wir müssen da doch
noch etwas an den Diäten tun. Es ist ja doch eine schwie-
rige Angelegenheit, wenn sie noch so viel nebenbei ver-
dienen muss.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Quote der Nebenjobs ist in Ihrer Fraktion die höchste! Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen!)


Meine Damen und Herren, die Arbeitsmarkt- und So-
zialpolitik der Union hat folgende Prinzipien der Christli-
chen Soziallehre zur Grundlage: die Personalität, wonach
die Würde des Menschen im Mittelpunkt stehen soll, die
Subsidiarität, wonach zunächst jeder das tun soll, was er
kann, um mit seiner Hände Arbeit den Lebensunterhalt
für sich und die Seinen zu verdienen, und die Solidarität,
wonach jeder, der dringend auf die Hilfe der Gemein-
schaft angewiesen ist, sie auch erhält. Es geht aus un-
serer Sicht um Teilhabe und Chancengerechtigkeit. Der
Haushalt, den die Bundesarbeitsministerin vorgelegt hat,
der Haushalt, den wir jetzt verabschieden, spiegelt dies in
zahlreichen Punkten sehr konkret wider.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, in der letzten Zeit hat das
Thema Alterssicherung hohe Wellen geschlagen und
schlägt sie immer noch. Die Bundesarbeitsministerin
wird ja morgen ihr Konzept vorstellen. Dann werden wir
sehen, wohin der Weg aus ihrer Sicht gehen kann.

Ich sage Ihnen: Die Grundlagen der Alterssicherung –
ob es die umlagefinanzierte Rente, die private Alters-
vorsorge oder die betriebliche Altersvorsorge ist, bei der
wir übrigens gerade dabei sind, viel zu unternehmen –
stehen unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung der
Wirtschaft, aber auch unter dem Gesichtspunkt der De-
mografie. Diesen Gesichtspunkten kann sich kein Alters-
rentensystem – egal wie man es organisiert – entziehen.
Deswegen ist es wichtig, dass wir eine gute wirtschaft-
liche Entwicklung haben, dass wir gute Arbeitsmarkt-
zahlen – solche, wie wir jetzt haben – vorlegen können,
dass wir gute Perspektiven eröffnen. Kollege Fischer hat
vorhin darauf hingewiesen: Das sind Perspektiven, unter

Sabine Zimmermann (Zwickau)







(A) (C)



(B) (D)


denen man Arbeitsmarkt und Sozialpolitik gut organisie-
ren kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Weil wir hohe Beschäftigung und hohe Einnahmen
und übrigens auch exzellente Tarifabschlüsse haben, ha-
ben wir auch entsprechende Einnahmen und Rücklagen
im Bereich der Rentenversicherung und damit ein relativ
gutes und stabiles System.

Die Diskussion um die Altersvorsorge, die Diskussi-
on darüber, wie denn die Menschen in Zukunft im Alter
werden leben können, wird im Augenblick in einem Stil
geführt, als sei die Rentenversicherung völlig durch den
Wind.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, nicht die Rentenversicherung! Die Rentenpolitik ist durch den Wind!)


Das ist unerträglich. Wir machen den Menschen Angst.
Das stimmt hinten und vorne nicht. Bis 2030 sind die
Dinge geregelt. Alle Zahlen sind besser, als sie prognos-
tiziert wurden,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Zahlen ja, aber die Renten nicht! Fragen Sie einmal die Menschen!)


und zwar sowohl die Rücklage als auch der Beitragssatz
als auch das Rentenniveau, das jetzt auf 48 bzw. perspek-
tivisch auf 48,1 Prozent ansteigt. Die Kolleginnen und
Kollegen von der Linken rechnen immer die heutige Si-
tuation hoch, als würde sich nichts tun, als gäbe es keine
Dynamik in dem System.


(Lachen bei Abgeordneten der LINKEN)


Und Sie stellen das Ganze nur deshalb immer so grausig
dar, damit es in Ihr unerträgliches Weltbild passt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist unter Ihrem Niveau! Sie kommen im Ausschuss nicht mit, wenn ich Ihnen etwas vorrechne! Das ist die Wahrheit!)


Meine Damen und Herren, wir haben innerhalb der
Rentenversicherung klare Grundlagen. Ich will sehr
deutlich sagen: Die umlagefinanzierte Rente ist kein In-
strument zur Bekämpfung der Altersarmut. Die umlage-
finanzierte Rente ist ein Versicherungssystem,


(Susanna Karawanskij [DIE LINKE]: Nein! Die Systeme funktionieren wirklich anders! – Gegenruf der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Hören Sie erst einmal zu, dann verstehen Sie vielleicht!)


in das man Beiträge einzahlt und aus dem man seine Ren-
te erhält. All das, was Menschen brauchen, um später von
ihren Alterseinkünften leben zu können, wird nicht in der
Rente grundgelegt. Es wird grundgelegt in der Erziehung,
es wird grundgelegt in der Bildung. Es wird grundgelegt
in einer guten Qualifizierung und damit verbunden guten

Arbeitsplätzen, die zu Einnahmen führen, von denen man
dann im Alter leben kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, wir haben zur Sicherung
der Rente im Rahmen der Diskussionen, die wir im Au-
genblick führen, natürlich viele Fragen zu lösen, und
zwar für die Zeit ab 2030 bis 2045 oder 2050, sofern man
die Dinge so weit vorausschauend betrachten kann. Was
aber in der gesamten Debatte nicht geht, ist eine Diskus-
sion unter der Hauptüberschrift „Auf keinen Fall!“, also:
Auf keinen Fall darf das Rentenniveau sinken! Auf kei-
nen Fall darf der Beitragssatz steigen!


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was aber sagt das denn? – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Armer Quacksalber!)


Auf keinen Fall darf der Zuschuss zur Rentenversiche-
rung steigen! Auf keinen Fall darf das Regeleintrittsalter
in die Rente steigen. – Mit einer solchen Herangehens-
weise bekommen wir das System der Deutschen Renten-
versicherung nicht in den Griff.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Klaus Ernst [DIE LINKE])


Deswegen rate ich dringend dazu, diese Frage orientiert
am Aspekt der Generationengerechtigkeit anzugehen,
ohne Schaum vor dem Mund, mit vernünftigen Annah-
men, damit es finanzierbar bleibt für alle: für die zukünf-
tige, die jüngere Generation, die den Beitrag erbringt, für
die ältere Generation, die davon leben können soll, für
alle an diesem System Beteiligten. Ich bin sicher, dass
wir dieses Problem ordentlich lösen können, und zwar
zusammen mit der Frage der betrieblichen und der priva-
ten Altersvorsorge.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Kerstin Griese [SPD])


Meine Damen und Herren, ich will einige Sätze zum
Zuschuss zur Rentenversicherung sagen. Wir geben in
der Tat circa 98 Milliarden Euro – so steht es im Haus-
halt – als Zuschuss für die Rentenkasse aus, davon ent-
fallen 7,2 Milliarden Euro auf die Kosten für die Grund-
sicherung im Alter. Diese ziehe ich einmal ab. Ein Blick
auf den Haushaltsplan für die Rente – daran liegt mir
sehr viel – zeigt die Zahl von 13,2 Milliarden Euro für
die Kindererziehungszeiten einschließlich des Entgelt-
punktes im Zusammenhang mit der Mütterrente. Diese
13,2 Milliarden Euro decken im Jahr 2017 die Ausgaben.
Die Behauptung, dass die Mütterrente und der zusätz-
liche Entgeltpunkt ausschließlich von Beitragszahlern,
also von den Arbeitgebern und den Versicherten, finan-
ziert würden, ist eine Mär. Auch dafür stellen wir Bun-
deszuschüsse bereit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Zuschüsse werden wir im Jahr 2018 – so ist es
vereinbart – um weitere 2 Milliarden Euro anheben. Das
haben wir festgelegt, und so wird es kommen.

Karl Schiewerling






(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, im Bereich der Arbeits-
marktpolitik stellt sich die Frage: Was werden wir tun,
damit die Menschen weiterhin gut in Beschäftigung blei-
ben? Ich darf darauf verweisen, dass wir im Rahmen der
Flexirente in der Tat Instrumente – Stichworte: Präventi-
on und Rehabilitation – verabschiedet haben, mit deren
Hilfe es den Menschen ermöglicht werden soll, in Be-
schäftigung zu bleiben. Hierbei wollen wir die Menschen
unterstützen.

Uns treibt natürlich die Frage um: Was machen wir
mit den Langzeitarbeitslosen, und was ist zu tun, damit
diese Menschen wieder in Arbeit kommen? Die Bun-
desarbeitsministerin hat vorhin völlig zu Recht auf die
Instrumente hingewiesen, die jetzt greifen. Eines dieser
Instrumente, mit denen wir den Menschen helfen, ist
die soziale Teilhabe. Die Frage, ob hier ein Aktiv-Pas-
siv-Tausch, wie wir so schön sagen, oder eher ein verfes-
tigter sozialer Arbeitsmarkt hilft, lässt sich vielleicht auf
dem Papier theoretisch beantworten. Aber die anderen
Fragen, die wir ebenfalls beantworten müssen, sind: Was
tun wir, damit Menschen den Weg in den ersten Arbeits-
markt finden? Wie halten wir die Situation so dynamisch,
dass die Menschen den Weg dahin finden?

Wir erleben, dass viele Menschen, die langzeitarbeits-
los sind, den Weg zurück in den Arbeitsmarkt finden.
Unsere Aufgabe besteht darin, gerade diejenigen, die
lange arbeitslos sind, mit Assistenz und Unterstützung
zu begleiten, damit sie diesen Weg tatsächlich gehen und
damit sie möglichst lange in Beschäftigung bleiben.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch der soziale Arbeitsmarkt!)


An diesem Punkt arbeiten wir. Die Instrumente wirken.
Ich hoffe sehr, dass das Ganze auf Dauer funktioniert und
entsprechende Früchte trägt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hoffen reicht nicht! Man muss schon was tun!)


Mit Blick auf die Gesamtentwicklung will ich auf
zwei Punkte hinweisen. Erster Punkt: In der Tat befinden
wir uns in der Debatte um die Arbeit 4.0. Es geht um die
Digitalisierung. Keiner kann richtig abschätzen, welche
Wirkungen sie de facto in welchen Bereichen hat. Nur
eins ist klar: Es wird nicht ohne Weiterbildung und Qua-
lifizierung gehen. Da tragen nicht nur der Staat, sondern
auch der Betrieb und der Tarifpartner Verantwortung. An
diesem Punkt müssen wir alle zusammenarbeiten. Des-
wegen glaube ich, dass wir diese Entwicklung nicht nur
gut begleiten, sondern auch deutliche Akzente setzen
sollten.

Der zweite Punkt, der mich umtreibt. Wir diskutieren
zurzeit intern das Bundesteilhabegesetz. Der Gesetzent-
wurf wird bald in zweiter und dritter Lesung vom Par-
lament behandelt werden. In diesem Zusammenhang
diskutieren wir die steigende Zahl von Menschen mit
Behinderung. Was mich umtreibt, ist die Frage der Zu-
nahme der Zahl der psychischen und seelischen Erkran-
kungen in unserer Gesellschaft. Ich sage Ihnen sehr deut-

lich: Das betrifft nicht nur Betriebe und die Arbeitswelt.
Das ist eine Frage der Entwicklung unserer Gesellschaft.

In dieser Situation will ich, weil wir uns immerhin kurz
vor dem ersten Advent und damit vor der Begehrlichkeit
befinden, möglichst jeden Sonntag alle Geschäfte lange
zu öffnen, auf Folgendes hinweisen: Ich halte es für un-
erträglich, wie wir in unserer Gesellschaft Leitplanken
niederreißen, die den Menschen Hilfe und Orientierung
geben. Ich habe, unabhängig von der Verfassungsfrage,
kein Verständnis dafür, die Sonntage nach Beliebigkeit
zur Disposition zu stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820311700

Herr Kollege.


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1820311800

Ich glaube, dass es sich lohnt, in dieser Frage gezielt

weiterzuarbeiten.

Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit und bin
sicher, dass wir im nächsten Jahr den erfolgreichen Kurs
der Bundesregierung mit diesen Koalitionsfraktionen
fortsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820311900

Das ist ein wichtiger Aspekt, Herr Kollege, den Sie

zum Schluss angesprochen haben. Trotzdem muss ich ein
bisschen auf die Zeit drängen.

Das Wort zu einer Kurzintervention hat Matthias W.
Birkwald gewünscht. – Herr Birkwald.


Matthias W. Birkwald (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820312000

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege

Schiewerling, Sie haben eben den Eindruck erweckt, die
Linke könne nicht rechnen und wir seien gegen Beitrags-
erhöhungen bei der Rentenversicherung.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Wir haben doch recht, dass ihr nicht rechnen könnt!)


Ministerin Nahles hat behauptet, die Linke schere sich
einen feuchten Kehricht darum, was Leistungsverbesse-
rungen in der Rente kosten, und der Finanzstaatssekretär
Spahn behauptet in der Presse die Unwahrheit, wenn es
um Kinderarmut und Altersarmut geht.

Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen jetzt
noch einmal vorzurechnen, wie man das Rentenniveau
auf lebensstandardsichernde 53 Prozent anheben kann
und wie man es hinbekommt, dass die Beschäftigten
dabei sogar weniger Geld ausgeben müssen. Das geht
so: Aktuell haben wir ein Rentenniveau von 48 Pro-
zent. Wenn man das jetzt auf 53 Prozent anhöbe, dann
müssten durchschnittlich verdienende Beschäftigte mit
3 022 Euro brutto 33 Euro mehr im Monat in die Ren-

Karl Schiewerling






(A) (C)



(B) (D)


tenkasse einzahlen, ihr Arbeitgeber ebenso, und dann
hätte eine Standardrentnerin oder ein Eckrentner heute
127 Euro mehr.

Dazu muss man aber wissen: Sie gehen mit Ihrem
unsäglichen Dreisäulenmodell davon aus, dass dieser
oder diese durchschnittlich verdienende Beschäftigte
120 Euro im Monat in die Riester-Rente steckt. Davon
muss man die steuerlichen Zulagen abziehen – ja, Herr
Spahn, ich denke daran –; dann bleiben 108 Euro übrig.
Diese 108 Euro braucht der durchschnittlich verdienen-
de Arbeitnehmer oder die durchschnittlich verdienende
Arbeitnehmerin dann nicht mehr auszugeben, muss dann
aber 33 Euro mehr in die gesetzliche Rente zahlen.

Das heißt auf Deutsch: Die Beschäftigten hätten
75 Euro mehr im Monat, die sie ausgeben können.


(Beifall bei der LINKEN)


Das wäre erstens ein gutes Konjunkturprogramm, und
zweitens hätten wir wieder eine lebensstandardsichernde
Rente.

Wenn ich die Zeit hätte, dann könnte ich Ihnen vor-
rechnen, dass das auch im Jahr 2029 funktioniert. Da
liegen die Zahlen nämlich bei 99 Euro für den Arbeitneh-
mer und 99 Euro für den Arbeitgeber, und man spart sich
164 Euro für die Riester-Rente.


(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/CSU)


– Kollege Stegemann, ich habe drei Minuten Redezeit. –
Das heißt, wir haben ein durchgerechnetes Rentenkon-
zept.

Herr Spahn vertritt hier nicht die Interessen der jungen
Menschen, sondern die seines Ministers, der Wirtschaft,
der Arbeitgeber und der Versicherungswirtschaft. Des-
wegen darf man ihm das nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben hier eine Möglichkeit, die gesetzliche Ren-
te zu retten. Tun Sie das, statt nur zu reden!

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820312100

Herr Schiewerling, wünschen Sie das Wort zur Erwi-

derung?


Karl Schiewerling (CDU):
Rede ID: ID1820312200

Nur einige Sätze dazu. – Erstens. Dass Sie rechnen

können, haben Sie gerade mit Zahlen belegt. Aber Sie
müssen dazusagen: Auch wenn die Menschen mehr in
der Tasche haben, muss das Geld irgendwo herkommen.
Das bezahlen in dem Fall die Arbeitgeber und andere;
das bezahlt letztlich der Steuerzahler.

Zweitens. Sie haben Ihr Modell durchgerechnet, ohne
die demografische Entwicklung zu berücksichtigen. Sie
gehen von der jetzigen Situation aus und rechnen, wie
Sie es immer tun, die jetzige Situation hoch. Das machen

Sie bei der Armutsdiskussion, bei der Rentendiskussion
und bei allem anderen.

Drittens. Ihre Aussage ist falsch: Die Altersarmut
liegt bei 3 Prozent; die Kinderarmut hochgerechnet bei
14 Prozent.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein! Wir haben nicht 3 Prozent Altersarmut!)


– Doch, das haben wir wohl, Herr Birkwald. Deswe-
gen sind Ihre Annahmen unter dem Gesichtspunkt auch
falsch.

Den Linken passt die Lebenswirklichkeit in Deutsch-
land mit dem Aufwuchs an Beschäftigung, der gut aus-
gestatteten Rentenkasse und der guten Entwicklung im
Rentensystem in der derzeitigen Situation vielleicht
nicht in die politische Argumentation, weil die Menschen
dann nicht so richtig dazu zu bewegen sind, dagegen an-
zugehen. Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass die
Annahmen, von denen Sie ausgehen, nur unter ganz be-
stimmten Kautelen zutreffen, während wir die Aufgabe
haben, für alle Menschen in Deutschland für eine gute
Grundlage zu sorgen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820312300

Als nächste Rednerin hat Ekin Deligöz das Wort.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820312400

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vielen Dank für das Vertrauen, das Sie mir als Haupt-
berichterstatterin entgegengebracht haben. Ich gebe den
Dank zurück an meine Mitberichterstatter.

138 Milliarden Euro standen zur Beratung an. Diese
hat viele Stunden gedauert und war sehr intensiv. Wie
ich gerade gehört habe, kann Herr Schurer davon nicht
genug bekommen und will noch eine Runde drehen.


(Ewald Schurer [SPD]: Mit Ihnen immer!)


So kann man das zwar machen. Aber ich denke, dass
wir bereits sehr verantwortungsvoll und intensiv beraten
haben. Im Verfahren hat es einige Änderungen gegeben.
Diese betreffen im Wesentlichen die Anpassungen an die
Herbstprognose und die Steuerschätzung. Damit komme
ich zu meiner politischen Beurteilung.

Leider hat sich an vielen Stellen, wo dringender Hand-
lungsbedarf besteht, wenig bewegt. Ich nenne als Bei-
spiele Langzeitarbeitslosigkeit, Jobcenterfinanzierung,
Altersarmut und angemessener Regelsatz. Das alles sind
Baustellen, die wir bereits vor vier Jahren hatten. Die
schwarz-rote Regierung ist, obwohl die Rahmenbedin-
gungen, Frau Ministerin, wirklich gut sind, keine der He-
rausforderungen angegangen, um etwas zu verbessern.
Sie haben die Chance vertan. Das werfen wir Ihnen vor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will einen Punkt aus dem Rentendisput heraus-
greifen und veranschaulichen. Wir diskutieren gerade da-
rüber, ob es Altersarmut gibt oder nicht. Natürlich gibt es
Altersarmut. Die einen verweisen darauf, dass die Alters-

Matthias W. Birkwald






(A) (C)



(B) (D)


armutsquote bei nur 3 Prozent liege. Andere behaupten,
die Zahl der in Altersarmut Lebenden sei deutlich höher.
Aber darum geht es nicht. Vielmehr geht es um den Fakt,
dass die Mittel für die Grundsicherung im Alter jährlich
um 8 Prozent ansteigen werden. Wir als Haushälter wis-
sen das, weil so viel Geld in der mittelfristigen Finanz-
planung vorgesehen ist. Das ist ein Hinweis darauf, dass
Menschen in diesem Land nicht nur dann in Altersarmut
leben, wenn sie kein kontinuierliches Erwerbsleben auf-
weisen können, sondern unter Umständen auch dann,
wenn sie regelmäßig gearbeitet haben. Arm trotz Arbeit,
das ist ein Problem. Deshalb schlagen wir eine Garantie-
rente vor. Wir müssen hier beherzter vorgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Ministerin, Sie kündigen für morgen wieder Er-
gebnisse weiterer Rentengespräche an. Die Lebensleis-
tungsrente, die hier einmal in Rede gestanden hat, wur-
de immer wieder ins Gespräch gebracht. Aber uns fehlt
inzwischen der Glaube, dass am Ende etwas mehr he-
rauskommt als nur eine kosmetische Veränderung. Wenn
Sie das wirklich gewollt hätten, wären Sie das viel früher
angegangen. Das haben Sie aber nicht getan. Entweder
können Sie sich nicht einigen, oder Sie sehen die Not-
wendigkeit nicht. Am Ende werden die von Altersar-
mut bedrohten Menschen verlieren. Die Altersarmut ist,
selbst wenn sie geringer vorkommt als die Kinder- und
Familienarmut, ein dringendes Thema. Wir müssen jetzt
die Chancen nutzen und zugunsten der Menschen um-
steuern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Kommen wir zum Arbeitsmarkt. Die Jobcenterfinan-
zierung bleibt ein Dauerthema, weil die entsprechenden
Mittel aus politischen Gründen gedeckelt sind. Sie passen
zwar die Mittel für die Flüchtlingsintegration an. Aber
darüber hinaus bleibt die Unterfinanzierung der Jobcenter
im Grundsatz bestehen. Was bedeutet das? Das bedeutet,
dass auch im nächsten Jahr knapp eine halbe Milliarde
Euro aus den Eingliederungsmitteln auf den Ansatz zur
Deckung der Verwaltungskosten übertragen wird. Das
braucht die Verwaltung, um die bestehenden Kosten auf-
zufangen. Nun sagen manche, diesen Verschiebebahnhof
gebe es nur, weil das Ganze personalintensiv sei. Nach-
dem wir aber Jahr für Jahr dieses Spielchen spielen, fehlt
langsam nicht nur mir, sondern auch vielen Experten und
Praktikern der Glaube, dass das stimmt.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Dauerskandal, ein Strukturskandal!)


Unterfinanzierung ist nun einmal Unterfinanzierung.
Diesen deutlichen Hinweis bekommen Sie inzwischen
nicht nur von uns. Auch der Bundesrechnungshof ver-
weist darauf, dass hier eine Unterfinanzierung vorliegt.
In seinem neuen Bericht, der am 17. November in der
Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde, steht, die
Vermittlung sei „noch deutlich verbesserungswürdig“,
und die Förderprogramme seien „oft nur zufällig erfolg-
reich“. Das bedeutet: Entweder machen die Jobcenter
ihre Arbeit schlampig, oder sie haben nicht die notwen-

digen Mittel, um die Arbeit so zu leisten und die Vermitt-
lung so voranzubringen, wie man es in unserer Gesell-
schaft tun müsste.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kommen wir zum sozialen Arbeitsmarkt. Herr
Schiewerling, mir hat einiges von dem, was Sie gesagt
haben, gut gefallen. Wenn Sie das ernst meinen: Warum
haben Sie kein einziges Modellprojekt im Bereich des
sozialen Arbeitsmarktes durchgeführt? Das wäre doch
eine Gelegenheit gewesen, um sich ehrlich zu machen.


(Kerstin Griese [SPD]: Soziale Teilhabe!)


– Ja, es geht um eine sinnvolle Teilhabe. – Es geht darum,
Menschen Möglichkeiten zu eröffnen, sodass sie nicht
mehr komplett abgehängt sind. Aber Sie haben nichts
getan. Ich wünsche mir, dass Sie sich den Rat des ge-
schätzten Vorstandsvorsitzenden der Bundesagentur für
Arbeit, Herrn Weise, zu Herzen nehmen. Er hat gesagt:
Da müssen wir dringend etwas tun; hier besteht Hand-
lungsbedarf. – Sie aber zeigen sich beratungsresistent –
Chance vertan!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine wirkliche, ehrliche Entbürokratisierung der
Grundsicherung haben Sie in der Koalition übrigens auch
nicht hinbekommen. Sie haben eine Scheinänderung ge-
macht, aber die Arbeit in den Jobcentern bleibt damit im-
mer noch bürokratisch und damit belastet. Auch hier gilt:
Chance vertan!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich will zum Schluss noch auf den Regelsatz einge-
hen. Die Regelbedarfsermittlung befindet sich jetzt in der
Beratung, und wir werden darüber noch intensiv reden.
Meine Fraktion hat den Antrag eingebracht, dass wir zu-
mindest die Referenzgruppe für die Bedarfsermittlung
von 15 auf 20 Prozent der unteren Einkommensgruppen
erweitern müssen. Das klingt jetzt tatsächlich etwas tech-
nisch, ist es aber gar nicht. Es geht darum: Wie berech-
nen wir ein realistisches Existenzminimum? Was heißt
eigentlich Existenzminimum in diesem Land?

Existenzminimum sollte immer auch mit fairer Teilha-
be zusammengehen. Was Sie machen, ist, den Regelsatz
kleinzurechnen. Wenn Sie alle einzelnen Posten bis zur
Unkenntlichkeit minimieren, dann werden die Zahlen am
Ende stimmen, aber die Menschen werden die Teilhabe-
chancen nicht erhalten. Genau darum muss es am Ende
gehen: dass wir in diesem Land auch Menschen in sozial
schwierigen Situationen die soziale Teilhabe ermögli-
chen. Das hat übrigens auch ganz viel mit Demokratiefä-
higkeit eines Landes zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir
haben in den ganzen Debatten dieser Tage sehr viel über
die auseinanderfallende Gesellschaft, über Armut und
Reichtum geredet. Wir haben über die soziale Spaltung
und darüber geredet, was die Ursprünge von Populismus
sind. Ich finde, dass Demokratie auch davon lebt, dass
wir in diesem Land sozialen Ausgleich ermöglichen. Da-
für müssen wir handeln. In diesem Haushalt wären viele

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


Baustellen gewesen, bei denen wir hätten handeln kön-
nen. Sie haben die Chance vertan. Den Preis dafür, dass
wir nichts ändern, werden wir alle gemeinsam zahlen.

Ich setze darauf, dass in der nächsten Wahlperiode
mehr gehandelt wird, und das ernsthaft.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820312500

Als nächste Rednerin hat Dr. Carola Reimann das

Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1820312600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Heute reden wir hier über den erfreulichsten
Haushalt dieser Legislaturperiode. Ich glaube, das ist
in vielen Redebeiträgen in dieser Haushaltswoche auch
schon deutlich geworden.

Ich möchte im Bereich Arbeit und Soziales ein be-
sonderes Projekt herausgreifen: Mit der Verabschiedung
des Bundeshaushaltes schaffen wir die Grundlage für die
Finanzierung einer der umfangreichsten Sozialrechtsre-
formen der letzten Jahrzehnte. Ich rede vom Bundesteil-
habegesetz. Es geht um einen neuen Blick auf Menschen
mit Behinderung – nicht auf das, was sie nicht können,
sondern auf das, was wir tun können, damit sie teilhaben
können.

Das Bundesteilhabegesetz wird neben der Reform der
Eingliederungshilfe auch die Leistungsseite der Betrof-
fenen einbeziehen. Die deutliche Verbesserung bei der
Einkommens- und Vermögensanrechnung wird durch die
Herausführung der Eingliederungshilfe aus dem Fürsor-
gesystem ermöglicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Damit entfällt zum Beispiel auch die Anrechnung von
Einkommen und Vermögen der Partner – ein langge-
hegter Wunsch der Betroffenen. Durch das Gesetz wird
darüber hinaus das Verfahrensrecht des Sozialgesetzbu-
ches IX endlich den Bedürfnissen der Menschen ange-
passt. Das wird dazu führen, dass Rehabilitationsleis-
tungen wie aus einer Hand erbracht werden und dabei
passgenau den individuellen Gesamtbedarf abdecken.

Es wird neue unabhängige Beratungsstellen geben, in
denen vor allem Beratung auch durch behinderte Men-
schen stattfinden wird. Das stärkt deren Position und
wird dazu führen, dass die Leistungsberechtigten, wie
wir sie technisch nennen, mehr als Experten in eigener
Sache wahrgenommen werden und mehr mit ihnen statt
über sie geredet wird.

Dafür sieht der Bundeshaushalt im kommenden Jahr
Mehrausgaben von 160 Millionen Euro vor. Dieser
vom Bund aufzubringende Beitrag wird bis 2020 rund
700 Millionen Euro betragen. Ich finde, das ist eine sehr
beachtliche Summe. Wenn man in diesem Zusammen-
hang hört, dass es sich um ein Spargesetz handele, wie

das behauptet wird, dann darf man auch mal den Kopf
schütteln.

Es gibt viel Kritik, auch von Verbänden, an diesem
Gesetz. Dazu möchte ich ausdrücklich feststellen: Diese
Bedenken werden von uns sehr ernst genommen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben mit unserem Koalitionspartner in den letzten
Wochen und bis in die letzten Stunden, will ich sagen,
mit sehr großem Engagement und mit sehr großer Kol-
legialität die offenen Punkte im Sinne der Betroffenen
beraten. Wir werden nächste Woche die erarbeiteten Än-
derungen hier vorstellen.

Zum Inhalt nur zwei Anmerkungen. Wir werden si-
cherstellen, dass niemand schlechtergestellt wird. Auch
wenn sich mit dieser Reform vieles verändern wird: Wir
werden den Kreis der anspruchsberechtigten Personen
definitiv nicht einschränken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dafür werden wir den gesamten Umsetzungsprozess
dieses Gesetzes aufwendig wissenschaftlich begleiten
lassen und evaluieren. Hierzu sind in der Bereinigungs-
sitzung der Haushälter die finanziellen Mittel merklich
aufgestockt worden. Deshalb will ich an dieser Stelle
unseren Haushältern einen ganz herzlichen Dank sagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn wir über den Einzelplan 11 reden, kommen
wir alle an einem Thema nicht vorbei, der Rente. Hier
werden nicht Millionen, sondern Milliarden ausgegeben.
Das ist viel Geld, auch aus dem Bundeshaushalt, aber es
ist sinnvoll eingesetztes Geld, damit Menschen im Alter
gut leben können. Die Debatte darüber, wie dieses auch
in Zukunft gewährleistet werden kann, welchen Preis
bzw. welchen Beitragssatz wir alle dafür zu zahlen bereit
sind, ist in vollem Gange. Ich kann nur sagen: Ich hoffe
sehr, dass wir eine rationale, maßvolle und generationen-
gerechte Lösung finden – und das, wenn ich das wün-
schen darf, möglichst parteiübergreifend.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Und bald!)


Ich will in diesem Zusammenhang auf zwei Perso-
nengruppen besonders hinweisen, bei denen ausgespro-
chener Handlungsbedarf besteht. Das sind zum einen
die Erwerbsgeminderten. Für die erwerbsgeminderten
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben wir bereits
mit dem Rentenpaket I einiges getan. Das war gut, aber
da müssen wir jetzt nachlegen.

Zum anderen geht es um die Selbstständigen. Ja, es
gibt Selbstständige, die im Alter gut abgesichert sind. Wir
dürfen aber die Augen nicht davor verschließen, dass wir
eine zunehmende Zahl von Selbstständigen haben, die
nicht in der Lage sind, ohne staatliche Hilfe auszukom-
men, geschweige denn, für ihr Alter vorzusorgen. Aus

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


meiner Perspektive geht da an einer Pflichtversicherung
in der gesetzlichen Rente eigentlich kein Weg vorbei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einen Antrag der Grünen gibt es dazu!)


Ich hoffe, Kollege, dass wir das im Rahmen eines Ge-
samtkonzepts, das in Kürze vorgestellt wird, bald hier in
diesem Hause intensiv beraten können.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu gibt es schon ein Konzept!)


Ich danke fürs Zuhören.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820312700

Als nächster Redner hat Mark Helfrich für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Mark Helfrich (CDU):
Rede ID: ID1820312800

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wie immer in
den letzten Novemberwochen: Wir debattieren und be-
schließen den Bundeshaushalt für das kommende Jahr
mit seinen Einzelplänen für die Ressorts. Wie immer
weist das Bundesministerium für Arbeit und Soziales da-
bei den größten und umfangreichsten Einzeletat auf. Wie
immer sind der Opposition die vorgesehenen Leistungs-
ansätze zu niedrig. Wie immer wähnt sie wieder einmal
unseren Sozialstaat am Ende. Same Procedure as every
Year.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unsere Arbeitsmarkt- und Wirtschaftslage ist seit Jah-
ren unverändert gut. Wir haben ein gesundes Wirtschafts-
wachstum, zuletzt von 1,8 Prozent. Das Ergebnis sind
fast 43,8 Millionen Beschäftigte – Rekord. Gleichzeitig
geht der Stellenaufbau weiter. Erstmals in der Geschich-
te der Bundesrepublik waren mehr als 31,4 Millionen
Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die
Zahl der Erwerbslosen hat sich in den letzten zehn Jah-
ren halbiert, und das ist ein Vierteljahrhunderttief. Nur
dank dieser guten Ausgangslage können wir heute darü-
ber debattieren, wofür wir Geld in der Arbeitsmarkt- und
Sozialpolitik einsetzen.

Wir müssen uns aber auch ins Gedächtnis rufen, dass
eine solche gute Arbeitsmarktlage alles andere als ein
Selbstläufer ist. Grundlage dafür ist und bleibt eine sta-
bile Wirtschaft. Ich erinnere an die Zeit vor gut zehn Jah-
ren, als es 5 Millionen Arbeitslose gab und die Situation
in der Wirtschaft und bei den Sozialversicherungsträgern
katastrophal war. Niemand möchte diese Zeiten wieder.
Also lassen Sie uns gemeinsam darauf achten, dass diese
gute Entwicklung so bleibt, wie sie ist. Lassen Sie uns
endlich aufhören, richtige Arbeitsmarktreformen der
vergangenen Jahre peu à peu zurückzudrehen, zum Bei-
spiel durch die Frühverrentung gut qualifizierter älterer
Arbeitnehmer.

Im Sommer habe ich mich in meinem Wahlkreis bei
Unternehmen und Betrieben umgeschaut. Die Stimmung
ist gut. Die Auftragsbücher sind voll. Doch die Sorge,
Stellen in Zukunft nicht mehr besetzen zu können, treibt
alle um. Der Fachkräftemangel ist das Hauptproblem
der Betriebe und setzt die Wirtschaft weiter unter Druck.
Deutschlandweit haben nach einer aktuellen Studie
49 Prozent der Unternehmen massive Probleme, offene
Stellen zu besetzen.

Klar ist inzwischen: Das Gros der Flüchtlinge kann
aufgrund mangelnder Bildung und auch mangelnder
Sprachkenntnisse auf absehbare Zeit unser Problem des
Fachkräftemangels nicht lösen. Damit das aber mittel-
fristig gelingt, ist es umso wichtiger, dass wir im nächs-
ten Jahr zusätzlich 4,3 Milliarden Euro für die Integrati-
on der Flüchtlinge ausgeben. 1,6 Milliarden Euro davon
entfallen auf die aktive Eingliederung der Flüchtlinge in
den Arbeitsmarkt. Deutsch lernen ist für die Integration
der Flüchtlinge der Dreh- und Angelpunkt. Darüber sind
wir uns in diesem Hause einig. Deshalb werden wir die
Anzahl der berufsbezogenen Sprachkurse von derzeit
20 000 auf 200 000 verzehnfachen.

Innerhalb der Union sind wir uns darüber im Klaren:
Es darf keine Wiederholung der Flüchtlingszuwanderung
nach Deutschland wie im letzten Jahr geben; vielmehr
müssen wir uns auch weiterhin gezielt um hochqualifi-
zierte Fachkräfte aus Europa und Drittländern bemü-
hen. Aus der ganzen Welt können seit 2013 bei einem
Jobangebot Facharbeiter mit einer abgeschlossenen Aus-
bildung in einem Mangelberuf in Deutschland arbeiten.
Auch Hochqualifizierte in den MINT-Berufen sowie
Hochschulabsolventen können bei einem entsprechen-
den Mindesteinkommen in Deutschland arbeiten. Wir
verfügen damit bereits heute im internationalen Vergleich
über sehr offene und liberale Zuwanderungsregelungen.
Deutschland ist nach den USA bereits das zweitgrößte
Einwanderungsland der Welt.

Den Befürwortern eines Einwanderungsgesetzes mit
einem Punktesystem kann ich in diesem Zusammenhang
nur eines sagen: Wir brauchen eine passgenaue Zuwan-
derung in den Arbeitsmarkt und nicht in die Arbeitslo-
sigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wer Menschen nach Deutschland holen will, ohne vor-
her die Arbeitsplatzfrage zu klären, der ignoriert die In-
teressen unseres Landes und vor allem auch die Sorgen
und Bedürfnisse der Menschen. Für die meisten Bürger
stehen derzeit eher Fragen von Recht und Ordnung im
Mittelpunkt, etwa die Frage, wie sich die Ausreise von
200 000 Menschen, die kein Bleiberecht in Deutschland
haben, organisieren und durchsetzen lässt.

Vor allem die links regierten Bundesländer tun sich
damit schwer. Sie verfahren leider nach dem Motto: Ein-
mal in Deutschland, immer in Deutschland. Die den Ber-
liner Senat tragende Koalition hat den Abschiebestopp
für Ausreisepflichtige sogar im Koalitionsvertrag festge-
schrieben.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Dr. Carola Reimann






(A) (C)



(B) (D)


Das ist rot-rot-grüne Politik.

Nein, geltendes Abschieberecht muss konsequent
durchgesetzt werden – jetzt hören Sie bitte zu –, auch um
die Akzeptanz für Arbeitsmigration in der Bevölkerung
nicht zu gefährden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir müssen unseren Blick aber genauso auf die Situ-
ation der Menschen richten, die schon lange ohne Arbeit
sind. Für Eingliederung in Arbeit und für die Betreuung
und Vermittlung stellen wir knapp 8,9 Milliarden Euro
zur Verfügung. Es ist auch gut, dass wir in diesem Haus-
halt diesen Ansatz für das Programm „Soziale Teilha-
be am Arbeitsmarkt“ um 150 Millionen Euro auf dann
300 Millionen Euro verdoppeln. Auch das ist ein wichti-
ges Signal, dass wir angesichts der Flüchtlinge die Lang-
zeitarbeitslosen nicht vergessen.

Unerwähnt bleiben darf auch nicht das Bundespro-
gramm zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit, für das
wir im nächsten Jahr 160 Millionen Euro zur Verfügung
stellen. Ich habe mich in meinem Wahlkreis davon über-
zeugen können, dass dieses Programm gut funktioniert
und bei den Menschen ankommt.

Bei mir in Schleswig-Holstein hat das Jobcenter Dith-
marschen mit großem Einsatz tolle Erfolge erzielt. Es
konnten mehr Langzeitarbeitslose in Arbeit vermittelt
werden als geplant. Deshalb hat das BMAS auch noch
zusätzliche Mittel bereitgestellt. – Herzlichen Dank nach
Dithmarschen und herzlichen Dank an das BMAS.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist ein
reiches Land. Kein Mensch mit Herz und Verstand will,
dass Senioren ihren Lebensabend in Altersarmut verbrin-
gen. Und doch zwingen ein paar Fakten zum Handeln.
Die Menschen werden immer älter. Dadurch beziehen sie
immer länger Rente.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nur ein Teil der Menschen wird älter!)


Die Jüngeren, die mit ihren Beiträgen und Steuern die
Renten bezahlen, werden immer weniger. Das ist das
eigentliche Problem, vor dem wir die Augen nicht ver-
schließen dürfen. Es lässt sich auch nicht ideologisch
lösen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, dann fangt doch mal an!)


Franz Müntefering brachte es bereits 2006 auf den
Punkt – Zitat –:

Da muss man kein Mathematiker sein, da reicht
Volksschule Sauerland, um zu wissen: Wir müssen
irgendetwas machen.

Ja, meine Damen und Herren, das müssen wir.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie müssen das Richtige machen!)


Ziel muss es aber sein, dass künftig weder die Versiche-
rungsbeiträge noch die Steuerzuschüsse in die Renten-
versicherung durch die Decke schießen. Also hören Sie

auf mit dem Überbietungswettbewerb zulasten jüngerer
Generationen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Hören Sie auf mit so einem Unsinn wie „durch die Decke schießen“! Sie machen den Menschen Angst! Angstmacher!)


Wichtig ist doch, dass die Beiträge zur Rentenversiche-
rung auch für Jüngere bezahlbar bleiben müssen. Deshalb
braucht Deutschland ein atmendes Rentensystem, das die
steigende Lebenserwartung berücksichtigt. Ich sage den-
jenigen, die das nicht akzeptieren können, wollen oder
dürfen: Das ist kein sozialpolitischer Unfug, sondern aus
gutem Grund in vielen europäischen Ländern sozialpoli-
tische Realität.


(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Macht es nicht besser!)


Sehr verehrte Damen und Herren, wir müssen aufpas-
sen, dass aus der Rentenkomödie der jetzigen Rentnerge-
neration keine Tragödie für die Jüngeren wird. Deshalb
lassen Sie uns auch beim Thema Rente Politik für Gene-
rationen machen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820312900

Als nächste Rednerin hat Kerstin Griese für die

SPD-Fraktion das Wort


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Kerstin Griese (SPD):
Rede ID: ID1820313000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Der Arbeits- und Sozialetat ist groß. Es sind fast 138 Mil-
liarden Euro; wir haben es schon gehört. Das sind 42 Pro-
zent des gesamten Bundesetats. Das zeigt, wie wichtig
uns die Aufgabe des sozialen Zusammenhalts unserer
Gesellschaft ist; denn zur öffentlichen Sicherheit, über
die in dieser Haushaltsdebatte viel diskutiert wird, gehört
eben auch die soziale Sicherheit. Deshalb investieren wir
da so viel.

Gerade angesichts unserer Debatten über Rechtspo-
pulismus, über irrationale Diskurse, über Ängste ist es
umso wichtiger, keine Ängste zu schüren, damit sich die
Menschen sicher fühlen. Wir wollen sie vor den großen
Lebensrisiken wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Ar-
beitslosigkeit schützen. Sie sollen auch im Alter gut le-
ben können. Genau das tun wir. Darum kümmern wir uns
im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Deshalb investie-
ren wir hier viel, und das ist gut so.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir Politikerinnen und Politiker sind doch allesamt
dafür verantwortlich, etwas gegen die allgemeine Verun-
sicherung zu tun; denn wir sorgen dafür, dass Menschen
sicher und gut miteinander leben können, auch was ihre
soziale Situation und ihren Arbeitsplatz angeht. Daran
arbeiten wir im Ausschuss für Arbeit und Soziales sehr

Mark Helfrich






(A) (C)



(B) (D)


fleißig, zusammen mit dem Ministerium. Neun Gesetze
haben wir 2014 verabschiedet, darunter so wichtige Din-
ge wie den Mindestlohn und das Rentenpaket. Neun Ge-
setze waren es 2015, und neun haben wir auch in diesem
Jahr schon geschafft. Mit dem Bundesteilhabegesetz, den
SGB-II-Regelsätzen und der großen und wichtigen Ren-
tendebatte liegen noch viele wichtige Themen vor uns.

Die Rente ist uns wichtig und teuer. Dafür stehen in
diesem Haushalt 98,4 Milliarden Euro zur Verfügung.
Das zeigt noch einmal, wie wichtig uns soziale Siche-
rung ist.


(Beifall bei der SPD)


Der Arbeitsmarkt – auch das haben wir schon gehört –
ist in sehr guter Verfassung. 5,8 Prozent Arbeitslosigkeit
ist ein neuer Niedrigstand, der beste Stand seit 25 Jahren.
Das zeigt, dass wir hier gute Politik machen. Dafür danke
ich zuallererst unserer Ministerin Andrea Nahles sowie
allen, die im Ausschuss durch konstruktive Zusammen-
arbeit daran mitwirken, aber auch durch Kritik; denn
auch dadurch kann man besser werden.

Fast 900 000 Menschen sind zu uns geflohen. Gerade
weil der Arbeitsmarkt in so guter Verfassung ist, hatten
wir die Chance, hierauf gut zu reagieren. Nicht immer
ging alles sofort oder schnell genug, aber mit dem In-
tegrationsgesetz konnten wir wichtige Weichen stellen,
damit sich die Menschen durch das Lernen der Sprache,
durch Arbeit, durch Ausbildung integrieren können. Ich
glaube, das A und O ist, dass sie in Arbeit kommen.

Aus einer aktuellen Studie will ich Ihnen eine sehr er-
munternde, gute Zahl zitieren: 96 Prozent der Flüchtlin-
ge sagen: Wir wollen in einem demokratischen System
leben, wir wollen freie Wahlen, die Gleichberechtigung
von Frauen und Männern und die Bürgerrechte. – Das
zeigt, dass Integration bei uns gut gelingen kann. Darü-
ber habe ich mich sehr gefreut.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Integration kostet Geld, und das stellen wir in diesem
Haushalt bereit: Erhöhung der Mittel für die Sprachkurse,
für die Integrationskurse, für die Jobcenter. Mir ist sehr
wichtig, zu sagen: Deswegen wurde keinem Arbeitslo-
sen, keinem Stadtteilprojekt, keiner sozialen Maßnahme
Geld gestrichen. Im Gegenteil: Wir erhöhen die Mittel,
um Langzeitarbeitslosen eine Perspektive zu geben. Wir
verdoppeln die Mittel für das Programm „Soziale Teilha-
be“, bei dem es gerade darum geht, Langzeitarbeitslosen
die Möglichkeit zu geben, in Arbeit zu kommen. Auch
das schafft Sicherheit; auch das schafft Integration.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Beides gehört zusammen: die Integration der Men-
schen, die zu uns kommen, aber auch das Kümmern um
die Menschen bei uns, die hier aufgewachsen sind und
sich abgehängt fühlen. Beides gehört zusammen; beides
schafft soziale Sicherheit. Deshalb noch einmal: Es ist so
wichtig, dass wir gerade in einer Situation, wo es wirt-
schaftlich gut geht, viel für die Menschen tun, die sich
abgehängt fühlen, gerade für die Langzeitarbeitslosen.

Ich will allen ganz herzlich danken, die im Aus-
schuss – ich will das ausdrücklich sagen – außerordent-
lich konstruktiv und in guter Atmosphäre zusammen-
arbeiten. Das werden wir weiter tun – für den sozialen
Zusammenhalt in unserem Land.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820313100

Tobias Zech hat als nächster Redner für die CDU/CSU

das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1820313200

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau

Kollegin Zimmermann, wenn ich Sie vorhin richtig ver-
standen habe, dann haben Sie eine andere Wahrnehmung
der Realität in diesem Land als ich. Wenn man Ihre Rede
verfolgt hat, dann muss man davon ausgehen, dass wir
Tristessen haben, leere Ladenzeilen, Arbeitslose, die
ganze Stadtteile beherrschen, dass wir in einem Land des
sozialen Abstiegs leben, in einem Land, dessen soziale
Sicherungssysteme komplett versagt haben. Entschuldi-
gung, Frau Zimmermann, Sie arbeiten hier populistisch
mit Angst. Das hat mit der Realität und mit der Situation
in diesem Land überhaupt nichts zu tun. Man darf nicht
zulassen, dass so etwas hier behauptet wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Kerstin Griese [SPD])


Die Wahrheit ist, dass wir eine Rekordbeschäftigung
haben – Rekordbeschäftigung! Noch nie seit der Wende
waren so wenige arbeitslos.


(Harald Weinberg [DIE LINKE]: Schon mal was vom Arbeitszeitvolumen gehört?)


Vor zehn Jahren waren es noch doppelt so viele.

Wir haben hohe Renten. Die Rentenerhöhung in die-
sem Jahr, meine Damen und Herren, war die höchste seit
23 Jahren. Auch das gehört zur sozialen Sicherung.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Super!)


Das können Sie zu Hause auch mal erzählen.

Und wir haben Rekordsteuereinnahmen. Wir haben
noch nie so viel Geld eingenommen wie jetzt und haben
somit auch gut gefüllte Sozialkassen.


(Abg. Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Frau Zimmermann? Ach so. Ich dachte, Sie winken mir.


(Heiterkeit)


Zum vierten Mal haben wir einen ausgeglichenen
Haushalt. Dieser ausgeglichene Haushalt ist generatio-
nengerecht. Das ist ein Erfolg. Kollege Kurth, Sie haben
das vorhin angesprochen: Trotz oder wegen der Politik
der Arbeitsministerin? – Wir sollten uns hier schon einig
sein, dass wir eines nicht zulassen, nämlich dass gesagt
wird: Immer dann, wenn es in Deutschland gut läuft, ist

Kerstin Griese






(A) (C)



(B) (D)


die Wirtschaft dafür verantwortlich. Immer dann, wenn
es schlecht läuft, sind wir schuld. –


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kann ich nichts für, wenn es so ist!)


Sowohl zum einen wie zum anderen gehören beide.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820313300

Herr Kollege Zech, wenn Sie mal einen Moment


(Zuruf: Luft holen!)


Luft holen – genau! –, dann kann ich Sie fragen, ob Sie
eine Zwischenfrage zulassen.


Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1820313400

Frau Zimmermann wahrscheinlich.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820313500

Ja, Frau Zimmermann.


Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1820313600

Ja, klar. Bitte.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820313700

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen,

Herr Zech.

Herr Zech, nehmen Sie zur Kenntnis, dass die Statis-
tiken des Statistischen Bundesamts bzw. meine Anfragen
an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mir
die Zahlen geliefert haben, dass 2,6 Millionen Menschen
auch noch in einem Zweitjob arbeiten,


(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Eine davon ist Wagenknecht!)


weil sie mit dem Einkommen aus dem ersten Job nicht
klarkommen, dass über 500 000 Menschen in der Grund-
sicherung sind? Sie erzählen immer, dass ich hier so ein
dunkles Bild von Deutschland male.


Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1820313800

Das ist auch so.


Sabine Zimmermann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820313900

Das sind die Zahlen. Nehmen Sie zur Kenntnis, dass

2,5 Millionen Kinder in Armut leben? Nehmen Sie zur
Kenntnis, dass 3,5 Millionen Kinder im Sommer nicht
mal eine Woche Urlaub machen können, weil ihre Eltern
so arm sind? Das sind nicht Zahlen, die die Linke erfin-
det, sondern das sind Zahlen, die mir von der Bundesre-
gierung zur Verfügung gestellt worden sind.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Dahinter stehen Menschen!)


Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das die realen Zahlen von
Deutschland sind, oder denken Sie wirklich, dass wir die-
se Zahlen erfinden?


(Beifall bei der LINKEN)



Tobias Zech (CSU):
Rede ID: ID1820314000

Wissen Sie, Frau Zimmermann, ich möchte Ihnen ei-

nes sagen:


(Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE]: Und ich will Ihnen noch sagen: 1 Million Langzeitarbeitslose! Die fehlen noch!)


– Okay, die nehme ich noch mit. – Wir leben aus meiner
Sicht im besten Sozialstaat dieser Welt. Es ist unbestrit-
ten: Auch wir haben Probleme. Wenn wir über Alters-
armut sprechen, dann können Sie nicht nur der Statistik
glauben, sondern dann müssen wir auch über verschämte
Armut sprechen,


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Richtig!)


also über diejenigen, die nicht zum Amt gehen und eben
nichts sagen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Dann melde ich mich doch mal! Dann sage ich Ihnen die Zahlen auch noch!)


Das ist uns alles bewusst. Nur: Ein Bild zu zeichnen ist
immer eine Komplettaufnahme. Sie beschreiben jedoch
nur Probleme und bringen keine Lösungen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wir haben jede Menge Lösungen!)


Sie zeichnen kein Gesamtbild. Nicht mehr und nicht we-
niger habe ich gesagt. Machen Sie den Menschen in die-
sem Land keine Angst.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Machen Sie doch!)


Wir sind auf einem guten Weg, und wir sehen die Pro-
bleme. Wir arbeiten daran. Ich bin noch nicht am Ende
meiner Rede. Ich komme noch auf einige Lösungsansät-
ze zu sprechen.

Was die Langzeitarbeitslosen betrifft, sehen Sie, dass
die Mittel im Bundeshaushalt stabil sind. Mit diesem
Thema beschäftigen wir uns seit Jahrzehnten in diesem
Land.


(Katja Mast [SPD]: Wir haben sie nämlich wieder aufgebaut! Frau von der Leyen hat sie abgebaut!)


Wir werden auch nicht aufhören, uns mit diesem Thema
zu beschäftigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich darf fortfahren. Die Steuereinnahmen, über die
wir jetzt sprechen, sind verdient worden von den Arbeit-
nehmern in diesem Land. Sie haben sie mit ihrem Fleiß,
ihrer Innovationskraft und ihrer Leistung möglich ge-
macht. Denen gilt es Dank zu sagen. Der gilt aber auch
den Arbeitgebern in diesem Land. Ich spreche jetzt be-
wusst den Mittelstand, das Handwerk und den Handel
an, aber natürlich auch die Familienunternehmen, die
durch nachhaltiges Wirtschaften in ihren Unternehmen
für Pros perität sorgen. Denen müssen wir auch die Mög-

Tobias Zech






(A) (C)



(B) (D)


lichkeit geben, weiterhin in diesem Land gute Geschäfte
zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das heißt, dass wir mit unserer Politik – lieber Peter
Ramsauer, ich bitte, es nicht falsch zu verstehen – auch
sehr viel Wirtschaftspolitik machen. Deswegen ist es
richtig, dass Arbeit und Soziales zusammengehören. Der
Ausschuss für Arbeit und Soziales hat wahrscheinlich die
größten Nebenwirkungen in allen Ausschüssen im Deut-
schen Bundestag. Vernünftiges Wirtschaften in Deutsch-
land muss möglich sein im Spannungsfeld zwischen
Sicherheit und Flexibilität. Also, wir sind gut gerüstet.
Gut gerüstet müssen wir auch sein; denn wir haben viele
Herausforderungen zu bewältigen.

Wir haben heute schon einige Male über den demo-
grafischen Wandel gesprochen. Wir werden immer älter
und immer weniger.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein, 20 Prozent erreichen noch nicht einmal das 65. Lebensjahr! Sie sterben vorher! So ein Unsinn!)


Darauf müssen wir reagieren. Die Veränderungen spie-
len sowohl bei der sozialen Sicherung als auch bei der
Arbeitsmarktpolitik eine Rolle. Wir haben heute schon
mehrmals über die Rente gesprochen. Man kann den
demografischen Wandel natürlich nicht in unserem Ren-
tensystem negieren. Auf der anderen Seite hat die Deut-
sche Rentenversicherung zwei Weltkriege überstanden.
Deswegen, Herr Kollege Birkwald, den demografischen
Wandel werden wir auch gut begleiten, wenn wir klu-
ge Politik machen, aber im Gegensatz zu Ihrer Position
nicht mit Revolution, sondern mit Evolution. Das ist ein
Unterschied. An dieser Evolution, an dieser Weiterent-
wicklung arbeiten wir.

Hier muss ich zwei Fragen beantworten.


(Zuruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Niemand, der sein ganzes Leben lang in die soziale Si-
cherung in Deutschland eingezahlt hat, darf von Alters-
armut bedroht sein. Frage eins: Wie schaffen wir das?
Frage zwei: Wie schaffen wir es, Beiträge nicht so festzu-
legen, dass niemand mehr von seinem Netto leben kann,
weil die Beiträge zu hoch sind? Beides ist gleich wichtig.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sie wissen nicht mal, um wie viel Geld es geht! – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Guck nach Österreich! Die haben seit 30 Jahren keine Beitragserhöhung!)


Wir brauchen somit – die Ministerin und auch die
Kanzlerin haben es angesprochen – eine doppelte Hal-
telinie, die nicht nur die Rente nach unten begrenzt, son-
dern die Beiträge auch nach oben.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schmeißt den Riester in die Tonne! Dann habt ihr genug Geld dafür!)


Das eine bedingt das andere. Das eine ohne das andere
ist unmöglich und wäre generationenfeindlich und somit

nicht zukunftsfähig. Daher gibt es nur diese eine Mög-
lichkeit. An der werden wir arbeiten.

Ein weiteres Thema: Wir haben natürlich jetzt auch
vor, die dritte Säule, der betrieblichen Altersvorsorge,
weiterzuentwickeln. Die BAV – das haben wir im Koali-
tionsvertrag festgeschrieben – soll erweitert werden. Das
ist richtig. Wir brauchen eine starke dritte Säule. Aller-
dings müssen wir darüber nachdenken, ob der steuerli-
che Freibetrag, Herr Finanzstaatssekretär, von 7 Prozent
nicht noch Luft nach oben hat.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Subventionen! Subventionen wollen Sie erweitern! Ich denke, Sie sind die Partei der Marktwirtschaft! Subventionsfreund!)


Hier müssen wir richtig ansetzen.

Wir müssen auch über die Enthaftung sprechen. Eine
grundsätzliche Enthaftung ist anzustreben. Allerdings
sage ich Ihnen auch: Wenn wir einmal zu dem Punkt
kommen, dass wir die Enthaftung brauchen und die gro-
ßen Versicherungsunternehmen nicht mehr zahlungsfä-
hig sind und der Protektor zusammengebrochen ist, dann
haben wir in diesem Land ganz andere Dinge zu bespre-
chen.

Wir haben auch das Thema Solo-Selbstständige an-
gesprochen. Hier sind wir wieder bei dem großen Wi-
derspruch zwischen Freiheit auf der einen Seite und
Sicherheit auf der anderen Seite. Frau Dr. Reimann, Sie
haben die Notwendigkeit angesprochen, für Solo-Selbst-
ständige, die nicht in dem Maße für sich vorsorgen kön-
nen und von Altersarmut bedroht sind, eine Verpflichtung
zur Vorsorge festzuschreiben. Da bin ich bei Ihnen. Ich
bin nicht bei Ihnen – darüber haben wir schon vor ein
paar Wochen diskutiert –, wenn Sie fordern, dass dies
zwangsweise über die Deutsche Rentenversicherung
geschehen soll. Ich glaube, wir können den Menschen
in diesem Land schon zutrauen, dass sie selber für sich
entscheiden, welche Vorsorgemöglichkeiten sie nutzen.


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie müssen die gesetzliche Rente stärken! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wollen die Menschen nicht! Die wollen eine gute gesetzliche Rente!)


Das kann neben einer Einzahlung in die Deutsche Ren-
tenversicherung, die man ermöglichen sollte, auch der
Erwerb privaten Immobilienbesitzes oder eine andere
eigenständige Vorsorge aus dem Angebot der deutschen
Versicherungswirtschaft sein. Es ist nicht notwendig,
dass wir immer alles bis zum letzten Punkt und Komma
für die Menschen in diesem Land regeln. Sie sind in der
Regel klug genug, für sich selbst zu sorgen.

Ich möchte auch noch auf den Bereich Arbeitsmarkt
zu sprechen kommen. Wir werden im Zusammenhang
mit Arbeit 4.0 vielen Herausforderungen gegenüberste-
hen; wir warten jetzt gespannt auf das Weißbuch. Insbe-
sondere sollten wir das Thema Arbeitszeit nicht wie eine
Monstranz vor uns hertragen, sondern – da bin ich dem
BMAS dankbar – offen darüber sprechen. Wir brauchen
mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit, wir brauchen mehr

Tobias Zech






(A) (C)



(B) (D)


Flexibilität beim Arbeitsort, wir müssen den Menschen
in diesem Land die Möglichkeit zum lebenslangen Ler-
nen geben und die Betriebe beim Know-how-Transfer
besser unterstützen. Das ist notwendig, weil wir als sozi-
ales Land, als soziale Marktwirtschaft im internationalen
Vergleich und in Europa wettbewerbsfähig bleiben wol-
len; das ist unser Ziel.

Dass wir hier Diskussionen über die Verteilung von
Mitteln führen können, verdanken wir den Menschen
in diesem Land, die täglich zur Arbeit gehen und Steu-
ern zahlen. Wir müssen somit diesen Menschen und den
Betrieben in diesem Land die Möglichkeit geben, wei-
ter Geld zu verdienen. In der Arbeits- und Sozialpolitik
gibt es keine All-inclusive-Pakete. Das heißt, wir werden
immer zwischen verschiedenen Interessen abwägen müs-
sen. Aber wir haben nicht nur große Herausforderungen
vor uns, sondern auch die Mittel, um sie mit einer klu-
gen Politik anzugehen. Die schwarze Null, die wir jetzt
haben, ist da nicht nur ein Ziel, sondern die notwendige
Bedingung für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes. Las-
sen Sie uns für diese Bedingung auch in den nächsten
Jahren kämpfen. Dann mache ich mir weder um die sozi-
ale Sicherung noch um den Wohlstand der Menschen in
diesem Land Sorgen, trotz aller Probleme, über die wir
hier mehr als gut Bescheid wissen und die wir auch in
Zukunft lösen wollen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820314100

Als nächste Rednerin hat Katja Mast für die SPD-Frak-

tion das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1820314200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Der Haushalt 2017 des Bundesarbeitsministeriums ist ein
Haushalt für Zusammenhalt und Solidarität in Deutsch-
land.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Im Gegensatz zu dem, was meine grünen Kolleginnen
und Kollegen die ganze Zeit erzählen, ist das, was in
diesem Haushalt steht, was wir in der Arbeitsmarkt- und
Sozialpolitik machen, ein Chancenfinder- und Chancen-
umsetzerprogramm.


(Beifall bei der SPD – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was genau?)


Natürlich hätten wir Sozialdemokratinnen und Sozi-
aldemokraten uns an der einen oder der anderen Stelle
mehr vorstellen können; das liegt in der Natur der Sache.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist Ihre Standardrechtfertigung fürs Nichtstun!)


Natürlich hätten wir uns darüber gefreut, wenn wir es
hingekriegt hätten, beim Thema Langzeitarbeitslosigkeit
endlich den Passiv-Aktiv-Transfer,


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie hätten ja wenigstens mal einen Modellversuch machen können!)


also die Finanzierung von Arbeit anstatt von Arbeitslo-
sigkeit, umzusetzen oder zumindest zu erproben. Aber
dafür haben wir ja bald wieder Wahlkampf und können
uns darüber auseinandersetzen, und wir hoffen, dass wir
für dieses Konzept 50 Prozent der Stimmen bekommen.


(Beifall bei der SPD – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nee, nee, nee! Man hätte zumindest etwas versuchen können! Was würden Sie denn tun, wenn Sie nicht die Union als Ausrede hätten?)


Aber ich sage ganz klar: In der Arbeitsmarkt- und
Sozialpolitik haben wir in dieser Legislaturperiode eine
ganze Menge hinbekommen, viel mehr als in anderen
Legislaturperioden, und auch viel mehr als das, was wir
hier als in Haushaltszahlen gegossene Politik debattieren.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Antje Lezius [CDU/CSU])


Wir haben nämlich die Würde und den Wert der Arbeit
in den Mittelpunkt der Arbeitsmarktpolitik zurückgeholt.

Ich will es ganz klar sagen: Wir haben den flächen-
deckenden gesetzlichen Mindestlohn endlich eingeführt.
Wir sind die Stärkung der Tarifautonomie und damit
langfristig auch der Tarifbindung angegangen. Wir be-
kämpfen den Missbrauch von Leiharbeit und Werkverträ-
gen. Wir haben die berufliche Weiterbildung und Bildung
massiv gestärkt und ausgebaut. Wir haben mit dem Ren-
tenpaket I die erste Leistungsverbesserung für Rentnerin-
nen und Rentner seit Jahrzehnten zusammen auf den Weg
gebracht. Wir haben mit den flexiblen Übergängen eine
kluge Antwort darauf gegeben, dass Menschen länger ar-
beiten können, wenn sie wollen; aber sie müssen eben
auch nicht. Und wir haben mit dem Integrationsgesetz
endlich Regelungen geschaffen, die wir gerne anderthalb
Jahre früher auf den Weg gebracht hätten: Wir setzen da-
rauf, dass Menschen durch Spracherwerb, Bildung und
Arbeit in Deutschland integriert werden. Das alles haben
wir gemeinsam auf den Weg gebracht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben noch mehr vor. Wir werden wahrscheinlich
in der nächsten Sitzungswoche gemeinsam über das Bun-
desteilhabegesetz diskutieren. Es geht um eine riesengro-
ße Sozialreform, um Menschen mit Behinderung mehr
Teilhabe an unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Wir
werden das Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit
gesetzlich verankern; es geht darum, dass Frauen nicht in
der elendigen Teilzeitfalle landen. Wir werden gemein-
sam die betriebliche Alterssicherung stärken, und wir

Tobias Zech






(A) (C)



(B) (D)


werden auch die gesetzliche Rentenversicherung stärken;
zumindest werden wir eine Debatte darüber führen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: „Zumindest“? Mehr wird es nicht!)


Ich hoffe, dass wir gemeinsam so mutig sind, weite-
re Schritte im Kampf gegen Altersarmut zu gehen. Wir
werden über die zentralen Fragen des Wandels in der
Arbeitswelt durch die Digitalisierung diskutieren und
entsprechende Regelungen in Bezug auf Arbeiten 4.0 auf
den Weg bringen.

All das sind wichtige Debatten, um den Wert und die
Würde der Arbeit zu schützen. Deshalb kann ich nur
sagen: Die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Bundes-
republik Deutschland ist in unseren Händen und in den
Händen von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gut
aufgehoben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820314300

Antje Lezius hat als letzte Rednerin in dieser Ausspra-

che das Wort für die CDU/CSU.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Antje Lezius (CDU):
Rede ID: ID1820314400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Als letzte
Rednerin muss man ein bisschen zusammenfassen, aber
gerne möchte ich auch ein paar Akzente setzen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zum Bundes-
haushalt 2017 ist zunächst eine überaus gute Nachricht
verbunden: Zum dritten Mal in Folge legen wir einen
Haushalt ohne neue Schulden vor. Gleichzeitig tätigen
wir wichtige Investitionen: in die Sicherheit, in die In-
tegration, in den Arbeitsmarkt, in Bildung und in Infra-
struktur. Der Haushalt hat die Zukunft unseres Landes
im Blick. Unser Staat bleibt bei allen Herausforderun-
gen handlungsfähig. Der aktuelle Haushalt stellt erneut
unter Beweis, dass eine aktiv gestaltende Politik und
Haushaltskonsolidierung sehr wohl Hand in Hand gehen
können.

In meinem Wahlkreis in Rheinland-Pfalz gibt es zahl-
reiche strukturschwache Kommunen. Deswegen ist es
mir wichtig, dass diese im Bundeshaushalt auch bedacht
werden. Auch in diesem Haushalt dient fast jeder fünfte
Euro der Entlastung von Ländern und Kommunen. Trotz-
dem wird bis 2020 die schwarze Null fortgeführt. Das ist
nicht selbstverständlich, meine Damen und Herren, das
ist das Resultat der unionsgeführten soliden Haushaltpo-
litik, die mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein
handelt. An dieser Stelle möchte ich Herrn Bundesmi-
nister Schäuble und den Kollegen im Haushaltsausschuss
für ihre hervorragende Arbeit herzlich danken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Ewald Schurer [SPD])


Ein wesentlicher Aspekt in Haushaltsberatungen ist
die Frage der Gerechtigkeit. Was gerecht ist, darüber

wird intensiv debattiert. Besonders die Linke dieses Hau-
ses verweist häufig auf die Gerechtigkeitsfrage als Ar-
gumentationsmuster. Aber Gerechtigkeit ist beileibe kein
linker Gesinnungsbegriff. Gerechtigkeit ist auch Leitbild
für christdemokratische Politik. Wir als CDU lassen uns
diesen Begriff nicht von den Linken wegnehmen.


(Zurufe von der LINKEN: Oh! Oh! – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Nein! Nie im Leben! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Die enteignen alles, die Linken!)


Wir haben die Belastungen im Blick, und wir gehen da-
mit verantwortungsbewusst um.

Im Bereich Arbeit und Soziales treibt uns besonders
die Frage der Generationengerechtigkeit an. Der demo-
grafische Wandel ist eine Tatsache: Die Bevölkerungs-
pyramide wird auf den Kopf gestellt. So kommen im
Jahr 2050 nur noch zwei Personen im erwerbsfähigen
Alter auf einen Rentner. Generationengerechtigkeit ist
das Gebot aus dieser Entwicklung.

Arbeit und Soziales weist den höchsten Einzeletat auf.
Hier lässt sich bereits heute der demografische Wandel
ablesen: Für das Jahr 2017 sieht der Bundeshaushalt
91,2 Milliarden Euro für Rentenzahlungen vor. Das ist
eine stattliche Summe. So wichtig und selbstverständ-
lich soziale Sicherung ist: Wir müssen sie aber auch
zukunftsfähig halten. Im Zeichen der Generationenge-
rechtigkeit müssen wir diejenigen achten, die die Renten
erwirtschaften. Weder die aktuelle noch die zukünftigen
Generationen der Beitragszahler dürfen wir über Ge-
bühr belasten. Das sind wir unseren Kindern und Enkeln
schuldig.

Auch die andere Seite müssen wir im Blick behal-
ten: die Unternehmen. Sie erwirtschaften diese Beträge
gemeinsam mit ihren Beschäftigten. 59 Prozent aller
regulär Beschäftigten arbeiten in kleinen und mittleren
Unternehmen. Das Vermögen der Unternehmer ist oft in
den Betrieben gebunden. Die rot-rot-grüne Lieblingsidee
einer Vermögensteuer ist Gift für die KMUs. Selbst ein
Thorsten Schäfer-Gümbel erkennt, dass sie die Unter-
nehmen in ihrer Substanz gefährden würde. Es bleibt zu
hoffen, dass sich diese Einsicht in der SPD durchsetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Einzelplan des Bundesministeriums für Arbeit und
Soziales ist aber nicht nur Soziales enthalten. Das verges-
sen manche Parteien gerne. Dabei ist die Arbeit essenzi-
ell für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Uns geht es
um mehr als um kurzfristige Erfolge bei den Kennzahlen
des Arbeitsmarktes. Wir stellen mit dem vorliegenden
Haushalt die Weichen für die Zukunft der Arbeit. Wir dis-
kutieren vor dem Hintergrund des demografischen Wan-
dels über ein neues Leitbild der Arbeit. Auch das macht
Generationengerechtigkeit aus. Das Bundesministerium
für Arbeit und Soziales und wir als CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion sind seit längerem mit diesem Thema be-
fasst. Gemeinsam mit den Tarifpartnern entwerfen wir an
einem Tisch die Strategien dazu. Unter dem Schlagwort
„Arbeit 4.0“ erarbeiten wir Ideen für die Arbeitswelt der
Zukunft. Dabei geht es um neue Arbeitszeitmodelle, um
die Frage der Work-Life-Balance, um neue Anforderun-

Katja Mast






(A) (C)



(B) (D)


gen an soziale Absicherung von Arbeit oder auch den
Stellenwert von Arbeit, die nicht Erwerbsarbeit ist; dazu
zählt die Pflege von Angehörigen, aber auch die ehren-
amtliche Tätigkeit.

Der Betrieb der Zukunft stellt nicht nur Fragen an
grundsätzliche Anforderungen wie flexible Arbeitszeiten,
verbesserten Arbeitsschutz und intelligente Netzwerke,
sondern es geht auch darum, wie wir den Fachkräftenach-
wuchs sichern können. Wie gelingt uns die Integration
von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive? Wie motivieren
wir ältere Menschen, ihren Erfahrungsschatz länger den
Betrieben zur Verfügung zu stellen, Stichwort „Flexiren-
te“? Wie ermöglichen wir Frauen bessere Aufstiegschan-
cen? Und wie verbessern wir die Work-Life-Balance und
die Schnittstelle zwischen Familie und Beruf?


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit der Entgeltgleichheit?)


Wir gehen einen Schritt in diese Richtung, indem wir
den Fokus auf gute Bildung und gute Ausbildung legen.
Ich freue mich sehr darüber, dass im vorliegenden Haus-
haltsentwurf der Bereich der beruflichen Bildung einen
großen Stellenwert einnimmt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir stellen über die Initiative „Bildungsketten bis zum
Ausbildungsabschluss“ Mittel zur Verfügung. So un-
terstützen wir gemeinsam mit den Ländern mit 70 Mil-
lionen Euro Jugendliche in der Orientierungsphase vor
Eintritt in den Beruf. Ich habe selbst als Unternehmerin
junge Menschen ausgebildet. Deswegen weiß ich, was
benötigt wird. Kleine und mittelständische Unternehmen
brauchen speziell auf sie zugeschnittene Weiterbildungs-
angebote, Beratung und weniger Bürokratie. Wir för-
dern überbetriebliche Berufsbildungsstätten in 2017 mit
62 Millionen Euro.

Darüber hinaus bleibt der Fachkräftemangel eine
grundlegende Fragestellung für uns.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit dem Meister-BAföG geben wir darauf eine Antwort.
Aus dem Etat des BMBF fördern wir 170 000 junge
Menschen mit 265 Millionen Euro.

Dann gibt es die Studienabbrecher. Ihr Potenzial dür-
fen wir nicht verschenken. Hier weist die Initiative zur
Gewinnung von Studienabbrechern für die berufliche
Bildung eine neue Perspektive auf. So stärken wir unser
System der dualen Ausbildung und eröffnen mehr Ju-
gendlichen den Weg zu einer Berufsausbildung.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Frau Ekin Deligöz muss ich leider widersprechen. Ich
habe in dieser Woche ein Gespräch mit Vertretern der re-
gionalen BA in meiner Heimat geführt. Es freut mich, zu
hören, dass für die Arbeit vor Ort, sowohl für die Aus-
stattung der Arbeitsagenturen als auch für die Integration

in den Arbeitsmarkt, zurzeit genügend Mittel vorhanden
sind, um Menschen in Arbeit zu bringen.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja!)


Wir können es uns nicht leisten, Potenziale zu verschen-
ken. Deswegen erhalten all diejenigen Unterstützung, die
sie benötigen. Auch das trägt zum gesellschaftlichen Zu-
sammenhalt bei.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, der Bundes-
haushalt 2017 ist gut und solide finanziert. Er beweist,
dass sich Konsolidierung und Investitionen nicht aus-
schließen. Gerade im Bereich Arbeit und Soziales stär-
ken wir die Talente, die unser Land voranbringen. Wir
finden gemeinsam eine Balance zwischen Stabilität und
Wachstum, und wir stärken den Gedanken der Gerech-
tigkeit zwischen den Generationen; denn das macht die
CDU als Partei der Mitte aus.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Da können wir nicht klatschen! Es tut uns leid!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820314500

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe die

Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 11 – Bundesministerium für Arbeit und Soziales – in
der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt
dagegen? – Enthält sich jemand? – Dann ist der Einzel-
plan 11 in der Ausschussfassung mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.16 auf:

Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend

Drucksachen 18/9816, 18/9824

Berichterstatter für diesen Einzelplan sind die Ab-
geordneten Michael Leutert, Alois Rainer, Ulrike
Gottschalck und Ekin Deligöz.

Zu dem Einzelplan 17 liegt ein Entschließungsan-
trag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über die-
sen Entschließungsantrag werden wir morgen nach der
Schlussabstimmung abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. Gibt es dazu
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so
beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat
Michael Leutert von der Fraktion Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)


Antje Lezius






(A) (C)



(B) (D)



Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820314600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin, wir beraten heute abschließend den
Haushalt des Bundesministeriums für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend. Der Begriff „Kinder“ taucht im Ti-
tel nicht auf. Aber Kinder sind natürlich elementarer Be-
standteil vieler Familien. Das ist auch ein Grund dafür,
dass viele Leistungen für Kinder in Ihrem Haushalt ange-
siedelt sind. Eine Leistung, die alle Familien mit Kindern
kennen, ist das Kindergeld bzw. der Kinderfreibetrag.
Dort gibt es eine Schieflage. Ich möchte jetzt dafür wer-
ben, dass wir diese Schieflage beseitigen.


(Beifall bei der LINKEN)


Es geht um zweierlei:

Erstens. Kindergeld bekommen alle Familien, auch
diejenigen mit höherem Einkommen, zum Beispiel wir
Abgeordneten. Da bei uns aber die Freibeträge ziehen,
müssen wir das Kindergeld in der Steuererklärung ange-
ben und es zurückzahlen. Das hat trotzdem den Effekt,
dass diejenigen mit höherem Einkommen aufgrund der
Freibeträge vom Staat besser behandelt werden als dieje-
nigen, die ein geringeres Einkommen haben und nur das
Kindergeld beziehen. Das sollten wir nicht so lassen. Ich
bin schon der Meinung, dass uns alle Kinder gleich viel
wert sein sollten.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die zweite Schieflage ist: Beim Kindergeld gibt es
eine Differenzierung. Für das erste und zweite Kind gibt
es 190 Euro, für das dritte Kind 196 Euro und ab dem
vierten Kind 221 Euro. Es ist unklar, warum es für die
ersten zwei Kinder weniger Kindergeld gibt als für das
dritte und vierte Kind. Ich möchte allerdings darauf hin-
weisen: Bei den Freibeträgen gibt es diese Differenzie-
rung nicht. Es ist also nicht etwa so, dass es für das erste
Kind einen Freibetrag von 5 000 Euro, für das zweite
einen Freibetrag von 6 000 Euro und für das dritte einen
Freibetrag von 7 000 Euro gibt, sondern die Freibeträge
sind für alle Kinder gleich hoch und belaufen sich auf
etwas mehr als 7 000 Euro. Auch diese Schieflage muss
beseitigt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir brauchen also ein höheres Kindergeld, und die be-
schriebene Differenzierung muss abgeschafft werden,
weil uns alle Kinder gleich viel wert sein müssen.

Es gibt aber auch Kinder, die es ein wenig schwerer
haben. Ich spreche von Kindern, die mit nur einem El-
ternteil aufwachsen müssen; meistens ist es der Vater, der
nicht mehr da ist. Es ist schon eine schwierige Situation,
ohne Vater aufzuwachsen; auch für die alleinerziehende
Mutter ist die Situation schwierig. Aber wenn der Va-
ter zudem auch nicht zahlt, wird die Sache noch etwas
schwieriger.

Um das auszugleichen, gibt es den Unterhaltsvor-
schuss. Der Unterhaltsvorschuss wird für Kinder bis
maximal zum Ende des zwölften Lebensjahres und für
maximal sechs Jahre gezahlt. Man könnte auch sagen: Er
wird gezahlt, bis das Kind 13 oder 14 Jahre alt ist, und

die Bezahlung erfolgt maximal über einen Zeitraum von
7 der 8 Jahren. Diese Grenzziehung ist völlig willkürlich.
Niemand kann das erklären.

Wir sind der Meinung, dass der Unterhaltsvorschuss
reformiert werden soll. Es gibt nun einen Gesetzentwurf.
Danach wird gezahlt, bis die Kinder 18 Jahre alt sind, und
die Zahlung erfolgt maximal 18 Jahre lang. Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen von der CDU, man liest ja jetzt von
Ihnen hin und wieder, dass es da noch Gesprächsbedarf
geben würde oder dass dieser Gesetzentwurf handwerk-
lich schlecht gemacht wäre. Ich kann nicht sehen, was
man da handwerklich schlecht machen kann. Ich möchte
Sie auffordern, hier – auch was die Länder betrifft – nicht
zu blockieren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Denn niemand kann erklären, dass wir im Bundestag be-
reit sind, Milliardenbeträge für Banken- und Euro-Ret-
tung oder auch für Sicherheit – gestern haben wir den
Verteidigungshaushalt mit einem Plus von 2,3 Milliarden
Euro beschlossen – auszugeben, während bei der sozi-
alen Sicherheit gespart wird. Auch soziale Sicherheit
ist eine wichtige Sicherheit. Diese Reform würde uns
100 Millionen Euro kosten. Das sollte es uns wert sein.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir beschließen mit diesem Haushalt auch das Bun-
desprogramm „Demokratie leben!“. Dieses Bundespro-
gramm ist in den letzten Jahren – was auf unsere Zustim-
mung stößt – immer weiter ausgebaut worden. Wir haben
jetzt dafür im Haushalt einen Betrag von über 100 Milli-
onen Euro verankert. Ich möchte noch einmal daran erin-
nern, wie wichtig das ist.

In dieser Woche ist der Sachsen-Monitor öffentlich
vorgestellt worden, der die Ergebnisse einer Umfrage
umfasst. Mit Sachsen beschäftigen wir uns, was diese
Frage angeht, ja immer wieder. Ich möchte hier zwei
Zahlen daraus nennen: Auf die Frage „Ist die Bundesre-
publik Deutschland durch Ausländer überfremdet?“ ant-
worteten in der Bundesrepublik Deutschland insgesamt
18 Prozent der Befragten mit Ja. In Sachsen waren es
58 Prozent.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Was ist da los in Sachsen?)


Die Frage „Braucht Deutschland eine starke Partei, die
die Interessen der Volksgemeinschaft insgesamt ver-
tritt?“ wird in der gesamten Bundesrepublik Deutschland
von 23 Prozent der Befragten mit Ja beantwortet. Das ist
schon ein Wert, der mich bedenklich stimmt. In Sachsen
haben auf diese Frage 62 Prozent mit Ja geantwortet. Da-
ran sieht man, dass das Programm wichtig ist und dass
wir es weiter ausbauen müssen.

Im Übrigen zeigen die Zahlen auch noch etwas ande-
res: dass nämlich nicht nur die sogenannten Abgehängten
solche Meinungen vertreten. Vielmehr ist es so, dass das






(A) (C)



(B) (D)


leider in der breiten Mitte der Gesellschaft salonfähig ist.
Dem müssen wir etwas entgegensetzen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss auf eine
verlässliche Grundlage gestellt werden. Deshalb brau-
chen wir ein sogenanntes Demokratieförderungsgesetz.
Ich hoffe doch, dass dieses Demokratieförderungsgesetz
noch in dieser Legislaturperiode hier im Plenum behan-
delt wird.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der letzte Punkt, den ich ansprechen möchte, betrifft
das Personal. Frau Ministerin, es ist meines Erachtens
extrem wichtig, dass gerade in Ihrem Haus und den
nachgeordneten Behörden die Menschen möglichst un-
befristet beschäftigt werden. In einigen nachgeordneten
Behörden – zum Beispiel im Bundesamt für Familie und
zivilgesellschaftliche Aufgaben – sind 30 Prozent der Ar-
beitsverhältnisse befristet. Das ist natürlich ein wesent-
lich zu hoher Prozentsatz. Dort bessern wir derzeit nach.
Vielleicht werden wir auf 25 Prozent kommen. Das wäre
schon mal nicht schlecht.

Ich möchte in dem Zusammenhang aber auch darauf
hinweisen, dass es Institute – zum Beispiel das Deutsche
Jugendinstitut; es begleitet viele Programme wissen-
schaftlich – gibt, wo 66 Prozent der Arbeitsverhältnisse
befristet sind. Bei den Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftlern beträgt der entsprechende Prozentsatz 75 Pro-
zent, selbst bei den Sachbearbeiterinnen und Sachbear-
beitern sind es noch 38 Prozent. Das sind im Übrigen
meistens junge Frauen. Und genau denen wollen wir eine
Perspektive geben, um eine Familie gründen zu können.
Ich bitte darum, an diesem Punkt noch Abhilfe zu schaf-
fen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820314700

Als nächste Rednerin hat die Bundesministerin

Manuela Schwesig für die Bundesregierung das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen
und Herren Abgeordnete! Es gibt ja eine gute Regel in
diesem Haus, wonach kein Gesetz dieses Haus so ver-
lässt, wie es hier hineingekommen ist – auch nicht das
Haushaltsgesetz. Das freut mich aus Sicht des Bundes-
familienministeriums natürlich besonders; denn in den
Haushaltsberatungen wurden zusätzlich zu den Mitteln,
die ich schon in den regierungsinternen Beratungen ver-
handelt habe, weitere Mittel bewilligt. Das ist ein sehr
gutes Signal. Im Zuge der parlamentarischen Haushalts-
beratungen haben wir für das Bundesfamilienministeri-
um eine Aufstockung auf 9,5 Milliarden Euro erreicht.
Das sind über 2 Milliarden Euro mehr als zu Beginn der

Legislaturperiode und zeigt eines: Uns sind die Familien
im Land wichtig. Das ist ein gutes Signal für die Famili-
en in unserem Land.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Mehrmittel kommen unter anderem dadurch
zustande, dass in Deutschland nach 15 Jahren endlich
wieder mehr Kinder geboren wurden. Das ist eine gute
Nachricht. Auch eine in den letzten Wochen veröffent-
lichte Studie hat gezeigt, dass die überwiegende Mehr-
heit der Menschen in unserem Land sagt: Unser Land ist
familienfreundlicher geworden. – Das ist gut und freut
uns.

Darauf wollen wir uns aber nicht ausruhen; wir wollen
noch mehr für die Familien tun. Wir wollen insbesonde-
re, dass die Familien mehr Zeit füreinander haben, dass
sie eine gute Infrastruktur für ihre Kinder vorfinden –
zum Beispiel Ganztagskitas – und dass sie natürlich auch
mehr Geld bekommen. Diese drei Dinge gehören zu ei-
ner guten Familienpolitik, und dafür sorgen wir auch.

Erstens. Wir geben mehr Geld aus, damit die Familien
mehr Zeit füreinander haben. Dafür sorgen wir insbeson-
dere mit dem Elterngeld. Auch das neue Elterngeld Plus
wird viel besser angenommen, als wir es gedacht haben.
Deswegen stocken wir die Mittel dafür auf.

Zweitens. Wir geben mehr Mittel denn je für die In-
frastruktur aus. Während wir als Bund in 2013 noch
1,5 Milliarden Euro für die Kindertagesbetreuung aus-
gegeben haben, sind es in 2017 2,5 Milliarden Euro für
den Bau von Kitas und für die Verbesserung der Qualität
in den Kindertagesstätten und in der Kindertagespflege.

Wie Sie alle wissen, haben wir uns mit den Ländern
auf eine Qualitätsoffensive verständigt. Alle Länder bis
auf das Land Hessen sind dabei.


(Ulrike Gottschalck [SPD]: Hört! Hört!)


Deshalb freut es mich auch, dass wir mit diesem Haushalt
einen ersten richtigen Schritt in diese Richtung gehen.
Wir geben nämlich erstmalig auch für die Finanzierung
von Plätzen für über Dreijährige Geld aus. Außerdem
geben wir Geld für die Verbesserung der Sprachförde-
rung in den Kitas aus; denn Sprache ist der Schlüssel für
Bildung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das
fängt schon bei den Kleinsten an.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich freue mich deshalb, dass wir die Anzahl der soge-
nannten Sprach-Kitas verdoppeln können. 3 500 weitere
Kitas werden zukünftig zusätzliche Erzieherinnen und
Erzieher für die Sprachförderung bekommen.

Drittens. Natürlich sollen die Familien auch finanziell
gut unterstützt werden. Das Kindergeld ist hier die be-
liebteste Leistung. Es gibt aber Familien, bei denen die
Eltern jeden Tag arbeiten gehen, aber ein so kleines Ein-
kommen haben, dass sie selbst mit dem Lohn und dem
Kindergeld nicht klarkommen und zum Amt müssen, um
Sozialleistungen zu beantragen. Gerade diesen Eltern
müssen wir besser helfen.

Michael Leutert






(A) (C)



(B) (D)


Deshalb freue ich mich, dass wir schon in diesem Jahr
den Kinderzuschlag um 20 Euro aufgestockt haben und
in 2017 noch einmal nachlegen werden. Diese Familien
werden zukünftig mit dem erhöhten Kindergeld und dem
erhöhten Kinderzuschlag 360 Euro im Jahr mehr haben.
Das ist ganz wichtig; denn das ist ein wichtiger Beitrag
zur Bekämpfung der Kinderarmut. Kinder, deren Eltern
arbeiten gehen, dürfen nicht erleben, dass die Eltern und
Kinder trotz Arbeit arm bleiben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In einer aktuellen Diskussion geht es um die Verbes-
serung des Unterhaltsvorschusses. Ich weiß, dass sich
alle Fraktionen für dieses Thema einsetzen, und ich freue
mich sehr, dass sich Bund und Länder im Rahmen der
doch sehr komplizierten Bund-Länder-Finanzbeziehun-
gen darauf verständigt haben, dass wir den Unterhalts-
vorschuss verbessern wollen.

Sie alle kennen die Situation. Eine alleinerziehende
Mutter hat mir vor kurzem ihre Situation beschrieben:
Erst hat sich mein Partner aus dem Staub gemacht – er
hat noch nicht einmal für das Kind gezahlt –, und jetzt,
da mein Kind 13 Jahre alt wird, macht sich der Staat aus
dem Staub, weil der Staat eben nur bis zur Vollendung
des zwölften Lebensjahres und maximal sechs Jahre lang
für den Unterhalt einspringt. – Jeder von uns, der Kinder
hat, weiß: Gerade zu dieser Jahreszeit braucht man eine
neue Winterjacke und ein Paar neue Winterschuhe. Da-
durch sind ganz schnell 100 bis 200 Euro weg, und damit
hat man das Geld noch nicht einmal sozusagen verprasst.
Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir diesen Unterhalts-
vorschuss ausbauen und auch nicht mehr begrenzen.

Und ja, wir müssen uns dazu noch mit den Ländern
über die Finanzen verständigen. Der Finanzminister und
ich sind uns mit dem Kanzleramt einig, dass der Vor-
schlag des Finanzministers gut ist, das, was der Bund
zukünftig bei Sozialleistungen einspart – weil wir damit
alleinerziehende Mütter und Väter aus dem Sozialleis-
tungsbezug herausholen –, an die Länder weiterzugeben.
Wir wollen auch Verbesserungen beim Eintreiben des
Unterhaltsvorschusses. An der Stelle stehe ich an der Sei-
te des Finanzministers, dass dieses Angebot im Rahmen
der Gesamtfinanzbeziehungen, wo der Bund ja zukünftig
rund 10 Milliarden Euro pro Jahr geben soll, gut ist. Des-
halb wollen wir an der Stelle weiterverhandeln.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich verstehe auch die Kommunen, die sagen: Wir brau-
chen Zeit für die Umsetzung. – Das ist richtig. Deshalb
wollen wir mit den Kommunen auch über eine gewisse
Übergangszeit für die Bearbeitung sprechen. Die Leis-
tung kann auch rückwirkend gewährt werden. Niemand
erwartet, dass alle sofort am 2. Januar den Bescheid und
das Geld bekommen. Was wir aber nicht machen sollten,
ist, das Inkrafttreten infrage zu stellen; denn dann wür-
de den Alleinerziehenden die Leistung verloren gehen.

Keine Alleinerziehende, kein Alleinerziehender darf die
Leistung verlieren. Darum geht es bei einer Lösung.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)


Deshalb werbe ich sehr dafür, dass wir jetzt mit Kom-
munen und Ländern sprechen, damit wir hier gemeinsam
eine gute Lösung für die Alleinerziehenden hinbekom-
men, die viel leisten, jeden Tag für ihre Kinder da sind –
oft allein –, aber finanzielle Probleme haben. Sie haben
unsere Unterstützung besonders verdient.


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820314800

Frau Ministerin, lassen Sie eine Zwischenfrage der

Kollegin Dörner zu?

Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Ja, selbstverständlich. – Geht das von meiner Redezeit
ab?


Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820314900

Nein, keine Sorge.


Katja Dörner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820315000

Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie die Zwischen-

frage zulassen. – Sie haben richtigerweise gesagt – das
kann ich auch für die Grünen sagen –, dass wir die Inhal-
te der Reform im Sinne der Alleinerziehenden uneinge-
schränkt unterstützen. Wir haben aber leider erleben müs-
sen, dass das Unterhaltsvorschussgesetz in dieser Woche
von der Tagesordnung genommen wurde und – jedenfalls
ausweislich der mir vorliegenden Planung – auch nicht
auf der Tagesordnung der nächsten Woche steht. Können
Sie uns erläutern, wie jetzt noch – auch mit Blick auf die
notwendigen Beratungen im Bundesrat – ein Inkrafttre-
ten zum 1. Januar 2017 gelingen soll?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Es wäre ja möglich, es nächste Woche noch zu be-
schließen. Ich bin sicher, dass, nachdem Bundestag
und Bundesrat mehrfach bewiesen haben, dass milli-
ardenschwere Bankenrettungspakete hier ganz schnell
durchgehen, die Beratung dieses Gesetzentwurfes für die
Alleinerziehenden genauso zügig durchgeführt werden
kann.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dies wäre eine große Unterstützung. Ich bin mir ganz si-
cher, dass die Koalitionsfraktionen diese Sache auf den
Weg bringen; denn wir sind uns ja auch in der Bundesre-
gierung einig.

Der Finanzminister und ich haben die Formulierungs-
hilfe gemeinsam ins Kabinett eingebracht, und sie ist dort
beschlossen worden. Aber an der Stelle – ich weiß, dass
die Grünen die Idee auch unterstützen – wäre es natürlich

Bundesministerin Manuela Schwesig






(A) (C)



(B) (D)


super, wenn ich mich nicht nur auf die Koalitionsfrakti-
onen verlassen könnte, sondern wenn Sie – und auch die
Linken – dort, wo Sie in den Ländern Regierungsverant-
wortung tragen, darum bitten würden, den Prozess der
Verhandlungen zu beschleunigen. Dann würden wir ein
großes Stück vorankommen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Bisher gibt es von keinem einzigen Land ein Go. Das ist
das Problem.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von keinem einzigen! Eben!)


Letzter Punkt, den ich gern ansprechen möchte: Sie
wissen, dass unser Haus auch ein Gesellschaftsministe-
rium ist, das insbesondere das Ehrenamt und die zivil-
gesellschaftlichen Kräfte unterstützt, die unser Land zu-
sammenhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete,
wir alle erleben eine Verrohung in unserer Gesellschaft.
Wir alle erleben, dass mittlerweile Hass und Hetze das
Netz und die Straße bestimmen. Wir müssen daher ge-
meinsam dafür sorgen, dass die große Mehrheit, die
diesen Hass und diese Hetze nicht will, die sich deshalb
vielleicht auch zurückzieht, stark gemacht wird. Denn
wer Hass und Hetze im Wort betreibt, schürt letztend-
lich auch Gewalttaten, und dagegen müssen wir uns ge-
meinsam stellen. Wir müssen die vielen Ehrenamtlichen
und Hauptamtlichen, die in diesen Bereichen arbeiten, in
unseren Vereinen, in den Verbänden, besser unterstützen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Karin Binder [DIE LINKE] und Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dieses Zeichen haben Sie mit dem Etat gesetzt, den wir
heute hier beraten und dann auch verabschieden.

Wir werden die Mehrgenerationenhäuser besser unter-
stützen. Die Mittel werden nicht nur verstetigt, sondern
es können auch 100 neue Mehrgenerationenhäuser ent-
stehen. Dort wird Zusammenhalt gelebt, und dies müssen
wir stärken.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir haben gemeinsam dafür gesorgt, dass es für das
Programm „Demokratie leben!“ jetzt zu einer Verdoppe-
lung der Mittel gekommen ist, und dass wir gerade auch
für die Jugendarbeit die notwendige Mittelaufstockung
erreicht haben. Das ist ein wichtiges Signal an die jungen
Menschen in unserem Land.

Wer daran glaubt, dass es trotz aller Kritik an der
Demokratie und in der Demokratie besser ist, friedlich,
freiheitlich und solidarisch zusammenzuleben, wer daran
glaubt und sich in unserem Land in Vereinen, in Verbän-
den, in Mehrgenerationenhäusern, in Nachbarschaftshil-
fen engagiert, der hat uns an seiner Seite, der wird von
uns unterstützt – nicht nur mit Worten, sondern auch ganz
konkret materiell. Das ist ein ganz wichtiges Signal, das
wir heute hier gemeinsam senden. Wir wollen mit den
Menschen, die an unser Land glauben und sich dafür ein-

setzen, dieses Land gegen Hass, Hetze und Gewalt weiter
stark machen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sie sehen also, meine sehr geehrten Damen und Her-
ren: Wir haben hier einen Haushalt, mit dem es möglich
ist, auch im nächsten Jahr Familien zu stärken und für
den Zusammenhalt in unserem Land zu sorgen.

Deshalb noch einmal herzlichen Dank für die guten
Beratungen. Ich freue mich auf die Umsetzung im nächs-
ten Jahr.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820315100

Als nächste Rednerin hat Ekin Deligöz für die Frakti-

on Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820315200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Frau Ministerin! Erst einmal herzlichen Dank für
die guten Beratungen, vor allem an unseren Hauptbe-
richterstatter Michael Leutert, der uns durch das Verfah-
ren geführt hat. Wir sind am Ende des vierten Haushalts-
verfahrens dieser Legislaturperiode. Als Kurzbilanz ist
zu sagen: Grundsätzlich schätze ich die inhaltliche Aus-
richtung des Familienministeriums und die Programme,
die hier vorgestellt wurden. Auch fachpolitisch ist das
Haus an sich gut aufgestellt.

Aber es gibt ein sehr gravierendes Problem, Frau
Ministerin: Sie werden zunehmend zu einer Ankündi-
gungsministerin. Zwei Tage vor der Bereinigungssitzung
haben Sie einen längeren Gastbeitrag in der Frankfurter
Rundschau herausgebracht, in dem steht, was familien-
politisch alles möglich und nötig wäre. Nur bleibt Ihr
Handeln weit hinter dem zurück, was Sie dort angekün-
digt haben.

In dem Gastbeitrag steht zum Beispiel, dass mehr zur
Zeitpolitik für Familien geschehen muss. Die Regierung
aber liefert nicht. In dem Artikel steht: Das Familiengeld
muss her. Die Regierung aber liefert nicht. Da steht, dass
ein Rechtsanspruch auf Schulkindbetreuung geschaffen
werden müsste. Die Regierung aber liefert nicht. In dem
Artikel steht auch, dass eine Reform der Familienförde-
rung dringend notwendig ist. Die Regierung aber liefert
nicht.

Dann versprechen Sie zum 1. Januar 2017 die Ent-
fristung des Unterhaltsvorschusses. Die entscheidenden
Regelungen zur Finanzierung hätten Sie aber schon viel
früher mit den Ländern angehen und besprechen kön-
nen – haben Sie aber nicht. Sie sind eine Ankündigungs-
ministerin.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen.

Wir als Grüne haben mehrere Anträge eingebracht,
unter anderem auch zum Bereich Zeitpolitik. Uns geht es

Bundesministerin Manuela Schwesig






(A) (C)



(B) (D)


darum, zu zeigen, wie man die Chancen nutzen kann, um
gesellschaftspolitisch voranzukommen, selbstverständ-
lich auch – aber nicht nur – im Sinne der Alleinerzie-
henden. Vielmehr müssen wir alle gemeinsam etwas tun.

Zur Familienarbeitszeit haben Sie zum Beispiel in
dem Artikel geschrieben, sie müsste eingeführt werden,
auch weil das Elterngeld Plus nicht flexibel und weitge-
hend genug ist. Sie bleiben da aber im Konjunktiv. Wir
haben ein Papier vorgelegt, in dem steht, wie man es ma-
chen kann. Unser zeitpolitisches Paket besteht aus drei
Punkten: erstens Flexibilität in der gemeinsamen Kinder-
erziehung, zweitens eine vernünftige Pflegezeit, drittens
die Bildungszeit. Machbar, konkret, sofort umsetzbar!
Liefern Sie!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zur Kindertagesbetreuung. Das, was Sie mit dem
Sprach-Kita-Programm machen – das ist auch ausgewei-
tet worden –, unterstütze ich ausdrücklich. Das finde ich
gut. Sie und auch wir alle wissen, dass das nur ein Bau-
stein ist. Wenn wir wirklich etwas nach vorne bringen
wollen, dann brauchen wir bundesgesetzlich geregelte
Qualitätsstandards. Diese brauchen wir nicht übermor-
gen, sondern diese brauchen wir jetzt, und zwar flächen-
deckend und mit einer Finanzierungsgrundlage.

Jetzt reden Sie davon, dass eine Initiative mit den Län-
dern zur Kinderbetreuung ab 2020 entstehen könnte. Wie
das erfolgen soll, wie das finanziell unterlegt ist und in
welchem Kostenrahmen das geschehen soll, ist noch un-
gewiss. Es kommt zu spät und gleicht einem ungedeck-
ten Scheck. Sie liefern nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie schreiben, dass wir dringend etwas gegen Fami-
lienarmut tun müssten. In diesem Zusammenhang spre-
chen Sie explizit von „Kindergeld, Kinderzuschlag“ und
„Steuern“. Da sind wir ganz bei Ihnen. Das müssen wir
tatsächlich angehen. Aber wo ist die Initiative? Wie sieht
es bei Ihnen konkret aus? Wo bleibt denn die Reform von
Familien- und Eheförderung? Über die Jahre hinweg ha-
ben Sie in Ihrem Haus Evaluationen durchführen lassen.
Die Ergebnisse sind glasklar, aber die Konsequenzen lie-
gen verschleiert in weiter Ferne. Es nur anzukündigen,
heißt noch lange nicht, es auch gut zu machen. Das reicht
uns nicht; Sie müssen auch liefern und konkret werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt komme ich zum Unterhaltsvorschuss. Die Ent-
fristung des Unterhaltsvorschusses wäre tatsächlich
eine überfällige Maßnahme gegen Armut. Dass wir die
Alleinerziehenden, die primär von Armut bedroht sind,
nicht alleine lassen, fordert meine Fraktion übrigens seit
zwei Jahren. Wir haben dazu – auch im Haushaltsaus-
schuss – mehrere Anträge eingebracht. In den letzten
zwei Jahren wurden all diese Anträge von Ihnen brüsk
zurückgewiesen.

Jetzt kommen Sie selber kurz vor Jahresende mit
diesem Thema daher. Ein Schelm, wer an das Wahljahr
denkt! Das tun wir gar nicht, sondern wir sind total be-
geistert über dieses Umdenken und darüber, dass die Ar-
gumente bei Ihnen angekommen sind. Das freut uns, und

wir unterstützen Sie gerne dabei. Die Sache hat nur einen
Haken: Haben Sie denn vorher ein einziges Mal mit den
Ländern, die die Hauptkosten zu tragen haben, geredet?


(Sönke Rix [SPD]: Die haben das ja beschlossen!)


Haben Sie ein einziges Mal mit ihnen verhandelt? Wa-
rum kommen Sie eigentlich erst dann, wenn sämtliche
Länder ihre Haushaltsverfahren eigentlich schon abge-
schlossen haben, statt dann, wenn sie noch laufen?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Die Länder haben das doch beschlossen!)


Sie wissen genau wie ich: Der Bund wird dadurch Ent-
lastungen haben. Da die Systeme unterschiedlich sind,
werden viele Kommunen, aber insbesondere die Länder
die Kosten tragen müssen. Was die Länder beschlossen
haben, läuft ab 2020. Die Finanzierungsgrundlage haben
Sie aber nicht beschlossen. Mir ist kein Protokoll oder
Ähnliches darüber bekannt. Das hätten Sie tun sollen;
das wäre Ihre Hausaufgabe gewesen. Sie haben es aber
nicht getan.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb wissen wir jetzt nicht, ob das tatsächlich zum
1. Januar in Kraft treten kann. Selbst wenn es so wäre:
Die Kommunen müssen auch eine realistische Chance
bekommen, das Ganze umzusetzen und dafür Mitarbeiter
einzustellen. Wenn Sie es wirklich von ganzem Herzen
ernst gemeint hätten, dann hätten Sie in den letzten drei
Jahren sehr viel Zeit gehabt, das zu verhandeln und um-
zusetzen. Das haben Sie aber nicht getan.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


SPD und Union wollen nächstes Jahr als Parteien der
Familien auftreten. Sie haben aber in den Haushaltsvor-
schlägen, die Sie vorgelegt haben, diese Chance vertan.
Sie haben mehr angekündigt, als Sie tatsächlich umset-
zen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820315300

Alois Rainer hat als nächster Redner für die CDU/

CSU das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID1820315400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Ministerin!

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Hinter uns lie-
gen lange, harte, aber auch faire Haushaltsberatungen.
Deshalb gleich zu Beginn ein herzliches Dankeschön an
meine Mitberichterstatter Michael Leutert, Ekin Deligöz
und Ulrike Gottschalck. Vielen Dank für die gute Zusam-
menarbeit!

Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen sagen,
dass wir mit dem Ergebnis zufrieden sein können. Auch
in diesem Jahr und damit das dritte Jahr in Folge einen

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


Haushaltsplan ohne neue Schulden vorzulegen, ist alles
andere als eine Selbstverständlichkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das heißt, dass der Bund im nächsten Jahr erneut mit den
Einnahmen seine Verpflichtungen erfüllt und ohne Neu-
verschuldung auskommen wird. Durchaus stolz dürfen
wir auch sagen, dass das richtig und gut ist und dass die
Koalition die Finanzen fest im Griff hat.

In den nächsten Jahren steht die Finanzpolitik gesamt-
staatlich dennoch vor großen Herausforderungen. Um
die finanziellen Belastungen der nächsten Jahre tragen zu
können, bedarf es deshalb auch weiterhin ein Stück weit
Haushaltsdisziplin.

Wer in den letzten Tagen an den Plenarsitzungen teil-
genommen hat, hat vieles gehört, darunter hier und da
die Aussage: Wir investieren in Deutschland zu wenig.
Tatsächlich investieren wir so viel wie nie zuvor. Die ge-
samtstaatliche Investitionsquote liegt bei 11 Prozent. Das
spiegelt sich auch im Einzelplan 17 wider. Trotz vieler
gesetzlicher Aufgaben wird investiert. Wir investieren
weit über 2 Milliarden Euro in die Kitas und die Kinder-
tagesbetreuung; die Ministerin hat das gerade angespro-
chen. Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinwei-
sen, dass dies eigentlich originäre Länderaufgaben sind.
Wir unterstützen die Länder und Kommunen dabei. Wir
machen das gern. Wir investieren hier in unsere Zukunft,
in unsere Kinder und unsere Jugendlichen.

Das Volumen des Einzelplans 17 beläuft sich auf circa
9,5 Milliarden Euro. Vom Finanzvolumen her ist er damit
der siebtgrößte Etat des Bundes. Das ist nicht ohne; das
kann sich sehen lassen. Im Vergleich zum Regierungs-
entwurf wurden die Mittel für diesen Einzelplan um cir-
ca 330 Millionen Euro angehoben. Der Aufwuchs des
Einzelplans geht im Wesentlichen auf Verbesserungen
der gesetzlichen Leistungen und der Inanspruchnahme
bei Kinder- und Elterngeld zurück. Das Elterngeld ist
wahrlich ein Erfolgsmodell. Man kann freudig feststel-
len, dass die Geburtenrate in Deutschland steigt. Darü-
ber freuen wir uns, genauso wie über die Tatsache, dass
der betreffende Ansatz auf 6,4 Milliarden Euro angeho-
ben wurde. Ich freue mich, dass wir bei den gesetzlichen
Leistungen nachbessern konnten – und auch nachbessern
mussten –; denn das zeigt eindrucksvoll, dass die gesetz-
lichen Leistungen, die wir anbieten, wirken.

Weiterhin ist es im parlamentarischen Verfahren ge-
lungen, zusätzliche Impulse für bürgerschaftliches En-
gagement zu geben und im Rahmen der vielfältigen
Programme weitere Akzente zu setzen. Uns alle hat be-
sonders gefreut, dass wir bei der Jugendverbandsarbeit
den Stand des letzten Jahres wiederherstellen konnten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dies war uns Berichterstattern besonders wichtig. Uns ist
es bewusst, aber vielen Menschen außerhalb des Parla-
ments ist es nicht bewusst, welch gute Arbeit die Jugend-
verbände in unserem Land leisten. Sie unterstützen nicht
nur, sondern schaffen auch Vertrauen und geben Halt und
vor allem Kameradschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Nicht nur die Jugendverbandsarbeit wurde aufgewer-
tet. Vielmehr erfährt der gesamte Kinder- und Jugendplan
eine Erhöhung von circa 30 Millionen Euro im Vergleich
zum Regierungsentwurf. Damit steht ein Gesamtvolu-
men von circa 178 Millionen Euro in diesem Bereich
zur Verfügung. Mit diesen Mitteln konnten beispielswei-
se – wie gewünscht – die Erhöhung der Mittel für die Ju-
gendmigrationsdienste oder die dringend notwendige Er-
höhung der Mittel für die C1-Sprachkurse durchgeführt
werden. Zudem ist es uns gelungen, die Bundesstiftung
Mutter und Kind weiterhin zu unterstützen.

Als viertem Redner ist es mir natürlich wichtig – das
wird heute noch oft angesprochen werden –, zum Un-
terhaltsvorschussgesetz zu sprechen. Ich denke, wir alle
sind uns einig: Eine Verbesserung muss her. Wir wollen
die Alleinstehenden weiterhin unterstützen. Wir alle sind
uns einig, dass eine Begrenzung der Dauer auf sechs Jah-
re und eine Beendigung ab dem zwölften Lebensjahr des
Kindes fast antiquiert erscheinen.

Über die finanzielle Belastung der Länder wurde gera-
de schon gesprochen. Es gibt anscheinend eine Einigung.
Aber mir geht es explizit um die Belastung derjenigen,
die das Unterhaltsvorschussgesetz vollziehen müssen,
nämlich um die Kommunen. Überlegen wir es mal: Wir
haben bereits Ende November. Wenn es schnell geht,
kommen wir Mitte Dezember zur Beschlussfassung. Ab
Januar nächsten Jahres soll das wirken. Die Kommunen
müssen es dann umsetzen. Es fehlt vor allem am notwen-
digen Personal. Ich bin absolut dabei. Es geht mir nicht
um die 100 Millionen Euro, die hier investiert werden
müssen. Das tun wir sehr gerne.

Aber ich habe Bedenken, ob das in der Kürze der Zeit
durchzuführen ist. Bei aller Wertschätzung, Frau Ministe-
rin, selbst wenn die Kommunen das rückwirkend durch-
führen, werden Erwartungen bei denjenigen geweckt, die
den Unterhaltsvorschuss erhalten sollen. Wenn die Kom-
munen es erst innerhalb eines Vierteljahres oder eines
halben Jahres rückwirkend auszahlen, dann verursacht
das riesengroßen Ärger, der auf uns zurückfällt.


(Zurufe von der LINKEN)


Darum bitte ich, hier noch einmal neu zu überlegen.
Vor allem müssen wir – es ist ein Unterhaltsvorschuss –
über die Rückholquote nachdenken. Da steht noch gar
nichts. Ich habe das jedes Mal angesprochen. Bei einer
Rückholquote in Bayern von 36 Prozent und in Bremen
von 11 Prozent sehen wir, dass es in unserem Land ir-
gendwo einen Verbesserungsbedarf gibt, meine lieben
Freunde.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das muss einfach geregelt werden, und dann sind wir uns
alle einig. Dann sind wir mit dabei, diese Verbesserungen
durchzuführen.

Zum Programm „Demokratie leben!“: Lieber Michael,
natürlich sind wir da beieinander. Es ist immer notwen-
diger: Der Extremismus kommt von allen Seiten auf uns
zu. Hier müssen wir dieses Programm „Demokratie le-
ben!“ mit weiteren guten Programmen im wahrsten Sin-
ne des Wortes mit Leben erfüllen. Dann sehe ich eine
gute Chance für dieses Programm.

Alois Rainer






(A) (C)



(B) (D)


Ich sagte eingangs, dass wir mit diesem Ergebnis zu-
frieden sein können. Aber wenn wir über den Etat des
Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
sprechen, dann müssen wir auch ein Stück weit über Ge-
nerationengerechtigkeit sprechen. Generationengerech-
tigkeit bedeutet für mich auch, auf Dauer – so lange es
geht – nur das Geld auszugeben, das uns zur Verfügung
steht. Das heißt: keine neuen Schulden. Es ist auch so
festgehalten. Für mich persönlich wäre es gut, wenn wir
in den Schuldenabbau ein Stück weit tiefer einsteigen
würden: Wenn wir uns verpflichten, jährlich eine gewisse
Summe einzustellen, dann geht das. Das wäre machbar.
Natürlich gehört ein Stück weit eine Steuerentlastung
mit dazu, aber auch eine Rücklagenbildung. Irgendwann
müssen wir damit anfangen, dass wir das Geld, das der
deutsche Steuerzahler erwirtschaftet hat und über das wir
verfügen dürfen, anlegen, damit wir nicht, wenn es ab-
sehbar ist, dass es uns in einem oder zwei Jahren schlech-
ter geht, sofort wieder mit Steuererhöhungen kommen
müssen. Es wäre angesagt, das ein Stück weit auszuglei-
chen. Das ist für mich generationengerechte Politik für
unsere Zukunft, für unsere Jugend.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Men-
schen in Deutschland wollen eine stabile Politik, sie
wollen eine stabile Finanzpolitik, die einen nachhaltigen,
maßgeblichen Beitrag für die Gesellschaft bei uns leis-
tet. Für eine solche stabile Finanzpolitik steht die jetzige
Regierungskoalition. Ich bedanke mich nochmals für die
gute Zusammenarbeit und sage vielen Dank für die Auf-
merksamkeit.

Danke schön.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820315500

Als nächste Rednerin spricht Ulrike Gottschalck für

die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulrike Gottschalck (SPD):
Rede ID: ID1820315600

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Sie sehen mich heute ein wenig wehmütig, weil
dies der letzte Haushalt ist, den ich für das Familienmi-
nisterium verhandeln konnte.

2014 hatte unser Etat 7,9 Milliarden Euro; wir haben
es schon gehört. Heute, nach drei Jahren guter Arbeit der
Ministerin und der Großen Koalition, ist er mit 9,5 Mil-
liarden Euro so groß wie nie zuvor. Und das ist gut so;
denn viele Menschen profitieren, und jeder Cent ist gut
angelegt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ekin Deligöz, auch wenn du gerade nicht zuhörst:
„Ankündigungsministerin“ weise ich mit Ekel und Ab-
scheu zurück. Schau dir alleine diese 2 Milliarden Euro
Aufwuchs an. Das haben wir einer taffen Ministerin zu

verdanken, die mit vielen Initiativen nach vorne gegan-
gen ist und umgesetzt hat.


(Beifall bei der SPD – Zuruf der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Der Erfolg hat viele Väter, Frau Gottschalck!)


Weitere Stichworte: Elterngeld Plus, „Demokratie le-
ben!“ – all das haben wir der Ministerin zu verdanken.
Ekin Deligöz, vielleicht redest du auch mal mit deinen
grünen Freunden in den Ländern: Diese Kitaqualitätsof-
fensive – das betrifft die Qualitätsstandards – wird zum
Beispiel in Hessen und in Baden-Württemberg abge-
lehnt, in Baden-Württemberg sogar vom grünen Frauen-
ministerium.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Hört! Hört!)


Vielleicht müsstet ihr euch da einmal ein bisschen ein-
mischen.


(Beifall bei der SPD – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist einfach falsch!)


Das Elterngeld mit 6,4 Milliarden Euro ist uns lieb
und teuer, aber es wirkt. Die Geburtenziffer steigt wieder.
Hurra, wir haben endlich wieder mehr Babys in Deutsch-
land, und das freut mich als siebenfache Großmutter na-
türlich ganz besonders; denn Kinder sind einfach nur toll.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb ist es klar, dass wir Mütter und Väter in der
Rushhour ihres Lebens auch zukünftig unterstützen und
weiter in Familie investieren müssen. Kinder großziehen,
Eltern betreuen, das Haus abbezahlen und dann noch za-
ckig Karriere machen funktioniert eben nicht so neben-
bei.


(Sylvia Pantel [CDU/CSU]: Haben wir immer gesagt!)


Deshalb ist der Vorstoß der Ministerin nach einer Fami-
lienarbeitszeit richtig und sinnvoll. Hier ist aber auch die
Wirtschaft gefordert; denn auch die muss moderne Ar-
beitszeitkonzepte anbieten, anstatt immer nur über Fach-
kräftemangel zu jammern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kinder sind
einfach nur toll. Deshalb muss man ihnen den besten
Start ins Leben ermöglichen. Ich bin sehr froh darüber,
dass wir die Bundesstiftung Mutter und Kind, die dazu
beiträgt, die Lebenslage von schwangeren Frauen in Not
zu verbessern und ungeborenes Leben zu schützen, bes-
ser fördern können. Wir haben für diese wertvolle Arbeit
in der Bereinigungssitzung gemeinsam 4 Millionen Euro
zusätzlich bereitgestellt.

Den besten Start für Kinder ermöglichen wir und die
Vereinbarkeit von Familie und Beruf unterstützen wir
insbesondere mit dem Sondervermögen „Kinderbetreu-
ungsausbau“, welches wir um weitere 450 Millionen
Euro anheben. Das Bundesprogramm „Sprach-Kitas“
wird ebenfalls aufgestockt.

Alois Rainer






(A) (C)



(B) (D)


Sehr dankbar bin ich auch, dass die Initiative der Mi-
nisterin, den Unterhaltsvorschuss auszuweiten – wieder
eine Initiative von ihr –, zwischenzeitlich Realität wird.
260 000 Kinder können davon profitieren. Es ist, anders
als eben dargestellt, nicht mehr die Frage des Ob, sondern
eine Frage der Zeitschiene. Wir haben das so beschlossen
und mit den Ländern verhandelt. Übrigens gab es bei den
Ministerpräsidenten der Länder einen 16 : 0-Beschluss.

Die Ministerpräsidenten sind – das wissen Sie alle –
im Moment ein bisschen als moderne Raubritter unter-
wegs. In den Vereinbarungen zu den Finanzbeziehungen
wurde beschlossen, dass dafür die Länder den Unter-
haltsvorschuss hinnehmen müssen. An Vereinbarungen
hat man sich zu halten. Auch da empfehle ich den Grü-
nen, vielleicht einmal mit ihrem grünen Ministerpräsi-
denten zu reden.


(Beifall bei der SPD)


Kinder sind einfach toll, aber aus Kindern werden
eben auch schnell Jugendliche. Daher ist der Kinder- und
Jugendplan des Bundes das zentrale Förderinstrument.
Bei der Einbringung des Haushalts – ich erinnere da-
ran – waren wir alle wirklich sehr erschrocken, dass uns
wichtige Maßnahmen im KJP, die die Haushälter im letz-
ten Jahr erstritten hatten, fehlten, weil sie nicht vom Fi-
nanzministerium in den Haushaltsentwurf übernommen
wurden. Nach einem engagierten Einsatz der Haushäl-
ter – danke auch an Alois Rainer, an Michael Leutert und
Ekin Deligöz – konnten wir erreichen, dass wir wieder
Erfolge verkünden können. Wir Haushälter haben das
bereinigt. Ich liebe das Wort „bereinigt“. In der Berei-
nigungssitzung sorgten wir dafür, dass alle Kürzungen
für 2017 zurückgenommen wurden: 2 Millionen Euro für
Jugendverbände,


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


8 Millionen Euro für die Jugendmigrationsdienste und
15 Millionen Euro für die wichtigen C1-Sprachkurse für
besser gebildete Flüchtlinge.

Auch die Träger der freien Wohlfahrtspflege sind
über die Ergebnisse der Bereinigungssitzung sehr er-
freut; denn die Wohlfahrtsverbände vor Ort erhalten auch
weiterhin 2 Millionen Euro extra. Mit dem Bundespro-
gramm werden die Wohlfahrtsverbände für die Beratung
und Betreuung von Flüchtlingen und damit die wichtigen
Folteropferzentren auch zukünftig mit 6 Millionen Euro
mehr gefördert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein weiteres positives Signal im Bereich der Kinder-
und Jugendpolitik ist die Erhöhung für das Deutsch-Pol-
nische Jugendwerk um 1 Million Euro auf 6 Millionen
Euro. Nachdem wir den Bundesfreiwilligendienst bereits
im letzten Jahr sehr gestärkt haben, freue ich mich beson-
ders, dass wir nun auch die anderen Jugendfreiwilligen-
dienste gut ausstatten können, weil damit das ehrenamtli-
che Engagement der jungen Leute noch weiter gefördert
wird. Dazu wird die Kollegin noch etwas sagen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Angesichts der Radikalisierungstendenzen müssen
Jugendliche natürlich auch gestärkt und geschützt wer-
den. Daher werden die Mittel für das Bundesprogramm
„Demokratie leben!“ auf über 100 Millionen Euro ver-
doppelt. Ich denke, besser geht es kaum noch. Bereits bei
der ersten Beratung dieses Einzelplans konnten wir uns
auf eine Förderung von zusätzlich 100 Mehrgeneratio-
nenhäusern einigen, was dazu führt, dass wir jetzt bun-
desweit 550 wichtige Mehrgenerationenhäuser fördern.

Wir verabschieden heute einen Haushalt, der sich mei-
ner Meinung nach wirklich sehen lassen kann. Auch der
Opposition empfehle ich dringend, ihm zuzustimmen.
Die Opposition hat ja auch allen Anträgen, die wir vor-
gelegt haben, zugestimmt. Deswegen wundert es mich,
dass jetzt hier das große Messer herausgeholt wird, je-
denfalls von einer Oppositionsfraktion.


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ihr habt bei unseren Anträgen nicht mitgemacht! Das ist das Problem! Ihr hättet bei unseren Anträgen mitmachen müssen!)


Familien, Kinder und Jugendliche werden profitieren,
und der gesellschaftliche Zusammenhalt wird gestärkt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich lade Sie
ein: Stimmen Sie unserem Haushalt zu. Ich danke allen,
die an diesem Haushalt konstruktiv mitgearbeitet haben,
und bedanke mich sehr für die gute Zusammenarbeit
bei Alois Rainer, bei Michael Leutert, bei Ekin Deligöz,
beim ganzen Team des Ministeriums, und ich danke Ih-
nen, meine Damen und Herren, für Ihre geschätzte Auf-
merksamkeit.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820315700

Jörn Wunderlich hat als nächster Redner für die Frak-

tion Die Linke das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820315800

Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Ich hatte heute Morgen noch einen Bürger
in meinem Büro zu Gast. Wir kamen auch auf den Haus-
halt zu sprechen. Da sagte ich beiläufig: Heute steht noch
die Debatte zum Haushalt der Familienministerin auf der
Tagesordnung. – Daraufhin sagte er zu mir: Na, es gibt
doch Schlimmeres.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das ist wohl wahr!)


Dazu sage ich: Recht hat der Mann – es gibt Schlimme-
res.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: War das Herr Ramelow, oder wer war das?)


Gleichwohl müssen wir den Haushalt einmal unter die
Lupe nehmen – wir haben es ja jetzt mehrfach gehört –:

Ulrike Gottschalck






(A) (C)



(B) (D)


Dies ist der neuntgrößte Einzelplan. Er wurde aufge-
stockt um 400 Millionen Euro. Er umfasst jetzt 2 Milliar-
den Euro mehr als zu Beginn der Legislatur. – Es reicht
nicht aus, immer nur zu sagen: Wir geben mehr dafür
aus. – Wir müssen auch schauen, wofür. Es wird nicht
automatisch alles gut.

Es gibt positive Signale im Einzelplan 17; das will ich
gar nicht bestreiten. Unsere Forderungen hier im Hause
nach Rückgängigmachung der Kürzungen in der Jugend-
verbandsarbeit – das sind gar nicht einmal nur Forderun-
gen der Linken – sind in der Bereinigungssitzung, wie
bereits gesagt, umgesetzt worden – zum Glück, muss
man sagen.


(Beifall bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Mein Kollege Müller hat in der ersten Lesung des Ein-
zelplanes schon ausführlich ausgeführt, wie mit der Ju-
gendverbandsarbeit umgegangen wird. Das ist nun zum
Glück geändert worden. Wir wissen doch fraktionsüber-
greifend alle, welche Parteien in die Breschen springen,
die wir durch aufgegebene Jugendverbandsarbeit entste-
hen lassen. Ich gehe davon aus, dass wir alle in diesem
Haus solche Jugendarbeit nicht wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und der CDU/CSU)


Gut. Das wurde in der Bereinigungssitzung geklärt.

Was positiv zu erwähnen ist – auch das ist schon an-
gesprochen worden –, ist der Ausbau des Unterhaltsvor-
schusses als eines wichtigen Schrittes im Kampf gegen
Kinderarmut. Auf der Ministerpräsidentenkonferenz
wurde, wie schon gesagt, im Rahmen dieses Gesamtpa-
kets ein entsprechender Beschluss mit 16 : 0 gefasst. Es
ist auch im Kabinett beschlossen worden. Letzte Woche
sollte der betreffende Gesetzentwurf hier auf die Tages-
ordnung. Jetzt fehlt er immer noch im Parlament; er ist
zurückgezogen worden.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Das kann man alles erklären!)


Nach meiner Kenntnis blockt im Moment die CDU/
CSU-Fraktion – weil Kinderarmut vielleicht doch nicht
so ihr Thema ist –,


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Jetzt reicht es aber! Das ist eine unglaubliche Unterstellung! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


mit der Begründung: Diesen Gesetzentwurf bringen wir
wegen Schlampigkeit nicht ein. Jetzt frage ich mich: Was
ist dabei schlampig zu machen?


(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Eierkopp! Mann, Mann, Mann, Mann! – Manfred Grund [CDU/CSU]: Also, so was! Das ist eine unglaubliche Unterstellung!)


– Ja, Herr Grund passen Sie einmal auf: Ich ersetze die
Zahl 12 durch die Zahl 18. Ich erweitere die Bezugnahme
von Ziffer 1 und 2 auf Ziffer 3 und lasse den einen Para-
grafen entfallen, der das Ganze begrenzt.

Frau Schwesig hat ja auch schon auf die Finanzen ver-
wiesen.


(Zuruf des Abg. Paul Lehrieder [CDU/CSU] – Manfred Grund [CDU/CSU]: Da klatschen wir nie wieder!)


– Herr Grund, regen Sie sich doch nicht so auf. Meine
Güte! Lebenslanges Lernen – hören Sie zu!


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Das geht mich etwas an! Jede Gemeinheit geht mich etwas an!)


Man kann letztlich den Kommunen und den Ländern
noch Angebote machen im Rahmen dieser Verhandlun-
gen. Wesentlich ist, dass der Anspruch jetzt kommt. Alois
Rainer sagt ja auch: Bevor wir rückwirkend zahlen, zah-
len wir lieber nichts. – Das ist CDU-Politik.


(Beifall der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Wie sieht es mit der SGB-XIII-Reform aus? Dieses
Jahr sollte noch ein Referentenentwurf vorgelegt wer-
den, und das Gesetzesvorhaben soll noch in dieser Le-
gislaturperiode verabschiedet werden. Wir wissen doch
auch, dass bei dieser Reform, wenn sie nicht zulasten von
Kindern und Jugendlichen gehen soll, ordentlich Geld in
die Hand genommen werden muss. Aber diese Investiti-
onen finden sich im Haushalt nicht wieder. Oder geht es
doch nur darum, im Rahmen dieser Reform Gelder auf
Kosten der Qualität einzusparen? Das legten die diversen
Arbeitsentwürfe, die im Sommer kursierten, nahe. Um es
kurz zusammenzufassen: unterschiedliche Qualitätsstan-
dards nach Kassenlage der Länder.

Ebenso ist es beim Kitaausbau: Es kommt eben nicht
nur auf Quantität, sondern auch auf Qualität an. Früh-
kindliche Bildung ist ein Rädchen im Gesamtmechanis-
mus, um Kinderarmut zu verhindern. Hier ist der Bund
in der Verantwortung, um eine qualitativ gleichwertige
Betreuung und Bildung zu gewährleisten.


(Beifall bei der LINKEN und der SPD)


Das kann nicht auf Länder und Kommunen abgewälzt
werden. Letztlich wird es dann auf dem Rücken der Mit-
arbeiter ausgetragen.

Ich möchte etwas zitieren:

Dafür müssen wir auch weiterhin zusätzliche Ki-
ta-Plätze schaffen, da die Nachfrage der Eltern
steigt, mehr Kinder geboren werden und auch die
zu uns geflüchteten Kinder einen Kita-Platz zur
schnellen Integration benötigen. ... Daher werden
wir einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung
von Kita- und Grundschulkindern einführen – mit
finanzieller Beteiligung des Bundes und einer siche-
ren Entlastung der Kommunen. Wir wollen mehr in
die Qualität von Kitas und in qualifiziertes Personal
investieren. Durch ein bundesweites Qualitätsgesetz
wollen wir die Qualität der frühkindlichen Bildung
verbessern. Wir werden schrittweise die Kita-Ge-
bühren in Deutschland abschaffen.

Das ist aus dem SPD-Programmpapier „Fortschritt und
Gerechtigkeit – Chancen für alle“, verfasst im Vorgriff

Jörn Wunderlich






(A) (C)



(B) (D)


auf den nächsten Bundestagswahlkampf. Sind es wieder
nur Versprechungen, die dann aufgrund von Koalitions-
zwängen nicht gehalten werden können?

Wenn wir über ein Kitaqualitätsgesetz bundeseinheit-
lich frühkindliche Bildung intensiv fördern, die Arbeits-
bedingungen für die Beschäftigten und den Betreuungs-
schlüssel verbessern, die Elterngebühren entfallen lassen
und ein kostenloses Mittagessen gewährleisten wollen,
dann reichen die aufgeführten Investitionsprogramme
oder Sprachprogramme – bei allem Respekt vor diesen,
das muss man anerkennen – nicht aus. Aber im Haushalt
für 2017 findet sich das nicht wieder.

Die Haushaltsmittel aus dem Sondervermögen „Kin-
derbetreuungsausbau“ reichen eben nicht aus. Wenn wir
den Auftrag der frühkindlichen Bildung ernst nehmen,
dann kann sie nur beitragsfrei sein. Das ändert auch nichts
an der Wertschätzung von Kindertagesstätten, nach dem
Motto: „Was nichts kostet, kann nichts wert sein“; denn
dann wären unsere Schulen ja auch nichts wert.

Schlimm ist es auch, was die Frauenhäuser betrifft.
Traurig, dass sie erforderlich sind, aber das ist im Mo-
ment noch so. Die Linke fordert eine bundesweit einheit-
liche und bedarfsgerechte Finanzierung der Schutzhäuser
und Beratungsstellen für von Gewalt betroffene Frauen
ein.


(Beifall bei der LINKEN)


Es muss endlich eine Pflichtaufgabe von Bund, Ländern
und Kommunen sein, diese Einrichtungen personell und
finanziell in ausreichendem Maße zu finanzieren. Aber
auch dazu findet sich im Haushalt leider nichts. Wenn
man das Haushaltsgesetz elektronisch nach dem Wort
„Frauenhaus“ abscannt, gibt es null Treffer.


(Ulrike Gottschalck [SPD]: Ein bisschen was müssen die Länder auch noch leisten! – Signal am Rednerpult leuchtet auf)


– Machen Sie mich nicht nervös; ich bin gerade erst über
der Zeit.

Wir wollen den Menschen eine Zukunft ermöglichen,
in der sie frei von Sorgen vor Arbeitslosigkeit, Altersar-
mut oder Krankheit leben können. Damit müssen wir von
Anfang an beginnen, und dafür müssen wir auch Investi-
tionen tätigen. Das sind keine Kosten, sondern das ist gut
angelegtes Geld mit einer Dividende, die unbezahlbar ist,
nämlich glücklichen, zufriedenen Menschen in einer so-
zialen Gesellschaft. Daran können wir mitwirken. Aber
dafür müssen wir umdenken. Einige gute Ansätze sind
im Einzelplan 17 enthalten – unbestritten –, aber es fehlt
auch noch Etliches, und zwar Wichtiges.

Die Linke ist bereit, in die Zukunft dieses Landes, in
seine Menschen zu investieren, um eine gesicherte Zu-
kunft zu gewährleisten. Die Antwort dazu liefert der Ein-
zelplan 17 leider nur partiell. Schade!


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1820315900

Lieber Herr Kollege Wunderlich, es mag ja für den

einzelnen Redner immer wenig erscheinen, das kann ich

nachvollziehen. Aber wenn es sich summiert – alleine bei
dieser Debatte sind es 13 Minuten, und wir haben mehre-
re Haushalte –, sind wir ganz schnell bei Stunden.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Gnadenlos überzogen! Ich habe das Gefühl auch gehabt!)


Es werden alle gleichbehandelt. Jeder bekommt das Zei-
chen der Präsidentin, wenn die Redezeit überschritten
ist. Wenn es danach noch zu lange dauert, gibt es auch
eine Ermahnung der Präsidentin. – Jetzt hat die Kollegin
Nadine Schön für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nadine Schön (St. Wendel) (CDU/CSU):
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! In der letzten Haushaltsdebatte und auch
in den letzten Wochen haben wir angesichts politischer
Ereignisse auch in anderen Ländern viel über den Zu-
sammenhalt der Gesellschaft gesprochen. Wir stellen uns
die Frage: Wie sichern wir den gesellschaftlichen Zusam-
menhalt in einer Zeit, in der unsere Wirtschaft schnellen
Entwicklungen wie der Digitalisierung ausgesetzt ist, in
der es Terror und in vielen Ländern Krieg gibt, in der
die Welt globaler und komplexer geworden ist? Für viele
Menschen ist das nicht einfach. Wir wollen deshalb mit
diesem Haushalt ein besonderes Zeichen setzen, dass uns
der Zusammenhalt der Gesellschaft wichtig ist. Das fängt
bei der kleinsten Zelle der Gesellschaft an, nämlich der
Familie. Denn geht es den Familien in unserem Land gut,
dann geht es auch der Gesellschaft gut.

Deshalb fördern wir mit unserem Haushalt in nie zu-
vor dagewesener Höhe Familien in ihrem tagtäglichen
Leben und Zusammenleben. Das fängt beim Finanziellen
an; denn wirtschaftliche Sicherheit und Stabilität sind die
Grundlage eines guten Familienlebens.

Die Mittel für das Elterngeld steigen um 200 Millio-
nen Euro auf über 6,4 Milliarden Euro.

Wir haben den Kinderzuschlag zum 1. Juli erhöht, und
er wird zum 1. Januar noch einmal erhöht. Der Kinderzu-
schlag ist für Familien, die arbeiten, sehr wichtig, damit
sie nicht wegen der Kinder in Hartz IV fallen. Das ist
ein wichtiges Signal an alle, gerade an die Familien, de-
ren Einkommen knapp oberhalb der Hartz-IV-Schwelle
liegt und die es wirklich besonders schwer haben, weil
die Eltern arbeiten, weil sie jeden Morgen aufstehen, ihre
Kinder zum Kindergarten, zur Schule bringen, dann zur
Arbeit fahren und diesen Spagat tagtäglich leisten müs-
sen – und das bei geringem Einkommen. Deshalb ist es
wichtig, dass wir den Kinderzuschlag deutlich angeho-
ben haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben das Kindergeld und den Kinderfreibetrag in
dieser Legislaturperiode erhöht, auch den Freibetrag für
Alleinerziehende.

Was heute in der Debatte schon öfter genannt wur-
de: Auch der Unterhaltsvorschuss ist uns ein wichtiges
Anliegen. Marcus Weinberg wird nachher noch darauf
eingehen. Herr Wunderlich, nur zwei Sätze. Wenn man
so eine Reform macht, ist es natürlich wichtig, dass sie

Jörn Wunderlich






(A) (C)



(B) (D)


gut vorbereitet und auch besprochen ist. Das betrifft die
Finanzierung, und das betrifft die Umsetzung. Sie sagen:
Da sind nur zwei Ziffern im Gesetz zu ändern. – Das ist
wirklich ein Hohn.


(Zuruf des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


Wichtig ist, dass das, wenn wir es ins Gesetz schreiben,
vor Ort auch umzusetzen ist. Wenn sich die Zahl der An-
tragsteller durch die Änderung verdoppelt, dann heißt
das, dass wir in den Kommunen doppelt so viele Leute
brauchen, die diese Fälle bearbeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Jörn Wunderlich [DIE LINKE])


Da sitzen ja nicht Leute, die nur darauf warten, dass sie
endlich mal Arbeit bekommen und Anträge bearbeiten
können, sondern Personal muss eingestellt werden. Die
Anträge müssen bearbeitet werden. Deshalb gehen wir
davon aus, dass Bundesregierung und Länder gemeinsam
zu einem Konzept finden, das genau das ermöglicht.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Jetzt ist aber gut!)


– Bitte?


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Jahrelang spart ihr Personal ein, und dann beschwert ihr euch! – Widerspruch bei der CDU/CSU – Alois Rainer [CDU/CSU]: Da sind die Kommunen zuständig!)


– Das ist noch einmal typisch Linke. Sie sagen, dass wir
Personal einsparen. Der Unterhaltsvorschuss wird in den
Kommunen vor Ort bearbeitet und nicht vom Bund.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das heißt, selbst wenn wir im Familienministerium noch
100 Menschen einstellen würden, dürften die nicht die
Anträge zum Unterhaltsvorschuss bearbeiten.


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!)


Das ist Föderalismus. Deshalb muss man alles, was man
hier ankündigt, proklamiert und mit stolzgeschwellter
Brust ins Gesetzblatt schreiben will, so machen, dass es
vor Ort umgesetzt werden kann, und daran arbeiten wir.

Wir verbessern die Vereinbarkeit von Familie und Be-
ruf dadurch, dass wir die Betreuungsinfrastruktur weiter
ausbauen. Wir haben mehr Kitaplätze. Wir haben bessere
Kitaplätze. Wir haben die Sprachprogramme in den Kin-
dergärten. Ich bin sehr froh, dass wir mit der Änderung
beim Kitasprachprogramm jetzt endlich auch die Kitas
im ländlichen Raum erreichen, die bisher nur sehr schwer
zu erreichen waren.


(Beifall der Abg. Ingrid Pahlmann [CDU/ CSU])


Mit dem Elterngeld Plus schaffen wir Zeit für Famili-
en, und auch das ist wichtig.

Insgesamt fördern wir mit diesen Maßnahmen die Fa-
milie als kleinste Zelle der Gesellschaft und fördern so-
mit das gesellschaftliche Miteinander.

Miteinander wird aber auch an anderer Stelle gelebt.
Damit spreche ich das Miteinander der Generationen an,
das Miteinander in der Bevölkerung. In vielfältiger Wei-
se tritt man selbstverständlich, oft auch ehrenamtlich,
füreinander ein, hilft sich gegenseitig dort, wo es fehlt,
ist man ehrenamtlich füreinander da.

Stichwort „Jugendverbände“. Hier wird genau das
gelebt. In Jugendverbänden engagieren sich Jugendliche
ehrenamtlich, engagieren sich auch Erwachsene für Ju-
gendliche. Deshalb ist es total richtig, dass wir die Mit-
tel für die Jugendverbände in den letzten Jahren immer
aufgestockt haben. Wir haben im letzten Haushalt 2 Mil-
lionen Euro draufgelegt, und wir haben das im parla-
mentarischen Verfahren zu diesem Haushalt noch einmal
gemacht. Es ist sehr schade – da gebe ich Ihnen recht –,
dass das nicht bereits im Regierungsentwurf stand. Aber
wir haben es gemeinsam geschafft, die Gelder noch ein-
mal aufzustocken. Das haben die Jugendverbände ver-
dient; denn hier wird wirklich großartige Arbeit geleistet.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir fördern die politischen Jugendorganisationen mit
1,5 Millionen Euro und unterstützen so, dass sich junge
Menschen politisch engagieren. Was mir besonders am
Herzen liegt, ist der Bundesfreiwilligendienst, bei dem
sich Menschen jeder Generation für andere engagieren
können. Hier investieren wir rund 200 Millionen Euro.
Bei den normalen Freiwilligendiensten investieren wir
rund 92,6 Millionen Euro. Auch da geht es um Engage-
ment, insbesondere von Jugendlichen, aber auch über
die Generationen hinweg. Das ist gelebtes Miteinander
ebenso wie bei den Mehrgenerationenhäusern, wo wir
die Mittel verstetigen und zusätzliche Häuser einrich-
ten. Überall dort wird Demokratie, wird Gemeinschaft,
gesellschaftlicher Zusammenhalt gelebt. Deshalb ist es
wichtig und gut, dass wir an diesen Stellen den Schwer-
punkt unserer Förderung setzen.

Das Stichwort „Extremismusprävention“ ist oft ge-
nannt worden. Wir haben dafür über 100 Millionen Euro
in den Haushalt eingestellt. Ich will einen Punkt erwäh-
nen, der mir sehr wichtig ist: Es ist gut, wenn wir vor
Ort tätig sind. Aber wir alle wissen, dass Extremismus,
dass Radikalisierung, dass Gewalt zunehmend auch im
Netz stattfinden. Deshalb ist mir wichtig, dass von den
100 Millionen Euro möglichst viel Geld in Angebote im
Netz fließt; denn im Internet entsteht Radikalität, entsteht
Hass. Über das Stichwort „Hate Speech“ diskutieren wir
in diesen Tagen viel. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns
mit diesen Programmen zur Extremismusprävention auf
das Internet konzentrieren und mit unseren Angeboten
die Menschen erreichen, die sich im Netz bewegen. Wir
müssen dafür Sorge tragen, dass mit diesen Geldern Mo-
delle entwickelt werden, um Extremismus im Netz zu be-
kämpfen, aber auch Modelle, wie man lernt, Zivilcoura-
ge im normalen Leben wie auch im Netz zu zeigen. Das
ist gar nicht so einfach. Das erfordert Mut. Das erfordert,
dass wir die Augen nicht zumachen, sondern hinsehen,
Lösungsstrategien entwickeln und die Menschen stark
machen.

Ich will vom Internet nicht nur als bösen Ort sprechen,
wo viel Schlimmes passiert; das Internet bietet auch

Nadine Schön (St. Wendel)







(A) (C)



(B) (D)


Chancen. Das Netz ist ein Ort, an dem man auch Hilfe
findet. Deshalb bin ich sehr froh, dass wir mit diesem
Haushalt neue Projekte fördern können. Meine Berliner
Kollegin Christina Schwarzer hat sich unter anderem
sehr für das Projekt gewaltlos.de eingesetzt, ein Angebot
im Internet, wo Mädchen und Frauen, die von häuslicher
Gewalt betroffen sind, Hilfe bekommen, wo sie sich mit
Experten austauschen können, ein Chat, der rund um die
Uhr zur Verfügung steht. Es ist wichtig, dass wir diese
Angebote im Netz ausbauen. Ich bin sehr dankbar, dass
wir in diesem Haushalt gewaltlos.de erstmalig mit einer
guten Summe fördern. Das gilt auch für [U25], die On-
lineberatung für suizidgefährdete Jugendliche. All das
brauchen wir viel mehr als bisher; denn Jugendliche be-
wegen sich tagtäglich im Netz. Wir müssen mit unseren
Hilfs- und Unterstützungsangeboten dort sein, wo sich
die Jugendlichen bewegen, und deshalb brauchen wir
verstärkt Angebote im Netz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin dankbar,
dass wir das mit diesem Haushalt realisieren. Wir för-
dern damit den gesellschaftlichen Zusammenhalt in der
Familie, aber auch in der Zivilgesellschaft. Ich danke
für die guten Beratungen und auch dafür, dass wir in den
Haushaltsberatungen vieles erreichen konnten. Ich danke
Ihnen für die konstruktive Arbeit, die wir nicht nur in den
letzten Wochen, sondern das ganze Jahr über gemeinsam
geleistet haben – für die Familien in unserem Land und
für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820316000

Vielen Dank, Nadine Schön. – Schönen Nachmittag,

liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt haben Sie es eine
Weile mit mir zu tun.


(Heiterkeit)


In diesem Sinn gebe ich das Wort an Dr. Franziska
Brantner für Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und
Herren! Wir haben jetzt oft gehört, wie sehr wir es feiern,
dass es in diesem Einzelplan einen Aufwuchs gibt. Ich
möchte doch darauf hinweisen, dass der größte Batzen
davon auf eine gesetzliche Leistung zurückzuführen ist.


(Nadine Schön [St. Wendel] [CDU/CSU]: Die aber gut ist!)


– Sie ist auch gut, und wir tragen sie mit. Trotzdem ist
der Aufwuchs nicht unbedingt das Verdienst einer Mi-
nisterin, sondern eher all der Kinder, die in diesem Land
geboren sind, und der Väter, die sich entschieden haben,
mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Es ist eine
gesetzliche Leistung. Belassen wir es doch einfach bei
den Fakten. Dann ist es immer noch etwas Positives; aber
man muss es nicht hochjubeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Na ja, ein bisschen Euphorie kann nicht schaden!)


Sie alle haben erwähnt, dass im Nachhinein – darü-
ber sind wir sehr froh – doch wieder mehr Mittel für Ju-
gendmigrationsdienste und die entsprechenden Verbände
in den Haushalt aufgenommen wurden. Ich muss sagen,
ich finde es erst mal ganz schön krass, dass diese Mittel
vorher herausgestrichen worden sind. Wo ist denn da die
starke Ministerin, die Herrn Schäuble klar sagt: „Sorry,
aber die Jungendmigrationsdienste brauchen die Gelder
für ihre Arbeit, die gerade in diesen Zeiten extrem wich-
tig ist“? Gut, dass wir es geschafft haben, die Mittel wie-
der aufzunehmen.

Erlauben Sie mir eine Anmerkung zum Unterhaltsvor-
schuss. Wir stehen da inhaltlich komplett an Ihrer Seite.
Frau Gottschalck, Sie haben es erwähnt: Wir müssen in al-
len Ländern daran arbeiten, weil bis jetzt noch kein Land
zugestimmt hat. Von daher sind wir alle in der Pflicht,
uns dafür einzusetzen. Egal ob Ramelow, Kretschmann
oder wie sie alle heißen, wir werden gemeinsam daran
arbeiten müssen. Aber wir müssen festhalten, dass jetzt
Ende November ist, in fast allen Ländern die Haushalte
verabschiedet sind und es für sie extrem schwierig ist,
das jetzt noch hinzubekommen. Die zeitliche Verzöge-
rung war nicht notwendig, und das fällt schon auf diese
Regierung zurück.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Gottschalck [SPD]: Sie wissen es doch! Sie haben es doch im September selber verhandelt! Dann muss es auch in ihren Haushalten stehen!)


Frau Schön, vorhin wurde erwähnt, dass es doppelt so
viele Anträge auf Unterhaltsvorschuss geben wird. Das
ist ja nicht wahr. In den meisten Fällen kann der Bezug
weiterlaufen; das ist genau der Punkt. Es geht darum,
dass man den Bezug nicht unterbricht und sagt: Jetzt ist
Ihr Kind aber leider zu alt, deswegen gibt es kein Geld
mehr. – Man braucht keinen neuen Antrag zu stellen,
sondern der Bezug läuft weiter.


(Ingrid Pahlmann [CDU/CSU]: Er muss trotzdem bearbeitet werden!)


Deswegen ist es nicht korrekt, zu sagen, dass sich die
Zahl der Anträge verdoppelt. Man muss aufpassen, wel-
che Zahlen man da benutzt.

Trotzdem müssen sich die Kommunen natürlich da-
rauf einstellen. Deswegen kritisieren wir, dass es erst so
spät zu einer Regelung kommt. Aber auch dort gilt: Blei-
ben wir bei den Fakten! Gehen wir die Punkte wirklich
an! Schauen wir, was da bezogen auf den Bundeshaus-
halt möglich ist, und geben wir damit ein klares Signal
an die Länder! Man kann auch in einem Gesetz festlegen,
dass die Kosten nicht mehr im Verhältnis zwei Drittel
zu einem Drittel verteilt werden, sondern im Verhältnis
50 : 50. Man kann auch kreativ sein und sich überlegen:
Wie können wir die Länder bis 2020 auch da entlasten?


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrike Gottschalck [SPD]: Wir haben jetzt langsam genug entlastet!)


Nadine Schön (St. Wendel)







(A) (C)



(B) (D)


– In den Vereinbarungen steht ja nichts zur Finanzierung;
da sind wir uns wohl alle einig. Da steht: „Wir wollen das
machen“; aber es steht kein Satz zur Finanzierung drin.
Das ist ja, wie wir jetzt alle erkennen, das Manko. Man
hätte das damals verhandeln sollen. Vielleicht wurde es
ja auch hinter verschlossenen Türen mitverhandelt; aber
es steht eben nicht drin. Das ist natürlich ein Problem.

Erlauben Sie mir, noch ein Thema anzusprechen, das
uns sehr wichtig ist und zu dem wir auch Anträge ge-
stellt haben. Uns geht es darum, wie wir die Kinder und
Jugendlichen, die in den letzten Monaten zu uns gekom-
men sind, wirklich integrieren und wie wir es den Kitas
und Schulen ermöglichen, sich darauf einzustellen und
gut damit umzugehen. Denn es ist nicht immer einfach,
wenn in der Kita oder in der Schule auf einmal eine grö-
ßere Vielfalt da ist, wenn andere Sprachen gesprochen
werden, wenn Kinder da sind, die Schwieriges erlebt und
durchgemacht haben. Wir möchten Gelder zur Verfügung
stellen, um den Erzieherinnen und Erziehern, den Lehre-
rinnen und Lehrern dabei zu helfen, mit dieser schwieri-
gen Situation umzugehen, und zu ermöglichen, Vielfalt
vor Ort so zu leben, dass es ein Gewinn für uns alle wird.
Dafür fordern wir in unseren Anträgen 125 Millionen
Euro. Schade, dass Sie nicht zugestimmt haben!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine Sache, die wir Grüne schon lange thematisiert
haben: Der Bund hatte die Gelder für die Betreuung wäh-
rend der Integrationskurse gestrichen. Das war absolut
bescheuert, weil es dazu geführt hat, dass viele Mütter
de facto nicht an den Integrationskursen teilgenommen
haben. Jetzt wird das zum Teil rückgängig gemacht. Aber
aus welchem Topf kommt das Geld? Aus dem Topf mit
den Kitageldern, die eigentlich für die Flexibilisierung
der Öffnungszeiten gedacht sind. Ich finde es schade,
dass wir dieses Geld, das notwendig ist – es braucht eine
Betreuung während der Integrationskurse –, aus diesem
Topf nehmen und nicht extra zur Verfügung stellen. Das
heißt, ein Fehler wird korrigiert, aber mit einem neuen
Fehler. Schade, dass man es hier nicht richtig gemacht
hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ganz zum Schluss jetzt mal kein Haushaltsthema. Ich
hoffe, dass wir da als Kinder- und Familienpolitiker viel-
leicht gemeinsam etwas gestalten können. Wir alle haben
die Bilder und Nachrichten aus Syrien aus den letzten
Tagen vor Augen. Es gibt kein einziges funktionierendes
Krankenhaus mehr in Aleppo. In vielen Städten stehen
insgesamt 1 Million Menschen unter Belagerung. Und
wir haben es immer noch nicht ermöglicht, dass die Sy-
rer, die hier in Deutschland sind, ihre Kinder nachholen
können. Sie müssen zwei Jahre warten, bis sie einen
Antrag stellen dürfen, dass ihre Kinder nachkommen
können. Wenn wir diesen Krieg schon nicht verhindern
können, könnten wir dann nicht wenigstens gemeinsam
dafür sorgen, dass die Kinder aus dieser Hölle heraus-
kommen? Können wir da nicht eine Veränderung auf den
Weg bringen? Ich finde, das wäre im Sinne der christli-
chen Vorweihnachtszeit angebracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820316100

Vielen Dank, Franziska Brantner. – Die nächste Red-

nerin: Svenja Stadler für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Svenja Stadler (SPD):
Rede ID: ID1820316200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Wir sprechen heute über den Haushaltsplan
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend. Dieses Ministerium ist übrigens auch das
federführende „Engagementministerium“.

Wissen Sie, ich wurde durch die Kirche sozialisiert.
Als junges Mädchen habe ich in unserer Kirchengemein-
de Kinder- und Jugendkreise geleitet, Familienfreizeiten
betreut, und ich war Ansprechpartnerin in der Kinder-
und Jugendseelsorge. In dieser Zeit ist mir eines sehr
deutlich geworden – ich habe es sozusagen selbst erfah-
ren –: Wer anpackt, will auch mitbestimmen. Dieser Satz
drückt aus, dass Menschen, die sich für das Gemeinwe-
sen einsetzen, einen Mitgestaltungsanspruch einfordern.
Sie wollen aktiv gestalten. Mich persönlich macht es
sehr stolz, zu sehen, wie sich Menschen für Menschen
einsetzen – eigensinnig, freiwillig und unentgeltlich. Sie
beweisen nicht nur Mitgefühl, sondern auch Vertrauen in
unsere freien demokratischen Werte.


(Beifall bei der SPD)


Wer anpackt, will auch mitbestimmen. Dieser Satz drückt
auch aus, welche Bedeutung bürgerschaftliches Engage-
ment für unsere Gesellschaft, für unsere Demokratie hat.
All den Millionen in Deutschland bürgerschaftlich Enga-
gierten möchte ich an dieser Stelle danken: Danke, dass
es Sie gibt, danke für Ihren Einsatz.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit dem Haushalt zum Einzelplan 17 senden wir ein
starkes Signal an die aktive Zivilgesellschaft. Wir er-
höhen die Mittel für die Mehrgenerationenhäuser um
3,5 Millionen Euro. Das heißt, zukünftig können rund
550 Einrichtungen gefördert werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir schreiben die Erhöhung der Mittel für die Jugend-
verbände in Höhe von 2 Millionen Euro und die für die
Jugendmigrationsdienste in Höhe von 8 Millionen Euro
fort. Wir stellen zusätzliche Mittel für die Wohlfahrtsver-
bände zur Verfügung. Ihr besonderes Potenzial liegt in
der Verknüpfung von Haupt- und Ehrenamt. Ihre Arbeit
ist daher unschätzbar wertvoll. Wir verdoppeln die Gel-
der für das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ auf
über 100 Millionen Euro für das Jahr 2017. Damit för-
dern wir Demokratiezentren, kommunale Partnerschaf-
ten für Demokratie und zivilgesellschaftliche Organisa-
tionen in ihrer Arbeit für Demokratieförderung und die
Prävention von Extremismus. Denn Demokratie ist nicht
selbstverständlich. Am Bestand der Demokratie gilt es

Dr. Franziska Brantner






(A) (C)



(B) (D)


unablässig zu arbeiten. Demokratie muss immer wieder
erläutert, erlernt und erfahren werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Demokratie kann mitunter nerven, ja, und sie kann
auch anstrengend sein; aber ohne sie wären wir unfrei
und der Willkür von Macht bedingungslos ausgeliefert.

Was mir besonders am Herzen lag, war der Ausbau der
Jugendfreiwilligendienste. Gerade deshalb freut es mich
umso mehr, dass es gelungen ist, die Mittel für das Frei-
willige Soziale Jahr um 2 Millionen Euro zu erhöhen. Für
das Freiwillige Ökologische Jahr und den Internationalen
Freiwilligendienst gibt es zusätzlich jeweils eine halbe
Million Euro. Warum diese Form des bürgerschaftlichen
Engagements besondere Aufmerksamkeit verdient? Be-
stimmt konnte jeder von Ihnen, liebe Kolleginnen und
Kollegen, in seinem Wahlkreis oder in einem anderen
Zusammenhang mit jungen Menschen zusammentref-
fen, die einen Freiwilligendienst absolvieren oder ab-
solviert haben. Wenn ja, dann wissen Sie, warum wir
uns so massiv für die Mittelerhöhung eingesetzt haben:
Junge Menschen, die einen Freiwilligendienst gemacht
haben oder machen, sind in vielen Fällen der Inbegriff
von Mitgliedern einer aktiven Bürgerschaft. Dabei spielt
es kaum eine Rolle, ob sie sich in einem Pflegeheim, in
der Flüchtlingshilfe oder in einem Kindergarten engagie-
ren. Sie wollen anpacken, sie wollen mitbestimmen, sie
wollen mitreden, sie wollen sich einmischen – sie wollen
unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Sylvia Pantel [CDU/CSU])


Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit ist es, die das
Beste in diesen jungen Menschen hervorholt, sie dazu
bringt, sich noch mehr als vorher für die Menschen um
sie herum zu interessieren und sich für sie einzusetzen.
Diese Erfahrung ist es, die in vielen Fällen aus Freiwilli-
gendienstleistenden und anderen Engagierten echte Stüt-
zen für unsere Gesellschaft macht. Aber dafür braucht es
handfeste Unterstützung. Diese haben wir, wie ich finde,
mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf geleistet. Dafür
möchte ich mich an dieser Stelle ganz besonders bei un-
serer Haushälterin Ulrike Gottschalk, aber auch bei ihren
Mitstreiterinnen und Mitstreitern bedanken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, der Einzelplan 17 bietet uns die
besten Voraussetzungen, die moderne Politik für unsere
Gesellschaft fortzusetzen; denn wir bieten mehr jungen
Menschen die Gelegenheit, Engagement, Beteiligung
und Selbstwirksamkeit aus erster Hand zu erfahren. Wir
unterstützen die bunte und solidarische Zivilgesellschaft
sowie die Engagierten in unserem Land. Wir stärken auf
diesem Weg die Selbstheilungskräfte der demokratischen
Gesellschaft gegenüber antidemokratischen Tendenzen,
damit unsere Gesellschaft das bleibt, was sie heute ist:
engagiert, solidarisch und weltoffen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820316300

Vielen Dank, Svenja Stadler. – Der nächste Redner:

Marcus Weinberg für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1820316400

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-

nen und Kollegen! Frau Brantner, ein bisschen Eupho-
rie müssen Sie uns heute schon gönnen. Sie haben Ihre
heimliche Liebe zur Großen Koalition ja in Ihrer Beklei-
dung ausgedrückt: in Schwarz und Rot.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Herz schlägt grün! Das reicht doch!)


Ich glaube, es ist wichtig, in einer Haushaltsdebatte
Folgendes zu sagen: Die wesentliche Botschaft für die
Nachkommenden, für die Kinder und Jugendlichen, ist,
dass wir keine neuen Schulden machen. Das ist das beste
Ergebnis für die Kinder und Jugendlichen. Damit eröff-
nen wir Handlungsspielräume und Gestaltungsspielräu-
me; denn die Familienpolitik muss sich weiterentwi-
ckeln, weil sich die Familien weiterentwickeln, weil die
Vielfalt an Familien sich ändert. Deshalb brauchen wir
dringend Gestaltungsspielräume, und zwar für große
Maßnahmen – ich darf daran erinnern, dass wir 6,4 Milli-
arden Euro für das Elterngeld ausgeben, also noch einmal
400 Millionen Euro mehr; dieses Geld muss da sein –,
aber auch für wichtige kleine Maßnahmen – ich schaue
unseren Haushaltspolitiker Alois Rainer an –, die wir
durchgesetzt haben, weil uns diese Themen wichtig sind.
Diesen Gestaltungsspielraum müssen wir uns erhalten.
Deshalb ist eine Neuverschuldung von null richtig und
wichtig.

Weil alle Zahlen präsentieren, tue ich das jetzt auch –
wir haben die Erhöhung schon angesprochen –: 420 Mil-
lionen Euro mehr als 2016, 327 Millionen Euro mehr
als im Entwurf – wir haben also gut nachverhandelt –;
insgesamt sind es 9,5 Milliarden Euro. Wenn ich zurück-
schaue, stelle ich fest, dass wir 2005 4,5 Milliarden Euro
im Haushalt hatten. Wir haben den Haushalt also mehr
als verdoppelt. Natürlich zählt nicht nur das Geld. Nein,
wir haben auch spezifiziert. Unsere Maßnahmen sind
zielgenauer. Wir schauen: Was brauchen Familien? Wo
brauchen sie mehr Freiheit? Wir sagen: Das Elterngeld
war eine zentrale Maßnahme, die zielgenau ist. – Ich
komme nachher noch zum Unterhaltsvorschuss; Herr
Wunderlich, keine Angst, ich habe Sie nicht vergessen.
Wichtig ist die Botschaft, dass wir von der Großen Koa-
lition es geschafft haben, mit diesem Haushalt die Teilha-
be, die Selbstständigkeit der Familien zu stärken, damit
sie ihre Fähigkeiten entfalten können. Im Hintergrund
aller Maßnahmen steht, dass wir die Freiheit der Fami-
lie gewährleisten wollen. Wir, der Staat bzw. der Nacht-
wächterstaat muss dann eingreifen, wenn es notwendig
ist; aber im Kern müssen wir Familien in ihrer Freiheit

Svenja Stadler






(A) (C)



(B) (D)


stärken. Das heißt, wir brauchen eine gerechte und soli-
darische Gesellschaft.

Damit bin ich bei der Zielgenauigkeit und den Fragen
nach Gerechtigkeit und Solidarität. Herr Wunderlich, wir
als Union haben immer gesagt – CDU und CSU haben
dazu schon vor Jahren auf ihren Parteitagen Beschlüs-
se gefasst –: Der Unterhaltsvorschuss muss ausgeweitet
werden. Dazu stehen wir auch heute ganz klar, weil das
für uns ein wichtiges Thema ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Deswegen habt ihr es auch jahrelang immer wieder abgelehnt im Ausschuss und im Plenum! – Gegenruf der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU]: Aber es muss auch praktisch sein in der Umsetzung für die Kommunen!)


Auch aus unserer Sicht ist es ein gesellschaftlicher Skan-
dal, dass über 70 Prozent der Partner – in der Regel sind
das Männer – sich aus dem Staub machen und nicht für
den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen. Daran müssen
wir arbeiten. Wir müssen dafür sorgen, dass die Rückhol-
quote erhöht wird. Eine Rückholquote zwischen 11 bis
36 Prozent ist auch ein Skandal. Auch daran muss gear-
beitet werden, und das werden wir tun.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Wunderlich, jetzt reden wir einmal über Politik-
verdrossenheit in diesem Land. Sie erklären uns hier, das
sei ganz einfach, man müsse nur die „12“ streichen und
stattdessen eine „18“ einfügen.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Seit elf Jahren hättet ihr an der Problematik arbeiten können!)


Nein, Politik ist etwas komplexer. Ich sage es Ihnen ganz
deutlich: Sie sehen die „begeisterten“ Ländervertreter.
Richtig ist: Es fand eine Sitzung des Koalitionsausschus-
ses statt, und es gibt einen Beschluss der Länder und des
Bundes, den Unterhaltsvorschuss auszuweiten. Deswe-
gen stehen die Länder genauso in der Verantwortung wie
der Bund.

Aber eines ist uns wichtig: Was ich nicht möchte und
was wir nicht möchten – das wurde unter dem Begriff der
Erwartungshaltung angesprochen –, ist, dass irgendwann
ein schlechtgelaunter Mitarbeiter eines Jugendamtes ei-
ner mit einer gewissen Erwartungshaltung ausgestatteten
Alleinerziehenden sagen muss: Ich habe eine deutlich
erhöhte Zahl von Anträgen zu bearbeiten – wenn es viel-
leicht nicht die doppelte Zahl ist, Frau Brantner –; bis
dein Antrag bearbeitet ist, dauert es vielleicht zwei, drei
oder vier Monate. – Dann kommt nämlich eine bestimm-
te Stimmungslage auf, und es heißt: Die da in Berlin ha-
ben es zwar groß angekündigt; aber um die Umsetzung
haben sie sich nicht gekümmert. – Es ist wichtig, dass
wir bei allen noch so guten und richtigen Maßnahmen,
die wir ergreifen, klare Strukturen schaffen und sowohl
die Finanzierung als auch die Umsetzung gut vorberei-
ten. Deswegen ist uns am Ergebnis eines wichtig: Dieser
Schritt wird kommen. Bei allem Respekt: Alois Rainer
hat nie gesagt, dass es nicht zum 1. Januar nächsten Jah-
res kommt. Das Geld kann allerdings auch nachgezahlt

werden; das ist uns wichtig. Wir müssen aber darauf ach-
ten, dass die Kommunen in der Lage sind, diese Maßnah-
me umzusetzen, und darauf werden wir tunlichst achten.

Wir werden die Länder bei den nächsten Gesprächen
bitten, eigene Angebote zu machen. Ich weiß ja nicht,
was Thüringen empfohlen hat. Thüringen hätte den Un-
terhaltsvorschuss auch von sich aus schon lange auswei-
ten können. Ich weiß nicht, warum das nicht passiert ist;
aber das können Sie ja interpretieren.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das hätten Sie doch auch längst machen können, wenn das schon jahrelang Beschlusslage ist! Aber nichts ist passiert, Herr Weinberg!)


Ich finde, es ist schon ein skandalöser Vorwurf, wir –
gemeint sind die CDU/CSU und die Große Koalition –
würden nichts für Alleinerziehende tun. Allein der Aus-
bau der Kindertagesbetreuung ist für Alleinerziehende
ein zentraler Punkt; denn damit eröffnen wir ihnen die
Möglichkeit, wieder in die Erwerbstätigkeit zu kommen.
Außerdem haben wir den Entlastungsbetrag deutlich er-
höht. Dieser Schritt kam zehn Jahre zu spät – das ist si-
cherlich richtig –; aber die Erhöhung von 1 308 Euro auf
1 908 Euro war in diesem Zusammenhang ein richtiges
und wichtiges Signal. Das heißt, wir kümmern uns um
die Familien.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will noch einmal ausdrücklich betonen: Dabei dis-
kutieren wir nicht darüber, wie die Familien leben. Die
Menschen, die morgens aufstehen, ihre Kinder in die Kita
oder Schule bringen, den ganzen Tag hart arbeiten, ihre
Kinder abholen, sich um ihre Kinder kümmern und dann
möglicherweise noch ehrenamtlich beim Fußballverein
oder bei der Flüchtlingshilfe aktiv sind, sind diejenigen,
für die wir Politik machen. Das sind die Familien, die wir
stärken. Ob sie verheiratet sind, alleinerziehend sind oder
ohne Trauschein zusammenleben, hat dabei nicht oberste
Priorität, sondern es geht darum, diejenigen zu stärken,
die etwas für Kinder und für diese Gesellschaft tun. Der
Haushalt spiegelt das auch deutlich wider.

Ein Hauptpunkt ist natürlich das Elterngeld. Es ist
eine Erfolgsgeschichte. Hierfür stellen wir 6,4 Milliar-
den Euro und damit 400 Millionen Euro zusätzlich zur
Verfügung. Das ist viel, viel Geld. Aber das Ergebnis ist
durchaus positiv. Dass der Herr Staatssekretär im Finanz-
ministerium immer unterschreiben muss, wenn von uns
wieder einmal ein bisschen mehr gefordert wird, macht
uns natürlich glücklich; denn das heißt, dass in Deutsch-
land mehr Kinder zur Welt kommen. Auch das war ein
Punkt, der uns immer wichtig war.

Ich will auf zwei, drei weitere wichtige Punkte zu
sprechen kommen, sowohl auf das Elterngeld und das
Elterngeld Plus als auch auf das Programm „KitaPlus“.
Viele Eltern, gerade solche, die wie ein Polizist im
Schichtdienst tätig sind – das war immer ein Problem –,
haben uns gefragt: Wie soll ich denn abends die Kinder-
betreuung mit meiner Arbeit vereinbaren? – Mit dem
Programm „KitaPlus“ zeigen wir ganz deutlich: Wir wis-
sen, wo eure Probleme sind; jetzt habt ihr punktuell und
temporär mehr Möglichkeiten. – Auch der Ausbau der

Marcus Weinberg (Hamburg)







(A) (C)



(B) (D)


Kindertagesbetreuung war, wie ich glaube, mit Blick auf
die Zukunft ein sehr wichtiger Schritt.

Die Politik wird sich verändern müssen, und auch die
Familienpolitik wird sich verändern müssen. Es geht da-
bei insbesondere um die Frage: Wie können wir Familien
mit Kindern stärken, zum Beispiel unter steuerrechtli-
chen Gesichtspunkten oder bei der Zielgenauigkeit von
Leistungen? Wir müssen uns die Effizienz der Leistun-
gen anschauen; auch das wird eine Aufgabe der nächsten
Jahre sein. Hinzu kommt die Schnittstellenproblematik.
Es gibt, wie Sie wissen, deutlich mehr als 156 familien-
und ehepolitische Leistungen. Wir werden uns fragen
müssen: Welche Leistung hat eigentlich welchen Mehr-
wert, und wo kommt das Geld zielgenau an? Was den
Unterhaltsvorschuss angeht, habe ich gesagt: Er ist eine
der zielgenauesten Leistungen, die es gibt. Aber auch
andere Leistungen müssen überprüft werden. Wir wer-
den uns auch Gedanken darüber machen müssen, welche
Erwartungshaltung Familien haben. Ein Beispiel ist die
selbstgenutzte Wohnimmobilie. Es geht nicht nur darum,
dass wir sagen: Das ist für Familien gut. – Vielmehr ist es
auch mit Blick auf die Alterssicherung denkbar, dass wir
hier weitere Vorschläge erarbeiten.

Nun noch einmal zu den Geldern für Jugend und Prä-
vention. Es ist richtig: Wir haben wahrgenommen – das
fanden wir negativ –, dass wir in dem von der Bundes-
regierung eingebrachten Haushaltsentwurf gewisse The-
men nicht wiedergefunden haben, bei denen wir vorher
klar adressiert hatten, dass sie uns wichtig sind. Beispiele
sind die Jugendverbandsarbeit und die Jugendmigrati-
onsdienste. Ein herzliches Dankeschön an die Haushäl-
ter – an alle, aber natürlich insbesondere an unsere –, die
diese Fehler Gott sei Dank behoben haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich sage ganz deutlich: Wir können durchaus ein biss-
chen stolz darauf sein, dass wir es geschafft haben, für
die Jugendverbandsarbeit wieder 2 Millionen Euro be-
reitzustellen und dass wir die Mittel für die Jugendmigra-
tionsdienste gerade in dieser Zeit in einem solchen Um-
fang aufstocken konnten, dass sie an der richtigen Stelle
ankommen.

Sie sehen also: Dieser Haushalt lebt davon, dass wir
Handlungs- und Gestaltungsspielräume haben. Deswe-
gen ist die Grundsatzfrage der Neuverschuldung für uns
zentral. Wenn wir eines Tages wieder in eine Situation
kommen sollten, in der wir nicht die gleiche wirtschaftli-
che Stabilität wie heute haben, in der es kein Wachstum
gibt und in der wir nicht über finanzielle Zuflüsse wie
derzeit verfügen, dann müssen wir uns Gestaltungs- und
Handlungsspielraum möglicherweise hart erstreiten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich sage ganz deutlich: Wir geben gerne möglichst viel
Geld aus. Aber andere müssen das erwirtschaften. Wir
sollten uns daher sorgsam überlegen, wie wir das Geld
ausgeben. Deswegen muss man Politik ernsthaft gestal-
ten, Herr Wunderlich. Ihr Politikverständnis nach dem

Motto, mal ganz schnell irgendetwas zu machen, ist nicht
das unsere.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Herr Weinberg, das ist Schwachsinn, was Sie sagen! Das wissen Sie auch!)


Wir wollen etwas für die Familien tun, wir wollen sie
stärken. Insbesondere die Kinder und Jugendlichen wol-
len wir für die Zukunft stärken. Das machen wir auch,
aber verantwortungsbewusst. Nichts wäre schlimmer –
ich komme noch einmal auf den Unterhaltsvorschuss
zurück –, wenn eines Tages eine richtige und wichtige
Maßnahme, die wir alle gewollt haben, deshalb nicht bei
den Menschen ankommt, weil wir sie schlecht vorberei-
tet haben. Politik lebt auch davon, dass in der Struktur
vorbereitet wird. Ich gehe fest davon aus, dass wir das
mit dem Unterhaltsvorschuss hinbekommen werden,
weil Länder und Kommunen auch ein Interesse daran
haben, dass es den Familien gut geht. Deshalb bin und
bleibe ich da guter Hoffnung.

Insgesamt ist das ein toller Haushalt. Ich kann nur
noch einmal sagen: Vielen Dank für das Nacharbeiten,
mit dem gelungen ist, was vor ein paar Wochen noch in
der Vorbereitung war.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1820316500

Vielen Dank, Marcus Weinberg. – Nächster Redner ist

Sönke Rix für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1820316600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Ich bin Mitglied im ersten
NSU-Untersuchungsausschuss gewesen. Jetzt bin ich
stellvertretendes Mitglied im zweiten NSU-Untersu-
chungsausschuss. Heute hatte ich wieder die Ehre, dabei
zu sein und einen Kollegen zu vertreten. Die Beamten
des BKA sowie andere haben noch einmal genauestens
geschildert, wie dieses Trio gearbeitet hat, welche Ver-
brechen es begangen hat und mit welcher Skrupellosig-
keit dabei vorgegangen wurde. Bei der Gelegenheit habe
ich aber auch wieder mitbekommen, wie wichtig es ist,
dass die Gesellschaft um solche Personen herum auf-
merksam ist, damit so etwas eben nicht passiert.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Michaela Noll [CDU/CSU])


Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass die Gesell-
schaft – das gilt auch für die Medien – immer alarmiert
ist und darauf achtet, dass die Werte unserer Verfassung,
unseres Grundgesetzes beachtet werden.

Wir erleben gerade im rechtspopulistischen Bereich,
zum Beispiel bei der AfD, dramatische Entwicklungen,
die deutlich machen, dass wir in diesen Punkten aufholen
und immer wieder deutlich machen müssen, wie wichtig

Marcus Weinberg (Hamburg)







(A) (C)



(B) (D)


die Werte unserer Demokratie und unserer Verfassung
sind. Deshalb begrüße ich sehr, dass wir die Mittel für
Demokratieförderung auf das Maß erhöht haben, das
wir schon im Abschlussbericht des ersten NSU-Untersu-
chungsausschusses als erforderlich festgehalten haben.
Dieses Geld ist wertvolles Geld zur Stärkung unserer
gemeinsamen Demokratie und unserer Werte, liebe Kol-
leginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Mein Dank gilt an dieser Stelle dem ganzen Haus. Das
betrifft die überfraktionelle Arbeit in dem Untersu-
chungsausschuss, aber auch die Unterstützung, die es
jetzt für die Demokratieförderung gibt. Wir müssen gera-
de in dieser Frage deutlich machen, dass die Demokraten
sich da nicht auseinanderdividieren lassen.

Ich war auch lange Zeit im Unterausschuss Bürger-
schaftliches Engagement tätig. Peter Struck, ein wertge-
schätzter ehemaliger Vorsitzender unserer Fraktion – er
schaut uns vielleicht von oben zu –, der übrigens den
Spruch geprägt hat, den Sie, Frau Schwesig, vorhin
vorgetragen haben – kein Gesetz verlässt den Bundes-
tag so, wie es hineingekommen ist! –, hat mir einmal auf
die Frage, was eigentlich Engagementpolitik ist, geant-
wortet: Sind wir nicht eigentlich alle als Politiker enga-
giert? – Ja, natürlich. Immer dann, wenn wir vor Ort bei
unseren Ortsvereinen und ehrenamtlichen Kommunalpo-
litikern vorbeischauen, dann sehen wir die Kärrnerarbeit
der Demokratie. Diese Menschen – Frau Stadler hat sie
vorhin erwähnt – bewirken mehr als diejenigen, die sich
nur aktiv in Verbänden, Parteien und Gewerkschaften or-
ganisieren. Sie arbeiten frei, emanzipiert, projektorien-
tiert und selbstständig in vielen Bereichen. Deswegen bin
ich froh, dass wir auch im Bereich der Freiwilligendiens-
te eine Erhöhung hinbekommen haben. Auch dafür sage
ich herzlichen Dank an den Haushaltsausschuss.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In dieser Debatte hat auch der Föderalismus eine Rolle
gespielt. Jörn Wunderlich hat uns zum Beispiel vorge-
worfen, dass im gesamten Text des Haushalts das Wort
„Frauenhäuser“ nicht auftaucht. Ein Blick auf die Geset-
zeslage würde deutlich machen, dass wir dafür auch nicht
zuständig sind. Das liegt nicht an uns.


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Wir sind der Gesetzgeber, Sören!)


– Wir sind nicht allein der Gesetzgeber, lieber Jörn
Wunderlich. Auch der Bundesrat ist Gesetzgeber, und
der lehnt es mit 16 : 0 Stimmen ab, dass wir als Bund da-
für zuständig sind. Man sollte also immer auch mit dem
Finger in die eigene Richtung zeigen. Ihr seid auch an
Landesregierungen beteiligt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich komme zum Thema Unterhaltsvorschuss. Auch
hier nützt es nichts, wenn wir uns gegenseitig vorwerfen,
dass wir blockieren. Damit spielen wir doch genau denen
in die Karten, die sowieso sagen, dass wir es nicht auf die

Reihe bekommen. Es gibt einen eindeutigen Beschluss
von 16 Ministerpräsidenten, die alle aus unterschiedli-
chen Landesregierungen kommen. Sie haben gemeinsam
mit der Bundesregierung beschlossen, dass es zum 1. Ja-
nuar 2017 Verbesserungen beim Unterhaltsvorschuss
geben soll. Ich finde, daran darf auch nicht gezweifelt
werden. Es wäre fatal, wenn wir einen solchen von so
wichtigen und demokratisch gewählten Persönlichkeiten
einstimmig gefassten Beschluss zum 1. Januar 2017 ein-
fach nicht umsetzen würden. Deshalb ist es auch unsere
Verantwortung, das zu tun.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Frau Schwesig hat von der Frau gesprochen, die ihr
geschrieben hat: Erst hat mich der Mann verlassen, dann
hat er mir das notwendige Geld nicht zur Verfügung ge-
stellt, und nun verlässt mich der Staat. – Wenn sie jetzt
auch noch sagen muss: „Jetzt hat der Staat mich auch
noch beschissen, indem er mir nur versprochen hat, dass
der Unterhaltsvorschuss zum 1. Januar 2017 neu geregelt
wird“, dann wird diese Frau ein viertes Mal enttäuscht,
und dagegen sollten wir angehen.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Im Ganzen ist es ein Haushalt, der wieder zeigt, dass
wir unserer gesamten Bandbreite gerecht werden: Wir
unterstützen die Zivilgesellschaft, die Integrationsarbeit
und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hier sind
wir auf einem sehr guten Wege.

Ich will es an dieser Stelle auch noch einmal sagen:
Herzlichen Dank nicht nur für den guten Entwurf, den wir
zu bearbeiten hatten, sondern besonders auch ans Parla-
ment, das diesen guten Entwurf noch besser gemacht hat.
Ganz besonders danke ich auch den Haushältern und spe-
ziell dir, liebe Ulrike. Du hast ja leider gesagt, dass dies
dein letzter Haushalt ist, den du bearbeitest. Selbst wenn
du noch einmal antreten würdest, würdest du nicht noch
einmal für den Familienhaushalt zuständig sein können,
weil ja das Rotationsprinzip gilt. Wir bedauern das aber
auf jeden Fall sehr.

Ganz herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820316700

Vielen Dank, Sönke Rix. – Die nächste Rednerin:

Sylvia Pantel für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1820316800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viel-
leicht als Erstes: Bevor man etwas verkündet, sollte man
auch alles in trockenen Tüchern haben. Dann hätten wir
hier jetzt auch nicht das Problem mit den Zahlungen an
die Alleinerziehenden;


(Sönke Rix [SPD]: Sagen Sie das mal der Bundeskanzlerin!)


Sönke Rix






(A) (C)



(B) (D)


denn in der Sache sind wir uns hier ja alle einig.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie haben von meinen Vorrednern schon viel über die
hohen Summen, die wir hier in Familien investieren,
über die Projekte unserer Familienpolitik und darüber
gehört, wie wir unsere finanziellen Spielräume im Haus-
halt 2017 nutzen. Als Familienpolitikerin freue ich mich,
dass wir auch Projekte unterstützen können, die einen
niederschwelligen Zugang zu Hilfsangeboten bieten.

Eine gute Ergänzung zum Hilfetelefon gegen Gewalt
ist nun die Möglichkeit der Beratung für Gewaltopfer
über das Internet. Hier können die Opfer in einem On-
linechat niederschwellige Beratungen von Fachleuten
bekommen.

Ein anderes Beispiel ist das Projekt „U25“, durch das
junge Leute im Alter von 16 bis 25 Jahren ausgebildet
werden, um anderen jungen Menschen zu helfen, die sich
mit Selbstmordgedanken quälen. Da Verständnis und Zu-
gang unter Gleichaltrigen oft einfacher sind, versprechen
sich die Experten von diesem Ansatz eine wirkungsvol-
lere Hilfe. Gerade junge Leute, die sich so einer belasten-
den Aufgabe stellen, verdienen besonderen Dank.

Mit 17,5 Millionen Euro fördern wir 560 Mehrgenera-
tionenhäuser in ganz Deutschland. Wir setzen damit ein
Zeichen dafür, dass wir den Zusammenhalt der Generati-
onen stärken wollen.

Den Zusammenhalt der Generationen stärken wir aber
auch in den Familien. Die Familienpflegezeit hilft Men-
schen, sich um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu
kümmern. Die Mittel für Darlehen während der Fami-
lienpflegezeit werden nun um 1,5 Millionen Euro auf
8,1 Millionen Euro weiter erhöht.

Die Jugendverbandsarbeit wird im kommenden Jahr
mit 18,7 Millionen Euro gefördert. Dadurch stärken wir
die Jugendarbeit vor Ort in den Städten und Gemeinden.

Der Etat für den Garantiefonds Hochschule bleibt
auch 2017 mit 22,9 Millionen Euro auf einem sehr hohen
Niveau.

Durch qualifizierte Beratungsangebote und die nöti-
gen Sprachkurse ermöglichen wir bereits gut ausgebil-
deten Flüchtlingen, sich weiterzuqualifizieren. Sie kön-
nen dadurch ein Studium aufnehmen und so möglichst
schnell auf eigenen Beinen stehen.

Auch die Jugendmigrationsdienste können ihre gute
Arbeit fortsetzen und werden in diesem Haushalt mit gut
50 Millionen Euro finanziert.

Bereits in meiner Rede zum vergangenen Haushalt
hatte ich betont, dass das Programm „Demokratie le-
ben!“ Gelder mitunter an die falschen Projekte vergibt.
Mit 104,5 Millionen Euro kann man viele Demokratie-
projekte fördern. Es wird aber immer wieder berichtet,
dass islamische Verbände wie die DITIB oder islamisti-
sche Vereinigungen, die junge Menschen zum radikalen
Islam bekehren wollen, dadurch eine Bühne bekommen
und dort Projekte gefördert werden, die wir nicht ge-
fördert wissen wollen. Zum Beispiel gab es die Zusam-
menarbeit mit dem Deutsch-Islamischen Vereinsverband

Rhein-Main in Hessen. Diese wurde nach Medienrecher-
chen glücklicherweise im Sommer gestoppt. Mit DITIB
bekam in diesem Jahr in Hamburg und Schleswig-Hol-
stein eine Organisation über eine viertel Million Euro,
die direkt dem Religionsministerium des türkischen Prä-
sidenten Erdogan untersteht. Solche finanziellen Unter-
stützungen darf es nicht geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Projekte sollen schließlich von Radikalisierung ab-
halten und unsere demokratischen Werte vermitteln und
fördern. Ich hoffe, dass das Ministerium bessere Kon-
trollmechanismen gewährleistet und dass zukünftig kei-
ne Mittel mehr an solche Träger vergeben werden.

Ich möchte noch auf eine Erfolgsgeschichte hinwei-
sen, bei der wir durch die Finanzierung sprichwörtlich
Leben retten. Sie alle können sich noch an die Argumen-
te für und gegen die vertrauliche Geburt erinnern. Am
1. Mai 2014 ist das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für
Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Ge-
burt in Kraft getreten. Dadurch erhalten Schwangere die
Möglichkeit, ihr Kind anonym und sicher in einer Klinik
oder bei einer Hebamme auf die Welt zu bringen. Wäh-
rend der Schwangerschaft und danach werden sie von
Schwangerschaftsberatungsstellen und Fachpersonal be-
treut und begleitet.

Mit diesem Gesetz haben wir Schwangeren in Extrem-
situationen einen Ausweg aufgezeigt. Wir haben Kinder-
leben retten können, Kinder, die womöglich ausgesetzt
oder – schlimmer noch – getötet worden wären. Seit In-
krafttreten des Gesetzes sind 262 Kinder vertraulich ge-
boren worden. Allein in diesem Jahr sind 99 Kinder in
dieser Form – sauber und gut – geboren worden, und wir
haben damit Leben retten können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich habe bei der Polizei in meinem Wahlkreis nachge-
fragt. Seit Inkrafttreten des Gesetzes gab es im Umkreis
Düsseldorfs nicht ein totes Baby. Ich freue mich sehr,
dass 262 Kinder dank des Gesetzes gerettet worden sind.
Wir können alle gemeinsam stolz darauf sein, dass wir
das damals hier gegen viele Argumente auf den Weg ge-
bracht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Schwangeren in Konfliktsituationen zur Seite zu ste-
hen, ist eine wichtige Aufgabe. Es freut mich sehr, dass
wir auch im kommenden Jahr die Projektförderung von
Donum Vitae für schwangere Frauen auf der Flucht mit
1,2 Millionen Euro unterstützen.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch auf etwas
Grundsätzliches hinweisen. Für mich ist die Familienge-
staltungsfreiheit der Eltern das zentrale Ziel einer moder-
nen Familienpolitik. Wir wollen Eltern die Möglichkeit
geben, ihre Familien individuell nach ihren Bedürfnissen
auszugestalten.

Im neuen Haushalt werden wir auch die Sprach-Kitas
weiter fördern. Wir erhöhen den Ansatz dafür noch ein-
mal um 150 Millionen Euro. Mit insgesamt 278 Millio-

Sylvia Pantel






(A) (C)



(B) (D)


nen Euro fördern wir dann die Qualifizierung von Erzie-
herinnen und Erziehern.

Mit dem Elterngeld und dem Elterngeld Plus haben
wir zwei erfolgreiche Programme, die Eltern darin un-
terstützen, den für sie richtigen Weg zu finden. Für 2017
haben wir mit 6,4 Milliarden Euro die Grundlage dafür
geschaffen.

Wenn ich mit Eltern spreche, berichten sie mir häufig,
dass sie sich gern mehr selbst um die Betreuung ihrer
Kinder kümmern würden. Dieser Wunsch scheitert aber
häufig an der wirtschaftlichen Situation der Eltern. Mit
unseren Förderungsmechanismen unterstützen wir der-
zeit zu einseitig den Kitabesuch. Stellen wir damit wirk-
lich das Wohl des Kindes an die erste Stelle? Sollte un-
sere Politik nicht viel mehr darauf abzielen, den Eltern
beides, sowohl die Eigen- als auch die Fremdbetreuung,
gleichermaßen zu ermöglichen? Das Bundesverfassungs-
gericht hat das Betreuungsgeld des Bundes aus formalen
Gründen gekippt, weil es in die Zuständigkeit der Länder
gehört. Die obersten Richter haben aber auch eindeutig
geklärt, dass der Staat keine Kinderbetreuungsform be-
vorzugen darf. Es geht um Wahlfreiheit. Damit hat uns
das Bundesverfassungsgericht einen Handlungsauftrag
gegeben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Bayerische Staatsregierung hat das verstanden
und eine Vorreiterrolle übernommen. Das Landesbetreu-
ungsgeld des Freistaates Bayern ist ein großer Erfolg.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Schon 100 000 Eltern haben es beantragt.


(Sönke Rix [SPD]: Das machen alle Länder nach!)


Es ist in der öffentliche Debatte kaum präsent, dass der
Kitabesuch im Schnitt zwischen 900 und 1 200 Euro im
Monat pro Kind vom Staat bezuschusst wird. So gesehen
ist das eine sehr ungleiche staatliche Förderung nur eines
bestimmten Erziehungsmodells. Für uns sollte das Kin-
deswohl immer an erster Stelle stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dafür werde ich mich weiterhin einsetzen.


(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann schreiben Sie das Kindeswohl in die Verfassung, in das Grundgesetz hinein!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820316900

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.


Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1820317000

Es ist so, dass wir einen sehr guten Haushalt aufge-

stellt haben, dass wir zusätzliche Modelle entwickeln
müssen, die weiter gehen, sodass Eltern wählen können.


(Petra Crone [SPD]: Das können sie auch heute schon! Jeder kann frei wählen!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820317100

Frau Kollegin.


Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1820317200

An dieser Stelle möchte ich mich bei unserem Haus-

hälter, Alois Rainer, für seine hervorragende Arbeit herz-
lich bedanken.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820317300

Vielen Dank, Frau Kollegin, auch wenn es viel länger

war. – Christina Schwarzer ist die letzte Rednerin in die-
ser Debatte für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Christina Schwarzer (CDU):
Rede ID: ID1820317400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-

nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr
Wunderlich, lassen Sie mich zwei Sätze zum Unterhalts-
vorschussgesetz sagen, weil mir das sehr wichtig ist. Ich
weiß nicht, ob Sie sich einmal den Spaß gemacht haben
und sich von dem Jugendamt Ihrer Kommune die Zahlen
haben ausrechnen lassen. Mein Jugendamt hat mir die
Zahlen mitgeteilt: In meiner Kommune –


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Das ist kein Spaß!)


– das ist kein Spaß, richtig – mit 320 000 Einwohnern
gibt es derzeit 2 300 Fälle. Sie werden von knapp 17 Mit-
arbeiterstellen bearbeitet. Wenn das Gesetz in Kraft tritt,
wovon wir alle ausgehen, ist mit einem Aufwuchs auf
4 800 Fälle zu rechnen. Damit wäre ein Zuwachs auf
35 Mitarbeiter verbunden, um diese Fälle zu bearbeiten.
Das ist derzeit nicht zu leisten. Deswegen müssen wir
uns die Rahmenbedingungen genau anschauen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber wir sprechen jetzt über den Haushalt. Über den
vielen Gesprächen, langen Verhandlungen und guten
Diskussionen einer langen Haushaltsdebatte – sie ist für
heute gleich zu Ende – schwebt im Kern eine konkrete
Frage: Was ist eigentlich eine gute Politik für Familien,
Senioren, Frauen und Jugend in unserem Land? Oder an-
ders ausgedrückt: Wie investieren wir denn das Geld, das
uns zur Verfügung steht? Was wollen wir mit unserer Po-
litik erreichen? Welche Leistungen sind nötig, um diese
übergeordneten Ziele zu erreichen?

Eine erste Antwort gibt der hier vorgelegte Haushalt:
Erneut investieren wir mehr als im vergangenen Jahr.
Aber einfach nur mehr Geld ausgeben, reicht bekanntlich
nicht. Die wichtige Frage lautet: Wofür geben wir es aus?
Und vor allen Dingen: Welche Botschaft vermitteln wir
damit?

Meines Erachtens lautet eine wichtige Antwort: Wir
müssen Politik so gestalten und finanzieren, dass es un-
seren Familien ermöglicht wird, ihr Leben so zu orga-
nisieren, wie sie es sich wünschen. Wie sie ihr Zusam-
menleben für sich organisiert, weiß eine Familie in der

Sylvia Pantel






(A) (C)



(B) (D)


Regel am besten. Der Staat darf nur Unterstützer und
Notfallhelfer sein. Das gilt für die Aufteilung von Arbeit,
Familie und Freizeit ebenso wie für die Kindererziehung
und die Pflege von Angehörigen. Die Familie priorisiert
ihr persönliches Lebensmodell, nicht die Politik.

Die zweite Antwort auf die Frage, wofür wir das Geld
unserer Bürger ausgeben dürfen, lautet meines Erachtens:
zur Unterstützung derer, die Unterstützung brauchen. Für
unseren Bereich haben wir dabei eine ganz besondere
Verantwortung. Daher bin ich sehr froh, dass wir mit
diesem Haushalt drei Projekte fördern, die sich auf ganz
unterschiedliche Art und Weise die Unterstützung von
Hilfsbedürftigen auf die Fahne geschrieben haben. Alois
Rainer, noch einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie sich
für diese drei Projekte eingesetzt haben! Der Dank kam
heute sozusagen auch schon in Ihr Büro.


(Michael Leutert [DIE LINKE]: Was denn? Was kam denn im Büro an?)


– Da müssen Sie Herrn Rainer fragen. Die Neuköllner
Blutwurstmanufaktur hat Leckeres geliefert. – Dank
dieses Einsatzes werden aus dem Bundeshaushalt unter
anderem die Projekte „gewaltlos.de“, „U25“ und eine
Kampagne gegen häusliche Gewalt an Kindern finan-
ziert. Aber was steckt konkret dahinter?

Beim Projekt „gewaltlos.de“ – Kollegin Schön hat es
schon angesprochen – erhalten Mädchen und Frauen, die
von häuslicher Gewalt und Stalking betroffen sind, Bera-
tung und Hilfe in Krisensituationen. Das ist eine wichtige
Aufgabe; denn Mädchen und Frauen machen Gewalter-
fahrungen überwiegend im häuslichen Bereich. Auch
vom Phänomen Stalking sind immer mehr betroffen. Die
Zahl derer, die sich an Beratungsstellen oder die Polizei
wenden, ist sehr gering. Gerade bei solchen Problemen
scheint die Hemmschwelle, um Hilfe zu bitten, beson-
ders groß zu sein. „gewaltlos.de“ schafft einen einfachen
Zugang zum Hilfesystem. Die Beratung findet nämlich
im Internet statt, das sozusagen rund um die Uhr geöffnet
ist; man kann dort mit Beratern chatten. Darüber hinaus
werden Fragen und Themen in einem Forum besprochen.
Seit 2005 haben insgesamt 14 000 Mädchen und Frauen
dieses Angebot genutzt.

Sehr geehrte Kollegen, morgen ist der Internationale
Tag gegen Gewalt an Frauen, ohne Zweifel ein wichti-
ges Datum. Ich habe mir vorgestern den Spaß erlaubt,
ein nettes Foto von Paul Lehrieder und mir zu posten,
und ich habe meine Follower gefragt, wer die Telefon-
nummer vom Hilfetelefon kennt. Es gab eine Antwort,
nämlich die von Paul Lehrieder. Er wusste nämlich die
Antwort.


(Zuruf von der CDU/CSU)


– Genau, sehr vorbildlich. – Ich glaube, es liegt an uns,
das Hilfetelefon und auch „gewaltlos.de“ noch viel stär-
ker bekannt zu machen, dass mehr Frauen dieses Ange-
bot nutzen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gleiches gilt aber auch für das Projekt „U25-on-
line-Suizidprävention“, das sich an eine Zielgruppe
wendet, die ebenfalls schwer Zugang zum Hilfesystem

findet, nämlich suizidgefährdete Jugendliche. Die Kolle-
gin Pantel hat schon darauf verwiesen. Alle fünf Minuten
versucht in Deutschland ein Mensch, sich das Leben zu
nehmen. Bei jungen Menschen ist die Zahl noch viel hö-
her. Ich hoffe, dass wir einen kleinen Anteil daran haben,
den jungen Menschen helfen zu können.

Mit „gewaltlos.de“ und „U25“ werden zwei Online-
beratungsprojekte gefördert, was ich als Digitalpolitike-
rin für einen wichtigen Schritt halte. Angebote im Netz
sind für viele Betroffene ein wichtiger Einstieg, um aus
ihrem Teufelskreis herauszukommen. Mir ist es beson-
ders wichtig, dass zwei so großartige Projekte in Zukunft
eine regelmäßige Förderung bekommen.

Ein drittes Projekt, das wir im Bundeshaushalt nun
fördern, ist eine Kampagne gegen häusliche Gewalt an
Kindern. Diese ist in Deutschland immer noch trauriger
Alltag. Ursache ist oft eine Überforderung der Eltern mit
der häuslichen Situation. Es kommt zu Stresssituationen,
und manche Eltern sind sich gar nicht bewusst, was sie
ihrem Baby schon dann antun, wenn sie es nur einmal
ganz kurz schütteln. Deswegen wünsche ich mir eine
flächendeckende Kampagne sozusagen gegen das Baby-
schütteln, in der darauf hingewiesen wird, dass man ein
Baby auch nicht aus Wut, Aggression oder vielleicht auch
aus einer Überlastungssituation heraus schütteln darf.

Es gibt gute Projekte in den Kommunen. Auch darauf
kann eine flächendeckende Kampagne in ganz Deutsch-
land hinweisen. In meinem Bezirk in Berlin-Neukölln
gibt es eine Schreibabyambulanz. Ich persönlich war nur
zwei Stunden mit einem schreienden Baby dort und bin
schwitzend und sozusagen mit grauen Haaren heraus-
gegangen. Es gibt Babys, die schreien 24 Stunden lang.
Diese Eltern müssen wir abholen und ihnen sagen, dass
sie ihre Kinder nicht schütteln dürfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


So können wir im Übrigen nicht nur die Eltern sensibi-
lisieren, sondern auch Freunde, Nachbarn und sonstige
Bekannte, die ihrerseits die Familien sensibilisieren kön-
nen.

Diese drei genannten Projekte stehen auf ganz unter-
schiedliche Art und Weise für den Schutz von Schwä-
cheren ein. Dass die Projekte über den Bundeshaushalt
gefördert werden, ist ein sehr gutes Zeichen. Denn Prä-
vention, ob online oder offline, ist auch haushalterisch
immer eine gute Maßnahme. Alles, was wir durch prä-
ventive Projekte abfedern können, wird später nicht ganz
so teuer.

Meine persönliche Bitte an Sie: Machen Sie diese
Projekte bekannt! Sprechen Sie über „gewaltlos.de“, das
Hilfetelefon und „U25“! Dann wird die Welt vielleicht
für viele noch ein kleines Stück besser.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820317500

Vielen Dank, Christina Schwarzer. – Damit schließe

ich die Aussprache.

Christina Schwarzer






(A) (C)



(B) (D)


Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan
17 – Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend – in der Ausschussfassung. Wer stimmt da-
für? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Einzelplan 17 ist angenommen. Zugestimmt haben CDU/
CSU und SPD, dagegengestimmt haben Bündnis 90/Die
Grünen und die Linke.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.17 auf:

Einzelplan 10

Bundesministerium für Ernährung und Land-
wirtschaft

Drucksachen 18/9810, 18/9824

Berichterstatter sind die Abgeordneten Cajus Caesar,
Ulrich Freese, Heidrun Bluhm und Sven-Christian
Kindler.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Bevor ich der ersten Rednerin das Wort gebe, begrüße
ich oben auf der Tribüne 22 Schülerinnen und Schüler,
die im Rahmen eines Programms der Landeszentrale für
politische Bildung Baden-Württemberg hierhergekom-
men sind; sie kommen aus Tübingen. Thema ist „Streit-
kultur“.


(Beifall)


Ich glaube, Sie sind hier genau richtig. Wenn es um
Landwirtschaftspolitik geht, dann wird immer heftig ge-
stritten. Ich freue mich. Ich bin irgendwie immer diejeni-
ge, die hier oben sitzt, wenn es abgeht.

Meine Damen und Herren, jetzt zeigen Sie einmal den
jungen Leuten, wie eine gute Streitkultur aussieht. Die
erste Rednerin ist Heidrun Bluhm für die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820317600

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Herr Minister! Sehr geehrte junge Leute, wollen
wir einmal sehen, ob ich dem Streitkulturthema heute ge-
recht werde. Das können Sie hinterher vielleicht irgend-
wie signalisieren, soweit Sie das dürfen.

Dass der Haushalt des Ministeriums für Ernährung
und Landwirtschaft bereits im Entwurf mit über 300 Mil-
lionen Euro und nach der Bereinigungssitzung noch ein-
mal mit 100 Millionen Euro auf nun insgesamt 6 Milliar-
den Euro aufgestockt wird, ist, wie die Linke findet, ein
gutes Zeichen.


(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich freue mich, dass in der Bereinigungssitzung des
Haushaltsausschusses noch einmal Fortschritte gemacht
werden konnten, insbesondere beim Bundesprogramm
Ländliche Entwicklung; das ist ein Thema, das mich
ganz besonders interessiert. Man sollte am Anfang im-
mer das Positive hervorheben.

Bei genauerem Hinsehen aber ist der Aufwuchs auch
ein Zeichen der Hilflosigkeit der Regierung,


(Zurufe von der CDU/CSU): Oh!)


weil die Maßnahmen insbesondere in der Milchkri-
se nur die Behandlung von Symptomen sind, Herr
Auernhammer. Der Minister hat in der ersten Haushalts-
beratung das Problem eigentlich sehr deutlich angespro-
chen und geradezu kämpferisch Änderungen bei den
Lieferbeziehungen angemahnt, sie gar zur Bedingung für
seine Hilfen gemacht. Er sagte:

Aber es kann keiner erwarten, dass ich um des lie-
ben Friedens willen nur Geld organisiere und die
Probleme nicht angegangen werden.

Da kann ich ebenfalls nur zustimmen. Aber wo sind
die grundlegenden Veränderungen bei den Vermark-
tungsstrukturen? Wie sorgen wir dafür, dass nicht bald
die nächste Milchkrise ins Haus steht und am Ende nicht
wieder Steuergelder helfen müssen? Wie sorgen wir also
für nachhaltige und faire Milchpreise? Viele Fragen, Herr
Minister! Aber Sie reden noch nach mir. Ich werde Ihnen
zuhören.

Wenn ich sehe, dass selbst 2015 von 58 Millionen
Euro Bundesmitteln innerhalb der GAK für den Bau von
Milchkuhställen nachweisbar mindestens 51 Millionen
Euro mit Kapazitätserweiterungen verbunden waren –
so die Zahlen aus Ihrem Ministerium –, wenn man also
davon ausgehen muss, dass mindestens 90 Prozent die-
ser Bundesmittel in den letzten Jahren das Problem so-
gar noch verschärft haben, also mit öffentlichen Mitteln,
während wir an anderer Stelle mit vielen Steuermillionen
die Brände löschen, dann fehlt da zumindest bei mir das
Verständnis.


(Beifall bei der LINKEN – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Das entscheiden aber die Länder!)


Die deutliche Kritik, die Herr Priesmeier vor zwei
Wochen am eigenen Hilfsprogramm gefunden hat, war
ebenso bemerkenswert für uns. Offensichtlich scheint
selbst in der Koalition große Uneinigkeit darüber zu be-
stehen, welche geeignete Medizin angewendet werden
soll, um den kranken Patienten Milchmarkt zu heilen. Sie
haben den Tropf mit den Schmerzmedikamenten etwas
aufgedreht, unterlassen aber Strukturveränderungen und
Ordnungspolitik, die eine wirkliche Heilung versprechen
würden.


(Beifall bei der LINKEN)


Stattdessen setzen Sie nach wie vor auf alte Rezepte
der Exportlogik. Die Linke will aber eine Abkehr von der
neoliberalen Exportpolitik, die auch im Agrarbereich nur
für menschenunwürdige Gehälter und Einkommen einer-
seits und Profite in Händen weniger andererseits sorgt.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Linke will die Marktkartelle im Lebensmitteleinzel-
handel und in den Vermarktungsketten brechen und die
Konzentration von Marktmacht verhindern. Permanente
Hilfsprogramme sind dafür keine Lösung.


(Beifall bei der LINKEN)


Vizepräsidentin Claudia Roth






(A) (C)



(B) (D)


Die Landwirtschaft hängt mehr und mehr am Sub-
ventionstropf der EU, des Bundes und auch der Länder.
Was nicht gefördert wird, rechnet sich in der Landwirt-
schaft schon längst nicht mehr. Wir sind also meilenweit
entfernt von Marktwirtschaft, vor allem von sozialer
Marktwirtschaft. Das sage ich besonders auch im Hin-
blick auf die Agrarstrukturen. Wenn am Ende nur noch
große Investoren in Besitz von Land und Betrieben sind
und kleine Familienunternehmen unterliegen, wenn
Wertschöpfung an nicht landwirtschaftliche Investoren
ohne Bindung an die Region abfließt, wenn nur noch
Konzerne und Großbetriebe den Ton angeben, wenn die
Preisspirale am Bodenmarkt immer weiter gedreht wird,
wird am Ende nur Rendite das Maß bestimmen. Dann
wird die Agrarwirtschaft noch weniger Akzeptanz in der
Gesellschaft finden, als sie heute schon hat. Wir wollen
verantwortungsbewusste Landwirte, keine renditegetrie-
benen Großinvestoren, wir wollen Agrarstrukturen, die
eine ökologisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft
ermöglichen.


(Beifall bei der LINKEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entwicklung der
ländlichen Räume ist vor allem auch eine soziale Frage;
denn der Frust ist greifbar. Ich zitiere aus der Süddeut-
schen Zeitung zu einem Ort in meinem Bundesland kurz
vor der Landtagswahl. Wie Sie wissen, sind die Ergebnis-
se für die etablierten Parteien, allerdings auch einschließ-
lich meiner, nicht besonders gut gewesen. Da heißt es:

Wenn man mit Koblentzern spricht,

– so heißt der Ort –

beschweren sie sich über ignorante Behörden und
ungleiche Verhältnisse. Über den Euro. Über Angela
Merkel. Über den Schulbus ... Über den Umstand,
dass einfach nichts besser werde, nicht mal die alte
Dorfstraße, die ein holpriges Chaos aus Kopfstein,
Asphaltflecken und Sand ist. Und ein Dorfbewoh-
ner gibt offen zu: „Ich habe die NPD gewählt. Weil
sonst hier nichts passiert. Wir haben ja nicht aus
Überzeugung die NPD gewählt.“

– Sagt er. –

„Die sollten mal einen Schrecken bekommen.“ Und
diesmal? ... „Ich wähle die AfD.“


(Zuruf von der SPD: Mit der passiert noch viel weniger!)


Hier wird deutlich: Der soziale Zusammenhalt unserer
Gesellschaft zeigt sich sehr konkret in der Lebensrealität
vieler Menschen, vor allem an der alltäglichen Ausgren-
zung. Wenn Schulen, Kitas und Krankenhäuser nur noch
in großen Städten gebaut werden und anderswo dafür
schließen müssen, wenn der Staat sich zurückzieht und
soziale Infrastruktur nicht mehr erreichbar ist, wenn Men-
schen in vielen kleinen Gemeinden weniger Perspektiven
haben als andere, ihre Lebensleistung scheinbar von ge-
ringerem Wert ist, wenn Grundstückspreise sinken und
damit viele private Vermögen schmelzen und die eigenen
Kinder nur noch in Stuttgart, Hamburg oder München ei-
nen Job finden, wenn Menschen schlicht abgehängt wer-
den und dies nicht ein paar wenige betrifft, sondern breite

Massen, dann schafft das Zukunftsangst und Frust. Dann
ist die Demokratie in Gefahr. Die Grundversorgung muss
in Stadt und Land gesichert sein. Darüber sind wir uns
von der Zielstellung her einig. Nur der Weg dahin trennt
uns ein wenig.

Jetzt werden Sie mir gleich sagen, dass das alles nicht
über den Einzelplan 10 zu leisten sei und damit längst
nicht alle Probleme gelöst werden könnten, die im länd-
lichen Raum bestehen. Ja, das stimmt. Alle Ressorts
sind in der Pflicht, und alle machen ein bisschen: GAK,
LEADER, ELA, ILE, GRW, Breitbandförderung, BULE,
Förderprogramm „Kleine Städte und Gemeinden“, Land-
zukunft, Landaufschwung, MORO – ich könnte hier
noch zehn Minuten weitermachen. Wer soll das überbli-
cken? Wer redet eigentlich einmal mit den Bürgermeis-
tern vor Ort und den Bäuerinnen und Bauern kleinerer
Gemeinden und fragt, wie es ihnen eigentlich gelingen
soll, in diesem Förderdschungel noch durchzublicken?
Ich sage: Wir brauchen eine ganzheitliche Politik für den
ländlichen Raum.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen die fachliche Fragmentierung aufheben.
Wir brauchen eine Förderung aus einem Guss, keine
20 Modellvorhaben oder Placebos oder Konkurrenz zwi-
schen Herrn Schmidt und Frau Hendricks oder Profilie-
rungen. Wir brauchen auf ministerialer Ebene eine deut-
liche Verankerung der ländlichen Entwicklung. Deshalb
fordern wir, mindestens 200 Millionen Euro mehr in die
GAK, in die zweite Säule, für die ländlichen Räume zu
stecken, um einen sichtbaren Anfang zu setzen.


(Beifall bei der LINKEN)


In Mecklenburg-Vorpommern haben wir seit kurzem
einen Staatssekretär für Vorpommern. Ich finde, es wäre
auch im Bund eine gute Lösung, einen Minister für den
ländlichen Raum zu benennen, der die Strukturförderung
bündelt. Das wäre die richtige Antwort. Vielleicht könnte
das Herr Schmidt sein. Die ländliche Entwicklung darf
kein Nebenprodukt der Agrarpolitik bleiben.

Einen letzten, bedeutenden Aspekt will ich noch ganz
kurz ansprechen.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820317700

Aber kurz.


Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820317800

Ganz kurz. – Es darf nicht eindimensional nur um die

Menschen im ländlichen Raum gehen, sondern es muss
auch um die Tiere gehen, die nicht zur einfachen Ware
pervertiert werden dürfen und möglichst renditeträchtig
produziert und vermarktet werden. Uns geht es also letzt-
lich darum – das fordert die Linke –, die Landwirtschaft
sozial und ökologisch auszugestalten, für lebendige Räu-
me, für Mensch, Tier und Natur.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)


Heidrun Bluhm






(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820317900

Vielen Dank, Heidrun Bluhm. – Darf ich die Kollegin-

nen und Kollegen angesichts der fortgeschrittenen Zeit
bitten, sich wirklich an die Redezeit zu halten? Wir haben
jetzt schon eine irre Verspätung. Daran sind die anderen
schuld, aber ich bitte Sie einfach, wenn das Lichtlein
blinkt, das nicht als freundlichen Gruß zu verstehen, son-
dern als definitive Aufforderung, die Rede zu beenden.

Jetzt hat Kollege Caesar für die CDU/CSU das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Cajus Julius Caesar (CDU):
Rede ID: ID1820318000

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Mein Gruß gilt natürlich auch den jungen Leuten
auf der Tribüne. 650 Millionen Euro mehr in den letzten
beiden Jahren für den Einzelplan 10, für Landwirtschaft,
für Gartenbau, für Forstwirtschaft und für die Fischerei,
ist schon etwas ganz Besonderes. Das kann sich sehen
lassen. Das ist eine auf Zukunft ausgerichtete Politik der
Union und der Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


In der Bereinigungssitzung haben wir dafür gesorgt,
58 Millionen Euro für das Liquiditätsprogramm, 35 Mil-
lionen Euro zusätzlich für die ländliche Entwicklung,
2 Millionen Euro für die Abfederung der Fischereiflotte
und 250 000 Euro für den Bundesverband der Regional-
bewegung, aber auch weiteres Geld für Personalkosten
einzusetzen. Ich glaube, hier haben wir Zeichen gesetzt.
Dies sind Zeichen für die vor Ort lebenden und arbeiten-
den Menschen und für eine Entwicklung des ländlichen
Raums. Das ist Zukunft für die Union.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir wollen auch die Digitalisierung. Im Verkehrsetat
haben wir dafür 4 Milliarden Euro vorgesehen. Aber auch
im Landwirtschaftsetat haben wir für die IT-Plattform
10 Millionen Euro zusätzlich angesetzt. Auch das ist der
richtige Weg. Im Rahmen der Digitalisierung insgesamt
muss auch das schnelle Internet vor Ort ankommen. Da
gibt es Initiativen auch aus meinem Landkreis, aus dem
Kreis Lippe. Wir sind auf einem guten Weg, auch die ein-
zelnen Dörfer anzubinden. Zusammen mit der stellver-
tretenden Landrätin Kerstin Vieregge haben wir intensive
Gespräche geführt.

Aber die IT-Plattform Landwirtschaft bedeutet auch
passgenaues Ausbringen, und es bedeutet, dass wir Um-
weltschutz und wirtschaftliche Entwicklung im ländli-
chen Raum gleichermaßen verbinden. Ich glaube, das
ist der richtige Weg. Wir müssen diesen modernen Weg
gehen: schnelles Internet und gleichzeitig IT auch in der
Landwirtschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen insbesondere IT auf den Acker bringen,
aber auch in den Stall. Wir können das Futter dann an das
Tier bringen, wie es benötigt wird. Wir sehen auch, wo
kranke Tiere sind. Wir können also auch dort im Sinne
von Umweltschutz und Tierwohl handeln.

Wir wollen Innovation und Nachhaltigkeit. Wenn
man sich den Haushalt einmal anschaut, dann sieht man,
dass wir dort Akzente gesetzt haben: 619,7 Millionen
Euro plus 53,2 Millionen Euro, das ist doch die richtige
Antwort: auf Nachhaltigkeit setzen, auf Innovation set-
zen. Franz-Josef Holzenkamp hat das immer gefordert.
Johannes Röring hat gesagt: Cajus, setz dich dafür ein. –
Wir als Koalition, wir als Union haben das umgesetzt.
Ich glaube, auch das ist der richtige Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich denke, insgesamt muss man sagen: Nicht Parolen
und Ideologien, wie sie an mancher Stelle vorgebracht
werden, sind das Richtige; wir wollen vielmehr auf die
Bäuerinnen und Bauern vor Ort setzen. Deshalb gilt mein
besonderer Dank natürlich unserem Minister Christian
Schmidt, den Staatssekretären an seiner Seite, aber auch
dem Haushaltsreferat, das uns stets unterstützt hat, de-
taillierte Antworten auf die Fragen zu finden, die sich
aufgetan haben. Ihnen allen gilt mein herzlicher Dank.
In diesen Dank darf ich natürlich insbesondere auch
unsere Arbeitsgruppe – Franz-Josef Holzenkamp, Alois
Gerig und die anderen Vertreter der Union von CDU und
CSU – einbeziehen. Das ist eine tolle Arbeit gewesen,
eine gute Zusammenarbeit. Eine solche Zusammenarbeit
bedeutet eben auch eine erfolgreiche Arbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben beispielsweise für das Modellvorhaben
„Demonstrationsbetriebe integrierter Pflanzenschutz“
mehr Geld eingesetzt. Hier gibt es 64 Praxisbetriebe, die
davon profitieren. Wir haben für die Früherkennung von
Nitratfrachten 1,2 Millionen Euro eingesetzt, und wir ha-
ben zusätzliche Mittel insbesondere dort eingesetzt, wo
landwirtschaftliche Betriebe das für die Abfederung von
besonderen Herausforderungen brauchen.

150 Millionen Euro für ein Bürgschaftsprogramm, ich
denke, das ist richtig. 58 Millionen Euro für das Liquidi-
tätsprogramm – richtig ist auch, die EU-Mittel dafür zu
verdoppeln. 50 Millionen Euro für steuerliche Erleichte-
rungen zu planen, auch das ist richtig. 78 Millionen Euro
für die landwirtschaftliche Unfallversicherung einzuset-
zen – hier wird der Beitrag um 37 Prozent abgefedert –,
auch das ist richtig.

Außerdem haben wir zentrale Maßnahmen ergriffen,
um Schäden zu vermeiden, beispielsweise beim präventi-
ven Hochwasserschutz. Dort jährlich 100 Millionen Euro
zu verankern, und zwar im Miteinander – Kooperation
und nicht Konfrontation; es geht darum, die dort Wirt-
schaftenden mitzunehmen und dem Wasser mehr Raum
zu geben –, das ist die Politik seitens der Union und
seitens der Koalition. Wir wollen das Miteinander und
gleichzeitig eine auf Zukunft ausgerichtete Politik. Ich
glaube, das ist die richtige Vorgehensweise.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wilhelm Priesmeier [SPD])


Ich möchte unserem Minister noch einmal ausdrück-
lich dafür danken, dass er sich für das neu eingerichtete






(A) (C)



(B) (D)


Institut für Kinderernährung beim Max-Rubner-Institut
eingesetzt hat.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Karlsruhe!)


Hier gab es ja beim letzten Mal noch einige Zweifel, ob
es denn mit den Stellen klappt. Wir haben in der Bereini-
gungssitzung dafür gesorgt; die notwendigen fünf Stellen
sind da. Es stehen die nötigen Mittel zur Deckung der
entsprechenden Personalkosten zur Verfügung. Es stehen
auch die nötigen Mittel zur Deckung der entsprechenden
Sachkosten zur Verfügung. Sämtliche Vermutungen hier
seitens der Opposition, dass es nicht klappt, haben sich
als falsch herausgestellt: Es hat geklappt. Wir haben un-
sere Hausaufgaben gemacht. Ich glaube, das ist der rich-
tige Weg. Das gilt auch für die Strategie zur Reduktion
von Zucker, Salz und Fetten. Dafür wurde zusätzliches
Geld eingesetzt. Auch für den Ökolandbau wurde zusätz-
liches Geld eingesetzt. Wir wollen ja konventionellen
Landbau und Ökolandbau nebeneinander. Wir wollen
eine erfolgreiche, moderne Landwirtschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine moderne! Was auch immer man darunter versteht!)


Natürlich haben wir uns auch um die Forstwirtschaft
gekümmert; sie ist für immerhin 30 Prozent unserer Flä-
che verantwortlich. Viele vergessen: Unsere Forstwirt-
schaft liegt im europäischen Vergleich nach dem Ma-
schinenbau und der Ernährungsindustrie auf dem dritten
Platz. Für die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe
und für andere Projekte in diesem Bereich, zum Beispiel
für Bauen mit Holz, die uns am Herzen liegen, zusätzli-
ches Geld im Sinne des Klimaschutzplanes einzusetzen,
mit bewirtschafteten Wäldern das Klima zu schützen, ich
denke, das ist der richtige Weg auch hier.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind sehr dankbar, dass auch die Gespräche mit
den Verbänden in der Landwirtschaft, mit dem Bauern-
verband und mit anderen Verbänden in der Forstwirt-
schaft, mit dem Bund Deutscher Forstleute, aber natürlich
auch mit dem Waldbesitzerverband, mit dem Deutschen
Forstwirtschaftsrat, mit all denjenigen, die hier aktive
und gute Arbeit leisten, seitens der Union sehr fruchtbar
verlaufen sind. Wir haben uns austauschen können. Wir
haben auch da unsere Hausaufgaben gemacht, und wir
sind auch dort auf dem richtigen Weg, indem wir näm-
lich die vor Ort Arbeitenden und gleichzeitig die Wissen-
schaftler am Thünen-Institut einbinden.

Hier haben wir personell und finanziell vieles ge-
schaffen; denn immerhin kommen die Institute in diesem
Haushalt mit 350 Millionen Euro vor. Wir haben in dieser
Legislaturperiode auch insgesamt im Landwirtschafts-
ministerium, aber vor allem bei den Instituten 340 neue
Stellen geschaffen, die dort wissenschaftlich begleitet
gute Arbeit für die Land- und Forstwirtschaft, den Gar-
tenbau und die Fischerei leisten. Das ist eine tolle Leis-
tung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir wollen auch Energieeffizienz und Umweltschutz im
Gartenbau. Deshalb haben wir hier noch einmal einige
Millionen Euro draufgelegt. Das ist uns sehr wichtig.

Ein zentrales Thema für uns ist natürlich der ländli-
che Raum. Deshalb haben wir, die Union, in besonderer
Weise das Bundesprogramm „Ländliche Entwicklung“
betrachtet. Ich bin sehr dankbar, dass unser Sprecher im
Haushaltsausschuss, Eckhardt Rehberg, dieses Thema
vorangetrieben hat. Es war eine tolle Leistung, dass wir
das Programm in dieser Form noch einmal um 35 Milli-
onen Euro haben aufstocken können. Damit können wir
einzelne Projekte vor Ort umsetzen; dort gibt es runde Ti-
sche, an denen gute Ideen entwickelt werden. Auch hier
machen wir eine Politik, die auf die Zukunft ausgerichtet
ist,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön wär’s!)


die insbesondere das aufnimmt, was die Menschen vor
Ort bedrückt, wenn sich beispielsweise kleine Ortsteile
überlegen, wie sie sich für die Zukunft aufstellen können.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welche Zukunft?)


Wir machen eine Politik für die ländliche Entwicklung.
Damit wollen wir Arbeitsplätze erhalten und schaffen.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit der CDU/CSU)


Wir machen eine Politik, die die Dorfkerne nicht zer-
stört und alleinlässt, sondern entwickelt. Wir machen eine
Politik, die Wohnraum für Familien und Ältere schafft.
Wir machen eine Politik, die insbesondere die ländliche
Entwicklung voranbringt. Leistungsfähig und lebenswert
wollen wir den ländlichen Raum gestalten. Ich denke, da-
mit sind wir in der Union auf dem richtigen Weg.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820318100

Vielen herzlichen Dank, Cajus Caesar. Sie haben die

Redezeit auf die Sekunde eingehalten. – Nächster Redner
ist Sven-Christian Kindler für Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Landwirtschaftsminister ist ein Teilzeitjob, je-
denfalls unter der CSU. – Das habe ich nicht ich gesagt,
das ist ein Zitat von jemandem, der es wissen muss, näm-
lich von Horst Seehofer. Das hat er vor ein paar Wochen
im Beisein von Ihnen, Herr Schmidt, bei der CSU-Klau-
sur gesagt. Jetzt weiß ich persönlich nicht, wie viel Zeit
Sie für Ihre Arbeit aufbringen. Nach drei Jahren kann ich
nur betonen – es ist ja auch Zeit, Bilanz zu ziehen –: Groß
aufgefallen im Amt sind Sie jedenfalls nicht. Angesichts
der großen Herausforderungen, vor denen die Landwirt-
schaft steht, war das deutlich zu wenig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Cajus Caesar






(A) (C)



(B) (D)


Drei Jahre Landwirtschaftspolitik unter Ihnen, Herr
Schmidt: Die Bilanz ist leider verheerend. Wir sehen eine
starke Exportorientierung in der Landwirtschaft. Das zer-
stört regionale, bäuerliche Märkte weltweit. Das führt zu
einer großen Konzentration in der Landschaft, besonders
in der Tierhaltung. Massentierhaltung geschieht unter
schlimmen Bedingungen. Wir sehen, dass immer mehr
Verbraucherinnen und Verbraucher das Vertrauen verlie-
ren. Wir sehen, dass die Natur leidet. Wir sehen, dass die
Milchpreise im Keller sind. Und wir sehen, dass das Hö-
festerben ungebremst weitergeht.


(Dieter Stier [CDU/CSU]: Wo fahren Sie denn in den ländlichen Raum?)


Jeden Tag schließen im Durchschnitt zehn Höfe in
Deutschland ihre Pforten. Die Landwirtschaftspolitik der
CSU produziert extrem viele Verlierer. Das waren drei
verlorene Jahre für die Landwirtschaft in Deutschland.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Schmidt, am Anfang Ihrer Amtszeit haben Sie
gesagt: Am Ende meiner Amtszeit muss es den Tieren
besser gehen als jetzt. – Davon sind wir meilenweit ent-
fernt.


(Dieter Stier [CDU/CSU]: Das macht er aber! – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gas geben!)


Im Sommer konnten wir das verschiedenen Medien
entnehmen. In einem Panorama-Bericht war zu sehen,
welche Zustände zum Teil in deutschen Großställen herr-
schen: übelste Tierquälerei, Tiere mit klaffenden Wun-
den, tote Tiere, die in Gängen liegen, die nicht entfernt
wurden, Ferkel, die erschlagen wurden, schwerverletzte
Tiere in den Ställen.

Professor Matthias Gauly, Mitglied Ihres Wissen-
schaftlichen Beirats für Agrarpolitik im Bundeslandwirt-
schaftsministerium, hat zu diesen Bildern von Panorama
gesagt:

Zusammengefasst stellt das so die schlechteste
Form der Schweinehaltung dar, die man sich vor-
stellen kann, mit einem hohen Potenzial an Tierleid
und katastrophalen hygienischen Bedingungen.

Das sagt also Professor Gauly aus Ihrem Wissenschaftli-
chen Beirat für Agrarpolitik. Ich sage: Er hat recht. Diese
Form der Tierhaltung ist inakzeptabel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Jetzt sagt die Union immer sehr gern, es seien einzelne
schwarze Schafe, bei denen das passiert. In diesem Fall,
über den Panorama berichtet hat, über den der Spiegel
berichtet hat, waren es führende Funktionäre der Agrar-
industrie, führende Funktionäre des Bauernverbands und
auch führende Landwirtschaftspolitiker von der CDU
aus dem Deutschen Bundestag.


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Das waren Einbrecher!)


Wenn es um die Spitzen der deutschen Agrarindustrie,
die Spitzen der Massentierhaltungsindustrie geht: Das

sind keine schwarzen Schafe. Das zeigt, dass die Tier-
quälerei in der Landwirtschaft System hat.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das ist Unsinn!)


Ich sage: Dieses System ist kaputt. Es muss endlich be-
endet werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Michaela Noll [CDU/CSU]: Unverschämtheit!)


– Getroffene Hunde bellen. Es ist so. Ich finde, für diese
Form der Landwirtschaft muss man sich eigentlich schä-
men; die sollte man als Union nicht verteidigen.


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Sie sollten bei der Wahrheit bleiben! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Sie sollten sich schämen!)


Herr Minister Schmidt, was war stattdessen Ihre Maß-
nahme für den Tierschutz in der Landwirtschaft? Sie ha-
ben gesagt, dass Sie ein freiwilliges staatliches Tierwohl-
label schaffen wollen. Da ist immer noch nichts passiert.
Wie das passieren soll, wann das passieren soll, das alles
ist nicht klar. Das wird nachher nicht mehr sein als Sym-
bolpolitik.

Ich sage Ihnen: Freiwilligkeit allein wird nicht rei-
chen. Wir brauchen klare, verbindliche Regeln. Wir
brauchen eine grundlegende Wende in der Tierhaltung,
also eine deutliche Überarbeitung des Tierschutzgeset-
zes, verbindliche statt freiwillige Tierhaltungskennzeich-
nung, keine Wohlfühlkampagne, sondern endlich harte,
ordentliche Regeln beim Tierschutz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Schmidt, während Sie bei vielen großen He-
rausforderungen, vielen wichtigen Themen nahezu un-
sichtbar waren, waren Sie bei einem wichtigen Thema
in den letzten Wochen sehr aktiv. Sie haben skrupellos
den Klimaschutzplan von Frau Hendricks zusammenge-
strichen – und das in einer unheiligen Allianz mit Herrn
Dobrindt, mit Herrn Gabriel und mit Herrn Schäuble.

Was haben Sie herausgestrichen? Ich zitiere: Kritik
an den viel zu geringen Maßnahmen zur Emissions-
minderung. Das haben Sie gestrichen. Reduzierung der
Überschüsse bis 2030 auf 50 Kilogramm Stickstoff pro
Hektar. Das haben Sie gestrichen. Stopp des fortwähren-
den Flächenverbrauchs. Das haben Sie gestrichen. Über-
gang zur Flächenkreislaufwirtschaft bis 2050. Das haben
Sie gestrichen. Alles Konkrete, alles mit Biss, alle diese
Maßnahmen haben Sie rausgestrichen. Die Frage ist: Wie
soll Klimaschutz in der Landwirtschaft eigentlich funk-
tionieren, wenn Sie das alles herausstreichen? So geht
Klimaschutz nicht. Das ist ein Versagen Ihrer Politik in
der Landwirtschaft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es könnte auch anders gehen. Unsere grünen Land-
wirtschaftsminister in den Ländern, zum Beispiel
Christian Meyer in Niedersachsen, zeigen, wie es anders

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)


geht, wie man eine Agrarwende mit den Bäuerinnen und
Bauern vor Ort umsetzen kann.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


– Das schmerzt Sie; ich weiß. Aber Niedersachsen und
andere Länder zeigen, wie es gehen kann. Wir sind stolz
auf unsere Landwirtschaftsminister in den Ländern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rita Stockhofe [CDU/CSU]: Was ist denn in NRW?)


Wir haben in den Haushaltsberatungen gezeigt, wie es
anders gehen kann. Man kann die Mittel für die GAK um
250 Millionen Euro erhöhen, etwa für einen Umbauplan
für bäuerlich-ökologische Landwirtschaft. Wir zeigen,
wie man die Tierhaltung umbauen kann, wie man die
ländlichen Räume stärken kann – durch eine Gemein-
schaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“. So muss man
Landwirtschaftspolitik machen. Wir müssen die bäuerli-
chen Betriebe und die ländlichen Räume stärken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie sehen: Es geht anders. Es geht anders in den Län-
dern. Es geht anders im Haushalt. Wir müssen endlich
aus der Agrarindustrie, aus der Massentierhaltung aus-
steigen. Wir müssen Politik machen für Bäuerinnen und
Bauern. Wir müssen Politik machen für Verbraucherin-
nen und Verbraucher, für unsere Umwelt, für die Tiere.
Wir brauchen endlich eine Agrarwende in Deutschland.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820318200

Vielen Dank, Sven-Christian Kindler. – Jetzt sind die

jungen Leute schon weg. Schade.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Nach der Rede kein Wunder! – Dieter Stier [CDU/CSU]: Nach der Rede wäre ich auch gegangen!)


Denn jetzt geht hier mal richtig was ab. Das ist lebendi-
ges Parlament. Dazu wird sicher auch der nächste Red-
ner beitragen. Ich gebe das Wort Ulrich Freese für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Ulrich Freese (SPD):
Rede ID: ID1820318300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Bühne ist leer, Herr Kindler.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Kein Wunder!)


Das hätten Sie sehen können. Da hätten Sie sich einen
Teil der Rede sparen können.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Franz-Josef Holzenkamp [CDU/CSU]: Bravo! Nur für die Galerie! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie nicht mit uns debattieren, nur mit der Tribüne? Das ist ja schräg!)


Es war wie immer; das will ich Ihnen sagen. Wir ha-
ben sehr oft das Vergnügen miteinander.


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Vergnügen?)


Mein Problem mit Ihnen ist: Im Parlament haben wir im-
mer diese Fensterreden; die Sacharbeit im Detail, wenn
wir in den Berichterstattergesprächen sind, wie auch im-
mer, wenn man etwas fordert, Projekte hinterlegt, sich
mit dem Minister auseinandersetzt, das habe ich an den
Abenden, in den Stunden, in denen wir beieinander sit-
zen, selten erlebt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Freese, beim letzten Gespräch sind Sie früher weggegangen!)


Ich zumindest, Herr Kindler, will mich beim Ministe-
rium für die gute kollegiale Zusammenarbeit in den letz-
ten drei Jahren für vier Haushalte bedanken. Wir haben
am Anfang sehr intensiv miteinander darüber geredet:
Wie gehen wir miteinander um? Welche Karten legen
wir? Welche Projekte und Ziele setzen wir um? Wir ha-
ben uns in hohem Maße am Koalitionsvertrag orientiert.
Dass wir all das, was Cajus Caesar vorgetragen hat,
umsetzen konnten, ist die Basis einer vertrauensvollen
Zusammenarbeit. Cajus Caesar hat natürlich immer als
CDU-Chefberichterstatter geredet. Aber 80 oder 90 Pro-
zent dessen, was du hier als Erfolg verkauft hast, war
nicht ein Erfolg der CDU und CSU alleine, sondern es ist
auch ein Teil durch uns getrieben maßgeblich nach vorne
gebracht worden.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Eckhardt Rehberg klatscht mit Freude. Er erinnert sich
an manche Haushaltssitzung, in der wir aneinandergera-
ten sind, um Dinge, die uns Sozialdemokraten am Herzen
gelegen haben, voranzutreiben.

Ich sage noch einmal: In diesem Haushalt stehen mitt-
lerweile 6 Milliarden Euro zur Verfügung. Aber diese
6 Milliarden Euro allein sind nicht alles, was an öffent-
lichen Mitteln in die Landwirtschaft, in die Entwicklung
ländlicher Regionen hineinfließt. Weitere gut 5 Milliar-
den Euro – wir liefern sie erst nach Brüssel und holen sie
dann zurück – fließen in die Landwirtschaft hinein. Damit
werden etwa 12 Milliarden Euro in unterschiedlicher Art
und Weise in die Landwirtschaft, in die Forstwirtschaft
hineingegeben, um in Deutschland denen, die für uns das
wichtigste Gut bearbeiten, nämlich unsere Mutter Erde,
die unsere Landschaft pflegen, die unsere Gewässer in
Ordnung halten und sie ordentlich bewirtschaften, auch
ein anständiges und ordentliches Leben zu ermöglichen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn ich die Daten und Zahlen richtig begreife, dann
haben wir in der landwirtschaftlichen Unfallversiche-
rung immer noch 1,5 Millionen angemeldete Betriebe.
Wir haben in der Krankenversicherung immer noch über
600 000 Mitglieder. Es ist nicht so, dass wir von einer
konzentrierten Landwirtschaft in Deutschland domi-
niert werden. Wir haben noch viele kleine, bäuerliche,
mittelständische Betriebe. Wir haben natürlich auch un-

Sven-Christian Kindler






(A) (C)



(B) (D)


terschiedliche Unternehmensformen. Dieser Punkt liegt
mir am Herzen, wenn wir über Hilfemaßnahmen, über
Steuerglättung, Gewinnglättung reden. Wir haben Fami-
lienbetriebe, die personengeführt sind und Einkommen-
steuer zahlen. Wir haben aber gerade in Ostdeutschland
aufgrund der historischen Entwicklung auch andere Un-
ternehmensformen, die keine Einkommensteuer zahlen,
die Körperschaftsteuer zahlen und über Gewinnglättung
nicht von dem partizipieren, was wir auf den Weg brin-
gen wollen.


(Norbert Schindler [CDU/CSU]: Aber 15 Prozent!)


– In Brandenburg werden zwei Drittel der Milchkühe in
diesen Unternehmensformen gehalten. Von daher müs-
sen wir genau überlegen, wenn wir helfen wollen, was
zwingend erforderlich ist. Um Milchwirtschaft auch in
Brandenburg, in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen,
in Sachsen-Anhalt und Thüringen zu erhalten, müssen
wir diese Unternehmensformen in unsere Betrachtungen
einbeziehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Meine Kolleginnen und Kollegen, die nach mir reden,
werden aus fachlicher Sicht zu vielen Punkten – zum
Tierwohl, zu ländlicher Entwicklung, zum ökologischen
Landbau – reden.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie es nicht können, dann lassen Sie es!)


Ich will an dieser Stelle, weil es dein letzter Haushalt
ist, Cajus – du hast selbst erklärt, nicht mehr für den Bun-
destag zu kandidieren –, dir ganz persönlich recht herz-
lich dafür danken, dass du kollegial, offen, immer bereit
warst, unsere Ideen mitzunehmen und unsere Ideen auch
mit umzusetzen. Ich kann mich als Sozialdemokrat bei
meinem schwarzen Bruder nur herzlich bedanken für die
gute kollegiale Zusammenarbeit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Alles Gute! Und hoffen wir, dass wir mit unserer Haus-
haltspolitik einen Meilenstein für eine zukunftsorientier-
te Landwirtschaft in Deutschland gelegt haben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dieter Stier [CDU/CSU]: Es gibt noch aufrechte Sozialdemokraten!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820318400

Vielen Dank, Ulrich Freese. – Jetzt hat das Wort für

die Bundesregierung der Minister für Ernährung und
Landwirtschaft, Christian Schmidt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Frau Präsidentin, es steht mir natürlich in keiner Weise
zu, mich über Hinweise der Präsidentin weiter zu äußern.
Aber wenn ich verstehen sollte, dass wir angesichts der

fortgeschrittenen Zeit nicht vergessen sollten, dass eine
ausgewogene und regelmäßige Ernährung auch für Mit-
glieder des Deutschen Bundestages notwendig ist,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


dann könnte ich der Frau Präsidentin in dieser Ansicht
nur folgen.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820318500

Also, das habe ich jetzt nicht so ganz verstanden.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war etwas verschwurbelt!)


Ich stoppe jetzt mal die Redezeit. Was haben Sie ge-
meint? Dass ich Ihre Lebkuchen essen soll, oder was? –
Zeit für Lebkuchen.

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Frau Präsidentin, Sie haben gesagt: Redet nicht so lan-
ge, sodass wir auch noch Zeit haben, etwas zu essen. So
habe ich Sie verstanden.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820318600

Nein, das habe ich gedacht; an das Essen habe ich ge-

dacht.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber recht hat er. – So, die Redezeit läuft.

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! – Mit dem Bun-
deshaushalt 2017 erhält mein Ressort die angemessene
Grundlage für eine strategische Ausrichtung der Agrar-,
Forst und Fischereipolitik. Ich werde die sehr bemerkens-
werte parlamentarische Unterstützung – den Berichter-
stattern aus dem Haushaltsauschuss und den Kolleginnen
und Kollegen, die dem Haushalt zustimmen, sei hier ge-
dankt – für den Aus- und Umbau des Bundeslandwirt-
schaftsministeriums zu einem Mehrthemenhaus nutzen.

Die wichtigste Botschaft aus den Haushaltsberatungen
lautet: Auf diese Koalition ist in ihrem nachhaltigen Wir-
ken für Bauern, Fischer, Verbraucher, Waldunternehmer,
ja, auch für Bürgerinnen und Bürger im ländlichen Raum
Verlass. Erstmals steigt der Etat meines Hauses – es wur-
de gesagt – über die Marke von 6 Milliarden Euro; das
ist übrigens im Verhältnis zum Beginn dieser Legislatur
ein Anstieg um 13,9 Prozent. Sehr herzlichen Dank dem
hohen Haus für diesen Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bevor ich zu den Schwerpunkten unserer Arbeit 2017
komme, möchte ich auf die aktuelle Herausforderung in
vielen Teilen unseres Landes eingehen: die Geflügelpest.
Wir nehmen den Ausbruch der Geflügelpest in Deutsch-

Ulrich Freese






(A) (C)



(B) (D)


land alle sehr ernst. Es gilt jetzt alle Anstrengungen zu
bündeln, um weitere Einträge aus der Wildvogelpopula-
tion in das Nutzgeflügel möglichst zu verhindern.

Mit der Reform der Geflügelpest-Verordnung, die aus
den Erfahrungen der Jahre 2005, 2006 und folgende re-
sultiert, haben wir den Ländern und dem Bund wirksame
Instrumente an die Hand gegeben, um zielgerichtet und
effektiv gegen die Ausbreitung des Virus vorzugehen.
Ich stelle in der Praxis fest, dass es da und dort immer
noch Verbesserungsbedarf gibt – dem werden wir nach-
gehen –, aber er hält uns nicht davon ab, dass wir ge-
meinsam, Bundesländer und Bund, die erforderlichen
Maßnahmen ergreifen und transparent informieren.

Auf Bundesebene habe ich eine ganze Reihe von
Maßnahmen veranlasst. Vorneweg ist unser renommier-
tes Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit auf der
Insel Riems dabei, die Länder rund um die Uhr mit sei-
ner Analytik und seiner wissenschaftlichen Expertise zu
unterstützen.

Ich habe den Zentralen Krisenstab Tierseuchen ein-
berufen. Die Bund-Länder-Taskforce wurde aktiviert,
und ich habe eine Eilverordnung zur Verschärfung von
Biosicherheits- und Hygienemaßnahmen erlassen. Auch
die Fachleute sind sich einig: Biosicherheitsmaßnahmen,
gerade auch bei den kleinen Geflügelhaltungen, spielen
eine zentrale Rolle zur Vermeidung der Ein- und Ver-
schleppung der Tierseuchen. Im Krisenstab haben wir
uns mit den Ländern auf ein risikoorientiertes Vorgehen
verständigt. Wo es notwendig ist, da handeln wir prä-
ventiv und zugleich entschieden. Wir sind im ständigen
Austausch mit den Ländern, den Wissenschaftlern und
weiteren Experten der Branche. Weitere angemessene
Schritte bleiben vorbehalten. Sie werden zur rechten Zeit
dann sofort erfolgen.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen,
allen Beteiligten Dank zu sagen für die konstruktive Zu-
sammenarbeit nahezu rund um die Uhr.

Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen
gibt es keine Hinweise darauf, dass das Vogelgrippevirus,
das gegenwärtig kursiert, für den Menschen gefährlich
ist. Trotzdem appelliere ich an die Verbraucherinnen und
Verbraucher, beim Umgang mit Geflügelfleisch – wie im-
mer – auf die Einhaltung von Hygieneregeln zu achten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen besonderen
Schwerpunkt im Haushalt setzen wir bei der Förderung
der ländlichen Regionen; das wurde schon angespro-
chen. Ich blicke auf Ecki Rehberg und manche andere
hier: Das war ein Kraftakt à la bonne heure. Herzlichen
Dank! Wenn ich daran denke, dass das Bundesprogramm
„Ländliche Entwicklung“, das ich vorgeschlagen habe,
vor drei Jahren mit gerade einmal 10 Millionen Euro ge-
startet ist, muss ich sagen, dass wir hier eine super Ent-
wicklung haben. Danke sehr!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Sicherung der Attraktivität unserer Heimat auf
dem Land wird ein zentrales Thema der nächsten Jahre
sein. Wenn Menschen das Gefühl haben, abgehängt zu
sein, müssen wir darauf Antworten finden, subjektiv und

objektiv, faktisch und auf der Gefühlsebene. Deswegen
brauchen wir eine Trendwende hin zum Land. Unser Ziel
muss es sein, die Herstellung gleichwertiger Lebensver-
hältnisse in ganz Deutschland als Verfassungsauftrag zu
verstehen. Daran müssen alle mitarbeiten.

Nicht diese Große Koalition, sondern die in den
60er-Jahren hat mit dem guten Duo Franz Josef Strauß
und Karl Schiller eine Entwicklung in Gang gesetzt, die
in der Idee einer konzertierten Aktion mündete. Der Ge-
danke ist heute wieder aufzunehmen. Es ist erneut Zeit
für eine konzertierte Aktion für den ländlichen Raum.
Wir werden diese konzertierte Aktion – vernetzt und ver-
bindlich – zur Hebung des Entwicklungspotenzials des
ländlichen Raums beginnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zu einer aktiven Politik für die ländlichen Räume
gehört natürlich auch, dass wir das Förderspektrum der
Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruk-
tur und des Küstenschutzes“ ausbauen und anpassen.
Wir haben seitens des Bundes im kommenden Haushalt
765 Millionen Euro dafür zur Verfügung – so viel wie nie
zuvor. Wir müssen im PLANAK, das ist der Planungs-
ausschuss von Bund und Ländern, natürlich auch über
die Länderprogramme diskutieren. Da wird, Frau Kolle-
gin Bluhm, auch die Frage zu stellen sein, wie wir in der
Milchpolitik dafür sorgen können, dass wir neben den
notwendigen Verbesserungen in Form von technischen
Innovationen den Markt nicht aus den Augen verlieren.
In der Tat wird die Frage lauten: Wie orientieren wir uns?
Orientieren wir uns nur an der Mengenausweitung? Das
kann es nicht sein. Wir müssen uns auch über solche
Punkte offen miteinander unterhalten und die Karten auf
den Tisch legen.

Ein Weiteres: Die Bodenpolitik tut not, selbstverständ-
lich rechtsformneutral. Lieber Kollege Freese, Sie haben
völlig recht, wir können die unterschiedlichen Bedingun-
gen nicht beiseiteschieben. Wenn es aber dazu kommen
sollte, dass durch Abenteurertum und Hedgefonds Struk-
turen auf Dauer beschädigt werden, dann müssen wir uns
auch darüber unterhalten, was wir wie unterstützen. Dann
müssen wir offen darüber diskutieren, wie wir es schaf-
fen können, dass ein Nutzungswechsel nicht stattfindet.
Dabei geht es auch um die Frage der Kompensationen für
Nutzungen außerhalb der Landwirtschaft und darum, wie
wir diesen Landverbrauch – es waren einmal 70 Hektar
pro Tag; zwischenzeitlich sind es noch 60 Hektar – stär-
ker reduzieren können. Diesbezüglich gehe ich mit der
Kollegin Hendricks übrigens in die gleiche Richtung.

40 Millionen Euro sind speziell für Maßnahmen zur
Entwicklung des ländlichen Raums vorgesehen. Das ist
gut so. Wir werden ein Ministerium für die ländlichen
Regionen brauchen. Mit Blick auf die nächste Legisla-
turperiode sage ich: Das sollten wir auch im Namen des
Ministeriums sichtbar machen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])


Auch damit würden wir ein starkes Signal an die ländli-
chen Räume senden.

Bundesminister Christian Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir eine Poli-
tik für die ländlichen Regionen aus einem Guss wollen,
müssen wir auch das System der Gemeinschaftsaufgaben
strategisch weiterdenken. Wir kommen hier perspekti-
visch nicht um eine Grundgesetzänderung herum.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Die zentrale Zukunftsaufgabe ist, gleichwertige Lebens-
verhältnisse zu schaffen. Wir haben einen ersten guten
Schritt in dieser Legislatur gemacht. Aber wir brauchen
eine Gemeinschaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung und
Demografie“.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Gesellschaft
verlangt, dass die Landwirtschaft nachhaltig, umwelt-
schonend und tiergerecht arbeitet. Sie verlangt allerdings
auch, lieber Kollege Kindler, dass die wirtschaftliche
Tragfähigkeit der Tierproduktion bei uns nicht aus den
Augen gelassen wird. Ich fand es sehr gut, wie Ihr Kol-
lege Hofreiter gestern in der Haushaltsdebatte in einem
Anflug von Nachdenklichkeit


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


sich selbst gefragt hat – ich übersetze das in meine Wor-
te –, ob man die Menschen, wenn man ihnen zunächst
erzählt, dass alles schlecht, falsch und ungut ist, wirklich
dorthin bringt, wo man sie haben will.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, nein! Das hat er so nicht gesagt! Da haben Sie ihn falsch verstanden!)


Deswegen sollten Sie meine Idee, das Prinzip der ver-
bindlichen Freiwilligkeit – Freiwilligkeit ist doch das
Ideal der grünen Basisdemokratie –, doch nicht so
schlechtreden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie gestern wohl nicht richtig zugehört!)


Seien Sie dankbar, dass es einen Minister gibt, der gerade
bei Ihnen anknüpft und Sie beim Wort nimmt. Ich warte
auf die „Hofreiterei“ der Zukunft; dann werden wir kräf-
tig darüber streiten. Ich hoffe, dass die Schülergruppe
dann noch einmal da ist und sieht: Konstruktive, sach-
liche Diskussion ist das, was wir brauchen und wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden im Jahr 2017 in diesem Ressort eine gan-
ze Reihe weiterer Maßnahmen umsetzen können; die
Reduktionsstrategie im Bereich Ernährung sei nur kurz
erwähnt. Vielen Dank, Kollege Freese, für Ihr Insistie-
ren im Hinblick auf die Kinderernährung. Ich glaube, wir
beide können auch in Anbetracht der fünf zusätzlichen
Stellen gemeinsam sagen: Wir haben den richtigen Weg
eingeschlagen.


(Ulrich Freese [SPD]: Karlsruhe!)


– Habe ich „Dortmund“ gehört?


(Ulrich Freese [SPD]: Nein! Ich sagte: Karlsruhe! – Willi Brase [SPD]: Der BVB ist auch gut!)


– Ach so. – Welche Entscheidungen bezüglich der weite-
ren Strukturen getroffen werden, werden wir dann sehen.
Das Max-Rubner-Institut wird seinen Dienst leisten.

Ich bedanke mich für die große Unterstützung im ge-
samten Haus und dafür, wie Sie diesen Haushalt ausge-
stattet haben. Er gibt uns die Möglichkeit, zukunftsori-
entiert – ich denke da nicht an eine Agrarwende – unser
Verständnis von einer neuen Ausrichtung der Landwirt-
schaft und der Ernährung fortzuentwickeln.

Herzlichen Dank. Ich freue mich, Frau Präsidentin,
dass ich für die 1:37 Minuten, die ich überzogen habe,
nicht gerügt wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820318700

Das ist wegen der Lebkuchen. – Vielen Dank,

Christian Schmidt.

Nächste Rednerin: Dr. Kirsten Tackmann für die Lin-
ke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1820318800

Frau Präsidentin! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Von der Landwirtschaft wird ja eine Menge
verlangt. Sie soll sicherstellen, dass wir mit gesunden
und bezahlbaren Lebensmitteln versorgt werden, sie soll
die Energiewende mitgestalten, die Natur schonen und
zu lebendigen Dörfern beitragen. All das ist richtig. Bei
aller notwendigen Kritik, finde ich, sollten wir auch nie
vergessen: Sie schafft unsere Lebensgrundlage, und wir
brauchen sie als Verbündete für alle Veränderungen, die
wir herbeiführen wollen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Aber gerade deshalb muss es uns doch alarmieren, wenn
ausgerechnet die Landwirte nicht von ihrer Arbeit leben
können. Hier wäre entschlossenes Handeln der Bundes-
regierung wirklich notwendig. Aber irgendwie schiebt
sie die Verantwortung immer ab: an die Länder, an die
Wirtschaft oder an wen auch immer. Ich nennen einmal
ein paar Beispiele.

Beispiel Milchviehhalterinnen und -halter. Sie blei-
ben aufgrund der niedrigen Milchpreise seit anderthalb
Jahren und länger auf mindestens der Hälfte der Produk-
tionskosten sitzen. Sie haben schlicht keine Chance ge-
gen die erpresserische Marktübermacht von Handel und
Molkereien. Seit Jahren weist die Linke auf diese Fehl-
konstruktion des Marktes hin. Aber statt diese zu besei-
tigen, werden millionenschwere sogenannte Hilfspakete
in Brüssel und Berlin geschnürt. Nur, das Geld kommt
gar nicht oder viel zu spät in den Betrieben an. Aus Sicht

Bundesminister Christian Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


der Linken ist es deshalb vor allen Dingen wichtig, die
Macht der Handels- und Molkereikonzerne zu brechen.


(Beifall bei der LINKEN)


Sie dürfen nicht weiter auf Kosten der Milchviehbetriebe
leben; denn das ist Ausbeutung von Mensch und Tier und
gehört beendet, und zwar sofort.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Beispiel Herdenschutz. Auch hier entzieht sich der
Bund seiner Mitverantwortung. Hier trifft es die Wei-
detierhaltung. Sie hat zwar die höchste gesellschaftliche
Akzeptanz und wird für die Pflege der Deiche und der
Kulturlandschaft dringend gebraucht. Trotzdem sind hier
die Einkommen die niedrigsten in der gesamten Land-
wirtschaft. Hier ist Überlebenskampf Alltag. Gerade
deshalb brauchen diese Landwirte Unterstützung beim
Schutz ihrer Tiere vor dem Wolf. Die Länder allein sind
damit klar überfordert – finanziell, aber auch inhaltlich.
Hier muss der Bund in die Verantwortung,


(Beifall bei der LINKEN)


weil eine bundeseinheitliche Strategie gebraucht wird,
weil bundeseinheitliche Standards gebraucht werden
und weil Kenntnislücken geschlossen werden müssen,
zum Beispiel: Was schützt die Herden? Was ist unsicher?
Auch müssen Haftungsfragen geklärt werden. Deshalb
fordert die Linke seit 2011 alljährlich ein Herden- und
Wolfsschutzkompetenzzentrum – leider auch dieses Jahr
wieder vergeblich.

Das Umweltministerium hat übrigens unterdessen ein
Informations- und Dokumentationszentrum – aber nur
für den Wolf. Beim BMEL gibt es nicht einmal ein einzi-
ges Forschungsprojekt. Das hat mir die Bundesregierung
gerade auf eine parlamentarische Anfrage geantwortet.
Ich finde, das grenzt an unterlassene Hilfeleistung und
muss sich ändern.


(Beifall bei der LINKEN)


Beispiel drei. Agrarkonzerne sind eine Existenzbe-
drohung für die ortsansässigen Landwirtschaftsbetriebe.
Die Linke sagt das seit Jahren, unterdessen sagt das auch
die Bundesregierung. Nur hält sie sich auch hier wieder
nicht für zuständig. Dabei geht es aber doch um länder-
übergreifende Agrarkonzerne. Was soll denn da ein Fli-
ckenteppich von Landesregelungen ausrichten? Schlim-
mer noch: Die Anteilskäufe bei Agrarbetrieben sind auch
noch Steuerschlupflöcher. Jährlich geht ein siebenstelli-
ger Betrag verloren. Das muss endlich beendet werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD])


Übrigens könnte man mit dem Geld das Herdenschutz-
kompetenzzentrum finanzieren.

Beispiel vier. Das bislang vom Bund und von den
Ländern finanzierte Institut für Gemüse- und Zierpflan-
zenbau in Erfurt ist akut gefährdet. Es passt nicht in die
Vorstellung von „Exzellenz“ der Leibniz-Gemeinschaft.
Es wird aber – darin sind sich Thüringen und der Bund
sogar einig – dringend gebraucht. Aber der Bund fühlt
sich wieder nicht zuständig. Er will zwar das Geld zur

Verfügung stellen, Verantwortung soll aber allein Thü-
ringen übernehmen. Als Linke fordern wir dagegen eine
Beibehaltung der Bund-Länder-Zuständigkeit. Und das
geht auch, wenn man will.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der Bund darf weder die Beschäftigten in Erfurt im Stich
lassen noch die Gartenbaubetriebe, die auf diese wissen-
schaftliche Expertise dringend angewiesen sind.

Als Linke machen wir uns auch grundsätzlich Sorgen
um die Agrarforschung. Mein Fraktionskollege Ralph
Lenkert hat heute Vormittag schon darauf hingewiesen.
Sie wird im elitären Wissenschaftsbetrieb unterbewertet
und droht unterzugehen. Ich denke, wir brauchen eine ei-
gene Struktur. Meinetwegen können wir diese auch Aka-
demie der Landwirtschaftswissenschaften nennen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820318900

Vielen Dank, Kirsten Tackmann. – Nächster Redner:

Dr. Wilhelm Priesmeier für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1820319000

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich überfällt
noch keine Demut, aber es ist die letzte Haushaltsrede,
die ich hier in diesem Deutschen Bundestag halte. Ich
spreche jetzt zu dem 15. Haushalt. Ich glaube, es ist jetzt
Zeit, auch ein bisschen Bilanz zu ziehen. Eine Bilanz be-
steht immer aus Soll und Haben. Ich meine aber nicht
die Bilanz meiner Tätigkeit hier im Bundestag, sondern
die Bilanz dessen, was wir in diesen Haushalt hineinge-
schrieben haben.

Über die Größe des Haushaltes – er umfasst knapp
6 Milliarden Euro – ist schon dreimal gesprochen wor-
den. Ich mache aber noch einmal darauf aufmerksam,
dass es die schwarz-rote bzw. rot-schwarze Regierung
war, die den entsprechenden Zuwachs beschlossen hat.
Im Gegensatz zu dem, was die gelb-schwarze Koalition
erreicht hat, handelt es sich – das muss man konstatie-
ren – um einen erheblichen Zuwachs. Das ist natürlich
vor allem der Aufgabenstellung im ländlichen Raum
geschuldet, der wir großes Gewicht beigemessen haben.
Das ist ein klares und deutliches Bekenntnis zur Land-,
Ernährungs- und Forstwirtschaft sowie auch zur Fische-
rei.

Über eines bin ich ein bisschen traurig. Ich hatte im
September letzten Jahres den Vorschlag gemacht, ein
größeres Bürgschaftsprogramm für die bedrohten bzw.
betroffenen landwirtschaftlichen Unternehmen im Be-
reich der Veredelung aufzulegen. Das machen wir nun
mit diesem Haushalt. Wir kommen da – weiß Gott! –
14 Monate zu spät. Wir hätten in vielen Betrieben viel-
leicht für Erleichterung sorgen können und denen auch
das Leben einfacher machen können. Wir hätten, wenn
wir das rechtzeitig letztes Jahr gemacht hätten, dafür sor-

Dr. Kirsten Tackmann






(A) (C)



(B) (D)


gen können, dass Liquidität in diese Betriebe geflossen
wäre.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich glaube aber, es ist noch nicht ganz zu spät. Die Be-
triebe, die jetzt betroffen sind, werden dieses Programm
noch nutzen können.

Die von den Ländern in diesem Zusammenhang auf-
gelegten Programme sind bislang nur zögerlich genutzt
worden. Ich hoffe, dass die Bedingungen für dieses
Programm so gestaltet werden, dass all die Betriebe in
der Bonitätsklasse 1 bis 4 dieses Programm – es um-
fasst immerhin 300 Millionen Euro; 100 Millionen Euro
kommen aus dem Bereich des Bundes, wobei er für die
Hälfte bürgt – nicht zur Umschuldung, sondern eben für
das laufende Geschäft nutzen werden, um so eine neue
Perspektive für ihr weiteres Wirtschaften zu haben. Wir
alle sehen ja, dass die Milchmarktkrise noch nicht über-
wunden ist.

Den Betrieben fehlen 6 bis 7,5 Milliarden Euro aus
den letzten zwei Jahren. Das ist eine erhebliche Belas-
tung. Die Politik kann das aber nicht zur Gänze ausglei-
chen. Deshalb freue ich mich, dass wir weitere 58 Millio-
nen Euro in den Haushalt eingestellt haben, damit wir das
von der EU angebotene und auf nationaler Ebene umzu-
setzende Milchmengenreduktionsprogramm unterstützen
können. Das ist auch im Hinblick darauf, dass zum ge-
genwärtigen Zeitpunkt die Lagerbestände abgebaut wer-
den, sicherlich eine vernünftige und richtige Maßnahme.

Zu den sonstigen Maßnahmen, die zur Erleichterung
angedacht waren, kann ich Ihnen nur sagen: Es ist müh-
sam, das Einkommensteuerrecht zu nutzen, um damit
Risikovorsorge zu betreiben. Nach vielen und reiflichen
Überlegungen haben wir uns aber zumindest jetzt darauf
verständigen können, dass wir das befristet tun wollen.
Wenn nach der Bewertung im BMJV keine weiteren
verfassungsrechtlichen Probleme auftauchen, werden
wir den entsprechenden Gesetzentwurf in der nächsten
Woche hoffentlich auch hier im Deutschen Bundestag
durchbringen können, damit die Länder dazu Stellung
beziehen können. Die Position der Bundesländer dazu
ist an sich sehr kritisch. Vielleicht gelingt es aber, diese
Regelung auch mit schweren Bedenken durchzubringen.
Zumindest nach den heutigen Gesprächen bin ich hier
recht hoffnungsfroh. Auch das demonstriert, dass die
Koalition handlungsfähig ist.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört sich aber manchmal eher anders an in den Debatten!)


Ich glaube, auch bei der Gesetzgebung im Bereich
Gentechnik werden wir einen vernünftigen Konsens fin-
den, der tragfähig ist, indem ich darauf verweise, dass
wir dieses Problem nicht ungelöst lassen können. Die
Bundesländer haben sich ja schon darauf eingestellt, dass
auch dieser Gesetzentwurf in erster Lesung durch den
Bundestag gehen wird, damit die Weiterberatung dazu
im Bundesrat erfolgen kann.

Es ist wichtig und richtig, dass wir vor allen Dingen
für den ländlichen Raum Geld in die Hand nehmen. Des-
halb freue ich mich ganz besonders, dass es gelungen ist,

den Ansatz für BULE, das Bundesprogramm „Ländliche
Entwicklung“, auf 55 Millionen Euro anzuheben. Das ist
die Instrumentenkiste, die wir brauchen, um mit Modell-
vorhaben Dinge auszuprobieren bzw. zu erproben, die
den ländlichen Raum in Gänze voranbringen. Ich bin mir
sicher: Die Erkenntnisse daraus werden die Entwicklung
des ländlichen Raumes auch in Zukunft ganz entschei-
dend mit beeinflussen. Es geht darum, die Stakeholder –
so nennt man das ja Neudeutsch – in ihren Bestrebungen
und Bemühungen zu unterstützen. Mit unserer finanzi-
ellen Unterstützung werden wir dafür sorgen, dass der
ländliche Raum eine Perspektive behält.


(Beifall bei der SPD)


Aus unserer Sicht betrifft das hier vor allen Dingen die
soziale Infrastruktur, die Arbeitsstrukturen, die Arbeits-
plätze und die Wertschöpfung.

Im Hinblick auf verschiedene Programme, die wir
im Konsens umsetzen wollten und auch noch umsetzen
könnten, hätte ich mir ein bisschen mehr erwartet. Mir
fehlt immer noch etwas im Bereich „Tierschutz und Ver-
braucherschutz“, mir fehlt ein einheitlicher Rechtsrah-
men zur Tierhaltung und zu Tierarzneimitteln, mir fehlt
ein Tierschutz-TÜV, und ich vermisse eine nationale
Nutztierstrategie. All das sind Aufgaben, die wir nur im
Konsens und nicht im Dissens bewältigen können. Ich
glaube, deshalb sollten wir uns hier ans Werk machen
und das nächste halbe Jahr nicht im Streit verschenken,
sondern im Konsens beenden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820319100

Vielen Dank, Dr. Priesmeier. – Nächster Redner:

Harald Ebner für Bündnis 90/Die Grünen.


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820319200

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, das ist
laut Horst Seehofer Ihr letzter Haushalt im BMEL – und
das ist auch gut so.

Kürzlich titelten die Zeitungen „Dramatischer Rück-
gang: Tiere verschwinden von der Erde“. Laut einer
WWF-Studie gibt es heute nur noch ein Fünftel der Fi-
sche und Frösche, die vor 40 Jahren existierten. Bei der
Insektenbiomasse sieht es nicht besser aus. Warum sage
ich das? Der ökologische Zustand unserer Welt hängt
entscheidend auch davon ab, wie wir Landwirtschaft be-
treiben, unsere Lebensmittel erzeugen und was wir essen.
Aber die Chance, hier etwas zu ändern, verpasst dieser
Haushalt erneut.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das gilt auch für den Klimaschutz; Kollege Kindler
hat es schon ausgeführt. Anfang Oktober hatten wir uns
hier im Hohen Haus verpflichtet, die Erderwärmung zu
begrenzen, die Klimakrise aufzuhalten, aber Sie, Herr
Minister Schmidt, haben dann dafür gesorgt, dass die
Landwirtschaft eben nicht den notwendigen Beitrag

Dr. Wilhelm Priesmeier






(A) (C)



(B) (D)


zum Klimaschutz leisten muss. Sie haben aus Barbara
Hendricks’ Klimaschutzplan einen Klimaschmutzplan
gemacht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


So sieht auch dieser Haushalt aus. Es werden schon
wieder keine Investitionen in Zukunftsprojekte gestartet.
Schon wieder werden die Chancen verpasst, umzusteu-
ern, und wie die letzten Jahre verharren Sie im Weiter-so,
das doch schon bisher nichts gebracht hat. Das haben wir
bei der Einbringung des Haushalts kritisiert, und auch
jetzt sind hier keine Fortschritte zu verzeichnen, auch
wenn es die Kolleginnen und Kollegen anders darstellen
wollen. Es bleibt bei Kleckerbeträgen, die nichts mit den
Ankündigungen zu tun haben.

Zum Beispiel beim Ökolandbau: 20 Prozent haben
Sie, Herr Schmidt, angekündigt erreichen zu wollen.
Das klingt gut, das klingt zukunftsgerecht. Die Mittel
für das Bundesprogramm Ökologischer Landbau werden
erhöht – wunderbar –, aber Sie satteln gerade einmal ein-
malig 3 Millionen Euro drauf, und damit bleibt das Pro-
gramm mit 20 Millionen Euro bei einem mauen Drittel
der Beträge, die sogar der Bauernverband im letzten Jahr
für den ökologischen Landbau gefordert hat und die auch
wir für sachgerecht halten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Aber wenn es doch keiner will!)


Viel schlimmer ist aber, dass auch die vorhandenen
Gelder dem Ökolandbau nur zum Teil zugutekommen.
Zwei Drittel der Forschungsmittel im BÖLN sind im
letzten Jahr in andere Formen der nachhaltigen Land-
wirtschaft geflossen, und das allein zeigt doch schon:
Sie wollen gar nicht, dass da etwas vorangeht. Sie wol-
len kein funktionierendes Gentechnikgesetz. Sie wollen
nicht mehr Tierschutz, Sie wollen auch keine Stärkung
des Ökolandbaus. Vielmehr reden Sie nur davon.

In anderen europäischen Ländern boomt die Biole-
bensmittelwirtschaft und verzeichnet Rekordzuwächse,
in Frankreich beispielsweise plus 23 Prozent und in Dä-
nemark plus 34 Prozent. Und Sie haben die letzten zwei
Jahre was gemacht? Eine Debating Society zur Zukunft
des Ökolandbaus gespielt. Jetzt soll bald eine Strategie
fertig sein. Aber schade, zur Umsetzung haben Sie kei-
nen Cent im Haushalt eingeplant.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Mit dem Umsetzen hapert es da ja immer. Vor zwei
Wochen haben wir hier das Saatgutverkehrsgesetz be-
schlossen. Ihr Haus, Herr Schmidt, hat die Änderungen
angepriesen: Sie stärke gartenbauliche Betriebe, den
Erhalt alter Obstsorten und den traditionellen Anbau
regionaler Sorten. Gute Ziele – unterstützen wir. Aber
haben Sie eigentlich gemerkt, dass die Umsetzung auch
Geld kostet? Das Gesetz regelt zum Beispiel die Erstel-
lung einer Gesamtliste alter Obstsorten, inklusive Be-
schreibung. Dazu braucht es Fachwissen, dazu braucht
es viel Arbeit. Es sind vor allem die bürgerschaftlichen
Erhaltungsinitiativen, die diese alten Sorten mit viel En-
gagement pflegen. Die müssen von uns dabei unterstützt

werden. In Ihrem Haushalt finden wir dafür aber genau
nichts.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Heute ist schon klar, dass das zuständige Bundessor-
tenamt den hier entstehenden Arbeitsaufwand überhaupt
nicht leisten kann. Und was machen Sie? Sie kürzen dem
Bundessortenamt schon wieder die Mittel, statt sie auf-
zustocken. Da müssen sich doch sowohl die ehrenamt-
lichen Aktiven als auch die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter des Bundessortenamts verschaukelt vorkommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Großen Koali-
tion, mit Verlaub: Die SPD feiert das Bundesprogramm
Biologische Vielfalt im Etat des Umweltministeriums.
Schön, bringt aber wenig, wenn gleichzeitig das BMEL
keine Mittel in die Forschung an nichtchemischem Pflan-
zenschutz und die Beratung der Landwirte zur Nutzung
alternativer Pflanzenschutzmethoden steckt. Denn der
chemische Pflanzenschutz – das sagen die Wissenschaft-
ler nach wissenschaftlichen Analysen – ist neben Struk-
turverlusten eine Hauptursache für den Rückgang der
biologischen Vielfalt; und da müssen wir ran.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir begrüßen es, dass es ein Bürgschaftsprogramm für
in ihrer Existenz bedrohte landwirtschaftliche Betriebe in
den Haushalt geschafft hat. 58 Millionen Euro! Rechnen
wir es doch einmal auf die einzelnen Betriebe herunter.
Wenn alle mitmachen wollen, sind das 900 Euro pro Be-
trieb. Das funktioniert doch nur, wenn Sie einkalkulieren,
dass die Mehrzahl der Betriebe keine Anträge mehr stellt,
weil der Strukturwandel hier schon schneller war. Das
zeigt: Statt nachlaufender Hilfen brauchen wir endlich
politische Rahmenbedingungen, die Betriebe eben nicht
in den ruinösen Kampf um die Preisführerschaft und zum
Export drängen. Wir müssen rechtzeitig vorher grundle-
gend ansetzen, wenn wir unsere Betriebe erhalten wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen umsteuern. Wir brauchen die Agrarwen-
de sowohl aus ökologischer wie auch aus ökonomischer
Sicht. So müssen wir auch den Haushalt des Ministeri-
ums ausrichten. Im Haushalt müssen Schwerpunkte ge-
setzt werden, zum Beispiel durch Zweckbindungen im
Budget für Forschung und Innovationen im Ökoland-
bau, für den nichtchemischen Pflanzenschutz, für mehr
Tierwohl. Wir brauchen mehr Mittel für zukunftsfähige
Tierhaltung und eine bäuerliche Landwirtschaft statt ei-
nen steuerlich geförderten Ressourcenverbrauch, eine
bessere Förderung der ökologischen Land- und Lebens-
mittelwirtschaft – hören Sie doch auch an dieser Stelle
einmal auf den Deutschen Bauernverband – und eine an-
gemessene Mittelausstattung für ländliche Entwicklung
und regionale Vermarktung.

Dieser Haushalt der verpassten Chancen hat wieder
einmal gezeigt: Die Große Koalition mitsamt ihrem
Landwirtschaftsminister will es nicht, und sie kann es
nicht. Es ist höchste Zeit, diesen Zustand zu beenden.

Danke schön.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Harald Ebner






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Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820319300

Vielen Dank, Harald Ebner. Jetzt erst einmal Luft ho-

len. – Der nächste Redner: Johannes Röring für die CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Röring (CDU):
Rede ID: ID1820319400

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor

ich einsteige, möchte ich einen herzlichen Dank an Cajus
Caesar loswerden, der sich für diesen Haushalt enorm
eingesetzt hat, will aber großkoalitionär auch Herrn
Freese in meinen Dank einbeziehen.


(Beifall der Abg. Jeannine Pflugradt [SPD] – Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Bravo!)


Das war gerade gut dargestellt, es geht also doch zusam-
men.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Natürlich möchte ich in meinen Dank auch Bundesmi-
nister Schmidt einbeziehen. Ich glaube, ein Haushalt mit
einem Volumen von knapp 6 Milliarden Euro, der eine
dicke Steigerung erfahren hat, verbunden mit der Ge-
wissheit, dass das Geld sinnvoll eingesetzt wird,


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind zwei Welten!)


ist ein großer Erfolg. Vielen Dank, Cajus, für den letzten
Haushalt, den du als Berichterstatter mitbegleitest.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, verschiedene Zahlen des
Haushaltes wurden schon genannt. Ich möchte auf einen
Punkt im Speziellen eingehen, der mir besonders wichtig
ist. Wir spüren, dass sich die Ansprüche der Verbrauche-
rinnen und Verbraucher, der Gesellschaft, wie man so
schön sagt, in Bezug auf die Landwirtschaft verändern.

Der emotionalste Punkt in diesem Zusammenhang ist
natürlich die Nutztierhaltung. Diesem Punkt tragen wir
im Haushalt deutlich Rechnung: über 33 Millionen Euro
für den Bereich Tierschutz, für Forschungsförderung,
für Modell- und Demonstrationsvorhaben und für die
Entwicklung eines staatlichen Tierwohllabels. Verbrau-
cher sind bereit, mehr zu zahlen für tiergerecht produ-
ziertes Fleisch, heißt es in zahlreichen Studien. An der
Ladenkasse zeigt sich dies allerdings leider noch nicht.


(Carola Stauche [CDU/CSU]: So ist es!)


Ein staatliches Tierwohllabel soll die wandelnden
gesellschaftlichen Anforderungen aufgreifen. Minister
Schmidt, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion begrüßt
und unterstützt Ihr Vorhaben, ein solches Label zu ent-
wickeln. Die Wirtschaft wartet, die Erzeuger wollen es.
Eine solche Initiative schaffen wir aber nur im Schul-
terschluss mit den Erzeugern, mit unserer heimischen
Landwirtschaft. Die Landwirte sind nämlich diejenigen,
die die Vorgaben eines solchen Labels umsetzen müssen.
Wir brauchen daher ein konstruktives Miteinander und
keine Wahlkampfparolen. Dafür haben wir ja gerade ein

Beispiel gehört. Herr Kindler, bleiben Sie lieber bei den
Zahlen als bei der Landwirtschaft.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben mich persönlich angegriffen, und das kreide
ich Ihnen an.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, ich habe keine Namen genannt!)


Wenn mein Vater noch leben würde und das gehört hätte:
Wissen Sie, was er zu Ihnen gesagt hätte? Der ist ja noch
grün hinter den Ohren!


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlechter Kalauer!)


Noch nie eine Kuh von hinten gesehen und beurteilt von
Berlin aus unsere Tierhaltung; das kann ja wohl nicht
wahr sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja gar nicht wahr! Ich war auf vielen Bauernhöfen, Herr Röring! – Zuruf des Abg. René Röspel [SPD])


Um es Ihnen noch einmal deutlich zu sagen: Das
Landgericht Hamburg hat dem Norddeutschen Rundfunk
verboten, die Bilder aus unserem Stall zu zeigen oder
weiter zu veröffentlichen. Wissen Sie, warum? Weil kein
Verstoß gegen den Tierschutz vorgelegen hat. Deswegen
kann ich Ihnen und auch Herrn Ebner nur empfehlen:
Lassen Sie die pauschale Verunglimpfung der Bauernfa-
milien in Deutschland, vor allem die der Tierhalter.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Willi Brase [SPD] – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie eigentlich gerade zugehört?)


Ich wiederhole das, was ich in meiner letzten Rede ge-
sagt habe: Unterstehen Sie sich, Wahlkampf auf dem Rü-
cken unserer Bauernfamilien zu machen. Das haben sie
wirklich nicht verdient.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Herr Minister Schmidt, ich kann Sie nur ermutigen:
Gehen Sie beim staatlichen Tierschutzlabel voran. Die
Branche wartet und ist bereit. Der große Zuspruch für
die wirtschaftsgetragene Brancheninitiative Tierwohl hat
bereits eindrucksvoll gezeigt, dass es unsere Landwirte
sind, die an einer Weiterentwicklung der Nutztierhaltung
interessiert sind und sie offensiv und entschlossen ange-
hen. Die Initiative funktioniert und wirkt im Übrigen.
Wir sind zurzeit dabei, die Verträge für die Zeit von 2018
bis 2020 abzuschließen. Die Verträge werden in diesen
Wochen unterschrieben.

Ein staatliches Tierwohllabel darf aber nicht mit der
Brancheninitiative im Wettbewerb stehen. Ich biete Ih-
nen an, Herr Minister, gemeinsam mit Ihnen die vorhan-
denen Synergieeffekte und gemeinsame Infrastrukturen
im Bereich von Kontrolle und Organisation zu nutzen.
Bereits zur Grünen Woche in knapp zwei Monaten wol-






(A) (C)



(B) (D)


len Sie, Herr Minister Schmidt, erste Eckpunkte vorstel-
len. Das ist ein ambitionierter Zeitplan. Wir wollen Sie
gerne dabei unterstützen, um das Tierwohl in der Breite
voranzubringen.

Meine Damen und Herren, der Einzelplan 10 steht für
Landwirtschaft und Ernährung, aber auch – das ist mir
wichtig – für den ländlichen Raum. Ich bin selber ein
Junge vom Lande – ich komme aus dem Kreis Borken –,
und ich bin sehr stolz darauf. Manche Stadtmenschen
schauen allerdings etwas überheblich aufs Land, aber zu
Unrecht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich darf ganz kurz für meine Heimat sprechen: Die
Arbeitslosenquote liegt unter 3 Prozent; das ist fast
Vollbeschäftigung. Wir haben bei uns in der Region
Weltmarktführer im Bereich Landwirtschaft bzw. land-
wirtschaftliche Lösungen. Wir haben vier schuldenfreie
Städte und Gemeinden. Das ist nicht vom Himmel ge-
fallen. Wir alle haben in unserem Heimatkreis tagtäglich
hart daran gearbeitet und machen das auch weiterhin, da-
mit es dabei bleibt.

Zwar gehören zu einer so guten Lage auch gute Ge-
samtumstände, aber gute Umstände werden offenbar
von manchen besser genutzt als von anderen. Deswegen
müssen wir bei allem Stolz auf meinen Heimatkreis auch
festhalten, dass es viele Kreise gibt, in denen es weniger
gut zugeht. Hier braucht es konkrete Unterstützung, und
die leisten wir mit dem Haushalt, nicht zuletzt durch das
schon erwähnte Bundesprogramm „Ländliche Entwick-
lung“, das um 45 Millionen Euro auf ein Gesamtvolumen
von 55 Millionen Euro aufgestockt worden ist.

Es ist unser zentrales Anliegen als Unionsfraktion,
den ländlichen Raum als Lebens- und Wirtschaftsraum
weiter zu stärken. Nicht jedem ist nämlich geläufig, wie
wichtig die ländlichen Räume sind. Teilweise mangelt
es an Wertschätzung und vor allen Dingen auch an Ver-
ständnis. Eine mangelnde Wertschätzung ländlicher Räu-
me kann zu tiefgreifender Entfremdung führen. Diese
Entwicklung haben wir gerade bei den Präsidentschafts-
wahlen in Amerika erlebt. Das Wahlergebnis zeigt uns,
wie wichtig der von uns eingeschlagene Weg ist, uns für
den ländlichen Raum und die dortige Landwirtschaft
starkzumachen. Aber gesellschaftliche Wertschätzung
ist das eine; finanzielle Hilfen, erst recht in Krisenzeiten,
sind das andere.

Seit Monaten arbeiten wir in der CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion am Pakt für die Landwirtschaft. Es geht
darum, in einer ökonomisch schwierigen Situation ein
Zeichen der Unterstützung zu geben, zum Beispiel durch
die Verdoppelung des EU-Hilfspakets von 58 Millionen
auf 116 Millionen Euro, durch die Erhöhung der Entlas-
tung bei der landwirtschaftlichen Unfallversicherung auf
178 Millionen Euro und durch 150 Millionen Euro für
das Bürgschaftsprogramm.

Wichtig wäre auch die Gewinnglättung. Ich glau-
be, die Verantwortlichen wissen, dass nicht in Zukunft,
sondern jetzt Liquidität gebraucht wird. Deswegen kann
ich nur sagen: Macht voran, damit das Paket noch verab-
schiedet werden kann!

Vor allem aber geht es darum, die Landwirte, die mit
dem Rücken zur Wand stehen, nicht noch zusätzlich zu
belasten. Während wir nämlich an Unterstützungen ar-
beiten, wird gleichzeitig die Abschaffung der Direktzah-
lungen, die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch
und vieles andere gefordert.

Mit anderen Worten: Während die einen den Bauern
das Leben noch schwerer machen wollen, hat die CDU/
CSU konkret gehandelt. Konkretes Handeln, zukunftsge-
richtet, stabil und verlässlich, ist das, was sich im Einzel-
plan 10 und übrigens auch im gesamten Bundeshaushalt
widerspiegelt – das vierte Jahr in Folge ohne neue Schul-
den. Die CDU/CSU ist der Partner des ländlichen Raums
und der Bauernfamilien.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820319500

Vielen Dank, Kollege Röring. – Ich hoffe, Ihnen ist

nicht so kalt wie mir. Ich finde es heute extrem kalt hier. –
Sie finden auch, dass es kalt ist. Also frieren nicht nur wir
hier oben. Dann fahren wir schnell fort, damit wir schnell
in die Wärmestube kommen. – Ich komme übrigens auch
vom Land, nur dass das klar ist, aus einem kleinen Ort
mit 4 800 Einwohnern.

Nächste Rednerin: Elvira Drobinski-Weiß, SPD.


(Beifall bei der SPD)



Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1820319600

Frau Präsidentin, Sie haben recht: Es ist kalt. – Sehr

geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Vor zwei Wochen hat die Lebensmittelwirtschaft
eine Studie veröffentlicht, mit der sie wohl beweisen
wollte, wie sehr sich die Menschen durch die Politik
beim Essen bevormundet fühlen. Ampel, Zuckersteuer,
eine Höchstgrenze für Salz in Lebensmitteln, all das wur-
de abgefragt. In allen Fällen kam heraus – vielleicht zum
Leidwesen der Lebensmittelindustrie –: Die Mehrheit
der Verbraucherinnen und Verbraucher empfindet diese
Dinge gar nicht als Bevormundung. Mich verwundert
das nicht; denn ich mache immer wieder die Erfahrung,
dass viele Verbraucherinnen und Verbraucher gesund und
nachhaltig essen wollen. Aber das fällt ihnen im Alltag
schlichtweg schwer. Deshalb brauchen wir Maßnahmen,
die das Lebensmittelangebot in der Breite gesünder und
besser machen. Die nationale Strategie zur Reduktion
von Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln ist eine da-
von. Ich freue mich, dass auf Druck der SPD-Fraktion
dafür 2017 insgesamt 3 Millionen Euro, also 1 Million
Euro mehr als im vergangenen Jahr, zur Verfügung ste-
hen.


(Beifall bei der SPD)


Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, das sind beste
Voraussetzungen, um endlich loszulegen. In den nächs-
ten Monaten sollten konkrete Schritte mit der Wirtschaft
vereinbart werden. Wir stellen Ihnen, Herr Minister,
selbstverständlich die Ergebnisse unseres Expertenge-

Johannes Röring






(A) (C)



(B) (D)


sprächs bzw. Fachgesprächs zum Thema Reduktions-
strategie sehr gern zur Verfügung. Die Expertinnen und
Experten auf dem Podium machten deutlich: Vor allem
Zucker und Salz müssen reduziert werden. – Das ist auch
machbar für die Wirtschaft. Beginnen kann man überall:
beim Salzgehalt von Brot, beim Zuckergehalt von Früh-
stücksflocken oder beim Fettgehalt von Fertigprodukten.

Gerade bei Lebensmitteln für Kinder ist noch viel
Luft zur Rezepturveränderung. Eine gesunde Ernährung
von Anfang an ist eine der wichtigsten Voraussetzungen
für ein gesundes, langes, aktives Leben. Ich kann mich
nur wiederholen: Wir unterstützen Menschen am besten,
wenn wir die gesündere Wahl zur leichteren machen,
wenn wir gesunde Verhältnisse schaffen, statt allenthal-
ben Broschüren mit guten Tipps zu verteilen und gleich-
zeitig der Lebensmittelindustrie zu erlauben, die größten
Zuckerbomben schon an die Allerkleinsten zu vermark-
ten.

Selbstverständlich brauchen wir für alles, was wir tun,
solide wissenschaftliche Daten, gerade wenn es um die
Kinderernährung geht. Deshalb bin ich sehr erleichtert,
dass die Finanzierung des Instituts für Kinderernährung
nach langem Hin und Her endlich steht. Die SPD-Frakti-
on hat mit viel Nachdruck darauf gedrängt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir erwarten jetzt, dass der schrittweise Aufbau inner-
halb des Max-Rubner-Instituts in Karlsruhe – ich betone:
Karlsruhe – über die nächsten Jahre kontinuierlich statt-
findet.

Es ist der letzte Haushalt in dieser Legislaturperiode.
Rückblickend hätte ich mir vom Minister eine viel muti-
gere Ernährungspolitik mit viel mehr Ideen und Gestal-
tungswillen gewünscht. Aber ein paar Monate verbleiben
noch, genug Zeit, um einige wichtige Vorhaben voranzu-
bringen, Herr Minister.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820319700

Vielen Dank, Elvira Drobinski-Weiß. – Nächster Red-

ner: Franz-Josef Holzenkamp für die CDU/CSU-Frakti-
on.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Franz-Josef Holzenkamp (CDU):
Rede ID: ID1820319800

Frau Präsidentin, herzlichen Dank für das Lob für un-

sere Truppe, dass wir eine so gesunde Streitkultur haben.
Ich kann nur sagen: Wir sollten mit Respekt um die beste
Lösung streiten. Wenn wir uns alle bemühen, tun wir uns
und der Gesellschaft einen großen Gefallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und
Herren! Wir beraten über den letzten Haushalt in dieser
Legislaturperiode. Für mich ist es zugleich die letzte
Haushaltsrede, wie du weißt, Wilhelm Priesmeier. Ich
bin dabei sehr gut gelaunt. Wir können zuerst einmal all-
gemein feststellen: keine neuen Schulden, keine Steuer-
erhöhungen und freiwerdende Mittel zusätzlich investiv

eingesetzt. So macht man es richtig, damit Deutschland
weiter nach vorne kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben insbesondere den investiven Bereich wei-
terentwickelt. Mit dem Bundeshaushalt 2017 haben wir
die höchste Investitionsquote seit vielen Jahren – ich
glaube, seit 15 oder 16 Jahren – erreicht. Davon profitiert
in besonderem Maße der ländliche Raum. Deshalb geht
an dieser Stelle mein persönlicher Dank – das ist mir ein
Herzensanliegen – an Cajus Caesar und Uli Freese.

Ich will auch Eckhardt Rehberg explizit einbeziehen,
der viel getan hat gerade für die Mittel im ländlichen
Raum in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium,
lieber Christian Schmidt, mit deinem Haus. Das war ein
gutes Stück Arbeit, das war erfolgreich. Herzlichen Dank
dafür.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will auf drei Schwerpunkte eingehen, zunächst kurz
auf die Stärkung der Landwirtschaft und des ländlichen
Raums. Es ist nicht neu, dass wir uns in dieser Krisen-
situation vehement für ein Gesamthilfspaket eingesetzt
haben, wissend, dass wir Märkte nicht steuern und auch
Preise nicht festlegen können. Dies spiegelt sich auch im
Haushalt 2017 wider, in dem wir das Bürgschaftspro-
gramm auf den Weg bringen, den Bundeszuschuss für
die landwirtschaftliche Unfallversicherung noch einmal
verstetigen und vor allen Dingen die GAK-Mittel noch
einmal wesentlich erhöhen. Von den Grünen wurde das
kritisiert. Erinnern Sie sich einmal an die Zeit zurück, in
der Sie Verantwortung hatten. Da war die GAK ein grü-
ner Steinbruch. Mit uns wird das wieder aufgebaut. Das
ist vernünftige Politik, und das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Insbesondere das BULE-Programm, das Bundespro-
gramm „Ländliche Entwicklung“, zeigt, dass wir im
ländlichen Raum richtig unterwegs sind.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder mal postfaktisch!)


Wilhelm, du hast darauf hingewiesen: Wir werden
nächste Woche die Tarifglättung vornehmen und auch die
Mittel aus dem zweiten EU-Hilfspaket verdoppeln, damit
wir unseren krisengebeutelten Landwirten insbesondere
in der Milchwirtschaft helfen können. Lieber Uli Freese,
was die Rechtsformneutralität angeht: An uns hat es nicht
gelegen. Das will ich an dieser Stelle auch offen sagen.
Auch das entspricht der Wahrheit.

Meine Damen und Herren von den Grünen, immer
wieder kommt die Mär vom Export. Ich will das noch
einmal deutlich sagen: Die Land- und Ernährungswirt-
schaft produziert in erster Linie für den heimischen
Markt. Aber die Menschen bei uns essen auch jede Men-
ge Lebensmittel aus allen Ländern der Welt. Und andere
Länder in der Welt freuen sich über Lebensmittel „made
in Germany“.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Elvira Drobinski-Weiß






(A) (C)



(B) (D)


Wir müssen doch mit dem Klammerbeutel gepudert sein,
wenn wir diese Wünsche nicht erfüllen. Das müssen
doch auch Sie endlich einmal verstehen!


(Zuruf des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Meine Damen und Herren, zu dem Thema Umwelt-
schutz und Tierschutz: Beim Düngepaket – bestehend
aus Düngegesetz und Düngeverordnung – gilt es noch
eine Frist bis Ende dieses Monats abzuwarten, in der man
Stellungnahmen zum strategischen Umweltgutachten
einbringen kann. Ich gehe davon aus, dass wir es dann
endlich – das sage ich ganz bewusst – zügig umgesetzt
bekommen. Das ist ein ordentlicher Beitrag zum Klima-
schutz, zum Umweltschutz und auch zum Wasserschutz.
Ich will aber auch sagen – darüber haben wir lange
hin und her diskutiert und auch manchmal gestritten –:
Gleichzeitig wollen wir natürlich auch gewährleisten,
dass Landwirte ihre Pflanzen vernünftig ernähren kön-
nen. Deshalb sagen wir auch mit Blick auf die Landwirt-
schaft: so wenig wie möglich, aber auch so viel wie nö-
tig – eigentlich eine Selbstverständlichkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben die Mittel für den Bereich Forschung, In-
vestitionen, Praxis- und Demonstrationsvorhaben auf
34 Millionen Euro erhöht. Das zeigt, dass wir mit un-
serem Vorgehen, Lösungen zu suchen statt Verbote aus-
zusprechen, auf dem richtigen Weg sind. So geht es und
nicht mit einer reinen Verbotspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir wissen natürlich, dass wir uns in einem großen
Veränderungsprozess befinden, was Landwirtschaft an-
geht, was die Art und Weise der Lebensmittelproduktion
angeht. Da befinden wir uns in einem regelrechten Trans-
formationsprozess. Natürlich spielt auch Ordnungsrecht
eine Rolle. Christina Jantz, wir haben gestern über Pelz-
tiere und über das Verbot der Schlachtung trächtiger Rin-
der gesprochen, was wir umsetzen wollen und in Kürze
auch werden. Aber wir müssen uns vor allen Dingen um
Lösungen bemühen, die dann auch wirklich in der Praxis
umsetzbar sind. Darauf kommt es an. Meine Damen und
Herren von den Grünen, dazu haben wir von Ihnen leider
überhaupt nichts gehört.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben doch ganz viel vorgelegt! Richtig zuhören, Herr Holzenkamp!)


Deshalb ist es richtig, dass Bundesminister Schmidt
eine Nutztierstrategie entwickelt. Da stehen wir am An-
fang eines großen Transformationsprozesses.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wieder mal eine postfaktische Rede!)


Das ist auch hinsichtlich der Gesetzgebung eine sehr
große Herausforderung. Zunächst geht es um längerfris-
tige Planungssicherheit und um eine umfangreiche und
komplexe Aufgabe. Es geht nämlich nicht nur um Tier-
schutz, es geht auch um Baurecht, um Umweltrecht, um
Emissionsschutzrecht, und es geht um Flächenverbrauch.

Das alles muss in einem Konsens zu einer gemeinsamen
Lösung hin entwickelt werden. Da gibt es Zielkonflikte.

Mein Wunsch und mein Appell an Sie alle ist: Las-
sen Sie uns diesen Weg wirklich gemeinsam gehen, und
zwar lösungsorientiert, nicht ideologisch; denn wenn wir
diesen Weg nicht gehen, werden wir Strukturbrüche im
ländlichen Raum erleben, und das wollen wir alle nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben wir ja schon!)


Sie, insbesondere liebe Kolleginnen und Kollegen von
den Grünen, beklagen immer wieder, wir machten hier
und da zu wenig für die Ökologie.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist ja auch so!)


Wir haben zum Beispiel für den Bereich „Nachhaltigkeit,
Forschung und Innovation“ über 600 Millionen Euro
vorgesehen. Die Mittel für die institutionelle Förderung
unserer Forschungseinrichtungen haben wir um über
50 Millionen Euro erhöht. Wir haben die Mittel für die
Eiweißförderung herausgenommen. Diese Mittel werden
für die Förderung der ökologischen Landwirtschaft ein-
gesetzt. Viele andere Dinge mehr haben wir getan. Die-
ser Bereich kann sich auch bei den Mitteln für die GAK
bedienen. Es gibt somit vielfältige Möglichkeiten. Daher
ist Ihre Darstellung der Dinge einfach nicht richtig. Weil
Sie immer ausschließlich von ökologischer Förderung
sprechen,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt ja gar nicht!)


sage ich Ihnen ganz offen: Da haben wir tatsächlich ein
unterschiedliches Verständnis von Landwirtschaft. Wir
sehen Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und Forst-
wirtschaft ganzheitlich,


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön wäre es!)


Sie hingegen betreiben offensichtlich Klientelpolitik.
Dafür sind wir nicht zu haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich finde es richtig, die Arbeit an dem Tierschutzla-
bel – Johannes Röring ist darauf eingegangen – fortzuset-
zen. Ich will aber auch ganz offen sagen, Christian: Wir
müssen aufpassen, dass wir unseren eigenen Bauern in
Deutschland, unseren Erzeugern in Deutschland keinen
Bärendienst erweisen. Deshalb muss dieses Labeling von
Standards mit einer Herkunftskennzeichnung einherge-
hen. Ich hoffe, dass bei der Frage zumindest fraktions-
übergreifend Konsens herrscht.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir dabei! Das habt ihr bislang nicht gemacht!)


Abschließend ein Satz zu einer Sache, die uns im
nächsten Jahr sehr beschäftigen wird: Wie finanzieren
wir diesen Transformationsprozess, an dessen Beginn
wir stehen? Da spielen natürlich auch die europäischen
Gelder eine riesengroße Rolle. Ich bekenne, dass die Art

Franz-Josef Holzenkamp






(A) (C)



(B) (D)


und Weise der Ausgleichszahlungen so nicht zukunftsfä-
hig ist. Die Ausgleichszahlungen erfolgen nicht differen-
ziert genug. Ich finde, so sind sie der Gesellschaft nicht
überzeugend genug vermittelbar. Ob man deshalb von
der ersten zu der zweiten Säule switchen sollte, lasse ich
einmal außen vor. Ich glaube, es gibt vielleicht intelli-
gentere Möglichkeiten, zum Beispiel innerhalb der ersten
Säule. Die Säulen sollten kein Selbstbedienungsladen für
unsere Bundesländer sein.

Meine Damen und Herren, der Haushalt 2017 ist ein
Grund zur Freude.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glauben Sie selbst nicht!)


Dank an alle Haushälter. Die Unionsfraktion bekennt
sich – diese Bemerkung ist mir abschließend wichtig – zu
einer modernen und wettbewerbsfähigen, aber vor allen
Dingen familiengeführten Landwirtschaft. So stellen wir
uns Landwirtschaft vor. Wir werden den Veränderungs-
prozess aktiv gestalten – mit verlässlichen Bedingungen
für die Landwirtschaft, damit die Landwirte wissen, was
in fünf oder zehn Jahren ist,


(Glocke der Präsidentin)


und sie Planungssicherheit haben. Zu dieser Gestaltung
lade ich Sie alle ein; denn mit einer einfachen Wende ist
es nicht getan.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820319900

Herr Kollege.


Franz-Josef Holzenkamp (CDU):
Rede ID: ID1820320000

Sie müssen sagen, wohin Sie sich wenden wollen. Zu-

rück in die Höhlen, das hilft uns nicht.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820320100

Ich bin gnädig heute. Bitte halten Sie sich zukünftig

an die Redezeit. – Jetzt kommt Christina Jantz-Herrmann
für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Christina Jantz (SPD):
Rede ID: ID1820320200

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Den
Spaß, der gerade hier Einzug gehalten hat, kann ich in
meiner Rede nicht gänzlich aufrechterhalten. Sie können
sich sicherlich vorstellen, dass ich mich als Tierschutzbe-
auftragte meiner Fraktion insbesondere dem Tierschutz
widmen möchte. Im Haushalt für das nächste Jahr haben
wir hierfür 33 Millionen Euro eingeplant. Das ist wie-
der ein Anstieg, wie auch schon in den Jahren zuvor, und
zeigt, welchen Wert wir auf dieses Thema legen.


(Beifall bei der SPD)


Wir legen natürlich insbesondere Wert darauf, dass wir
Tierversuche vermeiden. So stützen wir erneut die ZE-
BET.

Wir legen weiterhin Wert darauf, den Folgen der in-
dustriellen Tierhaltung zu begegnen. So stützen wir
beispielsweise weiter die Forschung zum sogenannten
Zweinutzungshuhn, und wir legen weiterhin Wert darauf,
Modell- und Demonstrationsvorhaben zu unterstützten.
Hier werden zum Beispiel gute und innovative Tierhal-
tungsmethoden erprobt. Der nächste Haushalt ermöglicht
es uns, weiterhin Anreize zu schaffen, die Forschung an-
zustoßen, Wissensvermittlung zu finanzieren und noch
einiges mehr.

Doch gerade in diesem Bereich sind die Haushalts-
mittel nur eine Seite der Medaille. Mit ihnen kann der
Tierschutz vorangetrieben werden. Doch mindestens
genauso wichtig ist – das klang vorhin schon an – die
Rechtsetzung. Deshalb möchte ich hier nicht weiter Zah-
len referieren, sondern betonen: Wir müssen das Tier-
schutzgesetz maßvoll und bedarfsgerecht novellieren.
Wir müssen fehlende Verordnungen auf den Weg brin-
gen, wenn bereits entsprechende Ermächtigungen in den
Gesetzen vorhanden sind. Diese Verordnungen muss das
Ministerium, Herr Schmidt, erlassen. Außerdem müssen
wir endlich auch – gerade da ist das Ministerium gefor-
dert – die Prüf- und Zulassungsverordnung für Haltungs-
systeme auf den Weg bringen.


(Beifall bei der SPD)


Die SPD-Bundestagsfraktion steht bereit für progres-
sive Veränderungen. Aber wo brauchen wir Gesetzesver-
besserungen ganz konkret? Hier möchte ich zwei Bei-
spiele nennen.

Das Töten von Eintagsküken ist das erste Beispiel.
Noch immer werden in Deutschland zig Millionen Ein-
tagsküken getötet. Das ist keine neue Information. Das
Ganze geschieht offensichtlich aus Kostengründen. Mi-
nister Schmidt, Sie hatten für Anfang 2017 den Ausstieg
aus dieser grausamen Praxis angekündigt. Viel Geld ist in
die Forschung zur Geschlechterbestimmung im Ei geflos-
sen. Aber der Ausstieg Anfang 2017 ist nicht absehbar.
Von daher möchte ich Sie wirklich bitten, Herr Schmidt:
Ziehen Sie sich nicht weiter hinter die Forschung zurück.
Hier erwarte ich vielmehr mehr Entscheidungsfreude
und ein zuverlässiges Verbot.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Das zweite Beispiel, das ich ansprechen möchte – Kol-
lege Holzenkamp hat es schon erwähnt –, ist das Verbot
der grausamen Pelztierhaltung und auch der Schlachtung
hochträchtiger Rinder. Auch hier wurde bereits vor einem
Jahr angekündigt, dass die letzten Pelztierfarmen auf
deutschem Boden geschlossen werden und das Schlach-
ten hochträchtiger Rinder unterbunden wird. Das ist
aktuell immer noch erlaubt; man glaubt es kaum. Wenn
trächtige Tiere geschlachtet werden, verendet dabei das
ungeborene Tier aufgrund des Sauerstoffmangels elendig
im Mutterleib. Herr Minister, hier haben Sie in der Tat
einen guten Vorschlag geliefert. Ich hoffe sehr, liebe Kol-
leginnen und Kollegen der Union, dass Sie nicht weiter
mauern. Ich nehme das Signal von Herrn Holzenkamp

Franz-Josef Holzenkamp






(A) (C)



(B) (D)


so wahr, dass wir dazu jetzt endlich die entsprechenden
Regelungen auf den Weg bringen.


(Beifall bei der SPD)


Aber bleiben wir bei der Nutztierhaltung. Die land-
wirtschaftliche Tierhaltung steht unter Druck. Die Land-
wirtschaft weiß, dass sich die Gesellschaft einfach mehr
Tierschutz wünscht. Aber die Landwirtschaft muss auch
wissen – ich glaube, auch da sind wir uns in der Koaliti-
on einig –, wohin die Reise gehen soll; denn sie braucht
Orientierung, sie braucht Planungssicherheit. Gerade
deshalb brauchen wir aus unserer Sicht eine langfristige
Nutztierhaltungsstrategie.


(Beifall bei der SPD)


Leider erleben wir hier noch zu häufig propagierte Stag-
nation. Vor den Problemen werden die Augen verschlos-
sen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, bitte öff-
nen Sie Ihren Blick für die notwendigen Veränderungen.
Auch ich habe das Signal von Herrn Röring hinsichtlich
des staatlichen Tierschutzlabels, das ich hier schon vor,
glaube ich, einem Jahr gefordert habe, mit Wohlwollen
aufgenommen. Ich hoffe, dass das kein Lippenbekennt-
nis bleibt.


(Beifall bei der SPD)


An die Kollegen und Kolleginnen der Opposition, ins-
besondere der Grünen, gerichtet, möchte ich sagen – wir
haben es heute wieder erlebt –: Bitte zeichnen Sie nicht
weiter so ein verklärtes Bild der Landwirtschaft. Klagen
Sie nicht immer an. Eine übertriebene Zuspitzung hilft
im Ergebnis auch dem Tierschutz nicht weiter.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820320300

Redezeit.


Christina Jantz (SPD):
Rede ID: ID1820320400

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir müssen auf

verschiedene Arten den Tierschutz voranbringen: durch
finanzielle Anreize – ja, selbstverständlich –, aber auch
durch die notwendige Rechtsetzung. Lassen Sie uns die
verbleibende Zeit in dieser Legislaturperiode dazu nut-
zen, den Tierschutz auch weiterhin zu stärken.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820320500

Vielen Dank, Frau Jantz-Herrmann. – Nächster Red-

ner: Alois Gerig für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alois Gerig (CDU):
Rede ID: ID1820320600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Schade, einige Kollegen haben heu-

te Abend die Chance verpasst, lobende Worte für eine
gute Politik zu finden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)


Ich sage sehr bewusst: Der Sache wegen wäre es mehr als
angemessen gewesen. Herr Kindler, wie war das mit den
getroffenen Hunden, die bellen?


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine Kalauerrede!)


Ich möchte den Minister und sein Haus für eine gute
Agrarpolitik loben. Ich möchte unseren Chefhaushälter
Cajus Caesar für seinen Einsatz loben, ebenso seinen
Kollegen Freese. Ich möchte auch Bundesfinanzminister
Dr. Schäuble in dieses Lob einbeziehen, der es geschafft
hat, mit einer soliden Finanzpolitik endlich neue Zeichen
zu setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Unser Ressort hat einen Aufwuchs von über 300 Mil-
lionen Euro erfahren. Das ist auch ein Zeichen der Wert-
schätzung der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und
des ländlichen Raums.

Worum geht es, meine Damen und Herren? 50 Pro-
zent der Menschen leben in ländlichen Regionen, welche
90 Prozent der Gesamtfläche umfassen. Ein Drittel ist
Wald. Es geht um das Ausbalancieren, um das Herstellen
gleicher Lebensbedingungen, wie es schon im Grundge-
setz steht, und um eine vielfältige Kulturlandschaft. Es
geht aber auch um die Produktion hochwertiger Lebens-
mittel. Deshalb ist das Geld im Etat des BMEL gut ange-
legt. Es wird klug und effizient eingesetzt. Ich sage noch
einmal Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Landwirtschaft in Deutschland ist arg gebeu-
telt: Wetterkapriolen, schlechte Erzeugerpreise und Be-
schimpfungen. Die Einkommen liegen deutlich hinter
dem Vergleichslohn. Der Strukturwandel ist groß. Gera-
de einmal 1,5 Prozent der Erwerbstätigen arbeiten in der
Land- und Forstwirtschaft. Manche Partei scheint diese
Klientel aufgegeben zu haben. Sehen wir aber das Ganze,
werden wir erkennen, dass es mit den vor- und nachge-
lagerten Gewerken insgesamt 11 Prozent sind, die eine
mächtige wirtschaftliche Position darstellen.

Ich sehe die Sorge, wenn es um den Verlust der fa-
miliengeführten bäuerlichen Betriebe und, genauso
schlimm, um nationale Beschränkungen geht. Eine feh-
lende finanzielle und moralische Unterstützung kann zu
einer Abwanderung der Produktion führen. Das wäre der
Super-GAU, insbesondere für die Menschen in Deutsch-
land.

Lieber Kollege Kindler, lieber Kollege Ebner und Ge-
sinnungsgenossen, merken Sie sich das.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gesinnungsgenossen? Was ist denn das für eine Sprache?)


Christina Jantz-Herrmann






(A) (C)



(B) (D)


Wir brauchen eine ausgewogene Politik mit Augenmaß
und nicht nur mit Verboten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das BMEL mit seinen Maßnahmen und Mitteln hilft
nicht allumfassend, aber es werden sehr gute Signale ge-
sendet. Ich sage sehr bewusst: Auch die Branche muss
ihren Teil dazu beitragen.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht an den richtigen Stellen!)


Der zweite Schwerpunkt ist der ländliche Raum. Hier
gibt es ohne Zweifel Problemzonen: den demografischen
Wandel, den Trend hin zum Ballungszentrum, zur Urba-
nisierung. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass eine
Umkehr möglich ist. Das betrifft nicht nur unser Ministe-
rium, das geht quer durch den gesamten Bundeshaushalt.
Es geht auch um Straße, Schiene und schnelles Internet.
Allein für den Breitbandausbau hat der Bund 4 Milliar-
den Euro bis 2020 zur Verfügung gestellt. Das ist För-
derung des ländlichen Raums. Dort werden diese Mittel
eingesetzt. Das alles sind doch sehr starke Signale, insbe-
sondere aus den unionsgeführten Ressorts.

Natürlich brauchen wir auch Bildung. Es geht um die
medizinische Nahversorgung. Ich glaube daran, dass eine
sich ändernde Mobilität und die Digitalisierung uns bis-
her ungeahnte Möglichkeiten für den ländlichen Raum
eröffnen werden. Ganz neue Modelle und Chancen wird
es geben. Leben und Arbeiten dort, wo andere Urlaub
machen – und das in einem relativ friedfertigen Um-
feld mit Ehrenamt und Vereinskultur. Das ist für mich
der ländliche Raum der Zukunft. Ich freue mich, dass
ich mittendrin sein darf. Wir sehen doch schon jetzt bei
der Integration von Flüchtlingen, dass wir im ländlichen
Raum häufig sehr viel besser in der Lage sind, Probleme
zu lösen, als es in der Stadt machbar ist.

Bauern, Mittelstand und Handwerk, das ist das wirt-
schaftliche Rückgrat im ländlichen Raum. Die Mit-
tel wurden genannt; ich will jetzt keine Summen mehr
nennen. Liquidation, LUV, GAK, BULE, Hochwasser-
schutz, Nachhaltigkeit, Forschung, Innovation – das al-
les sind Programme und Bereiche, die im Sinne auch des
ländlichen Raums besser ausgestattet wurden. Da sage
ich immer noch: Das sind starke Signale. Ich hoffe, dass
wir gemeinsam auch das wichtige Thema Gewinnglät-
tung – wegen der volatilen Einkommen in der Landwirt-
schaft – lösen können.

Der dritte Block: die Ernährung. Verbraucherschutz,
Lebensmittelsicherheit, Maßnahmen gegen Lebensmit-
telverschwendung wurden ebenfalls gestärkt, und das
ist gut so. Das steht ganz oben auf der Agenda unseres
Ministeriums. Die Finanzmittel, die zum Beispiel in das
Bundeszentrum für Ernährung gesteckt werden oder für
das Forschungsinstitut für Kinderernährung eingesetzt
werden, sind ebenfalls sehr gut angelegt. Schon wegen
der erwarteten präventiven Gesundheitsvorsorge werden
sich diese Mittel nach meiner festen Überzeugung ganz
schnell rechnen; wir werden sie wieder hereinbekom-
men.

Eine Win-win-Situation, meine Damen und Herren,
entsteht dann, wenn es uns gelingt, Erzeuger, Verbrau-

cher und Handel zusammenzuführen. Etwas mehr finan-
zielle Wertschätzung für die in Deutschland produzierten
Lebensmittel schafft Luft für weitere positive Verände-
rungen in der Lebensmittelproduktion. Darauf müssen
wir alle gemeinsam hinarbeiten. Nehmt doch die Bauern
weg vom Pranger! Da gehören sie, weiß Gott, nicht hin,
liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Organisationen,
die ihr draußen unterwegs seid.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es liegt doch auf der Hand: Die weltweit besten Le-
bensmittel werden bei uns produziert. Die kann und darf
es in Zukunft nicht weiterhin zum Schnäppchenpreis ge-
ben.

Auch mit unseren Ansätzen zur Ernährungsbildung
sind wir auf dem richtigen Weg. Bei den Kindern müssen
wir anfangen.

Liebes Ministerium und lieber Herr Minister, sehr vie-
les ist gut gemacht worden. Lassen Sie uns gemeinsam
auf diesem Weg weitergehen! Für mich ist es zweitran-
gig, ob unser Ministerium in der nächsten Legislaturpe-
riode „Ernährung und Landwirtschaft“ oder „Ländlicher
Raum und Landwirtschaft“ heißt; wichtig ist mir, dass
wir weiter ein Ministerium haben, das die Aufgaben im
ländlichen Raum so gut im Blick hat wie bisher.

Danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820320700

Vielen Dank, Alois Gerig. – Nächste Rednerin:

Jeannine Pflugradt für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Jeannine Pflugradt (SPD):
Rede ID: ID1820320800

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-

legen! So eine Haushaltsdebatte bietet uns Rednern im-
mer sehr viele Möglichkeiten, unsere speziellen Themen
in den Fokus zu rücken. Meist fordern wir Abgeordnete
mehr Geld und sind mit dem vorgelegten Entwurf des
Haushalts gar nicht so zufrieden. Ich werde weder für
mehr finanzielle Mittel eintreten noch den Entwurf, den
wir verabschieden werden, im negativen Sinne ausein-
andernehmen. Mir geht es vielmehr darum, wie immer
bei meinen Reden zum Thema Ernährung etwas Gehör
zu bekommen.

Die Bundesregierung bemüht sich seit Jahren um das
Thema „Kita- und Schulverpflegung“. Das vom Bundes-
ministerium für Ernährung und Landwirtschaft geschaf-
fene Bundeszentrum für Ernährung übernimmt ab 2017
unter anderem die Projekte des Nationalen Aktionsplanes
IN FORM, der seit 2008 auf unterschiedlichen Ebenen
umgesetzt wird, und baut seit Juli dieses Jahres das Nati-
onale Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule
auf. Es soll die bereits bestehenden Maßnahmen rund um
Kita- und Schulverpflegung koordinieren. Dafür stehen
der übergeordneten Bundesanstalt für Landwirtschaft
und Ernährung ab 2017 jährlich mehr als 20 Millionen
Euro zur Verfügung. Dass der Nationale Aktionsplan IN

Alois Gerig






(A) (C)



(B) (D)


FORM weitergeführt wird, ist erfreulich, wenngleich ich
es mir gewünscht hätte, dass das BMEL die zahlreichen
voneinander unabhängigen Projekte in der Mitte der
Laufzeit auf deren Wirkung bewertet hätte. Dann könn-
ten wir zielführender, zeitiger und vor allem gründlicher
auf das Ziel des Aktionsplanes, nämlich Gesundheitsför-
derung und Prävention lebensstilbedingter Krankheiten
durch ausgewogene Ernährung, vor allem ausreichend
Bewegung und weniger Stress, eingehen.


(Beifall bei der SPD)


Auf den ersten Blick klingt die Initiative des BMEL
gut. Sie will sich stärker um Qualität ausgewogener Er-
nährung für Kinder und Jugendliche und deren Wissen
darüber kümmern. Leider orientiert sich das BZE an dem
Ansatz, eher das Verhalten der Menschen ändern zu wol-
len, anstatt die Verhältnisse der jeweiligen Lebenswelt zu
betrachten.


(Beifall bei der SPD)


Es ist für Kinder leichter, sich ausgewogen zu ernähren,
wenn Kitas und Schulen ausgewogene Mahlzeiten anbie-
ten und ihnen gleichzeitig das Wissen vermitteln, warum
das eine gesünder ist als das andere. Ob Kinder daran
teilnehmen, obliegt allein der Verantwortung der Eltern.
Aber jedes Kind besitzt erst einmal die Möglichkeit, da-
ran zu partizipieren, weil die Verhältnisse in der Schule
geschaffen sind; denn es ist so wichtig, dass Kinder früh
lernen, woraus eine ausgewogene Ernährung besteht.


(Beifall bei der SPD)


Ich werbe deshalb dafür, kostengünstige oder sogar kos-
tenfreie Verpflegung in Kitas und Schulen bei gleichblei-
bender Qualität zur Verfügung zu stellen. Wir alle wissen
um die hohen Kosten, die auf unser Gesundheitssystem
zukommen werden, wenn wir das Problem ernährungs-
bedingter Krankheiten nicht positiv beeinflussen können.

Das Nationale Qualitätszentrum wird zusätzlich einen
Qualitätsnachweis für Caterer sowie Anbieter für Kita-
und Schulessen entwickeln, der auf der Grundlage der
DGE-Verpflegungsstandards entsteht. Die Verbreitung
der Standards als verpflichtendes Element der Verpfle-
gung wird eine Hauptaufgabe des Nationalen Qualitäts-
zentrums werden. In Zusammenarbeit mit Vernetzungs-
stellen gäbe es die Möglichkeit für Schulen, sich beraten
zu lassen und ihre Speisepläne diesem Qualitätscheck zu
unterziehen. Leider ist dieses Angebot noch freiwillig.
Freiwilligkeit allein hilft aber nicht immer weiter; das
wissen wir.

Die 16 Vernetzungsstellen der Bundesländer fungie-
ren als Zweigstellen zwischen den durchführenden Part-
nern – Kommunen, Trägern, Schulen – und dem Natio-
nalen Qualitätszentrum. Daher bleiben sie unberührt in
der Hoheit der Bundesländer. Deshalb sollten wir – hier
spreche ich ganz speziell unseren Koalitionspartner an –
noch einmal über eine Lockerung des Kooperationsver-
botes für den Bereich „Verpflegung und Aufklärung“
nachdenken.


(Beifall bei der SPD)


Es ist doch längst überfällig, Synergien zwischen Bund
und Länderkompetenzen effektiv zu bündeln.

Aber eines, liebe Kolleginnen und Kollegen, bleibt ein
Problem: Es sind die Eltern, die die Verantwortung für
eine gesunde Ernährung ihrer Kinder tragen, aber leider
nicht oft genug wahrnehmen. Wenn ich sehe, wie vie-
le Schulkinder sich beim Bäcker morgens ihr Schulbrot
oder – soll ich lieber sagen? – ihr Schulzuckerbrot kau-
fen, dann weiß ich, was bei ihnen im Elternhaus los ist. In
der nächsten Legislaturperiode müssen wir deutlich mehr
Geld für Aufklärung in Kitas, Schulen und der Eltern in-
vestieren. Das ist leider bitter nötig, aber langfristig kos-
tensparend für unser Gesundheitssystem.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820320900

Vielen Dank, Jeannine Pflugradt. – Der letzte Redner

in der Debatte: Willi Brase für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Willi Brase (SPD):
Rede ID: ID1820321000

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich gehöre zu
dem Club der heutigen Redner, der zum letzten Mal zum
Haushalt 2017 redet.

Ich möchte zuerst Ulrich Freese, unserem Haushälter,
danken, weil er uns in Fragen ländlicher Entwicklung
durchaus sehr gut unterstützt hat, zum Beispiel wenn wir
versuchten, den Ländern die Möglichkeit zu eröffnen, die
Mittel, die der Haushalt 2016 zur Verfügung gestellt hat,
auch noch im nächsten Jahr abzugreifen. Ich glaube, das
ist richtig.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin dem Minister dankbar, dass er den Begriff
„ländliche Entwicklung und Weiterentwicklung des Mi-
nisteriums“ ein Stück weit nicht nur heute hier, sondern
auch gestern bei der Konferenz auf den Weg gebracht hat.

Ich will Alois Gerig widersprechen: Es gibt nicht mehr
viele Regionen, in denen die Landwirtschaft das Zentrum
der wirtschaftlichen Stärke ist.


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist leider so!)


Dem ist leider so. Ich zum Beispiel komme aus Südwest-
falen und kann nur sagen: Die dortige Struktur besteht
aus kleinen und mittelständischen Betrieben. Im wirt-
schaftlichen Zentrum stehen die KMU. Sie sind das Herz
der Region, und das gilt auch für andere Regionen in
Deutschland.


(Beifall bei der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Ja!)


Wenn wir über ländliche Regionen sprechen, dann
müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass wir bei unseren
neu hinzukommenden Programmen wesentlich differen-
zierter und manchmal sogar kleinteiliger agieren müssen.
Es gibt nicht mehr den großen Rundumschlag. Dafür ha-

Jeannine Pflugradt






(A) (C)



(B) (D)


ben sich die Bereiche zu unterschiedlich entwickelt. Egal
ob ich nach Mecklenburg-Vorpommern, nach Branden-
burg, nach Bayern, nach Nordrhein-Westfalen oder nach
Niedersachsen blicke: Ich stelle fest, wie unterschiedlich
sich die einzelnen Regionen entwickelt haben. Wenn der
Minister sagt: „Ich möchte mich in meiner Arbeit auf die
ländlichen Regionen, auf Landwirtschaft und Ernährung
konzentrieren“, dann ist das richtig. Wir stellen fest, dass
Politik für ländliche Regionen auch Querschnittspolitik
ist.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Im Altenbericht der Bundesregierung, der uns jetzt
vorliegt, steht, dass von Bund und Ländern konzentrierte
Maßnahmen ergriffen werden müssen, um zum Beispiel
die Kommunen zu unterstützen; all diese Punkte sind
von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern in unter-
schiedlicher Art und Weise schon angesprochen worden.
Ja, die Situation ist sehr differenziert zu betrachten. Und
wenn man sagt: „Politik für ländliche Regionen ist Quer-
schnittspolitik“, dann darf es auch erlaubt sein, nachzu-
fragen: Ist Landwirtschaft eigentlich noch eine besonde-
re wirtschaftliche Produktionsweise?


(Katharina Landgraf [CDU/CSU]: Natürlich!)


– Lassen Sie mich doch ausreden. – Müssen wir die
landwirtschaftliche Erzeugung nicht auch ein Stück weit
gleichsetzen zum Beispiel mit der Automobilindustrie
oder der Stahlindustrie? Ich kann verstehen, dass die
Unionskollegen sagen: Um Gottes willen, das ist unsere
Klientel. Aber wenn der Minister die ländlichen Regio-
nen weiterentwickeln will, dann gibt es erst einmal kei-
ne Denkverbote. Dazu gehört es auch, zu überlegen, wie
man die Politik zukünftig strukturiert und wo die Quer-
schnittsbereiche liegen. Wenn man dann zu der Auffas-
sung gelangt: „Ja, die Landwirtschaft gehört auch weiter-
hin dazu“, dann sollten wir etwas unternehmen. Aber ich
bin absolut dagegen, dass man sagt: „Das geht gar nicht“,
weil man vielleicht Parteiinteressen verfolgt, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD)


Ich will auf diejenigen eingehen, die sagen: Wir brau-
chen nur noch den ökologischen Landbau. – Ja, die Welt-
bevölkerung wächst, und die Frage ist: Wie schaffen wir
es, alle mit vernünftigen Lebensmitteln zu versorgen?
Das ist ein Riesenproblem. Mir gefällt bei der Debatte,
die von den Grünen ausgeht, nicht, dass völlig verges-

sen wird, was eigentlich mit den Menschen ist, die in der
Landwirtschaft und in der Ernährungsindustrie beschäf-
tigt sind.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!)


Diese Koalition hat den Mindestlohn auch auf den Weg
gebracht, um den in der fleischverarbeitenden Industrie
arbeitenden Menschen mehr Rechte einzuräumen und
mehr Geld zu geben.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Und gute Arbeit ist für meine Fraktion ein wesentlicher
Punkt,


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau darum geht es doch!)


und wir wollen die Entwicklung, egal in welcher Form,
entsprechend voranbringen.

Ich danke allen, die hier diskutiert haben. Ich danke
den Haushältern, und ich danke auch dem Finanzminis-
ter. Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen, zu sagen: Wir
sind aus der Krise 2008/2009 gekommen, weil es damals
SPD-Minister waren, die die richtigen Pflöcke einge-
schlagen haben.

Vielen Dank fürs Zuhören.


(Beifall bei der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1820321100

Vielen Dank, Willi Brase. – Damit schließe ich die

Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 10 – Bundesministerium für Ernährung und Land-
wirtschaft – in der Ausschussfassung. Wer stimmt da-
für? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen gibt es
keine. Der Einzelplan 10 ist angenommen. Zugestimmt
haben die CDU/CSU und die SPD, dagegengestimmt ha-
ben Bündnis 90/Die Grünen und die Linke. Damit ist der
Einzelplan 10 angenommen.

Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung auf morgen, Freitag,
den 25. November 2016, 9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Jetzt: Guten Appetit!