Protokoll:
14205

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 205

  • date_rangeDatum: 29. November 2001

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 23:06 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Wahl der Abgeordneten Monika Griefahn als stellvertretendes Mitglied in den Verwaltungs- rat der Filmförderungsanstalt . . . . . . . . . . . . . 20195 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 20195 A Fristabweichung für den Beginn der Beratung 20195 D Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . . 20196 A Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2002 (Haushaltsgesetz 2002) (Drucksachen 14/6800, 14/7537) 20196 A b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005 (Drucksachen14/6801,14/7324,14/7538) 20196 B 20. Einzelplan 11 Bundesministerium fürArbeit und Sozial- ordnung (Drucksachen 14/7311, 14/7321) . . . . . . . 20196 B in Verbindung mit 21. a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bestim- mung der Schwankungsreserve in der Rentenversicherung derArbeiter und Angestellten (Drucksachen 14/7284, 14/7598, 14/7637) 20196 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozial- ordnung zu dem Antrag der Abgeord- neten Karl-Josef Laumann, Horst Seehofer, weiterer Abgeodneter und der Fraktion der CDU/CSU: Keine system- widrigen Eingriffe bei der Schwan- kungsreserve (Drucksachen 14/7292, 14/7598) . . . . 20196 D Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . . . . . . . 20196 D Dr. Konstanze Wegner SPD . . . . . . . . . . . . . 20199 A Dr. Irmgard Schwaetzer FDP . . . . . . . . . . . . 20201 D Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20204 B Dr. Heidi Knake-Werner PDS . . . . . . . . . . . . 20207 A Ewald Schurer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20208 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20208 D Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20210 C Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 20214 B Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20218 B Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 20218 C Dirk Niebel FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20218 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20220 B Pia Maier PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20221 D Renate Jäger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20222 D Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20224 C Renate Jäger SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20225 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . 20225 B Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20228 B Plenarprotokoll 14/205 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 205. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 29. November 2001 I n h a l t : Andreas Storm CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20230 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20231 C Klaus Brandner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20232 D 22. Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (Drucksachen 14/7309, 14/7321) . . . . . . . 20235 B in Verbindung mit 24. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermö- gens für das Jahr 2002 (ERP-Wirtschafts- plangesetz 2002) (Drucksachen 14/7259, 14/7608) . . . . . . . 20235 C Dankward Buwitt CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20235 D Manfred Hampel SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20237 C Rainer Brüderle FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20240 D Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20243 A Michaele Hustedt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20244 B Dr. Hermann Otto Solms FDP . . . . . . . . . 20245 C Rolf Kutzmutz PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20246 B Dr. Werner Müller, Bundesminister BMWi 20247 D Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 20248 C Matthias Wissmann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 20251 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20254 A Dagmar Wöhrl CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20255 C Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20257 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20258 C 25. Einzelplan 30 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Drucksachen 14/7318, 14/7321) . . . . . . . 20260 D Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20261 A Siegrun Klemmer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20264 B Steffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 20267 C Siegrun Klemmer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20268 A Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20268 C Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20271 B Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20273 B Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20273 D Edelgard Bulmahn, Bundesministerin BMBF 20275 D Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20277 B Norbert Hauser (Bonn) CDU/CSU . . . . . 20278 B Maritta Böttcher PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20279 B Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 20281 B Hans-Josef Fell BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20284 A Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) CDU/CSU 20284 A Jörg Tauss SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20284 B Cornelia Pieper FDP . . . . . . . . . . . . . . . . 20285 A Ulrike Flach FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20286 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20287 A 26. Einzelplan 10 Bundesministerium für Verbraucher- schutz, Ernährung und Landwirtschaft (Drucksachen 14/7310, 14/7321) . . . . . . . 20289 A Josef Hollerith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20289 B Iris Hoffmann (Wismar) SPD . . . . . . . . . . . . 20291 B Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20293 D Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20296 A Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 20298 A Jella Teuchner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20299 C Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . . . . . 20301 A Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 20302 D Ulrich Heinrich FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20305 D Josef Hollerith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20306 B Renate Künast, Bundesministerin BMVEL 20306 B Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 20306 D Heino Wiese (Hannover) SPD . . . . . . . . . . . 20309 A 27. Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 14/7314, 14/7321) . . . . . . . 20311 C Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . 20311 D Marion Caspers-Merk SPD . . . . . . . . . . . 20313 A Walter Schöler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20314 A Detlef Parr FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20317 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20319 D Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20321 C Ulla Schmidt, Bundesministerin BMG . . . . . 20322 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2001II Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20325 A Monika Knoche BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20327 C Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20329 A Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20329 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . 20332 A Beratungen ohne Aussprache Tagesordnungspunkt V: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Statis- tik im Produzierenden Gewerbe und zurÄnderung des Gesetzes überKos- tenstrukturstatistik (Drucksache 14/7556) . . . . . . . . . . . . 20334 C b) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der vertrag- lichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern (Drucksache 14/7564) . . . . . . . . . . . . 20334 C c) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zur geordneten Beendi- gung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elek- trizität (Drucksache 14/7261) . . . . . . . . . . . . 20334 D d) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Forstvermehrungsgutgesetzes (Drucksache 14/7384) . . . . . . . . . . . . 20334 D e) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. Februar 2001 zur Ergänzung des Abkommens vom 5. April 1993 zwi- schen der Bundesrepublik Deutsch- land und der Republik Lettland über den Luftverkehr (Drucksache 14/7419) . . . . . . . . . . . . 20334 D f) Beratung des Antrags der Abgeordne- ten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Deutscher Wissenschafts- preis (Drucksache 14/3811) . . . . . . . . . . . . . 20335 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren Antrag der Fraktion der PDS: Sofort- und Wiederaufbauhilfe für Kuba nach dem Wirbelsturm Michelle (Drucksache 14/7597) . . . . . . . . . . . . . . . 20335 A Tagesordnungspunkt VI: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände- rung des Anerkennungs- und Voll- streckungsausführungsgesetzes (Drucksachen14/7207,14/7418,14/7595) 20335 B b) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes über die Auf- hebung des Gesetzes zur Förderung der Rationalisierung im Steinkohlen- bergbau (Drucksachen 14/7238, 14/7607) . . . . 20335 C c) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. März 1996 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokrati- schen Volksrepublik Algerien über die gegenseitige Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 14/7042, 14/7482) . . . . 20335 D d) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 23. Mai 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Bot- suana über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 14/7043, 14/7525) . . . . 20336 A e) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes zu dem Vertrag vom 7. Februar 2000 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokrati- schen Sozialistischen Republik Sri Lanka über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapital- anlagen (Drucksachen 14/7036, 14/7526) . . . . 20336 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2001 III f) – k) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses: Sammelübersichten 317, 318, 319, 320, 321, 322 zu Petitionen (Drucksachen 14/7494, 14/7495, 14/7496, 14/7497, 14/7498, 14/7499) . . . . . . . . 20336 B Zusatztagesordnungspunkt 2: Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Ent- wurfs eines Gesetzes zur Bereinigung des als Bundesrecht fortgeltenden Rechts der Deutschen Demokrati- schen Republik (Drucksachen 14/6811, 14/7570) . . . . 20336 D b) Zweite Beratung und Schlussabstim- mung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Markenrechtsvertrag vom 27. Oktober 1994 (Drucksachen 14/7044, 14/7574) . . . . 20337 A 29. Einzelplan 12: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Drucksachen 14/7312, 14/7321 . . . . . . . . 20337 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 20337 C Annette Faße SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20340 B Horst Friedrich (Bayreuth) FDP . . . . . . . . . . 20342 D Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20344 A Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20347 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 20349 B Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . 20353 A Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 20353 D Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . 20354 A Wolfgang Spanier SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 20356 A Hans-Michael Goldmann FDP . . . . . . . . . . . 20358 C Dr. Hermann Kues CDU/CSU . . . . . . . . . . . 20359 D 30. Haushaltsgesetz 2002 (Drucksachen 14/7322, 14/7323) . . . . . . . 20362 C Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20362 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20363 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2001IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2001
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2001 Vizepräsidentin Petra Bläss 20362 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 205. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 29. November 2001 20363 (C) (D) (A) (B) Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 29.11.2001 Gila DIE GRÜNEN Balt, Monika PDS 29.11.2001 Beck (Bremen), BÜNDNIS 90/ 29.11.2001 Marieluise DIE GRÜNEN Buntenbach, Annelie BÜNDNIS 90/ 29.11.2001 DIE GRÜNEN Catenhusen, SPD 29.11.2001 Wolf-Michael Erler, Gernot SPD 29.11.2001 Follak, Iris SPD 29.11.2001 Friedrich (Altenburg), SPD 29.11.2001 Peter Hauer, Nina SPD 29.11.2001 Heiderich, Helmut CDU/CSU 29.11.2001 Hiksch, Uwe PDS 29.11.2001 Kolbow, Walter SPD 29.11.2001 Kraus, Rudolf CDU/CSU 29.11.2001 Dr. Küster, Uwe SPD 29.11.2001 Lippmann, Heidi PDS 29.11.2001 Nachtwei, Winfried BÜNDNIS 90/ 29.11.2001 DIE GRÜNEN Nahles, Andrea SPD 29.11.2001 Dr. Protzner, Bernd CDU/CSU 29.11.2001 Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 29.11.2001 Rübenkönig, Gerhard SPD 29.11.2001 Schenk, Christina PDS 29.11.2001 Schlee, Dietmar CDU/CSU 29.11.2001 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 29.11.2001 Hans Peter Dr. Schuchardt, Erika CDU/CSU 29.11.2001 Schultz (Everswinkel), SPD 29.11.2001 Reinhard Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 29.11.2001 Christian Dr. Freiherr von CDU/CSU 29.11.2001 Stetten, Wolfgang Dr. Süssmuth, Rita CDU/CSU 29.11.2001 Thiele, Carl-Ludwig FDP 29.11.2001 Dr. Thomae, Dieter FDP 29.11.2001 Wiesehügel, Klaus SPD 29.11.2001 entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlage zum Stenographischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420500000
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, muss noch
ein vakanter Stellvertretersitz im Verwaltungsrat der
Filmförderungsanstalt nachbesetzt werden. Die Frak-
tion der SPD schlägt hierfür die Kollegin Monika
Griefahn vor. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre
keinen Widerspruch. Damit ist Kollegin Griefahn als
stellvertretendes Mitglied in den Verwaltungsrat der Film-
förderungsanstalt gewählt.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die
verbundene Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte
sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufge-
führt:


(Ergänzung zu TOP V)

Sofort- und Wiederaufbauhilfe für Kuba nach dem
Wirbelsturm Michelle – Drucksache 14/7597 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Haushaltsausschuss

2. Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache

(Ergänzung zu TOPVI)

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bereinigung des
als Bundesrecht fortgeltenden Rechts der Deutschen De-
mokratischen Republik – Drucksache 14/6811 –

(Erste Beratung 190. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses

(6. Ausschuss) – Drucksache 14/7570 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Hacker
Andrea Voßhoff
Hans-Christian Ströbele
Rainer Funke
Dr. Evelyn Kenzler

b)Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Marken-
rechtsvertrag vom 27. Oktober 1994 – Drucksache
14/7044 – (Erste Beratung 195. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses

(6. Ausschuss) – Drucksache 14/7574 –


Berichterstattung:
Abgeordnete Dirk Manzewski
Dr. Norbert Röttgen
Volker Beck (Köln)

Rainer Funke
Sabine Jünger

3. – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der
SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrach-
ten Entwurfs eines Versorgungsänderungsgesetzes 2001
– Drucksache 14/7064 – (Erste Beratung 193. Sitzung)


– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Versorgungsänderungs-

(Erste Beratung 198. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses


(4. Ausschuss) – Drucksache 14/7681 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Peter Kemper
Meinrad Belle
Helmut Wilhelm (Amberg)

Dr. Max Stadler
Petra Pau

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß
§ 96 der Geschäftsordnung – Drucksache 14/7693 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Werner Hoyer
Gunter Weißgerber
Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
Oswald Metzger
Dr. Christa Luft

4. Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Straf-

(Erste Beratung 192. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses

(6. Ausschuss) – Drucksache 14/7679 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Joachim Stünker
Norber Geis
Volker Kauder
Volker Beck (Köln)

Jörg van Essen
Dr. Evelyn Kenzler

Von der Frist für den Beginn der Beratung soll – soweit
erforderlich – abgewichen werden.

20195


(C)



(D)



(A)



(B)


205. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 29. November 2001

Beginn: 9.00 Uhr

Außerdem mache ich auf eine nachträgliche Aus-
schussüberweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste auf-
merksam:

Der in der 201. Sitzung des Deutschen Bundestages
überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich
dem Sportausschuss zur Mitberatung überwiesen
werden.

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und des
BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zurGleichstel-
lung behinderter Menschen und zur Änderung
anderer Gesetze – Drucksache 14/7420 –
überwiesen:
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (f)

Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Haushaltsausschuss

Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –
Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Wir setzen die Haushaltsberatungen – Punkt I – fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2002

(Haushaltsgesetz 2002)

– Drucksachen 14/6800, 14/7537 –

(Erste Beratung 190. Sitzung)


b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu
der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2001 bis 2005
– Drucksachen 14/6801, 14/7324, 14/7538 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft

Ich rufe dazu Punkt I. 20 auf:
Einzelplan 11
Bundesministerium fürArbeit und Sozial-
ordnung
– Drucksachen 14/7311, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner
Hans-Joachim Fuchtel
Antje Hermenau
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft

Es liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der PDS
sowie je ein Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU und der Fraktion der FDP vor. Über die Ent-
schließungsanträge werden wir am Freitag abstimmen.

Außerdem rufe ich Punkt I. 21 a und b auf:
a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen

der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Bestimmung der Schwankungsreserve in der
Rentenversicherung der Arbeiter und Ange-
stellten
– Drucksache 14/7284 –

(Erste Beratung 199. Sitzung)

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-

schusses für Arbeit und Sozialordnung

(11. Ausschuss)

– Drucksache 14/7598 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Erika Lotz


(8. Ausschuss)

– Drucksache 14/7637 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Fuchtel
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft
Dr. Konstanze Wegner
Antje Hermenau

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Arbeit und Sozialord-
nung (11. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeord-
neten Karl-Josef Laumann, Horst Seehofer,
Brigitte Baumeister, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der CDU/CSU
Keine systemwidrigen Eingriffe bei der
Schwankungsreserve
– Drucksachen 14/7292, 14/7598 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Erika Lotz

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache zweieinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem schon war-
tenden Kollegen Hans-Joachim Fuchtel das Wort.

Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) (von der CDU/
CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Der Bundesfinanzminister hat hier am Diens-
tag durch einen Wust von Papier versucht, seine Position
darzustellen. Dem möchte ich natürlich etwas folgen las-
sen. Ich habe einmal ein Flugblatt der IG Metall mitge-
bracht, auf dem zu lesen ist, was vor der Bundestagswahl
verkündet wurde. Hier hat es geheißen: „Am Abbau der
Massenarbeitslosigkeit muss sich eine SPD-Regierung




Präsident Wolfgang Thierse
20196


(C)



(D)



(A)



(B)


messen lassen.“ Ich zeige dieses Flugblatt vor allem Bun-
desminister Riester, weil hier unten steht: „Abgemacht.
IG Metall.“ Wer war damals eigentlich Spitzenfunktionär
der IG Metall? Sie haben diesen Vertrag auf der anderen
Seite quer geschrieben.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das war ein In-sich-Geschäft!)


Jetzt weisen Sie hier Daten vor, die Sie nach die-
sen Abmachungen am heutigen Tag niemals vorweisen
dürften.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das war jetzt aber eine sehr schwache Kopie und ein sehr schwacher Aufguss!)


Wenn das Ihr Ernst ist, Herr Minister Riester, was damals
gegolten hat und was wohl nicht nur bei schönem Wetter
gelten kann, haben Sie versagt. Ich glaube, Sie haben ge-
dacht, es ist immer schönes Wetter in Deutschland, wenn
Sie regieren. Dem ist dann doch nicht so gewesen. Nach
den Leistungen, die Sie vorzuweisen haben, müssten Sie
eigentlich so klein mit Hut hier herkommen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie sind gemessen an dem, was versprochen wurde und
was dann gehalten wurde, der schwächste Minister dieser
Regierung. Und das will bei dieser Regierung etwas
heißen, meine Damen und Herren!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben schon sehr frühzeitig, als die ganzen Ent-
wicklungen eingetreten sind, beispielsweise Ihren Staats-
sekretär Andres gefragt, warum es so gekommen ist. Da-
mals hieß es – man höre und staune –, die BSE-Krise sei
schuld an dieser Entwicklung. In der Zwischenzeit ist es
die Weltwirtschaftskrise.


(Dirk Niebel [FDP]: Es sind immer die anderen!)


Richtig hingegen ist: Erstens. Andere Länder haben
weit reichende Reformen im Steuer- und Sozialbereich
durchgeführt und rechtzeitig die Substanz geschaffen, um
in Krisenzeiten reagieren zu können. Bei Ihnen fehlt die
Substanz, die hier für notwendig wäre.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Woher sollen wir denn die Substanz nehmen bei den Schulden, die wir übernommen haben?)


– Da brauchen Sie hier gar nicht dazwischenzurufen.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Natür lich!)

Erst haben Sie, als Sie damals in der Opposition waren,

alles blockiert; hinterher haben Sie nicht gehandelt.

(Widerspruch bei der SPD)


Das ist die Wahrheit. Das kann man überhaupt nicht in
Abrede stellen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Zweitens. Sie haben sich ausschließlich auf eine
Exportkonjunktur zulasten eines schwachen Euro ver-
lassen. Früher, als Waigel noch der Regierung angehörte,
war der Euro stärker. Damals war es auch viel schwieri-
ger als jetzt, den Export zu gestalten. Nun haben Sie Pro-
bleme, weil der starke Export nur durch den schwachen
Euro in diesem Maße möglich war. Wenn Sie damit nicht
mehr zurechtkommen, dann haben Sie überhaupt keinen
Spielraum mehr, um etwas zu tun, damit sich die Kon-
junktur in dieser Phase verbessert. Das ist die zweite
Wahrheit, die heute Morgen gesagt werden muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Hätten Sie die Binnenkonjunktur so entwickelt, wie es in
anderen Ländern Europas geschehen ist, dann hätten Sie
in der jetzigen Phase auch mehr Wachstum und weniger
Probleme mit den Sozialversicherungssystemen.

Drittens. Sie haben sich in Ihrer wertvollen Regie-
rungszeit in Koalitionsstreitigkeiten verzettelt. Darüber
wird zwar nicht gesprochen; aber es ist doch nicht mehr
normal, welche Diskussion die ganze Zeit über geführt
werden und von welchen Abhängigkeiten all Ihre Ent-
scheidungen geprägt sind. Es ist doch nicht mehr normal,
dass man alles Mögliche so ausgeklügelt zusammenbin-
den muss, dass man grundsätzlich nur bei Kompromissen
landet, die nichts anderes als Kosmetik sind. Diese Situa-
tion ist unbefriedigend, wenn man sich gleichzeitig vor
Augen hält, dass es notwendig gewesen wäre, in dieser
Zeit große Reformen zu beginnen, zum Beispiel die zen-
trale Reform auf dem Arbeitsmarkt durchzuführen. Das
ist nicht gemacht worden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Viertens. Sie hatten eine Chance, die Sie nicht genutzt

haben. Sie heißt Bündnis für Arbeit. Sie haben es zu ei-
ner Schaunummer verkommen lassen. Es gab nur große
Ankündigungen. Aber was ist bis zum heutigen Tag he-
rausgekommen?


(Zuruf von der SPD: Es ist einiges herausgekommen!)


Ich sage Ihnen ganz klar: Die entscheidende Schwäche
Ihres Bundeskanzlers besteht darin, dass er eigentlich gar
nicht bündnisfähig ist. Er macht einmal etwas mit der
Großindustrie und dann wieder etwas mit den Gewerk-
schaften. Er führt diese Initiativen aber nicht zusammen,
wie es einem Bündnis entspräche. Sie haben die Chance
eines Bündnisses schlichtweg versäumt und das Ziel ver-
fehlt. Das ist sehr schade für Deutschland,


(Beifall bei der CDU/CSU)

weil es dadurch in Zukunft schwer sein wird, neue Bünd-
nisse dieser Art zu schließen, die dann tatsächlich wirk-
sam werden.

In Deutschland haben sich in den letzten drei Jahren
ganz seltsame Verhältnisse entwickelt.


(Lachen bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dafür sind Sie doch zuständig!)





Hans-Joachim Fuchtel

20197


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir sind zum einen das einzige Land der Welt, in dem an
der Tankstelle über die Rentenkasse entschieden wird. Es
muss doch jedem Rentner ins Gesicht schlagen,


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

wenn eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Ren-
tenkassen davon abhängig ist, wie viel getankt wird.


(Peter Dreßen [SPD]: Das ist doch die Fremdleistung, die ihr reingebracht habt!)


– So, wie Sie schreien, ist Ihre Politik: unkultiviert und
konzeptionslos.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind zum anderen das einzige Land in der Welt, in

dem bei 4Millionen Arbeitslosen die Greencard für Pfle-
geberufe eingeführt werden muss. Bei 4 Millionen Ar-
beitslosen braucht man die Greencard für Hilfskräfte, für
Dienstleistungskräfte. Herr Minister, das müsste Ihnen
doch zu denken geben. Sie aber haben kein Konzept, um
diese freien Stellen im Land zu besetzen, sondern stellen
nur noch Überlegungen in der Richtung an, dass Sie diese
Löcher auf dem Arbeitsmarkt stopfen wollen, indem Sie
Leute von außerhalb hereinholen. Das ist doch keine Po-
litik zugunsten der Beitragszahler, die darauf warten, dass
sie weniger Beiträge zahlen müssen, keine Politik zuguns-
ten der Arbeitslosen, die hoffen, dass sie wieder Arbeit be-
kommen. Bemühungen in dieser Hinsicht wären notwen-
dig, nicht aber eine derartige Greencard.

Ich muss einen weiteren Punkt anmerken, der mir in
den Debatten der letzten Tage zu kurz gekommen ist. Es
hieß einmal: Bei uns wird die Entwicklung in Ost-
deutschland zur Chefsache erklärt. Aber was stellen wir
fest? Der Chef hat hier nahezu überhaupt nicht Stellung
genommen. Heute darf der Herr Schwanitz einmal in der
zweiten Reihe sitzen und er ist auch tatsächlich da; sonst
spürt man ja gar nichts von ihm. Ich möchte Ihnen den
Herrn einmal vorstellen: Er ist seit drei Jahren Staatsmi-
nister.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ach, der ist das! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Steh doch mal auf, Schwanitz!)


Auch die ostdeutschen Kollegen fragen noch nach dem
Namen dieses Ministers. Niemand kennt ihn. Keine Wir-
kung geht von ihm aus. Er bringt es nicht einmal fertig,
seinen Kanzler an die Stellen in Ostdeutschland zu führen,
an denen es wirklich brennt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Kanzler kommt nur dorthin, wo Sonnenschein
herrscht, und das auch nur zwei- bis dreimal im Jahr.

Herr Minister Riester, Sie und Herr Schröder haben
Ostdeutschland vernachlässigt. Das kann man nicht län-
ger akzeptieren. Wir brauchen in diesem Bereich ganz
neue Maßnahmen.


(Zurufe von der SPD: Welche?)

Wir brauchen völlig neue Arbeitsmarktbrücken zwischen
den neuen und den alten Bundesländern. Wir brauchen
eine Vernetzung derArbeitsmarktpolitik und nicht eine
Einbahnstraße. Wir brauchen eine Brücke und Sie organi-

sieren die Einbahnstraße der Abwanderung von Men-
schen aus Ostdeutschland in die westlichen Bundesländer.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das darf so nicht weitergehen. Schon allein das wäre ein
Grund dafür, dass diese Regierung abgelöst werden muss.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nicht so heftig, sonst wird der Schwanitz noch wach!)


Sie machen zusammen mit Herrn Eichel eine Politik
nach dem Motto: Wir sparen, koste es, was es wolle. Wir
sparen durch Schönfärbung des Bundeshaushalts. – Des-
wegen hätte ich auch überhaupt keine Sorge, Herr Riester,
dass Sie nach dem Verlust des Ministeramts wieder einen
Job bekommen. Ich bin sicher, Sie kämen als Assistent ei-
nes Beraters für Schönfärberei locker auf dem Arbeits-
markt unter; denn das tun Sie auch in diesem Haushalt.
Sie gehen her und verlagern Aufgaben, die im Haushalt
enthalten waren, in die Bundesanstalt für Arbeit. Täten Sie
das nicht, hätten Sie mehr Spielraum, um in Deutschland
etwas ganz Wichtiges zu erreichen,


(Hans Georg Wagner [SPD]: Reden Sie mal zur Sache! – Gegenruf des Abg. Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wenn das nicht zur Sache ist, Herr Kollege Wagner!)


nämlich eine Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenver-
sicherung, was dringend notwendig wäre.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich fordere nicht Ihren Rücktritt, Herr Riester – ich bin

Haushälter; ich weiß, dass wir dann nach der Nr. 8 auch
noch die Nr. 9 finanzieren müssten –, aber eines muss Ih-
nen gesagt werden: Wer den Leuten so viel verspricht und
dann so wackelige Gesetze zur Rentenversicherung
macht, der sollte nicht hergehen und einen Katalog von
Ausreden vortragen, sondern der sollte sich erst einmal zu
seinen Fehlern und den Ursachen bekennen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel [FDP])


Darauf müssen wir bestehen. Wir haben jetzt zwei Tage
lang Ausreden gehört. Wir wollen endlich einmal Kon-
zeptionen hören.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Von Ihnen aber auch!)


Die Sozialabgabenquote muss unbedingt auf 40 Pro-
zent gesenkt werden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was haben Sie uns denn übergeben?)


Bei der Rentenversicherung – das wissen wir in der Zwi-
schenzeit – schaffen Sie das auf keinen Fall, bei der Kran-
kenversicherung schon gar nicht und bei der Pflegeversi-
cherung geht es auch nicht. Es muss bei der
Arbeitslosenversicherung gelingen, die Beiträge zu sen-
ken, damit wir das Ziel einer Absenkung der Sozialabga-
benquote in Deutschland erreichen. Das ist das Ziel, das
wir als CDU/CSU erreichen wollen.

Wie ich schon gesagt habe, betreiben Sie eine Politik
nach dem Motto: Wir sparen, koste es, was es wolle. – In
diesemHaushalt – hier einWort alsHaushälter – haben Sie




Hans-Joachim Fuchtel
20198


(C)



(D)



(A)



(B)


draufpacken und draufpacken müssen. Sie haben die Zah-
len geschönt. Die Zahlen, die Ihren Berechnungen jetzt
zugrunde liegen, sind immer noch nicht die Zahlen, die
den Realitäten entsprechen. Das heißt, dass der Sozial-
haushalt natürlich die größten Unsicherheiten beinhaltet.
Herr Eichel kann noch so schöne Erklärungen abgeben:
Am Ende des Jahres wird es nicht so gut aussehen. Sie
werden die wesentliche Ursache dafür geschaffen haben.

Sie haben bei der Arbeitslosenhilfe schon im letzten
Jahr falsch gelegen. Sie haben bei den Zuschüssen für
die Bundesanstalt für Arbeit draufsatteln müssen. Sie
werden noch erheblich mehr draufsatteln müssen. Sie ge-
hen einfach nicht her und machen das, was notwendig ist.
Die entscheidenden Reformen auf dem Arbeitsmarkt
fürchten Sie wie der Teufel das Weihwasser. Aus diesem
Grund wird es mit dieser Regierung keine Verbesserung
geben. Die neuesten Prognosen besagen, dass Sie bei der
Arbeitslosenzahl frühestens im Jahr 2005 dort ankommen
werden, wo Sie im Jahr 2002 ankommen wollten. So
lange kann Deutschland nicht warten!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420500100
Ich erteile Kollegin
Konstanze Wegner, SPD-Fraktion, das Wort.


Dr. Konstanze Wegner (SPD):
Rede ID: ID1420500200
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Der Kollege Fuchtel hat für
seine Verhältnisse heute eine außerordentlich maßvolle
Rede gehalten.


(Heiterkeit bei der SPD)

Ich habe genau zugehört. Was hat er eigentlich gesagt?


(Zurufe von der SPD: Nichts!)

Ich frage mich, lieber Kollege Fuchtel, ob Sie sich nicht
lieber statt dem Parlamentarismus Ihrem eigentlichen
Hobby, der Kamelzucht, widmen sollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans Georg Wagner [SPD]: Davon versteht er wenigstens was! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das Soll an Kamelen ist hier übererfüllt!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Haushalt des
Jahres 2002 des Bundesministeriums für Arbeit und So-
zialordnung enthält aus der Sicht der Haushalts- und
Sozialpolitiker durchaus Erfreuliches, aber auch Proble-
matisches – das geben wir durchaus zu –, wenngleich kei-
neswegs so viel Problematisches, wie man aufgrund der
Schwarzmalerei, die von der rechten Seite des Hauses be-
trieben wird, glauben könnte.

In der Tat musste der zunächst mit Null angesetzte Zu-
schuss für die Bundesanstalt für Arbeit dann doch mit
2 Milliarden Euro festgesetzt werden. Ebenso musste der
Ansatz für die Arbeitslosenhilfe um 1,3 Milliarden Euro
aufgestockt werden. Ursache ist die ungünstige Entwick-
lung am Arbeitsmarkt, die für 2002 rund 400 000 Ar-
beitslose mehr bringen wird, als bei der Aufstellung des
Haushalts erwartet wurde.


(Dirk Niebel [FDP]: Das liegt an eurer Politik! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Darüber geht sie einfach mal so locker hinweg! Alles kein Problem, 4 Millionen Arbeitslose!)


Zu den erfreulichen Veränderungen gegenüber dem
Entwurf gehört die Aufstockung der Mittel für Sprach-
kurse um 10 Millionen Euro. Diese 10 Millionen sind
dazu gedacht, die bisherige Teilnehmerzahl an den
Sprachkursen trotz gestiegener Honorarkosten zu stabili-
sieren. Außerdem sollen Modellprojekte in diesem Be-
reich finanziert werden.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Gut!)

Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Insofern sind
diese 10Millionen Euro, die auch auf Wunsch unserer So-
zialpolitiker in den Plan hineingekommen sind, sicher gut
angelegtes Geld.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch die Mittel für den Behindertenbeauftragten
wurden aufgestockt. Er erhält fünf Personalstellen zusätz-
lich, um seine sehr engagierte und erfolgreiche Arbeit
fortsetzen zu können.

Nun einige Bemerkungen zur Lage am Arbeitsmarkt:
Wer die Bundesregierung so lautstark kritisiert, wie Sie
das hier tun, sollte sich doch daran erinnern, welche Si-
tuation am Arbeitsmarkt die Regierung Kohl nach ihrer
16-jährigen segensreichen Tätigkeit hinterlassen hat.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das waren gute Jahre für Deutschland! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da machen Sie aber wirklich ganz dicke Anführungsstriche!)


Im Januar 1998 hatten wir 4,8 Millionen Arbeitslose. Das
war die Erbschaft, die Sie uns hinterlassen haben.


(Beifall bei der SPD)

Mit Beginn der rot-grünen Regierung ist die Arbeitslosig-
keit dann 39 Monate lang kontinuierlich zurückgegangen.
Das hat es unter Ihrer Regierung überhaupt nicht gegeben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Leider steigt die Arbeitslosigkeit seit Mitte des Jahres
2001 wieder an. Die Hauptursache dafür ist nach überein-
stimmender Meinung des Präsidenten der Bundesanstalt
für Arbeit, Jagoda, und des Sachverständigenrats die seit
dem Sommer 2001 zurückgehende Konjunktur, die ihrer-
seits wieder sehr stark von der negativen wirtschaftli-
chen Entwicklung in den USA abhängig ist. Zusätzliche
Belastungen entstanden durch die Ölkrise und die BSE-
Krise.

Meine Damen und Herren, eine Regierung kann je-
weils nur Rahmenbedingungen zur Bekämpfung der Ar-
beitslosigkeit schaffen. Die Hauptverantwortung für den
Erhalt der bestehenden Arbeitsplätze und für die Schaf-
fung neuer Arbeitsplätze liegt bei der Wirtschaft und bei
den Tarifparteien.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das muss man sich immer wieder vor Augen führen.




Hans-Joachim Fuchtel

20199


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Regierung Schröder hat in der Tat viele Rahmen-
bedingungen geschaffen, die zur Bekämpfung der Arbeits-
losigkeit notwendig sind. Ich will Ihnen einiges in Erinne-
rung rufen, auch wenn Sie so etwas nicht gerne hören.

Erstens. Sie hat das Bündnis für Arbeit ins Leben ge-
rufen, das vielleicht nicht alles erreicht hat, was man
zunächst erhofft hatte.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Was haben die überhaupt erreicht?)


– Doch eine ganze Menge, Frau Kollegin Schwaetzer. Ich
erinnere an die Schlechtwettergeldregelung, an die Ver-
einbarung im Bereich Aus- und Weiterbildung


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Und die Arbeitslosigkeit im Baubereich?)


und an die niedrigen und maßvollen Tarifabschlüsse der
letzten Jahre, die Sie doch immer wieder fordern. Daran
war das Bündnis für Arbeit ganz entscheidend beteiligt.


(Beifall bei der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das hat doch alles nicht ausgereicht! Gucken Sie sich die Arbeitslosigkeit mal an!)


Zweitens. Die Regierung hat die aktive Arbeitsmarkt-
politik auf hohem Niveau verstetigt. Im dritten Jahr der
Regierungszeit dieser Bundesregierung stehen der Bun-
desanstalt für Arbeit etwa 44 Milliarden DM zur Verfü-
gung. Wir haben mit dem Gießkannenprinzip und dem
Stop-and-go-Prinzip der Regierung Kohl endlich Schluss
gemacht, die nach Wahlkampfgesichtspunkten angewen-
det wurden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Natürlich ist nicht jede ABM, die in diesem Lande
durchgeführt wird, sinnvoll. Wer will das bestreiten? Aber
wer hier sagt, Strukturmaßnahmen und ABM seien über-
flüssig oder zu teuer und man könne sie einfach einstel-
len, der muss auch sagen, welche Alternative er vor allem
für den Osten Deutschlands vorschlägt. Dort ist die Alter-
native die reine Arbeitslosigkeit. Das kann eigentlich nie-
mand, der seine fünf Sinne zusammen hat, wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Drittens. Die Regierung Schröder hat Modellversuche
zur Beschäftigung von gering Qualifizierten und zur bes-
seren Zusammenarbeit der Arbeits- und Sozialämter auf
den Weg gebracht.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das wolltet ihr schon verwirklicht haben! Das hat er in seiner Regierungserklärung angekündigt!)


Diese Modellversuche

(Ina Lenke [FDP]: Konzepte und keine Versuche!)

zu verschiedenen Formen des Kombilohns finden bis-
lang leider keine besonders große Akzeptanz. Sie sollen
aber fortgesetzt und ausgeweitet werden,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Am guten Willen hat es nicht gemangelt!)


weil ein abschließendes Urteil über ihre Wirkung in so
kurzer Zeit nicht möglich ist. Dafür stehen bis 2005 im-
merhin rund 394 Millionen Euro aus Bundesmitteln und
Mitteln des Europäischen Sozialfonds zur Verfügung.

Viertens. Die Regierung setzt auch in diesem Jahr ihr
erfolgreiches Programm zur Bekämpfung der Jugend-
arbeitslosigkeit fort.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Mit schwindendem Erfolg!)


Dieses Programm hat in der Zeit von 1999 bis Mitte 2001
über 330 000 jungen Leuten zu einer Lehrstelle verholfen
und ihnen damit eine Lebensperspektive eröffnet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das machen Sie uns erst einmal nach!
Fünftens. Die Regierung hat schließlich gerade das

Job-Aqtiv-Gesetz verabschiedet, mit dem unter anderem
Arbeitsvermittlung und Beratung intensiviert und der
Langzeitarbeitslosigkeit vorgebeugt werden sollen.

Sechstens. Nicht zuletzt hat die Regierung mit ihrer
Unternehmen- und Einkommensteuerreform die Vo-
raussetzung für vermehrte Investitionen und eine bessere
Binnenkonjunktur geschaffen. Man hat allerdings häufig
den Eindruck, dass die Großunternehmen zwar die Vor-
teile der Steuerreform gerne entgegengenommen haben,
dabei aber weiterhin kontinuierlich Personal abbauen.
Wenn parallel zu dieser Entwicklung die Bezüge der Spit-
zenmanager deutlich aufgestockt werden, dann schafft
das Verbitterung bei den Arbeitslosen und bei denen, die
noch Arbeit haben. So wird die Basis für moderate Tarif-
abschlüsse, die viele doch fordern, ruiniert.


(Beifall bei der SPD)

Natürlich – wer würde das bestreiten? – besteht neben

den bisher ergriffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit weiterer Handlungsbedarf. Vorbild kann
in diesem Punkt nach unserer Meinung nicht die USAmit
ihrer Maxime „Streichen wir doch recht viele Leistungen,
dann macht jeder alles“ sein. Wir könnten weit mehr ler-
nen von den Niederlanden und unseren skandinavischen
Nachbarn, die ein Sozial- und Kulturverständnis haben,
das dem unseren wesentlich näher steht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In den Niederlanden wird zum Beispiel die private
Arbeitsvermittlung durchaus positiv gesehen. Die pri-
vate Arbeitsvermittlung – wir konnten uns auf einer Reise
davon überzeugen – arbeitet unbürokratisch und pass-
genau mit der staatlichen Arbeitsvermittlung zusammen.


(Dirk Niebel [FDP]: Aber Sie wollten es in der letzten Legislaturperiode nicht!)


Die Gewerkschaften haben dort etwas erreicht, was bei
uns in dieser Weise noch nicht erreicht wurde: Diejenigen,
die in einer Zeitarbeitsfirma beschäftigt sind, haben eine
ähnliche soziale Absicherung, wie diejenigen, die in ei-
nem normalen Betrieb arbeiten.


(Dirk Niebel [FDP]: Sie wollten Zeitarbeit abschaffen!)





Dr. Konstanze Wegner
20200


(C)



(D)



(A)



(B)


– Nein, das wollen wir nicht. Wir sind für die Idee durch-
aus offen, den Umfang von Zeitarbeit in vernünftigem
Maße auszudehnen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das wollten Sie aber! Sie reden doch sonst auch über die Vergangenheit! Tun Sie es doch jetzt auch einmal!)


Eine der Hauptursachen für die Stagnation am Arbeits-
markt – da stimme ich mit dem Kollegen Fuchtel überein –
ist die Schwarzarbeit. Sie ist für die beteiligten Arbeit-
nehmer und Arbeitgeber einfach weitaus günstiger als alle
Kombimodelle. Nach Schätzungen arbeiten etwa 5 Milli-
onen Menschen in unserem Land als so genannte Voll-
schwarzarbeiter und dem Fiskus gehen nach Schätzungen
etwa 300 Milliarden Euro pro Jahr an Steuereinnahmen
verloren.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Eine Milchmädchenrechnung ist das, weil die Alternative nicht Beitragszahlung ist, sondern dass sie gar nicht arbeiten!)


Deshalb ist es außerordentlich zu begrüßen, wenn die Re-
gierung jetzt eine entsprechende Initiative ergreift, die
sich vor allem auf den Bereich der Bauwirtschaft er-
streckt.


(Beifall bei der SPD)

Was könnte man noch tun, meine Damen und Herren?

Jährlich fallen bei uns 1,8 Milliarden Überstunden an,
von denen ganz gewiss zumindest ein Teil in reguläre Be-
schäftigung umgewandelt werden könnte.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Aber nicht durch Dirigismus!)


3,8 Millionen Arbeitslose und 1,8 Milliarden Überstun-
den – das passt in der Tat nicht zusammen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Was könnte man weiter tun? Das System der Lohn-
ersatzleistungen bei uns ist kompliziert und bürokratisch.


(Dirk Niebel [FDP]: Oh ja!)

Wir haben Arbeitslosengeld, wir haben Arbeitslosenhilfe,
wir haben ergänzende Sozialhilfe und wir haben Sozial-
hilfe.


(Dirk Niebel [FDP]: Da könnte man etwas machen!)


– Ganz recht, Herr Niebel.

(Dirk Niebel [FDP]: Sie regieren doch! Dann machen Sie es! – Gegenruf des Abg. Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Die regieren nicht, die verwalten!)


Vielfach beraten hier unterschiedliche Institutionen an-
einander vorbei den gleichen Personenkreis. Wir werden
nach Möglichkeiten der Vereinfachung suchen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Dann tun Sie es! Sie hatten schon drei Jahre!)


– Wir werden das tun. – Allerdings muss man dann dabei
darauf achten, dass auf gar keinen Fall die Kosten der

Langzeitarbeitslosigkeit einseitig den Kommunen aufge-
drückt werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, der Sozialhaushalt des Jah-
res 2002 enthält durchaus auch Risiken. Niemand vermag
heute zu sagen, ob der jetzt vorgesehene Zuschuss an die
Bundesanstalt für Arbeit und für die Arbeitslosenhilfe
Ende 2002 wirklich ausreichen wird.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mit Sicherheit nicht!)


Die Zahlungen des Bundes an die Rentenversicherung
steigen weiter an, auch in der mittelfristigen Finanz-
planung. Schon jetzt beträgt der aus dem Bundeshaushalt
finanzierte Teil der Renten über 35 Prozent. Hier liegt in
der Tat – da stimme ich mit dem Kollegen Metzger über-
ein, der ebenfalls darauf hingewiesen hat – ein trotz der
Rentenreform ungelöstes Strukturproblem, das wir nicht
aus den Augen verlieren dürfen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Hört, hört, Herr Riester!)


Mit einem Volumen von nunmehr rund 92 Milliarden
Euro ist der Sozialhaushalt nach wie vor der bei weitem
größte Einzelhaushalt und umfasst mehr als ein Drittel des
Gesamtetats. Er beschreibt mit aller Deutlichkeit die Pro-
bleme, die wir im Bereich der Arbeitslosigkeit und der
Renten haben. Er ist zugleich aber auch ein Dokument der
sozialen Verantwortung dieser Regierung.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das können Sie nicht bestreiten: Die SPD wird nun ein-
mal in der Bevölkerung als die Partei mit der größten so-
zialen Kompetenz betrachtet.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – HansJoachim Fuchtel [CDU/CSU]: Das war einmal!)


Das ist gut so. Dass das auch so bleibt, wünsche ich mir
anlässlich meiner letzten Rede zum Sozialhaushalt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS – Dirk Niebel [FDP]: Ja, die letzte!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420500300
Ich erteile das Wort
Kollegin Irmgard Schwaetzer, FDP-Fraktion.


Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1420500400
Herr Präsident!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Mit-
glieder der Regierungskoalition heute Morgen Zeitung
gelesen haben, dann konnten sie mit den Schlagzeilen so
mancher Zeitungen nicht zufrieden sein.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wohl wahr!)

Besonders drastisch und deutlich hat „Die Woche“ ihren
Leitartikel überschrieben, nämlich mit „Die Job-Kata-
strophe“. Die prognostizierte Arbeitslosenzahl zu




Dr. Konstanze Wegner

20201


(C)



(D)



(A)



(B)


Beginn des nächsten Jahres beläuft sich auf 4,2 Millionen
Menschen, die dann nach Arbeit suchen. Die Antwort,
Frau Wegner, die dieser Bundeshaushalt, den Sie gerade
begründet haben, darauf gibt, ist wirklich nicht mehr als
ein Armutszeugnis. Es ist keine Schwarzmalerei der
Oppositionsfraktionen, wenn wir hier mehr Aktivitäten
anmahnen; denn bei der gerade von Ihnen vorgeführten
Analyse handelt es sich um eine dramatische Fehlein-
schätzung der Auswirkungen Ihrer eigenen Politik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Begründungen, die Sie dafür liefern, sind genauso
unzureichend. Da war zum einen der Hinweis auf die Ver-
gangenheit; das klingt so, als wären Sie nur Testaments-
vollstrecker. Das offenbart aber die gesamte Fantasielo-
sigkeit Ihrer Politik; das ist wohl wahr.


(Beifall bei der FDP)

Da ist zum anderen der immer wiederkehrende Hin-

weis auf die Weltwirtschaft, als wären wir nicht auch ein
aktiver Teil dieser Weltwirtschaft und könnten sie mit be-
einflussen, als bestünde nicht die Notwendigkeit und als
hätten wir nicht auch die verdammte Pflicht und Schul-
digkeit, national etwas zu tun.


(Peter Dreßen [SPD]: Wir haben mehr getan als Sie in 16 Jahren! – Gegenruf von der FDP: Aber das Falsche!)


Meine Damen und Herren, diese Argumentation, die
Herr Riester sicherlich gleich wieder anbringen wird und
die gestern der Bundeskanzler angebracht hat, ist nicht
nur hilflos, sondern für die Betroffenen auch katastrophal.
Die Betroffenen erwarten keine Hinweise auf die angeb-
lich nicht zu beeinflussende Weltwirtschaft, sondern er-
warten, dass die Regierung handelt. Das tun Sie nicht und
das ist eine sträfliche Vernachlässigung Ihrer Aufgaben.


(Beifall bei der FDP)

Obwohl der Bundeskanzler und der eine oder andere in

der SPD-Fraktion vielleicht ahnt, was denn jetzt zu tun
wäre, haben Sie nicht den Mut, das Richtige zu tun.


(Zuruf von der FDP: Ja, sie trauen sich nicht!)

Die auch vom Sachverständigenrat angemahnte Flexibi-
lisierung des Arbeitsmarktes lässt sich mit konkreten
Maßnahmen belegen und die FDP hat sie in ihren An-
trägen auch vorgeschlagen. Es geht nicht, wie der Bun-
deskanzler gestern fälschlich behauptet hat, um die Ab-
schaffung des Kündigungsschutzes, sondern um eine
Lockerung für Kleinbetriebe, damit die mehr Menschen
einstellen können und damit weniger Überstunden ge-
macht werden.


(Beifall bei der FDP)

Es geht nicht um die Abschaffung des Betriebsverfas-

sungsgesetzes, sondern um mehr Mitarbeiter- und weni-
ger gewerkschaftliche Mitbestimmung.


(Beifall bei der FDP)

Es geht in drei Punkten allerdings auch um die Ab-

schaffung von Gesetzen, die Sie eingeführt haben, und

zwar um die Abschaffung des Rechtsanspruchs auf Teil-
zeitarbeit, weil er die Einstellungschancen von Frauen
mindert,


(Zuruf von der FDP: Ja, das ist absolut kontraproduktiv!)


um die Abschaffung der Regelung bezüglich der 630-
Mark-Jobs sowie um die Abschaffung der Behinderung
der Selbstständigkeit in Ihrem Gesetz gegen die Schein-
selbstständigkeit.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das alles sind Flops, die negative Auswirkungen auf dem
Arbeitsmarkt haben.

Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung steigt 2002 um 5 Prozent. Das heißt, statt
Strukturreformen in den Sozialversicherungssystemen
durchzuführen, wie Sie sie angekündigt haben und wie sie
auch notwendig gewesen wären – auch dazu hat die FDP-
Fraktion konkrete Anträge eingebracht –, flüchten Sie
sich in die Ausweitung der Steuerfinanzierung der So-
zialpolitik. Das, meine Damen und Herren, ist genau der
falsche Weg.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die sozialpolitischen Maßnahmen machen jetzt
36 Prozent des gesamten Haushalts aus. Das ist keine
soziale Großtat, sondern eine Verletzung des Genera-
tionenvertrags. Sie verfrühstücken den finanziellen Spiel-
raum der nächsten Generation, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das müssen gerade Sie erzählen, die Sie aktiv mitgemacht haben! Ausgerechnet Sie!)


Auch in einem anderen Punkt sind Sie mit Ihren
Ankündigungen zu vollmundig gewesen und haben an-
schließend nicht den Mut gehabt, die notwendigen Maß-
nahmen zu ergreifen. Sie haben angekündigt, die gesamte
Beitragsbelastung in der Sozialversicherung auf unter
40 Prozent zu senken. Am Ende dieses Jahres gibt es eine
Gesamt-Beitragsbelastung von mehr als 41 Prozent, ohne
dass dabei die anstehenden massiven Erhöhungen der
Krankenversicherungsbeiträge und die unausweichliche
Erhöhung der Rentenversicherungsbeiträge im nächsten
Jahr berücksichtigt sind. Das, meine Damen und Herren,
ist das Versagen der Sozialpolitik von Herrn Riester auf
der gesamten Linie.


(Beifall bei der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was haben wir von Ihnen übernommen?)


– Es geht doch nicht um die Vergangenheit. Die Arbeits-
losen interessiert nicht die Vergangenheit, sondern sie in-
teressiert das, was Sie machen, und das ist zu wenig.

Frau Wegner hat noch einmal gesagt, Sie wollten die
Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammenlegen.
Das hat Herr Riester vor drei Jahren in seiner Regie-
rungserklärung angekündigt. Nichts ist passiert. Jetzt




Dr. Irmgard Schwaetzer
20202


(C)



(D)



(A)



(B)


wollen Sie irgendwelche Modellversuche machen. Wozu
denn? Die Regelungen liegen längst auf dem Tisch; Sie
müssen nur unserem Antrag zustimmen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben mit dem Job-Aqtiv-Gesetz neue anspruchs-
begründende Maßnahmen eingeführt. Das heißt, Sie ha-
ben noch einmal eine zusätzliche Belastung entweder der
Beitragszahler oder der Steuerzahler vorgenommen, und
zwar ebenfalls mit wenig absehbarem Erfolg.

Nehmen Sie nur einmal Ihr JUMP-Programm, das
heute sicherlich von vielen Rednern wieder hoch gelobt
werden wird. Für fast 2 Milliarden DM sind in diesem
Programm 1 000 junge Leute in den ersten Arbeitsmarkt
vermittelt worden. Das, meine Damen und Herren, kann
man wirklich nicht als eine Erfolgsstory bezeichnen.


(Zuruf von der SPD: Was erzählen Sie denn?)

– Wenn Sie sagen, das stimme nicht, dann sage ich Ihnen,
dass dies die Zahlen des Arbeitsministeriums sind, die Sie
nur nachlesen müssten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundesregierung wollte den Zuschuss an die
Bundesanstalt für Arbeit in 2002 eigentlich streichen.
Stattdessen sind sowohl für dieses wie auch für das
nächste Jahr deutlich höhere Bundeszuschüsse zu erwar-
ten: für 2001 statt 1,2 Milliarden DM voraussichtlich
3,6 Milliarden DM und für 2002 rund 4 Milliarden DM.
Diese Zahlen gelten aber nur dann, wenn sich Ihre im
Durchschnitt des Jahres berechnete Arbeitslosenzahl von
3,95 Millionen halten lässt. Es gibt inzwischen aber ernst
zu nehmende Prognosen, die aussagen, dass wir im nächs-
ten Jahr eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit von über
4 Millionen Menschen erreichen werden. Dann wird der
Zuschuss noch einmal höher sein müssen. Deswegen wie-
derhole ich: Statt Strukturreformen durchzuführen, flüch-
ten Sie sich in die Steuerfinanzierung. Das ist die falsche
Politik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie sollten stattdessen alle Leistungen, die jetzt aus
Beitragsmitteln finanziert werden und die eigentlich nicht
in die Arbeitslosenversicherung gehören, wie zum Bei-
spiel die aktive Arbeitsmarktpolitik oder die Strukturan-
passungsmaßnahmen, auf ihre Effizienz prüfen und in den
Bundeshaushalt übernehmen. Dann würden Sie schnell
feststellen, dass Sie hier deutlich Mittel einsparen können,
und zwar sowohl auf der Seite der Steuer- wie auf der
Seite der Beitragsmittel.

Wir haben einen Antrag eingebracht, um die versiche-
rungsfremden Leistungen präzise dem Bundeshaushalt
zuzuordnen. Dadurch könnten wir den Beitragssatz in
der Arbeitslosenversicherung zum 1. Januar 2002 von
6,5 Prozent auf 5,5 Prozent senken. Ich bitte Sie: Stimmen
Sie dieser auch ordnungspolitisch richtigen Weichenstel-
lung zu. Damit tun Sie wirklich etwas für die Arbeitslo-
sen. Damit können erstens zusätzliche Arbeitsplätze ge-

schaffen werden. Die Arbeitnehmer haben dann zweitens
mehr Geld in der Tasche; das wird die Konjunktur natür-
lich positiv beeinflussen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Insgesamt würden den Arbeitgebern und den Arbeitneh-
mern dadurch 13 Milliarden DM mehr zur Verfügung ste-
hen. Das ist wahrlich der richtige Weg.

Der Zuschuss zurRentenversicherung steigt im Jahr
2002 von 135 Milliarden DM auf 141 Milliarden DM.
Noch einmal wollen Sie, statt Strukturreformen anzuge-
hen, die unselige Ökosteuer erhöhen und dieses Geld in
die Rentenversicherung einschleusen. Damit haben Sie
bei der Rentenversicherung in zwei Jahren einen Anstieg
der Steuerfinanzierung um 11 Prozent bewirkt. Trotzdem
gelingt es Ihnen nicht, das einzuhalten, was Sie an-
gekündigt haben, nämlich eine Absenkung des
Rentenversicherungsbeitrages von 19,1 Prozent auf
19,0 Prozent.

Im Gegenteil: Sie müssen zusätzlich Tricks anwenden.

(Widerspruch bei der SPD)


– Zu diesen Tricks komme ich sofort. – Eine gesetzliche
Absenkung der Schwankungsreserve ist zunächst zwar
kein Trick, aber der falsche Weg. Alle Sachverständigen
haben Ihnen in der Anhörung gesagt, dass eine kurzfris-
tige Unterschreitung der derzeitigen gesetzlich vorgese-
henen Rücklage von einer Monatsausgabe zwar zu ak-
zeptieren ist – das hat die alte Bundesregierung ja auch
getan –, dass aber eine dauerhafte Absenkung – diese be-
wirken Sie mit einem Gesetz, das die Schwankungs-
reserve dauerhaft auf 80 Prozent festschreibt – der falsche
Weg ist, weil Sie gegen Ende des Jahres immer an der
Zahlungsunfähigkeit der Rentenversicherung entlang-
schrammen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn Sie sich dann auf die Bundesgarantie, die wir
eingeführt haben, berufen, dann bedeutet das nichts ande-
res als Trickserei, die Sie offensichtlich auch für das
nächste Jahr vorgesehen haben. Ihre noch immer zu
optimistischen Annahmen für den Haushalt, den wir
jetzt verabschieden, werden nämlich dazu führen – das sa-
gen Ihnen alle Sachverständigen –, dass Sie vor dem
22. September nächsten Jahres, also dem Wahltag, den
Rentenversicherungsbeitrag eigentlich um mindestens
0,1 Prozent erhöhen müssten. Das scheuen Sie wie der
Teufel das Weihwasser. Deshalb werden Sie lieber den ge-
samten Bundeszuschuss vor den Wahltag vorziehen, um
nach dem Wahltag richtig zuzuschlagen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Aber dann sind sie ja nicht mehr an der Regierung!)


Das nenne ich Täuschung und Trickserei. Das ist der Of-
fenbarungseid in der Sozialpolitik dieses Arbeitsmi-
nisters.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Dr. Irmgard Schwaetzer

20203


(C)



(D)



(A)



(B)


Der jetzige Haushalt bestätigt wieder einmal die Fixie-
rung von Rot-Grün auf die Einnahmenseite der Sozial-
versicherungssysteme. In allen Sozialversicherungssys-
temen gibt es aber auch eine Ausgabenseite. Angesichts
der Tatsache, dass sich die demographischen Struktu-
ren in unserer Gesellschaft ändern, ist es sträflich nach-
lässig, Strukturreformen in den Sozialversicherungssys-
temen nicht wirklich anzupacken.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Allerdings!)

Sie haben drei Jahre verstreichen lassen. Der Bundes-

kanzler und der Bundesarbeitsminister haben große
Ankündigungen gemacht, zum Beispiel in der Regie-
rungserklärung nach der Wahl 1998. Die Gewerkschaften
und die gewerkschaftsorientierte SPD-Fraktion haben ih-
nen aber alles zusammengestrichen. Deswegen gibt es
nichts anderes als Beitragssatzerhöhungen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ja! – Peter Dreßen [SPD]: Immer noch unter Ihrem Satz!)


Sie brauchen gar nicht weit in die Vergangenheit zu
schauen. Sie wollten zwar nicht alles anders, aber vieles
besser machen. Sie erhöhen die Beiträge insgesamt auf
ein in dieser Höhe noch nie gekanntes Beitragssatzniveau
bis zum Ende dieser Legislaturperiode,


(Peter Dreßen [SPD]: Sie haben auf 20 Prozent erhöht! – Klaus Brandner [SPD]: Noch nicht einmal rechnen kann die Frau!)


weil Sie nicht den Mut gehabt haben, das, was Sie
zunächst als richtig erkannt haben, auch tatsächlich
durchzuführen.

Ihre Politik, Herr Riester, ist auf der ganzen Linie ge-
scheitert. Gut gemeint, schlecht gemacht! Arbeitslose und
Steuerzahler müssen die bittere Zeche zahlen. Wir wollen
und wir werden dies – leider erst in der nächsten Le-
gislaturperiode – ändern.


(Peter Dressen [SPD]: Warten Sie es mal ab!)

Auch darum wird im nächsten Wahljahr gerungen
werden.

Danke schön.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420500500
Ich erteile das Wort
der Kollegin Thea Dückert, Bündnis 90/Die Grünen.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420500600

Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Lieber Herr Kollege Fuchtel, Sie haben danach
gefragt, ob wir das eingelöst haben, was wir vor der Wahl
versprochen hatten. Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Wir
haben vor der Wahl versprochen, dass wir den gigan-
tischen Reformstau, den Sie uns hinterlassen haben, auf-
lösen werden, und wir haben in den letzten drei Jahren mit
Riesenschritten damit begonnen. Man kann diese letzten
drei Jahre als Jahre der Reformen in den zentralen wirt-
schaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Bereichen
bezeichnen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Zu kurz gesprungen!)


Die Rentenreform – das wurde vorhin schon ange-
sprochen – war nicht nur eine überfällige Reform,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie löst nicht wirklich die Probleme!)


sondern auch eine Reform, bei der wir als Koalition den
Mut aufgebracht haben, gemeinsam einen Systemwech-
sel in die deutsche Sozialpolitik einzuführen. Dieser Sys-
temwechsel musste der Tatsache Rechnung tragen, dass
wir in dieser Republik demographische Probleme haben
und dass wir von Ihnen eine Rentenkasse übernommen
haben, bei der für die Zukunft nicht vorgesorgt wurde. Im
Gegenteil: Sie war zulasten der Zukunft ausgelegt. Das ist
der erste Punkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Renten nach Kassenlage, das ist Ihr Motto!)


Wir haben in den letzten drei Jahren allein im Bereich
Arbeit und Soziales mehrere große Reformprojekte ange-
packt: Die Rentenreform – ich erwähnte sie bereits – ha-
ben wir im ersten Jahr durchgeführt. Daran schloss die
Reform des Betriebsverfassungsgesetzes an und nun folgt
mit dem Job-Aqtiv-Gesetz – das wollen Sie immer noch
ignorieren; Herr Fuchtel, ich bin wirklich enttäuscht – die
Reform der Arbeitsmarktpolitik.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Was? Das bisschen? Das ist doch keine Reform!)


– Frau Schwaetzer ruft dazwischen, das bisschen sei doch
keine Reform.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Nein, in der Tat nicht!)


Frau Schwaetzer, ich erinnere mich an die Diskussion der
letzten Wochen.


(Dirk Niebel [FDP]: Wer im Schlachthaus sitzt, soll nicht mit Schweinen werfen!)


Tatsache ist, dass Ihre Partei Politiker aus unseren Reihen,
die wesentlich für die Reformen verantwortlich waren
– ich nenne beispielsweise die Rentenreform und die
Steuerreform –, abwerben wollte. So schlecht kann unsere
Politik also nicht gewesen sein.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Was? Wir können wirklich alles ohne euch!)


Ich habe noch nie gehört, dass irgendjemand einen Fi-
nanz-, Haushalts- oder Sozialpolitiker der FDP geschenkt
haben möchte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Na! Na! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Spätestens in zwei Jahren werdet ihr unsere Politik machen!)


Der Grund liegt doch auf der Hand: Sie von der FDP
haben 29 Jahre lang Ihre Gesellenstücke geliefert. Was ist
aber gerade in der Arbeits-, Sozial- und Finanzpolitik da-




Dr. Irmgard Schwaetzer
20204


(C)



(D)



(A)



(B)


bei herausgekommen? Es gab eine Steigerung der Sozial-
versicherungsbeiträge um 13 Prozent und Steuererhö-
hungen. Sie haben sich in diesen Jahren als Partei der Stei-
gerung der Sozialbeiträge und der Steuererhöhungen
qualifiziert. Trotzdem behaupten Sie, wir würden bei der
Rentenreform und bei anderen Reformen auf Kosten der
Zukunft handeln. Sie haben uns einen gigantischen
Schuldenberg in Höhe von 1,5 Billionen DM – ich weiß
gar nicht, wie viele Nullen die Zahl 1,5 Billionen hat –
hinterlassen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Wenn man das nicht weiß, dann darf man nicht in der Haushaltsdebatte reden! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ich möchte wissen, wie viele Nullen die Regierung hat!)


Sie haben auf Kosten der zukünftigen Generationen ge-
lebt. Das ist die Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben auf dieser Basis eine Politik der Konsoli-
dierung und der Nachhaltigkeit eingeleitet, und zwar mit
einem sozialen Gesicht. Diese Politik beinhaltet unter an-
derem die Senkung der Steuersätze, die permanente Erhö-
hung des Kindergeldes und die Erhöhung des steuerfreien
Existenzminimums, sodass Familien mit zwei Kindern
und einem durchschnittlichen Verdienst im nächsten Jahr
3 000 DM mehr in der Tasche haben. Wir haben auf die-
ser Basis der Schulden eine Sozialreform eingeleitet, die
gerade den Beziehern von kleinen Einkommen mehr Geld
in die Kasse bringt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der CDU/CSU: Falsch!)


Herr Fuchtel, Sie haben doch von höchster Stelle, näm-
lich vom Bundesverfassungsgericht, bescheinigt bekom-
men, dass Ihre Politik familienfeindlich war. Sie haben
bescheinigt bekommen, dass Sie die Arbeitslosengeldbe-
zieher jahrelang um Zahlungen geprellt haben, die sie ei-
gentlich aufgrund der Beiträge für die Einmalzahlungen
hätten erhalten müssen. Auch diese soziale Unge-
rechtigkeit haben wir auf der Grundlage der Konsolidie-
rung abgeschafft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Natürlich reden wir über die Realität am Arbeits-
markt. Sie ist ungeheuer schwierig und zurzeit auch un-
befriedigend.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist Schönfärberei!)


Wir haben – das ist wahr – in diesem Jahr, abweichend
von allen Prognosen, übrigens auch von Ihren eigenen,
ein um etwa 2 Prozent geringeres Wachstum. Das
wirkt sich natürlich auf den Arbeitsmarkt aus. In den Mo-
naten der höchsten Arbeitslosigkeit, Januar und Februar,
werden wir unsere Zielprognose möglicherweise um
300 000 bis 500 000 Arbeitslose überschreiten. Das ist
überhaupt nicht schön. Aber setzen wir das einmal, um

redlich zu bleiben, in Relation zu den gleichen Monaten
zu der Zeit, als wir die Regierung übernommen haben:


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben den Aufschwung übernommen!)


Wir werden im Vergleichszeitraum immer noch
500 000 Arbeitslose weniger haben und wir werden etwa
1 Million, wenn nicht gar mehr, zusätzliche Arbeitsplätze
haben. Auch das muss man sehen.

Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, kann man
feststellen, dass wir auch in der Struktur eine positive Ent-
wicklung hatten.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wo denn?)

– Das will ich Ihnen sagen, Herr Kolb. In den 39 Mona-
ten, in denen sich der Arbeitsmarkt Monat für Monat ent-
spannt hat,


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Die Arbeitslosen interessieren sich nicht für gestern!)


ist etwas eingetreten, worauf Sie jahrelang gewartet ha-
ben: Auch die stille Reserve hat sich verringert; Men-
schen, vor allen Dingen Frauen, die jahrelang außerhalb
des Arbeitsmarktes waren, haben wieder Mut bekommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben noch etwas anderes angesprochen. Frau
Schwaetzer, da muss ich mich nicht wundern; denn Sie
wollen das Jugendsoforthilfeprogramm, JUMP, hier nach
wie vor schlechtreden. Sie reden von 1 000Arbeitsplätzen
im ersten Arbeitsmarkt.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das sind die offiziellen Zahlen des Arbeitsministeriums!)


Wir haben mit dem JUMP-Programm 330 000 junge
Leute erreicht,


(Zuruf von der CDU/CSU: „Erreicht“! Genau!)


die arbeitsmarktfern waren. Wir haben sie in etwa elf un-
terschiedliche Maßnahmen gebracht. Wir haben diesen
jungen Leuten, die es in ihrer Zukunft immer schwerer
gehabt hätten, in den Arbeitsmarkt oder in berufliche Qua-
lifikation zu kommen, eine Chance auf dem Arbeitsmarkt
gegeben.

Wir haben in den letzten Jahren – auch das muss man
sehen – 14 000 zusätzliche Ausbildungsplätze geschaf-
fen. Wir haben von Ihnen nicht nur einen Berg von Ar-
beitslosen übernommen, sondern auch ein vermufftes
Arbeitsförderungsrecht, das sich den Realitäten des Ar-
beitsmarktes, zum Beispiel der Jugendarbeitslosigkeit,
überhaupt nicht gestellt hat. Aktive, aktivierende Arbeits-
marktpolitik war für Sie ein Fremdwort.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir haben mit dem Job-Aqtiv-Gesetz einen Einstieg
in das geschafft, was seit Jahren überfällig war, nämlich
Menschen, die arbeitslos werden, von der ersten Stunde
an ein Hilfsangebot entsprechend ihrer Qualifikation zu
machen.




Dr. Thea Dückert

20205


(C)



(D)



(A)



(B)


Frau Schwaetzer, was hat die FDP in dem Zusammen-
hang vorgeschlagen? Sie haben es nicht nur abgelehnt,
sondern – darüber muss ich mich wundern, obwohl ich
mich bei der FDP eigentlich über fast gar nichts mehr
wundere – Sie haben das Bürokratiemonster der regel-
mäßigen Meldepflicht wieder einführen wollen, was kei-
nen zusätzlichen Arbeitsplatz bringt und allenfalls die Ar-
beitsvermittler beschäftigt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Wie gliedern Sie denn ein?)


Wir wollen Arbeitsvermittler, die sich aktiv und direkt mit
den Arbeitslosen auseinander setzen können. Deswegen
werden wir – dagegen können Sie auch nichts mehr unter-
nehmen – zum Beispiel das Instrument der Eingliede-
rungspläne einführen.

In dem Zusammenhang haben wir neue und moderne
Instrumente in der Arbeitsmarktpolitik eingeführt, zum
Beispiel die Jobrotation. Auch diese haben Sie abge-
lehnt, obwohl Sie gleichzeitig


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist nicht wahr!)

das Kunststück vollbracht haben, die Urheberschaft dafür
zu beanspruchen. – Da kommt der Zwischenruf. Herr
Niebel, es ist wahr. – Ich weiß nicht, wodurch Sie die Ur-
heberschaft in der Realität beanspruchen können;


(Dirk Niebel [FDP]: Wir mussten leider das gesamte Gesetz ablehnen!)


sicherlich nicht durch Ihre Regierungstätigkeit, vielleicht
durch Ihre Tätigkeit in Ihrem Ortsverein.


(Dirk Niebel [FDP]: Die Union hat das beansprucht! Ich habe das nie beansprucht!)


Meine Damen und Herren, es ist wahr, dass der Re-
formbedarf gerade am Arbeitsmarkt groß ist. Deswegen
plädieren wir für eine Arbeitsmarktpolitik Plus.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Was ist das?)


Arbeitsmarktpolitik Plus bedeutet, dass wir mit der Re-
form und mit dem Job-Aqtiv-Gesetz


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Oh Gott! – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)


die zentralen Instrumente reformiert haben und – „Plus“ –
zusätzliche beschäftigungspolitische Schritte gehen
wollen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist ein Job-Attraktiv-Gesetz! – Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Welche denn?)


Wir wollen in der nächsten Legislaturperiode, das ist
angesprochen worden,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Da regieren Sie längst nicht mehr!)


die Arbeitslosenhilfe und die Sozialhilfe zusammenlegen.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ihr hättet nur unserem Antrag zustimmen müssen!)


Unsere Zielperspektive, die der Grünen, ist dabei übri-
gens die Einführung einer Grundsicherung. Im Gegen-
satz zu Ihnen reden wir nicht nur darüber, sondern haben
bereits mit den Vorarbeiten, und zwar mit Modellprojek-
ten, begonnen. Diese Modellprojekte sind weit über die
Bundesrepublik verstreut. In ihnen werden Erfahrungen
mit der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe unter einem
Dach gewonnen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, darüber hinaus plädieren
wir dafür, dass schwierige Beschäftigungsverhältnisse
und schwierige Bereiche am Arbeitsmarkt neue Chancen
erhalten und neue Brücken gebaut bekommen.


(Dr. Klaus Grehn [PDS]: Dann müssen Sie doch neue schaffen!)


Warum soll es nicht möglich sein, dass Sozialhilfeemp-
fänger und Langzeitarbeitslose jede zweite Mark, die sie
zeitlich befristet dazuverdienen, behalten können?


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ja, machen Sie es halt! – Dirk Niebel [FDP]: Sie machen doch nichts, Sie reden nur darüber! Sie sind so unerträglich unglaubwürdig!)


– Herr Niebel, ich freue mich wirklich sehr, dass Sie in
dieser großen Deutlichkeit dazwischenrufen. Meine Da-
men und Herren von der FDP, ich glaube, Sie haben in den
29 Jahren Ihrer Regierungszeit genug Chancen gehabt,
genau dieses sozialpolitische Anliegen umzusetzen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Wenn Sie es jetzt nicht machen, werden Sie es nie mehr machen!)


Darüber hinaus will ich noch sagen, dass es notwendig
sein wird, auch etwas gegen die Teilzeitmauer, die bei
Jobs über 630 DM einsetzt, zu unternehmen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Ach, die haben Sie gerade erhöht!)


Es wird sinnvoll sein, die Sozialversicherungsbeiträge
dort so zu subventionieren, dass sie quasi sanft, nicht als
Mauer einsetzen, sodass weitere Anreize für Arbeitslose
gegeben werden, in diesen Bereichen eine Beschäftigung
aufzunehmen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das, was Sie reden, können Sie doch selber alles nicht glauben!)


Der nächste Punkt ist, dass wir die Entbürokratisie-
rung weitertreiben müssen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Sie reden, als ob Sie in der Opposition wären!)


Das wollen wir auch. Ich glaube, dass wir im Bereich der
630-DM-Jobs durchaus entbürokratisieren und das Mel-
deverfahren leichter machen können.


(Ina Lenke [FDP]: Was? Was Sie da erzählen, ist das Allerletzte!)


– Frau Lenke, wir wollen aber bestimmt nicht wieder in
den Zustand zurückkehren, den Sie uns hinterlassen ha-




Dr. Thea Dückert
20206


(C)



(D)



(A)



(B)


ben, dass es nämlich in diesem Bereich Arbeitsverhält-
nisse gab, die nicht sozialversicherungspflichtig waren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang haben wir viel zu tun.

Der letzte Punkt ist beschäftigungspolitisch zentral,
weswegen ich ihn hier noch kurz anmerken möchte:


(Dirk Niebel [FDP]: Sie haben fertig!)

Wir werden und wollen das Ziel der Senkung der Lohn-
nebenkosten nicht aus den Augen verlieren. Wir werden
weiter dafür streiten, weil es gerade im Zusammenhang
mit der Beschäftigungspolitik ganz zentral ist.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420500700
Ich erteile das Wort
der Kollegin Heidi Knake-Werner, PDS-Fraktion.


Dr. Heidi Knake-Werner (PDS):
Rede ID: ID1420500800
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! SPD und Bündnisgrüne
haben in letzter Zeit gerne erklärt, dass sie gemeinsam
diese Republik verändert hätten.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Zum Nachteil!)


Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, da mögen Sie wohl
Recht haben.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das ist wahr!)


Ob allerdings die Menschen außerhalb dieses Hauses über
diese Veränderungen froh sind, wage ich ernsthaft zu be-
zweifeln.


(Beifall bei der PDS)

Das Ergebnis Ihrer Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik ist

jedenfalls keine Erfolgsbilanz, sondern eine Mängelliste,
und das ist einfach zu wenig. Sie werden es nicht einmal
schaffen, Ihre wichtigsten und die Wahl entscheidenden
Versprechungen von 1998 einzulösen. Für mehr soziale
Gerechtigkeit wollten Sie sorgen. Außerdem wollten Sie
Ihre Regierungsfähigkeit an der sinkenden Arbeitslosig-
keit messen lassen. Nichts davon haben Sie erreicht. Da-
mit haben Sie die vielen Menschen, die auf Sie gesetzt ha-
ben, bitter enttäuscht.

4 Millionen Arbeitslose lassen sich nicht einfach mit
der Weltkonjunktur entschuldigen, zumal Sie dann erklä-
ren müssten, warum es eigentlich allen unseren Nachbar-
ländern in Europa besser geht. Nein, 4 Millionen Arbeits-
lose in der Bundesrepublik sind das Ergebnis falscher
politischer Weichenstellungen und fehlender Initiativen
in der Beschäftigungspolitik.

ImKonsens mit den Gewerkschaften und denArbeitge-
bernwollten Sie dieArbeitslosigkeit bekämpfen.Doch im
Bündnis für Arbeit sind Sie keinen Schritt vo-
rangekommen: keineVereinbarung, endlich dieMilliarden
Überstunden abzubauen, um neue Arbeitsplätze zu schaf-

fen, nichts Verbindliches gegen denMangel an qualifizier-
tenAusbildungsplätzen undkeinKonzept gegen die beson-
ders dramatische Arbeitsmarktlage in den neuen Ländern.
Stattdessen verabreden Sie Modellversuche im Nied-
riglohnsektor. Wissen Sie eigentlich, was die Menschen in
Ostdeutschlandverdienen?DerdurchschnittlicheStunden-
lohn in Ostdeutschland beträgt 62 Prozent des durch-
schnittlichen Stundenlohnes, der imWesten gezahlt wird.


(Peter Dreßen [SPD]: Woran liegt das?)

Das ist ein riesiger Niedriglohnsektor, ohne dass es dort
mehr Beschäftigung gäbe. Solche Konzepte sind absolut
untauglich.


(Beifall bei der PDS)

Sie gehören ebenfalls zur Negativbilanz Ihrer Politik.

Auch die Vorleistungen Ihrer unternehmerfreundlichen
Steuerreform haben sich weder beschäftigungs- noch
verteilungspolitisch positiv ausgewirkt. Im Gegenteil, sie
haben die soziale Spaltung in dieser Gesellschaft weiter
verstärkt. Dies geschah unter Ihrer Verantwortung und das
finde ich blamabel. Neben dem Handwerk sind es näm-
lich gerade die großen Unternehmen, die von Ihrer Poli-
tik besonders profitiert haben. Aber Siemens und die
Commerzbank zum Beispiel haben für das kommende
Jahr Massenentlassungen in enormer Größenordnung an-
gekündigt.

In dieser Situation hat der Bundesarbeitsminister eine
Idee: Er verkündet die größte Vermittlungsoffensive aller
Zeiten.


(Dirk Niebel [FDP]: Firlefanz!)

Wohin soll denn bitte schön vermittelt werden? Wo sind
denn die Unternehmen, die auf diese Ihre Offensive
warten?


(Beifall bei der PDS)

Ich kann sie nicht finden. Wenn ich mir Ostdeutschland
anschaue, dann weiß ich, dass dort Arbeitsplätze fehlen,
und Sie wissen das genauso gut wie ich.

Was wir jetzt brauchen, ist eine arbeitsmarktpolitische
Offensive und eine Qualifizierungsoffensive. Das Job-
Aqtiv-Gesetz – ich glaube, Frau Dückert, dass dies noch
keine „Arbeitsmarktpolitik plus“ ist – könnte da vielleicht
einige Impulse setzen. Warum aber haben Sie dafür im
Haushalt keine müde Mark eingestellt? Meinen Sie es
also wirklich ernst damit? Nein, liebe Kolleginnen und
Kollegen, die PDS will die arbeitsmarktpolitischen
Maßnahmen wirklich ausbauen. Deshalb fordern wir,
den Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit um 1 Milli-
arde Euro zu erhöhen.


(Beifall bei der PDS)

Ein Zweites ist uns in diesem Zusammenhang wichtig:

Man kann über arbeitsmarktpolitische Maßnahmen strei-
ten, aber die Menschen in Ostdeutschland werden noch
auf Dauer auf diese Maßnahmen angewiesen bleiben.
Deshalb ist es einfach falsch, dass Sie wieder keine Sach-
kostenzuschüsse für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen
einstellen. Wir werden das beantragen.


(Beifall bei der PDS)





Dr. Thea Dückert

20207


(C)



(D)



(A)



(B)


Schließlich fordern wir erneut den Einstieg in den öf-
fentlich geförderten Beschäftigungssektor. Sie wissen
wie wir, dass viel Arbeit im sozialen, kulturellen und öko-
logischen Bereich ungetan bleibt, weil sie sich für
gewinnorientierte Unternehmen einfach nicht rechnet.
Diese Arbeit ist aber für die Daseinsvorsorge und die Le-
bensqualität der Menschen unverzichtbar. Deshalb sagen
wir: Ehe Sie, Herr Minister, Greencards für den Pflegebe-
reich und andere soziale Bereiche ausgeben, tragen Sie
lieber endlich mit dazu bei, dass hier hoch qualifizierte
und vor allen Dingen gut bezahlte Menschen Arbeit fin-
den. Dies sind die notwendigen Zukunftsinvestitionen für
eine immer älter werdende Gesellschaft, mit der wir uns
auf vielen Feldern zu beschäftigen haben.


(Beifall bei der PDS)

Es geht aber nicht nur darum, dass Sie mit Ihrer ge-

scheiterten Beschäftigungspolitik Millionen Arbeitslose
enttäuschen und Millionen Beschäftigte verunsichern.
Das soziale Sicherungssystem in der Bundesrepublik ist
stärker als in vielen anderen Ländern an Löhne und
Gehälter gekoppelt. Deshalb sinken bei Beschäftigungs-
abbau auch die Einnahmen der Sozialversicherungen.

Deshalb können Sie Ihr zweites wichtiges Wahlver-
sprechen nicht einlösen: Die Sozialversicherungs-
beiträge werden bis zum Jahre 2002 nicht unter 40 Pro-
zent sinken. Dies gilt auch für die versprochene Senkung
des Rentenversicherungsbeitrags; und dies trotz der Leis-
tungskürzungen in der Rente und trotz der unsozialen
Teilprivatisierung. Dies halte ich für die größte Blamage.

Es verschafft mir wirklich keine Genugtuung, dass ich
hinsichtlich Ihrer Jahrhundertreform Recht behalten habe,
es ärgert mich aber, wie viel Verunsicherung und Unge-
rechtigkeit Sie damit geschaffen haben, ohne irgendetwas
zu erreichen. Jetzt ist es sogar so, dass Sie die eigentlich
notwendige Beitragserhöhung nur durch den Griff in die
Rücklage der Rentenversicherung verhindern können.
Von Beitragssenkungen – das sagen Ihnen alle Experten –
werden Sie in den nächsten Jahrzehnten nicht sprechen
können.

WarumstehenSie überhaupt vor dieserEntscheidung?–
Weil Sie Ihre unsoziale Rentenpolitik für alternativlos ge-
halten haben, weil Sie nicht mehr in Alternativen denken
und Sie keinen Moment darüber nachgedacht haben, ob
man möglicherweise die Gruppe der Beitragszahlerinnen
vergrößern oder die Einnahmen durch die Einbeziehung
anderer Einkommen verbessern könnte. Das ist das Di-
lemma, in dem Sie jetzt stecken.

Zum Schluss will ich Ihnen sagen: Einzelplan 11 bleibt
ohne Antwort auf die gegenwärtige Krise, ohne Aussicht
auf mehr soziale Gerechtigkeit und vor allen Dingen – das
halte ich für das Schlimmste – ohne Hoffnungsschimmer
für die Menschen in diesem Land, die weder Faulenzer
noch altes Eisen sein wollen. Deshalb werden wir ihn ab-
lehnen.


(Beifall bei der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420500900
Ich erteile dem Kolle-
gen Ewald Schurer, SPD-Fraktion, das Wort.


Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1420501000
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Im neuen Programm
„Chancen für die Jugend“ der Bundesregierung heißt es
unter anderem: „Erwerbsarbeit sichert die materiellen Le-
bensgrundlagen und trägt wesentlich zur Zufriedenheit
junger Menschen bei.“ Die Bundesregierung hat daher
den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu einem
ihrer Schwerpunkte gemacht.

In der Tat muss man sich fragen, über was wir reden,
meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. Wir re-
den über die Integration junger Menschen in diese Ge-
sellschaft. Wir reden über die soziale Einbindung junger
Menschen in Familie und Gesellschaft, über Bildung und
Ausbildung als eine entscheidende Grundlage für die Be-
rufs- und Zukunftschancen der jungen Generation.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie reden wie ein Gewekschaftsfunktionär oder ein Gewerkschaftssekretär!)


– Herr Kollege, auch Sie sollten sich des Zuhörens be-
fleißigen.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie reden wie ein Gewerkschaftshilfssekretär!)


Bildung und Ausbildung sind wichtig für die Ent-
wicklung der Persönlichkeit junger Menschen. An der
Stelle muss ich einmal ganz klar sagen: Frau Schwaetzer,
so einfach, wie Sie sich das machen, ist es nicht. Ihre Be-
hauptung aus dem Nichts, dass das JUMP-Programm nur
1 000 Jugendliche in betriebliche Ausbildung gebracht
hätte, werde ich im weiteren Verlauf meiner Rede deutlich
widerlegen.

Es geht darum, dass Jugendpolitik eine Querschnitts-
aufgabe ist. So sieht es auch die Bundesregierung. In Um-
setzung dieser Philosophie haben wir eine ganze Menge
getan.


(Zurufe von der FDP)

– Hören Sie doch einmal zu. Sie haben es dringend nötig.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420501100
Kollege Schurer, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grehn von
der PDS-Fraktion?


Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1420501200
Ja.

(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das ist aber bei Jungfernreden nicht üblich!)



Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1420501300
Herr Kollege Schurer, ich
habe eine recht einfache Frage. Ist Ihnen bekannt, dass
trotz des JUMP-Programms die Jugendarbeitslosigkeit in
Sachsen noch nie so hoch war wie jetzt und dass das Land
Brandenburg bei der Jugendarbeitslosigkeit ein Wachs-
tum von 16 Prozent hat?


Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1420501400
Werter Kollege, ich werde im
Laufe meiner Rede auch darauf eingehen. Dann werde ich
Ihnen den genauen Entwicklungsverlauf erklären.


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Machen Sie es doch jetzt!)





Dr. Heidi Knake-Werner
20208


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Bundesregierung hat die Bekämpfung der Ju-
gendarbeitslosigkeit zu einer Gesamtaufgabe gemacht.
Das heißt, wir haben zum Beispiel durch die Familien-
förderungsgesetze im steuerlichen Bereich etwas getan,
um die Voraussetzungen für Bildung und Ausbildung
auch in den Familien zu verbessern. Es gibt neue Freibe-
träge für die Betreuung, die Erziehung und – das möchte
ich betonen – die Ausbildung der jungen Menschen. Ab
dem 1. Januar 2002 gibt es pro Kind einen Freibetrag von
insgesamt 11 340 DM für Erziehung und Ausbildung.
Wir haben die BaföG-Leistungen zum 1.April 2001 nach
zehn Jahren Stagnation kräftig erhöht. Es gibt das neue
Gesetz zur Elternzeit und den Rechtsanspruch auf Teil-
zeitarbeit. Es gibt das Aktionsprogramm „Jugend für De-
mokratie und Toleranz“ und natürlich auch das JUMP-
Programm.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich sage noch einmal: Sie müssen sich der Sache schon
seriös – das gilt auch für Sie, Kollege Niebel – annehmen.
Es geht darum, jungen Menschen in schwierigen Zeiten
und bei einer schwächeren Konjunktur Sicherheit und
Chancen für ihre materielle Lebensführung, für ihre so-
ziale Anerkennung und den menschlichen Zusammenhalt
– auch Solidarität genannt – zu geben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit
den Freunden von Bündnis 90/Die Grünen waren es doch,
die Anfang 1999 mit dem Sofortprogramm JUMP ein
massives Programm aufgelegt haben, um den jungen
Menschen diese Chancen zu ermöglichen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir zur aktuellen Diskussion kommen, dann
müssen Sie feststellen – ich will jetzt die Frage beantwor-
ten –: Im Oktober dieses Jahres sind knapp 17 000 junge
Menschen neu ins Programm gekommen. Das sind für das
Jahr 2001 bislang 123 000 junge Menschen, von denen
sich im Augenblick 93 000 konkret in Fördermaßnahmen
befinden. Die durchschnittliche Dauer solcher Förder-
maßnahmen beläuft sich je nach Bestimmung und Art der
Maßnahme im Augenblick auf 240 Tage.

Das Ergebnis der Begleitforschung – jetzt kommen
wir zur Substanz – ist eindeutig: In diesen drei Jahren
wurden als Nebeneffekt durch die Beratungstätigkeit ins-
gesamt 40 000 neue betriebliche Ausbildungsverhält-
nisse geschaffen. Im Jahr 1999, Kollegin Dückert, waren
es 14 000, im Jahr 2000 17 000 und in diesem Jahr waren
es bislang 9 000 weitere betriebliche Ausbildungsplätze.
Seit dem 1. Januar 1999 bis zum Sommer dieses Jahres
haben insgesamt – das wurde schon gesagt –
333 000 junge Menschen an diesem Programm teilge-
nommen. Von den Jugendlichen, die heuer in diesem Pro-
gramm sind


(Zuruf von der FDP)

– hören Sie es sich an, damit Sie die Ergebnisse der Be-
gleitforschung mitbekommen –, wurden 33 000 junge

Menschen mit Lohnkostenzuschüssen in den ersten Ar-
beitsmarkt integriert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


27 000 Jugendliche traten in Qualifizierungs-AB-Maß-
nahmen ein. 21 000 junge Menschen starteten Trainings-
maßnahmen. 17 000 Jugendliche nahmen Qualifizie-
rungsmaßnahmen in Anspruch. Für die Frage zu
Ostdeutschland ist noch wichtig: 4 500 junge Menschen
konnten über die Mobilitätshilfen zur auswärtigen Ar-
beitsaufnahme gebracht werden.

In der Folge der Vereinbarung des Bündnisses für Ar-
beit haben wir – das habe ich schon gesagt – nicht 1 000,
sondern 40 000 neue betriebliche Ausbildungsplätze ge-
schaffen. Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren
schreiben. Sie reden hier wirklich – ohne Kenntnis der
Fakten – ins Leere. Das, was Sie betreiben, ist unverant-
wortlich gegenüber den jungen Menschen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ganz entscheidend ist die Tatsache, dass von den
93 000, die sich momentan in konkreten Maßnahmen be-
finden, 80 Prozent arbeitslos waren. Davon waren 30 Pro-
zent länger als sechs Monate arbeitslos.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Wie viele gehen wieder in die Arbeitslosigkeit?)


Es geht darum, jungen Menschen, die sich in einer Situa-
tion der Chancenlosigkeit befinden, ganz gezielt Perspek-
tiven zu erschließen. Das tun wir im Augenblick und auch
im Osten.

Ich möchte jetzt auf die Finanzen zu sprechen kom-
men, weil wir uns ja in einer Haushaltsdebatte befinden.
Im Jahr 2000 wurden circa 1,9 Milliarden DM in das
JUMP-Programm investiert. Bis jetzt sind bereits 2,3Mil-
liarden DM konkret in Maßnahmen gebunden. Ein
Schwerpunkt des Programms – es wäre schön, wenn der
Kollege zuhören würde; denn das, was ich jetzt sage, ist
ein Teil der Antwort auf seine Frage – waren die neuen
Länder. Im letzten Jahr wurden knapp 44 Prozent aller
Mittel des JUMP-Programms in die neuen Bundesländer
investiert. Bis Anfang November des laufenden Jahres
waren sogar knapp 55 Prozent der Mittel des gesamten
Programms in Maßnahmen in den neuen Bundesländern
gebunden.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Die Jugendarbeitslosigkeit steigt und steigt und steigt! Das ist die Wahrheit!)


Das bestätigen auch die Aussagen der Bundesanstalt für
Arbeit.

Eine wichtige Ergänzung: In Zeiten einer konjunktu-
rellen Abschwächung ist es ganz besonders wichtig, die
Jugendlichen nicht – so, wie Sie es gemacht haben – ir-
gendwo stehen zu lassen, sondern sie – das tun wir mit
dem JUMP-Programm – entsprechend zu qualifizieren.
Auch das ist ein Teil meiner Antwort auf Ihre Frage. Ich
weiß, dass die momentane Situation im Osten im Hinblick
auf die Ausbildungsverhältnisse sehr schwierig ist. Aber
umso mehr ist die Bedeutung des JUMP-Programms an-
zuerkennen, in dessen Rahmen junge Menschen durch




Ewald Schurer

20209


(C)



(D)



(A)



(B)


verschiedene Maßnahmen – betriebliche Ausbildungs-
plätze gibt es im Osten Deutschlands nämlich zu wenige –
für eine spätere Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt qualifi-
ziert werden. Lassen Sie sich das, bitte schön, auch noch
einmal von mir im Guten sagen.


(Dirk Niebel [FDP]: Warum lassen Sie das nicht im Haushalt des Bundesarbeitsministers, wenn das so wichtig ist? Warum ist das im Haushalt der Bundesanstalt?)


Noch eines zum Schluss: Ein halbes Jahr nach dem
Ausscheiden aus dem Programm – das ist ein wichtiger
Zeitpunkt, weil man dann feststellen kann, wie die Maß-
nahmen auf die jungen Menschen gewirkt haben – haben
24 Prozent der Geförderten einen ungeförderten Arbeits-
platz – das ist ein wirklich großer Erfolg –, haben rund
13 Prozent einen betrieblichen Ausbildungsplatz, machen
circa 7 Prozent – durch die Maßnahmen animiert – eine
weitere schulische Ausbildung und sind rund 22 Prozent
der jungen Menschen in Fördermaßnahmen. Dass dann
noch immer 25 Prozent der jungen Menschen, die an den
Maßnahmen teilgenommen haben, leider wieder arbeits-
los sind, ist nur zu verstehen, wenn man weiß, dass sie zu
einer Klientel gehören, die bisher – mit einer ganzen
Reihe von Handicaps kämpfend – alles andere als privile-
giert gewesen ist. Unter diesen Jugendlichen befinden
sich viele, die aus sozial benachteiligten Verhältnissen
kommen und die deswegen im Rahmen der För-
dermaßnahmen einer besonderen Fürsorge bedürfen.


(Beifall bei der SPD)

Wichtig ist, dass das JUMP-Programmeine Philosophie

hat – deswegen ist es auch so erfolgreich, was im Wider-
spruch zu Ihrer partiellen und sehr autistischen Wahrneh-
mung steht –: Die Jugendlichen werden individuell und
entsprechend ihren persönlichen Bedürfnissen gefördert.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420501500
Kollege Schurer, Sie
haben Ihre Redezeit überschritten.


Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1420501600
Ich komme zum Ende, Herr
Präsident. – Diese Philosophie ist übrigens die gleiche wie
die im neuen Job-Aqtiv-Gesetz. Es geht darum, den jun-
gen Menschen Perspektiven zu vermitteln, indem man
versucht, mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen ganz
individuell auf ihre Situation einzugehen, sie dort abzu-
holen, wo sie sich befinden, um sie für ihr späteres Leben
zu qualifizieren, um ihnen eine Teilhabe an der Gesell-
schaft zu ermöglichen. Junge Menschen sind erst dann in
der Gesellschaft integriert, wenn sie qualifiziert und aus-
gebildet worden sind und somit eine berufliche Grundlage
haben.

Ich bedanke mich bei der Arbeitsverwaltung, bei der
Bundesregierung für das konzertierte und erfolgreiche
JUMP-Programm. Ich wünsche allen jungen Menschen,
die in diesem Programm gefördert wurden und noch ge-
fördert werden, viel Erfolg für ihre berufliche und gesell-
schaftliche Zukunft.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420501700
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Horst Seehofer, CDU/CSU-Fraktion.


(Zuruf von der SPD: Oh! – Klaus Brandner [SPD]: Jetzt aber nicht viel flunkern!)


Horst Seehofer (CDU/CSU) (von der CDU/CSU mit
Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Der Haushalt des Bundesarbeitsmi-
nisters


(Klaus Brandner [SPD]: Ist ein guter Haushalt!)


ist ein ganz trübes Kapitel. Walter Riester ist der teuerste
Weihnachtsmann, den sich diese Republik jemals geleis-
tet hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Hans Georg Wagner [SPD]: Sie sind der größte!)


Kein einziges Versprechen dieses Arbeitsministers ist
in Erfüllung gegangen. Versprochen war ein kräftiger Ab-
bau der Arbeitslosigkeit; erreicht wurde ein deutlicher
Anstieg. Wir werden nach der Jahreswende deutlich über
4 Millionen Arbeitslose haben. Hinzuzurechnen sind
1,7 Millionen Menschen, die zu den verdeckten Arbeits-
losen gehören, die nicht in der Statistik erscheinen, weil
sie sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und in
Kurzarbeit befinden.


(Zuruf von der SPD: Wie war das zu eurer Zeit?)


Es sind Millionen von Menschen in der Arbeitslosig-
keit. Millionen von Menschen in Deutschland fürchten
um ihren Arbeitsplatz, und das bei einer Regierung, die
angetreten ist, mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland
zu realisieren. Drei Jahre Rot-Grün haben gereicht, um
ein hohes Maß an sozialer Ungerechtigkeit in Deutsch-
land zu realisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Klaus Brandner [SPD]: Die Arbeitslosigkeit halbieren: Das war doch Ihr Versprechen!)


Versprochen war die Senkung der Sozialabgaben.

(Klaus Brandner [SPD]: Eingetreten! – Peter Dreßen [SPD]: Ist auch eingetreten!)

– Eingetreten ist ein Sozialabgabenniveau wie nie zuvor
in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, wir werden am 1. Januar
deutlich über 41 Prozent Gesamtsozialversicherungsbei-
trag haben. Dazu haben Sie die 630-Mark-Jobs sozialver-
sicherungspflichtig gemacht und den Menschen 7 Milli-
arden DM abgezockt.


(Klaus Brandner [SPD]: Abgezockt haben Sie! Leistungen gekürzt, Beiträge erhöht!)


Dazu werden Sie am 1. Januar des nächsten Jahres 28Mil-
liarden DM Ökosteuer ohne Umsatzsteuer erheben. Das




Ewald Schurer
20210


(C)



(D)



(A)



(B)


sind insgesamt 35 Milliarden DM zur Finanzierung der
Sozialhaushalte. Gleichzeitig steigen die Sozialabgaben.
Nie zuvor sind die Menschen zur Finanzierung der So-
zialhaushalte so zur Kasse gebeten worden wie unter der
Regierung von Rot-Grün. Da dürfen Sie sich nicht wun-
dern, wenn die Konjunktur zusammenbricht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Klaus Brandner [SPD]: Das sind Blähungen, die Sie da losstoßen!)


Vor wenigen Tagen erklärte der Sozialverband
Deutschlands, steigende Beitragssätze seien nur dann ver-
tretbar, wenn dafür auch mehr oder bessere Leistungen für
die Versicherten gewährt würden. Bei der rot-grünen So-
zialpolitik sei aber bisher das Gegenteil der Fall: Stei-
gende Beiträge und sinkende Sozialleistungen.

Das ist das, was die Menschen in Deutschland ärgert:
Steigende Beiträge und weniger Gesundheitsleistungen,
steigende Beiträge und weniger Pflegeleistungen, stei-
gende Beiträge und weniger Rente, steigende Beiträge
und weniger Leistungen in der Arbeitslosenversicherung.
Das ist Ihre Bilanz.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Höhere Arbeitslosigkeit, höhere Sozialbeiträge und

sinkende Leistungen – alle denkbaren Übel hat diese Re-
gierung in der Wirtschafts- und Sozialpolitik gleichzeitig
erreicht. Das hat noch keine Regierung in Deutschland ge-
schafft.


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Das ist eine Sonthofen-Rede, die Sie hier halten!)


Diese beklemmende Entwicklung ist auf einen Kardi-
nalfehler dieser Regierung zurückzuführen. Sie hat näm-
lich von Anfang an dem Irrglauben nachgegeben, dass
man alle wirtschaftlichen und sozialen Prozesse in
Deutschland durch zentralistische Planung und bürokrati-
schen Vollzug steuern könnte. Das ist der Kardinalfehler
dieser Regierung.

Man darf sich nicht wundern, wenn man die 630-Mark-
Jobs und die Scheinselbstständigkeit so bürokratisiert,
wie es diese Regierung getan hat, dass man Arbeitsplätze
in Deutschland vernichtet und dass nur ein Bereich Kon-
junktur hat, nämlich die Schwarzarbeit. Man darf sich
nicht wundern, wenn man den Abschluss von befristeten
Arbeitsverträgen erschwert, dass die Betriebe nicht
Arbeitsplätze schaffen, sondern in Überstunden auswei-
chen. Die Ursache für die Überstunden haben Sie, Herr
Riester, durch die Bürokratisierung der Arbeitsmarktpoli-
tik geschaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Man darf sich nicht wundern, wenn man in Deutsch-
land einen unbedingten Rechtsanspruch auf Teilzeit
schafft, dass dann niemand mehr in Deutschland Arbeits-
plätze schafft, weil jeder befürchten muss, dass sofort der
Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit realisiert wird.


(Franz Thönnes [SPD]: Das geht doch gar nicht! So ein Quatsch! Schauen Sie doch mal ins Gesetz! – Gegenruf der Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ob jetzt oder nach einem halben Jahr, interessiert auch nicht mehr!)


Sie haben durch den Irrglauben, alles zentralistisch zu
planen und bürokratisch zu vollziehen, eine gigantische
Bürokratie in Deutschland geschaffen. Sie haben durch
Ihre Politik nicht Arbeitsplätze geschaffen, sondern Sie
haben Arbeitsplätze vernichtet. Die Probleme, die uns
jetzt auf dem Arbeitsmarkt beschäftigen, sind eindeutig
auf Politikversagen von Rot-Grün zurückzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Noch keine Regierung hat Gutachter beauftragt – die

sie sich sogar selbst ausgesucht hat, einschließlich der Ge-
werkschaftler –, die ihr ein solches Zeugnis ausgestellt ha-
ben, was die Arbeitsmarktpolitik betrifft. Vor 14 Tagen ist
hier das Job-Aqtiv-Gesetz verabschiedet worden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das war schlimm genug!)


Der Arbeitsminister hat am Rande des SPD-Parteitags er-
klärt, mit dem neuen Job-Aqtiv-Gesetz gebe es seitens der
Bundesregierung nun eine große Kampagne der ganz
schnellen Vermittlung von Arbeitskräften. Solche Äuße-
rungenweckendieHoffnung,mitdieserWunderwaffeJob-
Aqtiv-Gesetzkönneesendlichgelingen,dassdie23000ar-
beitslosen Pflegekräfte in Deutschland in die offenen
Stellen vermittelt werden. Das war die große Hoffnung.


(Klaus Brandner [SPD]: Das sind Seehofers Gute-Nacht-Geschichten! Er sitzt auf der Bettkante und liest seinen Kindern was vor! Denen kann er was erzählen!)


Am gleichen Tag erklärt derselbe Arbeitsminister, er
werde jetzt Arbeitserlaubnisse für Pflegekräfte aus Osteu-
ropa ausstellen, weil die Pflegearbeitsplätze in Deutsch-
land mit den hier lebenden Arbeitslosen nicht zu besetzen
seien. Herr Riester, das ist eine Bankrotterklärung hin-
sichtlich der Wirksamkeit Ihres Job-Aqtiv-Gesetzes.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie glauben selbst nicht an die Wirkung Ihres eigenen Ge-
setzes.

Bei in der Statistik offen ausgewiesenen 4MillionenAr-
beitslosen, bei 1,7 Millionen verdeckten Arbeitslosen, die
an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnehmen, küm-
mern Sie sich nicht darum, dass die hier lebendenArbeits-
losen inArbeit gebracht werden. Sie haben nur Bürokratie
und Paragraphen geschaffen. Deshalb wiederhole ich
heute: Sie haben ein erotisches Verhältnis zu Paragraphen.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Wahrscheinlich nur zu Paragraphen!)


Sie haben aber die Langzeitarbeitslosen völlig aus dem
Blick verloren. In dieser Situation stellt Ihr Bundeskanz-
ler fest, wir bräuchten mehr Innovationen in den Vor-
standsetagen der deutschen Wirtschaft.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, das ist so!)





Horst Seehofer

20211


(C)



(D)



(A)



(B)


Wissen Sie, wo wir mehr Kreativität und Innovationen
brauchen? – In der Chefetage dieser Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie haben in den letzten drei Jahren jede Chance ver-
tan, den verkrusteten deutschen Arbeitsmarkt kreativ zu
reformieren. Nachdem Sie uns jetzt pausenlos hilflose
Fragen stellen, was wir denn tun würden – es ist ein Ar-
mutszeugnis für eine Regierung, wenn jeder Redner der
Regierungskoalition die Opposition fragt, was getan wer-
den soll –,


(Klaus Brandner [SPD]: Das möchten Sie wohl gern! Da täuschen Sie sich!)


antworte ich Ihnen: Sie müssten nur das berücksichtigen,
was wir vorschlagen. Sie haben den ersten Fehler ge-
macht, indem Sie unsere Reformen nach der Regierungs-
übernahme 1998 zurückgenommen haben. Der zweite
Fehler besteht darin, dass Sie unsere Vorschläge, die wir
in den letzten zwei Jahren unterbreiteten, nicht aufgegrif-
fen haben.

Es gab noch keine Opposition, die zur Reform des
deutschen Arbeitsmarktes so konkrete Vorschläge ge-
macht hat, wie sie von CDU/CSU und FDP in den letzten
zwei Jahren vorgelegt wurden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir wiederholen diese Vorschläge heute: Streichen Sie all
die überflüssigen Paragraphen und bauen Sie Bürokratie
ab. Verwirklichen Sie die von uns vorgeschlagenen Maß-
nahmen, um die verkrusteten Strukturen des Arbeits-
marktes aufzulösen.


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Dann hätten wir jetzt 4,8 Millionen Arbeitslose!)


Dazu müssten Sie auch alle von Ihnen getroffenen Maß-
nahmen im Hinblick auf 630-Mark-Jobs und befristete
Arbeitsverträge zurücknehmen.


(Konrad Gilges [SPD]: Quatsch! Die Arbeitslosigkeit ist bei Ihnen gestiegen!)


Wir haben in Deutschland das große Problem, dass
Arbeitsplätze im Niedriglohnbereich nicht besetzt wer-
den. Wir haben Millionen Arbeitsplätze mit einem Entgelt
bis zu 630 DM und verhältnismäßig wenig Arbeitsplätze
mit einem Einkommen zwischen 630 DM und 2 500 DM.
Diese Misere werden wir nur überwinden, wenn wir uns
diesem Niedriglohnbereich und den Langzeitarbeitslosen,
also den Menschen, die länger als ein Jahr ohne Arbeit
sind, zuwenden.

Herr Riester, alle Sachverständigen, alle Wirtschaftsin-
stitute erklären Ihnen genauso wie die Opposition seit
Jahren, dass dies nur mit den so genannten Kombilöhnen
funktioniert. Wenn zu dem erzielten Arbeitseinkommen
ein Zuschuss gewährt wird, wird der Anreiz zur Arbeits-
aufnahme für diejenigen Menschen verstärkt, die in dem
von mir angesprochenen Bereich einen Arbeitsplatz be-
kommen könnten,


(Konrad Gilges [SPD]: Das hätten Sie doch machen können! aber nicht einsehen, eine solche Arbeit anzunehmen, weil die Sozialleistungen etwa in gleicher Höhe gezahlt werden. Wir schlagen vor, dass dieser Zuschuss bis zu 20 Prozent betragen soll. (Peter Dreßen [SPD]: Warum haben Sie es nicht gemacht? Sie hatten doch Zeit dazu!)


Die Kombination aus dem Niedriglohn und dem Zuschuss
des Sozial- oder Arbeitsamtes ergäbe ein gegenüber der
puren Sozialleistung höheres Erwerbseinkommen.


(Peter Dreßen [SPD]: Warum haben Sie das nicht gemacht? Sie hatten 5 Millionen Arbeitslose! Sie! Sie!)


Wie wir von den Sozialämtern wissen, würde es bei
den Kommunen und bei den Arbeitsämtern Geld sparen,
weil es besser ist, statt einer 100-prozentigen Sozial- oder
Arbeitslosenhilfe nur einen Zuschuss von bis zu 20 Pro-
zent zu geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine solche Regelung würde die Menschen auch motivie-
ren, Arbeit aufzunehmen. Das schlagen Ihnen alle Sach-
verständigen vor. Sie wollen diesen Vorschlag aus reiner
Rechthaberei nicht realisieren, obwohl Sie den Bundes-
ländern jetzt ständig anbieten, dafür mehr Geld zur Ver-
fügung zu stellen.

Hören Sie auf mit Ihren Modellen und Versuchen. Die
Arbeitslosen, die heute keine Arbeit haben, und jene, die
um ihren Arbeitsplatz fürchten, haben von diesen Versu-
chen die Schnauze voll. Sie wollen, dass ihnen im Falle
der Arbeitslosigkeit konkret geholfen wird. Das muss jetzt
geschehen.

Dazu gehört auch, Herr Arbeitsminister: Wenn jeman-
dem ein Arbeitsplatz angeboten wird, wenn jemandem
eine Hilfe in Form des Kombilohns gegeben wird, dann
muss im Fall der Ablehnung der Sozialanspruch entfallen.
Menschen, die Angebote und Hilfe bekommen, diese aber
ablehnen, haben keinen Anspruch auf solidarische Hilfe.
Auch das muss realisiert werden.


(Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

Ein ganz schlimmes Kapitel ist die Rente.Wir erleben

hier eine Welturaufführung. Mit großen Hochämtern ist
die Rentenreform verabschiedet worden. Eine Welturauf-
führung ist es insofern, als schon vor ihrem In-Kraft-Tre-
ten alle zugrunde liegenden Prognosen und Daten über-
holt sind. Herr Riester, geben Sie zu: Sie haben im
nächsten Jahr, dem ersten Jahr der Rentenreform, in der
Rentenversicherung ein Finanzloch von 10 Milliar-
den DM. Das liegt daran, dass Sie viel zu optimistische
Wirtschafts- und Einkommensprognosen zugrunde gelegt
haben. 10 Milliarden DM, bevor die Rentenreform über-
haupt in Kraft tritt!


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Jetzt macht er einen Trick – wir kennen das aus dem
Jahr 1998 –,


(Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Von 1995!)





Horst Seehofer
20212


(C)



(D)



(A)



(B)


weil er auf den Wahlmonat sieht.

(Simone Violka [SPD]: Sie müssen das doch wis sen! Wie war das noch mit dem Wahljahr?)

Eigentlich müssten Sie die Beiträge im nächsten Jahr um
0,5 Punkte erhöhen. Man muss das einmal in der Summe
sehen: 0,5 Punkte in der Krankenversicherung und
0,5 Punkte in der Rentenversicherung, das ist ein voller
Beitragspunkt. Sie müssten auch die Beiträge zur Pflege-
versicherung erhöhen, wenn Sie nicht die Rücklagen in
der Pflegeversicherung angegriffen hätten, die wir Ihnen
1998 übergeben haben. Das ist die Situation!


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Sie haben 5 Millionen Arbeitslose übergeben!)


Nun macht man ein wahltaktisches Manöver in der
Frage: Wie kommt man über den September des Jahres
2002, über die Bundestagswahl?


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ja!)

Das macht man dadurch, dass man zunächst einmal in ei-
nen Sparstrumpf, nämlich in die Rücklagen der Renten-
versicherung, greift.


(Simone Violka [SPD]: Seehofers Märchenstunde!)


Schwankungsreserven hatten auch in unserer Regie-
rungszeit immer eine bestimmte Funktion. Sie sind mal
unter- und mal überschritten worden,


(Lachen bei der SPD)

aber immer mit dem Ziel, sie wieder aufzufüllen.


(Peter Dreßen [SPD]: Wir haben sie aufgefüllt, nicht Sie!)


Sie aber senken die Schwankungsreserve jetzt durch Ge-
setz von 100 Prozent auf 80 Prozent. Das ist erstmalig so.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Durch diesen Griff in den Sparstrumpf hat Herr Riester
6 Milliarden DM. Bleiben aber immer noch 4 Milli-
arden DM. Diese 4 Milliarden DM – Frau Schwaetzer, da
haben Sie völlig Recht – retten Sie über die Wahl. Der
Sozialbeirat der Bundesregierung – nicht wir – schreibt in
seinem Gutachten: Eine Nachfinanzierung dieses Defizits
durch höhere Beiträge spätestens 2003 hält der Sozialbei-
rat für unausweichlich.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: So ist das!)

Das heißt, meine Damen und Herren: Sie schwindeln

sich über den September und müssten nach der Bundes-
tagswahl – dazu werden Sie aber keine Gelegenheit mehr
haben – die Beiträge noch einmal erhöhen.

10 Milliarden DM Finanzloch in der Rentenversiche-
rung: Diese Wahrheit verschweigen Sie der Öffentlich-
keit. Sie wiederholen den Rentenbetrug aus dem Jahr
1998. Das ist Ihre Politik, Herr Riester!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Jetzt sage ich Ihnen noch, welchen Betrug Sie schon
hinter sich haben. Sie haben vor der Bundestagswahl ge-
nau wie der Bundeskanzler erklärt, dass Sie die Renten
unangetastet lassen. Sie haben den Rentnern versprochen,
dass sie einen Kaufkraftausgleich bekommen, das heißt
eine Rentenerhöhung, die mindestens die Preissteigerung
in Deutschland ausgleicht.


(Simone Violka [SPD]: Das war mehr, als Sie gemacht haben!)


Auch dieses Versprechen haben Sie gebrochen. In den
letzten zwei Jahren, also heuer und im letzten Jahr, betrug
die Preissteigerungsrate in Deutschland zusammenge-
nommen 4,4 Prozent. Die Anhebung der Renten betrug in
diesen beiden Jahren aber nur insgesamt 2,5 Prozent. Das
heißt: Die Renten haben in Ihrer Regierungszeit an Kauf-
kraft verloren, weil Sie das Versprechen gebrochen haben,
den Rentnern mindestens einen Kaufkraftausgleich zu ge-
währen.

Jetzt lässt sich Herr Riester für eine Selbstverständ-
lichkeit, die es seit 40 Jahren gibt, feiern. Dass am 1. Juli
eines Jahres die Renten steigen, ist in der Bundesrepublik
Deutschland seit 40 Jahren so. Er verschweigt aber, dass
er vorher, ab 1. Januar, durch die Erhöhung der Ökosteuer
die Rentner wiederum abzockt und dass durch die Er-
höhung der Krankenversicherungsbeiträge ein großer Teil
der Rentenerhöhung wieder verloren geht; die Rentner
müssen ja auch ihren Beitrag zur Krankenversicherung
zahlen.

Unter dem Strich werden die Rentner auch im nächs-
ten Jahr unter Walter Riester in der Kombination von
Ökosteuer, Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge
und Inflation wiederum weniger haben. Das ist das Er-
gebnis Ihrer Rentenpolitik!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Riester, Ihre Bilanz ist niederschmetternd.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Ja!)


Was noch schlimmer ist, meine Damen und Herren: Es ist
überhaupt keine Philosophie erkennbar in der Frage, wie
die Regierung aus diesem Dilemma herauskommen
möchte. Es gibt kein Konzept.

Sie haben ein hohes Maß an sozialer Ungerechtigkeit
dadurch geschaffen, dass Sie immer mehr Leute in die Ar-
beitslosigkeit jagen und immer mehr Menschen in die
Angst versetzen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Jeder
vierte Deutsche hat heute Angst um seinen Arbeitsplatz.
Sie haben die Leute durch höhere Steuern, durch höhere
Abgaben und durch eine Verbürokratisierung der 630-
DM-Arbeitsverhältnisse abgezockt. Was die Alterssiche-
rung angeht, so glaubt niemand daran, dass die Renten
kurz-, mittel- oder langfristig sicher sind. Sicher ist nur
die nächste Rentenreform, die notwendig wird, weil Sie
die erste vermurkst haben. Herr Riester, Sie sind ein be-
gnadeter Murkser.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Blanke Demagogie ist das!)





Horst Seehofer

20213


(C)



(D)



(A)



(B)


Nun zu einem weiteren Trugschluss: Nachdem Sie drei
Jahre auf mehr Bürokratie und mehr zentralistische Pla-
nung gesetzt haben, sagen Sie jetzt in allen Interviews,
dass Sie auf den nächsten Aufschwung warten. Nur,
Deutschland wird das, was jetzt durch Untätigkeit ver-
spielt wird, lange nicht mehr aufholen können.

Herr Riester, Sie und Ihre politischen Bataillone haben
vor der Bundestagswahl, in der Zeit, als Sie die Mehrheit
im Bundesrat hatten, wichtige Maßnahmen zum Wohle
Deutschlands blockiert, insbesondere die Steuerreform.


(Konrad Gilges [SPD]: Quatsch! Falsch!)

Zwei Jahre lang haben Sie über Ihre Mehrheit im Bun-
desrat blockiert; seitdem Sie die Mehrheit im Deutschen
Bundestag haben, machen Sie falsche Politik.


(Konrad Gilges [SPD]: Nein!)

Das ist die Bilanz: insgesamt fünf Jahre – zwei Jahre Bun-
desratmehrheit, drei Jahre Regierung – zum Schaden
Deutschlands!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Deshalb, Herr Riester, teile ich die Meinung des Kol-
legen Fuchtel: Wir müssten aus parteipolitischen Gründen
eigentlich ein Interesse daran haben, dass wir Sie bis zum
September behalten. Aber das beste Beschäftigungs-
programm für Deutschland wäre, dieser Arbeitsminister
würde seinen Job verlieren. Verlassen Sie sich darauf,
meine Damen und Herren: In den nächsten Monaten wer-
den wir alles dafür tun, dass Sie Ihren Job verlieren, da-
mit in Deutschland wieder gute Arbeits- und Sozialpolitik
gemacht wird.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420501800
Ich erteile das Wort
Bundesminister Walter Riester.

Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-

(von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Horst
Seehofer, machen Sie sich mal keine Sorgen um meinen
Job. Wenn Sie meinen, mir ein erotisches Verhältnis zu
Paragraphen vorwerfen zu müssen, so haben Sie gerade
dokumentiert, dass Sie ein erotisches Verhältnis zu Kata-
strophenberichten haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein Deutschland, wie Sie es schildern, möchte ich nicht.
Das erinnert mich an Sonthofen. Wir werden einiges dafür
tun, dass Sie dieses Deutschland nicht so herrichten kön-
nen, wie Sie es im Moment schildern. Da können Sie ganz
sicher sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun komme ich zur Wirklichkeit, zu unserer Haus-
haltspolitik, zur Arbeitsmarktpolitik, zur Rentenpolitik,
zur Politik für die Menschen in diesem Lande.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: DGBSchulte spricht von einem Skandal!)


Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und So-
zialordnung, den wir heute besprechen, ist in der Tat der
größte Einzelplan. Damit zeigt diese Regierung auch,
dass ihr Soziales am meisten am Herzen liegt. 180 Milli-
arden DM setzen wir für die großen Bereiche Arbeits-
markt, Politik für behinderte Menschen, Sozialpolitik ein.

Ich werde mit der Situation auf dem Arbeitsmarkt,
der in den Diskussionen der letzten Tage – zu Recht,
denke ich – große Bedeutung beigemessen wurde, begin-
nen. Zunächst wiederhole ich ein Zitat, das gestern Herr
Westerwelle brachte. Er hat den Kanzler an seine Aussage
im „Spiegel“ und an seine Regierungserklärung erinnert,
aus der ich zitiere:

Wir wollen uns jederzeit – nicht erst in vier Jahren –
daran messen lassen, in welchem Maße wir zur Be-
kämpfung der Arbeitslosigkeit beitragen.

Sie kennen mich wahrscheinlich als einen Politiker, der
zu den Worten der Regierung steht; deswegen will ich die
Bilanz ziehen, und zwar nicht nebulös, Herr Niebel,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


sondern auf der Basis von Fakten und Zahlen. Woran las-
sen wir uns messen? Zuerst einmal möchte ich auf Fol-
gendes hinweisen: Wir stehen in Konkurrenz zu einer ab-
gewählten Regierung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Zu einem Abgewählten kann man nicht in Konkurrenz stehen! – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Sie stehen kurz davor, abgewählt zu werden!)


Betrachten wir, wie sich die Arbeitslosigkeit während der
letzten Legislaturperiode, in der Sie regiert haben, ent-
wickelt hat.


(Unruhe bei der CDU/CSU)

– Jetzt wird diese Gruppe nervös. –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie hat sich die Arbeitslosigkeit entwickelt? 1995 gab es
3,6 Millionen Arbeitslose; das entsprach einer Arbeitslo-
senquote von 9,4 Prozent. 1998 – das Jahr, in dem Sie ab-
gewählt worden sind – lag die Zahl der Arbeitslosen im
Jahresdurchschnitt bei 4,3 Millionen; das entspricht einer
Arbeitslosenquote von 11,1 Prozent.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört!)


Das mussten wir übernehmen.

(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Das wolltet ihr! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)





Horst Seehofer
20214


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich wiederhole: Damals gab es 4,3 MillionenArbeitslose.
Nun ziehen wir Bilanz:


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Schreien Sie nicht so!)


– Das hören Sie vielleicht nicht gern, Frau Schwaetzer. –
Heute haben wir 424 000 Arbeitslose weniger. Die Ar-
beitslosenquote ist von 11,1 Prozent – diesen Wert haben
wir übernommen – auf jetzt 9,2 Prozent gesunken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Fälschungen!)


Das sind die ersten Fakten, auf die ich hinweisen möchte.
Nächster Punkt: Beschäftigung. 1994, also zu Beginn

der letzten Legislaturperiode, in der Sie regiert haben, lag
die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
bei 28,2 Millionen. 1998 lag diese Zahl bei 27,2 Milli-
onen. Innerhalb einer Legislaturperiode wurde die Zahl
der Arbeitsverhältnisse also um 1 Million abgebaut.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Hinterlassenschaft haben wir übernommen. Mitt-
lerweile gibt es 660 000 sozialversicherungspflichtige Ar-
beitsverhältnisse – es geht nicht um 630-Mark-Jobs –
mehr. Das ist fürwahr eine Bilanz, mit der wir bei der
nächsten Wahl antreten können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Statistikfälschung! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


Jetzt gehe ich auf den Zwischenruf „Schönung“ ein.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Fälschung!)


Dass Sie seinerzeit überhaupt etwas zustande gebracht ha-
ben, war eine Fälschung. Das war darauf zurückzuführen,
dass Sie den öffentlich geförderten Arbeitsmarkt im
Jahr 1998 über die Finanzierung von ABM durch Milliar-
denbeträge aufgebläht haben. Die ganze Republik hat von
„Wahlkampf-ABM“ gesprochen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben es in einem Jahr geschafft – mehr haben Sie
nicht zustande gebracht –, den öffentlich geförderten Ar-
beitsmarkt auf 520 000 Stellen aufzublähen.


(Zuruf der Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP])


– Das geschah mit Ihrer Hilfe, Frau Schwaetzer. Die FDP
hat dazu die Hand gereicht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn die Zahl derartiger Stellen jetzt noch genauso hoch
wäre, dann läge die Anzahl der registrierten Arbeitslosen
schon jetzt bei unter 3,5 Millionen.


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Das ist die Wahrheit.

(Widerspruch des Abg. Horst Seehofer [CDU/CSU])

– Ja, da dreht sich dem Horst Seehofer der Magen um. Da
bekommt er einen roten Kopf.


(Lachen und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zur Bilanz Ihrer Politik gehört natürlich auch die Frage
der Finanzierung. Wir sind in einer Haushaltsdebatte. Sie
konnten diesen Schwindel nur finanzieren, weil Sie in den
letzten vier Jahren Ihrer Regierungszeit den Bundeszu-
schuss für die Bundesanstalt für Arbeit auf, wenn man es
addiert, 38 Milliarden DM angehoben haben, und zwar
trotz einer starken, von den USA gestützten Konjunktur.


(Peter Dreßen [SPD]: Sehr wahr!)

Man bedenke, dass Sie Milliardenbeträge in den Aufbau
Ost gesteckt und riesige Schulden gemacht haben.

Wir haben in vier Jahren – 1999 bis 2002 – den Bun-
deszuschuss auf insgesamt 16 Milliarden DM begrenzen
können. Zu unserer positiven Bilanz gehört also, dass wir
den Bundeszuschuss um insgesamt 22 Milliarden DM re-
duziert haben. Das ist wahre Haushaltspolitik!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie sind ein Märchenonkel!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420501900
Kollege Riester, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Grehn von
der PDS-Fraktion?

Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Entschuldigung, nein. Ich möchte jetzt im
Zusammenhang vortragen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich komme nun auf das zu sprechen, was wir für dieje-

nigen Menschen tun, die allein aufgrund von Wirtschafts-
wachstum noch lange keinen Arbeitsplatz bekommen:


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Von Rezession erst recht nicht!)


Jugendliche zum Beispiel, die keinen Hauptschulab-
schluss haben und die vielleicht ein- oder zweimal ver-
geblich versucht haben, eine Lehrstelle zu bekommen.
Um diese Jugendlichen haben wir uns gekümmert. Frau
Schwaetzer, ich komme nun auf Zahlen – dafür interes-
sieren Sie sich ja – und auf das JUMP-Programm zu spre-
chen. Wir haben über dieses Programm in zweieinhalb
Jahren 335 000 Jugendliche erreicht. 250 000 davon sind
zwischenzeitlich in Ausbildung, in Weiterbildung oder im
ersten Arbeitsmarkt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Schwaetzer, Sie haben hier die Zahl ins Spiel ge-

bracht, dass davon lediglich 1 000 im ersten Arbeitsmarkt
seien, und sich dabei verlogenerweise noch auf das Ar-
beitsministerium berufen. Nun will ich Ihnen die Zahlen




Bundesminister Walter Riester

20215


(C)



(D)



(A)



(B)


nennen: Allein in diesem Jahr haben wir 92 840 Teilneh-
mer am JUMP-Programm. Nun die genaue Aufschlüsse-
lung: 33 526 haben mithilfe von Lohnkostenzuschüssen
eine Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt allein in die-
sem Jahr erhalten, 38 500 sind in Ausbildungs- und Quali-
fizierungsmaßnahmen und 20 400, also das kleinere Drit-
tel, ist in Qualifizierungs-ABM, um den Sprung in den
ersten Arbeitsmarkt schaffen zu können. Das ist JUMP.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun zu einer weiteren Gruppe von Menschen, die un-
serer Unterstützung bedürfen: Langzeitarbeitslose. Bi-
lanz: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist in den letzten
zweieinhalb Jahren um 300 000 gesunken.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Altersteilzeit! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Wer weiß, wie schwierig es ist, Menschen, die über
12 Monate arbeitslos sind, in eine Beschäftigung zu ver-
mitteln, kann die Leistung, die dahinter steht, einschätzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eine weitere Gruppe, die allein durch Wachstum nicht
in Arbeit kommt: Schwerbehinderte. Mit unserem Gesetz
zum Abbau der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter haben
wir die klare Zielmarke verbunden, die unerträglich hohe
Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter, die wir von Ihnen
übernommen haben – insgesamt 194 400 schwerbehin-
derte Menschen waren nämlich 1998 arbeitslos –, um
50 000 abzusenken. Die Zwischenbilanz lautet, dass die
Zahl dieser Arbeitslosen auf 163 900, das heißt um
30 500, abgesenkt werden konnte.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dafür gilt unser Dank all den Betrieben, die sich hier ak-
tiv einbringen. Der Dank gilt aber auch all denen in den
Arbeitsämtern, die zusätzliche Stunden leisten und sich
der Sache verschreiben. Das sind die eigentlichen
Leistungsträger. Bei denen können wir uns bedanken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es geht weiter: Mit dem Job-Aqtiv-Gesetz – ja, da ha-
ben Sie völlig Recht – legen wir ab dem 1. Januar die bis-
her größte Vermittlungsoffensive auf.


(Doris Barnett [SPD]: Ab dem 1. Januar!)

Im Moment werden die Leute geschult, die als Vermittler
eingesetzt werden; es handelt sich dabei um 2 000 zusätz-
liche Vermittler in den Arbeitsämtern und außerhalb der
Arbeitsämter wird noch einmal die Kapazität von 1 000
Vermittlern eingesetzt.

Nun war die Frage der PDS, wohin denn die Menschen
vermittelt werden sollten. Die Arbeitsämter haben in die-
sem Jahr insgesamt 3,3 Millionen Menschen vermittelt.
Wir haben im Moment noch 440 000 offene Stellen.


(Dirk Niebel [FDP]: Das war doch bei uns genauso! – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch normal!)


Die Wirtschaft erklärt – ob das stimmt, weiß ich nicht –,
1,5 Millionen Stellen seien offen. Ich kann dazu nur sa-
gen: Es ist die Pflicht der Wirtschaft, diese auch den Ar-
beitsämtern zu benennen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eine Vermittlungsoffensive wird nämlich nur dort greifen,
wo offene Arbeitsplätze auch gemeldet werden. Das ist al-
lerdings die Bringeschuld der Wirtschaft.


(Dr. Klaus Grehn [PDS]: So einfach geht es auch nicht!)


Wir werden neben der Vermittlungsoffensive eine
Qualifizierungsoffensive starten. Die ist notwendig, da-
mit ältere Menschen ihre Arbeitsplätze behalten. Das
nämlich ist der zweite große Punkt des Job-Aqtiv-Geset-
zes: Wir bieten Qualifizierungsmaßnahmen für über
50-Jährige in Betrieben mit bis zu 100 Beschäftigten an.
Sie bekommen dafür auch finanzielle Unterstützung von
der Bundesanstalt für Arbeit. Das ist Mittelstandsförde-
rung in der Arbeitsmarktpolitik. Wir schwätzen nicht nur
darüber, sondern machen konkret etwas.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Verdammt wenig dabei herausgekommen!)


– Das war ein schöner Zwischenruf der Frau Schwaetzer.
Sie sagt, das alles sei ihr noch zu wenig. Sie hat vorhin ge-
sagt: „Und das bisschen nennen Sie Reform?“


(Zuruf von der CDU/CSU: Dabei ist nichts herausgekommen!)


Wie Sie das nennen, Frau Schwaetzer, ist mir ziemlich
egal. Ich will Ihnen aber sagen, wie das Volk Ihre Politik
1997 genannt hat. Das Wort des Jahres 1997 war „Re-
formstau“.


(Beifall bei der SPD)

So hat das Volk Ihre Politik genannt. Dafür sind Sie abge-
wählt worden.


(Dr. Theodor Waigel [CDU/CSU]: Sie sind der personifizierte Stau! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Sie haben ihn ja nicht aufgelöst!)


Dafür, meine Damen und Herren, dass Sie sich erneut
gegen die Steuerreform, gegen die Rentenreform und ge-
gen die Arbeitsmarktreform stellen, werden Sie nicht
mehr wiedergewählt;


(Beifall bei der SPD)

denn die Menschen wollen Reformen. Sie wollen keine
Opposition, die nur dasitzt und schreit, aber nichts tut.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Sie sollten Ihre Mitarbeiter mal sehen!)


Herr Seehofer, angesichts der wirklich katastrophalen
Bilanz, die Sie abgeliefert haben, werden Sie sicherlich
verstehen, dass wir Ihre Vorschläge nicht gerne auf-
nehmen.


(Beifall bei der SPD)





Bundesminister Walter Riester
20216


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich komme nun zum zweiten wichtigen Politikbereich,
und zwar zur Politik für behinderte Menschen. Ich habe
das Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwer-
behinderter angeführt. Ich bedanke mich nochmals für
das, was wir damit für die Integration Schwerbe-
hinderter geschafft haben. Insgesamt konnten rund
110 000 Schwerbehinderte in dieser kurzen Zeit vermit-
telt werden.


(Beifall bei der SPD)

Den großen Bereich der Rehabilitationsmaßnahmen

haben wir über das Sozialgesetzbuch IX für behinderte
Menschen so servicefreundlich geregelt, dass sich der be-
hinderte Mensch nicht mehr wie früher herumstreiten
muss, wer seine Maßnahmen bezahlt, sondern dass die
Maßnahme für ihn konkret organisiert wird. Das ist wahre
Unterstützung für behinderte Menschen. Das Gleichstel-
lungsgesetz, das wir eingebracht haben, wird der dritte
große Wurf einer umfassenden Politik für Menschen mit
Behinderungen.


(Beifall bei der SPD)

Damit, meine Damen und Herren, komme ich zur drit-

ten großen Säule, und zwar zur Rentenversicherung. Ich
erinnere mich noch daran, welche Vorwürfe erhoben wur-
den, als wir für das zusätzliche Element, die Kapital-
deckung, Mindestvoraussetzungen in das Gesetz schrie-
ben. Jetzt schreit die ganze Truppe: Welche Vorkehrungen
habt ihr denn für den Fall getroffen, dass die Versiche-
rungsunternehmen kommen? Genau deswegen haben wir
die Mindestvoraussetzungen festgeschrieben und im Ge-
setz festgelegt, dass jedem mindestens seine Einzahlung
gesichert bleibt und dass jeder anschließend eine monat-
liche Zusatzrente bekommt.

Die Dynamik, die sich jetzt am Markt entwickelt, stellt
sich wie folgt dar: Zwischenzeitlich sind mehr als 70 Ta-
rifverträge für mehr als 10 Millionen Menschen abge-
schlossen, die dieses Element aufnehmen. Wir werden
eine Renaissance der betrieblichen Altersvorsorge erle-
ben, wie es sie noch nie gegeben hat. Betriebliche Alters-
vorsorge war in den 16 Jahren Ihrer Arbeit ein Auslauf-
modell. Jetzt wird nicht nur in Großbetrieben, sondern
auch in Tausenden von Kleinbetrieben die Einrichtung be-
trieblicher Altersvorsorge erfolgen. Wäre man das, was
wir gemacht haben, vor 15 Jahren angegangen, dann wür-
den die Leute ganz anders dastehen, weil sie schon heute
zusätzlich zu ihrer Sozialversicherungsrente eine zweite
Säule hätten.


(Beifall bei der SPD)

Nun komme ich zur Rentenanpassung, zu der Herr

Seehofer Rechnungen angestellt hat, die bloß amüsieren.

(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Aber sie stimmen!)

– Herr Seehofer, gehen wir doch einmal die Zahlenreihen
durch und schauen uns die Rentenanhebungen der letzten
vier Jahre, in denen Sie regiert haben, an: 1995 waren es
0,5 Prozent, 1996 0,9 Prozent, 1997 1,6 Prozent und
1998 0,4 Prozent.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sagen Sie mal etwas zur Inflation!)


Addiert ist das eine Rentenanhebung von rund 3,5 Pro-
zent in vier Jahren. Nun schauen wir uns an, was Sie kri-
tisiert haben: 1999 waren es 1,3 Prozent, 2000 0,6 Pro-
zent, 2001 1,9 und 2002 höchstwahrscheinlich rund
2 Prozent. Addiert sind das 5,8 Prozent. Herr Seehofer,
jetzt müssen Sie einem Rentner einmal klarmachen, dass
die 5,85 Prozent, um die wir die Renten erhöht haben,
weniger sind als die rund 3,5 Prozent, um die Sie die Ren-
ten erhöht haben.

Nun hat uns Herr Seehofer weismachen wollen, die
Sozialversicherungsabgaben seien aufgebläht wie nie zu-
vor. Übernommen haben wir von diesen feinen Herren
Sozialversicherungsbeiträge von – das möchte ich beto-
nen – 42,1 Prozent. Nun bezeichnet Herr Seehofer die von
uns erreichten 41 Prozent als aufgebläht wie nie zuvor.
Herrlich!


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Plus 35 Milliarden! Sie machen die Trickserei zur Kultur!)


Nun komme ich zu dem wichtigen Punkt der Schwan-
kungsreserve. Herr Westerwelle hat uns da gestern die
nassforschen Sätze gesagt – ich zitiere ihn –:

Ich stelle mir einmal vor, die alte Regierung wäre an
die Schwankungsreserve so herangegangen, wie Sie

– also wir –
das jetzt tun. Das hätte zu einem Aufstand auf der lin-
ken Seite dieses Hauses geführt, aber davon wollen
Sie auch nichts mehr wissen.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das stimmt doch so!)

Sie irren sich; wir wollen davon sehr wohl etwas wis-

sen.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ihr habt uns den Ruin vorgeworfen und jetzt macht ihr es selber!)


Deswegen sage ich Ihnen jetzt, wie es mit der Schwan-
kungsreserve war: 1996 haben in der Schwankungs-
reserve 9,5Milliarden DM gefehlt, 1997 ebenso und 1998
8,4 Milliarden DM.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das ist doch wieder aufgefüllt worden!)


Das bedeutet: Über drei Jahre hinweg haben Sie das Volk
belogen. Das hätte ich Ihnen nicht durchgehen lassen,
wenn ich zu dieser Zeit schon hier gesessen wäre.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Rentenversicherungsbeitrag war künstlich um
0,5 Prozentpunkte heruntergerechnet worden. Ihre Politik
war: tricksen und täuschen, tricksen und täuschen und
noch einmal tricksen und täuschen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Wir haben nie getrickst!)


Das gibt es bei uns nicht! Wir wollen klare Verhältnisse.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)





Bundesminister Walter Riester

20217


(C)



(D)



(A)



(B)


In Abstimmung mit den Rentenversicherungsträgern
werden wir die Schwankungsreserve auf das 0,8-fache ei-
ner Monatsausgabe der Rentenversicherung einpendeln.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Mein Gott Walter!)


Nicht Sie haben die Schwankungsreserve aufgefüllt, son-
dern wir.


(Dirk Niebel [FDP]: Die Menschen in diesem Lande haben das gemacht!)


Wir haben die Rücklagen im Jahre 2000 um 10 Milli-
arden DM und in diesem Jahr um 9 Milliarden DM auf-
gefüllt.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie haben es verschustert! Sie haben ein Rentenloch! Sie haben ein Finanzierungsloch!)


– Herr Seehofer, darauf gehe ich gerne ein: Die Rückla-
gen liegen jetzt 9MilliardenDM höher als die, die wir von
Ihnen übernommen haben. Selbst im nächsten Jahr wer-
den wir bzw. die Rentner 6,7 Milliarden DM mehr haben,
als wir von Ihnen übernommen haben. Darüber bin ich
froh.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Die Ausgaben sind deutlich gestiegen!)


Wir machen eine Politik der Solidität und legen einen
soliden Haushalt vor. Dadurch wird endlich aufgezeigt,
dass diejenigen, die uns jetzt ein katastrophales Bild un-
terstellen,


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist auch katastrophal! – Dirk Niebel [FDP]: Zum Beispiel der Sachverständigenrat!)


eine Katastrophe hinterlassen haben, und wie die Al-
ternative einer ehrlichen Politik ausschaut.

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420502000
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich dem Kollegen Klaus Grehn, PDS-Frak-
tion, das Wort.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1420502100
Herr Bundesarbeitsminister,
ich gestatte mir eine Vorbemerkung: Nach meiner Auffas-
sung ist es unangemessen und nicht Aufgabe eines Minis-
ters, eine vor drei Jahren abgewählte Regierung zu
kritisieren, statt auf den Haushalt des Jahres 2002 näher
einzugehen.


(Beifall bei der PDS und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Situation ist ernst genug. Das zu erwartende Ergebnis
wird zeigen, dass man sich darauf konzentrieren muss,
darzustellen, was zu tun ist.

Herr Bundesarbeitsminister, meine konkrete Frage: Sie
haben die Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit um

4 Milliarden DM aufgestockt. Das entspricht nach Aus-
kunft der Bundesanstalt für Arbeit der Höhe der Mittel,
die für das Arbeitslosengeld und die Arbeitslosenhilfe der
neu hinzukommenden 400 000 Arbeitslosen aufgebracht
werden müssen; für 100 000 Arbeitslose müssen nämlich
1Milliarde DM angesetzt werden. Sie haben also für diese
zusätzlichen 400 000 Arbeitslosen – wahrscheinlich wer-
den es mehr werden; das ist jetzt schon abzusehen – nicht
eine müde Mark für den Bereich der Arbeitsförderung –
ich nenne das Job-Aqtiv-Gesetz und die Eingliederungs-
pläne – übrig. Es gibt zwar eine Aufstockung der Stellen
bei der Bundesanstalt für Arbeit aufgrund des Job-Aqtiv-
Gesetzes. Dabei sind die 400 000 zusätzlichen Arbeits-
losen aber nicht berücksichtigt.

Ich frage Sie deshalb: Können Sie erklären, wie diese
Maßnahmen angesichts von 400 000 weiteren Arbeits-
losen – wahrscheinlich werden es mehr sein – finanziert
werden sollen?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420502200
Herr Minister, Sie ha-
ben Gelegenheit zur Antwort.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Aber diesmal ehrlich!)


Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Herr Grehn, zunächst eine kurze Bemer-
kung. Sie müssen schon mir überlassen, ob ich den Maß-
stab für den Erfolg meiner Politik auch an die Politik der
alten Bundesregierung anlege, die versagt hat und deshalb
abgewählt wurde.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das habe ich in meiner Rede zum Haushalt getan. Ich
habe in diesem Zusammenhang aufgezeigt, was wir ma-
chen und was wir in Zukunft machen werden.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Nein!)

Nun komme ich zu Ihrer Frage. Der Bundeszuschuss in

Höhe von 4 Milliarden DM, 2 Milliarden Euro, ist erfor-
derlich geworden, weil wir Mehrausgaben für die zu er-
wartenden zusätzlichen Arbeitslosen haben, was vor ei-
nem Jahr noch nicht unterstellt werden konnte.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aha!)

Die Maßnahmen für die aktive Arbeitsmarktpolitik sind
nicht eingeschränkt worden.

Man muss sehen, dass wir das Volumen der Maßnah-
men konstant lassen, obwohl wir schon in einem ganz er-
heblichenMaße die Reduzierung derArbeitslosigkeit, wie
ich aufgezeigt habe, realisiert haben. Der Mitteleinsatz,
den wir erbringen, ist also deutlich gesteigert worden.


(Beifall bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420502300
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Dirk Niebel, FDP-Fraktion.


Dr. h.c. Dirk Niebel (FDP):
Rede ID: ID1420502400
Herr Präsident! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Lieber Herr Bundesarbeitsmi-




Bundesminister Walter Riester
20218


(C)



(D)



(A)



(B)


nister, mit Tricksereien und Taschenspielertricks werden
Sie nicht davon ablenken können, dass Sie es vermurkst
und verriestert haben und dass Sie im Endeffekt Ihre ge-
samten Wahlversprechen nicht erreicht haben. Sie haben
im Bereich der Arbeitsmarktpolitik komplett versagt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Seit Beginn dieser Legislaturperiode erzählen Sie im-

mer nur, was für eine schlimme Erbschaft Sie übernom-
men haben. Es hat Sie keiner gezwungen, diese Erbschaft
anzutreten. Sie haben das gewollt. Nun klagen Sie auf ho-
hem Niveau. Sie regieren aber seit über drei Jahren und
müssen sich an Ihren Taten messen lassen, die Sie in Ih-
rer Regierungszeit nicht zustande gebracht haben.

Sie haben von Anfang an gesagt, das wichtigste Ziel sei
der Abbau der Arbeitslosigkeit. Ich komme nachher noch
auf den Bundeskanzler und sein Interview im „Spiegel“
seinerzeit zurück. Ihre gesamten Gesetzgebungsverfahren
haben nicht dazu beigetragen, Arbeitsplätze zu schaffen
und Arbeitslosigkeit abzubauen. Sie haben hier zwar eine
tolle Statistik vorgetragen. Aber Sie haben vergessen, dass
wir im Saldo 675 000 Abgänge aufgrund der demogra-
phischen Entwicklung hatten.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: So ist es!)

Jedes Jahr verlassen mehr Menschen den Arbeitsmarkt,
als neu hinzukommen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: So ist es!)

Das verkaufen Sie uns hier als Ihren Erfolg.

Herr Bundesarbeitsminister Riester, Sie haben nicht
berücksichtigt, dass Sie weit über zwei Jahre eine hervor-
ragend brummende Konjunktur gehabt haben,


(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Die haben sie von uns geerbt!)


die darüber hinweg getäuscht hat, dass Sie in der Arbeits-
marktpolitik kläglich versagt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag hat

am Anfang der Woche zu dem von Ihnen viel gepriesenen
Teilzeitpflichtgesetz eine Umfrage veröffentlicht, wonach
250 000 Arbeitsplätze nicht geschaffen worden sind. Die-
ses Gesetz führt dazu, dass vor allem wieder Frauen dis-
kriminiert werden;


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: So ist es!)

denn 87 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten sind nun ein-
mal Frauen.


(Beifall bei der FDP)

Wenn jemand, der einen Arbeitsplatz anzubieten hat,

Gefahr läuft, dass ein potenzieller neuer Arbeitnehmer
oder neue Arbeitnehmerin nach sechs Monaten Vollzeit-
arbeit einen Teilzeitarbeitsplatz gesetzlich durchsetzen
und vor Gericht einklagen kann, dann überlegt man sich
doch zweimal – gerade weil es in vielen Bereichen einen
Fachkräfte- und Arbeitskräftemangel gibt –, ob man diese
Arbeitnehmer einstellt.


(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Claudia Nolte [CDU/CSU])


Dieses vielleicht gut gemeinte Gesetz zum Schutz von
Frauen richtet sich also vor allem wieder gegen diejeni-
gen, die Sie eigentlich schützen wollen. Das zieht sich wie
ein roter Faden durch Ihre gesamten Schutzgesetze.

Sie haben es nicht geschafft, die Sozialversicherungs-
beiträge deutlich zu senken. Wir werden im nächsten Jahr
wieder über 41 Prozent liegen. Sie haben auch bei diesem
Wahlversprechen kläglich versagt. Das liegt unter ande-
rem daran, dass Sie die Arbeitslosenversicherung immer
wieder mit gesamtgesellschaftlichen Aufgaben belastet
haben.


(Zuruf der Abg. Dr. Konstanze Wegner [SPD])

Das so genannte JUMP-Programm, von dem Sie er-

zählen, dass es der große Renner sei, hat gemäß Ihrem
wissenschaftlichen Begleitbericht nur 1 000 Menschen
in den ersten Arbeitsmarkt gebracht. Die Zahlen, die Sie
hier angeführt haben, sind kurzfristige Maßnahmen von
bis zu einem Jahr, die nicht dauerhaft in den ersten Ar-
beitsmarkt integrieren. Das ist eine Monstranz, die Sie vor
sich hertragen!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ihr Sachverständigenrat hat Ihnen vorgeworfen, dass

ohne weitere Reform und Flexibilisierung auf dem Ar-
beitsmarkt kein positives Ergebnis erzielt werden kann.
Sie haben alles getan, um nicht zu flexibilisieren. Sie ha-
ben alles getan, um weitere bürokratische Hemmnisse
aufzubauen. Das ist die funktionärische Mitbestimmung,
die nicht dazu führt, dass die Betriebe tatsächlich in die
Lage versetzt werden, ihre Mitarbeiter zu beteiligen, son-
dern nur dazu, dass die Wahlkampfunterstützung des
Deutschen Gewerkschaftsbundes von 50 Millionen DM
zurückgezahlt wird.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Pfui!)


Sie haben mit der so genannten Greencard eine Sai-
sonarbeiterlösung für Menschen geschaffen, die nicht
Spargel stechen müssen. Diese Patchworkpolitik setzen
Sie jetzt mit der von Ihnen angekündigten Greencard für
Pflegekräfte fort. Es ist natürlich bemerkenswert, dass wir
diese Stellen bei 22 000 arbeitslos gemeldeten Pflege-
kräften nicht besetzen können. Aber besonders bemer-
kenswert ist ein ganz anderer Umstand, Herr Riester: Sie
wollen mit Touristenvisum eingereiste Menschen, die il-
legal beschäftigt sind, legalisieren; aber diejenigen, die
legal in diesem Land sind, die sich hier aufhalten dürfen,
die Sozialleistungen beziehen müssen, weil sie nicht ar-
beiten dürfen, wollen Sie nicht legalisieren. Das müssen
Sie erst einmal jemandem erklären.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir haben – damit komme ich auch noch zu den Grü-

nen, die wahrscheinlich ihre letzte Haushaltsberatung als
Regierungsfraktion hier erleben – im Bereich des Nied-
riglohnsektors und bei den Kombilöhnen keine Fort-
schritte erzielt.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben keine erzielt! Das ist richtig! Was haben Sie denn gemacht?)





Dirk Niebel

20219


(C)



(D)



(A)



(B)


Nur, weil Ihr Bundesvorsitzender jetzt durch die Gegend
läuft und das Einstiegsgeld fordert, heißt das noch lange
nicht, dass Sie in diesem Bereich irgendetwas Konstruk-
tives getan hätten.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Hätten Sie das gewollt, dann hätte er, als er noch im Land-
tag von Baden-Württemberg saß, die Einführung des Ein-
stiegsgeldes dort unterstützen können. Jetzt läuft er durch
seinen neuen Wahlkreis – zu dem er nur den Bezug hat,
dass seine Frau in Heidelberg studiert hat – und weiß noch
nicht einmal, dass das Einstiegsgeld von Baden-Würt-
temberg in diesem Wahlkreis bereits seit über einem Jahr
erfolgreich erprobt wird, eingeführt von der CDU/FDP-
Regierung in Baden-Württemberg, ein erfolgreiches Kon-
zept, durch das Menschen aus der Transferleistung in den
Arbeitsmarkt geführt werden und mit der Kombination
von Arbeitseinkommen und eingesparter Sozialversi-
cherungsleistung ein existenzsicherndes Einkommen er-
reichen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ein sehr gutes Konzept!)


Insgesamt muss man angesichts der Bilanz feststellen
– diese letzte Haushaltsberatung ist sozusagen die Bilanz
Ihrer Regierungszeit –, dass Sie das Hauptziel Ihrer Re-
gierung nicht erreicht haben – auch wenn Sie immer so
tun, als wenn Sie gar nicht in der Lage wären zu ent-
scheiden. Sie hätten regieren können, Sie hätten handeln
können und Sie hätten tatsächlich etwas bewegen können,
wenn Sie den Mumm dazu gehabt und sich nicht auf die
alte Linke verlassen hätten, sondern tatsächlich Politik für
die Neue Mitte gemacht hätten.

Der Bundeskanzler hat am 21. September 1998 im
„Spiegel“-Interview gesagt – damit komme ich zum
Schluss –: Wenn wir es nicht schaffen, die Arbeitslosen-
zahlen signifikant zu senken, dann haben wir es nicht ver-
dient, wiedergewählt zu werden, und dann werden wir
auch nicht wiedergewählt werden. – Ich muss Ihnen sa-
gen: Recht hat er, der Bundeskanzler!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420502500
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Katrin Göring-Eckardt
von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gen! Herr Niebel, dann machen wir das doch einmal, dann
lassen wir uns doch einmal an den Taten messen und zie-
hen eine Bilanz bzw. schauen uns an, was der Sachver-
ständigenrat als Zwischenbilanz dieser Regierung gezo-
gen hat.

Der Sachverständigenrat hat zu Recht gesagt, das
drängendste Problem sei die Situation auf dem Arbeits-
markt und hierfür müssten vernünftige Rahmenbedin-
gungen geschaffen werden.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ja!)


Das sieht diese Regierung genauso.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Dann tut was! Aber ihr habt ja nicht den Mut!)

Der Sachverständigenrat nennt dafür Bedingungen. Er
sagt, dass das Abschneiden im Standortwettbewerb im in-
ternationalen Vergleich für Deutschland das Entschei-
dende sei.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Tut was!)

Weiter kann man im Gutachten des Sachverständigen-

rates lesen: Die Weichenstellungen dieser Regierung im
Bereich Steuerreform und im Bereich Rentenreform sind
zukunftsweisend. – Auch das müssen Sie bitte zur Kennt-
nis nehmen, wenn Sie sich hier auf solche unabhängigen
Gutachten berufen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Es war zu wenig!)


Der entscheidende Punkt in dieser Frage ist und bleibt
die Beitragssatzentwicklung und die Frage der Lohnne-
benkosten. Da sind wir wahrscheinlich nach wie vor ei-
nig. Ich höre von Ihnen seit Jahren – seit wir an der Re-
gierung sind – nur eines: Es ist zu wenig. Sie machen
keine eigenen Vorschläge.


(Dirk Niebel [FDP]: Das stimmt doch gar nicht!)


Während Ihrer Regierungszeit habe ich aber nur eines er-
lebt:


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Sie lesen unsere Anträge nicht!)


Sie haben darüber geredet und die Beiträge sind immer
weiter gestiegen. Hier hat die Regierung einen Kurs-
wechsel vorgenommen. Das haben Sie zur Kenntnis zu
nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn wir uns das Gutachten des Sachverständigenrats
noch einmal genauer anschauen, dann sehen wir, dass er
die Steuer- und Rentenreform als „effizienzsteigernd“
und „zukunftsweisend“ für den Produktionsstandort
Deutschland bezeichnet. Es geht um eine nachhaltige
Unterstützung des Arbeitsmarktes durch die Senkung der
Lohnnebenkosten. Das ist die Antwort der Bundesregie-
rung auf das, was in dieser Situation konjunkturell not-
wendig ist.

Der Sachverständigenrat hat zu Recht gesagt, dass
kurzfristige Maßnahmen es nicht bringen werden.
Durch sie können keine weiteren Reformen eingeläutet
werden. Es ist richtig, dass die Bundesregierung nichts
anderes machen kann, als im Bereich des Arbeits-
markts Rahmenbedingungen zu setzen. Für die Schaf-
fung von Arbeitsplätzen muss nach wie vor die Wirt-
schaft sorgen.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ja, die haben Sie aber abgemurkst!)


Die Bundesregierung ist nicht für Wunder zuständig;
Walter Riester ist nicht Jesus Christus. Auch wenn Sie hier




Dirk Niebel
20220


(C)



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(A)



(B)


vom Weihnachtsmann reden, müssen Sie das zur Kennt-
nis nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es ist deshalb richtig, dass wir mit dem Angreifen der
Schwankungsreserve deutlich gemacht haben, dass die
Senkung der Lohnnebenkosten weiterhin ein zentrales
Anliegen der Regierung ist. Es gibt in der Tat einen Un-
terschied zu dem, was Sie vor den letzten Wahlen hier ver-
anstaltet haben. Auch Sie haben gesagt, dass Sie an die
Schwankungsreserve herangehen würden. Der Unter-
schied besteht aber darin, dass wir ohne Trickserei ein
transparentes Gesetz machen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Der Sachverständigenrat sagt, dass ihr das Gesetz nicht machen dürft!)


Wir machen es für alle Menschen in diesem Land durch-
schaubar und wir sichern ab.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie machen ein 10-Milliarden-Loch! – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Es kommt zu einem Vertrauenseinbruch in der Rentenversicherung! Zahlungsunfähigkeit!)


Sie haben Wahl-ABM gemacht und Trickserei betrieben.
Wir stellen die Weichen langfristig.

Deswegen haben wir mit den Rentenversicherungen
und allen Sachverständigen darüber geredet, wie wir eine
tatsächlich seriöse Absenkung der Schwankungsreserve
erreichen können, ohne dass die Rentenversicherung in
Liquiditätsschwierigkeiten kommt,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Waren Sie nicht in der Anhörung? Haben Sie nicht gehört, was die Experten gesagt haben?)


wie dies während Ihrer Regierungverantwortung, Frau
Schwaetzer, tatsächlich geschehen ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Wir haben die Schwankungsreserve schwanken lassen! Sie machen die Rentenversicherung zahlungsunfähig!)


Ich kann Sie gerne daran erinnern: Mit 0,58 Monatsaus-
gaben hat die Schwankungsreserve in den Jahren 1996
und 1997 ihren Tiefstand erreicht. Ich erinnere Sie auch
gerne daran, wie das in den Jahren 1984 und 1985 war.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Sie kommen im nächsten Jahr noch weiter herunter!)


Zu dieser Zeit musste ein Kassenverstärkungskredit auf-
genommen werden, damit die Liquidität gewährleistet
werden konnte. Auch in den Jahren 1996 und 1997 betrug
die Schwankungsreserve nur 60 Prozent; wenn man nur
die liquiden Mittel nimmt, sogar nur 50 Prozent. Das müs-
sen Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Das haben Sie ohne
eine gesetzliche Regelung gemacht. Sie haben auch nicht
deutlich gemacht, wie hier tatsächlich die Liquidität ab-
gesichert werden kann.

Ich glaube, dass wir mit der Rentenreform nicht nur ak-
tuell, sondern – schauen Sie sich die Situation an! – auch
über viele Jahre hinaus deutlich gemacht haben, welch ho-
hen Stellenwert die Lohnnebenkosten für uns, für die
Wirtschaft und für diese Regierung haben. Deswegen ha-
ben wir gesagt, dass die Beitragssatzmarken von 20 Pro-
zent bis zum Jahre 2020 und von 22 Prozent bis zum
Jahre 2030 nicht überschritten werden dürfen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist doch heute schon Makulatur!)


– Nein, es ist heute keine Makulatur. – Wir haben hiermit
deutlich gemacht, wo für uns die Grenze liegt, und wir ha-
ben es gesetzlich festgelegt. Alle Prognosen – auch die
schlechten, die Sie immer anführen – geben uns hierbei
weiterhin Recht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist Quatsch! Sie haben wirklich nicht gelesen!)


Herr Seehofer, in einem gebe ich Ihnen Recht: Das al-
les ist nicht das Ende der Reformen. – Man muss, wenn
man sich anschaut, welches Desaster Sie uns hinterlassen
haben, schon sagen, dass man das alles nicht innerhalb
von drei Jahren reparieren kann. Das werden Sie uns zu-
gestehen. Natürlich sind weitere Reformen notwendig; sie
stehen an. Wir haben gute Grundlagen dafür gelegt und
werden die Reformen fortführen.

Es braucht weitere Reformen im Bereich des Arbeits-
marktes, zum Beispiel zur Flexibilisierung. Herr Niebel
ist jetzt leider nicht mehr da. Der Unterschied zwischen
der Flexibilisierung, die die FDP vorgibt, und der, die
diese Bundesregierung vorsieht, besteht darin, dass Sie
gegen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer flexibili-
sieren wollen, während wir dies für und mit den Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmern wollen. Das ist der
tatsächliche Unterschied.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Sie lernen es nicht mehr!)


Hinzu kommt natürlich, dass wir weitere Reformen im
Bereich der Steuern und der Rente brauchen. Diese Re-
formen werden wir angehen, aber nicht mit dem Gerede,
welches Sie nach Ihrer Regierungszeit von 16 Jahren – in
diesen Jahren haben wir steigende Beiträge, die Wahl-
ABM und das Gequatsche von der sozialen Hängematte
erlebt – immer wiederholen. Wir werden sie für die Men-
schen machen und nicht gegen sie. Das ist der Unter-
schied.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420502600
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Pia Maier von der PDS-
Fraktion das Wort.


Pia Maier (PDS):
Rede ID: ID1420502700
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Im Armuts- und Reichtumsbericht hat




Katrin Göring-Eckardt

20221


(C)



(D)



(A)



(B)


die Bundesregierung festgestellt, dass in Deutschland bis
1998 in fast allen Lebenslagen soziale Ausgrenzung zu-
genommen und Verteilungsgerechtigkeit abgenommen
hat. Wenn Sie daran in den letzten drei Jahren etwas geän-
dert hätten, müsste man das eigentlich an diesem Haushalt
sehen. Die Reden zum Haushalt vonseiten der SPD waren
aber, abgesehen vom Minister, durch die Reden von Haus-
hältern und nicht von Sozialpolitikern und Sozialpolitike-
rinnen bestimmt. Meine These ist: Dieser Haushalt wird
die soziale Schieflage noch verstärken.


(Beifall bei der PDS)

Die meisten Menschen bekommen Sozialhilfe, weil sie

arbeitslos sind und ein zu geringes Einkommen haben.
Aber auch Menschen, die arbeiten, sind in zunehmendem
Maße auf eine ergänzende Sozialhilfe angewiesen, näm-
lich jene, die zu wenig verdienen. Dies ist vor allem im
Osten der Fall, und das trotz Vollzeiterwerbsarbeit. Ihre
Antwort darauf ist nicht etwa ein gesetzlicher Mindest-
lohn. Vor allem die Grünen wollen neue Kombilohnmo-
delle und den Ausbau des Niedriglohnsektors, anstatt Ar-
beit zu schaffen, von der die Menschen leben können.

In Ihren Absichtserklärungen sind die Menschen mit
Behinderungen für Sie immer sehr wichtig. Aber auch sie
sind – das ist im Armutsbericht wissenschaftlich nachge-
wiesen – von Armut betroffen.

Sie haben mehrere Gesetze zur Gleichstellung einge-
bracht, bei denen aber die Finanzierung ebenso wie beim
Job-Aqtiv-Gesetz offen bleibt. Auch beim neuen Gleich-
stellungsgesetz ist die Finanzierung nicht geklärt.

Wer hat dann zum Beispiel die Mehrausgaben für die
Herstellung der Barrierefreiheit zu tragen? Das sind, wie
so oft, die Kommunen. Sie finanzieren die Arbeitslosig-
keit mit, bekommen immer weniger Einnahmen aus der
Gewerbesteuer, werden zuerst ausgeblutet, wenn die
Steuereinnahmen zurückgehen. Trotzdem bemühen sich
wenigstens die Kommunen darum, einer der am meisten
von Armut und Sozialhilfe betroffenen Gruppe zu helfen:
den allein stehenden Frauen mit Kind. Mittlerweile reden
wir schon vom „Armutsrisiko Kind“; das ist doch wirk-
lich ein Armutszeugnis für diese Gesellschaft.


(Beifall bei der PDS)

Frauen mit Kindern bekommen Kindergeld. Für

Sozialhilfeempfängerinnen ist das aber bereits das Pro-
blem. Das Kindergeld wird nämlich als Einkommen ge-
wertet. Von der Kindergelderhöhung, mit der Sie sich so
brüsten, kommt bei diesen Frauen fast nichts an. Für sie
stellt dies keine Veränderung ihrer Einkommenssituation
dar. Es bedeutet nur, dass das Sozialamt jetzt weniger zah-
len muss, weil der Bund einen Teil davon übernimmt. Von
der schönen Kindergelderhöhung sind bei den Sozialhil-
feempfängern und Sozialhilfeempfängerinnen mit Kin-
dern per Ausnahmeregelung gerade einmal 20 DM im
Monat angekommen. Immerhin wird diese Regelung ver-
längert. Damit aber flicken Sie nur an einer ungerechten
Regelung, ohne das System wirklich zu verändern.


(Beifall bei der PDS)

Dabei könnten Sie ein existenzsicherndes Kindergeld

einführen. Sie könnten die steuerlich wirksamen Kinder-

freibeträge abschaffen, die insbesondere denen zugute
kommen, die viel verdienen. Im Gegenzug könnten Sie
das Kindergeld deutlich erhöhen oder eine Grundsiche-
rung für Kinder einführen. Nichts dergleichen ist passiert.


(Beifall bei der PDS)

Sie selbst haben doch einen Weg eingeschlagen, den

Sie nur weitergehen müssten: Die Grundsicherung kann
funktionieren. Bei der Rentenreform haben Sie eine
Grundsicherung beschlossen, die die Rente in Höhe der
Sozialhilfe sichert, und zwar ohne weitere Amtsgänge und
ohne dass die Kinder im Zweifelsfall zahlen müssen.

Die PDS-Fraktion schlägt vor, eine solche Grundsiche-
rung auch in der Arbeitslosenversicherung einzuführen.
Für alle Arbeitslosen soll gelten, dass sie in die Arbeitslo-
senversicherung gehören und ihnen Leistungen in Höhe
der Sozialhilfe zustehen. Welcher Topf angezapft werden
soll, das können die Ämter untereinander klären. Dieser
bescheidene Schritt wäre endlich ein Signal an Arbeitslose
und an arbeitslose Sozialhilfeberechtigte, dass ihre Situa-
tion wirklich grundsätzlich verändert werden soll.


(Beifall bei der PDS)

Armut und Ausgrenzung sind ohne deutliche Korrek-

turen in der Sozial- und Finanzpolitik nicht zu bewältigen.
Sie rühmen sich ja damit, dass Sie auch einen Reichtums-
bericht vorgelegt haben. Wenn Sie daraus nur endlich
einmal Konsequenzen ziehen würden!

Ich möchte nur ein Beispiel nennen: 10 Prozent der
deutschen Haushalte besitzen 42 Prozent des gesamten
Privatvermögens. Durch die Aussetzung der Vermögen-
steuer gehen jährlich 9 Milliarden DM Steuereinnahmen
verloren. Die IG Metall hat jüngst sogar ausgerechnet,
dass es bei einer Vermögensteuer von 1 Prozent zu Mehr-
einnahmen in Höhe von 10 bis 15 Milliarden Euro kom-
men würde. Ohne diese großen Vermögen heranzuziehen,
wird nie genug für eine Verteilungspolitik von oben nach
unten bleiben.

Genauso haben Sie eine Initiative der Länder ausge-
schlagen, die Erbschaftsteuer zu verändern. In den nächs-
ten Jahren werden reichlich große Vermögen vererbt. Sie
könnten die großen Vermögen, insbesondere die großen
Immobilienvermögen, anders besteuern, um dadurch Ein-
nahmen zu erzielen, die Sie dann zur Finanzierung einer
Verteilungspolitik einsetzen könnten. Die Bezieher höhe-
rer Einkommen müssen in die Finanzierung der sozialen
Sicherheit einbezogen werden, sonst werden all Ihre Ren-
ten- und Arbeitslosenversicherungsreformen Stückwerk
bleiben und das System nicht grundlegend verändern.

Sie wollen hier eine Haushaltskonsolidierung auf Kos-
ten der Ärmsten verabschieden. Unsere Unterstützung er-
halten Sie dafür nicht.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420502800
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Renate Jäger von der
SPD-Fraktion das Wort.


Renate Jäger (SPD):
Rede ID: ID1420502900
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Die Vorsitzende der CDU-Partei be-




Pia Maier
20222


(C)



(D)



(A)



(B)


gann ihre Rede gestern im Bundestag mit dem Vorwurf an
die Regierungsseite, keinen einzigen neuen Gedanken zu
haben. Auch Herr Fuchtel hat unentwegt neue Wege ein-
gefordert.

Ich habe mir erlaubt, einmal in dem Diskussionspapier
der CDU von Ende August, das also recht jung ist, mit
dem Titel „Neue Soziale Marktwirtschaft“ nach neuen
Gedanken im sozial- und arbeitsmarktpolitischen Bereich
zu suchen: In dem Abschnitt „Arbeit für alle ermögli-
chen“ kommen solche Vorschläge wie: Der Beschäftigte
muss auf dem Arbeitsmarkt Risiken eingehen. Es sollten
die Zehnstundentagesgrenze der Arbeitszeit abgeschafft
und mehr Öffnungsklauseln durch die Tarifpartner ver-
einbart werden können. Das neue Betriebsverfassungs-
gesetz soll zurückgenommen und quasi ganz außer Kraft
gesetzt werden. Der Kündigungsschutz wird infrage ge-
stellt und befristete Arbeitsverhältnisse sollen bis auf vier
Jahr ausgedehnt werden können.

Dies sind allesamt Vorhaben, von denen nicht eines den
Beweis erbracht hat, dass dadurch mehr Arbeitsplätze ent-
stehen. Und neu sind diese Vorhaben schon gar nicht. Im
Gegenteil: Das ist ein Zeichen für die alte ungerechte De-
regulierungspolitik aus der Zeit vor 1998, die mit uns so
nicht zu machen ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Forderung der CDU in ihrem Papier, Langzeitar-
beitslose und Sozialhilfeempfänger durch Weiterqualifi-
zierung und effektive Vermittlung wieder in den ersten
Arbeitsmarkt einzugliedern, ist richtig, aber neu ist sie
nicht. Wir haben das längst im Job-Aqtiv-Gesetz mit ei-
ner ganzen Reihe von Instrumenten umgesetzt. Ich nenne
nur einige: Jobrotation bei betrieblicher Freistellung für
Weiterbildung, Lohnerstattung für Arbeitgeber, die gering
qualifizierte Arbeitnehmer einstellen und qualifizieren,
Weiterbildung in Teilzeitform, berufliche Weiterbildung
von älteren Arbeitnehmern. Außerdem haben wir das Kin-
derbetreuungsgeld für Erziehende bei Weiterbildungs-
maßnahmen von 250 DM installiert.

Um die Vermittlung effektiver zu gestalten, werden in
den nächsten Jahren 3 000 zusätzliche Vermittler – das
sind 30 Prozent mehr als bisher – ihre Tätigkeit in den Ar-
beitsämtern aufnehmen.


(Beifall bei der SPD)

Diese Vermittler haben die Aufgabe, nicht nur auf die der-
zeit gemeldeten 443 000 Stellen zu vermitteln, sondern
auch die geschätzten 1,5 Millionen offenen Stellen zu er-
schließen und passgenauere Vermittlungen zu ermögli-
chen. Dies haben Sie trotz Ihres eigenen Wunsches poli-
tisch nie möglich gemacht.

Auch die CDU-Forderung, dass sich Arbeitnehmer bei
absehbarer Arbeitslosigkeit sofort zwecks Erarbeitung ei-
nes Hilfskonzeptes an das Arbeitsamt wenden sollen, ist
zwar löblich, aber bereits durch die Eingliederungsver-
einbarung in unserem Gesetz erfüllt, die den Betroffenen
größtmögliche Beschäftigungschancen bietet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Hinsichtlich der Zusammenführung von Arbeitslosen-
hilfe und Sozialhilfe hat die CDU die banalste Idee: Ab-
senkung der Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau.


(Erika Lotz [SPD]: Pfui!)

Ob dies sachgerecht ist, wage ich allerdings zu bezwei-
feln.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer hat denn die Arbeitslosenhilfe abgesenkt?)


Wir jedenfalls werden die begonnenen 29 Modellprojekte
ordnungsgemäß zu Ende führen,


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Oh Gott!)

auswerten und danach eine sachgerechte Lösung erarbei-
ten. Das ist solide Politik.


(Beifall bei der SPD – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Kollektiv im Irrtum!)


Wenn die CDU/CSU Kinder und Behinderte aus der
Sozialhilfe herausführen will, dann kommen Sie auch hier
etwas zu spät; denn die Regierungskoalition ist längst auf
dem Weg dorthin.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Eine Million Kinder in der Sozialhilfe!)


In drei Jahren haben wir das Kindergeld um 80 DM er-
höht, die Freibeträge für Familien heraufgesetzt, die Ein-
kommensteuer gesenkt, das Wohngeld verbessert und die
BAföG-Sätze erhöht. All das entlastet Familien mit Kin-
dern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Trotzdem 1 Million Kinder in der Sozialhilfe!)


Außerdem sollten Sie zur Kenntnis nehmen, dass seit
unserem Regierungsantritt die Zahl der Sozialhilfeemp-
fänger insgesamt deutlich zurückgegangen ist. Im
Jahr 2000 war es bereits ein Rückgang von 8 Prozent. Was
die Behinderten betrifft, so hat unser Gesetz zur Bekämp-
fung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter bereits sol-
che Erfolge gezeigt, dass in zwei bis drei Jahren die Ziel-
größe von 50 000 zusätzlichen schwerbehinderten
Beschäftigten voraussichtlich überschritten werden wird.
All diese Realisierungen Ihrer eigenen Ziele haben Sie im
Bundestag abgelehnt. Das ist symbolhaft für den Zustand
Ihrer Partei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die CDU spricht auch die regional unterschiedlichen
Beschäftigungschancen an. Diese gibt es tatsächlich. Uns
allen bereitet die besonders hohe Arbeitslosigkeit im
Osten große Sorge. Jedoch Vorschläge für Beschäfti-
gungs- und Infrastrukturentwicklung in den neuen Län-
dern sind bei ihr nicht zu finden. Es ist bekannt, dass ein
großer Teil der Arbeitslosigkeit des Ostens auf den Abbau
der Überkapazitäten im Bau sowie im öffentlichen Dienst
zurückzuführen ist. Das eine ist ein Erbe der Kohl-Zeit,
das andere immer noch Erbe aus SED-Zeiten. Trotz die-
ser Erblasten ist es uns gelungen, die Arbeitslosigkeit in




Renate Jäger

20223


(C)



(D)



(A)



(B)


allen neuen Bundesländern seit 1998, wenn auch gering,
zu senken. Zu Ihrer Zeit betrug die Arbeitslosigkeit in al-
len neuen Ländern zwischen 21 und 24 Prozent.


(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Nunmehr beträgt sie in allen neuen Ländern zwischen
15 und maximal 19 Prozent.


(Beifall bei der SPD – Klaus Brandner [SPD]: Das ist eine Erfolgsbilanz!)


Das konnte nur erreicht werden, weil wir die aktive
Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau verstetigt haben


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Aha!)

und weil wir das Sofortprogramm zum Abbau der Ju-
gendarbeitslosigkeit mit 50 Prozent im letzten Jahr finan-
ziert haben und mit über 50 Prozent im kommenden Haus-
halt in den neuen Ländern finanzieren werden. Auch von
dem neuen Instrument der Beschäftigung schaffenden
Infrastrukturförderung werden in Zukunft besonders die
neuen Länder profitieren.

Beschäftigung schaffen wir auch durch solche Förder-
maßnahmen wie das Investitionsprogramm Verkehrsin-
frastruktur mit einem Volumen von 34,9 Milliarden DM,
das Zukunftsinvestitionsprogramm für Schiene und
Straße von 8,7 Milliarden DM, das Wohnungsmoderni-
sierungsprogramm, das Programm „Stadtumbau Ost“, für
das bis 2009 4,3Milliarden DM zur Verfügung stehen, so-
wie die Städtebauförderung mit erhöhtem Budget für den
Osten.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420503000
Frau Kol-
legin Jäger, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin
Dr. Luft von der PDS?


Renate Jäger (SPD):
Rede ID: ID1420503100
Ich möchte gerne meine Rede
zu Ende führen. Ich denke, die Sitzung wird heute lange
genug dauern.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420503200
Dann
kommen Sie bitte zum Ende.


(Beifall bei der PDS – Zustimmung bei der CDU/CSU)



Renate Jäger (SPD):
Rede ID: ID1420503300
Im innovativen Bereich haben
wir das Programm „Innovative regionale Wachstums-
kerne“.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie können den Rest zu Protokoll geben!)


Wir fördern das Programm FUTOUR weiter. Wir haben
das wesentlich umfassendere Inno-Regio-Programm, bei
dem durch neue Verbünde zwischen Forschung, Wirt-
schaft und Verwaltung die Entwicklung marktfähiger Pro-
dukte und Dienstleistungen im Osten gefördert wird. Das
ist ein ganz neues Instrument, von welcher Art ich in
Ihrem Papier nichts gefunden habe.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420503400
Frau Kol-
legin Jäger, kommen Sie bitte zum Schluss.


Renate Jäger (SPD):
Rede ID: ID1420503500
Sie sehen also:

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Es wird jetzt bis zum Ende gelesen!)

In nahezu allen notwendigen Bereichen machen wir Poli-
tik für die neuen Länder: nicht mit Stop-and-go, sondern
stetig, solide und zuverlässig.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420503600
Zu einer
Kurzintervention erteile ich der Kollegin Dr. Christa Luft
von der PDS-Fraktion das Wort.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1420503700
Ich bitte um Entschuldigung.
Ich hätte mich ja auf eine kurze Frage beschränkt. Dann
wäre alles viel fixer gegangen.

Frau Kollegin Jäger, ich habe mich zu meiner Kurz-
intervention animieren lassen, weil Sie gesagt haben, die
Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern sei in den
letzten Jahren statistisch heruntergegangen. Ich bitte,
keine Legenden zu verbreiten. Es geht nicht nur um Zah-
len, sondern auch um deren Interpretation. Sie können
doch nicht außer Acht lassen, dass von 1998 bis heute eine
erhebliche Abwanderung vor allem qualifizierter und mo-
biler junger Menschen stattgefunden hat, die deshalb die
Arbeitslosenstatistik Ostdeutschlands nicht belasten. Es
sind außerdem sehr viele frühverrentet worden, die eben-
falls aus der Arbeitslosenstatistik herausgefallen sind. Wir
dürfen das, was Sie eben statistisch dargestellt haben,
nicht feiern.

Hinzu kommt, dass es in den neuen Bundesländern ei-
nen außerordentlich großen Niedriglohnbereich gibt – die
Zahlen sind schon genannt worden –, in dem das durch-
schnittliche Verdienstniveau bei 62 Prozent der Brut-
tolöhne liegt, die in den alten Bundesländern gezahlt wer-
den. Das alles darf man nicht außer Acht lassen. Man darf
die Lage in den neuen Bundesländern nicht schönen. Das,
was dort stattfindet, ist eine absolute Katastrophe.


(Beifall bei der PDS)

Um die dortige Misere zu beheben, braucht man andere
Instrumente als das Job-Aqtiv-Gesetz; denn das reicht
nicht.

Da bisher niemand gefragt hat, weshalb im Haushalt
2002 für die Umsetzung des Job-Aqtiv-Gesetzes nicht
eine müde Mark veranschlagt worden ist, frage ich: Wie
ist das möglich, wenn man bedenkt, dass zusätzlich 2 000
Vermittler – 1 000 weitere sollen durch Umverteilung bei
der Bundesanstalt für Arbeit mobilisiert werden – von
außen gewonnen und eingestellt werden sollen? Man
muss doch wohl unterstellen, dass ein Vermittler im Jahr
zwischen 50 000 und 60 000 DM kostet, wenn man den
Arbeitgeberanteil einrechnet. Das wird Kosten von bis zu




Renate Jäger
20224


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120Millionen DM verursachen, die offenbar dem Etat der
Bundesanstalt für Arbeit und folglich auch für eine aktive
Arbeitsmarktpolitik verloren gehen.

Außerdem gilt: Man kann niemanden vermitteln, wenn
es keine Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt gibt.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420503800
Frau Kol-
legin Jäger, wollen Sie erwidern? – Bitte schön.


(Dirk Niebel [FDP]: Da hätten Sie besser die Zwischenfrage genommen!)



Renate Jäger (SPD):
Rede ID: ID1420503900
Frau Dr. Luft, ich glaube, man
muss es nicht als eine Beschönigung deuten, wenn ich ei-
nige Fakten nenne. Ihre Behauptung, ich hätte etwas be-
schönigt, weise ich zurück. Wir sind uns der Probleme im
Osten wohl bewusst.

Nur, wie sähe die Entwicklung im Osten nach dem Zu-
sammenbruch der sozialistischen Wirtschaft aus, wenn
wir all diese Maßnahmen nicht durchgeführt hätten? Sie
wissen besser als wir, dass die strukturelle Entwicklung
im Osten durch die sozialistische Wirtschaft verursacht
worden ist. Sie sollten anerkennen, dass wir uns bemühen,
im bildungspolitischen, im wirtschaftspolitischen, im in-
frastrukturellen sowie im sozial- und arbeitsmarktpoliti-
schen Bereich Schritte zu machen, um die Entwicklung
voranzubringen.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420504000
Das Wort
hat jetzt der Kollege Karl-Josef Laumann von der CDU/
CSU-Fraktion.

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) (von der CDU/
CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Gestern fand ich im Ticker eine
dpa-Meldung. Laut dieser wurden auf die Frage, mit wem
aus der aktuellen Regierungsmannschaft Schröder weiter-
hin zusammenarbeiten sollte, am häufigsten abgelehnt:
Herr Trittin, Herr Scharping und der sozialdemokratische
Arbeitsminister Riester.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Herr Riester, dass Sie auf dieser Beliebtheitsskala mit
Scharping gleich aufliegen, sollte Ihnen wirklich zu den-
ken geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wissen Sie, warum das so ist? Das ist deswegen so,

weil es außer Ihrem Politikbereich keinen anderen in
Deutschland gibt, in dem das, was Sie in den letzten drei
Jahren veranstaltet haben, so weit von dem entfernt ist,
was Sie im Wahlkampf 1998 gesagt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie merken das auch – das betrifft Ihre Partei – an einer
anderen Tatsache: Die Arbeitsgemeinschaft der sozial-

demokratischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
kommt in Deutschland nicht mehr vor. In der ganzen
Wahlperiode hat der Vorsitzende dieser wichtigen Ar-
beitsgemeinschaft Ihrer Partei noch in keiner einzigen so-
zialpolitischen Debatte von Ihrer Fraktion das Wort im
Deutschen Bundestag erhalten,


(Beifall bei der CDU/CSU und der PDS)

weil Sie genau wissen, dass diese Arbeitsgemeinschaft
nicht mehr bereit ist, die Politik, die Sie hier in den letz-
ten Jahren durchgesetzt haben, zu verteidigen, mit zu ver-
antworten und mit zu vertreten. Es ist wirklich ein einzig-
artiger Vorgang, den es unter den Arbeitnehmergrup-
pierungen im Deutschen Bundestag bis jetzt noch nicht
gegeben hat, dass der Vorsitzende der AfA in der
14.Wahlperiode noch in keiner einzigen sozialpolitischen
Debatte das Wort ergriffen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wo ist er eigentlich?)


Herr Riester, Sie haben eben hier sehr lange geredet.
Als Bundesarbeitsminister haben Sie in Ihrer Rede kein
Wort zum Arbeitsmarkt in Ostdeutschland gesagt.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Da fällt ihm nichts mehr ein! – Dirk Niebel [FDP]: Das traut er sich nicht!)


Hier geht es um einen Arbeitsmarkt, auf dem wir – bei
knapp 15 Millionen Einwohnern – 1,3 Millionen Arbeits-
lose haben, auf dem wir heute 200 000 Arbeitslose mehr
haben als 1998. Der Arbeitsminister dieses Landes hält
eine Haushaltsrede und beschäftigt sich mit Dingen aus
dem Jahr 1998, sagt aber zu den Menschen in den neuen
Bundesländern kein Wort darüber, wie es mit ihnen wei-
tergehen soll.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er spielt den Unbeteiligten!)


Ich kann Ihnen auch sagen, warum Sie das nicht getan
haben: Weil in den neuen Ländern die Kurzarbeit gegen-
über dem Vorjahr um 50 Prozent gestiegen ist, weil die Ar-
beitsvermittlung in den neuen Ländern per Oktober 2001
gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent zurückgegangen
ist. Sie haben in Ostdeutschland eine katastrophale Situa-
tion auf dem Arbeitsmarkt, und Ihr Bundesarbeitsminister
sagt in dieser wichtigen Debatte kein Wort zu den Men-
schen in den neuen Ländern. Das ist wirklich eine Bank-
rotterklärung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der PDS)


Herr Riester, Sie haben hier Zahlen mit Rentener-
höhungen aus der Zeit der CDU-Regierung und Ihrer Re-
gierung gebracht. Ich will gar nicht fachsimpeln, aber Sie
wissen ganz genau, dass unter unserer Regierung die Ren-
ten so gestiegen sind wie die Nettolöhne und wir die Ren-
tenformel ganz sauber eingehalten haben.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ohne Manipulation!)





Dr. Christa Luft

20225


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Sie haben im ersten Regierungsjahr schon die Renten-
formel gebrochen, indem Sie die Renten nicht mehr wie
die Nettolöhne erhöht haben, sondern wie die Inflations-
rate aus dem Vorjahr.


(Gerd Andres, Parl. Staatssekretär: Das stimmt nicht! Das ist falsch!)


Aber die Wahrheit ist: Wenn Sie die Rentenerhöhungen
von 2000 und 2001 zusammennehmen, dann stellen Sie
fest, dass die Menschen 2,5 Prozent Rentenerhöhung be-
kommen haben, aber wir zur gleichen Zeit in diesem Land
eine Inflationsrate von 4,4 Prozent haben. Das heißt, die
Menschen können sich wegen dieser Differenz von 2 Pro-
zent weniger kaufen als vorher, weil Sie mit Ihrer Renten-
erhöhung der Inflationsrate hinterherlaufen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dirk Niebel [FDP]: Das ist nichts anderes als Rentenklau!)


Die Zahlen, die Sie hier vorlegen, sind in vielen Berei-
chen frisiert. Sie sagen: „Es gibt eine Entlastung auf dem
Arbeitsmarkt“, verschweigen dabei aber, dass seit Ihrem
Regierungsantritt aufgrund der demographischen Ent-
wicklung in Deutschland jedes Jahr 200 000 Menschen
mehr in Rente gehen, als aus den Schulen, Lehrwerkstät-
ten und Universitäten auf den Arbeitsmarkt entlassen wer-
den. Bei Ihrer Regierung ist das so: Ein Bundeskanzler,
der sich die Haare färbt, frisiert auch jede Statistik. Das ist
die Wahrheit.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und der PDS – Renate Jäger [SPD]: Das ist ein Niveau!)


Jetzt will ich Ihnen etwas zum Job-Aqtiv-Gesetz sa-
gen. Ich habe die Beratungen im Ausschuss, die Anhörung
und die Debatten, die wir dazu geführt haben, alle erlebt.
Die Mitglieder Ihrer Partei konnten nur noch von Quan-
tensprüngen erzählen. Dann wurde das Job-Aqtiv-Gesetz
im Deutschen Bundestag beschlossen.

Aber Ihnen ist völlig entgangen, dass der Wirtschafts-
ausschuss des Bundesrates die Einberufung des Vermitt-
lungsausschusses zu diesem Gesetz auch mit den SPD-
Stimmen gefordert hat, weil der Wirtschaftsausschuss des
Bundesrates erstens gesagt hat: Wir brauchen für arbeits-
marktpolitische Maßnahmen eine angemessene Finanz-
verteilung zwischen dem Bund und der Bundesanstalt für
Arbeit. Das heißt, auch Ihre Leute im Bundesrat haben Sie
dafür geohrfeigt, dass Sie mittlerweile alle Ihre Vorhaben
– Langzeitarbeitslosenprogramm, Strukturanpassung, Ar-
beitslosengeld – nicht mehr über Steuermittel finanzieren,
sondern nur noch über die Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer und ihre Chefs, nämlich über Beiträge.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zweitens. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates
hat gesagt: Wir brauchen den Vermittlungsausschuss, weil
wir eine Angleichung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-
hilfe sowie die Einführung von Kombilöhnen benötigen.


(Zurufe von der FDP: Tja!)

Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates hat mit den

Stimmen der SPD genau das gefordert, was CDU, CSU

und FDP immer wieder verlangt haben. Was ihr beim Job-
Aqtiv-Gesetz gemacht habt, war nicht falsch, aber nichts
anderes als eine Verwaltungsreform, nicht aber eine Re-
form der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Riester, ich will Ihnen auch sagen, warum das so

ist. Seitdem Sie Minister sind, laufen die Sozialpolitik
und die Arbeitsmarktpolitik folgendermaßen:


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er hört gar nicht zu! Er spielt hier den Unbeteiligten!)


Sie gehen bei Ihren Reformen genau so weit, wie es Ihre
alten Kumpels beim DGB, Herr Zwickel und Herr
Schulte, zulassen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Genau! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Er ist fremdgesteuert!)


Das ist die Wahrheit. Wenn es so weit ist, dass eine si-
cherlich wichtige gesellschaftliche Gruppe das Tempo der
Reformen in der Sozialpolitik in Deutschland allein be-
stimmt, dann ist das eine Bankrotterklärung hinsichtlich
des Selbstverständnisses der Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Konrad Gilges [SPD]: Sie wissen, dass das Quatsch ist! Dann wäre eine andere Rentenreform zustande gekommen! – Dirk Niebel [FDP]: Das ist ganz schön „verzwickelt“!)


Wir reden hier über den Bundeshaushalt. Selbst Sie,
Herr Riester, können nicht leugnen, dass wir diese Haus-
haltsdebatte zu einem Zeitpunkt führen, zu dem sich die
Arbeitsmarktdaten dieses Landes von Stunde zu Stunde
verschlechtern.

Als Sie den Haushalt einbrachten und an diesem Red-
nerpult begründeten, gingen Sie noch von 2,5 Prozent
Wachstum aus. Der Haushaltsplan, den wir heute beraten,
nimmt diese Wachstumsprognose auf Ihren Vorschlag
hin von 2,5 Prozent auf 1,25 Prozent zurück. Das ist zwar
auch noch geschönt, aber Sie haben im Ausschuss für Ar-
beit und Sozialordnung über Ihren Staatssekretär selber
erklären lassen, dass Sie von 400 000 Arbeitslosen mehr
als zum Zeitpunkt der Haushaltseinbringung ausgehen.
Das sind 400 000 Schicksale. Ihre Antwort auf diese He-
rausforderung ist, abgesehen von einigen fiskalischen
Veränderungen, einfach null.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der PDS)


Es gibt auch nicht das eine Instrument, um diese Pro-
blematik in den Griff zu bekommen. Sie brauchen dafür
ein Sammelsurium von verschiedenen Instrumenten un-
terschiedlicher Politikbereiche. Ich will mich nur auf die
Dinge beschränken, die im Kompetenzbereich der Ar-
beits- und Sozialpolitiker liegen.

Es ist doch einfach wahr, dass Ihnen die Beamten der
Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit sagen: Wir haben in
Deutschland ungefähr 600 000 Jobs in Bereichen, in de-
nen man zugegebenermaßen wenig Geld verdient, die
aber nicht mit Inländern besetzt werden. Man glaubt so-
gar, dass die Zahl solcher Arbeitsplätze um ein Vielfaches




Karl-Josef Laumann
20226


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stiege, wenn die vorhandenen besetzt werden
könnten. Das ist unter allen Arbeitsmarktwissenschaft-
lern unstrittig. Was hindert uns also daran?


(Dirk Niebel [FDP]: Ideologie hindert uns!)

Es ist doch unstrittig, dass wir in den unteren Lohn-
gruppenbereichen Brutto und Netto über Kombilöhne
und die degressive Gestaltung von Sozialversicherungs-
beiträgen näher zusammenführen müssen. Ich rede gar
nicht von außertariflichen Löhnen. Sie können in meinem
Büro eine Liste von Tarifverträgen, bei denen die Stun-
denlöhne unter 13 DM liegen, anfordern. Die Liste um-
fasst eine ganze DINA4-Seite. Damit wir uns richtig ver-
stehen: Diese Jobs sind in Deutschland nicht besetzt.

Alle Länder um uns herum sind diese Wege gegangen.
Nur ein Land hat dies nicht getan: Deutschland. Das ist so,
weil Herr Zwickel und Herr Schulte Herrn Riester nicht
weiter gehen lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Christine Ostrowski [PDS])


Dass sich die Grünen, die mit ihren Parteitagsbe-
schlüssen zu dieser Frage gar nicht weit von der Be-
schlusslage meiner Partei entfernt sind, in dieser Koali-
tion überhaupt nicht mehr durchsetzen, ist in den letzten
14 Tagen mehr als offenkundig geworden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe sie in der Arbeitsmarktpolitik ebenso abgehakt,
wie man sie auch auf allen anderen Gebieten abhaken
muss.

Was hindert uns eigentlich, Herr Riester, einmal ohne
Ideologie darüber nachzudenken, was wir im Hinblick auf
den Arbeitsmarkt und die Beschäftigung regulieren bzw.
nicht regulieren müssen?


(Michael Glos [CDU/CSU]: Die Gewerkschaften verhindern das!)


Ich kann Ihnen nur sagen: Der von Ihnen gesetzlich fest-
gelegte Teilzeitanspruch für alle hat uns nichts gebracht.


(Klaus Brandner [SPD]: Was haben Sie eigentlich dagegen, Herr Laumann?)


Im Gegenteil, es gab Verstimmung.

(Klaus Brandner [SPD]: Die Leute wollen das haben! Sie erwarten das! Helft doch einmal mit!)


Ich hätte den Teilzeitanspruch auf die Leute beschränkt,
die eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe wie die
Kindererziehung wahrnehmen, ihn aber nicht generell
festgeschrieben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Erika Lotz [SPD]: Immer die gleiche Platte!)


Was ist denn das für ein Land, in dem wir auf der einen
Seite über die Einwanderung von Fachkräften und auf der
anderen Seite über Teilzeitarbeit reden? Haben wir ei-
gentlich noch alle Tassen im Schrank?


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Jetzt liest du Hundt & Co. die Wünsche von den Lippen ab!)


Bei einer Reform des Betriebsverfassungsgesetzes
hätte ich auch nicht die Zahl der Betriebsratsmitglieder er-
höht. Das wollte niemand – außer der IG Metall, weil sie
mit 8 Millionen DM Wahlkampfunterstützung für die
SPD einige Funktionäre von der Arbeit freistellen wollte.
Sonst wollte es in diesem Lande niemand! So bekommen
Sie keine Stimmung für Einstellungen hin!


(Beifall bei der CDU/CSU – Klaus Brandner [SPD]: Was hat die CDU gegen Betriebsräte? Was hast du als Betriebsrat gegen Betriebsräte?)


– Ich habe nichts gegen Betriebsräte. Sie müssen nur nicht
größer werden. Wir verkleinern in der nächsten Wahlperi-
ode den Deutschen Bundestag, aber die gleiche Regierung
erhöht die Zahl der Betriebsratsmitglieder. Das ist doch
Irrsinn!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Klaus Brandner [SPD]: Wir brauchen Leute, die zupacken! – Dirk Niebel [FDP]: Es ist doch klar: Die Betriebsräte machen doch die Politik und nicht das Parlament!)


Wir müssen auch einmal über Fragen reden, die schon
gestern Morgen in der Debatte Schröder/Merkel eine
Rolle gespielt haben: Kündigungsschutz.


(Zurufe von der SPD)

– Regen Sie sich doch nicht so auf! Wenn der Herr
Schreiner noch hier säße, dann hätte ich in ihm einen An-
sprechpartner, dann hätte ich in ihm jemanden, mit dem
ich mich über Sozialpolitik unterhalten könnte, aber mitt-
lerweile kommt er ja zu keiner sozialpolitischen Debatte
mehr, weil er Ihr Gefasel nicht mehr ertragen kann, und er
ist immerhin Chef der AfA in Deutschland!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der PDS – Klaus Brandner [SPD]: Warum bist du so laut? Mal ganz ruhig! Denk an dein Herz! So ein künstliches Aufregen kostet dich wirklich Jahre!)


Gestern Morgen hat in der Debatte im Deutschen Bun-
destag die Frage der Arbeitnehmerrechte eine Rolle ge-
spielt. Wir von der Union wollen – um das ganz klar zu
sagen –, dass auch die Arbeitnehmer ein planbares Leben
haben und dass das unbefristete Arbeitsverhältnis das Re-
gelarbeitsverhältnis ist. Wir wollen in Deutschland auch
einen bestimmten sozialen Kündigungsschutz behalten.
Aber der bedeutet doch – das ist auch wahr –: Wenn ein
Mensch mit 53 Jahren arbeitslos wird, weil die Firma, bei
der er arbeitet, insolvent wird, dann hat er aufgrund all
dieser Dinge kaum noch eine Einstellungschance.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: So ist das!)

Was wäre denn so schlimm daran, wenn wir hier ein

Gesetz verabschieden würden,

(Klaus Brandner [SPD]: Hier kann man gar nichts verstehen, wenn du nur zu deiner Fraktion sprichst!)


in dem steht, dass für diese Menschen der Kündigungs-
schutz nicht vereinbart wird, in dem aber auch steht, wie




Karl-Josef Laumann

20227


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(B)


dann, wenn das Beschäftigungsverhältnis beendet wird,
die Mindestabfindung pro Beschäftigungsjahr aussieht?
Wenn wir uns dabei an das halten, was die Arbeitsgerichte
heute festlegen, nämlich pro Beschäftigungsjahr ein hal-
ber Monatslohn,


(Peter Dreßen [SPD]: Jetzt solltest du dich aber langsam schämen!)


dann liegen wir mit einem solchen Gesetz genau auf der
Linie, auf der mittlerweile 99 Prozent aller Arbeitsge-
richtsprozesse in Deutschland enden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Was würden wir auf der einen Seite an Arbeitnehmer-
rechten verkaufen, auf der anderen Seite aber an Flexibi-
lität gewinnen, wenn wir das täten, was ich hier vor-
schlage?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber Sie sind zu gar nichts mehr bereit!


(Ulrich Heinrich [FDP]: Selbstgefällig!)

Deswegen hoffe ich sehr, dass es in wenigen Monaten

so weit ist, dass Sie die Oppositionsrolle wahrnehmen und
wir dann endlich eine schwungvolle Reformpolitik im Ar-
beitsministerium durchsetzen.

Schönen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420504100
Das Wort
hat jetzt der Kollege Franz Thönnes von der SPD-Frak-
tion.


(Zurufe von der CDU/CSU: Schreiner! Schreiner!)



Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1420504200
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Bei all dem Geschrei, das
Sie hier veranstalten,


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ja, das tut weh!)

wäre es ganz redlich, wenn Sie einmal bei den Zahlen
blieben, die in Ihrer Regierungszeit maßgeblich gewesen
sind, was die Frage angeht, in welchem Maß die Renten
erhöht worden sind und wie die Preissteigerungsraten
waren. Ich will Ihnen das einmal deutlich sagen, damit
hier keine Märchen, die Sie uns ja zu erzählen versuchen,
im Raum bleiben.

1994 war die Preissteigerungsrate 2,7 Prozent und war
die Rentenanpassung 0,5 Prozent.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Können Sie nicht 1947 anfangen?)


Für die nächsten Jahre lauten die Zahlen wie folgt: 1995:
1,8 Prozent und 0,95 Prozent, 1996: 1,4 Prozent und
0,95 Prozent. 1997 haben Sie es hinbekommen, dass die
Rentenanpassung bei 1,65 Prozent lag, obwohl die Preis-
steigerungsrate 1,4 Prozent betrug. Über Jahre hatten die
Rentnerinnen und Rentner weniger Geld im Portemon-

naie, weil die Rentenanpassung unter der Preissteige-
rungsrate lag. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik gewesen!
Da sollten Sie heute nicht so dicke Backen machen und
behaupten, alles besser regeln zu können!


(Beifall bei der SPD)

Die Menschen wissen auch, dass Sie die Arbeitslosig-

keit von 3,7Millionen auf 4,3Millionen hochgefahren ha-
ben. In Ihrer Regierungszeit ist die Zahl der Sozialhilfe-
empfänger von 2,2Millionen auf 2,9Millionen gestiegen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das interessiert die im nächsten Jahr überhaupt nicht!)


Das ging Monat für Monat so. Jetzt erwecken Sie mit Ih-
rer Rede den Eindruck, als wären hier ferngesteuerte
Funktionäre aus irgendwelchen Gewerkschaftszentralen.


(Dirk Niebel [FDP]: Stimmt doch! – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Sie sind doch selber einer!)


Ich will Ihnen ganz deutlich sagen, welche Politik Sie
betreiben. Der Deutsche Industrie- und Handelskammer-
tag fordert, die Einschränkung bei befristeten Arbeitsver-
hältnissen wieder zu lockern und zurückzunehmen und
den Rechtsanspruch auf Teilzeit ersatzlos zu streichen.


(Dirk Niebel [FDP]: Da haben sie Recht!)

Was sagt Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Herr
Rauen in der „Financial Times Deutschland“? Nach ei-
nem Wahlsieg im kommenden Jahr würde die Union
Rauen zufolge die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
wieder einschränken und die Schwelle für die Befreiung
vom Kündigungsschutz von derzeit fünf wieder auf zehn
Beschäftigte erhöhen. Außerdem sollen der Rechtsan-
spruch auf Teilzeitarbeit und die Einschränkung bei der
Befristung von Arbeitsverhältnissen wieder rückgängig
gemacht werden.

Das geht so munter weiter. Herr Hundt fordert, dass die
rückwärts gewandten Änderungen durch die Novellie-
rung des Betriebsverfassungsgesetzes umgehend zurück-
genommen werden müssen. Was haben Sie zu tun? Von
Ihrer Seite kommt nichts anderes als das, was gestern auch
Frau Merkel hier gesagt hat: Die Änderungen werden
wieder zurückgenommen.

Was fordert die Arbeitgeberseite? Die Arbeitgeberseite
sagt: Mittelfristig muss die Form künstlicher Beschäfti-
gung durch ABM ganz entfallen. Und was sagt Ihr Frak-
tionsvorsitzender? Er sagt: ABM muss zurückgefahren
werden. An den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wird
Kritik geäußert,


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das ist auch in Ordnung!)


obwohl Sie, die Koalition von CDU/CSU und FDP, von
Januar 1998 bis September 1998 die Zahl der ABM-Stel-
len um 160 000 bis 170 000 erhöht haben. Heute tun Sie
so, als sei das alles Teufelszeug. Wir haben die Zahlen
sukzessive den Arbeitsmarktbedingungen angepasst. Ich
denke, das ist auch vernünftig.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Die Zahl der Arbeitslosen ist in diesem Zeitraum von 4,8 auf 3,9 Millionen zurückgegangen!)





Karl-Josef Laumann
20228


(C)



(D)



(A)



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Es geht nicht, dass Sie sich hier hinstellen und eine Po-
litik formulieren, bei der Sie auf der einen Seite sagen, Sie
wollten Arbeitnehmerrechte schrittweise einschränken,
während Ihr Fraktionsvorsitzender auf der anderen Seite
sagt, Sie wollten keine Arbeitnehmerrechte einschränken.
Das wurde besonders in dem Beitrag des Kollegen
Laumann noch einmal deutlich.

Mit fällt in diesem Zusammenhang der Roman „Ger-
minal“ von Emil Zola ein, in dem es um eine Auseinan-
dersetzung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im
lothringischen Bergwerksbereich Ende des 19. Jahrhun-
derts geht. Darin wird geschildert, dass die Arbeitnehmer
vor den geschlossenen Werkstoren stehen und der Arbeit-
geber munter sagt: Macht mir Angebote. Wer bereit ist, zu
den geringsten Löhnen zu arbeiten, den nehme ich. – Da-
raufhin unterbietet man sich Stück für Stück. Nichts an-
deres ist das, was Sie gerade noch einmal gefordert haben.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Deswegen wollen Sie das Zuwanderungsgesetz!)


Der Vorschlag, dass ältere Arbeitslose gegen ein Hand-
geld bereits im Einstellungsgespräch auf den Kündigungs-
schutz verzichten sollen, ist ein Rückfall in das 19. Jahr-
hundert


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Machen Sie doch den Weberaufstand auch noch verantwortlich!)


und entspricht nicht den Verhältnissen eines Sozialstaats,
wie wir ihn nach dem Krieg hier aufgebaut haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Lieber arbeitslos als irgendetwas Flexibles!)


Der Kollege Seehofer sagt, man müsse das Stempeln
auf dem Arbeitsamt wieder einführen. Sie wollen das Ar-
beitsamt wieder zu einer Stempelbude degradieren. Damit
sind Sie schon in Ihrer Regierungszeit gescheitert. Unsere
Antwort darauf ist


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Höhere Arbeitslosigkeit!)


das Job-Aqtiv-Gesetzmit dem Eingliederungsvertrag, in
dem Rechte und Pflichten auf beiden Seiten festgeschrie-
ben werden. Fördern und Fordern sind gefragt und nicht
eine Diffamierung von Arbeitslosen, wie Sie das machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der CDA-Vorsitzende hat das im Übrigen begriffen.
Nachdem wir deutlich gemacht haben, dass wir 3 000 zu-
sätzliche Stellen schaffen werden,


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ihr seid wirklich schräg im Kopf!)


1 000 durch Umschichtung und weitere 2 000 durch die
Übertragung der Vermittlung an Dritte sowie durch zu-
sätzliche Beschäftigung, hatte er nichts Besseres zu tun,
als zu sagen, dafür müssten 12 000 eingestellt werden.
Was haben Sie eigentlich in Ihrer Regierungszeit an die-
ser Stelle geleistet?


(Adolf Ostertag [SPD]: Abgebaut!)


Sie haben die Zahl der Beschäftigten in der Arbeitsver-
waltung abgebaut. Das ist die Realität.


(Beifall bei der SPD)

Weil Frau Luft fragt, woher das Geld kommt, will ich

deutlich machen, dass 44 Milliarden DM für aktive Ar-
beitsmarktpolitik, ungefähr 27 Milliarden DM im Ein-
gliederungstitel, ausgewiesen sind. Das ist Geld, das für
aktive Beschäftigungspolitik zur Verfügung steht.

An dieser Stelle möchte ich unserer Kollegin
Konstanze Wegner für ihre verantwortungsvolle Arbeit,
die sie in den letzten Jahren im Haushaltsausschuss für
Arbeitsmarktpolitik und für Sozialpolitik geleistet hat,
danken. Dabei handelte es sich immer um ein ausgewo-
genes Verhältnis zwischen finanzpolitischer Verantwor-
tung und sozialpolitischer Vernunft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Wo ist der Dank an Riester?)


Ich will Ihnen sagen, worauf es in den nächsten Wo-
chen ankommt und wo die Verantwortung liegt: Bei den
Arbeitsämtern sind 500 000 offene Arbeitsplätze gemel-
det. Die Arbeitgeberseite sagt: Wir brauchen Fachkräfte.
Vor diesem Hintergrund ist es notwendig, alle offenen
Stellen, nochmals gut 1 Million, zu melden. Wenn es in
Deutschland 1,5 Millionen offene Stellen gibt und wir die
Vermittlungsaktivitäten verstärken, dann gelingt es auch
– da bin ich mir sicher –, die Arbeitslosen mithilfe von
Qualifizierung, Weiterbildung und Trainingsmaßnahmen
passgenau in neue Beschäftigungsverhältnisse zu brin-
gen. Ich bin davon überzeugt, dass das Projekt Job Aqtiv
ein Erfolg wird, wenn der Wille auf beiden Seiten vor-
handen ist.


(Beifall bei der SPD)

Ferner darf die Politik nicht nur an die Menschen, die

keine Arbeit haben, Forderungen stellen; sondern sie
muss auch von den Arbeitgebern fordern, endlich ein
Stück weit einen Beitrag dazu zu leisten – man kann von
ihnen nicht alles fordern; das weiß jeder –, dass 1,8 Mil-
liarden Überstunden reduziert werden. Die Überstunden
müssen in Beschäftigung umgesetzt werden. Die Flexibi-
lität von Tarifverträgen muss genutzt werden. Das Einfor-
dern von Flexibilität fällt auf die Arbeitgeber zurück. Sie
müssen die Vereinbarungen, die sie mit den Tarifvertrags-
parteien, also mit den Betriebsräten und den Gewerk-
schaften, geschlossen haben, endlich in die Praxis um-
setzen.


(Beifall bei der SPD)

Letztendlich bleiben bei aller Kritik und aller Schwie-

rigkeit, der wir bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik ge-
genüberstehen, folgende Fakten: Wir haben 1,1 Milli-
onen Beschäftigte mehr seit dem Regierungsantritt; die
Zahl der Sozialhilfeempfänger ist um 200 000 gesunken;
das Verhältnis zwischen der Nachfrage nach und dem An-
gebot an Ausbildungsplätzen ist ausgeglichen; die Lohn-
nebenkosten sind in diesem Jahr von 42,5 Prozent auf vo-
raussichtlich 41,3 Prozent oder 41,4 Prozent gesunken.
Der wichtigste Punkt ist: Die Zahl der Arbeitslosen – da
können Sie reden, so viel Sie wollen – ist um 400 000 ge-
sunken. Deswegen werden wir an unserem Kurs, mehr




Franz Thönnes

20229


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Beschäftigung zu schaffen und für mehr Gerechtigkeit zu
sorgen, festhalten. Das gilt auch angesichts des schwieri-
gen Fahrwassers, in dem wir uns zurzeit befinden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420504300
Als
nächster Redner hat der Kollege Andreas Storm von der
CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Klaus Brandner [SPD]: Jetzt aber keine studentische Lesung!)



Andreas Storm (CDU):
Rede ID: ID1420504400
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Was kommt heraus, wenn man eine
rentenpolitische Bilanz vor Beginn Ihres letzten Amtsjah-
res, Herr Minister Riester, zieht – eine einzige Kette ge-
brochener Versprechen!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Versprechen Nummer eins: In seiner Aschermitt-

wochsrede im Februar 1999 verkündete der Bundeskanz-
ler, er stehe persönlich dafür ein, dass die Renten auch in
Zukunft so wie die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer
steigen. Fakt ist: Drei Monate später war das Versprechen
des Bundeskanzlers das Papier nicht mehr wert, auf dem
es gedruckt stand. Die Rentenformel wurde kurzerhand
auf dem Altar des Sparpakets geopfert und sollte willkür-
lich für zwei Jahre ausgesetzt werden.

Versprechen Nummer zwei: Die Rentner sollten – da
haben Sie kalte Füße bekommen – im vergangenen Jahr
wenigstens einen Inflationsausgleich erhalten. Fakt ist:
Tatsächlich wurden die Renten im vergangenen Jahr um
nur 0,6 Prozent erhöht. Die Inflationsrate stieg aber
– nicht zuletzt dank Ihrer Regierungspolitik, Stichwort
„Ökosteuer“ – mehr als dreimal so stark, nämlich auf
1,9 Prozent.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Das ist die neue soziale Gerechtigkeit!)


Von Inflationsausgleich konnte also keine Rede sein. Im
Gegenteil: Die Rentner mussten einen herben Kaufkraft-
verlust hinnehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Die waren sauer, die Rentner!)


Versprechen Nummer drei: Sie haben angekündigt,
dass mit jeder weiteren Stufe der Ökosteuer die Renten-
beiträge gesenkt werden. Fakt ist: Am 1. Januar des
nächsten Jahres ziehen Sie den Bürgern nochmals 6 Mil-
liarden DM aus der Tasche. Von einer Senkung des Ren-
tenbeitrags ist aber keine Spur mehr zu sehen – im Ge-
genteil. Fakt ist auch: Die Rentenbeiträge müssen zum
1. Januar sogar massiv angehoben werden, und zwar von
jetzt 19,1 Prozent auf 19,5 Prozent. Das hat Ihnen der So-
zialbeirat in diesen Tagen vorgerechnet. Das versteht man
bei Rot-Grün unter Senkung der Lohnnebenkosten!


(Simone Violka [SPD]: Von wem war denn das Märchen: „Die Renten sind sicher“?)


Nun greifen Sie tief in die Trickkiste und wollen an die ei-
serne Reserve der Rentenkassen ran. Trickkiste hin – Ma-
nipulation her; das dicke Ende kommt in jedem Fall un-
mittelbar nach der Bundestagswahl.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: So ist es!)

Aus der Senkung der Rentenbeiträge auf deutlich unter
19 Prozent, wie Sie es, Herr Minister, ja noch im Frühjahr
bei der Verabschiedung Ihrer angeblichen Jahrhundert-
rentenreform versprochen haben, wird nach Ihrem eige-
nen Rentenversicherungsbericht aus der letzten Woche
bis zum Ende der gesamten nächsten Wahlperiode nichts
mehr. Ich wiederhole: Bis zum Ende der nächsten Wahl-
periode sinken die Rentenbeiträge nach Ihrer eigenen Ein-
schätzung nicht. Das nenne ich einen rentenpolitischen
Offenbarungseid.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Trotz Ökosteuer!)


Meine Damen und Herren, die Rentenversicherungsträ-
ger haben vor zwei Wochen bei der Anhörung zum
Schwankungsreservengesetz deutlich gemacht, dass sie al-
lenfalls eine vorübergehende Senkung der Schwankungs-
reserve gutheißen können.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: So ist es!)

Mittelfristig – da waren sich die Experten unisono einig
gewesen – sollte der Zielwert von einer Monatsausgabe
unbedingt wieder eingehalten werden, um der Gefahr von
Liquiditätsengpässen vorzubeugen.


(Klaus Brandner [SPD]: Kennen Sie den Korridor, Herr Storm? Haben Sie davon etwas gehört?)


Ihr Gesetzentwurf trägt dazu aber überhaupt nichts bei; im
Gegenteil: Sie wollen die Reserven dauerhaft herunter-
fahren.

Zugleich haben die Rentenversicherungsträger klarge-
stellt, dass angesichts der derzeitigen Unsicherheiten hin-
sichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung ein sehr vor-
sichtiger Umgang mit den Annahmen für die Entwicklung
der Rentenfinanzen angesagt ist. Mit anderen Worten: Im
Zweifelsfalle sollte man lieber eine etwas pessimisti-
schere Prognose zugrunde legen. Ihre von Ihnen selbst
spürbar nach unten korrigierten Berechnungen sind aber
immer noch zu optimistisch. Das hat Ihnen der Sozialbei-
rat in der vergangenen Woche mehr als deutlich gemacht.
Er kommt zu folgendem Befund:

Falls sich die Prognosen des Sachverständigenrates
... hinsichtlich der konjunkturellen Entwicklung im
nächsten Jahr bewahrheiten sollten, wird es zu einem
Abschmelzen der Schwankungsreserve Ende 2002
auf 0,73 Monatsausgaben kommen. Dies wiederum
hätte einen Auffüllbedarf von knapp 0,1 Monatsaus-
gaben in 2003 zur Folge, was einen Beitragssatzan-
stieg um 0,1 Prozentpunkte in 2003 nach sich ziehen
würde.

So weit der Sozialbeirat.
Damit, meine Damen und Herren, haben Ihnen Ihre ei-

genen Experten dokumentiert: Auch der jüngste Manipula-




Franz Thönnes
20230


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tionsversuch wird sich als Mogelpackung erweisen. Ihr
Griff in die Rentenkassen reicht nämlich schlicht und er-
greifend nicht aus, um die Beitragsversprechen der Bun-
desregierung zu erfüllen, die ja mittlerweile schon mehr als
bescheiden geworden sind. Sie haben Ihr Ziel, die Sozial-
beiträge unter die 40-Prozent-Marke zu senken, massiv
verfehlt. Im nächsten Jahr erreichen wir einen Beitragssatz
von mindestens 41,4 Prozent. Die Beitragserhöhungswelle
bei den Krankenkassen läuft. Ohne den Griff in die Rück-
lagen der Rentenversicherung und auch der Pflegeversi-
cherung wären wir im nächsten Jahr bereits wieder bei ei-
nem Sozialbeitrag von 42 Prozent. Hinzu kommt, dass die
Ökosteuer, wenn man sie auf die Sozialbeiträge umrechnet,
noch einmal eine Zusatzbelastung von 1,7 Prozentpunkte
mit sich bringt. Das heißt, wir hätten ohne den Griff in die
Reserven mit weit über 43 Prozent Belastung von Arbeit-
nehmern und Wirtschaft einen historischen Höchststand in
der Geschichte der Bundesrepublik. Das ist die tatsächliche
Bilanz nach drei Jahren Amtszeit von Riester!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, das Bundesarbeitsministe-

rium hat ja nun behauptet, es gebe keinen Grund, seine
Prognosen für die Festsetzung des Rentenbeitrags im
nächsten Jahr nach unten zu korrigieren. Sie hören nicht
auf Ihre eigenen Experten. Das muss man sich einmal ver-
gegenwärtigen: Der Bundesarbeitsminister, der innerhalb
eines halben Jahres seine Beitragsprognose für das kom-
mende Jahr um 0,5 Prozentpunkte korrigieren musste – im
Frühjahr haben Sie noch gesagt, nächstes Jahr liege der
Satz bei 19,0 Prozent; im Herbst heißt es nun, ohne Griff
in die Reserve liege er bei 19,5 Prozent –,


(Renate Jäger [SPD]: Sie wissen doch, warum, Herr Storm!)


verkündet, man habe alles im Griff, die eigenen Berech-
nungen für das kommende Jahr seien zuverlässig genug.
Herr Riester, ich weiß nicht, ob Sie sich in letzter Zeit zu
häufig mit Harry Potter beschäftigt haben. Ich glaube aber
kaum, dass Sie plötzlich den Stein der Weisen gefunden
haben, mit dem Sie die finanziellen Probleme einfach
wegzaubern können, wenn es eng wird.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Art von Igno-
ranz und Realitätsblindheit ist einfach unerträglich. Zu
der offenkundigen Tatsache, dass der Arbeitsminister wie
mit Scheuklappen durch die Gegend rennt, hat Ihnen der
Kommentator der „Frankfurter Rundschau“ am Montag,
dem 26. November, Folgendes ins Stammbuch geschrie-
ben:

Wozu hält sich die Bundesregierung einen Sachver-
ständigen- und einen Sozialbeirat, wenn sie deren
Prognosen einfach ignoriert? Der Verdacht, das Mi-
nisterium habe genau so kalkuliert, dass die Regie-
rung noch bis zur Bundestagswahl durchkommt,
liegt nahe.

So weit die „Frankfurter Rundschau“, und da hat sie
Recht; denn genau darum geht es: Sie wollen einfach nur
noch über die Runden kommen. Nach mir die Sintflut, das
ist das Motto von Rot-Grün.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Bundesregierung hat abgewirtschaftet. Das rot-
grüne Projekt ist gescheitert, auch und gerade in der Ren-
tenpolitik. Um ein Land zu regieren, braucht es eben mehr
als tagespolitisches Flickwerk. Es braucht vor allen Din-
gen zukunftsweisende Konzepte. Aber die fehlen Ihnen,
Herr Riester, an allen Ecken und Enden. Deshalb ist es
Zeit für einen rentenpolitischen Neubeginn.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420504500
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Ekin Deligöz vom Bündnis 90/Die
Grünen.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420504600
Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines hat die
Opposition immer noch nicht begriffen: Einen Haushalt
aufzustellen, der den Zusatz „generationengerecht“ ver-
dient, heißt immer auch, Prioritäten zu setzen, heißt im-
mer auch, Schwerpunkte zu setzen und das Geld nicht
nach dem Gießkannenprinzip auszuschütten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Irgendwie haben Sie nicht mitgekriegt, was in dieser Debatte gesagt worden ist!)


Eine Priorität von Rot-Grün liegt eindeutig auf der Un-
terstützung von Familien. Um dieses Ziel zu erreichen,
sind wir konzentriert vorgegangen. Ich nenne an dieser
Stelle nur einige Beispiele, und zwar das steuerfreie Exis-
tenzminimum, die Reform des Bundeserziehungsgeldge-
setzes, die Aufwertung von Erziehungsleistungen in der
Rentenversicherung, die immer gerne unter den Tisch fal-
len gelassen werden, den Betreuungsfreibetrag, den wir
auf 3 024 DM jährlich angesetzt haben, sowie die Er-
höhung des Kindergeldes auf 300 DM, eine Erhöhung um
30 Prozent innerhalb von drei Jahren.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ich wusste gar nicht, dass das im Riester-Haushalt steht! Ist Frau Bergmann nicht mehr im Amt?)


Was bedeutet die Steuerpolitik der Koalition für die Fa-
milien in Zahlen? Sie bedeutet, dass eine Durchschnitts-
familie im Jahre 2002 trotz der Ökosteuer, die Sie angrei-
fen, um 3 000 DM entlastet wird.

Sie bedeutet aber auch, dass wir neben dieser materiel-
len Komponente der Familienentlastung eine weitere,
zentrale Komponente für die Eltern in diesem Lande
berücksichtigt haben: dass Kindererziehung Zeit braucht,
und zwar mehr Zeit, als für sie manchmal offenbar aufge-
wendet wird. Dafür haben wir jetzt mit der Neuregelung
der Teilzeitarbeit wichtige Signale gesetzt. Die Teilzeit-
arbeit als einen gesetzlichen Anspruch zu verankern, also
das Recht auf Teilzeit für Eltern, heißt nicht, dass Frauen
diskriminiert werden oder keine Stellen bekommen, wie
Sie immer behaupten. Es heißt auch nicht, dass es zum
Abbau von Stellen geführt hat – das ist Ihre Interpretation,
für die Sie keinen Beweis haben –,


(Dirk Niebel [FDP]: Nein, nein!)





Andreas Storm

20231


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sondern es heißt, dass die Erziehung von Kindern für
Frauen und Männer in Teilzeit möglich wird, dass Eltern
also schwerpunktmäßig mehr Zeit für ihre Kinder auf-
bringen können. Teilzeitarbeit ist in diesem Land drin-
gend erforderlich, wie jeder erkennen wird, wenn wir
etwa einen Vergleich mit den Nachbarländern Frankreich
oder Dänemark anstellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Teilen Sie sich jetzt Ihr Mandat mit irgendwem?)


Mehrfach ist hier das Einwanderungsgesetz ange-
sprochen worden. In diesem Zusammenhang möchte ich
eines betonen: Wenn wir den Bevölkerungsstand von
Deutschland bis zum Jahre 2050 auf dem derzeitigen Ni-
veau halten wollen, dann müsste derzeit jede gebärfähige
Frau 3,8 Kinder in die Welt setzen.


(Dirk Niebel [FDP]: Da fehlen mir nur 0,8!)

Wahlweise müssten 180 Millionen Menschen einwan-
dern. Eine konstante Bevölkerungszahl ist so gesehen un-
realistisch. Das heißt aber auch, dass wir für unseren
Arbeitsmarkt und für die Erhaltung unserer Bevölke-
rungszahl ein Einwanderungsgesetz brauchen.

Wir benötigen zudem Maßnahmen für die Personen in
unserer Gesellschaft, die sich für ein Zusammenleben mit
Kindern entscheiden. Dazu bedarf es in Zukunft mehr Un-
terstützung von Staat und Gesellschaft. Eine der Kernfra-
gen in der Arbeitsmarkt- und in der Wirtschaftspolitik lau-
tet, wie wir in Zukunft dem Wunsch junger Familien,
einerseits Kinder zu bekommen und andererseits berufs-
tätig zu bleiben und Karriere machen zu können, gerecht
werden können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Im Rahmen der reformierten Arbeitsförderung bzw.
des Job-Aqtiv-Gesetzes gelten fortan Zeiten des Mutter-
schutzes und der Kindererziehung als Beitragszeiten in
der Arbeitslosenversicherung. Zukünftig gibt es zudem
im Sinne des Prinzips des lebenslangen Lernens mehr
Geld im Falle von Weiterbildungs- und Trainingsmaß-
nahmen für die Kinderbetreuung. Von der Opposition be-
kommen wir ständig zu hören, wir sollten im Bereich des
lebenslangen Lernens mehr unternehmen. Wir sprechen
nicht nur darüber; für uns ist das keine Theorie geblieben.
Wir setzen dies vielmehr um; wir haben ein entsprechen-
des Konzept vorgelegt. Anstatt dass Sie sagen, hier werde
etwas umgesetzt, kritisieren Sie uns, wobei Sie diese po-
sitiven Punkte schlichtweg ignorieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf gehört viel
mehr. Dazu gehört die Zusammenarbeit von Wirtschaft
und Gesellschaft. Dies verlangt beispielsweise, dass be-
triebliche Kinderbetreuungsmöglichkeiten geschaffen
werden und dass in Deutschland ein kinderfreundliches
Management existiert. Es gibt dafür hervorragende Bei-
spiele in zahlreichen Firmen, die sich in diesem Bereich
mächtig ins Zeug legen. Hier setzt ein weiterer Aspekt an:

In der Arbeitsmarktpolitik sind weitere Anreize für einen
flächendeckenden Wandel im Sinne einer familien-
freundlichen Unternehmenskultur zu schaffen. Gerade
hier haben wir wichtige Maßnahmen in Gang gesetzt.

Eines muss man deutlich sagen: Wenn wir tatsächlich
wollen, dass Eltern arbeiten können und dazu die dafür
notwendigen Kinderbetreuungsmöglichkeiten existieren,
müssen wir massiv in entsprechende Betreuungseinrich-
tungen investieren. Das ist nicht billig und schon gar nicht
umsonst zu haben. Es kostet eine ganze Menge Geld. Ich
wage einmal einen Blick in die Zukunft: Die Reform des
Ehegattensplittings, die zweifelsfrei sinnvoll ist, erfährt
hier im Hause inzwischen einen breiten Konsens.


(Dirk Niebel [FDP]: Steht das alles bei Riester im Haushalt?)


– Dies ist ein Blick in die Zukunft; auch das darf man tun.

(Dirk Niebel [FDP]: Sie haben doch gar keine Zukunft!)

Die Reform des Ehegattensplittings wird von der FDP un-
terstützt, in der SPD debattiert und von den Grünen längst
gefordert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Weichen für eine kinderfreundliche Gesellschaft,
für eine familienfreundliche Arbeitsmarktpolitik und für
eine zukunftsfähige Gesellschaft haben wir mit diesem
Haushalt gelegt. Jetzt kommt es darauf an, auf diesem
eingeschlagenen Weg gemeinsam weiterzugehen. Wir
sind also auf dem besten Wege und werden diese Politik
nicht nur in dieser Wahlperiode, sondern auch in der kom-
menden Wahlperiode gemeinsam fortsetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420504700
Das Wort
hat jetzt der Kollege Klaus Brandner von der SPD-Frak-
tion.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1420504800
Sehr geehrter Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutige
Debatte über den Einzelplan 11 hat gezeigt: Die Sozial-
und Arbeitsmarktpolitik der Koalition ist auf einem guten
Weg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Ist gescheitert!)


Sie von der Opposition auf der rechten Seite dieses Hau-
ses haben in Form von Bierzeltreden die Arbeit der jetzi-
gen Regierungskoalition beklagt.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Sie sind wohl schon lange nicht mehr in einem Bierzelt gewesen! Die denken da anders!)


Sie haben es aber nicht für nötig gehalten, zur Regie-
rungskoalition zu sprechen. Sie haben sich nur an sich
selbst gewandt. Damit haben Sie sich selbst entlarvt. Das




Ekin Deligöz
20232


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waren nichts als Wahlkampfreden. Sie haben keine kon-
struktiven Beiträge geleistet.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik der Koalition ist
auf einem guten Weg,


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Auf dem Weg ins Jammertal!)


weil wir durch die große Rentenreform, durch die Reform
der Betriebsverfassung, durch die Neuordnung der Be-
hindertenpolitik und nicht zuletzt durch das Job-Aqtiv-
Gesetz Meilensteine gesetzt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU und der FDP)


Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Diese Reformen he-
ben sich kilometerweit von der einseitigen Politik der Vor-
gängerregierung ab; sie sind erfolgreich.

Ich will in diesem Zusammenhang nur an das Unwort
des Jahres 1997/98 – der Bundesarbeitsminister hat da-
rauf hingewiesen –


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie das Pfeifen im Walde!)


erinnern: Reformstau.

(Dirk Niebel [FDP]: Nachbesserung klingt auch nicht viel besser!)

Ein Markenzeichen unserer Koalition ist


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Der Problemstau!)


die Reform.

(Beifall bei der SPD)


Wenn die Menschen in der Vergangenheit das Wort Re-
form gehört haben, dann haben sie ganz schnell die Hände
auf die Taschen gelegt und die Portemonnaies geschlos-
sen, weil sie wussten: Wenn Sie von Reform reden, grei-
fen Sie ihnen in die Tasche; die Menschen verbanden mit
Reform Sozialabbau. Die Menschen hatten daher Angst
vor Reformen.


(Dirk Niebel [FDP]: Quatsch!)

Wir haben den Reformstau aufgelöst.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Ökosteuer, höhere Beiträge! Hören Sie bloß auf!)


Unsere sozialpolitische Strategie ist nicht einseitig; sie
verbindet vielmehr die notwendige Flexibilität für die Ar-
beitgeber mit dem sozialen Schutz der Arbeitnehmer.

Unsere Leitlinie der Reform ist Fördern und Fordern.
Mit dem Job-Aqtiv-Gesetz bieten wir individuell zuge-
schnittene Hilfen für Arbeitslose. Gleichzeitig fordern wir
aber auch Arbeitslose auf, für die Überwindung der Ar-
beitslosigkeit ihren Beitrag zu leisten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In der Sozialhilfe haben wir ebenfalls die ersten großen
Erfolge zu verzeichnen; denn bereits 400 000 Sozialhilfe-
empfänger gehen einer vom Sozialstaat geförderten Be-
schäftigung nach. Das ist die Hälfte derjenigen, die über-
haupt arbeitsfähig sind. Keiner kann sich einfach auf den
Sozialleistungen ausruhen. Unsere Politik greift.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Langzeitarbeitslosigkeit ist in nur drei Jahren ge-
genüber 1998 um etwa 230 000 – das sind 15 Prozent –
zurückgegangen.


(Dirk Niebel [FDP]: Weil die Älteren in Rente gegangen sind!)


Auch die Rehabilitation und die Behindertenpolitik gehen
wir zielgerichtet an.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Reden Sie doch mal über die Zukunft! Das ist doch wie das Pfeifen im Walde!)


Den Weg der Aktivierung treten wir offensiv an.
So weit möglich, wollen wir, dass die Teilhabe am Ar-

beitsleben gefördert wird. Zu diesem gesellschaftspoliti-
schen Konzept gehört es auch, die Wünsche der Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer mit zu berücksichtigen.
Der Trend zur Teilzeitarbeit ist in unserem Land nämlich
ungebrochen. Wer jetzt über den Rechtsanspruch auf Teil-
zeitarbeit klagt, vertritt einseitige Positionen;


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist falsch!)

denn der Arbeitgeber kann den Wunsch der Arbeitnehmer
ablehnen, wenn betriebliche Gründe dem entgegenstehen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Wer vertritt die Position der Frauen, die eingestellt werden wollen?)


Kleinbetriebe bis 15 Beschäftigte – das wissen Sie – sind
ohnehin ausgenommen. Fördern und Fordern – das sage
ich ausdrücklich – ist nur möglich, wenn auch die Arbeit-
geber ihren Beitrag leisten. Dazu fordere ich die Arbeit-
geber an dieser Stelle ausdrücklich auf.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es steht fest, dass von einer Überforderung bei einem
solch ausgewogenen Gesetz nun wahrlich keine Rede sein
kann. Viele Arbeitgeber nutzen die Angebote der neuen
Gesetze viel zu wenig. Das ist zwischenzeitlich klar ge-
worden. Denn mit dem Gesetz über Teilzeitarbeit und be-
fristete Arbeitsverhältnisse stehen flexible Instrumente
zur Verfügung, um zum Beispiel Überstunden abzubauen.
Diese Instrumente werden nicht genutzt. Ich appelliere an
die Opposition, die Arbeitgeber nicht beim Klagen und
Jammern zu unterstützen, sondern sie aufzufordern, den
Überstundenabbau endlich ernst zu nehmen und mitzu-
helfen, diesen sozialen Skandal zu beenden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Wer soll denn nach Ihren Gesetzen einstellen?)





Klaus Brandner

20233


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(A)



(B)


Im Job-Aqtiv-Gesetz gibt es zahlreiche Elemente, die
geeignet sind, Entlassungen zu vermeiden oder zumin-
dest ihre Zahl zu verringern. Beschäftigungspläne statt
Sozialpläne muss das politische Ziel sein. Statt Ent-
lassungsankündigungen sollten gemeinsame Lösungen
der Tarifvertragsparteien auf der Tagesordnung stehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vorbildlich waren die Tariffonds zur betrieblichen Al-

tersversorgung. Vorbildlich ist auch der Tarifvertrag bei
VW – 5 000 mal 5 000 –, der jetzt unter Dach und Fach
ist.


(Dirk Niebel [FDP]: Was hat denn der Herr Zwickel dazu gesagt?)


Ich würde es sehr begrüßen, wenn das Bündnis für Arbeit
auf oberster Ebene noch einmal ein positives Signal für
die Beschäftigungsförderung setzen würde. Beschäfti-
gungssicherung und Qualifizierung sind jetzt auch im
Betriebsverfassungsgesetz verankert. Das ist kein Ballast,
meine Damen und Herren von der Opposition, sondern
das ist eine Chance; das ist kein Bremsklotz, sondern ein
guter Standortvorteil in unserem Land.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Das Schlimme ist, dass er das glaubt!)


Die Wirkungen der Sozialpolitik hängen auch von ih-
rer Finanzierung ab. Wir haben die beitragsfinanzierten
Leistungen gebremst, um schädliche Rückwirkungen auf
den Arbeitsmarkt zu vermeiden. Wir halten an dem Kurs
fest, die Beiträge so weit wie möglich zu senken.


(Dirk Niebel [FDP]: Das wird doch alles auf die Bundesanstalt für Arbeit verlagert!)


Immerhin ist der Beitragssatz zurRente bei 19,1 Prozent
gehalten worden. Ohne unsere Rentenreform wäre der
Beitragssatz bei fast 22 Prozent geblieben, wie es
während Ihrer Regierunszeit der Fall war.


(Peter Dreßen [SPD]: Und wir hätten eine noch niedrigere Rente!)


Hätten wir Ihre Forderungen umgesetzt – Stichwort Öko-
steuer, Stichwort 630-DM-Jobs –, dann lägen wir heute
bei einem Rentenversicherungsbeitrag von 24 Prozent.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Ist doch gar nicht wahr!)


Das ist aus meiner Sicht ein Zeugnis absoluter Regie-
rungsunfähigkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: „Wenn“ und „hätte“! Das ist ja fürchterlich!)


Sie von der Opposition haben Erfahrungen im Ab-
bruch, wir haben Ideen zum Aufbau. Mit Ihren Rezepten
sind Sie in der Vergangenheit gescheitert. Bei Ihnen ist die
Arbeitslosigkeit drastisch gestiegen. Die Steuern wurden
erhöht, die Sozialkosten allein in den 90er-Jahren um
6,5 Prozent, und das bei einem gleichzeitigen deutlichen
Abbau der Leistungen. Ihre Rezepte sind Gift für die
Menschen in unserem Land.

Deshalb werden sie im Übrigen nicht nur von uns ab-
gelehnt. Norbert Blüm, Ihr langjähriger Sozialpolitiker,
ein erfahrener Sozialpolitiker, hatte Recht, als er auf dem
Mitte des Jahres stattgefundenen CDA-Bundeskongress
von Ihrer Konzeptionslosigkeit sprach und wörtlich sagte:

Die Sozialstaatskommission der CDU dämmert seit
über drei Jahren vor sich hin. Außer ein paar Blähun-
gen ihres Vorsitzenden Christian Wulff habe ich noch
nicht viel Brauchbares gehört.

Dem ist nichts hinzuzufügen!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Im Übrigen haben Sie, Herr Seehofer, gerade auch in

das Kapitel Blähungen eingestimmt. Sie fordern zum Bei-
spiel, dass Arbeitsverhältnisse bis 2 500 DM durch eine
20-prozentige Zulage gefördert werden sollen. Allein die-
ses Fördervolumen bedeutet 24 Milliarden zusätzliche
Ausgaben. Bei den Schuldenlasten, die Sie uns hinterlas-
sen haben, sollten Sie solche unqualifizierten Vorschläge
nicht machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [FDP]: Das ist zwar ein bisschen zu clever für Sie, aber das funktioniert!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420504900
Kommen
Sie bitte zum Schluss.


Klaus Brandner (SPD):
Rede ID: ID1420505000
Ja. Zum Schluss: Unsere ver-
antwortungsvolle Haushaltspolitik zeigt sich darin, dass
wir die konjunkturbedingten Mindereinnahmen und
Mehrausgaben am Arbeitsmarkt solide gegenfinanzieren.
Die Bundesanstalt für Arbeit erhält in diesem Jahr wie-
derum einen Zuschuss von 2 Milliarden Euro, damit sie
ihren Aufgaben auch in schwierigen Zeiten gerecht wer-
den kann. Die Ausgaben für aktive Arbeitsmarktpolitik
bleiben bei 22,5 Milliarden Euro konstant. Die Arbeits-
ämter können darüber, wie Sie wissen, weitgehend selbst-
ständig entscheiden. Auf der Basis des Job-Aqtiv-Geset-
zes werden Brücken in den ersten Arbeitsmarkt gebaut
werden.

Unsere solide Konsolidierungspolitik werden wir bei-
behalten und fortsetzen. Eine Verstetigung und Verläss-
lichkeit der Politik ist das neue Markenzeichen dieser Re-
gierung. Das gilt für die Sozialpolitik und für die Politik
insgesamt. Ich darf unserem Bundesarbeitsminister, unse-
rer Haushälterin Konstanze Wegner – ihr ist bereits ge-
dankt worden – und meiner Fraktion dafür danken, dass
sie diesen Weg des Konsolidierungskurses geschlossen
mitgehen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420505100
Ich
schließe die Aussprache.




Klaus Brandner
20234


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 11,
Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, in der
Ausschussfassung. Es liegen drei Änderungsanträge der
Fraktion der PDS vor, über die wir zuerst abstimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
14/7670? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktio-
nen bei Zustimmung der PDS-Fraktion abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
14/7671? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Än-
derungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei
Zustimmung der PDS abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
14/7673? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch die-
ser Änderungsantrag ist mit gleichem Stimmenverhältnis
abgelehnt.

Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Einzelplan 11 in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 11 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge-
gen die Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen.

Wir kommen unter Tagesordnungspunkt I Nr. 21 a zur
Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD und
des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Gesetzent-
wurf zur Bestimmung der Schwankungsreserve in der
Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten,
Drucksache 14/7284. Der Ausschuss für Arbeit und So-
zialordnung empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussem-
pfehlung auf Drucksache 14/7598, den Gesetzentwurf
anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf
zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist in zweiter
Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge-
gen die Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen.

Wir kommen zur
dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Ge-
genstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der übrigen Fraktionen angenommen.

Wir kommen unter Tagesordnungspunkt I Nr. 21 b zur
Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Aus-
schusses für Arbeit und Sozialordnung zu dem Antrag der
Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/7292 mit dem
Titel: Keine systemwidrigen Eingriffe bei der Schwan-
kungsreserve. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner
Beschlussempfehlung auf Drucksache 14/7598, den An-
trag abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh-
lung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.22 und I.24 auf:
I. 22 Einzelplan 09

Bundesministerium fürWirtschaft und
Technologie
– Drucksachen 14/7309, 14/7321 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Manfred Hampel
Dankward Buwitt
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

I. 24 Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Feststellung des Wirtschaftsplans des

(ERPWirtschaftsplangesetz 2002)

– Drucksache 14/7259 –

(Erste Beratung 198. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)

– Drucksache 14/7608 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dagmar Wöhrl

Zum Einzelplan 09 liegen je zwei Änderungsanträge
der Fraktion der CDU/CSU, der Fraktion der FDP und der
Fraktion der PDS vor. Über einen Änderungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU werden wir später namentlich ab-
stimmen. Weiterhin liegt ein Entschließungsantrag der
Fraktion der FDP vor, über den wir am Freitag abstimmen
werden.

Zu Tagesordnungspunkt I.24 liegt ein Entschließungs-
antrag der Fraktion der PDS vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Sind Sie da-
mit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das so be-
schlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Dankward Buwitt von der CDU/CSU-Fraktion
das Wort.


Dankward Buwitt (CDU):
Rede ID: ID1420505200
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! „Ich mache mir Sorgen um die
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft“ –
Herr Minister Müller, das ist eine späte Einsicht. Wir sa-
gen das schon länger. Bei dieser Feststellung von Ihnen
sind wir einer Meinung.

Alle Akteure der Volkswirtschaft – die Wirtschafts-,
Steuer-, Sozial- und Arbeitsmarktpolitik – müssen inno-
vativ zusammengreifen, um unsere wichtigste Aufgabe,
die deutliche Senkung der Arbeitslosenzahlen, zu er-
reichen. – Dies wiederum ist ein Zitat aus der Regierungs-
erklärung des Kanzlers Schröder von vor drei Jahren.

Zwar will ich die Zahl der Übereinstimmungen mit
Minister Müller nicht inflationieren, aber ich bin genau
wie Sie der Meinung, dass die Bundesregierung all diese
Ziele verfehlt hat.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben der alten Bundesregierung Reformstau vor-

geworfen, den Sie durch den als Wahlkampfgremium be-
nutzten Bundesrat jedoch selbst verursacht haben. Nun,
nach drei Jahren Ihrer Regierungszeit, müssen Sie sich




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

20235


(C)



(D)



(A)



(B)


durch das Jahresgutachten 2001/2002 des Sachverständi-
genrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung völlig zu Recht Ihre verpassten Reform-
chancen aufzeigen lassen.

Der Bundeskanzler hat dieses Sachverständigengut-
achten gestern in der Debatte sehr gelobt. Allerdings stelle
ich mir die Frage, ob er es überhaupt richtig gelesen hat.
Pikanterweise ist nämlich eines der zentralen Kapitel in
diesem Gutachten – es umfasst zehn Seiten – mit dem Ti-
tel „Verpasste Reformchancen“ versehen. Viel verheeren-
der hätte das Gutachten für die Bundesregierung nicht
ausfallen können.

Das ganze Jahr über – nicht erst seit dem 11. Septem-
ber – haben Sie die Wachstumszahlen korrigiert. Mit ei-
nem prognostizierten Wachstum von nur 0,6 Prozent in
diesem und von nur 0,7 Prozent im nächsten Jahr bildet
Deutschland das Schlusslicht in der Europäischen Union.
Es gab unter Helmut Schmidt Zeiten, in denen die Sozial-
demokraten das Wort Minuswachstum erfanden. Ich bin
gespannt, welche Wortschöpfung sich die Sozialdemo-
kratie unter Gerhard Schröder für diesen Zustand einfal-
len lässt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Rote Null!)


Es wurde argumentiert, dass die USA an dem schwa-
chen Wachstum in Deutschland schuld seien,


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Immer die anderen!)


dass sie nur wieder schnell auf den alten Wachstumspfad
zurückkehren müssten, damit es auch in Deutschland wie-
der aufwärts gehe. Diese Argumentation ist falsch. Der
Export ist dank der Euro-Schwäche nach wie vor recht
gut, aber die Binnenkonjunktur lahmt stärker als in allen
anderen europäischen Ländern, und zwar selbstverschul-
det. Ich mutmaße allerdings, dass einige derer, die diese
Forderung bezogen auf die USA lautstark erheben, vor
noch gar nicht so langer Zeit „Ami go home“ an die
Wände gesprüht haben.

Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung
bei Übernahme der Regierungsverantwortung gesagt: Wir
machen dieses Land wieder zu einem Bewegungsort. Im
vom Kanzler zu Recht gelobten Sachverständigengutach-
ten steht dazu:

Es war daher bereits ein Fehler, dass die jetzige Bun-
desregierung das Wenige an Deregulierung des Ar-
beitsmarktes, das die Vorgängerregierung zustande
gebracht hatte, glaubte rückgängig machen zu müs-
sen. Noch enttäuschender ist, dass dieser Weg hin zu
einer intensiveren Regulierung fortgesetzt wurde:
mittels verschärfter Bedingungen für befristete Be-
schäftigungsverhältnisse, durch die Einführung ei-
nes Rechtsanspruchs auf Teilzeitarbeit und über eine
deutliche Ausweitung der Arbeitnehmermitbestim-
mung in Betrieben. Wir

– der Sachverständigenrat –
hatten aus gesamtwirtschaftlichen Überlegungen he-
raus davor gewarnt, leider vergeblich.

Besser, als es in diesem Gutachten ausgedrückt worden
ist, kann man die Politik dieser Regierung gar nicht
beschreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Als neu berufener Wirtschaftsminister hat es sich Herr

Müller gefallen lassen, dass die Grundsatzabteilung des
Wirtschaftsressorts dem Finanzminister zugeordnet blieb.
Die Wirtschaftspolitik hat sich der Fiskal- und Sozialpo-
litik unterzuordnen. So haben wir einen Wirtschaftsmi-
nister, der in dieser wirtschaftlich so schwierigen Zeit am
Kabinettstisch keine Rolle spielt. Die Wirtschaft und da-
mit die arbeitenden und arbeitssuchenden Menschen
brauchen jedoch eine starke Lobby.


(Zuruf von der SPD: Mit Lobby kennst du dich ja aus!)


Die Entscheidungen dürfen nicht danach getroffen wer-
den, was gut für die Gewerkschaften ist, sondern danach,
was gut und richtig für die Arbeitnehmer, die Unterneh-
men und damit für Deutschland ist.

Sie haben die Rahmenbedingungen für die Arbeits-
plätze systematisch verschlechtert und sind deshalb auf
die konjunkturell schwache Zeit, die wir im Moment ha-
ben, am schlechtesten in Europa vorbereitet. Sie nennen
die eklatanten Verschlechterungen der Rahmenbedingun-
gen ihre sozialen Errungenschaften. Ihnen ist nicht klar
– das ist Ihr alter, grundsätzlicher Fehler –, dass nur das
verteilt werden kann, was erwirtschaftet worden ist. Wenn
Sie nicht endlich begreifen, dass Sie handeln müssen,
dann laufen wir Gefahr, aus der Rezession direkt in die
Depression zu gleiten.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Eine Politik der roten Laterne ist das! – Dr. Ditmar Staffelt [SPD]: Das würde der Berliner CDU entsprechen: von der Rezession in die Depression!)


Anfangs hat Bundeskanzler Schröder den Aufbau Ost
zur Chefsache erklärt. In diesem Sommer hat er eine Reise
durch die neuen Bundesländer gemacht, aber anscheinend
ohne die Probleme dort zu erkennen. Sonst wäre ihm auf-
gefallen, dass sich die Kluft zwischen Ost und West in
Fragen der Wirtschaftsentwicklung, der Arbeitslosigkeit
sowie bezogen auf die Angleichung der Lebensbedingun-
gen nicht weiter verkleinert hat, sondern wieder größer
geworden ist.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Schlimme Entwicklung!)


Es ist verständlich, dass der Aufbau Ost Herrn Schröder
bei seiner Rede kein Wort wert war. Er hätte sonst näm-
lich erklären müssen, warum zum Beispiel die Unterstüt-
zung der neuen Bundesländer durch die GA Ost im Zeit-
raum von 1998 bis 2002 fast halbiert worden ist.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Skandal!)


Leider haben Sie unsere Minimalforderung, die GA
Ost wenigstens auf dem Vorjahresniveau zu halten, abge-




Dankward Buwitt
20236


(C)



(D)



(A)



(B)


lehnt. Sie können diesen Fehler aber durch Ihre Zustim-
mung am heutigen Tag korrigieren.

Finanzminister Eichel hat in seiner Rede behauptet,
von der CDU/CSU sei während der Haushaltsberatungen
nicht ein einziger Antrag auf Ausgabenkürzung gestellt
worden. Das ist schlicht und einfach unwahr. Wir haben
zum Beispiel beantragt, die 179 Millionen Euro – immer-
hin ungefähr 360 Millionen DM – für die zusätzliche
EXPO-Finanzierung, die der ehemalige Ministerpräsi-
dent von Niedersachsen dem jetzigen zugeschoben hat, zu
streichen.

Wie ich Ihnen schon vorhin bei meinem Zitat aus der
Regierungserklärung des Bundeskanzlers vor Augen ge-
führt habe, war eine stärkere Beteiligung des Bundes an
den Kosten von Auslandsmessen sogar explizit in der Re-
gierungserklärung erwähntes Ziel der Regierung. Ich
frage mich nur, warum Sie dann diese Beiträge seit Be-
ginn Ihrer Regierungszeit kontinuierlich senken. 1998 be-
lief sich die Ist-Ausgabe noch auf 38 Millionen Euro, um-
gerechnet ungefähr 76 Millionen DM. In der mittel-
fristigen Finanzplanung sehen Sie für die nächsten Jahre
nur noch ganze 27 Millionen Euro für die Auslandsmes-
seförderung vor.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was?)

Dies ist keine Unterstützung kleiner und mittlerer Unter-
nehmen für deren Marktauftritt im Ausland!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Was ist aus der in der Regierungserklärung von vor drei
Jahren als Schwerpunkt Ihrer Wirtschaftspolitik bezeich-
neten Förderung von Forschung, Entwicklung und Inno-
vationen im Mittelstandsbereich geworden? Was hatten
Sie nicht alles versprochen! Schwerpunkt sollte sie sein,
die Ausgaben sollten sich verdoppeln und mit 150 Milli-
onen Euro jährlich sollte der Wirtschaftshaushalt von der
Innovationsmilliarde profitieren.

Vergleicht man die Ist-Zahlen von 1998 mit den Ansät-
zen für 2002 für alle relevanten Titel, dann stellt man fest,
dass nicht 150 Millionen Euro mehr, nicht 100 Milli-
onen Euro mehr und auch nicht 50 Millionen Euro mehr,
sondern 65 Millionen Euro weniger für diese wichtige
Aufgabe zur Verfügung gestellt werden. Dabei ist natür-
lich zu befürchten, dass angesichts der durch Ihre Ver-
handlungen während der Haushaltsberatungen vorgenom-
mene Verdopplung der pauschalen Minderausgaben noch
mit weiteren Kürzungen bei der Forschungsförderung zu
rechnen ist. So fördern Sie keine Wirtschaft und so schaf-
fen Sie auch keine Arbeitsplätze.

Was die Wirtschaft in Deutschland – und hier ganz be-
sonders die kleinen und mittleren Betriebe – dringender
als je zuvor braucht, ist:

Erstens. Die Wirtschaftspolitik muss wieder ein Ge-
wicht am Regierungstisch bekommen. Sie darf nicht fis-
kalischen oder gewerkschaftlichen Gesichtspunkten un-
tergeordnet werden.

Zweitens. Sie braucht eine zeitnahe steuerliche Entlas-
tung und keine Versprechungen für das Jahr 2005.

Drittens. Sie braucht eine sofortige Befreiung von un-
nötigen bürokratischen Hemmnissen und flexiblere Mög-
lichkeiten der Arbeitszeitgestaltung.

Viertens. Sie braucht eine Erleichterung für kleine Be-
triebe in Bezug auf Kündigungsmöglichkeiten, weil dies
die Voraussetzung für neue und für mehr Einstellungen
ist.

Fünftens. Sie braucht ein unternehmerfreundliches
Klima für mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Schlauch hat gestern die Opposition aufgefordert,

Deutschland nicht schlecht zu reden. Meine Damen und
Herren, das Schlechtreden ist nicht das Problem. Unser
wahres Problem ist, dass Deutschland durch Ihre Politik
in einer so schlechten Lage ist. Wir brauchen eine Umkehr
der Politik. Dies wird Rot-Grün zum großen Schaden für
Deutschland leider nicht schaffen.

Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420505300
Das Wort
hat jetzt der Kollege Manfred Hampel von der SPD-Frak-
tion.


Manfred Hampel (SPD):
Rede ID: ID1420505400
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Durch die Abschaffung des Kohlepfen-
nigs und die Finanzierung aus dem Bundeshaushalt ist die
Situation für den Einzelplan des Bundeswirtschaftsminis-
ters unverändert schwierig. Einerseits muss natürlich
auch dieser Einzelplan seinen Beitrag zur Erreichung des
Konsolidierungsziels eines ausgeglichenen Haushalts bis
zum Jahre 2006 leisten; ich gebe Ihnen Brief und Siegel
darauf, dass wir dieses Ziel erreichen werden. Anderer-
seits ist durch den hohen Anteil der vertraglich vereinbar-
ten Steinkohlezuwendungen – wir stehen ohne Wenn und
Aber zu dieser vertraglichen Vereinbarung, da gibt es kein
Vertun – ein erheblicher Teil des BMWi-Haushalts ge-
bunden und bietet keine Einsparungspotenziale. Trotz
oder – besser gesagt – wegen dieser schwierigen Aus-
gangslage haben wir im Einzelplan deutliche Verbesse-
rungen vorgenommen, und zwar ohne dafür den Gesamt-
haushalt auszuweiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ImGegenteil: Der Etat des Bundes konnte um 300Mil-
lionen Euro gesenkt und die Nettokreditaufnahme von
21,1 Milliarden Euro beibehalten werden. Das ist wieder
ein guter Schritt auf dem Weg zu einem ausgeglichenen
Haushalt im Jahr 2006. Obwohl das Volumen imHaushalt
sinkt, konnten in einigen Ressorts durch den Einsatz von
Zinsersparnissen aus dem Verkauf der UMTS-Lizenzen
wiederum Verbesserungen in den Bereichen Infrastruktur
– Schiene und Straße –, Forschung und Bildung, Energie-
forschung, Gebäudesanierung und CO2-Minderung er-reicht werden.Auch für das Jahr 2003 ist und bleibt die Fi-
nanzierung der genannten Vorhaben beschlossene Sache.




Dankward Buwitt

20237


(C)



(D)



(A)



(B)


Das ist erneut ein wichtiger Beitrag, um deutlich zu
machen, dass Sparen kein Selbstzweck ist, sondern mit
der Rückführung und dem Abbau von Schulden wieder fi-
nanzielle Spielräume geschaffen werden, die Handlungs-
optionen ermöglichen und damit Gestaltungsspielräume
in einem Haushalt eröffnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers haben wir
in den parlamentarischen Beratungen Verbesserungen in
einem Gesamtumfang von 217,6 Millionen Euro erzielen
können. Rechnet man die Erhöhung der globalen Minder-
ausgabe von 21,2 Millionen Euro dagegen, bleibt immer
noch ein Saldo von 196,4 Millionen Euro mehr.

Ein Wort zur globalen Minderausgabe. Mich wundert,
dass der Kollege Buwitt nicht darauf eingegangen ist. Ich
war eigentlich sicher, dass die Opposition darauf herum-
reiten würde. Auch mir gefällt es nicht, dass sie wegen der
Forderungsausfälle im BTU-Programm auf 41,2 Milli-
onen Euro erhöht werden musste. Sie bleibt aber damit im-
mer noch um rund 5 Millionen Euro niedriger als im letz-
ten Haushalt.

Wenn Sie diese Höhe stören sollte, meine Damen und
Herren von der CDU/CSU- und von der FDP-Opposition,
dann empfehle ich Ihnen, sich die GMA in diesem Haus-
halt im Vergleich zu den letzten Jahren anzusehen, in de-
nen Sie die Regierungsverantwortung getragen haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte ein paar Zahlen nennen, die ich wegen der
Vergleichbarkeit in Eurowerte umgerechnet habe. Noch ein-
mal zur Erinnerung: Bei uns beträgt die globale Minderaus-
gabe im Jahr 2002 41,2Millionen Euro. Wie sieht es bei Ih-
nen aus? Im Jahr 1996 betrug sie 63,9 Millionen Euro, das
Eineinhalbfache, 1997: 134,4 Millionen Euro, mehr als das
Dreifache, 1998 – im sicherlich für lange Zeit letzten Jahr
Ihrer Regierungsverantwortung –: 104,6 Millionen Euro,
immer noch das Zweieinhalbfache. Sie sollten also bei die-
sem Thema ganz ruhig sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Beim Kohlekompromiss ist es der Bundesregierung
gelungen, diesen für die Restlaufzeit des EGKS-Vertrages
abzusichern. Es ist davon auszugehen, dass eine neue EU-
Regelung die Umsetzung des Kohlekompromisses bis
2005 ermöglichen wird. Damit kann und wird die im
Jahre 1997 geschlossene Vereinbarung konsequent umge-
setzt. Ich führe dies nur kurz an, weil seitens der
CDU/CSU- und FDP-Opposition in den Diskussionen
dieser Kompromiss immer wieder infrage gestellt wird,
obwohl die Vereinbarung unter Ihrer Regierungsverant-
wortung geschlossen wurde. Aber so ist es: Kaum sind Sie
in der Opposition, wollen Sie Ihre eigenen Vereinbarun-
gen nicht mehr kennen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auf einige einzelne Veränderungen, die wir im Laufe
der parlamentarischen Beratungen beschlossen haben,
gehe ich im Detail ein. Für die Förderung des Absatzes
ostdeutscher Produkte, auch für die Inlandsmesseförde-
rung, haben wir den Baransatz von 9 auf 10 Millio-
nen Euro erhöht. Wir haben dies für notwendig erachtet,
da ostdeutsche Produkte und Dienstleistungen hinsicht-
lich ihres Anteils am gesamtdeutschen Absatz noch im-
mer einen erheblichen Nachholbedarf haben. Insofern ha-
ben wir für die ostdeutschen Anbieter den wichtigen
Faktor Inlandsmessen gestärkt. Das gilt übrigens auch für
den Bereich Auslandsmesseförderung, den wir um 4 Mil-
lionen Euro auf 33,4 Millionen Euro erhöht haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Mittel für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben
im Bereich der erneuerbaren Energien haben wir im Um-
fang von 20 Millionen Euro erhöht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Damit ist wiederum ein wichtiger Beitrag zum Ausstieg
aus der Kernenergie und zur stärkeren Nutzung alterna-
tiver Energiequellen geleistet worden.

Im gleichen Zusammenhang steht die Erhöhung der
Mittel für das Marktanreizprogramm für regenerative
Energiequellen um 100 Millionen Euro.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dieses Programm ist in den vergangenen zwei Jahren so
stark angenommen worden, dass die im Haushaltsentwurf
2002 eingestellten 100 Millionen Euro nie ausgereicht
hätten, um die enorme Nachfrage zu befriedigen. Im Übri-
gen ist dies wieder ein Beleg dafür, dass sich unsere Pro-
gramme als zukunftssicher, innovativ und beschäfti-
gungswirksam erweisen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich hoffe, dass die nunmehr bereitgestellten 200 Milli-
onen Euro ausreichen, die Förderanträge zufrieden stel-
lend zu bedienen. Der Run auf diese Programme zeigt
doch, welches enorme Nachholpotenzial im Bereich der
erneuerbaren Energien steckt. Unter Ihrer Regierung,
meine Damen und Herren von der rechten Seite, wären
dieses Potenzial und die damit verbundenen Arbeitsplätze
nie geschaffen worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Manfred Grund [CDU/CSU]: Ihr seid ja von den eigenen Worten besoffen! Das ist ja unglaublich!)


Erwähnenswert ist auch, dass wir innerhalb dieses Ti-
tels die Gewinnung von Energie aus Biomasse bis zu ei-
ner Höhe von 35 Millionen Euro fördern. Sollte sich der
Bedarf als höher erweisen, gehe ich davon aus, dass im
Haushaltsvollzug die entsprechenden Prioritäten gesetzt
werden. Das kann nur ein Appell an den Bundeswirt-
schaftsminister sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Manfred Hampel
20238


(C)



(D)



(A)



(B)


Im Bereich der neuen elektronischen Medien haben
wir die Barmittel um 3 Millionen Euro erhöht, damit die
Fortführung des Programms „Internet für alle“ gesichert
ist. Diese Aktion hat sich im laufenden Haushaltsjahr als
überaus erfolgreich erwiesen. Es sollen auch im kom-
menden Jahr alle gesellschaftlichen Gruppen bürgernah
und umfassend über die neuen Informations- und
Kommunikationstechniken, insbesondere über den Um-
gang mit dem Internet, informiert werden können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Maßnahmen erfolgen weiterhin unter Einbeziehung
und in enger Abstimmung mit den Aktivitäten der Wirt-
schaft und anderer gesellschaftlicher Gruppen.

Für die Forschungsförderung haben wir insgesamt
23,3 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt. Davon sind
2 Millionen Euro für die industrielle Gemeinschaftsfor-
schung. 1,5 Millionen Euro sind für die Sicherheitsfor-
schung im Bereich kerntechnischer Anlagen gedacht.
10Millionen Euro sind für Forschung und Entwicklung in
den neuen Bundesländern. 7 Millionen Euro sind für die
indirekte Förderung der Forschungszusammenarbeit und
der Unternehmensgründungen gedacht. Nicht zuletzt
werden 2,8Millionen Euro für das neue Programm „Netz-
werkmanagement-Ost“, kurz NEMO genannt, bereitge-
stellt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit wird die Forschungsförderung auf einem hohen
Niveau insbesondere in den neuen Ländern fortgeführt.

Durch den neuen Förderwettbewerb „Netzwerkma-
nagement-Ost“ soll in den neuen Bundesländern die Bil-
dung von innovativen Netzwerken durch die Förderung
sachkompetenter technologischer und betriebswirtschaft-
licher Managementleistungen unterstützt werden. Es sol-
len leistungsfähige Netzwerke angestoßen werden, wie
sie bereits in den alten Bundesländern wirksam sind. Sol-
che Netzwerke bieten gerade kleinen und vorwiegend
jungen innovativen Unternehmen die notwendigen Kos-
tenvorteile und Marktchancen für ihre Forschungs- und
Entwicklungsarbeit. Nur im Rahmen solcher Netzwerke
sind sie in der Lage, die zunehmende Nachfrage nach Sys-
temlösungskompetenz zu decken.

Für die Forschung zur Sicherung kerntechnischer An-
lagen gegen terroristische Übergriffe sind im Rahmen der
Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Terroris-
musbekämpfung ergriffen worden sind, 5 Millionen Euro
im Einzelplan 60 bereitgestellt.

Das ERP-Sondervermögen hat sich in den letzten
Jahren zum zentralen und erfolgreichen Element der fi-
nanziellen Mittelstandsförderung des Bundes entwickelt.
Mit seinem Förderangebot setzt Deutschland vor allem
auch dank der ERP-Förderung Maßstäbe in Europa. Des-
halb werden auch im kommenden Jahr die bewährten
ERP-Programme für Existenzgründer sowie die Pro-
gramme für bestehende und wachsende Unternehmen auf
einem bedarfsgerecht hohen Niveau fortgeführt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Wirtschaftsplan 2002 des ERP-Sondervermögens
stehen 5 Milliarden Euro für ERP-Kredite und Beteili-
gungskapital zur Verfügung. Weiterhin enthält der ERP-
Wirtschaftsplan 2002 die Ermächtigung, im Rahmen des
Programms „Beteiligungskapital für kleine Technolo-
gieunternehmen“ ein mobilisiertes Eigenkapital von
rund 1 Milliarde Euro bereitzustellen.

Der vorliegende ERP-Wirtschaftsplan 2002 zeigt auch
erneut, dass wir auf die speziellen Finanzierungsprobleme
von Existenzgründern und mittelständischen Unterneh-
men in den neuen Ländern in besonderem Maße eingehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Knapp die Hälfte der finanziellen Fördermittel aus dem
ERP-Plan von rund 5 Milliarden Euro kann bei Bedarf
von dortigen Unternehmen in Anspruch genommen wer-
den. Die ERP-Förderung bleibt damit ein stabiles und ver-
lässliches Instrument für Gründer und mittelständische
Unternehmen in Deutschland.

Auch die Mittel für die Förderung des A 380 wurden
aus dem Bundeshaushalt in das ERP-Sondervermögen
verlagert. Dagegen ist im Prinzip nichts einzuwenden.
Wir hatten jedoch bei der im letzten Haushaltsjahr gefun-
denen Lösung eines direkten Darlehens aus dem Bundes-
haushalt diese Mittel qualifiziert gesperrt, um unseren
parlamentarischen Einfluss darauf zu sichern, wie und in
welchem Umfang Zulieferer aus den alten und den neuen
Bundesländern an diesem Programm partizipieren.

Mit der Verlagerung in das ERP-Vermögen ist dieser
parlamentarische Einfluss dahin. Stattdessen ist nun
die Bundesregierung aufgefordert, diese Aufgabe wahr-
zunehmen und dem Haushaltsausschuss periodisch über
die erreichten Ergebnisse zu berichten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir erwarten von diesem Programm eine direkte, nach-
haltige Beschäftigungswirkung von 15000 bis 16 000 Mit-
arbeitern bei der EADS und den circa 600 Zulieferfirmen.
Wir erwarten aber auch von der EADS, dass sie den An-
teil der Zulieferungen aus den neuen Bundesländern wei-
ter erhöht. Ob und wie dies geschieht, muss Inhalt der
künftigen Berichte der Bundesregierung sein.

Für die Werftindustrie haben wir vorsorglich eine
qualifiziert gesperrte Verpflichtungsermächtigung in
Höhe von 24Millionen Euro eingestellt, da auf EU-Ebene
über eine Wiederaufnahme der Wettbewerbshilfe für
Schiffswerften erst in der kommenden Woche entschieden
wird, also zu einem Zeitpunkt, an dem unsere ab-
schließende Beratung des Haushaltes 2002 bereits statt-
gefunden hat. Für den Fall einer positiven Entscheidung
ist es ein formaler Akt, die qualifizierte Sperre Anfang
kommenden Jahres aufzuheben.

Den Antrag der CDU/CSU-Fraktion werden wir natür-
lich ablehnen. Ich sage Ihnen auch gleich, warum.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Schon allein, weil er von uns kommt!)





Manfred Hampel

20239


(C)



(D)



(A)



(B)


Erstens geht er von Beträgen aus, die durch nichts un-
terlegt sind. Die von uns eingestellte Verpflichtungser-
mächtigung basiert auf Zahlen, die wir in intensiven Ge-
sprächen mit der Werftindustrie abgestimmt haben.

Zweitens. Sie wollen den Bund-Länder-Anteil wieder
auf 50:50 setzen. Dabei haben Sie selbst den Anteil zu-
gunsten des Bundes verändert, obwohl der Wertschöp-
fungsanteil schon damals bei mehr als zwei Dritteln im
Bereich der Zulieferindustrie lag.

In Ihrem Antrag sprechen Sie von Bayern und Baden-
Württemberg. Haben Sie schon einmal mit Ländern da-
rüber gesprochen? Hierfür sind vorab intensive Bund-
Länder-Gespräche notwendig. Ich gehe davon aus, dass
Sie diese natürlich nicht geführt haben.

Drittens. Wenn Sie es mit dieser Sache wirklich ernst
meinen, dann starten Sie doch über die Länder Bayern und
Baden-Württemberg, die sich bisher nicht an den Lasten
beteiligt haben, gemäß Ihrem Antrag aber vorwiegend
durch die Wertschöpfung von den Küstenländern profitie-
ren, eine Bundesratsinitiative, die deren prozentualen An-
teil angemessen berücksichtigt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin sehr neugierig, wie erfolgreich Ihre Bemühungen
sein werden. Sie können aber nicht im Ernst daran glau-
ben, dass wir einen derart unseriösen Antrag unterstützen.

Für die künftigen Jahre ist es notwendig, sich unab-
hängig von der Entscheidung der EU dazu Gedanken zu
machen, wie die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und
europäischen Werftindustrie gegenüber den Billiganbie-
tern aus Fernost gesichert werden kann.

In den technisch hochwertigen Schiffen aus Europa
steckt ein hohes Maß an Forschungskapazität, welches
von der Werftindustrie fast ohne jede Förderung erbracht
wird. Andere Industriezweige wie die Automobil- oder
die Computerindustrie partizipieren in einem wesentlich
höheren Maße von Forschungsförderung als der Schiff-
bau, bei dem fast jedes Schiff ein Prototyp ist.

Ich fordere deshalb die Bundesregierung ausdrücklich
auf, tragfähige und einfache Förderkriterien zu definieren,
die einen unkomplizierten und schnellen Zugang auch
dieses Industriezweiges zu den Fördermitteln ermögli-
chen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Da es sich ausschließlich um anwendungsorientierte For-
schung handelt, sollte eine Etatisierung im Bereich des
Bundeswirtschaftsministers erwogen werden.

Im Bereich Außenwirtschaftsförderung haben wir
sowohl bei den Auslandmessen als auch bei den Außen-
handelskammern den Etat erhöht. Die Auslandmessen
werden damit in einem Umfang gefördert, der ungefähr
dem Ist dieses Jahres entspricht. Bei den Außenhandels-
kammern ist diese Förderung mit 34 Millionen Euro so-
gar ein wenig höher als in diesem Jahr.

Für die Erstellung von Projektstudien zur Vorbereitung
des Engagements von kleinen und mittleren Unternehmen
im Ausland sollen 1 Million Euro zielgerichtet eingesetzt
werden. Dabei sind insbesondere solche Projekte förde-
rungswürdig, die ein hohes Potenzial für spätere deutsche
Zulieferungen und Investitionen aufweisen.

Die CDU/CSU-Fraktion hat für die Gemeinschaftsauf-
gabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“
einen Antrag auf Erhöhung der Mittel gestellt, den ich un-
ter der Rubrik „Populismus“ ablege und den wir natürlich
ablehnen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Mittel sind zur Hälfte durch die Länder kofinanziert.
Eine einseitige Erhöhung ohne Abstimmung mit den Län-
dern, insbesondere mit den neuen Ländern, die mit der Ko-
finanzierung Probleme haben, macht wirklich keinen Sinn.


(Beifall des Abg. Hans Georg Wagner [SPD])

Herr Präsident, meine Damen und Herren, da ich dem

neuen Bundestag nicht mehr angehören werde, war dieser
Haushalt mein letzter ordentlich beratener Haushalt. An
den Beratungen über den Haushalt des Bundeswirt-
schaftsministers habe ich in den letzten acht Jahren teil-
genommen; wie erfolgreich oder weniger erfolgreich dies
war, müssen letztlich andere beurteilen.

In diesem Jahr können wir mit dem Haushalt des Bun-
deswirtschaftsministers im Großen und Ganzen zufrieden
sein. Wir konnten in wesentlichen Punkten deutliche Ver-
besserungen erreichen. Dieser Haushalt ist damit ein Bei-
trag, die derzeit eher mäßigen Konjunkturaussichten zu
verbessern. In diesem Sinne werbe ich um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420505500
Das Wort
hat jetzt der Kollege Rainer Brüderle von der FDP-Frak-
tion.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1420505600
Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Der Schrumpfhaushalt des Wirtschafts-
ministers ist bereits heute Makulatur. Das für das nächste
Jahr prognostizierte Wachstum von 1,25 Prozent, das
auch dem Einzelplan 09 zugrunde liegt, ist Illusion. Das
bestätigen alle nationalen und internationalen Konjunk-
turforscher. Herr Müller, gehen Sie daher mit Herrn
Eichel noch einmal in Klausur und berücksichtigen Sie
unsere vernünftigen Änderungsanträge.

Wir wollen das Bundeskartellamt stärken, damit der
Wettbewerb ein kräftiges Rückgrat bekommt. Das ist bei
dieser Bundesregierung und bei diesem Minister leider bit-
ter notwendig. Das jüngste Beispiel zeigt, wie wenig der
Bundeswirtschaftsminister mit der Idee des Wettbewerbs
anfangen kann. Noch bevor das Bundeskartellamt die ge-
plante Fusion in der Mineralölwirtschaft überhaupt geprüft
hatte, wedelte er bereits mit einer Ministererlaubnis.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)





Manfred Hampel
20240


(C)



(D)



(A)



(B)


Der Minister übersieht: Gingen Shell, DEA und
BP/Aral zusammen, dann beherrschten sie über 50 Pro-
zent des deutschen Marktes. Da lohnt es sich im Interesse
des Wettbewerbs schon, genauer hinzusehen. Deshalb
fordere ich Sie auf, Herr Müller, die Marktbereinigung bei
den Tankstellen doch dem Markt zu überlassen. Die
Großen werden mit der Fusion, die sie unbedingt wollen,
vom Wettbewerbsdruck befreit, wenn der Druck auf die
Kleinen verschärft wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das passt zur Preistreiberpolitik!)


Ganz offensichtlich setzt Herr Monopolminister
Müller hier auf eine Flurbereinigung allein zulasten des
Mittelstandes. Das ist ungeheuerlich.


(Zuruf von der CDU/CSU: Pfui! – Susanne Kastner [SPD]: Die alte Leier!)


Deshalb sage ich: Hände weg von dem Holzhammer-
instrument Ministererlaubnis! Der Schutz des Wettbe-
werbs verlangt eine saubere wettbewerbspolitische Prü-
fung.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Berücksichtigen sollten Sie auch unseren Vorschlag,
die Grundsatzabteilung vom Finanzministerium wieder
in das Wirtschaftsministerium zurückzugliedern.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)


Es wird immer deutlicher: Ihnen fehlt nicht nur die Auto-
rität im Kabinett; Ihnen fehlt auch das Fachwissen aus der
Grundsatzabteilung.


(Beifall des Abg. Walter Hirche [FDP])

Ich zitiere den Direktor des Instituts der deutschen

Wirtschaft, Herrn Professor Fels: Wir haben einen Haus-
haltsminister. Wir haben einen Gewerbeminister. Aber wir
haben keinen, der sich um die Konjunktur kümmert. – Das
ist es!


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hans Michelbach [CDU/CSU])


Mit anderen Worten. Der Regierung fehlt schlichtweg der
Chefökonom. Niemand kümmert sich um die Wachstums-
und Beschäftigungskrise, in die Grün-Rot Deutschland
geführt hat. Das ist eine der Ursachen für die schlechte
wirtschaftspolitische Performance.

Das Kompetenzgerangel zwischen Wirtschafts- und
Finanzministerium der Vergangenheit hat der Politik zu-
sätzlich geschadet. Es fehlt die klare ordnungspolitische
Linie.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Niemand weiß so recht, wohin die Reise geht. Deshalb
muss das Wirtschaftsministerium wieder das werden, was
es früher war: das ordnungspolitische Gewissen der Re-
gierung.


(Beifall des Abg. Walter Hirche [FDP] – Zuruf von der SPD: Das war es bei Ihnen nie!)


Dazu bedarf es des entsprechenden Unterbaus, nämlich
des Sachverstandes.

Die Liste der ordnungspolitischen Sünden ist lang:
Verlängerung des Briefmonopols – kein Beitrag, um den
Wirtschaftsstandort zu stärken –, Vorstoß für nationalen
Energiesockel – nichts anderes als der Versuch, dem
Wettbewerb auszuweichen –, „Pennerprämie“ für die
Stadtwerke im KWK-Vorschaltgesetz, Holzmann-Bürg-
schaft, Liberalisierungsstau; auf der letzten Meile immer
noch zu 99 Prozent ein Telekom-Monopol. Glücklicher-
weise ist das Zwangspfand gescheitert. Aber auch in an-
deren Bereichen sind die bürokratischen Regelungen der
falsche Weg. Deshalb ist die Ordnungspolitik der ent-
scheidende Punkt. In der Wirtschaftspolitik muss es wie-
der einen Kompass geben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es darf nicht eine Politik nach Gutsherrenart sein, bei
der derjenige, der gerade am Kanzler vorbeigeht, ein Bon-
bon bekommt.

Interessant war gestern die Vorstellung des Energiebe-
richts der Bundesregierung aus dem Hause Müller. Die
Umstellungskosten zur Erreichung der Klimaziele bezif-
ferte Energiefachmann Müller auf etwa 500 Milliar-
den DM für die deutsche Volkswirtschaft. Auf diese mu-
tige Äußerung des Ministers folgten natürlich sofort die
Beißreflexe der Grünen. Dabei legen gerade die Grünen
die Axt an die Klimaschutzziele.


(Walter Hirche [FDP]: So ist es!)

Jährlich lassen sich durch die nukleare Energieerzeugung
100 Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen. Doch ge-
nau aus dieser Technologie wollen die Grünen aussteigen.
Stattdessen werden Subventionen in Milliardenhöhe in
die erneuerbaren Energien hineingepumpt.

Die Liberalisierungsgewinne in der Stromwirtschaft
sind durch Grün-Rot in drei Jahren praktisch verspielt.
Aus den gut 15 Milliarden Ersparnissen, primär für die
Kleineren – die Großkonzerne haben nie Tarif gezahlt –
ist wieder eine Zusatzbelastung von 12 Milliarden gewor-
den. Das ist eben grün-rote Energiepolitik.

Jetzt kommt noch die Kraft-Wärme-Kopplung. Das
KWK-Gesetz hätte ich und hätte auch Walter Hirche
heute gern mit Ihnen leidenschaftlich debattiert. Aber Sie
haben es wieder von der Tagesordnung genommen, weil
Sie sich nicht einigen können, weil Sie keine Linie haben,
weil Sie nicht wissen, was Sie wollen, weil die Eiertänze
weitergehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der müllersche Entwurf geht insbesondere den Grünen
offenbar nicht weit genug. Mit dem Gesetz wird die kom-
munalpolitische Kundschaft der SPD bedient. Den Grü-
nen wird es als Klimaschutzprogramm verkauft und die
fallen auch noch darauf herein.

Das Ganze soll nach der Vorstellung von Herrn Müller
bis zum Jahr 2010 9 Milliarden DM kosten. Damit wird
ein weiterer Preistreiber im Energiemarkt auf den Weg




Rainer Brüderle

20241


(C)



(D)



(A)



(B)


gebracht. Offensichtlich reichen diese Preistreibereffekte
Grün-Rot nicht. Es soll noch draufgesattelt werden. Der
Markt muss noch mehr belastet werden. Offenbar gibt es
noch nicht genügend Entlassungen in diesem Land.

Herr Müller, Sie werden es schwer haben, in der Ener-
giepolitik nur halbwegs kostengünstige Strukturen zu hal-
ten. Ihren Energiebericht haben insbesondere die Grünen
Ihnen um die Ohren geschlagen. Herr Loske spricht von
einer Provokation, Frau Hustedt spricht von tendenziösen
Fakten, Herr Kuhn ist sowieso dagegen und der SPD-
Fraktionsvize Müller spricht von einem Chaosbericht


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und was sagen Sie?)


eines Ministers der eigenen Regierung.

( V o r s i t z : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

All das zeigt: Der zuständige Fachminister wird von den
Koalitionsfraktionen nicht mehr ernst genommen. Es
zeigt aber auch: Die grün-rote Energiepolitik ist an die
Wand gefahren worden.


(Walter Hirche [FDP]: Ein Wolkenkuckucksheim ist das!)


Insgesamt wird der Etat von Monopolminister Müller
um über 12 Prozent zusammengestrichen. In keinem an-
deren Ressort wird so viel gekürzt wie bei ihm. Daran
wird sich auch bei Nachverhandlungen nichts mehr än-
dern. Aber der Wirtschaftsetat ist das Sinnbild für den
Rang der Wirtschaftspolitik bei Grün-Rot; sie ist nämlich
Schlusslicht.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wirtschaftspolitik ist hier ein Mauerblümchen, ein läs-

tiger, vernachlässigbarer Restposten, und das in einer Zeit,
in der wir uns auch nach Meinung des Sachverstän-
digenrats in einer Rezession befinden, viele Menschen
Angst um ihren Arbeitsplatz haben und wir auf über 4Mil-
lionen Arbeitslose zusteuern. Wenn Sie die vielen ABM-
Maßnahmen noch hinzurechnen, haben wir in Wahrheit ei-
nen Bedarf von gut 5 Millionen Arbeitsplätzen in
Deutschland. Und vor diesem Hintergrund diese Politik!

Monatelang wurde die prekäre wirtschaftliche Lage
hartnäckig geleugnet. Was wurden wir hier beschimpft als
Schwarzredner, als wir – im Mai schon – gewarnt haben.
Als Herr Eichel noch davon träumte, mit 2,75 Prozent rea-
lem Wachstum die Wirtschaft gestalten zu können, haben
wir gesagt: Seien Sie froh, wenn Sie 1 Prozent kriegen. Da
wurden wir heruntergemacht als Opposition, die nur
schlechtredet. Heute liegen Sie unter 1 Prozent. Sie kön-
nen froh sein, wenn Sie mit 0,6 Prozent, wie es der Sach-
verständigenrat sagt, davonkommen. Dabei wird immer
nur die positive Variante der Prognose des Sachverständi-
genrats zitiert. Er hat nämlich zwei Varianten vorgestellt,
eine unter den drei Prämissen, dass der Ölpreis weiter
sinkt, die amerikanische Wirtschaft mindestens 1,3 Pro-
zent Wachstum hat und moderate Lohnabschlüsse verein-
bart werden. Zu den Lohnabschlüssen versprechen die
Gewerkschaften schon tönend, das sei nicht möglich. Nur
unter diesen drei Prämissen kann ein Plus von 0,6 Prozent

herauskommen. Die zweite Variante des Sachverständi-
genrats lautet minus 0,6 Prozent, das verschweigen Sie
völlig. In Wahrheit liegen wir wahrscheinlich dazwi-
schen, ungefähr bei 0 Prozent.

Vor diesem Hintergrund muss etwas getan werden. Sie
stehen vor einem Scherbenhaufen Ihrer Wirtschaftspolitik
und Ihres Nichtstuns.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der Bundeskanzler spricht bei bald 4 Millionen Arbeits-
losen in Deutschland verniedlichend von einer Delle. Herr
Eichel, der Ratlose, versteckt sich hinter seiner Buchhal-
tung und will sich mit Steuererhöhungen über die Runden
retten. Das ist eine Art brüninghafter Reflex. Meine Da-
men und Herren, weniger Investitionen und höhere Steu-
ern, eine solche falsche Politik hat schon einmal die deut-
sche Volkswirtschaft an die Wand gefahren. Das kann der
Weg nicht sein!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Jetzt werden Tabaksteuer, Versicherungssteuer, Mineral-
ölsteuer und Stromsteuer erhöht und der Wirtschaftsmi-
nister sagt nichts Kritisches dazu, sondern heißt es noch
gut.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Der wird doch nicht gewählt! Der muss doch nichts sagen!)


Das ist sein Signal an die Wirtschaft. Das ist das falsches-
te Signal, das man in der jetzigen Situation geben kann,


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


nämlich Steuern zu erhöhen statt einen Weg zu finden,
durch den die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Das
Gegenteil wäre richtig. Sie müssten jetzt die Steuerreform
vorziehen, sie müssten jetzt Gas geben, bevor wir noch
tiefer ins Loch hinein fallen.

Ihren Haushalt können Sie sowieso nicht halten. Die
Steuereinnahmen gehen dramatisch zurück. Die Sach-
verständigen gehen noch von 32 Millionen Steuerausfall
in diesem und im nächsten Jahr verteilt über die Gebiets-
körperschaften aus und das ist eher an der unteren Grenze
dessen, was man schätzen kann. Wahrscheinlich werden
es mehr sein. Aber selbst bei dieser Größenordnung hal-
ten Sie den Haushalt nicht. Sie rechnen ihn sich schön mit
Wachstumsraten, die völlige Träumerei sind.

Die Soziallasten steigen von Monat zu Monat, weil die
Arbeitslosigkeit in Deutschland seit Januar jeden Monat
steigt. Sie halten die Linie nicht. Statt Ihren Haushalt
durch Nichtstun kaputtzumachen, sollten Sie ihn konsoli-
dieren, indem Sie etwas tun, indem Sie steuerliche Im-
pulse geben.


(Beifall bei der FDP)

Ich wiederhole meinen Vorschlag: Machen Sie den Ansatz
mit Steuerschecks. Das ist kein Geschenk, das sind Ab-
schlagszahlungen auf Steuersenkungen. Statt den Mit-
telstand zu diskriminieren und schlecht zu behandeln,
sollten Sie die schon beschlossenen Steuersenkungen vor-
ziehen oder eine Abschlagszahlung geben, damit die
Menschen spüren, dass sich in Deutschland etwas ändert,




Rainer Brüderle
20242


(C)



(D)



(A)



(B)


damit ein Stück Bewegung hineinkommt. Sie können den
Haushalt konsolidieren, indem Sie aktiv etwas tun. Das
Nichtstun gefährdet die Konsolidierung natürlich noch
dramatischer.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420505700
Herr Kollege,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1420505800
Sehr gern; denn ich bin fast
am Ende meiner Rede. Herr Kollege Hinsken, das ist So-
lidarität.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420505900
Wie ich gerade
sehe, hatten Sie Ihre Redezeit schon überschritten. Ich
bitte Sie, nur noch diese Nachfrage zu beantworten.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1420506000
Selbstverständlich, und zwar
mit großer Freude, Frau Präsidentin.


Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1420506100
Sehr geehrter Herr Kol-
lege Brüderle, Sie beklagen zu Recht die schlechte Steu-
erpolitik für den Mittelstand. Sie erinnern sich aber si-
cherlich genauso gut wie ich an den 14. Juli des
Jahres 1999: Damals haben doch Sie den großen Durch-
bruch verkündet. Sie haben immer wieder gesagt, wir
müssten diese Vorschläge unterstützen, damit die Bundes-
regierung diese Steuerreform – die Sie jetzt kritisieren –
umsetzen könne. Das passt doch nicht zusammen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1420506200
Herr Hinsken, für diese
Frage bin ich Ihnen sehr dankbar. Ich werde sie gern in der
gebotenen Klarheit beantworten.

Wir standen vor der Frage, ob Deutschland überhaupt
nichts zustande bringt. Wir waren international schon die
Lachnummer.


(Christian Lange [Backnang] [SPD]: Herr Hinsken, das war eine gute Zwischenfrage!)


Die ganze Welt sagte: Deutschland kann nichts bewegen.
Die „New York Times“ schrieb in einem Leitartikel: Ein
Land, das 30 Jahre über die Abschaffung des Laden-
schlusses diskutiert und das nicht einmal eine Teilreform
zustande bringt, hat die Zeichen der Zeit nicht ver-
standen.

Wir haben erreicht, dass zusätzlich 7Milliarden DM an
Steuererleichterungen hinzukamen. Das war ein ent-
scheidender Punkt; denn es bestand eine zum Himmel
schreiende Ungerechtigkeit für den deutschen Mittel-
stand:Gerade die kleinen und mittleren Handwerker hat-
ten ihre Lebensplanung darauf ausgerichtet, ihren Betrieb
im Alter oder bei Erwerbsunfähigkeit zum halben Steuer-

satz verkaufen zu können, um mit den Einnahmen aus die-
sem Verkauf ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Obwohl Handwerker und Mittelständler jahrzehntelang
ihre Lebensplanung darauf ausgerichtet hatten, hat Grün-
Rot diese Möglichkeit einfach gestrichen.

Diese Ungerechtigkeit zurückzunehmen und für alle
eine zusätzliche Steuerentlastung in Höhe von 7 Milliar-
den DM zu schaffen, war meines Erachtens ein Ansatz
wenigstens für eine Teillösung.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wie war das mit den Veräußerungsgewinnen in den Jahren 1999 und 2000?)


Ich habe nie gesagt, dass diese Teillösung befriedigend ist,
Herr Hinsken, aber der andere Weg, gar nichts zu machen,
wäre noch schlimmer gewesen.


(Beifall bei der FDP – Walter Hirche [FDP]: So ist es! Das ist die Meinung der ganzen deutschen Wirtschaft!)


Die politische Konstellation sah leider so aus, dass
Grün-Rot – ich habe die wirklich nicht gewählt; ich bin
unschuldig – eine Mehrheit hat. Unter diesen Umständen
musste man versuchen, wenigstens eine Teillösung zu fin-
den. Mir wäre natürlich eine ganz andere Lösung lieber
gewesen; aber die gefundene Lösung war zumindest ein
Ansatz. Durch die erreichte Verbesserung haben wir uns
wenigstens nicht völlig blamiert.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Nur eine halbe Sache war es!)


Jetzt befinden wir uns in einer neuen Situation. Mitt-
lerweile ist die Konjunktur „abgeschmiert“. Nötig wäre
es, die weiteren Stufen der Steuerreform vorzuziehen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/ CSU]: Jetzt kommt er wieder auf dem Pfad der Tugend an!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420506300
Herr Kollege,
Sie überschreiten Ihre Redezeit.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1420506400
Ich muss die Frage beant-
worten. Das hätte zwei Effekte: Man würde ein Stück Un-
gerechtigkeit ausgleichen und – das ist der Kernpunkt –
man würde ein weiteres „Abschmieren“ der Konjunktur
verhindern. Tatsache ist, dass nun, da sowohl die ameri-
kanische als auch die japanische Wirtschaft in einer Re-
zession stecken, auch Deutschland in eine Rezession hin-
einrutscht. Deshalb ist jetzt Handeln geboten.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420506500
Herr Kollege,
jetzt fahren Sie aber mit Ihrer normalen Rede fort. Den-
ken Sie an die Zeit, bitte.


Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1420506600
Der Respekt vor dem Abge-
ordneten Hinsken gebietet es natürlich, seine Frage kor-
rekt zu beantworten, Frau Präsidentin.


(Heiterkeit)





Rainer Brüderle

20243


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420506700
Der Abgeord-
nete Hinsken fühlte sich, glaube ich, schon genug berück-
sichtigt.


(Zuruf von der SPD: Der konnte kaum noch stehen!)



Rainer Brüderle (FDP):
Rede ID: ID1420506800
Nein, Herr Hinsken kann nie
genug von mir hören. Ich weiß das.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ein schlechtes Gewissen findet viele Worte!)


Entscheidend wird sein, den Trend umzukehren. Dafür
können Sie nur sorgen, indem Sie Erwartungen verän-
dern. Dazu gehört Psychologie. Was Grün-Rot perfekt be-
herrscht, ist, Psychologie zu missachten. Ich weiß nicht,
ob 50 Prozent Psychologie für die Trendwende aus-
schlaggebend sind; auf jeden Fall braucht es viel Psycho-
logie. Herr Müller, Sie haben noch eine Chance – auch
wenn Sie im Kabinett isoliert sind und von den Grünen in
merkwürdiger Art und Weise beschimpft werden –: Brin-
gen Sie Ihr Gewissen ins Reine! Sagen Sie die Wahrheit!
Korrigieren Sie das, was Sie öffentlich sagen! Wenn Sie
das tun, dann können Sie Ihr Amt eines Tages aufrechten
Ganges verlassen und Ihre berufliche Tätigkeit in der
Energiewirtschaft fortsetzen.


(Beifall bei der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420506900
Das Wort hat die
Abgeordnete Michaele Hustedt.


Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420507000

Verehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ein we-
sentlicher Bestandteil der Wirtschaftspolitik ist die Ener-
giepolitik. Da uns Grünen die Energiepolitik, weil sie im
Zentrum jeder Nachhaltigkeitsstrategie steht, besonders
am Herzen liegt, möchte ich mich darauf konzentrieren.
Frau Eichstädt-Bohlig wird die anderen wesentlichen
Punkte ansprechen.

Vorweg möchte ich doch noch etwas zu Herrn Brüderle
sagen: Ihre Partei hat 28 Jahre mitregiert. Ich kann wahr-
lich nicht verstehen, wie Sie sich vor diesem Hintergrund
hier so aufplustern können. Trotz schlechter Weltwirt-
schaftslage, die uns als Exportnation naturgemäß unver-
schuldet besonders trifft,


(Walter Hirche [FDP]: Du ahnst es nicht!)

sind die während unserer drei Jahre Regierungszeit von
uns erzielten Ergebnisse immer noch wesentlich besser
als Ihre Bilanz.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Zuruf des Abg. Rainer Brüderle [FDP])


Wir konsolidieren den Haushalt, wir haben die größte
Steuerreform seit Jahrzehnten umgesetzt. Menschen und
Unternehmen zahlen weniger Steuern als während Ihrer
Regierungszeit. Familien und Kinder werden, seitdem wir
an der Regierung sind, stärker gefördert als zu Ihrer Zeit.
Die Arbeitslosigkeit ist zwar nicht so stark gesunken, wie

wir uns das gewünscht hätten, aber seit dem Regie-
rungswechsel immerhin von 4,3 auf 3,8 Millionen.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Walter Hirche [FDP]: Der Winter wird euch noch Mores lehren!)


Ich finde, unsere Bilanz kann sich durchaus sehen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Zur Energiepolitik: Deutschland ist inzwischen welt-

weit Spitze bei der Förderung erneuerbarer Energien.
Zurückzuführen ist das natürlich auf das Gesetz zur För-
derung erneuerbarer Energien und das Marktanreizpro-
gramm. Die Hälfte des in Europa erzeugten Windkraft-
stroms wird inzwischen in Deutschland produziert.


(Walter Hirche [FDP]: Das ist doch kein Wert an sich! Bei diesen Milliarden an Subventionen!)


Im Fünfjahresprogramm – das müsste die PDS besonders
freuen – des 100 000-Dächer-Programms liegen wir gut
im Plan, wir werden den Plan sogar übererfüllen. Das gilt
auch für die Förderung von Biomasse. Es wurden zum
Beispiel in diesem Jahr 1 500 Biogasanlagen gebaut; das
ist eine Verdoppelung innerhalb eines Jahres. Das Poten-
zial ist hier immer noch sehr groß: Auf lange Sicht kön-
nen wir 10 Prozent unseres Energieverbrauchs inklusive
Wärme und Treibstoffe durch den Einsatz von Biomasse
decken. Darin steckt großes Potenzial. Diesen Pfad haben
wir jetzt geöffnet.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Im Jahre 3500 vielleicht!)


Ähnlich sieht es bei den solarthermischen Anlagen aus:
In der letzten Zeit wurden etwa 120 000 Solaranlagen mit
950 000 Quadratmetern installiert.


(Walter Hirche [FDP]: Mit einem saumäßigen Wirkungsgrad!)


Dafür wurden 1,5 Milliarden DM investiert. Von daher
war es natürlich ein Schock für die junge Branche, in der
viele neu gegründete Unternehmen ohne Rücklagen tätig
sind, dass die Mittel für das Marktanreizprogramm von
300 Millionen DM auf 180 Millionen DM zusammenge-
strichen wurden. Wir haben es jetzt wieder auf 400 Milli-
onen DM bzw. 200 Millionen Euro aufgestockt. Für diese
Verbesserung beim Marktanreizprogramm möchte ich
mich ganz ausdrücklich bei den Haushältern Franziska
Eichstädt-Bohlig, Oswald Metzger, Hans Georg Wagner
und auch bei Ihnen, Herr Hampel, bedanken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich finde, das ist ein hervorragendes Beispiel für unsere
Linie, gleichzeitig zu sparen, aber auch Prioritäten in den
Bereichen zu setzen, wo wir Wirtschaft und Umwelt vor-
anbringen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Walter Hirche [FDP]: Sie belasten die Wirtschaft!)







(C)



(D)



(A)



(B)


Ich gehe jetzt davon aus, dass nach dieser Aufstockung
auch die Förderbedingungen für solarthermische Anlagen
wieder vorsichtig verbessert werden.Nach der sehr starken
Verschlechterung der Förderbedingungen hat es ja einen
deutlichen Rückgang der Zahl der Anträge gegeben. Ich
gehe davon aus, dass wir jetzt zwar nicht ganz wieder das
frühere Niveau, aber doch eine deutliche Verbesserung der
Förderbedingungen durch Aufstockung der Mittel er-
reichen.DasGleiche sollte für dieWärmeversorgungdurch
Biomasse, also durch Biogasanlagen und Holzpellets, gel-
ten. Hier sollten wir die Fördermittel deutlich erhöhen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insgesamt wurden die Mittel für das Marktanreizpro-
gramm deutlich aufgestockt. Aber auch der Deutschen
Energie-Agentur wurde eine stabile Grundlage gegeben,
die insbesondere im Bereich Energieeinsparung und
Energieeffizienz tätig sein soll, indem die Mittel für sie
auf insgesamt 15 Millionen DM aufgestockt wurden.

Wie schon gesagt wurde, haben wir die Energiefor-
schung um 40Millionen DM bzw. 20Millionen Euro auf-
gestockt. Das ist gerade für den Forschungsbereich ein
sehr wichtiger Punkt. Nicht unwichtig ist auch, dass wir
die Energieberatung vor Ort von 9 Millionen DM auf
15 Millionen DM aufgestockt haben. All das ist ein be-
achtliches Zeichen in Richtung umweltfreundliche Ener-
gieerzeugung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insgesamt reiht sich dieser Haushalt in eine Energie-
politik ein, die auf den Atomausstieg setzt, die gleichzei-
tig aber auch zeigt, dass Klimaschutz machbar ist.

Im Bereich erneuerbarer Energien haben wir bereits
120 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Inzwischen ar-
beiten in dieser Branche mehr Menschen als in der Atom-
industrie, weit abgeschlagen mit 40 000, und es sind mehr
als in der Kohleindustrie.


(Walter Hirche [FDP]: Mit Milliardensubventionen kann das jeder! Das können Sie auch beim Straßenbau schaffen!)


– Jetzt rufen Sie „Subventionen“ dazwischen. Darauf
habe ich natürlich gewartet. Der Kohlekompromiss ist
von Ihrer Regierung ausgehandelt worden, auch wenn Sie
davon nichts mehr wissen wollen.


(Zuruf von der FDP: Sie geben sich wohl Ihre eigenen Stichworte, was? – Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Die Grünen haben dem zugestimmt! Innerhalb von wenigen Stunden hat die grüne Fraktion 1997 noch draufgelegt!)


Faktisch ist es so, dass wir in diesem Jahr in Bund und
Land zusammen 8 Milliarden DM für 50 000 Arbeits-
plätze ausgeben. Bei den erneuerbaren Energien beträgt
die Umlage in der Tat 1,7 Milliarden DM pro Jahr, und
zwar degressiv für 120 000 Arbeitsplätze. Das ist eine Bi-
lanz, die sich auch unter arbeitsmarktpolitischen Ge-
sichtspunkten durchaus sehen lassen kann.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420507100
Frau Kollegin,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Solms?


Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420507200

Ja.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1420507300
Frau Kollegin
Hustedt, wo Sie nun die Erfolge der rot-grünen Energie-
politik aufzählen, haben Sie dabei nicht einen besonderen
Erfolg vergessen, nämlich die Garantie für die vorher so
umstrittene Atomenergiewirtschaft, für weitere 30 Jahre
in Deutschland arbeiten zu können?


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist doch ein besonderer Erfolg der rot-grünen Politik.

(Heiterkeit bei der FDP)



Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420507400

Herr Solms, ich finde Ihre Frage, ehrlich gesagt, etwas
peinlich. Inzwischen sollte auch bei Ihnen angekommen
sein, dass es nicht um ein Weiterlaufen für weitere
30 Jahre, sondern um die Gesamtlaufzeiten geht. Dass Sie
das immer noch nicht verstanden haben, zeigt, dass Sie in
diesem Thema nicht besonders bewandert sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sogar Herr Grill hat schon verstanden, dass es jetzt nur
noch um 20 Jahre geht und dass nach 20 Jahren das letzte
Atomkraftwerk vom Netz gehen wird. In der nächsten Le-
gislaturperiode werden die ersten Atomkraftwerke vom
Netz gehen. Nach knapp zwölf Jahren wird die Hälfte
aller Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gegangen
sein. Damit ist Deutschland weltweit das Land, das am
schnellsten aus der Atomkraft aussteigt. Ich finde, damit
kann man sich sehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Walter Hirche [FDP]: Da werden Milliarden verbuttert, zulasten der Arbeitsplätze und der Arbeitslosen!)


Das Altbausanierungsprogramm bringt nach konserva-
tiver Schätzung 125 000 Arbeitsplätze, verteilt auf zehn
Jahre. Das ist ein ganz wichtiger Beitrag, um der Not lei-
denden Bauwirtschaft zu helfen.

Die Ökosteuer ist nicht nur ökologisch, sondern wird
nach einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirt-
schaftsforschung bis 2010 auch bis zu 250 000 neue
Arbeitsplätze schaffen.

Insgesamt setzen wir auch in der Energiepolitik auf
neue Technologien, auf Wind, Biomasse, Photovoltaik,
Solarthermie, Geothermie, Brennstoffzelle, Mikroturbine
und andere hocheffiziente Technologien für fossile
Brennstoffe.

Das Niedrigenergie- und das Nullenergiehaus, ja die
Nullemissionsfabrik, all das sind Zukunftsperspektiven,
ebenso Treibstoff aus Raps, Biodiesel, Erdgasfahrzeuge,
in der Perspektive die Brennstoffzelle mit solarerzeugtem




Michaele Hustedt

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Wasserstoff. Hier entsteht ein gigantisch wachsender Zu-
kunftsmarkt. Die Vorreiterrolle im Klimaschutz, die wir
weiterhin einnehmen wollen, ist keine Belastung für den
Standort Deutschland, sondern eine Chance, Zukunfts-
märkte bzw. Innovationsmärkte zu besetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die rot-grüne oder, wenn Sie es so wollen, die grün-
rote Energiepolitik spricht dabei eine deutliche Sprache.
Die Ökosteuer als ein Anreiz zum Energiesparen funktio-
niert. Tatsächlich geht der Verbrauch von Benzin und Die-
sel deutlich zurück. Es gibt das Gesetz zur Förderung er-
neuerbarer Energien, das 100 000-Dächer-Programm, das
Marktanreizprogramm, die Energieeinsparverordnung,
das Altbausanierungsförderprogramm und jetzt auch noch
perspektivisch das Gesetz zur Förderung der Kraft-
Wärme-Koppelung.

Die Bilanz dieser Regierung kann sich in diesem Be-
reich wahrlich sehen lassen. Der Reformstau ist aufgelöst,
die Modernisierung ist angestoßen, neue Arbeitsplätze
werden geschaffen und der Umwelt- und Klimaschutz
wird vorangebracht. Damit können wir uns sehen lassen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420507500
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Rolf Kutzmutz.


Rolf Kutzmutz (PDS):
Rede ID: ID1420507600
Verehrte Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin
Hustedt, Sie haben mich auf den Fünfjahresplan ange-
sprochen. Dazu möchte ich Ihnen sagen: Sie sind vor-
sichtig geworden. Sie haben sich für fünf Jahre auf eine
einzige Position festgelegt. Würden Sie den gesamten
Haushalt als Fünfjahresplan verabschieden, würden Sie
wahrscheinlich das gleiche Ergebnis ernten, wie wir es
damals geerntet haben, was die Erreichung des damit ver-
bundenen Ziels betrifft.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Zu Beginn meiner Rede möchte ich aber ein anderes

Problem ansprechen: Ein oft vorgetragener Vorwurf an
die PDS lautet, wir unterbreiteten keine Vorschläge. Aber,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Tatsa-
che ist, dass wir bereits am 11. Oktober dieses Jahres im
Wirtschaftsausschuss Anträge eingebracht haben, die von
Ihnen allesamt abgelehnt wurden.


(Beifall des Abg. Hubertus Heil [SPD])

Nicht weniger als neun dieser Anträge – Herr Kollege
Heil, Sie haben wieder einmal voreilig geklatscht – wer-
den heute als Empfehlungen der Koalition mit Datum
Mitte November Gesetz. Ich frage Sie: Wo bleibt da Ihre
Ehrlichkeit im Umgang mit den Vorschlägen, die wir un-
terbreiten?


(Beifall bei der PDS)

Natürlich freue ich mich darüber, dass letztlich auch

durch unsere Anträge der ökologische Umbau notwen-

dige zusätzliche Impulse erhält, dass die Kürzung der für
die Förderung von Innovationen in kleinen Unternehmen
vorgesehenen Mittel weitgehend abgewendet ist und dass
nicht zuletzt eine nachhaltige Schwächung der Hilfen für
Kleinbetriebe in Ostdeutschland verhindert werden kann.
Ein Erfolg ist es ohne Zweifel auch, dass endlich die seit
Jahren diskutierte Förderung des Netzwerkmanagements
NEMO auf den Weg gebracht wird.


(Beifall bei der PDS)

Zur Haushaltsehrlichkeit gehört es aber auch, zu sagen,
dass damit in erster Linie eine Begrenzung von Schäden
erreicht wurde, die von den Ministern Eichel und Müller
im Rahmen ihrer indiskutablen Haushaltsansätze geplant
waren.

Eine Reihe von Problemen bleiben – das wissen auch
Sie –: Ich meine beispielsweise den Umgang des Bundes
mit den regionalpolitischen Folgen der so genannten
Bundeswehrreform. Länder und Kommunen sollen ein-
fach sich selbst überlassen bleiben. Regionen sterben; das
ist nicht übertrieben. Es geht um einige 1 000 Arbeits-
plätze bzw. um einige 1 000 Menschen, denen die Zu-
kunftsperspektive genommen wird.

Dabei wäre für die Konversion tatsächlich Geld vor-
handen. Ich meine unter anderem – das ist vorhin ange-
sprochen worden – den Nachschlag von 179 Millionen
Euro, den der Kanzler seinem Heimatland für die EXPO
gewähren will. Wie wollen Sie, liebe Kolleginnen und
Kollegen von der Koalition, den Menschen in Osterode,
in Oldenburg oder auch in Eggesin erklären, dass zwar für
EXPO-Bosse, die für Missmanagement, wirtschaftliche
Fehlkalkulation und großzügige Gehälter sowie Abfin-
dungen verantwortlich sind, Geld vorhanden war, dass
aber dann, wenn es um die Sorgen der Menschen in die-
sem Lande geht, der Geldbeutel leer ist?


(Beifall bei der PDS)

Die mit der EXPO verbundenen positiven strukturellen
Effekte kamen und kommen doch zuallererst dem
Großraum Hannover zugute. Das belegen übrigens auch
die Studien der Landesregierung. Deshalb wäre es viel
sinnvoller, mit dem EXPO-Zuschlag einen Konversions-
fonds des Bundes aufzulegen.

Auch die umfassende Rüstungsaltlastensanierung
– Sie wissen, es geht insbesondere um Fundmunition auf
Truppenübungsplätzen oder auch in Städten und Gemein-
den – könnte damit in Angriff genommen werden. Das
fordert schließlich auch der Bundesrat in einem vor weni-
gen Tagen beim Bundestag eingegangenen Gesetzent-
wurf.

Ich werbe deshalb nachdrücklich um Zustimmung für
unseren zu diesem Thema vorgelegten Änderungsantrag.
Reden Sie nicht nur, sondern handeln Sie auch!


(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie uns gemeinsame Freiräume für die Zukunft

schaffen, statt Abenteuer der Vergangenheit zu vergolden,
zumal mit diesem Wirtschaftshaushalt eine Reihe völlig
unkalkulierbarer Abenteuer eingegangen werden. Der
Etat des Wirtschaftsministers soll künftig das Ausfallri-




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siko für Kredite und Zinsen in Höhe von 2 Milliar-
den Euro des nur bedingt rückzahlbaren Darlehens für die
Entwicklung des Superairbus tragen. Diese Summe ent-
spricht in etwa dem derzeitigen jährlichen Volumen der
aktiven Wirtschaftspolitik des Ministers. Wenn diese
Bürgschaft fällig werden sollte – nach dem 11. September
2001 ist so etwas nicht völlig auszuschließen –, dann wäre
das der Offenbarungseid. Dieses Risiko, wenn es denn
überhaupt übernommen werden soll, kann nur in der Ver-
antwortung des Bundes als Ganzes getragen werden, also
im Einzelplan 32. Das muss auch für den Kredit gelten.

Eine entsprechende Bereitstellung aus dem ERP-Son-
dervermögen – das sehe ich anders als Sie, Herr Kollege
Hampel – wirft in zweifacher Hinsicht ein bezeichnendes
Licht auf die Politik der Bundesregierung. Es muss schon
verwundern, dass sie einerseits uneingeschränkte Solida-
rität mit den USA beschwört und andererseits zur selben
Zeit auf die Mittel des einstigen Marshallplans zurück-
greift, um das größte deutsche Unternehmen in der
technologischen Auseinandersetzung mit seinem USA-
Konkurrenten unterstützen zu können.


(Zuruf der Abg. Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk [SPD])


Andererseits, liebe Frau Kollegin Skarpelis-Sperk, ist
es bemerkenswerte Mittelstandspolitik, wenn über 1 Mil-
liarde Euro als Kredit an die Tochter von Daimler-Chrys-
ler dem Fonds für Existenzgründer und Mittelstandsför-
derung entnommen werden. Ich weiß, es handelt sich
dabei nicht um eine ERP-Förderung. Rund ein Drittel der
seit Jahren schrumpfenden Liquidität dieses Sonder-
vermögens wird damit aber langfristig bei einem Unter-
nehmen angelegt, das gewiss mit vielem, aber überhaupt
nichts mit Mittelstand zu tun hat.


(Beifall bei der PDS)

Anders als bei den sonst üblichen Bankguthaben wer-

den die Spielräume des ERP-Sondervermögens so nach-
haltig eingeschränkt. Es fehlen damit dringend notwen-
dige Fördermittel, um auf die Steigerung der Nachfrage
bei Existenzgründern und Mittelständlern reagieren zu
können. Statt dass ERP als Schattenhaushalt des Bundes
missbraucht wird, muss über eine Reform dieser Förder-
kulisse konsequent nachgedacht werden. Gibt es Ihnen,
liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, wirk-
lich nicht zu denken, dass zur Förderung in Ost-
deutschland 1994 11 Milliarden DM, im vergangenen
Jahr aber nur noch 3 Milliarden DM ausgereicht wurden?
Kommen Sie mir jetzt nicht mit dem Argument von der
Konjunktur und dass sich die Bedingungen verändert hät-
ten. Die Bedingungen haben sich in vielen Bereichen sehr
wohl verändert. Was die wirtschaftliche Tätigkeit betrifft,
haben sie sich aber eher verschlechtert.

Auch im Westen ist die Entwicklung nicht besser. Ein
Rückgang der Nachfrage um 32,6 Prozent spricht doch
Bände. Die wirtschaftliche Situation ist bekannt: von po-
sitiver konjunktureller Entwicklung keine Spur.

Die sinkende Nachfrage signalisiert, dass offen-
sichtlich das Angebot nicht mehr stimmt, weder im
Existenzgründungs- noch im Mittelstands- oder im Um-
weltbereich. Wenn dann für die Erprobung neuer Förder-

konzepte ganze 10 Millionen Euro bei einem Gesamt-
volumen der ERP-Förderung von 5 Milliarden Euro mo-
bilisiert werden, ist das für meine Fraktion schlicht nicht
akzeptabel.


(Beifall bei der PDS)

Schließlich muss es heute mehr denn je darum gehen, mit
den beschränkten öffentlichen Mitteln ein Maximum an
Arbeitsplätzen zu schaffen und sichern zu helfen.

Natürlich ist auch der PDS klar, dass die drohende Re-
zession – wir wollen die Situation nicht schlecht reden;
aber wir müssen die Dinge beim Namen nennen – nicht
vorrangig mit Wirtschaftsförderung zu bekämpfen ist. Ich
meine aber auch, Herr Brüderle, dass alte Rezepte – Sie
haben sie wieder angesprochen – wie das Vorziehen der
Steuerreform, also Steuersenkungen, für die Bekämpfung
der Wirtschafts- und Beschäftigungskrise untauglich sind.
Die Entwicklung in den USA beweist doch: Steuersen-
kungen sind machtlos gegen Angst und Unsicherheit.
Mehr Geld in der Tasche landet nicht im Konsum oder in
Investitionen, sondern höchstens im Sparschwein oder bei
Spekulationsgeschäften.

Sich nicht an der abenteuerlichen Kriegspolitik der
USA zu beteiligen wäre die beste Konjunkturstütze. Ich
plädiere für den Ausstieg aus hoch riskanten Infrastruktu-
ren. Ich plädiere für einen wirklichen Einstieg in mehr
dezentrales Wirtschaften und damit Stärkung der Regio-
nen. Das würde nicht nur schnell zusätzliche Arbeits-
plätze schaffen. Es wäre auch das beste Antiterror-
programm.

Viele Menschen im Lande erwarten vernünftige Rah-
menbedingungen, damit sie ihr Wollen in bezahlte und
existenzsichernde Arbeitsplätze, ja auch in Selbstständig-
keit umsetzen können. Dafür tragen wir alle gemeinsam
politische Verantwortung. Dieser Verantwortung wird der
Haushalt 2002 nicht gerecht.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420507700
Das Wort hat
jetzt der Herr Bundesminister Werner Müller.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Was ist jetzt mit der Ökosteuer?)


Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft und
Technologie: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Da beißt die Maus keinen Faden ab: Die konjunkturelle
Lage ist unerfreulich. Fragt man sich, was die tieferen
Gründe sind, kann man in jedem Falle zwei feststellen:


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Ruhige Hand!)

Der erste Grund: Die Investitionstätigkeit der Unter-

nehmen lässt zu wünschen übrig. Woran liegt das? Die In-
vestoren sind verunsichert. Sie haben gewisse Zweifel,
was die Zukunft anbelangt. Es liegt jedenfalls nicht daran,
dass beispielsweise nicht genügend Investitionskapital zu
überaus niedrigen Zinsen zur Verfügung stünde. Wir ha-
ben es in den USA erlebt: Sechsmalige Zinssenkungen
hintereinander haben es nicht verhindert, dass das Inves-




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titionsklima anhaltend schlecht ist und sich nicht verbes-
sert hat.

Der zweite Grund für die konjunkturelle Schwäche
liegt darin, dass wir insgesamt – und das auch global – zu
wenig Konsumausgaben haben, obwohl die Kaufkraft
der Bürger vorhanden wäre. Insbesondere haben wir das
in den USA erlebt. Dort sind die von Herrn Brüderle fa-
vorisierten Steuerschecks im Sommer in die Haushalte
gesandt worden, mit dem Ergebnis, dass das Konsum-
klima nach jüngsten Umfragen an einem absoluten Tief-
punkt ist. Stattdessen sind die Steuervergütungen auf die
hohe Kante gelegt worden.

Das heißt, die Verschlechterung des Verbraucherkli-
mas hat nichts damit zu tun, dass die Kaufkraft der Leute
generell nicht vorhanden wäre. Der tiefere Grund für die
konjunkturelle Schwäche liegt nicht etwa in einem Man-
gel an Investitionskapital oder an Kaufkraft der Haus-
halte, sondern in der allgemeinen Verunsicherung


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Man traut Ihnen nicht!)


und in einem gewissen mangelnden Vertrauen in die
wirtschaftliche Zukunft.


(Walter Hirche [FDP]: In die Regierung!)

Das ist seit dem 11. September besonders ausgeprägt und
teilweise durchaus verständlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich betone: Es ist ein globales und keineswegs ein isolier-
tes deutsches Phänomen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Rot-grüner Vertrauensverlust!)


Nun fragen wir uns und vielleicht auch Sie sich, was
nun eigentlich hilft, wenn die Ursache unserer wirtschaft-
lichen Schwierigkeiten eine tiefe Verunsicherung von In-
vestoren und Verbrauchern ist.


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Weg mit der Ökosteuer!)


Meinen Sie, es hilft unserer konjunkturellen Entwicklung,
wenn Sie die Situation angesichts einer solchen Aus-
gangslage noch schlechter beschreiben, als sie tatsächlich
ist?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Hilft es unserer Konjunktur, wenn Sie den Versuch star-
ten, eine Krise herbeizureden


(Lachen bei der FDP)

– ist doch so; ich habe hier ja nun lange genug zugehört –,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Das ist Ihrer unwürdig, Herr Minister! – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wenn im Glas nichts drin ist, ist es leer!)


in der Erwartung, dass Sie zum Schluss ein Krisenge-
winnler wären? Sie werden kein Krisengewinnler sein;
das kann ich Ihnen schon jetzt prognostizieren.

Oder hilft es in dieser Zeit der Verunsicherung, wenn
aus Ihren Reihen seitens der Ministerpräsidenten immer
nur der Vorschlag kommt, die Steuerreform vorzuziehen,
während die Finanzminister derselben Länder veröffentli-
chen, das dürfe auf keinen Fall gemacht werden?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie tragen in dieser Gesellschaft mit Sicherheit nicht zu
einer größeren Zuversicht in die Zukunft bei, wenn per-
manent so widersprüchliche Äußerungen kommen. Auch
das will ich Ihnen deutlich sagen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420507800
Herr Minister,
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Christa
Luft?

Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Ja.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1420507900
Herr Minister, wie erklären
Sie sich, dass der Zuwachs der Zahl der Erwerbstätigen in
der Bundesrepublik Deutschland nach dem Gutachten der
fünf Weisen und auch nach der Statistik, die man nachle-
sen kann, in diesem Jahr 0,1 Prozent betragen wird,
während es in Frankreich, das unter den gleichen welt-
wirtschaftlichen Bedingungen lebt, einen Zuwachs der
Zahl der Erwerbstätigen von 1,6 Prozent gibt? Kann das
damit zusammenhängen, dass man in Frankreich ein Ge-
setz zur Verkürzung der Arbeitszeit eingeführt hat? Kann
das damit zusammenhängen, dass man für Unternehmen,
die arbeitsintensive Dienstleistungen anbieten, den Mehr-
wertsteuersatz gesenkt hat? Kann es auch an solchen Din-
gen liegen oder wie erklären Sie sich das? Denn nur an
den Überkapazitäten des Bauwesens im Osten kann es
nicht liegen. Der Bundeskanzler hat gestern gesagt, sie
leisteten einen Beitrag von 0,6 Prozent zum Abschwung.
Wenn man 0,6 Prozent zu 0,1 Prozent addiert, kommt man
immerhin auf 0,7 Prozent, die der Erwerbstätigenzuwachs
bei uns betragen müsste. Wir haben aber gegenüber
Frankreich dann noch immer eine große Lücke.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Marx statt Erhard! – Dr. Ditmar Staffelt [SPD]: Unter Georges Marchais wäre es viel besser gewesen! Da bin ich mir ganz sicher!)


Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Ich will, Frau Professor Luft, nicht in
Abrede stellen, dass man mit dirigistischen Eingriffen in
den Arbeitsmarkt – zum Beispiel dem Verbot von Über-
stunden, das ja hierzulande manchmal diskutiert wird –
kurzfristig Arbeitsplätze schafft. Aber man würde die ge-
samtwirtschaftliche Entwicklung – das werden Sie auch
in Frankreich erleben – weiter abwürgen. Das wollen wir
nicht; denn Arbeitsplätze werden im Grunde nur geschaf-
fen, wenn wir wieder auf einen Wachstumspfad kommen.


(Beifall bei der SPD)

Ich habe gefragt, was es nützt, wenn Sie vor dem Hin-

tergrund des mangelnden Zukunftsvertrauens als eigentli-




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cher Ursache unserer konjunkturellen Situation mit un-
ausgegorenen Vorschlägen kommen oder die Lage noch
schlechter reden, als sie ist, wie Sie es in Ihren Re-
debeiträgen hier im Bundestag zurzeit permanent tun. Ich
will Ihnen sagen: Das nützt unterm Strich überhaupt
nichts.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie wollen sagen, die Opposition ist schuld? – Rainer Brüderle [FDP]: Also nicht Sie, sondern wir sind schuld!)


Was in Zeiten der Verunsicherung und des mangelnden
Vertrauens der Investoren und Konsumenten in die Zu-
kunft wirklich hilft, ist einzig eine Politik der Berechen-
barkeit und Planbarkeit. Umso wichtiger ist deshalb die
Botschaft, die die Bundesregierung mit ihrem Haushalt
für das Jahr 2002 Wirtschaft, Bürgern, Investoren und
Konsumenten gibt:


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Mit ruhiger Hand in den Taschen der Bürger!)


Die Grundsätze einer soliden Wirtschafts- und Finanzpo-
litik haben sich nicht verändert. Der Bundeshaushalt 2002
ist solide und er wird solide bleiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Steuerausfälle und konjunkturbedingte Mehrbelastun-
gen werden im Bundeshaushalt verkraftet. Die Nettokre-
ditaufnahme wird planmäßig weiter zurückgeführt. Die
Bundesregierung bleibt also bei ihrer Politik der Konso-
lidierung; denn nur so lassen sich Freiräume für die Be-
wältigung zentraler Zukunftsaufgaben schaffen. Sie bleibt
aus Überzeugung bei dieser Politik, weil nur so die
Wachstumskräfte unserer Volkswirtschaft nachhaltig ge-
stärkt werden können. Ich sage noch einmal: Wir bleiben
bei dieser Politik, um ein Signal des Vertrauens zu setzen
und um für Vertrauen zu werben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420508000
Herr Minister,
darf ich Sie einen Moment unterbrechen? – Mir ist signa-
lisiert worden, dass man Sie schlecht verstehen kann. –
Können die Herren am Apparat den Ton etwas lauter stel-
len? – Ansonsten müssten Sie etwas lauter reden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut, man wäre fast eingeschlafen!)


Dr. Werner Müller, Bundesminister für Wirtschaft
und Technologie: Frau Präsidentin, ich habe in den letz-
ten Tagen häufiger erlebt, dass man mich schlecht ver-
steht.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/ CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Der Energieeinsatz könnte höher sein! Das ist wahr!)


Eine verlässliche Wirtschafts- und Haushaltspolitik ist
die beste Antwort auf Zukunftszweifel in Wirtschaft und
Gesellschaft. Meine Damen und Herren, lassen Sie mich
deswegen ganz sachlich einige Punkte zu dem Haushalt
des Bundeswirtschaftsministers vortragen:

Die intensiven Beratungen im Haushaltsausschuss ha-
ben zu nicht unerheblichen Veränderungen im Haushalt
geführt. Im Ergebnis steigt der Ihnen vorliegende BMWi-
Haushalt gegenüber dem Regierungsentwurf um insge-
samt 217 Millionen Euro. Davon sind rund 60 Milli-
onen Euro zur Bedienung von Altverpflichtungen aus dem
Beteiligungsprogramm technologischer Unternehmens-
gründungen vorgesehen. Dieses Programm hat in der Ver-
gangenheit ganz erheblich zur Entwicklung des Beteili-
gungskapitalmarktes für junge Technologieunternehmen
in Deutschland beigetragen. Als Beitrag zur Gegenfinan-
zierung dieses BTU-Mehrbedarfs musste allerdings die
globale Minderausgabe verdoppelt werden. Dies belastet
natürlich leider die Haushaltsführung des nächsten Jahres
nicht unerheblich. Daran ist aber wohl nicht zu rütteln.

Worin bestehen nun die weiteren Veränderungen? Ich
komme erstens zum Energiebereich: Mit der Aufstockung
der Mittel für das Marktanreizprogramm für erneuerbare
Energien um rund 100 Millionen Euro stehen nun zur
Förderung regenerativer Energiequellen und der rationel-
len Energieverwendung insgesamt 200 Millionen Euro
zur Verfügung. Ich will aber deutlich sagen: Ich sehe
keine Möglichkeit, die spezifischen Sätze der Förderung
zu erhöhen; denn wir bekommen auch nach Absenkung
der Fördersätze unverändert an die 2 000Anträge pro Wo-
che. Ich hoffe, dass wir mit den erhöhten Mitteln alle An-
träge werden befriedigen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Im Übrigen muss ich auch deutlich sagen: Wenn bei ge-
senkten Fördersätzen unverändert viele Nachfrager vor-
handen sind, macht es keinen Sinn, die Sätze zu erhöhen.


(Walter Hirche [FDP]: Dann war das vorher überfördert!)


Zudem wurde der Bereich der Energieforschung mit
20 Millionen Euro verstärkt. Damit können wir inklusive
der Mittel aus dem Zukunftsinvestitionsprogramm insge-
samt 135 Millionen Euro für die Energieforschung ausge-
ben.

Ich möchte noch etwas in Sachen Energie sagen. Sie
bezeichnen mich ja gerne als Monopolminister. Gestatten
Sie mir, dass ich dem Weinbauminister a. D. kurz etwas
sage:


(Zuruf von der FDP: Er war ein guter Weinbauminister!)


Zwischen Mineralöl und Benzin auf der einen und
Wein auf der anderen Seite gibt es Unterschiede.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Hans Georg Wagner [SPD]: In Rheinland-Pfalz war das mal anders! – Rainer Brüderle [FDP]: Das ist ja schon einmal eine erste Erkenntnis!)





Bundesminister Dr. Werner Müller

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Herr Brüderle, der größte Unterschied ist ganz einfach:
Wein haben wir in unserem deutschen Land, Rohöl nicht.
Wenn Sie diesen Sachverhalt einmal intellektuell richtig
verarbeitet haben, werden Sie ferner feststellen, dass zwi-
schen dem Weinvertrieb und dem Benzinvertrieb gewisse
Unterschiede bestehen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der größte Unterschied ist vielleicht der: Benzin brau-
chen wir alle, Wein – na ja!


(Zuruf von der FDP: Haben Sie jetzt von Herrn Öchsle oder von Herrn Brüderle geredet?)


Ich will fortfahren: Zweitens ist erfreulich, dass zur In-
novationsförderung für den Mittelstand sowie zur Förde-
rung der Nutzung neuer Medien zusätzlich 25 Millionen
Euro bereitstehen.

Drittens ermöglicht die Aufstockung der Mittel im Be-
reich der Außenwirtschaft in Höhe von 6 Millionen Euro,
die Förderprogramme für die Außenwirtschaft auf hohem
Niveau fortzuführen und sogar auszubauen.

Darüber hinaus wurde viertens für die Fortsetzung der
Werftenförderung vorsorglich eine zusätzliche Verpflich-
tungsermächtigung von 24 Millionen Euro eingestellt.
Dies ist notwendig geworden, um dem Kommissionsvor-
schlag, zusätzlich zu einer WTO-Klage gegen Korea be-
fristet Beihilfen zu gewähren, national folgen zu können.

Schließlich wurden fünftens die notwendigen
Verpflichtungsermächtigungen zur Absicherung der Fi-
nanzierung des ERP-Darlehens für die gesamten Ent-
wicklungskosten des A 380 in Höhe von insgesamt rund
2 Milliarden Euro ausgebracht.

Mit diesen Verbesserungen wird in schwieriger kon-
junktureller Situation seitens der Wirtschafts- und Tech-
nologiepolitik ein wirksamer Beitrag geleistet.

Meine Damen und Herren, der überwiegende Teil der
Haushaltsmittel des Einzelplans 09 kommt, rechnet man
die Mittel für den Steinkohlenbergbau nicht hinzu, dem
Mittelstand zugute. Darauf sind die meisten Förderpro-
gramme zugeschnitten.

Gerade die innovativen Unternehmen und die dynami-
schen kleinen und mittleren Unternehmen, einschließlich
der Start-ups, leisten einen wichtigen Beitrag zur wirt-
schaftlichen Erholung. Wir unterstützen sie dabei durch
die bewährte Mittelstands- und Existenzförderung über
das ERP-Sondervermögen und die beiden Förderbanken,
die Kreditanstalt für Wiederaufbau und die Deutsche Aus-
gleichsbank. Aus diesem Grunde ist heute auch über das
ERP-Wirtschaftsplangesetz 2002 zu entscheiden.

Im Wirtschaftsplan 2002 des ERP-Sondervermögens
stehen 5 Milliarden Euro für ERP-Kredite zur Verfügung.
Hinzu kommt noch 1 Milliarde Euro für mobilisiertes Ei-
genkapital im Rahmen des Programms „Beteiligungska-
pital für kleine Technologieunternehmen“. Zudem wer-
den die beiden Förderbanken jeweils Kredite von
mindestens noch einmal 5 Milliarden Euro zur Verfügung

stellen. Mit der Annahme des ERP-Wirtschaftsplangeset-
zes 2002 kann die finanzielle Förderung des Mittelstandes
verlässlich und auf hohem Niveau fortgesetzt werden.

Hier wird immer wieder erwähnt, dass die KfW der
Firma Hochtief einen normal verzinslichen Kredit gege-
ben hat. Ich will anmerken, dass wir es mit den Mitteln der
KfW und der Deutschen Ausgleichsbank bewerkstelligen
können, das, was wir im Fall Holzmann getan haben, be-
zogen auf den Mittelstand tagtäglich abertausendmal zu
wiederholen.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Die Förderung des Mittelstandes ist wichtig. Dies ist
aber nur ein Element unserer Politik für kleine und mitt-
lere Unternehmen. Die Bundesregierung wird sich mit
Nachdruck dafür einsetzen, negative Auswirkungen auf
die Mittelstandsfinanzierung durch die Baseler Eigenka-
pitalrichtlinie zu vermeiden. Im Laufe der Baseler Kon-
sultationen konnten wir schon deutliche Verbesserungen
durchsetzen. Die Verlängerung dieses Prozesses werden
wir nutzen, um weitere Ziele zu erreichen, zum Beispiel
die Beseitigung der bisherigen Diskriminierung von lang-
fristigen Krediten und die Erhöhung des Kreditvolumens
für das Retail-Portfolio. Zur aktiven Mittelstandspolitik
gehört auch die Möglichkeit der steuerfreien Reinvestiti-
onsrücklage für Personenunternehmer, die Gewinne aus
Veräußerungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften er-
zielen.

Mein Haus hat sich von Anfang an für diese Regelung
und deren mittelstandsfreundliche Ausgestaltung einge-
setzt. Ich will allerdings zugestehen, dass es aus meiner
Sicht besser gewesen wäre, wenn man dem einstimmigen
Votum des Wirtschaftsausschusses gefolgt wäre und einen
anderen Plafond hinsichtlich der Höhe der Mittelverwen-
dung vorgeschlagen hätte.

Durch die Erhöhung der Ansätze unseres Haushalts
haben sich die Gewichte positiv verschoben, und zwar in
Richtung moderner Technologien, der Förderung der In-
novationskraft und der internationalen Wettbewerbs-
fähigkeit der deutschen Wirtschaft. Die Aufstockung der
Mittel im Innovationsbereich bedeutet ein deutliches Si-
gnal. Damit unterstützen wir kleine und mittlere Unter-
nehmen, im globalen technologischen Wettbewerb zu be-
stehen und neue zukunftsfähige Arbeitsplätze zu
schaffen. Um die innovativen Unternehmen zu stärken,
setzen wir auf Starthilfen für die Gründung von techno-
logieorientierten Unternehmen, auf Forschungskoopera-
tionen und die Entwicklung innovativer Netzwerke. Bei
der Mittelverwendung meines Haushalts für diesen Be-
reich haben die neuen Länder eine ganz besondere Prio-
rität.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um dies weiter zu verstärken, bringen wir für den Auf-
bau von innovativen Unternehmensnetzwerken in den
neuen Ländern ab dem Jahre 2002 ein neues Förderpro-
gramm mit dem Namen „Förderwettbewerb Netzwerk-
management Ost“ auf den Weg. Dies war auch ein beson-
derer Wunsch im Haushaltsausschuss.




Bundesminister Dr. Werner Müller
20250


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Auch die Nutzung der neuen Medien, insbesondere
des Internets, durch Mittelstand und Verwaltung werden
wir weiter forcieren. Hierzu dienen strategisch wichtige
Projekte für den Aufbau elektronischer Wirtschafts- und
Verwaltungsstrukturen.

Ein positives Beispiel für den Erfolg unserer Förder-
politik ist die Biotechnologie. Hier gab es in den letzten
Jahren eine äußerst dynamische Entwicklung, vor allem
bei den Unternehmensneugründungen. Auch dank der
Förderpolitik meines Hauses nehmen wir heute bei den
Unternehmensgründungen im Bereich Biotechnologie
eine führende Position in Europa ein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bevor ich schließe, möchte ich den Berichterstattern
für meinen Haushalt und allen voran Ihnen, lieber Herr
Hampel, sehr herzlich danken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Rolf Kutzmutz [PDS] – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


– Was heißt hier „Oh“? Ich bin von außen zu meinem po-
litischen Amt gekommen und wusste am Anfang gar
nicht, was ein Berichterstatter eigentlich ist. Ich habe es
erstens kennengelernt – manchmal auch kennenlernen
müssen – und zweitens, insbesondere was Sie, Herr
Hampel, anbelangt, auch überaus schätzen gelernt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich weiß selber noch nicht genau, inwieweit ich persön-
lich Ihre Arbeit demnächst vermissen werde. Sie haben ja
gesagt, dass Sie hier nicht mehr tätig sein werden. Auf
jeden Fall wünsche ich Ihnen alles Gute. Ohne Ihre per-
manente Begleitung unseres Hauses wäre vieles nicht so
geregelt worden, wie wir es regeln konnten.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Aber so sind Sozialdemokraten!)


Ich darf in den Dank auch Sie, Herr Wagner, herzlich
einschließen. Ich jedenfalls habe mich über Ihre Unter-
stützung sehr gefreut.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist auch Ihr Verdienst, dass der BMWi-Haushalt
2002 wichtige wirtschaftspolitische Akzente setzt und
gleichzeitig einen großen Beitrag – den größten eines Ein-
zelhaushalts – zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes
leistet. Nur so können wir die Steuerreform finanzieren,
Freiraum für Privatinitiative schaffen und die Zukunfts-
aufgaben bewältigen.

Die Zukunft dagegen verspielt – das will ich auch ein-
mal sagen –, wer – wie ich das seitens der Opposition er-
lebt habe – im Haushaltsausschuss Änderungsanträge auf
Änderungsanträge stellt, die alle in eine Richtung gehen:
immer mehr Subventionen für die Wirtschaft. Dies kann
nicht oberste Richtschnur der Wirtschaftspolitik sein.
Deshalb bin ich ganz erfreut, dass viele Ihrer manchmal
überhaupt nicht sinnigen Subventionsforderungen im

Haushaltsausschuss von der Mehrheit abgelehnt worden
sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der mit dem Zukunftsprogramm 2000 der Bundes-
regierung eingeschlagene Kurs der Konsolidierung und
des Gestaltens wird mit dem Bundeshaushalt 2002 weiter
fortgesetzt.

Man kann das Sachverständigengutachten so oder so
sehen, darf aber nicht nur die wenigen kritischen Sätze se-
hen, sondern muss erst einmal die Hauptkapitel und viel-
leicht freundlicherweise auch die Überschrift dieses Gut-
achtens lesen. Die Überschrift des Gutachtens erteilt
jedweder aktionistischen Wirtschaftspolitik, irgendwel-
chen kurzfristigen Hauruck-Konjunkturprogrammen eine
klare Absage. Wenn Sie also das Gutachten des Sach-
verständigenrates zitieren, seien Sie konsequent und zi-
tieren Sie ehrlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gleiches gilt übrigens für die OECD. Die OECD hat in
den letzten Tagen die Grundlinien der deutschen Wirt-
schafts- und Finanzpolitik ausdrücklich positiv gewür-
digt. Wenn Sie fair argumentieren, sollten Sie das auch so
zitieren.

Es gibt also auch nach Auffassung internationaler und
nationaler Sachverständiger keine Alternative zu einer
Reformpolitik, die auf nachhaltige Verbesserung der wirt-
schaftlichen Rahmendaten abzielt.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Da haben Sie wohl Recht!)


Der Entwurf des Bundeshaushalts für das Jahr 2002
einschließlich des Haushaltsentwurfs für den Bundeswirt-
schaftsminister schafft die notwendige Voraussetzung,
um unsere Reformpolitik konsequent und auch erfolg-
reich fortzuführen.

Lassen Sie mich abschließend auf meine Eingangs-
bemerkung zurückkommen. Wir werden für diese Politik
um Vertrauen bei Bürgerinnen und Bürgern werben, und
zwar umso stärker, je mehr Sie Misstrauen säen.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420508100
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Matthias Wissmann.


Matthias Wissmann (CDU):
Rede ID: ID1420508200
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Wenn man einen Eindruck vom Zu-
stand der Wirtschaftspolitik in Deutschland bekommen
will, von ihrer Stärke, ihrer Durchsetzungskraft, ihrer
Kreativität und ihrer Perspektive, dann hat man Herrn
Müller zuhören müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Walter Hirche [FDP]: Er hat die Faxen dicke von dieser Koalition!)





Bundesminister Dr. Werner Müller

20251


(C)



(D)



(A)



(B)


Aber uns allen ist nicht nach reiner Polemik zumute,
sondern wir wissen: Wir reden keine Krise herbei; wir
sind mitten in einer Krise.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir haben die Probleme nicht erst seit den Ereignis-
sen vom 11. September, die sicherlich das Vertrauen er-
schüttert und die Verunsicherung gestärkt haben. Seit
Herbst 2000 gehen die Wachstumszahlen in Deutsch-
land kontinuierlich zurück. Seit Januar 2001 steigt sai-
sonbereinigt die Arbeitslosenzahl.

Die wahre Analyse finden wir in dem Vergleich zu un-
seren europäischen Partnern. Natürlich waren wir schon
in den 90er-Jahren durch die enormen Folgeprobleme der
Misswirtschaft in der früheren DDR beim Wachstum
nicht an der absoluten Spitze Europas. Wir waren auf ei-
nem mittleren Platz. Jetzt sind wir im EU-Vergleich beim
Wachstum auf dem letzten Platz. Damals lagen wir im eu-
ropäischen Vergleich bei der Preissteigerung auf dem
vierten Platz. Jetzt sind wir auch als Folge von Ökosteuer
und vielen anderen Belastungen, die diese Regierung ver-
anlasst hat, auf den siebten Platz abgerutscht. In Sachen
Arbeitslosigkeit sind wir auf Platz zehn, dem denkbar
schlechtesten Platz für eine große Industrienation wie
Deutschland.

Die „FAZ“ hat den Bericht über die gestrige Debatte
mit dem Satz überschrieben: „Schröder sieht sich macht-
los gegenüber wachsender Arbeitslosigkeit“. Die „Süd-
deutsche Zeitung“ schrieb vor wenigen Tagen unter der
Überschrift „Der hilflose Kanzler“:

Wie lange noch soll das so gehen? Wie lange noch
will die Regierung tatenlos zusehen, wie Deutsch-
land die Kräfte schwinden?

Man muss es ganz klar sagen: Neben den internationa-
len Faktoren, die keiner bestreitet, ist unser Kernproblem,
dass wir keine kreative, eigenständige und starke Wirt-
schaftspolitik in Deutschland haben, mit der der Krise
entgegengetreten wird.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir besitzen nicht den Mut, die eingefahrenen Gleise zu
verlassen: bei der Deregulierung des Arbeitsmarktes, der
weiteren Liberalisierung der Energiemärkte in Europa,
den gezielten Steuersenkungen, die dazu beitragen könn-
ten, dem Mittelstand, der am meisten leidet, auf die Beine
zu helfen. Eine Insolvenzwelle wie nie zuvor geht durch
unser Land. Die kleinen und mittleren Betriebe haben von
der Steuerreform nichts mitbekommen, im Gegenteil: Sie
sind über zum Teil veränderte Möglichkeiten der Ab-
schreibungen zusätzlich belastet worden.

Das hat mit den handelnden Personen zu tun. Aber es
hat auch mit einer völlig falschen Architektur Ihrer Wirt-
schafts- und Finanzpolitik zu tun. Die Wirtschaftspolitik
ist jetzt endgültig zu einem Wurmfortsatz der Finanz-
politik geworden. Sie hat kein eigenständiges Profil mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Müller, Ihnen sind die Grundsatzabteilung und die
europäischen Zuständigkeiten genommen worden. Sie und
die Regierung lassen es zu, dass man über eine vergleichs-
weise zweitrangige Frage wie der nach dem Ver-
waltungsratsvorsitz bei dem durch Fusion der Kreditan-
stalt für Wiederaufbau und der Deutschen Ausgleichsbank
entstehenden Institut – geht er an Sie oder den Finanzmi-
nister – monatelang streitet, ohne eine Einigung zu erzie-
len. Wie will denn jemand, der schon so kleine Probleme
nicht lösen kann, die großen Probleme der Arbeitsmarkt-
und Wirtschaftsentwicklung glaubwürdig angehen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich richte mich bei diesem Punkt – ich möchte fair sein –

nicht nur an die Adresse des amtierenden Wirtschafts-
ministers. Versuchen Sie sich einmal zurückzubesinnen:
Wann hat man in guten Zeiten gute Wirtschaftspolitik ge-
macht und in schlechten Zeiten rechtzeitig reagiert? – Das
war in der Zeit, als es eine Balance zwischen Finanz-
und Wirtschaftspolitik gab, als das Wirtschaftsminis-
terium neben dem Finanzministerium ein eigenständiges
Profil und eine Leuchtturmfunktion hatte. Das war in den
50er-Jahren, als Ludwig Erhard und Fritz Schäffer Minis-
ter waren, in den 60er-Jahren, als Karl Schiller und Franz
Josef Strauß Minister waren, und während der Regierung
Kohl der Fall, als Gerhard Stoltenberg und Otto Graf
Lambsdorff Minister waren. Heute gibt es weder eine
kraftvolle Finanzpolitik noch eine kreative Wirtschafts-
politik. Das ist unser Dilemma, wenn es um die Zukunft
unseres Landes geht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das hat zur Folge, dass der Wirtschaftsminister zwar

an einigen Stellen durchaus richtige Anmerkungen zur
Wirtschaftspolitik machen darf – ich erinnere an seine
frühen Anmerkungen zur Novellierung des Betriebs-
verfassungsgesetzes –, dass er sich aber am Ende nicht
durchsetzen kann. Alle mittelstandspolitischen Folter-
instrumente der letzten Jahre – 630-Mark-Gesetz, Gesetz
zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit, das Be-
triebsverfassungsgesetz und „Zwangsteilzeit“, um nur ei-
nige zu nennen – sind verabschiedet worden. Es findet auf
breiter Front eine Reregulierung unserer Volkswirtschaft
statt. Es gibt keine Liberalisierung, keine Freisetzung der
Kräfte, keine Ermutigung des Mittelstands und keine
Stärkung der kleinen und mittleren Betriebe. Ich glaube,
das müssen Sie sich, Herr Müller, leider vorwerfen lassen.

Notwendig wäre eine Entrümpelungsaktion. Sie, Herr
Müller, müssen die novellierten Gesetze, von denen ich
gerade gesprochen habe, rückgängig machen und gleich-
zeitig auch den Mut besitzen, fragwürdige steuerpoli-
tische Instrumente zu beseitigen. Gestern hat Ihnen die
Europäische Kommission mitteilen lassen, dass die Öko-
steuer mit ihren ganzen bürokratischen Feinziselierungen
nicht auf ihre Zustimmung stößt. Schaffen Sie endlich die
Ökosteuer ab oder setzen Sie wenigstens die nächste Stufe
der Ökosteuer aus, die am 1. Januar 2002 in Kraft treten
soll.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Einen ähnlichen ungelösten Widerspruch verkörpert

Ihre Energiepolitik. Sie haben in diesen Tagen einen




Matthias Wissmann
20252


(C)



(D)



(A)



(B)


Energiebericht vorgelegt, der letztlich nur eine Botschaft
hat: Die Energiepolitik der Regierung ist gescheitert. Eine
Kehrtwende ist dringend erforderlich. Es war zwar nur ein
Randaspekt dieser Debatte, aber er war bemerkenswert:
Der Wirtschaftsminister der rot-grünen Bundesregierung
hat genau in den zehn Minuten den Saal verlassen, in de-
nen die energiepolitische Sprecherin der Grünen ihre
Konzeption dargelegt hat.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Der musste mal pinkeln!)


Herr Müller darf zwar etwas sagen und bei bestimmten
Gelegenheiten Richtiges schreiben. Aber er darf Wirt-
schaftspolitik nicht durchsetzen. Das spüren wir auch in
der Energiepolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir alle – das gilt parteiübergreifend – wissen, dass die

in den 90er-Jahren durchgesetzte Liberalisierung des
Strom- und Gasmarkts zu deutlichen Strompreissenkun-
gen in Höhe von 20 Milliarden DM geführt hat. Nicht nur
der Industriekunde und nicht nur der mittelständische Be-
trieb, sondern auch der Normalbürger hat diese Entlas-
tung gespürt. Es sprach alles dafür, diesen Weg weiter-
zugehen. Inzwischen haben aber die von Rot-Grün
beschlossenen Marktinterventionen, das Erneuerbare-
Energien-Gesetz und das KWK-Vorschaltgesetz, den
Verbraucher mit zusätzlich 4 Milliarden DM belastet.

Hinzu kommen die Belastungen aus der Stromsteuer
mit derzeit rund 11 Milliarden DM. Wenn ich die derzei-
tigen Belastungen eines durchschnittlichen Vier-Perso-
nen-Haushaltes durch die Energiepolitik der Bundes-
regierung zusammenrechne, komme ich für das Jahr 2001
auf eine zusätzliche Belastung in Höhe von 630 DM:


(Wolfgang Börnsen [Bönstrup] [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Stromsteuer, Heizungskosten, Ökosteuer auf Benzin und
vieles andere. Das Gesetz zur Kraft-Wärme-Kopplung,
das eigentlich in dieser Woche verabschiedet werden
sollte, würde den Verbrauchern zusätzlich 8,7 Milliar-
den DM aus der Tasche ziehen.

Verdeckte Strompreiserhöhungen sind nicht nur den
Verbrauchern nicht mehr zuzumuten, sie sind auch ord-
nungpolitisch der falsche Weg. Vertrauen Sie in den rot-
grünen Reihen stärker auf die Kräfte des Marktes. Seien
Sie mutiger bei der weiteren Liberalisierung von Märkten
und lassen Sie sich nicht bei jeder Gelegenheit eine ideo-
logische Finte einfallen, wie man den Bürger und die Be-
triebe wieder stärker belasten kann! Das ist der falsche
Weg in unsere Zukunft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, auch in der Steuerpolitik

fällt Ihnen nichts Weiterführendes ein. Sie müssten jetzt
wenigstens einen Teil der Entlastungen für den Mittel-
stand vorziehen, die für 2003 und 2005 geplant sind. Sie
handeln nicht. Wir sagen noch einmal mit allem Nach-
druck: Jetzt wäre es richtig, die Steuerentlastungsstufe
von 2003 auf 2002 vorzuziehen – um ein Signal zu geben!


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wie wollen Sie es finanzieren?)


Ludwig Erhard hat zu Recht gesagt: Die Hälfte der Wirt-
schaftspolitik ist Psychologie. – Wenn Sie nicht handeln,
dann verletzen Sie dieses Gesetz. Sie gehen den falschen
Weg, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie als Bundesregierung tragen auch für den investiven

Bereich eine Verantwortung. Die Investitionsquote im
Haushalt sinkt seit 1998. In den neuen Ländern geben Sie
in jedem Land inzwischen mehr Geld für den zweiten Ar-
beitsmarkt aus als für Investitionen in unsere Zukunft: In-
frastruktur, Hochschulen, Technologie, Stadtsanierung.
Das hat zur Folge, dass seit 1998 das Volumen der Inves-
titionen in den neuen Ländern kontinuierlich sinkt.

Ich habe noch einmal die neun Punkte nachgelesen, in
denen die Sozialdemokraten im letzten Wahlkampf ihre
wichtigsten Versprechungen zusammengefasst hatten.


(Walter Hirche [FDP]: Was Sie alles so lesen!)

Die drei wichtigsten wirtschaftspolitischen Verspre-

chungen will ich Ihnen noch einmal in Erinnerung rufen.
Die erste Versprechung hieß: mehr Arbeitsplätze; Ar-

beitslosigkeit kann man bekämpfen. Ergebnis: Wir wer-
den in diesem Winter leider 4,2 Millionen Arbeitslose ha-
ben. Sie hatten ein ganz anderes Ziel im Auge. Sie haben
Ihr Versprechen nicht gehalten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Unter Wissmann 5 Millionen Arbeitslose!)


Die zweite wichtige Versprechung: Der Aufbau Ost
wird zur Chefsache und mit einem gebündelten Zukunfts-
programm vorangetrieben.


(Zuruf von der SPD: Das machen wir!)

Ergebnis: Die Investitionen in die neuen Länder sinken
seit 1998. Sie sind in diesem Jahr wegen eines Streits zwi-
schen Rot und Grün nicht einmal in der Lage, die vorge-
sehenen Bahninvestitionen für die Infrastrukturerneue-
rung ordnungsgemäß abfließen zu lassen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Heinrich [FDP]: Da sehen Sie mal, was Chefsache ist!)


Versprechung Nummer drei: Deutschland als Ideenfa-
brik durch Verdoppelung der Investitionen in Bildung,
Forschung und Wissenschaft in fünf Jahren. Herr Müller,
ich stelle fest: In Ihrem Haushalt sind seit 1998 die For-
schungsinvestitionen um über 120 Millionen DM gesun-
ken und der Gesamthaushalt ist weit, weit weg von dieser
Versprechung.

Wenn man viel Sinn für Ironie hätte, könnte man in die-
sen Tagen sagen: Sie halten sich an eine fragwürdige Le-
bensweisheit. Es wäre ja noch schöner, den Menschen
zweimal eine Freude zu machen: indem man ihnen erst et-
was verspricht und dies dann auch noch hält.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Meine Damen und Herren, es liegt an einer schwachen,
einfallslosen, unkreativen Wirtschaftspolitik, aber auch
an einer falschen Architektur dieser Regierung, die wir




Matthias Wissmann

20253


(C)



(D)



(A)



(B)


ändern müssen, wenn wir zu den notwendigen Entschei-
dungen für Arbeitsplätze, für den Mittelstand und für eine
Erneuerung unserer Volkswirtschaft kommen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420508300
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollegen! Sehr geehrter Kollege Wissmann, es ist wirk-
lich fantastisch, wie solche altgedienten Marktwirtschaft-
ler wie Sie hier ständig „mehr Staat, mehr Staat“ rufen.
Jahrelang wollten Sie uns beibringen, die Privaten könn-
ten alles besser, der Staat solle sich heraushalten – mög-
lichst wenig Staat! – oder am liebsten ganz verschwinden.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich habe wirklich das Gefühl, die Keynesianer in Ihren
Reihen sind alle wieder aufgewacht, nachdem sie vorher
das Gegenteil gepredigt haben.

Selbst altgediente und gelernte Marktwirtschaftler re-
den ständig diese hochentwickelte Wohlstandsökonomie
Deutschlands in Grund und Boden. Herr Buwitt: „Es ist
nicht nur eine Rezession, wir sind schon fast in der De-
pression.“ Frau Merkel: „Schlusslicht“, „Wir sind in der
Krise.“


(Karl-Heinz Scherhag [CDU/CSU]: Das ist doch die Wahrheit!)


Angesichts dessen frage ich mich, was hier eigentlich
los ist; denn wenn ich den Kudamm entlanggehe, habe ich
keineswegs das Gefühl, ich sei in der Dritten Welt und un-
ser Land breche zusammen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir sollten sehr ernsthaft über unsere Probleme reden.
Es ist aber unverantwortlich, wenn Sie die Wirtschaft un-
seres Landes dauernd in dieser Weise schlechtreden; denn
damit tragen Sie dazu bei, dass die Investitionskraft der
Unternehmen geschwächt wird. Es ist wirklich unmög-
lich!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Tatsache ist, dass das Wirtschaftswachstum schwächer
als zunächst prognostiziert ausfällt. Aber wir sind weit
entfernt von einer Rezession. Ich weiß nicht, ob Sie die-
sen kleinen Unterschied überhaupt begriffen haben.

Über ein zweites Problem sollten wir ebenfalls ernst-
haft reden. Wir haben Probleme mit der Arbeitsmarktent-
wicklung, aber das liegt ganz einfach daran – auch das
sollten Sie wissen –, dass in guten Zeiten Arbeitsplätze
abgebaut werden, um die Wettbewerbsfähigkeit derUn-
ternehmen zu stärken, während in schlechten Zeiten
Arbeitsplätze wegen der Konjunkturschwäche abgebaut
werden.


(Dirk Niebel [FDP]: Das ist ja egal!)


Arbeitsplätze werden nicht nur durch Wachstum ge-
schaffen und deswegen haben wir – hier würde ich auch
Minister Müller ein wenig widersprechen wollen – sehr
wohl die Aufgabe, arbeitsplatzintensive Wirtschafts-
zweige zu stärken, damit die Wettbewerbsfähigkeit nicht
zulasten von Arbeitsplätzen, sondern mit Arbeitsplätzen
organisiert wird. Zur Erfüllung dieser Aufgabe haben wir
auch einiges getan. So haben wir bereits das Job-Aqtiv-
Gesetz auf den Weg gebracht. Das ist ein sehr guter und
wichtiger Schritt.

Wir Grünen sagen – auch in Richtung des Koalitions-
partners –, wir glauben schon, dass wir weitere Schritte
auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik gehen müssen,
dass beim Thema Kündigungsschutz etwas mehr Flexibi-
lität Einzug halten muss und dass im Niedriglohnsektor
eine ergänzende Finanzierung nötig wird, um Arbeitslo-
sigkeit und Sozialhilfe nicht gegenüber Niedriglöhnen zu
begünstigen.


(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir sind der Auffassung, dass wir im Bereich der niedrig
entlohnten Jobs, bei denen ein Einkommen zwischen
630 DM und etwa 1 700 bis 1 800 DM erzielt wird, ein
Stück weit abgestufte Sozialversicherungsbeiträge orga-
nisieren müssten, um gerade in diesem Bereich mehr Fle-
xibilität zu erreichen.

Wir behaupten also nicht, wir hätten nichts zu tun, aber
wir behaupten andererseits auch nicht, in Zukunft schaffe
der Staat und nicht die reguläre Privatwirtschaft die
Arbeitsplätze.

Lassen Sie mich einen zweiten Punkt nennen. In der
Haushaltsberatung hier höre ich regelmäßig, dass Sie
quasi die Quadratur des Kreises wollen. Sie wollen ers-
tens, dass wir die Steuerreform vorziehen, und haben
noch keinmal gesagt, wie das bezahlt werden soll.


(Zuruf von der CDU/CSU: Durch das Wachstum!)


Frau Merkel hat sich hier gestern enorm darüber be-
schwert, dass die Kommunen zu wenig Geld haben, dass
die öffentlichen Hände insgesamt zu wenig Geld haben.
Wie wollen Sie da ein Vorziehen der Steuerreform – ob
Sie es „Steuerscheck“ oder „Vorziehen“ nennen, ist egal –
finanzieren? Sie wollen zweitens, dass wir die Investiti-
onskraft durch öffentliche Konjunkturprogramme stei-
gern. Das haben Sie mehrfach gefordert, ohne zu sagen,
wie es finanziert werden soll. Die dritte Frage ist: Wie sol-
len wir mit der Nettoneuverschuldung umgehen? Ich ver-
stehe das so, dass Sie die Staatsverschuldung massiv wei-
ter anheben wollen, um kurzfristige Wahlerfolge zu
erreichen.


(Zuruf von der SPD: Ja, das wollen sie!)

Das kann nicht verantwortliche Politik sein. Von daher:

Nehmen Sie es endlich ernst! Sie haben uns diese hohen
Staatsschulden hinterlassen. Wir arbeiten kontinuierlich
am Rückgang der Staatsschulden und das ist auch nötig.


(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: 100 Milliarden DM neue Schulden machen Sie!)





Matthias Wissmann
20254


(C)



(D)



(A)



(B)


Erst dann, wenn man wieder ein volles Portemonnaie hat,
kann man über solche Instrumente reden,


(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

aber nicht dann, wenn man einen solch riesigen Schul-
denberg abtragen muss, wie Sie ihn uns hinterlassen ha-
ben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Lassen Sie mich einen dritten Punkt nennen, nämlich
das berühmte Pingpongspiel: Sozialversicherungs-
beiträge versus Ökosteuer. Wir bekommen hier immer
wieder die Empfehlung – eben auch vom Kollegen
Wissmann –, wir mögen doch die Ökosteuer aussetzen
oder abschaffen; einige wollen, dass wir sie rückgängig
machen. Da sind Sie noch nicht einmal solide in Ihrer
Argumentation. Wenn Sie das empfehlen, dann sagen Sie
den Bürgern aber auch endlich, dass Sie den Rentenversi-
cherungsbeitrag eigentlich wieder auf 20,5 Prozent anhe-
ben wollen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Nur dann stimmt Ihre Rechnung. Sie führen hier eine
falsche Argumentation, weil Sie den Bürgern gegenüber
nicht ehrlich sagen, dass auch Sozialversicherungs-
beiträge gezahlt werden müssen.

Von daher bleibt unser Konzept „Energie verteuern,
um Arbeit zu verbilligen“ die richtige Strategie. Darauf
setzen wir. Sie sehen: Die Ölscheichs haben schon nach-
gegeben und setzen mit ihrer Preispolitik nichts oben-
drauf.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die hören auf die Grünen!)


Ich sage jetzt nichts mehr zu den Punkten, die sowohl
der Kollege Hampel als auch Herr Minister Müller vorge-
tragen haben, nämlich dass wir sehr engagiert gerade auch
im parlamentarischen Verfahren die Mittelstandsför-
derung in vielen Punkten weiter gestärkt und ausgebaut
haben,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Soll das eine Drohung sein?)


dass wir die ostdeutsche Wirtschaft, ganz besonders wie-
der in den Bereichen der Mittelstandsförderung und der
Forschung, gestärkt haben. Sie sagen zwar immer wieder,
der Mittelstand breche weg, aber das ist nicht wahr. Wir
tun etwas für den Mittelstand.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie tun was für die Insolvenzen! Für die Pleiten tun Sie viel!)


Wir haben sehr sorgfältig Punkt für Punkt daran gearbei-
tet. Es wäre gut, wenn Sie das einmal zur Kenntnis näh-
men. Ich weiß allerdings nicht, ob Sie dazu in der Lage
sind, geschweige denn dazu, das zu honorieren.

Von daher: Bitte nicht ständig schwarz malen, sondern
die Dinge so nehmen, wie sie sind! Wir sind ein selbstbe-
wusstes und wirtschaftsstarkes Land und das wollen wir
auch weiter bleiben. Dafür arbeitet diese Koalition. Sie

wird es auch in den vier Jahren nach der nächsten Wahl
tun. Machen Sie sich da mal keine Sorgen! Sie haben jetzt
genau nachgewiesen, dass Sie überhaupt nichts zu bieten
haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Als Letztes möchte ich den Kollegen Mitberichter-

stattern ganz herzlich danken. Ich möchte auch dem
Wirtschaftsministerium und dem Herrn Minister für die
gute Zusammenarbeit danken. Insbesondere aber – da
schließe ich mich den Vorrednern an – danke ich dem
Kollegen Hampel für sein Engagement. Es war eine
tolle Zusammenarbeit. Wir haben gemeinsam viel ge-
schafft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420508400
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Dagmar Wöhrl.

Die letzten Redner vor der Abstimmung haben es im-
mer schwer, die letzten Rednerinnen noch ein bisschen
schwerer. Ich bitte die Kollegen daher, den Geräuschpe-
gel ein bisschen zu senken. Das würde sehr helfen.

Frau Wöhrl, Sie haben das Wort. Bitte.


Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1420508500
Vielen Dank. – Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kol-
legin Eichstädt-Bohlig, Sie können es noch so schönre-
den, wie Sie wollen: Ich habe bei Ihren Worten wirklich
das Gefühl, dass Sie in einer Art Fantasiewelt leben.


(Lachen der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir von der Union sind draußen vor Ort. Wir reden mit
den Menschen. Wir sind in den Betrieben. Wir sehen, was
los ist:


(Lachen bei der SPD)

Wir haben eine schrumpfende Wirtschaft. Wir haben ex-
plodierende Sozialkosten. Wir haben bei den Pleiten
olympische Rekorde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle [FDP])


Allein in diesem Jahr haben wir 33 000 Pleiten.

(Zuruf von der SPD: Ihre Rede ist auch eine Pleite!)

Das ist die höchste Zahl seit Jahrzehnten.

Sie werden es erleben: Demnächst wird in irgendeinem
Arbeitsamt in Deutschland der viermillionste Erwerbs-
lose registriert werden. Ein Werbegeschenk von Herrn
Riester wird er wohl nicht bekommen.

Wo ist denn die ehemals stolze deutsche Wirtschafts-
nation? Wo ist denn die ehemals stolze Konjunkturloko-
motive Europas? Wir haben uns in Europa blamiert. Un-
ter Ihrer Regierung sind wir Wachstumsschwächling,
Letzter beim Wirtschaftswachstum geworden. Liebe Kol-
legen von Rot-Grün, es ist wirklich zu dumm, dass Sie




Franziska Eichstädt-Bohlig

20255


(C)



(D)



(A)



(B)


dafür nicht die flaue Weltwirtschaft verantwortlich ma-
chen können, auch wenn Sie es immer wieder probieren.
Wieso wächst denn der Export in diesem Jahr um über
5 Prozent?


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Das ist alles nur eine Scheinwelt, die wir miterleben?)


Sie nehmen England als Vergleich. England wird meines
Wissens in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von
2,25 Prozent haben,


(Michael Glos [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

obwohl dieses Land einen viel höheren Handelsaustausch
mit Amerika hat als wir. Wir hingegen schaffen gerade
einmal 0,7 Prozent. Ich glaube, mehr Worte bedarf es
nicht, um zu belegen, wer für diese Misere verantwortlich
ist: Das ist nun einmal Rot-Grün.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Der Kanzler aber bleibt untätig, er ist gleichgültig ge-
genüber den Problemen in unserem Land.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Sie jammern auf hohem Niveau!)


Der ist doch inzwischen auf den außenpolitischen Olymp
entrückt. Er merkt doch überhaupt nicht, dass wir unser
Land auf Titanic-Kurs steuern. Das ist ihm doch voll-
kommen gleichgültig.


(Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

Die Wirtschaftsexperten streiten unterdessen nur noch um
die Frage: Ist es schlimm oder ist es schlimmer, taumeln
wir am Abgrund einer Wirtschaftskrise oder schlittern wir
bereits herein?


(Michael Glos [CDU/CSU]: Am schlimmsten ist der Kanzler!)


Viel gefährlicher noch als die schlechte Wirtschafts-
lage ist die Krise des wirtschaftspolitischen Sachverstan-
des dieser Regierung, ist ihr Abschied von der Wirklich-
keit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wolfgang Weiermann [SPD]: Sie scheinen ja den Sachverstand gepachtet zu haben! Das ist unerhört!)


Wir brauchen doch bloß Ihren Bundeshaushalt, der uns
jetzt vorliegt, anzuschauen. Das ist genau die gleiche Fik-
tion wie der letzte Haushalt – ein Spuk, der auf herbei-
fantasierten Annahmen basiert: Sie gehen immer noch
von 1,25 Prozent Wirtschaftswachstum aus. Herr Eichel
ist wirklich der Einzige, der an ein Erreichen dieser Zahl
noch glaubt. Sie gehen auch bei diesem Entwurf noch von
Arbeitslosenzahlen aus, von denen Sie genau wissen, dass
sie nicht zu halten sein werden. Hinzu kommen nebulöse
Transaktionen, Luftbuchungen und Zaubertricks. Dieser
Haushaltsplan liest sich wie Harry Potter; bloß den Stein
des Weisen findet man darin nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Schauen Sie es sich doch an: Wir haben 1,5 Prozent
mehr Ausgaben als im letzten Jahr.


(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich dachte, Sie wollten sparen!


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420508600
Frau Kollegin,
Sie sind nur sehr schwer zu verstehen. Vielleicht können
wir die Techniker darum bitten, die Tonanlage etwas lau-
ter zu stellen. – Danke.


Dagmar G. Wöhrl (CSU):
Rede ID: ID1420508700
Herzlichen Dank, Frau
Präsidentin! Der SPD-Parteitag war ein Beispiel organi-
sierter Ratlosigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wieder einmal ist klar geworden: Diese Regierung hat
keinen Kompass und kein Konzept. Während in Ländern
wie Spanien, Holland, Irland, ganz zu schweigen von
Amerika und Großbritannien, systematisch liberalisiert
und flexibilisiert wird, machen Sie eine Politik der Unter-
lassungssünden und der gebrochenen Versprechen.

Wo bleibt denn die versprochene Arbeitslosenzahl
von weniger als 3,5 Millionen? Wo bleiben denn Ihre
massiven Steuersenkungen für den Mittelstand? Wo
bleibt denn die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes? Wo
bleibt denn die Senkung der Lohnnebenkosten auf we-
niger als 40 Prozent? Wo bleibt denn der Abbau von
Bürokratie? Wo bleibt denn eine zupackende Privatisie-
rung?


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Wo bleibt denn der gesunde Menschenverstand bei Ihnen?)


Und vor allem: Wo sparen Sie denn?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das möchte ich wirklich einmal wissen. Wir haben über
100 Milliarden DM mehr Schulden am Ende dieser Le-
gislaturperiode; ohne UMTS-Erlöse wären es sogar
200 Milliarden DM mehr Schulden. Inzwischen halten
Sie es ja schon für einen Fortschritt, wenn Sie beim Rück-
wärtsgehen nicht fallen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Rückwärts – das ist Ihre Richtung!

Es rächt sich, dass Sie unsere Reformen zurückgenom-
men haben. Wir werden es nicht mehr schaffen, die Sozi-
alversicherungsbeiträge zu senken. Es rächt sich, dass
Sie die nötige Reform im Gesundheitswesen nicht ange-
hen. Es rächt sich, dass Sie die Rentenreform nicht mutig
angegangen sind. Es rächt sich auch, dass Sie das Auf-
kommen aus der Arbeitslosenversicherung für alle mögli-
chen kuriosen Programme heranziehen, obwohl diese aus
dem Bundeshaushalt finanziert werden müssten. So ufern
die Sozialversicherungsbeiträge im nächsten Jahr auf
über 41,2 Prozent aus. Das heißt: Die Lohnnebenkosten
steigen, die Arbeit wird teurer, es wird auch wieder zu
mehr Entlassungen kommen.

Sie haben die Bundesanstalt für Arbeit inzwischen als
politische Manövriermasse missbraucht. Der Minister




DagmarWöhrl
20256


(C)



(D)



(A)



(B)


Riester erzählt, die Bundesregierung habe die Rahmenbe-
dingungen für mehr Jobs geschaffen. Das ist angesichts
der hoffnungslosen „Verriesterung“ des Arbeitsmark-
tes doch ein Witz. Allein das 630-Mark-Gesetz hat
700 000 Arbeitsplätze gekostet. Der Teilzeitanspruch hat
250 000 Neueinstellungen verhindert. Das neue Betriebs-
verfassungsgesetz hat unseren kleinen Betrieben noch
mehr Bürokratie und Kosten gebracht. Das sind mittel-
standsfeindliche, jobvernichtende Maßnahmen, die Sie
auf den Weg gebracht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Anstatt das Grundübel zu beseitigen – Ihre Unterneh-

mensteuerreform hat wirklich nicht die mittelständischen
Betriebe und die Familienbetriebe, sondern nur die
großen Kapitalgesellschaften entlastet –, geben Sie mehr
als 41Milliarden DM für Arbeitsförderung und ABM aus.
Was ist dabei herausgekommen? Das Gebirge hat gekreißt
und nicht einmal eine Maus geboren! Der zweite Arbeits-
markt wird höchstens künstlich aufgebläht. Dem ersten
Arbeitsmarkt helfen Sie damit nicht.

Sie verantworten eine weitere wirtschaftspolitische
Idiotie: Als einziges Land erhöht Deutschland die Steu-
ern!


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Großbritannien erhöht jetzt auch die Steuern!)


Ab dem 1. Januar 2002 kommen auf uns weitere Steuer-
erhöhungen zu, und zwar in Höhe von mehr als 10 Mil-
liarden DM. Die Ökosteuer wird erneut erhöht. Hinzu
kommen die Erhöhungen von Tabaksteuer und Versiche-
rungsteuer.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Kleidersteuer!)


Diese Maßnahmen entziehen die Kaufkraft, die wir jetzt
so dringend brauchen. All dies verdeutlicht das Bild Ihrer
rot-grünen Politik: starke Schultern entlasten und schwa-
che Schultern belasten.

Ist dies das neue Selbstverständnis der Sozialdemokra-
tie? Liebe Kollegen von Rot-Grün, entweder sind Sie da-
mit beschäftigt, den Leuten das Geld aus der Tasche zu
ziehen, oder Sie tun gar nichts. Sie schielen auf Amerika
und hoffen tatenlos auf Konjunkturgenesung von außen.
Sie gedenken, die akute Lage mit den Händen in der Ta-
sche einfach auszusitzen.

Ich prophezeie Ihnen: Sie können die Probleme nicht
aussitzen; Sie werden ihnen erliegen. Nun, dann werden
wir halt die Probleme nach der Wahl anpacken müssen.


(Wolfgang Weiermann [SPD]: Wollen wir wetten, dass das nicht eintritt, Frau Wöhrl?)


Im Gegensatz zu Ihnen werden wir unsere Zusagen und
Versprechungen halten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420508800
Ich schließe die
Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09,
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, in
der Ausschussfassung. Hierzu liegen Änderungsanträge
vor, über die wir zuerst abstimmen.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Än-
derungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksa-
che 14/7572. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt na-
mentliche Abstimmung.

Bevor ich die Abstimmung eröffne, möchte ich den
Kolleginnen und Kollegen bekannt geben, dass noch wei-
tere, jedoch nicht namentliche Abstimmungen folgen. Es
sollten also noch einige im Saal bleiben.

Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer,
ihre Plätze an den Urnen einzunehmen. Sind die Urnen
besetzt? – Das ist der Fall.

Ich eröffne die Abstimmung.
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine

Stimmkarte nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schrift-
führerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu be-
ginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später
bekannt gegeben.

Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort:
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion

der CDU/CSU auf Drucksache 14/7584. Wer stimmt
dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen von CDU/CSU, FDP und PDS abge-
lehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7642. Wer stimmt dafür? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der
PDS abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7649. Wer stimmt dafür? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
PDS gegen die Stimmen von FDP und CDU/CSU abge-
lehnt worden.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/7677. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen
des Hauses gegen die Stimmen der PDS, die zugestimmt
hat, abgelehnt worden.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/7678. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Auch dieser Änderungsantrag ist mit den
Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der PDS, die zu-
gestimmt hat, abgelehnt worden.




DagmarWöhrl

20257


(C)



(D)



(A)



(B)


Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich jetzt die Sitzung.


(Unterbrechung von 14.29 bis 14.33 Uhr)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420508900
Die unterbro-

chene Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU bekannt. Abgegebene Stimmen 600. Mit Ja ha-
ben gestimmt 282, mit Nein haben gestimmt 318. Es gab
keine Enthaltungen.




Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
20258


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 600;
davon

ja: 282
nein: 318

Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Dr. Joseph-Theodor Blank
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Norbert Blüm
Antje Blumenthal
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Georg Brunnhuber
Klaus Bühler (Bruchsal)

Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Dankward Buwitt
Cajus Caesar
Manfred Carstens (Emstek)

Peter H. Carstensen

(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Ilse Falk

Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)

Axel E. Fischer

(Karlsruhe-Land)


Klaus Francke
Dr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Georg Girisch
Michael Glos
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)

Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein

Gottfried Haschke

(Großhennersdorf )


Gerda Hasselfeldt
Norbert Hauser (Bonn)

Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach)


Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder

Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Dr. Martina Krogmann
Dr. Hermann Kues
Werner Kuhn
Dr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Eduard Lintner
Dr. Klaus W. Lippold

(Offenbach)


Dr. Manfred Lischewski
Wolfgang Lohmann

(Lüdenscheid)


Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven)

Erwin Marschewski

(Recklinghausen)


Dr. Martin Mayer

(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber

Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Katherina Reiche
Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer
Hannelore Rönsch

(Wiesbaden)


Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Dr. Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Dr. Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Andreas Schmidt (Mülheim)

Michael von Schmude
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr
von Schorlemer

Gerhard Schulz
Diethard Schütze (Berlin)

Clemens Schwalbe
Wilhelm Josef Sebastian
Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)





Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

20259


(C)



(D)



(A)



(B)


Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss)

Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Elke Wülfing
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
FDP
Ina Albowitz
Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Paul K. Friedhoff
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Dr. Wolfgang Gerhardt
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Dr. Helmut Haussmann
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto

(Frankfurt)


Detlef Parr
Cornelia Pieper
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler

Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Manfred Müller (Berlin)

Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Dr. Uwe-Jens Rössel
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf

Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Doris Barnett
Dr. Hans-Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Ursula Burchardt
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Karl-Hermann Haack

(Extertal)


Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann

(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel

Ute Kumpf
Konrad Kunick
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Gabriele Lösekrug-Möller
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Volker Neumann (Bramsche)

Gerhard Neumann (Gotha)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Christel Riemann-
Hanewinckel

Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Marlene Rupprecht

Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt worden.
Ich bitte jetzt diejenigen, die dem Einzelplan 09 in der

Ausschussfassung insgesamt zustimmen wollen, um das
Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 09 ist damit mit den Stimmen von SPD und
Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
CDU/CSU, der FDP und der PDS angenommen worden.

Tagesordnungspunkt I. 24, Abstimmung über den von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Geset-
zes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des
ERP-Sondervermögens für das Jahr 2002. Das sind die
Drucksachen 14/7259 und 14/7608. Berichterstattung:
Abgeordnete Dagmar Wöhrl. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung
mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen
der PDS angenommen worden.

Wir kommen zur
dritten Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
dagegen stimmt, der möge sich jetzt erheben. – Der Ge-
setzentwurf ist damit angenommen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-
ßungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/7655. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den
Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen der PDS,
die zugestimmt hat, abgelehnt worden.

Ich rufe den Punkt I. 25 auf:
Einzelplan 30
Bundesministerium für Bildung und Forschung
– Drucksachen 14/7318, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Siegrun Klemmer
Antje Hermenau
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Es liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der FDP
und zwei Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Kein Wider-
spruch? – Dann ist auch so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der
Abgeordnete Kampeter.




Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
20260


(C)



(D)



(A)



(B)


Thomas Sauer
Gudrun Schaich-Walch
Rudolf Scharping
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten
Horst Schmidbauer

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Dr. Frank Schmidt

(Weilburg)


Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk

Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich
von Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Inge Wettig-Danielmeier
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Helmut Wieczorek

(Duisburg)


Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Heino Wiese (Hannover)

Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Waltraud Wolff

(Wolmirstedt)


Heidemarie Wright
Uta Zapf
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell

Andrea Fischer (Berlin)

Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Gerald Häfner
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Kristin Heyne
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Kerstin Müller (Köln)

Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Dr. Antje Vollmer
Dr. Ludger Volmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

Margareta Wolf (Frankfurt)

Fraktionslose
Abgeordnete
Christa Lörcher


Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1420509000
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist der
letzte Etat, mit dem die Bundesministerin für Bildung und
Forschung Edelgard Bulmahn die Bildungs- und For-
schungspolitik beeinflussen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Du wirst dich noch wundern!)


Frau Bundesministerin, was Sie vor ein paar Wochen,
als es um die Einbringung dieses Etats ging, vorgetragen
haben, war eine wortreiche Verschleierung der mangel-
haften und politisch wirkungslosen Tätigkeit, die Sie in
den vergangenen drei Jahren in diesem Amt ausgeführt
haben.


(Widerspruch bei der SPD)

Drei Jahre nach der Bundestagswahl sollte der rot-grünen
Koalition mehr einfallen als die Mär, dass erst mit dem
Regierungswechsel die Bildungs- und Forschungspolitik
richtig angefangen hat. Gemessen an den Ausgaben des
Gesamthaushaltes lag der Anteil der Ausgaben für Bil-
dung und Forschung in den Etats von Frau Bulmahn und
Herrn Müller bei 3,3 Prozent, als sie 1998 die Regierung
übernommen haben. Bei 3,3 Prozent liegt der Anteil der
Bildungsausgaben in diesem Jahr und 3,3 Prozent wird
der Anteil der Bildungs- und Forschungsausgaben – zu-
mindest nach Aussagen der bisherigen Bundesregierung –
am Ende des Finanzplanungszeitraums sein.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist aber keine Verdoppelung!)


Die Regierung ist mit der Ankündigung angetreten, die
Ausgaben im Bildungs- und Forschungsbereich zu ver-
doppeln.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist richtig!)


Am Ende der Regierungszeit wird der Anteil der Bil-
dungs- und Forschungsausgaben nicht höher sein als zur
Zeit des Regierungswechsels.


(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! – Widerspruch bei der SPD)


Das ist ein Zeichen der Stagnation und der politischen
Wirkungslosigkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es zeigt, dass wieder einmal ein Wahlversprechen in ei-
nem wichtigen Politikbereich gebrochen wird.


(Jörg Tauss [SPD]: Ein Haushälter sollte rechnen können!)


Wie kannmanda allenErnstes in Presseerklärungenbe-
haupten, es handele sich um eine Rekordausgabe? Wenn
man die in den Etats desWirtschafts- und des Bildungsmi-
nisteriums angesetzten Forschungsausgaben zusammen-
zählt – in der letzten Debatte über den Wirtschaftsetat ist
darauf hingewiesen worden –, wird man feststellen, dass
hier in Wahrheit eine Stagnation und in Teilen sogar ein
Rückgang stattfindet. Vom Zukunftsinvestitionspro-
gramm redet heute kein ernsthafter Politiker mehr.


(Jörg Tauss [SPD]: Deswegen reden wir ja nicht darüber!)


Die mit viel Tamtam aus dem gescheiterten UMTS-Priva-
tisierungsdeal finanzierten Programme stellen keinen we-
sentlichen Impuls dar. Ohne den UMTS-Impuls würden
die Forschungsausgaben real und nominal sogar sinken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Angesichts der Trickserei an allen Ecken und Enden die-
ses Haushaltes ist dies kein Wunder.

Die Programmwut dieses Bildungsministeriums führt
dazu, dass Programme mit einem riesigen Volumen an-
gekündigt werden, ohne dass die dafür notwendigen ad-
ministrativen Kompetenzen überhaupt vorhanden sind.
Die Programme laufen langsam und schleppend an. Die
Mittel, die die Bundesministerin schon fünfmal in Pres-
seerklärungen angekündigt hat, fließen überhaupt nicht ab


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Aha!)

und werden dem Finanzminister zum Jahresende wieder
gutgeschrieben. Dies ist ein Schaulaufen und keine se-
riöse Politik. Diese Programmwut zeigt eher die Gedan-
kenlosigkeit und die Konzeptionslosigkeit der For-
schungspolitik der Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Können Sie eigentlich noch etwas anderes, als nur zu polemisieren?)


Ein Beispiel, das dies illustriert, ist das Programm
Inno-Regio. Uns wird zwar erzählt, es laufe zögernd an;
das wird gar nicht verschwiegen. Dann wird aber seit Mo-
naten gesagt, nächste Woche würden die entsprechenden
Entscheidungen fallen. Diese Woche verschiebt sich von
Monat zu Monat. Ende Oktober sind Mittel in Höhe von
40 Prozent der für das Jahr 2001 vorgesehenen Gesamt-
etatsumme abgeflossen. Es muss schon ein richtiges No-
vemberfieber sein, wenn man diese Mittel noch sinnvoll
ausgeben will. Das sind Luftballons und Worthülsen; das
ist keine realistische Forschungspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies ist der vierte Haushalt, den die rot-grüne Macht-

erhaltgemeinschaft vorgelegt hat.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Man kann sich beim vierten Haushalt nur noch schlecht
mit Vergangenheitsvergleichen retten, selbst wenn es
stimmen würde, dass es galt – was wir entschieden be-
streiten –, eine Erblast in Bildung und Forschung zu über-
nehmen. Wir Politikerinnen und Politiker in Deutschland
werden nicht als Testamentsvollstrecker gewählt, sondern
wir werden dafür gewählt, Politik kraftvoll zu gestalten.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehr gut!)

Wenn man Politik kraftvoll gestalten will, dann muss man
eigene Akzente setzen, die wir aber bei dieser Bundesmi-
nisterin nicht erkennen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht dabei nicht nur um Geld, sondern auch um

praktische Politik. Deswegen will ich einige Beispiele
nennen, die, glauben wir, zeigen, dass Bildung und For-
schung eher eine Misserfolgsgeschichte denn eine Er-
folgsgeschichte dieser Regierung ist.






(C)



(D)



(A)



(B)


Das erste Beispiel, das ich anführen will, ist die Studi-
enfinanzierung, insbesondere das BAföG. Es war die Er-
wartung geweckt worden, als würde man in dieser Legis-
laturperiode zu einer umfassenden, tragfähigen und von
allen Parteien getragenen BAföG-Reform kommen. Damit
wäre eine auch von uns nicht verschwiegene Verbesserung
der strukturellen Schwäche der Studienfinanzierung mög-
lich gewesen. Allerdings hat das übliche Vorgehen – näm-
lich nicht gemeinsam mit der Opposition zu handeln, son-
dern im politischen Alleingang Dinge durchs Parlament zu
peitschen – dazu geführt, dass selbst in der Bundesregie-
rung die Zustimmung für eine große BAföG-Reform nicht
vorhanden war. Die jetzt auf den Weg gebrachte kleine
BAföG-Reform ist eher ein Misserfolg, zumindest dann,
wenn man sie an den Ankündigungen misst.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Starker Beifall!)


Die Ausgaben im Jahre 2001 sinken gegenüber den
Ankündigungen der Ankündigungsministerin Edelgard
Bulmahn. Die Ausgaben des Jahres 2002 für das BAföG
wurden bereits im Regierungsansatz gegenüber Ihren bis-
herigen Planungen, Frau Bulmahn, um 100Millionen DM
nach unten korrigiert. 100 Millionen DM nehmen Sie den
Studierenden weg, weil Ihre Reform auf unzutreffenden
Annahmen aufbaute und weil für weitere notwendige po-
litische Reformen bei der Studienfinanzierung sowohl die
politische Unterstützung des Finanzministers als auch die
Ihres Landsmannes, des Bundeskanzlers, fehlte.

Um der ganzen Sache die Krone aufzusetzen, sind im
Zuge der Haushaltsberatungen aus diesem eh schon ge-
schröpften BAföG-Titel von den Koalitionären noch ein-
mal circa 40 Millionen DM weggenommen worden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sauerei!)

Da helfen auch keine Ausreden, dass es jetzt angeblich ei-
nen Antragsstau gebe. Es wird von 25 Prozent Zuwachs
geredet. Sie selbst aber gehen davon aus, dass der BAföG-
Titel nicht so schnell wachsen wird und dass eine struktu-
relle Reform nicht erreicht wird. Die Gefördertenquote
dürfte kaum steigen. In der Frage der Studienfinanzierung
sind Sie auf der ganzen Linie erfolglos.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Cornelia Pieper [FDP])


Daran ändert im Übrigen die Tatsache auch nichts,
dass Sie eine sehr teure und eine den Öffentlichkeitsetat
nahezu ausschöpfende Werbekampagne für das BAföG
mit Guildo Horn durchgeführt haben. Ich glaube, er ist
ohne die „Orthopädischen Strümpfe“ zur Unterstützung
Ihrer Regierungspolitik angetreten. Diese Kampagne war
sehr teuer. Ich befürchte, dass sie ergebnislos sein wird.
Mit PR-Maßnahmen wird man nämlich Studierende in
Deutschland nicht überzeugen. Da muss man schon eine
anständige Politik machen.


(Beifall des Abg. Thomas Rachel [CDU/CSU])


Ein zweites Beispiel. Ich will darauf hinweisen, dass
Sie die Hochschulbauausgaben nach einem Zwi-
schenhoch im Jahre 2001 im Jahre 2002 gegenüber der Fi-
nanzplanung zurücknehmen. Nach diesem Zwischenhoch

gehen Ihnen trotz UMTS-Sonderspritze die Finanzmittel
für Ihre Hochschulbaupolitik aus. Auch die im Übrigen
schon seit Jahren von allen Fraktionen – schon vor dem
Regierungswechsel – angemahnten Überlegungen zur
Strukturreform der Hochschulbaufinanzierung sind noch
nicht weiter vorangekommen. Die Grundüberlegungen
zur Entflechtung scheinen von Ihnen nicht engagiert ge-
nug vertreten worden zu sein. Auch beim Hochschulbau
gibt es keine Entwarnung. Dort stehen wir vor großen
Strukturproblemen. Doch die Politik in dieser Legislatur-
periode ist zur Lösung dieses Problems ein glatter Ausfall
gewesen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der dritte Ausfall, auf den ich hinweisen möchte, ist die

Dienstrechtsreform. Auch hier hat Ihnen die Opposition
die Hand gereicht, um gemeinsam zwischen Koalition
und Opposition ein tragfähiges Reformwerk vorzuberei-
ten und in das Bundesgesetzblatt zu bringen. Es war Ih-
nen offensichtlich aber bisher nicht möglich, allein schon
die SPD-regierten Bundesländer von der Notwendigkeit
Ihrer Vorschläge zu überzeugen.

Deswegen kommen Sie in die politisch schwierige Si-
tuation, dass nicht sicher ist, ob dieses von Ihnen in der
ersten Lesung als „Jahrhundertwerk“ charakterisierte Re-
formwerk morgen überhaupt eine Mehrheit im Bundesrat
erhalten wird. Der Vermittlungsausschuss droht und an-
schließend droht das Diktat der Finanzminister. Dann
kann das, was Sie als Jahrhundertwerk angekündigt ha-
ben, leicht zur Jahrhundertpleite für Bildung und For-
schung werden.

Es gibt einen vierten Ausfall: Sie haben die Dienst-
rechtsreform lange angekündigt, aber bis heute haben Sie
offensichtlich noch keine Mehrheit dafür, dass sie ins
Bundesgesetzblatt kommt.

Ich will in diesem Zusammenhang auf ein weiteres Po-
litikfeld hinweisen, bei dem die Union mit großer Sorge
auf die Entwicklung blickt, nämlich die Gen- und Bio-
technologie. Wir sind der Auffassung, dass man die Mög-
lichkeiten dieser neuen Technologien für Deutschland
nutzbar machen sollte, ohne die Bedenken von breiten
Teilen der Bevölkerung zu unterschlagen. Dies gilt für die
grüne ebenso wie für die rote Gentechnik. Im Bereich der
grünen Gentechnik blockiert Ihr Koalitionspartner. Ange-
kündigte Entscheidungen stehen an. Im Bereich der roten
Gentechnik wird heute wohl der von Ihnen zwar nicht ein-
gesetzte, aber bezahlte Gentechnikbeirat


(Zuruf von der SPD: Der heißt „Ethikrat“!)

– „Ethikrat“ – eine erste Beschlussempfehlung vorlegen,
die nach Ankündigungen in der Sache ein entschiedenes
Sowohl-als-auch bedeuten wird.

Ich glaube nicht, dass die Verlagerung von politischen
Entscheidungen aus dem Parlament heraus in Experten-
gremien – Sie haben ja auch weitere Gremien, beispiels-
weise den Innovationsbeirat – hilfreich ist. Dies ist eine
ungute Entwicklung. Entscheiden muss das Parlament.


(Siegrun Klemmer [SPD]: Das wird es ja auch!)





Steffen Kampeter
20262


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir werden mit der notwendigen Sensibilität und im
Übrigen auch mit dem dafür erforderlichen Sachverstand
in allen Fraktionen eine richtige und akzeptable Lösung
finden. Dafür wollen wir Sie gewinnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Allerdings betreiben Sie die außerparlamentarische

Forschungspolitik, glaube ich, mit einer gewissen Ziel-
setzung. Es gab in den vergangenen Jahren eine ganze
Reihe von Vorhaben, insbesondere im Bereich der
Forschungspolitik, bei denen Sie versucht haben, das Par-
lament – das betrifft offensichtlich alle Fraktionen – vor
vollendete Tatsachen zu stellen. Ich erwähne die Grün-
dung der Stiftung „Friedensforschung“, über die das Par-
lament erst informiert worden ist, als die Sache schon un-
ter Dach und Fach war. Ich nenne die Neuordnung der
geisteswissenschaftlichen Forschungsinstitute, von der
das Parlament ebenfalls nur aus der Presse erfahren hat.
Ich nenne die Reform der Großforschungseinrichtungen
oder die Fusion von GMD und Fraunhofer-Gesellschaft.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die ein Erfolg war!)


In all diesen Fällen kann man fühlen, dass Sie ein Miss-
trauen nicht nur in die Opposition haben, dass sie nicht all
das bejubelt, was Sie machen, sondern auch in Ihre eigene
Regierungskoalition, die Sie genauso spät informieren.

Ich glaube aber, dass das der Mehrheitstauglichkeit
von solchen Vorhaben wie beispielsweise der Neuord-
nung der Großforschungseinrichtungen, bei der wir in der
Sache eher zustimmen, aber hinsichtlich des Verfahrens
unsere Bedenken haben, eher schadet als nutzt.

Wir sehen auch an dem Abstimmungsverhalten Ihrer
eigenen Partei, dass dieser von mir mehr als autistisch in-
terpretierte Politikstil der Sache nicht dienlich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Auf dem Bundesparteitag der Sozialdemokraten sind Sie
in der Frage der Studienfinanzierung nicht nur von den
Delegierten im Regen stehen gelassen worden, sondern
auch von der gesamten SPD-Führung. Das ist eine bittere
Niederlage für Sie


(Hans Georg Wagner [SPD]: Am Montag kommt sie ins Präsidium!)


und ein Zeugnis für den offensichtlich nicht sehr hohen
Stellenwert der Amtsinhaberin im Bereich Bildung und
Forschung.

Übersetzt auf den Bereich des Parlaments heißt dies:
Wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, die SPD-
Führung von der Richtigkeit Ihrer politischen Konzepte
zu überzeugen, wie soll es Ihnen dann gelingen, darzu-
stellen, dass Sie eine engagierte Anwältin von Bildung
und Forschung im Parlament und weit darüber hinaus
sind? Das ist unglaubwürdig. Sie sind keine solche An-
wältin.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Entgegen der von mir kritisierten Zusammenarbeit

zwischen Regierung und Parlament hat es innerhalb des

Parlaments eine sehr gute Zusammenarbeit gegeben, ins-
besondere auf der Berichterstatterebene. Ich begrüße in
diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass es gelungen
ist, ein Forschungsprojekt zum Thema „Hormon-
ersatztherapie bei Frauen nach der Menopause“ unstreitig
über Fraktionsgrenzen hinweg mit einem ausreichenden
Mittelansatz zu versehen. Ebenfalls einvernehmlich un-
terstützt wird die Neuorientierung der Bereederung unse-
rer Forschungsschiffe sowie in der Sache die Neugliede-
rung der Helmholtz-Gemeinschaft, die auch durch die
kompetente Personalentscheidung an der Spitze auf breite
Zustimmung innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfrak-
tion gestoßen ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Seit wann?)

An dieser Stelle will ich mich ausdrücklich bei der Be-

richterstatterin der Mehrheitsfraktion, der Kollegin
Klemmer, für die gute Zusammenarbeit bedanken. Ich tue
dies auch vor dem Hintergrund, dass sich die Kollegin
Klemmer aus freien Stücken entschieden hat, den Deut-
schen Bundestag zu verlassen. Von daher wird es die
letzte gemeinsame Haushaltsberatung sein. Mir hat sie
stets Spaß gemacht, weil sie über alle Parteigrenzen hin-
weg von gegenseitigem Respekt geprägt war.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der PDS)


Gleichwohl muss ich in dieser Zusammenarbeit poli-
tisch anmerken, dass ich Sorge habe, dass im For-
schungsbereich immer stärker Klientelpolitik betrieben
wird. So haben die Grünen durchgesetzt, dass unter dem
Deckmantel der Umweltforschung Gelder in einer Grö-
ßenordnung von 12 Millionen DM für Öko- und Umwelt-
gruppen eingesetzt worden sind. Weil der eine Koaliti-
onspartner befriedigt werden musste, hat man gleich noch
den vor allem von den Gewerkschaften in Anspruch ge-
nommenen Innovationstitel mit zusätzlichen 5 Millionen
ausgestattet. Ich halte dies für eine gefährliche Entwick-
lung, weil an anderen Stellen, zum Beispiel im Bereich
der Fachhochschulen oder bei der wirtschaftsnahen For-
schung, das Geld fehlt. Dass sich gleichzeitig so viel Geld
für die Befriedigung von Klientelinteressen im Haushalt
befindet, kann nicht unsere Zustimmung finden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich einiges zur beruflichen Bildung sa-

gen. Frau Bundesministerin, auch das ist ein schwieriges
Feld; insbesondere die Situation beim Meister-BAföG.
Vor einigen Jahren ist es Ihnen nicht gelungen, die
Kompetenzen für das Meister-BAföG in Ihrem Haus zu
behalten. Sie haben es an den Wirtschaftsminister abge-
geben. Der Wirtschaftsminister ist jetzt finanziell mau ge-
worden. Aus Ihren bisherigen Mitteln haben Sie wieder
Gelder herausnehmen müssen, um dem Wirtschaftsminis-
ter auszuhelfen. Wenn das Forschungsministerium zur
Reservekasse des Wirtschaftsministeriums wird, ist das
natürlich kein Ausweis der politischer Stärke, sondern
eher ein Ausweis der politischen Schwäche. So weit sind
wir in Deutschland schon gekommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)





Steffen Kampeter

20263


(C)



(D)



(A)



(B)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, viermal ha-
ben Sie hier als Rednerinnen und Redner der Koalition auf
die tolle Steigerung der Ausgaben und die tolle Qualität
Ihrer Bildungs- und Forschungspolitik hingewiesen.


(Jörg Tauss [SPD]: Das wird auch weiterhin so geschehen!)


Der Regierungsentwurf und das, was heute verabschie-
det wird, unterscheiden sich allerdings um keine Mark
und keinen Pfennig, das heißt, dass wir während der ge-
samten Haushaltsberatung in diesem Bereich keine ma-
terielle Veränderung – zum Beispiel eine zusätzliche Fi-
nanzspritze – herbeiführen konnten. Man kann vielleicht
sagen, dass sie eher nutzlos gewesen ist. Allerdings sind
Klientelinteressen befriedigt worden. Eine kraftvolle
Haushaltspolitik oder gar eine Verdoppelung sowie ein
hoher Stellenwert für Bildung und Forschung waren in
diesen und den vorangegangenen Haushaltsberatungen
leider nicht zu erkennen. Von diesen leeren Verspre-
chungen haben wir genug und von dieser Politik schon
lange.

Wir lehnen den Etat ab.

(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Wir haben von euch auch genug!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420509100
Das Wort hat
jetzt die eben gelobte Kollegin Klemmer.


(Jörg Tauss [SPD]: Für den könnt ihr Ostwestfalen nicht verantwortlich machen! – Gegenruf des Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Herr Tauss, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ steht, sie seien ein Opportunist! Gehen Sie einmal in Selbstkritik!)



Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1420509200
Sehr geehrte Frau Präsi-
dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Plafond des
Einzelplans 30, den wir jetzt beraten und der einen der po-
litischen und finanziellen Schwerpunkte unserer Politik
darstellt,


(Beifall bei der SPD)

beläuft sich für das Jahr 2002 auf nahezu – ab jetzt reden
wir nur noch von Euro – 8,4 Milliarden Euro. Im nächs-
ten Jahr werden wir für Bildung und Forschung 223 Mil-
lionen Euro mehr ausgeben als im laufenden Haushalts-
jahr. Gegenüber 1998 haben wir die Mittel um
21,5 Prozent erhöht. Das sind die reinen Zukunftsinvesti-
tionsmittel


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


und natürlich nicht die Mittel für Personal, Bürobedarf
usw. Davon war auch nie die Rede.

Daher muss ich die unzutreffenden Äußerungen des
Kollegen Austermann vom Dienstag dieser Woche
zurückweisen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Pflichtgemäß!)


Sie sagten, im letzten Jahr der alten Koalition, nämlich
1998, seien die Mittel für Bildung, Forschung und Tech-
nologie höher gewesen als heute.


(Jörg Tauss [SPD]: Was?)

Selbst wenn ich die von Ihnen genannten Mittel für Tech-
nologie einrechne – Sie wissen natürlich, dass die Mittel
für Technologie jetzt im Einzelplan 09 eingestellt sind –,
lagen sie 1998 bei 7,6 Milliarden Euro. Wir geben heute
für Bildung und Forschung – ohne Technologie – knapp
8,4 Milliarden Euro aus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Jetzt erklären Sie mir bitte, wie 7,6 mehr sein kann als 8,4.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben doppelt gezählt!)

Ich will Ihnen einmal sagen, welche Situation wir 1998

nachdergewonnenenBundestagswahlvorgefundenhaben.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Eine Testamentsvollstreckung ist das! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Es war eine Leiche und deshalb die Testamentsvollstreckung! – Dr. Guido Westerwelle [FDP]: „Erblast“!)


– Natürlich, Herr Westerwelle, Sie mögen es nicht gerne
hören, aber das gehört zur historischen Wahrheit.

Wir haben einen heruntergewirtschafteten Haushalt
mit einer Rekordverschuldung und erdrückend hohe
Zinslasten übernommen.


(Zuruf des Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU])


– Ich weiß, dass Sie das nicht hören möchten. Es muss
aber immer wieder gesagt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir hatten kaum Gestaltungsspielraum. Das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zur Familienpolitik hat uns
gezwungen, das, was Sie auf diesem Gebiet versäumt ha-
ben, nachzuholen. Die Mittel im Einzelplan 30 betrugen,
wie ich bereits sagte, 7,2 Milliarden Euro. Die Anzahl der
BAföG-Empfänger – darauf gehe ich später näher ein – ist
nach der Wiedervereinigung kontinuierlich auf einen
Stand von 340 000 gesunken. Im Bereich der modernen
Zukunftstechnologien hatten wir unter der Ägide des von
Ihnen zum „Zukunftsminister“ hochstilisierten Herrn
Rüttgers total den Anschluss verloren. – Das war die Bi-
lanz, mit der Sie nach 16 Jahren aus der Regierungsver-
antwortung verabschiedet worden sind.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben die Ärmel hochgekrempelt, den Haushalt in

schwierigsten Zeiten auf einen Konsolidierungskurs ge-
bracht und dennoch unsere Wahlversprechen gehalten,


(Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)


indem wir in die Zukunft unseres Landes, in Bildung und
Forschung investiert haben.




Steffen Kampeter
20264


(C)



(D)



(A)



(B)


Schlimm ist jedoch, dass Sie seitdem offensichtlich gar
nichts dazugelernt haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Nein, denn das setzt Bildung voraus!)


Was hatte die Opposition in den letzten Haushaltsberatun-
gen zum Einzelplan 30 als Alternative zu bieten? Alle Op-
positionsfraktionen wollten – wunderbar – die Mittel des
Einzelplans 30 erhöhen: die PDS um 15,6 Millionen Euro,


(Rolf Kutzmutz [PDS]: Da sehen Sie einmal, wie bescheiden wir waren!)


Sie von der Union um knapp 120 Millionen Euro und die
FDP– eine kleine Fraktion, aber doch sehr mutig – um un-
glaubliche 834 Millionen Euro.


(Cornelia Pieper [FDP]: 3,6 Milliarden mehr wollen wir für den Bundeshaushalt!)


Zur Wahrheit gehört, dass die PDS als einzige Fraktion
halbwegs akzeptable Vorschläge zur Gegenfinanzierung
gemacht hat.


(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Dr. Guido Westerwelle [FDP])


Die Union hat gerade in den Bereichen kräftig draufge-
sattelt, in denen wir bereits 1998 die Mittel enorm aufge-
stockt haben. Und was macht die FDP? Sie machen es
sich ganz einfach. Sie stellen Änderungsanträge mit ei-
nem Volumen von 834 Millionen Euro. Was aber ist mit
Vorschlägen zur Finanzierung? – Fehlanzeige.


(Cornelia Pieper [FDP]: Was ist denn mit dem Bundesvermögen?)


Stattdessen verstecken Sie sich hinter dem Argument,
Ihren angeblich – schon nach drei Jahren; dazu war viel
Zeit – radikalen Kurswechsel im Bereich Bildung und
Forschung durch die Streichung von Subventionen finan-
zieren zu wollen. Wie ernst dürfen wir diesen Vorschlag
nehmen vor dem Hintergrund, dass Sie die Erhöhung der
Haushaltsmittel durch die Streichung gerade der Subven-
tionen finanzieren wollen, die Ihr damaliger Wirtschafts-
minister Rexrodt ausgehandelt hatte?

Die föderale Struktur in Deutschland bringt es mit sich,
dass der Bereich Bildung und Forschung auf Bundes- und
Länderebene gestaltet wird. Gerade im Forschungs- und
Wissenschaftsbereich haben wir es mit einer heterogenen,
nicht einfachen Community mit vielen Partikularinteres-
sen zu tun, die Reformen nicht sofort begeistert durch ihre
Unterstützung folgt. Umso mehr kann ich mit großer Ge-
nugtuung und mit Stolz vortragen, welche Leistungen wir
auf dem Gebiet der Bildung und Forschung vorzuweisen
haben.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bitte nicht zu dick auftragen, Frau Kollegin!)


– Nein, als seriöse Haushälterin bleibe ich immer unmit-
telbar bei der Wahrheit. Das wissen Sie doch, Herr Kol-
lege Kampeter.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Rechtzeitig zum Sommersemester dieses Jahres ist die
BAföG-Reform in Kraft getreten. Dank einer begleiten-

den erfolgreichen Aufklärungskampagne wissen Jugend-
liche und ihre Eltern, „dass sich BAföG wieder lohnt“.
Selbstverständlich ist es weiterhin nötig – das merken wir
regelmäßig zum Semesterbeginn –, die jungen Menschen
davon zu überzeugen, ein Studium aufzunehmen.
Während nämlich der Anteil eines Jahrgangs, der ein Stu-
dium beginnt, im Jahr 1999 auf 28 Prozent gesunken war,
liegt diese Quote zum Beispiel in den USAbei 44 Prozent,
in Israel bei 49 Prozent und in Finnland bei 58 Prozent.
Diese Entwicklung darf nicht so bleiben. Durch die Re-
form können wir die Zahl der Geförderten endlich spür-
bar erhöhen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gab es zu Beginn unserer Regierungsübernahme
340 000 BAföG-Empfänger, so kehrt sich der Trend all-
mählich um. Im Jahre 2000 gab es bereits 360 000 Geför-
derte. Zum jetzigen Zeitpunkt können die BAföG-
Ämter – Ländereinrichtungen – noch keine absoluten
Zahlen für das Jahr 2001 angeben.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


Die Studierenden aber – Sie müssen doch nur wie ich te-
lefonieren, um das abzufragen – rennen den BAföG-Äm-
tern zum ersten Mal seit Jahrzehnten endlich wieder die
Türen ein.


(Beifall bei der SPD)

Die Ausgabenzuwächse beim BAföG, gemessen an

den Mitteln, die die Länder abrufen, ergeben gegenüber
demselben Vorjahresmonat folgende Zahlen: September
plus 43 Prozent; Oktober plus 48 Prozent, November plus
55 Prozent. Ich lese Ihnen auch gerne vor, was Mitarbei-
ter von BAföG-Ämtern von unserer Reform halten.

Allein der Bund stellt für 2002 insgesamt 810 Milli-
onen Euro zur Verfügung. Das sind 4 Prozent mehr als im
laufenden Jahr. Ich denke, wir können sagen: Beim
BAföG ist die Wende zum Guten eingeleitet, auch wenn
sie noch nicht geschafft ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was den Studierenden sowie den Schülerinnen und
Schülern recht ist, soll den Berufstätigen billig sein. Wir
haben das so genannte Meister-BAföG im Aufstiegsfort-
bildungsförderungsgesetz, welches in der beruflichen
Bildung das Pendant zum herkömmlichen BAföG bildet,
ebenfalls auf gesunde Beine gestellt. Fortbildungswillige
können unabhängig von ihren wirtschaftlichen Verhält-
nissen ihre Fähigkeiten und Neigungen entfalten. Wir
leisten mit dieser Novelle vor allen Dingen einen Beitrag
zur Förderung des Mittelstandes.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dank der gerade im Bundestag verabschiedeten Reform,
die zum 1. Januar kommenden Jahres in Kraft treten wird,
erhöhen wir die Zahl der Geförderten von derzeit 50 000
auf 60 000 bis zum Jahr 2004.


(Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Ohne unseren Druck hätten Sie da gar nichts gemacht!)





Siegrun Klemmer

20265


(C)



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(A)



(B)


Zusammen mit dem Anteil des BMWi kommen 850 Mil-
lionen Euro zusammen, die jungen Berufstätigen zur Ver-
fügung gestellt werden können.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie wollten gar nichts!)


Eine andere Reform – lange überfällig und erfolgreich
gestartet – ist die Dienstrechtsreform.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Gestartet schon, aber nicht vollendet!)


Wir dürfen getrost von einem Jahrhundertwerk sprechen,
bricht sie doch mit überalterten, unzeitgemäßen Verfahren
aus dem 19. Jahrhundert.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Außerhalb der Koalition wird das nicht so gesehen!)


Anstelle der Habilitation wird es die Juniorprofessur ge-
ben, die es jungen Wissenschaftlerinnen und Wissen-
schaftlern ermöglicht, in ihren kreativsten Jahren selbst-
ständig zu lehren und zu forschen. Während der zweimal
drei Jahre andauernden Professur können sie als vollwer-
tige Mitglieder des Lehrkörpers


(Cornelia Pieper [FDP]: Was ist nach sechs Jahren?)


Drittmittel für eigene Forschungsprojekte einwerben und
sich ohne Abhängigkeit von einem Professor entfalten.
Wir wollen es nicht länger hinnehmen, dass Akademiker
in Deutschland erst mit Anfang 40 eine Professur antreten
können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Werner Lensing [CDU/CSU]: Das ist ja richtig, aber qualifiziert sollten sie schon sein!)


Ein im Zeitalter der wissenschaftlichen Globalisierung
wesentliches Element, das unsere Hochschulen attrakti-
ver und leistungsfähiger macht, ist Internationalität.Wir
wünschen uns einen regeren Austausch zwischen deut-
schen und ausländischen Studierenden sowie Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftlern. Da es gerade beim
Austausch zwischen Deutschland und den mittel- und ost-
europäischen Ländern ein starkes Ungleichgewicht von
1:4 gibt, haben wir den Ansatz auf 63,5Millionen Euro er-
höht. Wir hoffen, dass wir unserer zentralen Lage in Eu-
ropa als wichtiges Bindeglied vor allen Dingen zu den
mittel- und osteuropäischen Ländern und der EU auch auf
diesem Feld nachhaltig gerecht werden können.


(Beifall bei der SPD)

Der Herr Kollege Kampeter hatte es schon erwähnt:

Ein wichtiger und mir besonders am Herzen liegender
Posten im Haushalt wird das neue mittelgroße eisrand-
fähige Forschungsschiff sein. Es wird 2004 vom Stapel
laufen und dazu beitragen, Deutschlands hervorragendes
internationales Renommee in den Geowissenschaften, in
der Klimaforschung und in der Meeresbiologie zu unter-
mauern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Von Küste zu Küste!)


– Die Küste ist zufrieden, aber ich denke, nicht nur die.
Der Bund investiert im kommenden Jahr 10,3 Milli-

onen Euro und damit seinen Anteil von 75 Prozent. Die
Küstenländer Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Bre-
men und Schleswig-Holstein übernehmen 25 Prozent, so-
dass bis zum Jahre 2005 42,2 Millionen Euro zur Verfü-
gung stehen werden.

Ich komme zu einem weiteren wichtigen Bereich die-
ses Haushalts. Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade
auch von der CDU/CSU, trotz vieler Unkenrufe kommen
wir bei der Raumfahrt nicht nur unseren internationalen
Verpflichtungen nach. Im Gegenteil: Wir haben unserer
Ministerin als der neuen Vorsitzenden der EWO-Minis-
terratskonferenz kräftig den Rücken gestärkt und den
deutschen Beitrag an die Europäische Weltraumorganisa-
tion um 30 Millionen Euro auf über 561 Millionen Euro
erhöht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist verdienstvoll! Vorher haben Sie immer gekürzt!)


Allerdings – das soll an dieser Stelle deutlich betont wer-
den – verknüpfen wir mit unserem Engagement die sehr
konkrete und eindringliche Forderung an die Industrie,
mittelfristig mehr Eigenmittel aufzubringen.

Im Bereich Gesundheitsforschung – wir nennen das
Forschung für den Menschen – stehen im kommenden
Jahr für Forschung zur Gesundheitsvorsorge, die Ent-
wicklung neuer Therapien und Präventionsverfahren bei
den so genannten Volkskrankheiten mehr als 200 Milli-
onen Euro zur Verfügung. Erneut, Herr Kollege
Kampeter – eigentlich wissen Sie es, aber Sie haben hier
etwas anderes behauptet –, haben wir die Mittel für den
Bereich Biotechnologie erhöht.


(Jörg Tauss [SPD]: Ich glaube nicht, dass er es weiß!)


Deutschland gehört mittlerweile zu den führenden Natio-
nen in Europa: In keinem anderen Land gibt es mehr Bio-
technologieunternehmen als bei uns.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für das nächste Jahr sind 115Millionen Euro in den Haus-
halt eingestellt. Für den gesamten Bereich der Lebens-
wissenschaften geben wir mehr als 320 Millionen Euro
und haben damit nur für dieses Segment seit 1998 die Mit-
tel um fast 60 Prozent erhöht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ein Wort zu den neuen Bundesländern. Neben ihrem
selbstverständlichen Anteil an allen Programmen haben
wir für die neuen Bundesländer zusätzliche Förderinstru-
mente aufgelegt: Inno-Regio geht in seine entscheidende
Phase.


(Cornelia Pieper [FDP]: Mein Lieblingsthema! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie kündigen es seit Monaten an, aber passiert ist nichts!)





Siegrun Klemmer
20266


(C)



(D)



(A)



(B)


– Frau Kollegin Pieper, Sie haben gleich Gelegenheit, sich
dazu positiv zu äußern. – Deshalb haben wir 10 Milli-
onen Euro zusätzlich gegeben. Wir unterfüttern das mit
den innovativen regionalen Wachstumskernen, die aus
dem Zukunftsinvestitionsprogramm finanziert werden.
Hier stehen weitere 25 Millionen Euro bereit, um endlich
schlagkräftige, attraktive regionale Zentren aufzubauen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir hoffen, dass dadurch moderne, attraktive Arbeits-

plätze entstehen. Wir hoffen gleichzeitig, dass dadurch
das Angebot an junge Ostdeutsche verstärkt wird und sie
veranlasst werden, in ihrer Region zu bleiben. Es hilft, die
Abwanderung aufzuhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Insgesamt fließen aus dem Einzelplan 30 1,5 Milliar-
den Euro in die neuen Länder.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Vergleiche mit den Daten von 1998 belegen, wie
stark Rot-Grün die Bildungs-, Forschungs- und Wissen-
schaftslandschaft seit Regierungsantritt verändert hat.
Es sind aber nicht nur finanzielle Aufwüchse, sondern
auch moderne und tragfähige Konzepte, die Verbesserun-
gen bewirken.

Was bei der heutigen Opposition während ihrer Regie-
rungszeit doch meist nur Worthülsen waren, sind bei uns
Projekte und Perspektiven.


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Nennen Sie mal ein Beispiel!)


Ich erinnere Sie an Worte wie Zukunftsminister,

(Werner Lensing [CDU/CSU]: Das hat das Volk so gesagt!)

Stärkung der Innovation, Bildung und Forschung als
oberste Priorität. Wir haben diese Vokabeln mit Inhalt ge-
füllt.


(Beifall bei der SPD)

Sehen Sie sich die Reformen, die wir angepackt haben, an.
Sie müssten bei ehrlicher Betrachtungsweise überzeugt
sein: Bildung und Forschung haben bei Rot-Grün Prio-
rität. Das hatten wir vor der Wahl versprochen. Das haben
wir gehalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, freundlicherweise
hat der Kollege Kampeter schon darauf hingewiesen, dass
dies meine letzte Haushaltsrede ist. Darum will ich mich
ganz herzlich bei dem Haushaltsreferat des BMBF und
ganz besonders bei Herrn Kleine-Arndt bedanken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bedanke mich aber auch bei den Mitberichterstatte-
rinnen und Mitberichterstattern der Grünen-Fraktion,
aber auch den anderen, auch wenn wir nicht immer zu
gleichen Ergebnissen gekommen sind und natürlich un-

terschiedliche Konzepte hatten. Eines will ich den Oppo-
sitionskollegen zugestehen: Es war trotz aller Differenzen
eine kollegiale Zusammenarbeit. Ich habe bemerkt, dass
Sie für den Bereich Bildung und Forschung durchaus En-
gagement zeigen, aber Sie kommen zu den falschen Er-
gebnissen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es wäre angesichts Ihres Engagements nur konsequent,
wenn Sie es uns gleichtäten und dem Einzelplan 30, die-
sem Rekordhaushalt, zustimmten.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420509300
Das Wort zu einer
Kurzintervention erteile ich jetzt dem Kollegen Steffen
Kampeter.


Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1420509400
Die von mir persön-
lich sehr geschätzte Kollegin Klemmer hat eine Behaup-
tung aufgestellt, zu der ich kurz Stellung nehmen möchte.
Sie hat bezweifelt, dass der Zuwachs bei den Etats Wirt-
schaft und Technologie sowie Bildung und Forschung
sehr groß sei. Ich möchte deswegen noch einmal die Zah-
len nennen: Bei der Übernahme der Regierung durch Rot-
Grün im Jahre 1998 sind in den Etats der Einzelpläne 09
und 30 zusammen 31,8 Milliarden DM ausgewiesen
worden. Wenn man heute die beiden Etats zusammen-
rechnet, dann kommt man auf die Summe von 29,3 Milli-
arden DM. Damit sind die zusammengerechneten Ansätze
für die Etats Wirtschaft und Technologie sowie Bildung
und Forschung um 2,5 Milliarden DM niedriger als beim
Regierungswechsel. Selbst wenn die Kohlesubventionen
herausgerechnet werden, ergibt sich nicht die von der
Bundesministerin angekündigte Verdoppelung der Inves-
titionen für Bildung und Forschung.

Hinsichtlich der BAföG-Zahlen möchte ich der deut-
schen Öffentlichkeit zur Kenntnis geben, dass unter dem
Titel „BAföG-Zuschuss an Studierende“ im Etat der Bun-
desbildungsministerin für das laufende Jahr rund 419Mil-
lionen DM etatisiert sind. Trotz der als Jahrhundertwerk
angekündigten BAföG-Reform verzeichnet dieser Titel
im Jahr 2002 aufgrund der beabsichtigten Senkung, die
auch die Kollegin Klemmer begründet hat, keine wesent-
liche Steigerung.

Dies alles diente der Klarstellung des Sachverhalts und
musste deswegen gesagt werden.


(Karl Diller, Parl. Staatssekretär: Der rechnet die Kohle mit rein! – Gegenruf des Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Selbst wenn du die Kohle einrechnest, kommst du nicht auf die Summe!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420509500
Frau Kollegin
Klemmer, bitte zur Erwiderung.




Siegrun Klemmer

20267


(C)



(D)



(A)



(B)



Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1420509600
Zuerst zum BAföG: Herr
Kollege Kampeter, die wichigste Zahl ist nicht die, an der
sich der finanzielle Aufwand ablesen lässt, sondern die
der Geförderten. Das wissen Sie eigentlich ganz genau.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gab in der Bundesrepublik Zeiten, in denen die Zahl
der Geförderten mit der Zahl der Studierenden fast
deckungsgleich war. Das hieß natürlich nicht, dass alle ein
hohes BAföG bekommen haben. Es gab damals vielmehr
nur einen relativ kleinen Beitrag als Studienunterhalt. Das
betraf vor allen Dingen den Zeitraum von 1980 bis 1985.
Bedingt durch die Wiedervereinigung – die Zahl der Stu-
dierenden stieg und damit auch die der Geförderten – gab
es zwar 1991 einen Aufwuchs. Aber danach ging es bis
1998 deutlich bergab. Die Zahl der Geförderten sank von
605 000 im Jahre 1991 auf 340 000 im Jahre 1998. Dies
stand in gar keinem Verhältnis mehr zu der Entwicklung
der Zahl der Studierenden; denn diese hatte sich nur un-
wesentlich verändert.

Wir sind jetzt dabei, die Zahl der Geförderten und die
der Studierenden in ein ordentliches Verhältnis zu brin-
gen. Im Jahre 2000 gab es 360 000 Bezieher von BAföG
und ungefähr 1,7 Millionen Studierende.

Ich möchte jetzt auf das eingehen, was – das wissen Sie
als Haushälter ganz genau – in Ihrer Argumentation unse-
riös ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie wissen ganz genau, dass das BAföG auf der einen
Seite ein Leistungsgesetz und auf der anderen Seite ein
Schätztitel ist. Da die Bestimmungen des BAföG durch
die Länder und deren Studentenwerke umgesetzt werden
und somit dem unmittelbaren Zugriff des Bundes entzo-
gen sind, sind wir auf die Zuarbeit der Länder angewie-
sen. Wir haben es im Vergleich zu Ihnen damals jetzt mit
16 Ländern und mit einer viel größeren Zahl an Studen-
tenwerken zu tun.

Viel wichtiger ist aber die Tatsache, dass seit diesem
Sommer, seit der erfolgreichen Informationskam-
pagne – das haben wir gemerkt –, das Interesse am
BAföG enorm zugenommen hat.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Mit Guildo Horn!)


– Mit wem auch immer! Wenn junge Leute Sympathie für
Guildo Horn haben, dann ist das gut. Es spielt für uns
überhaupt keine Rolle, wenn sie über Guildo Horn zum
BAföG kommen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420509700
Frau Kollegin
Klemmer, jetzt ist Ihre Zeit für die Erwiderung auf die
Kurzintervention leider beendet.


Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1420509800
Wir bemerken allerdings
– das ist eine Form von Politikverdrossenheit, zu der Sie
beigetragen haben –,


(Beifall bei der SPD)


wie wenig Vertrauen junge Leute und ihre Eltern noch in
die Leistungsfähigkeit des Staates hatten. Sie sind gar
nicht mehr davon ausgegangen, dass sie überhaupt einen
BAföG-Anspruch haben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420509900
Frau Klemmer, ich
bitte Sie, zum Schluss zu kommen.


Siegrun Klemmer (SPD):
Rede ID: ID1420510000
Das in ihre Köpfe zu brin-
gen ist unsere momentane Aufgabe. Sie gelingt uns.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Werner Lensing [CDU/CSU]: Man muss die Redezeit bei Herrn Tauss abziehen! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Am besten, man lässt Herrn Tauss gar nicht mehr reden!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420510100
Die nächste Rednerin
in der Debatte ist Kollegin Pieper für die FDP-Fraktion.


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1420510200
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Solange wir in diesem Deutschen
Bundestag solche Diskussionen zur Bildungs- und For-
schungspolitik, geführt von Haushaltspolitikern, hören,
die in Zahlenfuchserei enden, werden wir den Investiti-
onsschub für Bildung, Wissenschaft und Forschung, den
wir in Deutschland brauchen, wenn wir im internationa-
len Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen wollen, nie
erreichen. Das ist mir bei dieser Debatte ganz klar ge-
worden.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Ihr habt es doch immer runtergefahren! – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wenn Sie nicht von Zahlen reden wollen, dürfen Sie auch keine Mittel beantragen!)


– Sie können das sehen, wie Sie wollen.
Ihre Ministerin Bulmahn hat in der Tat zu Anfang ihrer

Regierungszeit angekündigt, sie wolle den Haushalt für
Bildungs- und Forschungsaufgaben verdoppeln.


(Jörg Tauss [SPD]: Investitionen! Selbst Herr Kampeter hat es begriffen!)


Dann hat sie korrigiert, es sollten Zukunftsinvestitionen
verdoppelt werden. Sie hatte zunächst gesagt, sie wolle
den Haushalt verdoppeln. Ich sage deutlich für die
FDP-Bundestagsfraktion: Wir wollen, dass Zukunftsin-
vestitionen verdoppelt werden. Wir wollen mehr Bil-
dungsausgaben. Wir wollen mehr Investitionen in die
Köpfe.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Susanne Kastner [SPD]: Sie wollen mehr Schulden, Frau Pieper!)


Deswegen ist dieses Anliegen Ihrer Ministerin eigentlich
ein ehrenwertes Anliegen. Das muss unterstützt werden.
Aber es muss auch glaubwürdig bleiben.

Schauen wir in Ihren Haushalt hinein: Es ist ein
Täuschungsmanöver. Da können Sie sagen, was Sie wol-






(C)



(D)



(A)



(B)


len. Die Kollegen von der Union haben das hier schon be-
kräftigt.


(Jörg Tauss [SPD]: Nur einer! – Gegenruf des Abg. Werner Lensing [CDU/CSU]: In unser aller Namen!)


– Herr Tauss, in der ersten Lesung des Haushalts sagten
Sie, dass der Haushalt zum vierten Mal in Folge gestiegen
sei. Sie haben aber im Jahr 2000 ein Absinken des Haus-
halts um rund 2,4 Prozent beschlossen.

Ich erkenne an, dass es in dieser Legislaturperiode im
Haushalt von Frau Bulmahn eine Aufstockung um 2 Mil-
liarden DM gibt, aber insgesamt kann man weder von ei-
ner Verdopplung des Haushalts noch von einer Verdopp-
lung der Zukunftsinvestitionen sprechen. Das ist auf
keinen Fall so, wie Sie es gesagt haben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Ministe-
rin Bulmahn, der Finanzminister überlässt Ihnen den
Feldherrenhügel ganz ohne jede Attacke nicht.


(Susanne Kastner [SPD]: Was ist das für ein militärischer Sprachgebrauch!)


Nein, er hat Ihnen bereits stillschweigend und von vielen
unbemerkt einen Gifttropfen in das BAföG getan.
Während Sie sich über ein erhöhtes Kindergeld und des-
sen Nichtanrechnung auf das Einkommen bei der BAföG-
Berechnung freuen, wird der bislang gewährte Ausbil-
dungsfreibetrag von 4 200 DM pro Jahr für außer Haus
wohnende Studierende ab 1. Januar 2002 auf 1 807 DM
abgesenkt.


(Ina Lenke [FDP]: Blamabel ist das! Peinlich ist das!)


Das bedeutet für die Eltern spürbare Mehrbelastungen,
die durch das erhöhte Kindergeld gerade nicht abgefangen
werden.


(Beifall bei der FDP)

Wissen Sie, was das ist? Das ist das Prinzip Ökosteuer:

Wir stecken dem Steuerzahler in die eine Tasche etwas hi-
nein und aus der anderen Tasche ziehen wir ihm das Dop-
pelte wieder heraus. Das ist das Prinzip Ihrer Politik.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Umverteilung!)

Wenn Sie von den Wohnheimplätzen für ausländische

Studierende reden, Frau Klemmer, vergessen Sie bitte
nicht: Es fehlen insgesamt 21 000 Wohnheimplätze für
ausländische Studierende in Deutschland. Nehmen Sie
sich doch auch einmal dieser Herausforderungen an und
reden Sie nicht alles schön.


(Beifall bei der FDP)

Frau Ministerin, auch die Finanzminister der Länder

missgönnen Ihnen Ihren kleinen Pyrrhussieg bei den dies-
jährigen Haushaltsberatungen. Die Finanzminister einig-
ten sich auf ihrer letzten Tagung im Oktober auf eine Re-
duzierung der Bildungsausgaben in den Ländern und
verspielten somit die einmalige Chance, den demogra-
phisch bedingten Rückgang der Schülerzahlen für eine

Qualitätsverbesserung der Bildung zu nutzen. Das macht
deutlich: Die Finanzminister haben die Zeichen der Zeit
nicht verstanden. Investitionen in die Köpfe entscheiden
über den wirtschaftlichen Erfolg in Deutschland. Ich kann
nur appellieren, dass wir als Bildungspolitiker uns dieser
großen Herausforderung endlich bewusst werden.

Auch wenn wir uns noch so sehr über die zusätzliche
Milliarde aus den UMTS-Zinsersparnissen im Einzel-
plan 30 des Bundeshaushalts freuen – es bleibt ein Wer-
mutstropfen. Diese Milliarde steht uns für eine befristete
Zeit zur Verfügung. Über diesen kleinen Zeitkorridor
müssen wir uns heute schon im Klaren sein.

Ich rufe in Erinnerung: Sie müssten nicht Herrn Eichel
einen Dankesbrief dafür schreiben, dass Sie mit Ihrem
Haushalt von diesen Zinsersparnissen profitiert haben,
sondern unserem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister
Rexrodt, der die Liberalisierung des Telekommunikati-
onsmarktes überhaupt erst durchgeführt hat.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sonst würden Sie gar nicht von diesen Zinsersparnissen
profitieren. Meine Damen und Herren, Sie haben in der
Vergangenheit dagegen gewettert. Daran können wir uns
noch genau erinnern.

Frau Ministerin, der vorliegende Haushalt 2002 zeigt
mir aber auch, dass Sie mit der Steigerung der Bildungs-
ausgaben weder den Anschluss an das internationale Ni-
veau erreichen noch mit dem Ihnen zur Verfügung ste-
henden Geld wirklich gestalten wollen.


(Jörg Tauss [SPD]: Sehen Sie sich den OECDVergleich an!)


Es ist unbefriedigend, dass Deutschland mit einer Stu-
dierendenquote in Höhe von 28,2 Prozent nach wie vor
nur im unteren Mittelfeld der europäischen Staaten liegt.
Bereits heute nehmen nur noch 41 Prozent der Studier-
willigen unmittelbar nach der Hochschulreife ein Studium
auf. Nur 2,6 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutsch-
lands studiert.


(Siegrun Klemmer [SPD]: Warum wohl?)

Damit liegen wir nicht nur hinsichtlich des Wirtschafts-
wachstums, sondern auch im Hinblick auf die akademi-
sche Ausbildung an letzter Stelle in Europa. Der Anteil der
berufstätigen Bevölkerung mit Hochschulabschluss liegt
mit 13 Prozent nur im internationalen Mittelfeld. In den
USA beträgt dieser Anteil 24 Prozent und in den Nieder-
landen 21 Prozent.


(Jörg Tauss [SPD]: Und wie war es zu Ihrer Zeit? – Siegrun Klemmer [SPD]: Ist das neu?)


Hier erwarten wir Ihre Strukturreformen, die Sie eben
nicht auf den Weg gebracht haben, meine Damen und
Herren von der Koalition. In diesem Zusammenhang kann
ich Ihnen viele Fakten aufzählen. Das Durchschnittsalter
der Hoch- und Fachhochschulabsolventen ist weltweit
noch immer Spitze. Es gibt auch Strukturreformen, die
kein Geld kosten.




Cornelia Pieper

20269


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben in Deutschland zu lange Schulzeiten. Das
kann man nicht alles auf die Länder schieben.


(Beifall bei der FDP)

Auch Sie regieren in den Ländern mit. Sie müssen endlich
dafür Sorge tragen, dass das 13. Schuljahr in Deutschland
abgeschafft und in der gesamten Bundesrepublik das Abi-
tur nach dem 12. Schuljahr eingeführt wird.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sehr geehrte Frau Kollegin Bulmahn, meine Fraktion

hat mit ihrem Bildungsscheckmodell einen wichtigen
Schritt in Richtung auf Bildungsreformen aufgezeigt. Ihre
Kollegen aus der SPD-Fraktion, aber auch die Grünen ha-
ben das Modell im zuständigen Ausschuss grundsätzlich
abgelehnt. Die SPD-Minister in Rheinland-Pfalz und
Nordrhein-Westfalen wollen dieses Modell jedoch nicht
nur einführen, sondern wenden sich damit auch offen ge-
gen das von Ihnen geplante Studiengebührenverbot.


(Jörg Tauss [SPD]: Rheinland-Pfalz? Das Modell war doch in Hessen und Nordrhein-Westfalen!)


Die Grünen spitzten ebenfalls den Mund und schlugen ein
Studiengutscheinmodell vor.

Noch haben Sie Zeit, meine Damen und Herren von der
Koalition, auf den fahrenden Zug aufzuspringen,


(Ulrich Heinrich [FDP]: Aber nur noch wenige Monate!)


denn wir werden dieses Thema in diesem Hause noch ein-
mal behandeln und seine Umsetzung voranbringen. Das
verspreche ich Ihnen. Sie vergessen aufzuspringen. Sie
setzen die Reformen weder in Gang noch setzen Sie sie
um.


(Jörg Tauss [SPD]: Wir sitzen doch auf dem Zug! – Gegenruf der Abg. Ulrike Flach [FDP]: Aber auf dem falschen! – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Wir sind der Zug! Ihr seid auf dem Abstellgleis!)


– Herr Tauss, ich weiß, Sie tönen immer sehr laut, aber es
reicht nicht aus, nur schöne Worte zu machen, sondern es
ist erforderlich, sie durch Taten umzusetzen. Diese Taten
sind jetzt gefragt.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Schneiden Sie endlich einmal diese alten ideologischen
Zöpfe in der Bildung, geboren in der 68er Generation, ab.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Da war ich 15! Ich bin nicht dafür verantwortlich!)


Eine Verlagerung der Prioritätensetzung bedeutet zu-
gleich eine kontinuierliche Mittelbereitstellung. Ihnen ist
doch bekannt, dass die FDP-Fraktion einen Antrag einge-
bracht hat. Wir wollen staatliche Subventionen insbeson-
dere für den Steinkohlebergbau zurückführen und gerade
diese Mittel für Bildung, Wissenschaft und Forschung
einsetzen. Die Halbierung der Erhaltungssubventionen
bis zum Jahr 2005 würde eingesparte Mittel in Höhe von

7,9 Milliarden Euro für Investitionen in die Bildung, aber
auch in die Mobilität zur Verfügung stellen.
Das ist der richtige Weg. Das haben wir vorgeschlagen.


(Beifall bei der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Unseriös!)


– Das ist nicht unseriös.

(Jörg Tauss [SPD]: Doch!)


Das ist mutig. Wir brauchen mutige Reformen in diesem
Land, um voranzukommen,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und nicht dieses kleinkarierte Denken, das uns von Ihnen
zum Teil vorgetragen wird, meine Damen und Herren von
der Regierungskoalition.

Wir brauchen auch den Blick für die großen Probleme
im Osten. Die Zustände in den neuen Bundesländern
sind in der Tat beängstigend, auch was die Ausbildungs-
platzsituation anbelangt. Ich sage noch einmal: Allein der
Wanderungsverlust von 17 000 Menschen im vergange-
nen Jahr


(Zuruf von der SPD: Weil die Betriebe nicht ausbilden!)


macht deutlich, dass sich junge Frauen und Männer Aus-
bildungs- und Arbeitsplätze in den alten Ländern suchen
müssen, weil sie in den neuen Ländern keine Zukunft
mehr haben.


(Zuruf von der SPD: Fordern Sie die Betriebe auf, mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen!)


Das ist unter anderem auch Ihrer mittelstandsfeindlichen
Politik zu verdanken. Sie belasten nicht nur die Bürger,
Sie belasten auch die kleinen Unternehmen, ob nun mit
Ökosteuer oder mit der Steuerreform.


(Beifall bei der FDP – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Die kleinen Unternehmen sind doch nicht belastet worden!)


Das geht auch zulasten der Ausbildung junger Menschen.
Nehmen Sie diese Gesetze endlich zurück!

Wir haben einen Antrag gestellt mit dem Ziel, die Zahl
der Ausbildungsstellen aufzustocken. Diesen Antrag ha-
ben wir Ihnen vorgelegt. Das Ausbildungsstellenangebot
im Osten Deutschlands ist insgesamt um 6,9 Prozent zu-
rückgegangen. Das ist alarmierend. Das Bund-Länder-
Programm hat 16 000 neue Lehrstellen schaffen wollen.
Hierfür wollte die Bundesregierung in den nächsten drei
Jahren zusätzlich rund 108 Millionen Euro bereitstellen.
Das bedeutet einen zusätzlichen Mittelaufwuchs in Höhe
von 36 Millionen Euro pro Jahr. Das ist aber nicht pas-
siert. Unsere Forderung ist, dass das passiert. Wir wollen,
dass junge Menschen eine Zukunft haben, indem sie einen
Ausbildungsplatz finden, und zwar auch da, wo betriebli-
che Ausbildungsplätze nicht vorhanden sind.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoali-
tion, noch ein Wort zu dem berühmten Inno-Regio-Wett-
bewerb. In der Tat, die Idee ist gut.


(Zurufe von der SPD: Sehr gut! – Nicht nur die Idee!)





Cornelia Pieper
20270


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(B)


Dagegen spricht sich auch niemand aus. Aber der vom
BMBF vorgelegte Sachstandsbericht zur Förderung die-
ser regionalen Innovationsinitiativen ist nicht befriedi-
gend. Er zeigt zwar viele Defizite auf, verschweigt aber
bewusst, wie die Vergabepraxis in Wirklichkeit aussieht.


(Jörg Tauss [SPD]: Darüber haben wir doch diskutiert!)


Aus meinem Heimatland Sachsen-Anhalt sind mir Be-
scheide bekannt, in denen dem Antragsteller – es geht um
laufende Forschungsprojekte – entgegen seinem Antrag
auf gleichmäßige Verteilung der Mittel von 2001 bis 2005
für 2001 4 Prozent der Mittel, für 2002 7 Prozent der Mit-
tel, für 2003 keine Mittel, für 2004 keine Mittel und für
2005 89 Prozent der Mittel zugesagt worden sind.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublicher Blödsinn!)


Das heißt, solche Unternehmen müssen auf Jahre hinaus
vorfinanzieren, haben aber gar kein Eigenkapital. Was Sie
hier machen, ist unglaubwürdig.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420510300
Frau Kollegin Pieper,
Sie müssen jetzt auf die Redezeit achten.


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1420510400
Frau Präsidentin, es gibt noch
viel mehr, was an Kritik, auch an konstruktiver Kritik,
vorzutragen wäre.

Ich vermisse bei der rot-grünen Bundesregierung
Glaubwürdigkeit bei der Bildungsreform, aber auch Mut
zu wirklichen Reformen. So kommen wir in den Fragen
zum Standort Deutschland ganz gewiss nicht weiter.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420510500
Für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt der Kollege Hans-
Josef Fell.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420510600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Haushaltsdebatten zum Bildungs- und Forschungsbereich
sind meine Lieblingsdebatten. Hierzu kann Rot-Grün je-
des Jahr Zahlen auf den Tisch legen, die die Erfolge un-
serer Bildungs- und Forschungspolitik eindeutig belegen.


(Beifall bei der SPD – Manfred Grund [CDU/CSU]: Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen!)


Die ewig Unzufriedenen in den ehemaligen Regierungs-
fraktionen von CDU, CSU und FDP


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Und zukünftigen, Herr Kollege!)


kann ich nur daran erinnern, welch schauriges Erbe sie
uns hinterlassen haben. 1998, im letzten schwarz-gelben
Haushaltsplan


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Denken Sie mal nach vorn, Herr Fell!)


– hören Sie zu, Herr Kampeter! –, gab das BMBF 10 Mil-
liarden DM für die Forschung aus. Dies entsprach dem
Betrag von 1993. Stagnation über fünf Jahre unter Ihrer
Regierung!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Vier Jahre und einen Regierungswechsel später werden
die Forschungsmittel 12Milliarden DM betragen. Hinzu
kommen die Mittel in Höhe von fast 1 Milliarde DM, die
seit dem Regierungswechsel beim Bundeswirtschafts-
ministerium veranschlagt sind.

Die Bildungsmittel stiegen im gleichen Zeitraum um
24 Prozent, um fast 5,5 Milliarden DM.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie wären gut im Haushaltausschuss! Sie sind ein Zahlentrickser!)


– Herr Kampeter, wenn Sie diese Zahlen nicht kennen,
dann muss man Ihre Fraktion fragen, ob Sie an der richti-
gen Stelle sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich weiß nicht, ob die Union gut beraten ist, einen Haus-
hälter mit solcher Unkenntnis zu unterstützen.


(Jörg Tauss [SPD]: Kampeter auswechseln!)

Die FDP, Frau Pieper, hat nun einen noch stärkeren

Aufwuchs gefordert. Eigentlich hatten Sie ja 29 Jahre
Zeit, das umzusetzen. Aber ich sage Ihnen auch ganz kon-
kret: Schade, dass Ihr Gegenfinanzierungsvorschlag un-
seriös ist.


(Cornelia Pieper [FDP]: Abbau der Steinkohlesubvention!)


Sie sagen, Sie wollen die Kohlesubventionen dafür neh-
men. Ich erinnere Sie daran, dass Ihr Wirtschaftsminister
Rexrodt die Kohlesubventionen bis 2005 vertraglich fest-
geschrieben hat.


(Zurufe von der SPD: Aha!)

Nun verlangen Sie von der Nachfolgeregierung einen Ver-
tragsbruch. Das halte ich schlichtweg für unseriös.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ulrike Flach [FDP]: Nein, wir wollen neu verhandeln!)


Darum müssen wir neue Wege gehen.
Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie die Nettoneu-

verschuldung Jahr für Jahr erhöhten, während die For-
schungsausgaben sanken. Bei uns ist es umgekehrt: Rot-
Grün erhöht die Mittel für Bildung und Forschung und
senkt die Nettoneuverschuldung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Stagnation der früheren Bundesregierung hatte
schwerwiegende Folgen. 1991 lag der Anteil der For-




Cornelia Pieper

20271


(C)



(D)



(A)



(B)


schungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Deutsch-
land noch über 2,6 Prozent, 1998 waren es nur noch
2,3 Prozent. Damit rutschte Deutschland auf den siebten
Platz in der OECD ab. Die USA und Japan gaben, bezo-
gen auf das Bruttoinlandsprodukt, rund ein Viertel mehr
für Forschung aus, Schweden sogar 70 Prozent mehr.

Die durch die rot-grüne Bundesregierung wieder ver-
stärkten Forschungsanstrengungen führten auch zu höhe-
ren Forschungsausgaben in der Wirtschaft. Bereits 1999
stieg der Anteil der Forschungsausgaben am Brutto-
inlandsprodukt wieder auf 2,4 Prozent. Er dürfte mittler-
weile – genaue Zahlen liegen noch nicht vor – bei etwa
2,6 Prozent liegen. Das haben wir erreicht. Damit haben
wir das Ziel natürlich noch nicht vollständig erreicht, aber
im Gegensatz zu Ihrer Politik stimmt die Richtung endlich
wieder.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, viele sagen, nach dem
11. September sei alles anders. Ich möchte betonen, dass
vieles eigentlich schon seit September 1998 anders ist.


(Cornelia Pieper [FDP]: Aber nicht besser!)

Hierzu zählt zum Beispiel die Förderung der Friedens-
forschung.Unter Kohl und den Liberalen wurde der Frie-
densforschung der Geldhahn zugedreht. Wenn friedens-
politische Meinungen geäußert wurden, die Kohl nicht
passten, haben die schwarzen Forschungsminister die
Mittel radikal gestrichen. Rot-Grün dagegen kann wieder
verstärkt auf Vorschläge zur Friedensforschung und zur
Krisenbewältigung zurückgreifen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Gleich nach dem Regierungswechsel haben wir die Frie-
densforschung wieder ins Leben gerufen. Als nächster
Schritt wurde eine Friedensstiftung eingeführt, für die
auch 2002 wieder 15 Millionen DM eingestellt werden.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Sie brauchen auch häufig Friedensstifter!)


– Sie sollten genau zuhören und Sie sollten uns zu diesem
Schritt gratulieren und angesichts dieser Weltlage auch
danken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir greifen zum Beispiel mit Blick auf Mazedonien auf
Konzepte der Friedensforschung zurück. Diese Strategie
hat dazu geführt, dass wir bis heute – Gott sei Dank – dort
einen Bürgerkrieg verhindern konnten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Aber doch nicht wegen der Friedensstiftung! Das ist ja hanebüchener Unsinn! – Werner Lensing [CDU/CSU]: Weil wir es so beschlossen haben!)


Kommen wir zur Biotechnologie. Im Haushalt des
BMBF werden bei der menschlichen Stammzellenfor-
schung nur Mittel für die Forschung mit adulten Stamm-

zellen ausgegeben. Forschung an humanen embryonalen
Stammzellen wird nicht unterstützt und wir wollen, dass
das so bleibt.


(Ulrike Flach [FDP]: Wer ist denn „wir“?)

Allerdings hat das Europäische Parlament gerade be-
schlossen, dass im 6. Forschungsrahmenprogramm die
Forschung an embryonalen Stammzellen finanziert wer-
den soll.


(Ulrike Flach [FDP]: Haben Sie Ihre Ministerin schon gefragt?)


Das Europäische Parlament befürwortet sogar die For-
schung an Stammzellen, zu deren Gewinnung Embryonen
erst noch getötet werden müssten.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Tragen Sie die Meinung der Koalition oder Ihre private Meinung vor?)


Ich möchte unsere Ministerin Frau Edelgard Bulmahn
eindringlich bitten, im Ministerrat gegen eine Finan-
zierung der embryonalen Stammzellenforschung zu vo-
tieren.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass
der Bundestag Anfang nächsten Jahres einen Beschluss
zur Stammzellenforschung fassen wird. Es wäre nicht
nachzuvollziehen, wenn zuvor mit deutscher Zustim-
mung auf europäischer Ebene schon vollendete Tatsachen
geschaffen würden, die den Empfehlungen der Enquete-
Kommission des Bundestages zuwider laufen.


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Das ist falsch, was Sie sagen!)


Bündnis 90/Die Grünen sind für die Nutzung der Gen-
technik in der Gesundheitsforschung, wenn ethische
Standards eingehalten werden. Daneben haben wir uns
immer für eine Stärkung der gentechnikunabhängigen
Gesundheitsforschung eingesetzt. Es freut mich daher
sehr, dass der Umfang der gentechnikunabhängigen Ge-
sundheitsforschung deutlich zugelegt hat. 2002 werden
wir hierfür 10 Millionen DM mehr als dieses Jahr und
sogar 27 Millionen DM mehr als 1998 zur Verfügung
stellen. Damit können bedeutend mehr Mittel für die
Gesundheitsvorsorgeforschung, für die Pflegeforschung
oder für die Krebsnachsorgeforschung bereitgestellt
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen nicht nur mehr Geld für die Forschung,
sondern wir wollen – im Gegensatz zu einer liberalen Par-
tei – auch, dass die Mittel verantwortlich eingesetzt wer-
den. Daher ist für uns die Technikfolgenabschätzung be-
sonders wichtig. Da wir im Gegensatz zu unseren
Vorgängern nicht nur reden, sondern auch handeln, haben
wir die Mittel für die Technikfolgenabschätzung in den
letzten drei Jahren mehr als verdoppelt.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [FDP]: Meine Güte, so selbstherrlich!)





Hans-Josef Fell
20272


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(D)



(A)



(B)


Mit besonderer Freude ziehe ich auch die Bilanz im
Hinblick auf die Umweltforschung: Die Mittel für die
Nachhaltigkeitsforschung werden auch 2002 wieder er-
höht. 2002 werden wir rund 40 Millionen DM mehr als
1998 ausgeben.


(Ulrike Flach [FDP]: Und was ist mit der Energieforschung?)


– Frau Flach, Sie sprechen die Energieforschung zu
Recht an. Sie haben in der ersten Lesung darauf hinge-
wiesen, dass auf diesem Gebiet möglicherweise ein Defi-
zit auftaucht. Nun fordere ich Sie auf, uns zu loben; denn
es gelang uns – wie in den Haushaltsberatungen eines je-
den Jahres –, die Mittel für die Energieforschung deutlich
aufzustocken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Sie sind doch gar nicht im Haushaltsausschuss!)


2002 werden 65MillionenDM mehr für die Forschung im
Bereich erneuerbare Energien und Energieeffizienztech-
nologien ausgegeben als 1998, als Ihre Parteien regierten.


(Norbert Hauser [Bonn] [CDU/CSU]: Klären Sie das mal mit Herrn Müller!)


Besonders stolz bin ich auch darauf, dass wir im For-
schungshaushalt für die Grundlagenforschung im Bereich
erneuerbarer Energien einen Fonds einrichten konnten,
der die Vernetzung zwischen den Forschungseinrichtun-
gen unterstützt. Dies alles sind sehr wichtige Maßnah-
men.

Meine Damen und Herren der CDU/CSU und der FDP,
Sie hatten 16 bzw. 29 Jahre Zeit, eine bessere Bildungs-
und Forschungspolitik zu machen.


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Zur Bildung gehören immer neue Argumente, Herr Fell!)


Das ist Ihnen nicht gelungen. Jetzt mäkeln Sie an unserer
rot-grünen Erfolgsbilanz herum,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir mäkeln nicht, wir kritisieren zu Recht!)


von der Sie in den letzten Regierungsjahren nicht einmal
zu träumen gewagt hätten.

Frau Präsidentin, ich danke Ihnen vor allem dafür, dass
Sie die Uhr angehalten haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420510700
Das Wort hat die Kol-
legin Maritta Böttcher von der Fraktion der PDS.


Maritta Böttcher (PDS):
Rede ID: ID1420510800
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Runter mit dem BAföG, rauf mit der
Weltraumforschung – das, meine Damen und Herren der
Koalition, ist Ihre Kernaussage nach den Änderungen am
Bildungs- und Forschungsetat.


(Siegfried Scheffler [SPD]: Das ist doch Blödsinn!)


Während die BAföG-Ausgaben um 20 Millionen Euro
gekürzt werden, steigen die Beiträge und Leistungen an
die Europäische Weltraumorganisation um 30 Millio-
nen Euro. So steht es im Haushaltsgesetz.

Frau Ministerin, als neue Vorsitzende des ESA-Minis-
terrats haben Sie für eine stärkere Beteiligung der Indus-
trie an den Kosten der Weltraumforschung geworben;
trotzdem sollen die Ausgaben des Bundes im kommenden
Jahr weiter ansteigen. Fast jeden zehnten Euro aus dem
Bildungs- und Forschungshaushalt wollen Sie im Welt-
raum verpulvern. Das eherne Gesetz der Haushaltskonso-
lidierung gilt unter dieser Bundesregierung offensichtlich
nur bei Investitionen in die Köpfe. Bei Investitionen in die
Rüstung ist es offenbar außer Kraft gesetzt.

Unter dem Strich wollen SPD und Grüne die
BAföG-Ausgaben jetzt nur noch um 3,9 Prozent steigern.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber das Gesetz bleibt doch!)


Das ist im Ergebnis nicht viel mehr als ein großzügig be-
messener Inflationsausgleich. Verkaufen Sie uns das nicht
länger als bildungspolitischen Erfolg!


(Beifall bei der PDS – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Aber wir ändern das Gesetz doch nicht! Das ist ein Leistungsgesetz!)


„Einfach – besser – mehr“, so soll uns die Werbekam-
pagne das neue BAföG schmackhaft machen. Doch auch
der 2 Millionen DM teure Einsatz von Guildo Horn – er
ist heute schon genannt worden – hat es nicht vermocht,
dafür zu sorgen, dass wirklich alle Anspruchsberechtigten
einen BAföG-Antrag stellen. Längst haben sie den Glau-
ben daran verloren. Ohnehin gilt: Für viele Studierende
springen nur drei oder vier Nussecken mehr im Monat he-
raus.


(Beifall bei der PDS – Susanne Kastner [SPD]: Ungesund, diese Nussecken!)


Vier von fünf Studierenden gehen völlig leer aus. Etli-
che Auszubildende aus Familien mit mehreren BAföG-
berechtigten Kindern mussten zum 1. April feststellen,
dass ihnen das neue BAföG sogar weniger Geld bringt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420510900
Frau Kollegin
Böttcher, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Tauss?


Maritta Böttcher (PDS):
Rede ID: ID1420511000
Aber selbstverständlich.

(Werner Lensing [CDU/CSU]: Darauf würde ich mich nicht einlassen!)



Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1420511100
Das ist der Unterschied zwischen
Ihnen und Frau Böttcher. Aber bei Frau Böttcher setze ich
immer noch eine gewisse Lernfähigkeit voraus.


Maritta Böttcher (PDS):
Rede ID: ID1420511200
Danke, Herr Kollege.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1420511300
Wir sind ja hier im Bildungsbe-
reich.




Hans-Josef Fell

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(C)



(D)



(A)



(B)


Frau Kollegin Böttcher, ich bedauere es ein bisschen,
dass Sie jetzt mit dieser Schärfe zum Thema BAföG Stel-
lung genommen haben. Ich habe gerade eine E-Mail be-
kommen – ich will jetzt den Namen des Mannes nicht ver-
lesen, das gehört sich bei E-Mails nicht, aber ich kann sie
Ihnen nachher gerne geben –, in der steht: Was das BMBF
tut, ist hervorragend, einmalig. Die Reform zum BAföG
ist gelungen. Ich arbeite seit 22 Jahren im BAföG-Amt
und kann sagen: Nie war das BAföG so wertvoll wie
heute.

Wie wollen Sie denn diese Erfahrungen eines seit über
20 Jahren im BAföG-Amt tätigen Mitarbeiters mit dem in
Übereinstimmung bringen, was Sie uns gerade hier gesagt
haben?


(Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/ CSU]: Das ist eine virtuelle Adresse! – Ulrich Heinrich [FDP]: Den Mann sollte man strafversetzen!)



Maritta Böttcher (PDS):
Rede ID: ID1420511400
Ich bin mir nicht sicher, wo-
her Sie diese E-Mail haben; ich könnte Ihnen auch andere
E-Mails zeigen. Das ist aber überhaupt nicht mein Pro-
blem. Es handelt sich um Tatsachen, Kollege Tauss – das
wissen Sie auch –, die ich hier vorgetragen habe. Im Übri-
gen bin ich nicht dafür da, die Regierung für das zu loben,
was möglicherweise gut ist an diesem Haushalt, sondern
ich möchte bitte schön sagen können, welche Reserven es
nach wie vor gibt. Insofern sind wir uns am Ende, wie ich
glaube, wieder einig, wenn ich sage: Die BAföG-Reform
war nicht mehr als ein Reförmchen. Dabei bleibe ich
auch.


(Beifall bei der PDS und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Da sind wir uns nicht einig!)


– Das ist dann nun wieder Ihr Problem, Herr Kollege.
Noch einmal zurück: Nicht einfach, besser und mehr,

sondern kompliziert, schlechter und weniger ist das neue
BAföG für viele geworden. Doch damit nicht genug.


(Hans-Werner Bertl [SPD]: Blödsinn! – Weitere Zurufe von der SPD)


– Hören Sie doch vielleicht einmal zu, dann könnten Sie
die Reserven vielleicht auch erkennen.

Angesichts der anhaltenden Diskussion um Studien-
gebühren werden es sich viele Abiturientinnen und
Abiturienten, insbesondere aus Familien mit geringen
Elterneinkommen, ganz genau überlegen, ob sie die un-
kalkulierbaren Risiken eines Hochschulstudiums heute
noch auf sich nehmen. Bemerkenswert ist ja, dass sich die
SPD auf ihrem jüngsten Parteitag der klaren Position der
PDS angeschlossen hat


(Lachen bei der SPD)

– ich freue mich, dass Sie sich darüber so freuen, Herr
Tauss –, nämlich die vor 30 Jahren unter sozialdemokra-
tischer Regierungsverantwortung erreichte Gebühren-
freiheit des Studiums zu verteidigen, und zwar ohne Wenn
und Aber.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Herr Tauss hat doch dagegen gesprochen!)


Den Worten müssen aber jetzt wirklich Taten folgen.
Es reicht nicht aus, verehrter Kollege Tauss, mit den net-
ten jungen Leuten vom fzs Kaffee zu trinken.


(Beifall bei der PDS – Jörg Tauss [SPD]: Guter Anfang!)


Sie müssen hier im Deutschen Bundestag endlich das um-
setzen, was SPD und Grüne vor drei Jahren versprochen
haben und die PDS schon zweimal vergeblich beantragt
hat, nämlich Studiengebühren gesetzlich auszuschließen.


(Beifall bei der PDS)

Ihren Landesministern Oppermann, Zöllner und Behler
werden Sie beibringen müssen, dass ihre Gebührenträume
Schäume bleiben müssen. Die SPD-Basis hat es so be-
schlossen. Mit immer neuen Ankündigungen ist den Stu-
dierenden also nicht geholfen.

Das gilt auch für die immer wieder versprochene
Absicherung der verfassten Studierendenschaft. Wie
halten Sie es eigentlich mit der Demokratie an deutschen
Schulen und Hochschulen? Auch wenn Sie unsere Kritik
am Afghanistan-Krieg nicht teilen, Bedenken, Kritik und
Widerstand zu artikulieren muss in einer demokratisch
verfassten Gesellschaft möglich sein und möglich blei-
ben.


(Beifall bei der PDS)

Wir nehmen nicht hin, dass demokratisch gewählte Stu-
dierendenvertretungen, die sich kritisch mit den allge-
meinpolitischen Themen Krieg und Terrorismus ausei-
nander setzen, einen Maulkorb umgebunden bekommen.
Ebenso wenig dürfen wir akzeptieren, dass Lehrerinnen
und Lehrer, die an ihrer Schule die Politik von USA oder
NATO kritisieren, vom Dienst suspendiert werden. Möch-
ten Sie Duckmäuser oder mündige Bürger?


(Widerspruch bei der SPD)

Ich möchte die Gelegenheit heute nutzen, von hier aus

den Berliner Hochschullehrern, die vergangene Woche an
der Freien und an der Technischen Universität aus Protest
gegen den Krieg für zwei Wochen den regulären Lehrbe-
trieb unterbrochen haben, meinen Respekt aussprechen.


(Beifall bei der PDS – Werner Lensing [CDU/ CSU]: Gehört hier überhaupt nicht hin! Ist eine Haushaltsberatung!)


Dem Regierungswechsel von 1998 ist bis heute kein
wirklicher Politikwechsel in der Bildungs- und Wissen-
schaftspolitik gefolgt.


(Siegrun Klemmer [SPD]: Dann waren Sie nicht hier!)


Der Bundeshaushalt trägt immer noch die Handschrift Ih-
rer Vorgängerregierung. Auch bei der Neuordnung des
Hochschuldienstrechts haben Sie nicht einmal für die
notwendige Absicherung der Dienstrechtsreform im
Bundeshaushalt gesorgt. Das Förderprogramm zur Aus-
stattung von Juniorprofessuren ist nur eine halbe Sache.


(Cornelia Pieper [FDP]: Richtig!)

Es deckt nur die Sachausstattung, nicht aber die Personal-
kosten der neu einzurichtenden Juniorprofessuren ab. Ge-




Jörg Tauss
20274


(C)



(D)



(A)



(B)


nau darauf käme es aber an; das wissen Sie auch. Die für
die neuen Stellen infrage kommenden Mittel sind derzeit
nämlich durch die alten Assistentenstellen gebunden.

Auch aus der Ausbildungsplatzmisere insbesondere in
den neuen Ländern hat die Bundesregierung noch keinen
Ausweg gefunden. Dazu der Fakt: Ende September
wurden immer noch über 20 000 Jugendliche ohne Aus-
bildungsplatz registriert. Den 7 324 ostdeutschen Ju-
gendlichen ohne Ausbildungsplatz standen ganze 758 be-
triebliche Ausbildungsplätze zur Verfügung. Wie man
diese beiden Tatsachen als Erfolg feiern kann, bleibt mir
schleierhaft.


(Beifall bei der PDS – Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Nennen Sie mal die Gesamtzahlen!)


– Die Zahlen interessieren mich dabei nicht. Im Endeffekt
interessiert mich, dass die Jugendlichen einen Ausbil-
dungsplatz erhalten.


(Jörg Tauss [SPD]: Uns auch! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sie können das hier nicht so einfach hinstellen! Sagen Sie etwas zu den Maßnahmen!)


– Hören Sie mir doch einmal bis zum Ende zu; ich sage es
Ihnen jetzt. Seien Sie doch nicht so aufgeregt. Seien Sie
doch einmal ruhig.

Für viele Jugendliche im Osten ist die Hoffnung längst
gestorben.


(Zuruf von der SPD: Oh!)

Und da kommen Sie mit einem notdürftigen Trostpflaster,
mit diversen Ersatz- und Sonderprogrammen, um die Bi-
lanz auszugleichen;


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Was machen Sie denn in Mecklenburg-Vorpommern?)


denn – das will ich noch einmal deutlich sagen – mit der
Gleichwertigkeit dieser Erwerbsmaßnahmen ist es nicht
weit her, wenn ich zugrunde lege, wie sich die Vermittel-
barkeit auf dem Arbeitsmarkt darstellt.

Wir erwarten daher von der Bundesregierung, dass sie
das duale System endlich zu einem gleichwertigen, plura-
len Ausbildungssystem ausbaut, in dem für alle Ausbil-
dungsgänge gemeinsame Grundsätze für Zugang, Qua-
litätssicherung und Finanzierung gelten.


(Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD]: Wen meinen Sie denn jetzt?)


Solange die Unternehmen – ich betone: die Unternehmen –
nicht endlich durch eine Ausbildungsumlage dazu angehal-
ten werden, ihre Verpflichtung zur Ausbildung zu erfüllen,
wird die PDS die vorgesehene Kürzung der Lehrstellen-
programme für die neuen Bundesländer ablehnen.


(Beifall bei der PDS)

Von einer weiteren Aufstockung des Programms um

mehr als ein Drittel, wie die FDP sie vorschlägt, ginge al-
lerdings ein völlig falsches Signal für die Unternehmen
aus. Sie würden sich noch weiter aus ihrer Verantwortung
zurückziehen.

Im Übrigen halte ich es für bemerkenswert, dass uns
die FDP-Fraktion mit immer neuen Anträgen in Richtung
einer zentralstaatlichen Regulierung unseres föderativen
Bildungssystems beschäftigt, gleichzeitig aber dort, wo
sie in Regierungsverantwortung ist oder diese, wie in Ber-
lin, anstrebt, einer hemmungslosen Deregulierung das
Wort redet.


(Jörg Tauss [SPD]: Weil sie in den Ländern nichts zu sagen hat!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wenn Sie
wollen, dass Ihre Anträge ernst genommen werden, müs-
sen Sie sich endlich auf eine klare Linie im Bund und in
den Ländern festlegen.


(Beifall bei der PDS)

Was die Weiterbildung betrifft, meine Kolleginnen und

Kollegen, bleibt die PDS bei ihrer Forderung nach einem
Rahmengesetz zur Weiterbildung, das die öffentlichen
Aufgaben bestimmt und für deren Finanzierung der Bund
aufzukommen hat.

Die Koalition ist 1998 mit dem Ziel angetreten, einen
„Aufbruch für Innovation und Qualifikation“ zu unter-
nehmen. Der Entwurf der Bundesregierung für den Bil-
dungs- und Forschungshaushalt 2002 ist weit von ihrem
Wahlversprechen entfernt. Die Partei des Demokratischen
Sozialismus sagt deshalb Nein zu dieser Politik des Still-
stands.


(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420511500
Das Wort hat jetzt die
Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard
Bulmahn.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung

(von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt)

dentin! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Gute
Bildungs- und Forschungseinrichtungen haben ihren
Preis. Wer nicht bereit ist, diesen Preis zu zahlen, wird
später ein Vielfaches dafür zahlen müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Feststellung ist nicht ganz neu, aber der Unter-
schied zu Ihnen, meine sehr geehrten Herren und Damen
von der Opposition, ist der, dass die Kolleginnen und Kol-
legen von der Koalition es ernst nehmen und bereit sind,
mehr Mittel in Bildung und Forschung zu investieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb erhöhen wir den Haushalt für Bildung und For-
schung in diesem Jahr zum vierten Mal.

Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der
Opposition, haben zwar auch darüber geredet, aber Sie
haben in Ihrer Regierungsverantwortung das genaue Ge-
genteil getan.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht!)





Maritta Böttcher

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Sie haben in Ihrer Regierungsverantwortung, Herr
Kampeter, den Haushalt für Bildung und Forschung um
rund 700 Millionen DM gekürzt. Das sind die Tatsachen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir erhöhen also den Haushalt für Bildung und For-
schung.

Herr Kampeter, was Sie vorhin gemacht haben, – den
gesamten Wirtschaftshaushalt dem Haushalt für Bildung
und Forschung zuzuschlagen –, ist schlichtweg eine Ver-
dummung der Leute. Ich finde, das sollte man gerade in
einer bildungspolitischen Debatte nicht tun.


(Beifall bei der SPD)

Ich halte es für richtig, dass wir eine neue Weichen-

stellung durchgeführt haben. Wir haben gesagt: Weg von
den Subventionen, hin zu den Investitionen in Bildung
und Forschung! Wer dagegen ist, der muss das hier offen
benennen. Ich halte diese Weichenstellung für richtig und
stehe für sie ein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie tun doch nichts!)


Herr Kampeter, wenn ich mir anschaue, wie sich der
Anteil des Haushaltes für Bildung und Forschung am
Bundeshaushalt verändert hat, muss ich feststellen: Im
Jahre 1998, im letzten Jahr Ihrer Regierungsverantwor-
tung, hatte der BMBF-Haushalt einen Anteil von
3,11 Prozent.


(Zuruf von der CDU/CSU: Nicht zurückgucken! Nach vorne gucken!)


Im Jahre 2002 wird er einen Anteil von 3,39 Prozent ha-
ben. Wenn ich die reale Vergleichsbasis heranziehe, näm-
lich den Darlehensanteil des BAföGs einbeziehe – das
müsste ich eigentlich, weil er im Haushalt 1998 noch ent-
halten war –,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt fangen Sie an herumzutricksen! Nichts mit Verdoppelung!)


dann komme ich sogar auf 3,62 Prozent. So sind die Fak-
ten. Ich bitte Sie, diese zur Kenntnis zu nehmen und nicht
an Ihre selbst gestrickten Mythen zu glauben. Das ist näm-
lich das Allerletzte!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was ist denn mit dem Wirtschaftsetat? Wenn hier einer lügt, dann sind Sie das, Frau Bundesministerin!)


Worum geht es uns dabei? Wir wollen durch Investi-
tionen in Bildung und Forschung neue zukunftsfähige
Arbeitsplätze schaffen. Wir wollen unsere Wirtschaft
wettbewerbsfähig machen. Vor allen Dingen wollen wir
jungen Leuten in unserem Land die Chance geben, ihr Le-
ben erfolgreich zu gestalten.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dagegen hat überhaupt keiner etwas!)


Das ist die Zielsetzung, die wir verfolgen.

Eine gute Ausbildung – auch das lassen Sie mich hier
klar sagen – beginnt nicht erst in der Lehre oder an der
Universität, sondern bereits im Kindergarten und in der
Schule.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal etwas zur Sache, nicht zu solchen zustimmungsfähigen Dingen! Das sind Plattitüden!)


Jahrelanger Stillstand und die bildungspolitischen Gra-
benkämpfe der letzten Jahrzehnte haben dazu geführt,
dass wir heute in wichtigen Bereichen unseres Bildungs-
wesens nicht mehr in der internationalen Spitzengruppe
sind – wo wir eigentlich hingehören –, sondern uns im
OECD-Mittelmaß bewegen.


(Dr. Martin Mayer [Siegertsbrunn] [CDU/CSU]: Gesamtschule!)


Die Bundesregierung hat diesen Zustand nicht einfach
hingenommen und die Hände in den Schoß gelegt, so wie
das meine Vorgänger über Jahre hinweg getan haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich habe zu Beginn meiner Amtszeit das Forum Bildung
ins Leben gerufen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der arme Herr Oppermann! Machen Sie ihn nicht so runter!)


Wissenschaftler, Gewerkschaftler, Kultusminister, Wirt-
schaftsmanager, Vertreter der Kirchen, Eltern und Schüler
wurden dadurch an einen Tisch gebracht.

Gestern habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen
Zehetmair,


(Jörg Tauss [SPD]: Aha!)

der als Vertreter aller Länderminister an dieser Veranstal-
tung teilgenommen hat, Empfehlungen zur Erneuerung
unseres Bildungswesen vorgestellt.


(Jörg Tauss [SPD]: Hört! Hört!)

Bund und Länder, und zwar unabhängig davon, ob sie zur
A-Seite oder zur B-Seite gehören, das heißt, unabhängig
davon, ob sie CDU- bzw. CSU- oder SPD-regiert sind,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Danke für diese Aufklärung!)


stimmen darin überein, dass unser gesamtes Bildungssys-
tem, also vom Kindergarten bis zur Hochschule, grundle-
gend reformiert werden muss.


(Ulrike Flach [FDP]: Das ist doch nichts Neues!)


Wir stimmen darin überein, dass Kinder schon im Kin-
dergarten und in der Grundschule besser, das heißt stärker
auf ihre individuellen Voraussetzungen eingehend, geför-
dert werden müssen


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Das ist etwas ganz Neues! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir reden hier über den Bundesetat!)


und dass wir, wie in vielen anderen Ländern üblich, schon
in der ersten Klasse mit dem Erlernen einer Fremdsprache




Bundesministerin Edelgard Bulmahn
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(B)


beginnen müssen. Das bezieht sich im Übrigen auch auf
das Erlernen der Mathematik. Die Debatte vorhin hat ja
deutlich gezeigt, dass das dringend notwendig ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unsere Schulen brauchen mehr Selbstständigkeit, so wie
wir von der Bundesseite das bereits für die Hochschulen
und die Forschungseinrichtungen umgesetzt haben.

Herr Kampeter, wenn Sie nicht begreifen, dass man
eine erfolgreiche Bildungspolitik nicht durchführen kann,
wenn dabei Kindergärten und Schulen ausgeklammert
bleiben, und dass zu einer erfolgreichen Bildungspolitik
ein Miteinander, ein Zusammenwirken zwischen Bund
und Ländern nötig ist, dann haben Sie – es tut mir Leid –
einen wesentlichen Teil davon, was Bildung bedeutet,
verpasst.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Gegen wen argumentieren Sie überhaupt? Uneingeschränkt dummes Zeug!)


Unsere Schulen brauchen mehr Selbstständigkeit. Wir
wollen auch erreichen, dass gute Leistungen der Lehre-
rinnen und Lehrer künftig besser belohnt werden.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Wer ist denn dagegen? Keiner ist dagegen!)


Jugendliche ohne Schul- und Ausbildungsabschluss sol-
len künftig eine zweite Chance erhalten und, wenn es not-
wendig ist, auch noch eine dritte.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das hat überhaupt keiner bestritten!)


Genau das tun wir in der beruflichen Bildung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420511600
Frau Ministerin, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Flach?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Sofort. Ich möchte nur noch diesen Ge-
danken zu Ende bringen.

Wir wollen durch eine bessere Betreuung der an den
Hochschulen Studierenden sicherstellen, dass wir die ho-
hen Studienabbrecherquoten, die es leider in einer ganzen
Reihe von Fächern gibt – im Übrigen nicht nur in den Na-
turwissenschaften –, erheblich verringern. Auch das
gehört zu den notwendigen Veränderungen in unserem
Bildungssystem.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420511700
Jetzt kann Frau Kolle-
gin Flach ihre Frage stellen.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1420511800
Danke schön, Frau Ministerin.

Sie wissen, dass das, was im Forum Bildung vertreten
wird, Allgemeingut unter Deutschlands Bildungspoliti-
kern ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)

Das ist nicht weiter erstaunlich. Es gab die interessante
Empfehlung, Kindergartenplätze in Zukunft gebühren-
frei anzubieten. Ich würde ganz gerne Ihre Meinung dazu
erfahren. Wie verhalten Sie sich zu diesem Vorschlag?
Werden Ihre Länderminister diesen Vorschlag unterstüt-
zen? Wie sollen Kindergartenplätze finanziert werden?


(Werner Lensing [CDU/CSU]: NordrheinWestfalen senkt!)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Die Empfehlungen des Forums Bildung
müssen ausführlich geprüft werden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was ist denn Ihre Auffassung dazu?)


Wir sind der Auffassung, dass wir hier zu Veränderungen
kommen müssen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was denn? Dass geprüft oder dass abgesenkt werden soll?)


Da ich Mitglied des Forums Bildung bin, ist dies auch
meine Auffassung.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schön, dass Sie für eine Prüfung sind!)


Es ist weiterhin meine Auffassung, dass wir ein erheb-
lich größeres Gewicht gerade auf die frühkindliche Erzie-
hung und Bildung legen müssen und dass die Kindergär-
ten auch einen Bildungsauftrag haben. Das ist nicht in
dem Sinne zu verstehen, dass die Kinder an einem Schul-
tisch sitzen müssen, sondern so, dass sie in spielerischer
Form Sprachen auch im Kindergarten vermittelt bekom-
men.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Werden Sie denn initiativ im Bundeskabinett? – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bringen Sie den Antrag auf dem SPD-Parteitag ein? – Gegenruf des Abg. Jörg Tauss [SPD]: Haben wir beschlossen, mein Lieber! Ich schicke Ihnen einmal unseren Bildungsantrag zu!)


Wir müssen die sprachlichen Defizite, die leider gerade
viele Kinder und Jugendliche aus Emigrantenfamilien ha-
ben, früher beheben und nicht erst dann, wenn sie 8, 9
oder 10, 12 Jahre alt sind.

Wir haben in diesen Empfehlungen sehr detaillierte
Vorschläge gemacht. Wir haben damit eine neue Grund-
lage geschaffen. Ich bin sehr froh, dass uns dies jenseits
der Grabenkämpfe der letzten 20 Jahre und auch jenseits
von Zuständigkeiten gelungen ist. Es ist nämlich eine
wichtige Voraussetzung, dass die Empfehlungen aufge-
griffen und umgesetzt werden.

Da wir uns im Frühjahr auch darauf verständigt haben,
dass wir die Umsetzung der Empfehlungen begleiten wer-
den, werden wir die Diskussion auch in den nächsten




Bundesministerin Edelgard Bulmahn

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(A)



(B)


Jahren fortsetzen und sicherlich auch häufiger im Bun-
destag führen. Ich hoffe und wünsche mir, dass ich auch
die Unterstützung der Oppositionsparteien habe, damit
die Empfehlungen in den Ländern auch tatsächlich umge-
setzt werden. Ich kann Ihnen zusichern, dass wir in der
SPD dafür Sorge tragen werden, dass dieses geschieht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hoffentlich!)

Ich hoffe, dass dieses Vorgehen von der Opposition be-
gleitet wird.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420511900
Frau Ministerin, es
gibt den Wunsch nach einer zweiten Zwischenfrage der
Kollegin Flach. Lassen Sie auch diese zu?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Ja.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1420512000
Ich bitte um die Beantwortung
der Frage: Werden Sie in dieser Legislaturperiode beim
Thema Kindergartengebühren initiativ, Frau Bulmahn?


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Sie wissen, dass der Bund keine Kinder-
gartengebühren erhebt.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Lothar Fischer [Homburg] [SPD]: Die Frage war ein bisschen flach!)


Deshalb müssen wir in unseren Parteien dafür Sorge tra-
gen, dass diese Richtung auch in der Kommunalpolitik
durchgesetzt wird. Dann können wir erreichen, dass ein
Kindergartenbesuch nicht an finanziellen Hürden schei-
tert.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was für ein Eiertanz!)


Ich habe vorhin ausdrücklich betont, dass dieses Vorhaben
nur gemeinsam gelingen wird, weil in vielen Ländern und
Gemeinden die CDU die politische Verantwortung trägt.


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Die SPD macht es ja nicht!)


Auch die FDP wird dabei eine Rolle spielen. Deshalb
hoffe ich auf Ihre Unterstützung bei diesem Vorhaben.


(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Laden Sie doch einmal Ihre Ministerpräsidenten ein! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wollen wir nicht auf den Haushalt zurückkommen?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420512100
Frau Ministerin, es
gibt einen weiteren Wunsch nach einer Zwischenfrage,
diesmal von dem Kollegen Hauser. – Bitte.


Norbert Hauser (CDU):
Rede ID: ID1420512200
Frau Minister,

auch ich möchte Sie fragen: Werden Sie in dieser Rich-
tung aktiv?


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lächerlich – Zuruf von der SPD: Nun ist aber gut! Sie müssen ja nicht als Ministerin handeln, sondern können dies auch als Landesvorsitzende Ihrer Partei tun. Zweite Frage: Wer soll denn die Kosten übernehmen? Sie haben blumenreich ausgeführt, wie wichtig der Kindergarten ist. Das hätten Sie uns nicht zu erzählen brauchen; das war auch nicht gefragt. Wer soll die Kosten, die sich aus diesem Vorhaben ergeben, übernehmen? Welche Konzepte haben Sie dafür? (Zuruf von der CDU/CSU: Der DGB macht das!)


Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Weil die Empfehlungen des Forums Bil-
dung Empfehlungen des Bundes, aller Länder und der
Sozialpartner sind, werden wir gemeinsam einen
Vorschlag entwickeln müssen, wie wir dieses umsetzen
können. Ich gehe davon aus, dass die Umsetzung Schritt
für Schritt erfolgt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Werner Lensing [CDU/CSU]: Völlig unklar! Wer macht das denn jetzt?)


Wir stehen zurzeit – das ist für jeden spürbar – in un-
serem Lande vor einer paradoxen Situation: Auf der einen
Seite gibt es viele Menschen, die einen Arbeitsplatz su-
chen, auf der anderen Seite klagen rund 10 Prozent der
Unternehmen darüber, dass sie offene Stellen nicht beset-
zen können. Als wir die Regierung übernommen haben,
haben wir deshalb schnell gehandelt und haben mit dem
JUMP-Programm den Jugendlichen ein Qualifizie-
rungsangebot gemacht,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


was inzwischen über 330 000 Jugendliche genutzt haben.
Für viele dieser Jugendlichen war das der entscheidende
Schritt ins Arbeitsleben.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Für 1 000!)

Für andere hat sich dadurch der Zugang zu einer berufli-
chen Ausbildung entscheidend verbessert.

Wir haben ein Zweites geschafft. Erstmals seit 1995
überstieg Ende Dezember 2000 die Zahl der unbesetzten
Ausbildungsstellen die Zahl der noch nicht vermittelten
Bewerber. Auch in diesem Jahr erhält jeder Jugendliche,
der arbeiten kann und arbeiten will, einen Ausbildungs-
platz. Das ist ein Erfolg, Frau Böttcher.


(Beifall bei der SPD)

Auch in den neuen Bundesländern wird jeder Jugendliche
und jede Jugendliche, der und die kann und will, einen
Ausbildungsplatz erhalten. Es gibt zurzeit mehr als
1 000 Ausbildungsplätze, die noch nicht besetzt sind.




Bundesministerin Edelgard Bulmahn
20278


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich habe aber in diesem Haus immer auch sehr deutlich
gesagt, dass mir die Entwicklung in den neuen Bundes-
ländern Sorge bereitet, dass ich mit ihr nicht zufrieden bin
und dass wir deshalb durch eine ganze Reihe von konkre-
ten Unterstützungsprogrammen auch Betriebe dazu brin-
gen wollen, mehr Ausbildungsplätze anzubieten. Darüber
gibt es überhaupt keinen Dissens.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich halte es für falsch, bei den Jugendlichen in den

neuen Bundesländern den Eindruck zu erwecken, dass sie
keinen Ausbildungsplatz erhalten würden. Sie haben die
Garantie, dass sie einen Ausbildungsplatz erhalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben für diese Maßnahmen in den letzten Jahren
insgesamt mehr als 6 Milliarden DM zur Verfügung ge-
stellt und wir werden diese Programme auch in den Jah-
ren 2002 und 2003 fortsetzen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420512300
Frau Ministerin, jetzt
gibt es noch eine Zwischenfrage – ich mache den Vor-
schlag, dass das die letzte Zwischenfrage im Rahmen die-
ser Rede ist –,


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Guter Vorschlag! Ausnahmsweise!)


und zwar von der Kollegin Böttcher.


Maritta Böttcher (PDS):
Rede ID: ID1420512400
Frau Ministerin, über das,
was Sie eben ausgeführt haben, gibt es zwischen uns of-
fenbar keinen Dissens. Den Dissens gibt es an der Stelle
– ich möchte Sie fragen, was Sie in Zukunft dagegen un-
ternehmen wollen –, dass die überbetriebliche Ausbildung
gegenüber der dualen Ausbildung als – ich sage das mal
in Anführungszeichen – zweite und dritte Wahl angesehen
wird, und zwar nicht von uns und nicht von denen, die sie
anbieten, sondern dergestalt, dass Betriebe Jugendliche
mit einer solchen Ausbildung nicht so gerne einstellen wie
Jugendliche, die aus einer dualen Ausbildung kommen.
Es geht um die Gleichwertigkeit der Ausbildungswege.
Diese ist, zumindest im Osten, nicht gegeben.

Der zweite Teil dieser Frage: Wieso, glauben Sie, wan-
dern Jugendliche aus dem Osten für 5 000 DM in den
Westen ab, wenn jeder im Osten einen hochwertigen Aus-
bildungsplatz erhalten kann?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung: Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Wir haben
das Recht auf freie Berufswahl in unserem Land. Ich plä-
diere nachdrücklich dafür, es dabei zu belassen,


(Beifall bei der SPD)

weil das die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass jeder
Jugendliche und jede Jugendliche seinen und ihren Beruf
auswählen kann.

Der andere Punkt: Gerade weil wir wollen, dass die
Ausbildung in einer überbetrieblichen Ausbildungsstätte
der dualen Ausbildung gleichwertig ist, gehen wir in den

neuen Bundesländern ganz konsequent den Weg,
Ausbildungsverbünde zu schaffen und den Betrieben
Unterstützung zu geben, damit mehr betriebliche Ausbil-
dungsplätze entstehen. Es gibt heute in allen außer-
betrieblichen Ausbildungsstätten sehr hohe Anteile von
Ausbildung in den Betrieben selber. Diesen Weg sind wir
gegangen und wir werden ihn konsequent weitergehen.
Deshalb ist es falsch, wenn Sie sagen, dass die außerbe-
triebliche Ausbildung in diesen Verbünden, die wir jetzt
geschaffen haben, minderwertig ist. Sie hat einen sehr ho-
hen Qualitätsstand und sie wird von den Betrieben nicht
nur akzeptiert, sondern auch anerkannt und für gut gehal-
ten, weil die Betriebe selber bei dieser Ausbildung mit-
wirken.

Dass das so ist, zeigt sich schon daran, dass wir bei den
neuen Berufen, zum Beispiel den Informations- und
Kommunikationsberufen, auch in den neuen Bundeslän-
dern erhebliche Zuwächse haben. Wir haben in Deutsch-
land insgesamt einen erheblichen Fortschritt erreicht. Sie
wissen, dass die Zahl der Ausbildungsplätze von 14 000
auf 60 000 gestiegen ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Solche Fortschritte gibt es inzwischen auch in den neuen
Bundesländern.

Das ist das Entscheidende: dass wir die Jugendlichen
so ausbilden, dass sie mit ihrer Berufsausbildung an-
schließend gute Berufschancen haben. Das stellen wir
durch die Form der Ausbildung, wie wir sie jetzt organi-
siert haben, sicher.

Ein weiterer zentraler Baustein unserer Bildungsoffen-
sive ist das Meister-BAföG, das ich hier nur beispielhaft
für den gesamten Weiterbildungsbereich nennen will. Die
Bundesregierung stellt hierfür bis zum Jahr 2005 mehr als
660 Millionen zur Verfügung. Diese Reform ist nicht nur
ein wichtiger Beitrag zur Qualifizierung. Sie ist auch ein
wichtiger Beitrag zur Mittelstandsförderung und zur
Gründung neuer Unternehmen. Damit schaffen wir wie-
derum neue Arbeits- und Ausbildungsplätze.

Wir brauchen aber nicht nur mehr qualifizierte Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Fachkräfte in
der beruflichen Bildung, sondern wir brauchen auch
mehr Hochschulabsolventen und Naturwissenschaftler.
Ich weise immer wieder darauf hin, dass wir in Deutsch-
land vor den gleichen Herausforderungen stehen wie
auch andere Länder. Hoch qualifizierte Wissenschaftler
und Studierende werden inzwischen weltweit umwor-
ben. Deshalb müssen wir – das machen wir auch –
die Hochschulen für junge Leute wieder attraktiver
machen.

Alleine im Rahmen der „Zukunftsinitiative Hoch-
schule“ investieren wir bis zum Jahre 2003 1 Milli-
arde DM zusätzlich für die internationale Ausrichtung un-
serer Hochschulen, für die Verbesserung des Studiums
und für die Vernetzung und Ausstattung mit den neuen
Medien. Weitere Stichworte wurden schon genannt, zum
Beispiel die BAföG-Reform. Sie kommt hinzu. Für sie al-
lein haben wir insgesamt mehr als 1,3 Milliarden mobili-
siert.




Bundesministerin Edelgard Bulmahn

20279


(C)



(D)



(A)



(B)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte es
für verantwortungslos, dass hier so getan wird, als sei
diese BAföG-Reform ein Reförmchen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nichts anderes ist sie!)


Ich bitte Sie darum, bei der Wahrheit und den Fakten zu
bleiben. Wir erreichen im September eine Steigerung der
Ausgaben um 63 Prozent. Das ist alles andere als ein Re-
förmchen.


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Das ist ein riesiger Schritt nach vorn.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dann reichen Ihre Haushaltsansätze nicht aus!)


Herr Kampeter, Sie wissen, dass das BAföG ein Leis-
tungsgesetz ist. Das heißt, jeder Antragsteller erhält das
BAföG, sofern der Antrag bewilligt wird.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Warum haben Sie die Mittel um 10 Millionen gesenkt?)


Das BAföG wird gezahlt. Darüber gibt es überhaupt keine
Diskussion.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Umso unseriöser ist die Etatisierung!)


Ein weiteres zentrales Reformprojekt ist die Dienst-
rechtsreform, die Anfang 2002 in Kraft treten soll.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Vermittlungsausschuss! – Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Das werden wir ja noch sehen!)


Mit dieser Dienstrechtsreform brechen wir verkrustete
Strukturen auf und verbessern die Qualität von Forschung
und Lehre.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ihr macht die Habilitation kaputt!)


Mit der Juniorprofessur ermöglichen wir jungen Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftlern, in Zukunft durch-
schnittlich zehn Jahre früher als bisher eigenverantwort-
lich zu forschen und zu lehren.

Wir sorgen für eine höhere Leistungsgerechtigkeit bei
der Besoldung. Es passt nicht mehr in die heutige Zeit, al-
leine nach dem Lebensalter zu besolden.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch keine Frage!)


Ich bedauere es sehr, dass der Opposition in den letz-
ten zwei Jahren der Mut verloren gegangen ist, diese
Dienstrechtsreform mitzutragen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Wer unterstützt Sie denn? Es ist niemand mehr da außer Ihnen!)


Wir haben in der Expertenkommission gemeinsam die
Vorschläge erarbeitet. Sie, Ihre Länder und Ihre Parteien,
waren ein halbes Jahr lang bei der Erarbeitung der Exper-
tenvorschläge dabei.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir waren nicht beteiligt! Ist doch gar nicht wahr!)


Wenn aber eine Entscheidung getroffen werden muss,
verlässt Sie der Mut und Sie stellen sich hinter diejenigen,
die in diesem Land nichts ändern wollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bedauere, dass Sie so wenige Courage in dieser Frage
zeigen. Wir werden ja sehen, wie es weitergeht.

Die Frage, wie wir nach den Terroranschlägen in den
USA der Konjunktur bei uns wieder neue Impulse geben
können, um der Rezession entgegenzuwirken und um
wieder ein Wirtschaftswachstum zu erreichen, steht ganz
oben auf der politischen Tagesordnung.


(Werner Lensing [CDU/CSU]: Sie können von den anderen europäischen Ländern lernen!)


In einer globalisierten Weltwirtschaft kann ein einzel-
nes Land allein nicht Konjunkturlokomotive spielen. Hier
stimme ich meinem Kollegen Hans Eichel ausdrücklich
zu. Das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der so-
gleich verpuffen sowie unseren finanziellen Spielraum
unnötig einschränken würde. Wir brauchen deshalb auch
keinen Aktionismus, sondern solide Grundlagen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber keine Steuererhöhungen!)


Wenn wir auf Dauer wirtschaftlich wettbewerbsfähig
bleiben wollen, dann benötigen wir vor allem effiziente
Strukturen und Innovationen. Deshalb, Herr Kampeter,
habe ich zum Beispiel die HGF, die Großforschungsein-
richtungen, reformiert und die Finanzierung sowie die
Rahmenbedingungen völlig verändert. Sie haben zehn
Jahre darüber diskutiert, dass die Großforschungs-
einrichtungen besser gestaltet und effizienter organisiert
werden müssen. Zehn Jahre lang sind Sie zu keinem Er-
gebnis gekommen. Wir haben es innerhalb von zwei Jah-
ren geschafft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Sie reden, wir handeln!)


Wir brauchen in unserem Land eine starke Forschung
und eine schnelle Umsetzung von Forschungsergebnissen
in neue Produkte und Dienstleistungen. Das ist für uns le-
bensnotwendig. Damit neue Forschungsergebnisse nicht
länger in den Schubladen verschwinden, schaffen wir
zum einen durch die Änderung des Hochschullehrerprivi-
legs und zum anderen durch den Aufbau leistungsfähiger
Patentierungs- und Verwertungsstrukturen bessere Vo-
raussetzungen für die Nutzung von Forschungsergeb-
nissen.


(Ulrike Flach [FDP]: Und 2003 gibt es kein Geld mehr dafür!)


Bei der Forschungsförderung konzentrieren wir uns
auf die Zukunftsfelder. Die Gesundheitsforschung hat bei
uns erheblich an Gewicht gewonnen. Wir geben damit ein
klares Signal, dass wir ein leistungsfähiges und bezahlba-
res Gesundheitswesen wollen, sodass Kranke möglichst
optimal behandelt werden können. Das können wir ohne
Forschung und Qualitätsverbesserungen nicht leisten.
Deshalb haben wir hier einen Schwerpunkt gesetzt.




Bundesministerin Edelgard Bulmahn
20280


(C)



(D)



(A)



(B)


Mit den UMTS-Zinsersparnissen haben wir das natio-
nale Genomforschungsnetz aufgebaut. Die biotechnolo-
gische Forschung, die Genomforschung, in Deutschland
ist inzwischen gut vorangekommen. Hier haben wir un-
sere Position erheblich verbessert.


(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann [SPD])


Wir liegen an der Spitze, auch was den Arbeitsplatzzu-
wachs in diesem Bereich angeht. Allein im Jahre 2000
wurden hier 31 Prozent neue Arbeitsplätze geschaffen.
Diese erfolgreiche Entwicklung werden wir weiter unter-
stützen.

Wir werden auch bezogen auf die Informations- und
Kommunikationstechnologien unsere erfolgreiche Poli-
tik der letzten drei Jahre fortsetzen. Wir wissen, dass die
Informations- und Kommunikationstechnologien Schlüs-
seltechnologien sind. Sie sind in vielen unserer Branchen,
zum Beispiel in der Automobilbranche, der chemischen
Industrie und dem Maschinenbau, entscheidend für deren
Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb haben wir die Mittel
dafür deutlich erhöht.

Außerdem bauen wir einen neuen Forschungsbereich
auf, und zwar die Nanotechnologie, die an der Schwelle
zur Anwendungsreife steht. Durch die öffentlich finan-
zierte Forschung helfen wir den deutschen Unternehmen,
ihre Startposition auf dem Weltmarkt zu verbessern.

Kurzum: Wir ruhen uns nicht auf den Lorbeeren der
letzten drei Jahre aus, im Gegenteil.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das glaubt Ihnen doch keiner!)


Wir haben einen langen Atem und noch viele gute Ideen.
Diese werden wir auch umsetzen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das war Ihr letzter Haushalt!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420512500
Der Kollege
Dr. Martin Mayer spricht jetzt für die CDU/CSU-Frak-
tion.


Dr. Martin Mayer (CSU):
Rede ID: ID1420512600
Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin,
Sie haben fast so lange über Schulen und Kindergärten ge-
sprochen, für die die Länder zuständig sind,


(Jörg Tauss [SPD]: Das haben Sie doch gefragt! Das ist ja unglaublich! – Zuruf von der SPD: Schlafen Sie denn hier?)


wie über die Forschung. Das ist doch ein Zeichen für den
niedrigen Stellenwert, den Sie der Forschung zumessen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben bezogen auf die Dienstrechtsreform Punkte

angesprochen, die nicht strittig sind, aber die Punkte, die
strittig sind, schamhaft verschwiegen,


(Siegfried Scheffler [SPD]: Mensch Mayer!)


so zum Beispiel, dass Sie die Habilitation abschaffen
wollen und die Mindestgehälter zu niedrig ansetzen.


(Beifall der Abg. Ulrike Flach [FDP] – Zurufe von der SPD)


– Bitte beruhigen Sie sich wieder!
Die Beratung über den Haushalt ist natürlich immer An-

lass für eine Generalaussprache. Sie möchten aber nicht
gerne hören, dass der Bundeskanzler vor der Wahl eine Ver-
doppelung der Investitionsmittel im Bildungs- und For-
schungsbereich versprochen hat. Gestern hat er nämlich
schon wieder ganz kleine Semmeln gebacken und nur noch
von 15 Prozent gesprochen. Es gibt also einen Unterschied
zwischen Ihren Versprechungen und dem, was Sie halten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Seitens der Bundesregierung gibt es offensichtlich eine

Diskrepanz zwischen Ankündigung und Wirklichkeit. Die
Bundesregierung hat bei ihrem Amtsantritt einen Aufbruch
im Bereich Innovation und Bildung angekündigt. Heute
wissen wir: Die Bildungs- und Forschungsministerin hat
gute Initiativen ihres Vorgängers Rüttgers, zum Beispiel
den Bio-Regio-Wettbewerb, weiterentwickelt. Von der
großen Aufbruchstimmung aber ist nichts mehr zu spüren.


(Beifall bei der CDU/CSU – Jörg Tauss [SPD]: Machen Sie doch nicht immer alles mies! Freuen Sie sich doch einmal! – Gegenruf von der CDU/CSU: Minuswachstum!)


Von der Euphorie der ersten Monate ist wenig übrig ge-
blieben. Der letzte Bericht zur technologischen Leis-
tungsfähigkeit Deutschlands stellt nüchtern fest:

Trotz einer Reihe positiver Entwicklungen steht die
nachhaltige Festigung der Innovationskraft der deut-
schen Wirtschaft im weltweiten Technologiewettbe-
werb noch aus.

Der Bericht erinnert an die nach wie vor bestehenden
Schwächen im Bildungswesen, die erhebliche Nach-
wuchsprobleme mit sich bringen. Diese Nachwuchs-
probleme möchte die Bundesregierung neuerdings mehr
und mehr mit Greencards lösen. Der neueste Vorschlag
des Bundesarbeitsministers heißt: Greencard für Pflege-
kräfte. Das ist meiner Ansicht nach eine Bankrott-
erklärung für die Arbeitsmarkt- und die Bildungspolitik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss [SPD]: Ich bin für die Greencard für CSU-Politiker!)


Mir kann niemand erzählen, dass von den 4 Millionen
Arbeitslosen nicht einige 10 000 bereit sind, in Pflege-
berufen zu arbeiten. Diese könnte man entsprechend aus-
bilden, wenn das Bildungs- und Umschulungssystem mit
einem vernünftigen Mittelansatz bedacht würde.


(Jörg Tauss [SPD]: Das machen wir doch gerade! Job Aqtiv!)


– Wieso brauchen Sie dann eine Greencard, wenn das
schon mit dem Job-Aqtiv-Gesetz gemacht wird?


(Jörg Tauss [SPD]: Greencard für die CSU! Dann bekommt ihr vielleicht auch einmal ein paar Vernünftige!)





Bundesministerin Edelgard Bulmahn

20281


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(D)



(A)



(B)


Wir werden bald eine Greencard für Kabinettsmitglieder
brauchen; denn bei Ihrem Verschleiß werden wir den
Bedarf in Zukunft nicht mehr aus dem Inland decken
können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte heute in erster Linie über die Forschung

sprechen, und zwar über ein Thema, das viele von uns auf-
wühlt, nämlich die Forschung an embryonalen Stamm-
zellen. Die Nachricht aus den USA über das Klonen
menschlicher Zellen hat erneut erschreckt. Ich will aber
nicht über das Klonen, sondern über die Stammzellen-
forschung, über die der Deutsche Bundestag bald eine
Entscheidung treffen muss, sprechen.

Das Europäische Parlament hat mittlerweile mit Mehr-
heit entschieden, dass die Mittel aus dem 6. Forschungs-
rahmenprogramm auch für die Forschung an embryo-
nalen Stammzellen des Menschen verwendet werden
dürfen, sofern die Rechtslage der Mitgliedstaaten das
zulässt. Die Fragen, was der Mensch darf und was For-
scher dürfen, müssen nun auch in Deutschland gestellt
und beantwortet werden.

Für die CDU/CSU kann ich zu diesem Thema eines
vorwegstellen: Der Schutz der Menschenwürde und des
menschlichen Lebens hat für uns höchsten Stellenwert.
Was die Forscher dürfen, hängt entscheidend davon ab, ob
der frühe Embryo bereits ab der Befruchtung oder erst ab
der Einnistung eine menschliche Person im Sinne von
Art. 1 des Grundgesetzes ist.


(Jörg Tauss [SPD]: Das diskutieren wir im Januar! – Siegfried Scheffler [SPD]: Sagen Sie das für die Fraktion oder für sich?)


– Ich spreche für mich.

(Zurufe von der SPD: Ah!)


Wenn ich für meine Fraktion spreche, spreche ich für
meine Fraktion. Wenn ich für mich spreche, mache ich das
deutlich.

Ich neige nach reiflicher Abwägung mehr zur zweiten
Möglichkeit, nämlich zur Einnistung, weil der Mensch
mehr ist als die Summe seiner Gene, weil kein Mensch
oder kein Embryo ohne seine Mutter zum Mensch werden
kann und erst mit der Einnistung des Embryos die Ent-
wicklung zum Menschen unumkehrbar wird.

Die Entscheidung über die Frage, wann der Embryo
eine menschliche Person ist und welche Folgerungen da-
raus zu ziehen sind, wird jedes Mitglied des Deutschen
Bundestags hier in eigener Abwägung treffen müssen. Bei
dieser Entscheidung spielt für viele auch eine Rolle, wel-
che Haltung die Kirchen einnehmen. Ich habe mich sehr
eingehend mit der Haltung der katholischen Kirche ausei-
nander gesetzt, weil ich selbst dieser Kirche angehöre.
Die katholische Kirche stellt sich auf den Standpunkt, be-
reits die befruchtete Eizelle sei eine menschliche Person;
ihr müsse deshalb der volle Schutz nach Art. 1 des Grund-
gesetzes zukommen. Deshalb müsse die Forschung an
embryonalen Stammzellen verboten werden.

Nun hat die Kirche ohne den geringsten Zweifel den
Auftrag und die Verpflichtung, Hilflosen und Schwachen,

zu denen auch die Ungeborenen gehören, zu helfen. Die-
ser Auftrag ergibt sich aus dem Evangelium. Bei der Frage
jedoch, ob der Embryo bereits ab der Befruchtung oder
erst bei der Einnistung eine Person ist, hat sie nicht die
gleiche Autorität; denn die Antwort hierzu kann nicht aus
dem Evangelium abgeleitet werden. Hier muss die Kirche
mit der Kraft ihrer Argumente überzeugen. Ich kann
meine Kirche nur inständig bitten und beschwören, dass
sie in dieser Frage auch auf die beiden Theologen Profes-
sor Gründel und Professor Kummer hört, die eine etwas
andere Auffassung vertreten als die Kirche selbst.

Die Feststellung, wann ein Embryo ein Mensch ist, ist
im Übrigen eine Setzung durch den Menschen. Die jahr-
hundertelange Diskussion in der katholischen Kirche über
die Beseelung des Menschen ist ein Beweis dafür, dass
diese Setzung von den naturwissenschaftlichen Erkennt-
nissen abhängig ist. Im Lichte der neuen biomedizini-
schen Erkenntnisse muss die Argumentation deshalb drin-
gend überprüft werden. Das gilt übrigens auch für die
Aussagen von Verfassungsjuristen aus den 70er-Jahren
des vergangenen Jahrhunderts.

Die weltweite Forschung an embryonalen Stammzel-
len – das ist eine wichtige Forschungsfrage – kann in der
biomedizinischen Forschung zu einem Durchbruch füh-
ren. So mancher, der uns heute dazu drängt, diese For-
schung zu verbieten, wird uns, wenn irgendwo der Durch-
bruch gelingt, in den USA, in Großbritannien, in Israel, in
Australien, in Indien, in Schweden und vielen anderen
Ländern, wo diese Forschung erlaubt ist, den Vorwurf
machen, dass wir nicht rechtzeitig erkannt haben, was in
dieser Frage an Potenzial steckt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Frau Bundesministerin, man kann feststellen, dass die
Bundesregierung in dieser Frage handlungsunfähig ist
– das gilt auch für viele andere Fragen – und keine eigene
Mehrheit hat.


(Jörg Tauss [SPD]: Was ist das denn für eine Mehrheit in der CSU? Ich bitte Sie: Sie tragen Ihre Meinung vor!)


– Die Bundesregierung muss in dieser Frage die Mehrheit
haben.

Es ist im Übrigen unstrittig – jetzt spreche ich für die
Fraktion –, dass wir in Deutschland eine hervorragende
Forschung haben. Dennoch gibt es viele Alarmsysteme.
Dabei geht es nicht nur ums Geld. Ich zitiere:

Deutschland hat seine Stellung als ehemals weltweit
führender Forschungs- und Entwicklungsstandort für
die pharmazeutische Industrie eingebüßt und liegt
nur noch im Mittelfeld.

So eine Studie der Boston Consulting Group. Das wurde
in dieser Woche veröffentlicht. Die Gründe dafür sind
die Defizite bei der biomedizinischen Grundlagen-
forschung und bei der klinischen Forschung. Um wie-
der an die Spitze zu gelangen, müssen die Mittel für die
Grundlagenforschung deutlich aufgestockt werden und
die Verteilung leistungsorientierter geschehen. Letztlich




Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

20282


(C)



(D)



(A)



(B)


müsste eine bessere Ausbildung mit modularen Studien-
gängen erfolgen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Auch eine grüne Gesundheitsministerin hat ihren Bei-
trag zu dieser Entwicklung in der pharmazeutischen For-
schung geleistet. Die negative Haltung der Grünen zieht
sich wie ein roter Faden durch die Forschungspolitik
der Bundesregierung. Auch bei der grünen Gentechnik
herrscht ein frostiges Klima.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ulrich Heinrich [FDP]: Fortschrittsverweigerer!)


Dabei sind Bio- und Gentechnik für Ernährung, Gesund-
heit und Umwelt eine der Schlüsseltechnologien des neu-
en Jahrhunderts.

Die EU-Kommission ergreift neue Initiativen. Positive
Signale kommen aus anderen Regionen dieser Welt. In
Deutschland hingegen herrscht Stillstand. Während die
EU-Kommissare Byrne und Fischler dazu aufgerufen ha-
ben, Europa solle weltweit eine führende Rolle in der Dis-
kussion um die Anwendung der Gentechnik übernehmen,
hat der Bundeskanzler seine ursprünglich geplante Initi-
ative, die einen neuen gesellschaftlichen Diskurs auslösen
sollte, im Januar 2001 vorübergehend ausgesetzt. Seither
hat man nichts mehr gehört.

Während die EU-Kommission im September vorigen
Jahres das Konsultationspapier „Eine strategische Vision
für Biowissenschaften und Biotechnologie“ entwickelt
hat, wird in Deutschland das Thema immer mehr
zurückgedrängt. Ich fordere Sie auf, Frau Ministerin
Bulmahn, sich von Ihren grünen Ministerkollegen nicht
stoppen zu lassen, sondern in Zukunft für die grüne Gen-
technik viel vehementer einzutreten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Fusionsfor-

schung. Eine der größten Herausforderungen dieses Jahr-
hunderts ist die Weltenergieversorgung. Neue Energien
müssen durch verantwortungsvolle Vorsorge erschlossen
und entwickelt werden.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darin sind wir einer Meinung!)


Auch wenn die Energie der Fusionsforschung erst Mitte
dieses Jahrhunderts zur Verfügung stehen kann, ist sie
eine ganz wichtige Option; denn sie hat praktisch keine
Schadstoffe und ein relativ geringes Risiko.

An dieser Kernfusion wird in Deutschland seit vier
Jahrzehnten geforscht. Hier hat Deutschland mit den
Instituten in Greifswald, Jülich, Karlsruhe und Garching
bei München eine führende Stellung in Europa. Die EU
fördert die Fusionsforschung mit einem überproportiona-
len Anteil. Ich finde es deshalb unglaublich, dass die Grü-
nen in Europa darauf gedrängt haben, dass diese For-
schungsmittel, von denen Deutschland in höchstem
Umfang profitiert, gekürzt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrike Flach [FDP]: Richtig!)


Ich bitte Sie, Frau Ministerin Bulmahn, dass Sie im Eu-
ropäischen Ministerrat, der in dieser Frage endgültig ent-
scheiden wird, dem Vorschlag des Europäischen Parla-
ments folgen, das eine Erhöhung der Mittel gefordert hat.

Die Blockadepolitik der Grünen gefährdet auch eine
wichtige Forschungseinrichtung, die erst in diesem Som-
mer fertig gestellt worden ist, nämlich den Forschungs-
reaktor in Garching bei München, der als Neutronen-
quelle für die deutsche und die internationale Forschung
und Entwicklung dienen soll. Die Gemeinschaft, die so
genannte Community, der Wissenschaftler in Deutsch-
land und auf der ganzen Welt bejaht diese Forschungs-
einrichtung und wartet darauf, dass sie dieses Projekt nut-
zen kann. Die Neutronenquelle in Garching bei München
ist eine wichtige Voraussetzung für neue Erkenntnisse in
der Materialkunde, in der Physik, insbesondere in der
Nanotechnologie, in der Biologie und in der Medizin.

Die Sicherheitsfragen sind minutiös geprüft worden.
Der Reaktor ist fertig. Er könnte in Betrieb gehen. Wis-
senschaftler aus Deutschland könnten mit ihren For-
schungsarbeiten beginnen – sie könnten, wenn nicht ein
Bundesumweltminister mit ideologischen Scheuklappen
die dritte Teilgenehmigung, die Betriebsgenehmigung,
mit immer neuen Schikanen verzögern würde.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Unterlagen liegen nicht vor!)


Das kostet Millionen. Hier wird Geld einfach verpulvert.
Das ist angesichts der knappen Gelder für die Forschung
in Deutschland skandalös.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Noch viel schlimmer als das Verschleudern von Geld

sind die anderen Folgen. Die jungen Forscher, die sich
darauf eingestellt hatten, dass sie zum Ende dieses bzw.
zu Beginn des nächsten Jahres mit der Forschung in
Garching beginnen können, wandern allmählich ab, weil
sie nur Zeitverträge haben und nicht zu lange warten wol-
len. Sie werden in andere Länder gehen und werden dort
die schlimme Kunde verbreiten, dass man mittlerweile in
Deutschland wegen eines grünen Ideologen in der Bun-
desregierung bei den Forschungsinvestitionen unbere-
chenbar geworden sei.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420512700
Herr Kollege Mayer,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fell?


Dr. Martin Mayer (CSU):
Rede ID: ID1420512800
Nein.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jörg Tauss [SPD]: Der Fell kennt sich aus!)


Der Bundesumweltminister fügt dem Forschungsstandort
Deutschland großen Schaden zu. Deshalb muss diese rot-
grüne Bundesregierung abgelöst werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420512900
Ich erteile dem Kolle-
gen Fell das Wort zu einer Kurzintervention.




Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)


20283


(C)



(D)



(A)



(B)



Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420513000

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Herr Kollege Mayer, ist Ihnen eigentlich bekannt, dass
es einen jahrzehntelangen Streit über den Forschungsre-
aktor in Garching bei München gibt, weil dort kernwaf-
fentaugliches Material eingesetzt werden soll? Seit 1980
haben unter anderem die USA ein Programm zur Verhin-
derung der Weiterverbreitung von atomwaffentauglichem
Material – das ist hoch angereichertes Uran – aufgelegt.
Genau mit diesem Material soll der Forschungsreaktor in
Garching bei München in Betrieb genommen werden.

Ist es nicht auch aus Ihrer Sicht richtig, dass wir ange-
sichts der Ereignisse vom 11. September dieses Jahres al-
les tun müssen, um die Weiterverbreitung von atomwaf-
fentauglichem Material zu verhindern und um die USAzu
unterstützen, die genau dies seit über 20 Jahren tun? Be-
denken Sie, dass Deutschland das erste Land auf der Welt
wäre, das die erfolgreichen Bemühungen der USA auf
dem Gebiet der Nichtverbreitung torpedieren würde,
wenn der Reaktor in Garching bei München in Betrieb
genommen würde.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420513100
Herr Kollege Mayer
zur Erwiderung, bitte.


Dr. Martin Mayer (CSU):
Rede ID: ID1420513200
Ich
kann es relativ kurz machen. Auch Ihnen, Herr Kollege
Fell, ist sicherlich bekannt, dass in Deutschland und in al-
len internationalen Kontrollkomitees Übereinstimmung
darüber besteht, dass von dem Reaktor in Garching bei
München, der mit HEU betrieben werden soll, wegen der
Überwachung durch internationale Organisationen nicht
die geringste Gefahr der Weiterverbreitung ausgeht und
dass es allenfalls eine symbolische Bedeutung hätte, wenn
man es anders machen würde. Auch in den USA gibt es
noch eine große Anzahl von Forschungsreaktoren, die mit
hochangereichertem Uran, HEU, betrieben werden.

Die Frage des Flugzeugabsturzes und eines terroristi-
schen Anschlags ist jedenfalls bei Kernkraftwerken von
wesentlich größerer Bedeutung oder ist – anders ausge-
drückt – bei dem Forschungsreaktor von wesentlich ge-
ringerer Bedeutung, weil die radioaktive Masse, die im
Forschungsreaktor verwendet wird, nur ein Bruchteil des-
sen ist, was in einem Kernkraftwerk verwendet wird.


(Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Groß genug zur Verseuchung! Die Internationale Atomenergiebehörde teilt Ihre Auffassung nicht!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420513300
Jetzt hat Herr Kollege
Jörg Tauss das Wort, und zwar von hier vorn.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1420513400
Frau Präsidentin! Meine sehr ver-
ehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe
Kollegen! Nachdem wir uns die Reden unserer Opposi-
tion heute angehört haben, bin ich in der Tat dafür, dass
wir die Greencard ein bisschen ausweiten. Ich würde sa-

gen, wir machen eine Greencard für die Opposition. Viel-
leicht finden wir im Ausland eine bessere.


(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will

mich fast abschließend – Kollege Loske kommt noch
nach mir – aus zwei Gründen zu Wort melden, einmal,
um kurz ein paar Dinge zusammenzufassen, auch was
Ihre Zahlen anbelangt, was die Schwarzmalerei anbe-
langt,


(Norbert Hauser [Bonn] [CDU/CSU]: Besser schwarze Zahlen als rote Zahlen!)


und zum anderen, um mich an dieser Stelle recht herzlich
zu bedanken.

Siegrun Klemmer, hier war gerade eine etwas voreilige
Entwicklung eingetreten. Der Blumenstrauß, der herein-
gegeben wurde, war für dich bestimmt. Es war heute
deine Abschiedsvorstellung, deine letzte Rede in einer
Haushaltsdebatte. Du kandidierst nicht mehr für den Bun-
destag. Ich werde dir den Strauß im Anschluss überrei-
chen, aber ich sage dir schon jetzt: Diesen Strauß Blumen
hast du dir verdient. Du hast dich um Bildung und For-
schung in diesem Land verdient gemacht. Ganz herzli-
chen Dank!


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


Wir haben heute auch schon einen Haushälter aus der
Opposition gehört – ich habe zurzeit ein wenig Probleme
mit meiner Ersatzbrille; ich sehe ihn gerade nicht –,


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie verlieren wohl öfter die Orientierung!)


dem ich keine Blumen überreichen möchte, ich glaube,
auch nicht überreichen könnte. Verdient hätte er sie nicht.
Denn Siegrun Klemmer hat sich ganz im Gegensatz zum
Kollegen Kampeter zu Ihrer Regierungszeit tatsächlich
erfolgreich und nachhaltig für Bildung und Forschung
eingesetzt. Bildung und Forschung leben eben nicht von
schwarz-gelben oder PDS-rosa Blütenträumen, Schau-
fensteranträgen und Sonntagsreden nach dem Muster
„Man müsste mal, man sollte mal, man könnte mal“, son-
dern sie leben ganz konkret vom Einsatz der Haushälte-
rinnen und Haushälter, der Ministerin und des Finanzmi-
nisters. Da brauchen wir uns von Ihnen überhaupt keine
Vorwürfe machen zu lassen. Da sollten Sie still schweigen
und eigentlich auf das neidisch sein, was wir hier erreicht
haben und heute vortragen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was haben wir erreicht? Wir werden trotz Ihrer Erblast,
einer riesigen Schuldenlast, die zu mehr als 80 Milliarden
DM Zinsbelastung im Jahr führt, in diesem zentralen Be-
reich erneut – –


(Zuruf des Abg. Werner Lensing [CDU/CSU])

– Kollege Lensing, seien Sie nicht so aufgeregt. Sie sind
einer der wenigen hier, die aus der Bildungspolitik kom-
men. Sie müssten sich doch eigentlich über das freuen,
was wir tun. Wir haben wieder ein großes Stück für Bil-






(C)



(D)



(A)



(B)


dung und Forschung und Zukunftsinvestitionen herausge-
schnitten. Das ist doch eine Leistung, auf die wir gemein-
sam stolz sein können, auch die Opposition.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann es Ihnen auch gerne noch einmal in Zahlen
sagen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420513500
Bevor Sie das tun,
frage ich Sie erst einmal, ob Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Pieper zulassen.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1420513600
Selbstverständlich, liebe Kollegin
Pieper.


Cornelia Pieper (FDP):
Rede ID: ID1420513700
Lieber Herr Kollege Tauss,
ich frage Sie, ob es richtig ist, dass die rot-grüne Koalition
vorhat, den Ausbildungsfreibetrag für Studierende zum
1. Januar 2002 von ehemals 4 200 DM auf 1 807 DM zu
senken, und ob Sie das für eine bildungspolitisch freund-
liche Maßnahme für Studierende in diesem Land halten.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1420513800
Liebe Frau Kollegin Pieper, ich
bin Ihnen für diese Frage dankbar, denn sie weist darauf
hin, dass wir in dem gesamten Bereich des Familienlas-
tenausgleichs erhebliche Verbesserungen vornehmen
werden. Wir werden das Kindergeld weiter erhöhen. Wir
haben das BAföG erhöht. Es gibt in der Tat in dem einen
oder anderen Bereich Umschichtungen, aber unter dem
Strich werden die Familien und die Studierenden – die
Zahlen haben Sie gehört – wesentlich besser gestellt. Das
ist der Erfolg unserer Politik und den lassen wir uns nicht
kleinreden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kom-
men wir in der Tat zu den Zahlen. Der Haushalt für Bil-
dung und Forschung hat die 16-Milliarden-Grenze über-
schritten. Er umfasst konkret 16,41 Milliarden DM oder
– gewöhnen wir uns daran – 8,391 Milliarden Euro. Am
Ende Ihrer Regierungszeit – ich will es noch einmal beto-
nen, auch wenn Herr Kampeter es jetzt nicht mehr hören
kann; aber wenn es um Bildung geht, ist er ohnehin nicht
mehr da – waren es 2,2 Milliarden DM weniger. Das war
der kampetersche Erfolg. – Ist er noch da? Dann bitte ich
um Entschuldigung; es hat wohl doch an der Brille gele-
gen. Herr Kollege Kampeter, dann hören Sie doch zu: Zu
Ihrer Zeit waren es 2,2 Milliarden weniger; in dem von
uns verantworteten Haushalt sind es 2,2 Milliarden mehr.
Man kann das von dieser Stelle aus nicht oft genug sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zahlen sind manchmal schwer lesbar. Ich kann es Ih-
nen auch einmal anhand der Kurve darstellen, die ich Ih-
nen hier zeige. – Das war Ihre Kurve.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Anders herum!)


– Nein, das war Ihre Kurve. Sie geht nach unten. Unsere
Kurve verläuft in der Tat anders herum. Sie geht nach
oben. So sieht es aus!


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ihre Kurve dümpelte vor sich hin, während unsere Kurve
einen Aufwärtstrend verdeutlicht.

Frau Präsidentin, ich zeige es Ihnen hier hinter mir im
Präsidium auch einmal, damit Sie sich überzeugen kön-
nen, was hier los war.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch für die
neuen Länder tut sich jede Menge. 3MilliardenDM wer-
den für den Bereich Bildung und Forschung in den neuen
Bundesländern, für die Innovationskraft, für Fördermaß-
nahmen zur Verfügung gestellt. Das Stichwort für eine
ganz besondere Form dieser Förderung lautet innovative
Regionen. Der Ansatz dafür wuchs in diesem so genann-
ten Sparhaushalt um 40 Prozent. Wir werden zusätzlich
50Millionen DM für die regionalen Wachstumskerne auf-
bringen. Wenn man das alles zusammenrechnet – man
kann es in der Kürze der Zeit gar nicht vortragen; die mir
verbleibende Redezeit beträgt noch zwei Minuten und
43 Sekunden –, so ergibt sich für die Zeit unserer Regie-
rungsverantwortung in diesem Bereich Bildung und For-
schung ein Aufwuchs von 21,5 Prozent.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Also, Leute, hört doch auf, hier herumzumäkeln, das ist
nicht korrekt!

Was will nun die Opposition? Sie fordert ohne Rück-
sicht auf Verluste. Die FDP hat auch viele Forderungen
gestellt. Herr Brüderle hat bereits Schecks über 1 000 DM
für jeden versprochen, Freibier für das Volk oder wie
auch immer. Meines Erachtens sollten Sie besser seriös
bleiben.

Die Mittel, die für die Förderung der Kohle aufzu-
bringen sind – ein Posten, den Sie, Frau Kollegin Pieper,
in der Art einer tibetanischen Gebetsmühle beklagen –,
können wir nicht kürzen, selbst wenn wir es wollten. Da-
mit keine Missverständnisse aufkommen: Ich bin für eine
Energieversorgung auf der Grundlage einheimischer Res-
sourcen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Fördermittel könnten Sie gar nicht in die Bildung
stecken, selbst wenn Sie es wollten, weil der bekanntlich
zu Ihrer Regierungszeit geschlossene Steinkohlevertrag
eben diese Ausgaben vorsieht, die Sie heute streichen
wollen. Das zu erwähnen gehört ebenfalls zur Seriosität.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was das BAföG anbelangt, Frau Kollegin Böttcher:
Ich rede hier nicht anders als im Ortsverein, im Ortsver-
ein nicht anders als auf dem Parteitag, auf dem Parteitag
nicht anders als im Parlament. Das ist nicht immer be-
quem, dafür bekommt man nicht immer Beifall, aber man
bleibt seriös und kann die eigene Linie aufrechterhalten.




Jörg Tauss

20285


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben das BAföG in der Tat allein durch die Darle-
hensobergrenze von 20 000 DM in verlässlicher Weise
gestaltet. Wer heute BAföG kassiert, wenn er als Studie-
render an die Hochschule geht, der weiß, dass seine
Schulden nicht höher als 20 000 DM sein werden. Das ist
eine verlässliche Grundlage.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zu Ihrer Zeit gingen diese Schulden nach oben. Deswe-
gen hatten wir auch den bekannten Rückgang beim
BAföG.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420513900
Herr Kollege Tauss,
jetzt gibt es wieder eine Frage an Sie, und zwar von der
Kollegin Flach.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist wirklich die
letzte Frage in dieser Debatte, denn wir müssen ein biss-
chen Rücksicht auf die Kolleginnen und Kollegen aus den
anderen Ressorts nehmen. Ich bitte um eine kurze Frage
und eine kurze Antwort.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1420514000
Da haben Sie Recht, Frau Präsi-
dentin. Ich würde selbstverständlich alle Fragen zulassen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420514100
Die Interessenlage ist
etwas unterschiedlich.


Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1420514200
Selbstverständlich. – Bitte, Frau
Kollegin Flach.


Ulrike Flach (FDP):
Rede ID: ID1420514300
Lieber Herr Kollege Tauss, ich
lege großen Wert darauf, dass wir hier mit richtigen Wer-
ten arbeiten. Ist auch Ihnen in Baden-Württemberg zu Oh-
ren gekommen, dass nach dem Jahr 2005 selbstverständ-
lich eine hohe Verhandlungsmasse im Hinblick auf die
Kohlesubventionen besteht und der ursprüngliche Ver-
trag bis zu diesem Zeitpunkt natürlich neu formuliert wer-
den kann?

Sie sind ja noch nicht einmal in der Lage, sich dafür
auszusprechen, die Subventionen nach dem Jahr 2005
herunterzufahren.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Da sind sie auch nicht mehr an der Regierung!)


– Da hat Herr Heinrich allerdings Recht.

(Zustimmung bei der FDP)



Jörg Tauss (Plos):
Rede ID: ID1420514400
Frau Kollegin Flach, wir haben in
Baden-Württemberg stillgelegten Salzbergbau. Trotzdem
verstehe ich ein wenig von Bergbau. Man war auch das
eine oder andere Mal dort.

Selbstverständlich ist mir bekannt – ich habe es doch
hier gesagt –, dass der Vertrag 2005 ausläuft und also neu
verhandelt werden muss.


(Ilse Janz [SPD]: Aber nicht für 2002 und 2003!)


Ich bin dennoch dafür, dass nicht alles, was in diesem Be-
reich angedacht ist, beliebig zu einer Verhandlungsmasse
gemacht wird, sondern dass wir uns gerade unter dem Ein-
druck der Ereignisse vom 11. September überlegen, wel-
che Strukturen wir im Bereich der einheimischen Ener-
gieträger aufrecht erhalten müssen. Die Kohle ist der ein-
zige Energieträger, den wir haben.

Aber Sie haben Recht: Wenn der Vertrag ausläuft, läuft
er aus. Dann wird neu verhandelt. Auch mir wäre es recht,
wenn wir in diesem Land eine Entwicklung hätten, bei der
alles ginge: Kohle und Internet, Bildung und Wissenschaft
und trotzdem eigene und sichere Energieversorgung. Das
wäre die Lösung der Zukunft. Die Haushälterinnen und
Haushälter werden uns dabei hoffentlich helfen.


(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was Sie zum

Thema Dienstrechtsreform gesagt haben, war schon
richtig putzig. Da gibt es natürlich ein großes Geschiedere
und Gemayere aus Bayern. Ich sage Ihnen: Trotz Ihres
Widerstandes machen wir die Hochschulen für die Zu-
kunft fit. Frau Flach, ich werde die Flasche Spätburgun-
der auch gewinnen, um die wir miteinander gewettet ha-
ben. Ich will es nur noch einmal für das Protokoll
festhalten. Wir werden die Dienstrechtsreform und die
Reform der Hochschulen selbstverständlich durchsetzen.

Liebe Damen und Herren von der CDU/CSU, die An-
hörung hat doch deutlich gezeigt: Für unsere Reform wa-
ren alle diejenigen, die als junge Wissenschaftlerinnen
und Wissenschaftler vor den Verkrustungen und der Büro-
kratie in Ihrer Zeit ins Ausland geflüchtet sind. Alle haben
gesagt: Da muss sich etwas tun. Nur die, die im Land ge-
blieben sind, die Verbandsfunktionäre sind,


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: So wie Sie!)


haben gesagt: Das ist ja ganz entsetzlich und furchtbar. Es
darf sich nichts ändern. – Muff von tausend Jahren unter
den Talaren! Ihnen die Verkrustungen, uns die Zukunft –
dann werden wir auch in diesem Bereich erfolgreich sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ganz besonders kurios finde ich noch etwas. Der Kol-
lege Rachel ist ja auch da. Was habt ihr gegen die Reform
im Helmholtz-Bereich polemisiert! Was habt ihr uns vor
Ort Schwierigkeiten gemacht! Was habt ihr in der Lokal-
presse herumpolemisiert! Was habt ihr die Leute in Jülich
und anderswo aufgehetzt! Und heute sagt ihr: Das haben
wir mit zum Erfolg gebracht.

Lieber Kollege Rachel, mit der Ministerin und mit mir
werden Sie jetzt in den Helmholtz-Senat eintreten. Will-
kommen, Herr Senator! Meines Erachtens wäre es aber
korrekt gewesen, an dieser Stelle zu sagen: Wir haben uns
geirrt. Eure Reform war gut. Jetzt machen auch wir mit
und helfen dem Senat, um die Reform weiter zum Erfolg
zu führen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das wäre ehrlicher gewesen als das, was heute vorgetra-
gen worden ist.




Jörg Tauss
20286


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich bekomme von der Präsidentin schon ein Zeichen,
dass meine Redezeit zu Ende ist. Ich sage jetzt nichts
mehr zu den Innovationen in der Arbeitswelt, zu Grup-
penarbeit, zu moderner Arbeit. Alles das haben wir geför-
dert. Sie waren immer dagegen, Herr Kampeter.

Wir halten fest: Noch nie waren Bildung und For-
schung einer Bundesregierung und den Koalitionsfraktio-
nen so viel wert wie heute. Dabei wird es bleiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Cornelia Pieper [FDP]: Wer es glaubt, wird selig! – Abg. Jörg Tauss [SPD] überreicht Abg. Siegrun Klemmer [SPD] einen Blumenstrauß – Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420514500
Der letzte Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Reinhard Loske für die
Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Wenn es geht, ein bisschen leiser, Herr Kollege! – Leiser und inhaltlicher! – Zuruf von der FDP: Ein bisschen Inhalt hätten wir jetzt verdient!)



Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420514600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


(Zuruf von der FDP: Sehr guter Ton!)

Ich wollte eigentlich eine bildungspolitische Grundsatz-
rede halten, aber ich gehe jetzt lieber auf die Argumente
ein, die hier gekommen sind. Sie waren zum Teil so
schlecht, dass ich sie so nicht stehen lassen kann.


(Zustimmung bei der SPD)

Ich beginne


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Mit dem Herrn Tauss!)


mit dem Kollegen Kampeter. Wo ist er? – Da oben. Hallo,
Kollege Kampeter! – Sie haben hier ein schönes mathe-
matisches Spielchen gemacht. Sie haben den BMWi-
Haushalt und den BMBF-Haushalt zusammengezogen
und gesagt: Guckt einmal! 1998 war es so. 2002 ist es
mehr oder minder stabil. – Dabei haben Sie natürlich un-
terschlagen, dass bei uns die Kohlesubventionen als der
Löwenanteil sehr wohl sinken, die Bildungsinvestitionen
um 21 Prozent und die Forschungsinvestitionen um fast
30 Prozent steigen. Das verhält sich wie ein System kom-
munizierender Röhren. Wir investieren eben in die Zu-
kunft. Das haben Sie bei Ihrer Rechnung leider übersehen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Die FDPwar auch ein schönes Beispiel. Sie stellen sich
hier hin, nehmen die Kohle quasi als unendliche Energie-
quelle für Ihre Zwecke und fordern, die Subventionen zu
streichen. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wir Grüne sind
da gebrannte Kinder. Bei uns war das früher der Jäger 90.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der SPD: Nicht nur bei euch!)


Es wurde ja schon gesagt, dass Herr Rexrodt als Wirt-
schaftsminister damals diese Regelung bis 2005 gezeich-
net hat. Ich erinnere mich noch sehr gut an eine Debatte
in diesem Hohen Hause vor eineinhalb Jahren, als es um
die Förderung hoch effizienter Kraftwerke ging. In der
Debatte hat Herr Möllemann eine Rede gehalten wie ein
Bergbauarbeiterführer. Das war wirklich unter aller Ka-
none!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die gleiche FDP stellt sich jetzt hin und nutzt die Kohle-
subventionen sozusagen als schier unendliche Finanzie-
rungsquelle für ihre Vorschläge zur Bildungspolitik. Das
nenne ich eine Politik der gespaltenen Zunge.

Frau Pieper, zweitens zu Ihnen, zu den Bildungsgut-
scheinen. Ich selbst bin schon seit langem, seit Anfang
der 90er-Jahre, ein Anhänger dieses Konzepts der Bil-
dungsgutscheine oder Studienkonten oder wie man es
nennen will. Das ist eine gute Sache. Allerdings müssen
die hinreichend ausgestattet werden, nicht nur im Hin-
blick auf Regelstudienzeit; es muss auch die Möglichkeit
bestehen, zum Beispiel ein Studium generale zu machen
oder zu wechseln. Das heißt, diese Kontingente müssen
hinreichend sein. Das halte ich für einen ganz vernünfti-
gen Ansatz, das ist überhaupt keine Frage. Die FDP hat
darauf aber kein Patentrecht; denn das haben andere auch
schon gesagt. Bei Ihnen stört mich ein bisschen – genau
wie bei Ihrer Kollegin Homburger in der Umweltpolitik –,
dass Sie gar nicht über die Ziele reden. Sie reden nur über
die Instrumente. Sie müssen über Ziele reden, das ist viel
wichtiger.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Cornelia Pieper [FDP]: Mehr Wettbewerb!)


– Das ist eine sehr schöne Antwort. Die Antwort von Frau
Pieper auf den Hinweis, sie müsse über Ziele reden, ist:
mehr Wettbewerb. Meine Güte, ist denn das alles? Bil-
dung ist doch nicht nur Wettbewerb. Es geht doch auch
um gewisse humanistische Ideale!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich weiß, dass Sie eine Priorität für den gut geföhnten,
koffertragenden BWL-Studenten haben, der schon im ers-
ten Semester danach fragt, wie lange denn das Studium
dauert, und der sich ansonsten vor allen Dingen für
Aktienkurse interessiert. Das kann man ja machen, ich
habe überhaupt nichts dagegen, ich bin selber Ökonom.
Ich glaube aber, unser Leitbild von Studierenden sollte so
aussehen, dass die Leute zu Eigenständigkeit erzogen
werden, dass sie auch einmal Nein sagen können, dass sie
sich in die Gesellschaft einmischen und nicht nur auf die
Karriere gucken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Wie die Grünen! – Cornelia Pieper [FDP]: Die sollen sich ihre Hochschulen selbst aussuchen!)


– Wie die Grünen? Ich bin gern bereit, meine Berufsbio-
grafie mit Ihnen zu besprechen.




Jörg Tauss

20287


(C)



(D)



(A)



(B)


Drittens. Frau Böttcher, mich stört wirklich, dass Sie
das BAföG hier so herunterreden. Sie wissen genau, dass
die Grünen weitergehende Vorschläge hatten. Tatsache ist
doch: In den 70er-Jahren wurden die Türen der Universi-
täten für die Arbeiterkinder weit aufgestoßen – das hatte
auch mit dem BAföG zu tun – und in den 90er-Jahren
wurden diese Türen von den Herrschaften, die damals re-
gierten, systematisch geschlossen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Diese Türen wollen wir jetzt wieder öffnen. Das tun wir
mit unserem Gesetz. An einem Punkt haben aber alle
Redner Recht: Die jungen Leute sind systematisch dem
BAföG entwöhnt worden. Sie assoziieren damit nur
Schulden, Bürokratie und anderes mehr. Deshalb dauert
es jetzt natürlich eine Weile, bis wir den Take-off, einen
Anstieg, hinkriegen. Deswegen reden Sie das BAföG
nicht runter, sondern helfen Sie dabei mit, dass es wirk-
sam wird. Ich glaube, das wäre vernünftig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zu den Studiengebührenmuss ich ganz ehrlich sagen:
Mit Fundamentalisten – entschuldigt, liebe Genossinnen
und Genossen, hätte ich fast gesagt – wie Peter Glotz kann
ich nichts anfangen. Aber mit einer Position „alles für alle
für immer umsonst“ kann ich auch nichts anfangen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Ich kann überhaupt nicht einsehen, dass es umsonst ist,
wenn beispielsweise große Unternehmen ihre Werkstu-
denten ins öffentliche Bildungssystem schicken und wir
Steuerzahler das bezahlen. Warum soll das umsonst sein?
Dafür gibt es keinen Grund. Das ist nicht plausibel.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Dr. Barbara Höll [PDS])


Ich will noch auf zwei Themen der Rede des Kollegen
Mayer eingehen. Sie sehen schon, ich komme nicht zu
meiner grundsatzpolitischen Rede. Sie haben – zwar nur
am Rande – die grüne Gentechnik angesprochen. Sie ha-
ben uns wieder als die Fortschrittsverweigerer hingestellt.
Die Realität ist doch ganz anders. In unserer Bevölkerung
gibt es aus nachvollziehbaren Gründen ganz große Vorbe-
halte gegen die grüne Gentechnik. Selbst diejenigen, die
dieser Technologie zum Durchbruch verhelfen wollen,
sollten einsehen, dass das nur mit Dialog, mit Transparenz
und mit Offenheit möglich ist. Nach dem Motto „mitten
durch die Tür“ oder mit dem Kopf durch die Wand wird
das nicht gehen. Damit kommen Sie nicht durch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS – Ulrich Heinrich [FDP]: Sie sind ja nicht dialogfähig auf dem Gebiet!)


– Wir sind nicht dialogfähig? Mit Ihnen habe ich darüber
noch nie geredet. Wie wollen Sie wissen, ob ich auf dem
Gebiet dialogfähig bin?


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich komme zum letzten Punkt, zur Fusionsforschung.
Seit 40 Jahren gibt es die Fusionsforschung, seit 40 Jah-
ren wird uns erzählt, in 40 Jahren stehe der erste Reaktor.
Ich glaube, wir haben bessere Alternativen. Wir haben die
Energieeffizienz, wir haben die Energieeinsparung, wir
haben die erneuerbaren Energien. Die Brücke ins postfos-
sile Zeitalter ist die solare Brücke und nicht die nukleare
Brücke. Das ist unsere Position.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf der Abg. Ulrike Flach [FDP])


Deswegen stellen wir für diese Forschung auch nicht
übermäßig viel Geld ein. Forschungsfreiheit ist ein hohes
Gut, das man nicht ideologisch überfrachten soll. Das ist
gar keine Frage. Aber man muss auch fragen: Was hat
Aussicht auf Erfolg? Was hat Aussicht auf Realisierung?
Was hat Aussicht darauf, einen Beitrag zur Lösung von
gesellschaftlichen Problemen zu leisten? Danach – das
gestehe ich gerne ein – steht die Fusionsenergie nicht ganz
oben auf unserer Liste. Das ist die Realität.

Ich komme zum Schluss, da ich noch genau 0,0 Se-
kunden zur Verfügung habe; insofern vollziehe ich eine
zielgenaue Landung. Im Bereich Bildung und Forschung
können wir natürlich noch besser werden; das ist über-
haupt keine Frage.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Dieser Bereich zeigt jedoch in ganz besonderer Weise,
dass wir in Richtung Ausbau der Zukunftsfähigkeit gehen.
Diesen Kurs werden wir auch in Zukunft verfolgen.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420514700
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30,
Bundesministerium für Bildung und Forschung, in der
Ausschussfassung. Hierzu liegen Änderungsanträge vor,
über die wir zuerst abstimmen werden.

Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksa-
che 14/7645: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist bei Ent-
haltung der CDU/CSU-Fraktion und gegen die Stimmen
der FDP abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksa-
che 14/7653: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist gegen
die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der FDP-Frak-
tion abgelehnt. Die PDS-Fraktion hat sich enthalten.

Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksa-
che 14/7654: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist ge-
gen die Stimmen der FDP-Fraktion und der PDS-Fraktion
abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksa-
che 14/7656: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt




Dr. Reinhard Loske
20288


(C)



(D)



(A)



(B)


dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist ge-
gen die Stimmen der FDP-Fraktion bei Enthaltung der
CDU/CSU-Fraktion und der PDS-Fraktion abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/7669: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist gegen
die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/7672: Wer stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Auch dieser Antrag ist ge-
gen die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.

Abstimmung über den Einzelplan 30 in der Ausschuss-
fassung: Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Einzelplan 30 ist gegen die Stimmen
der CDU/CSU-Fraktion, der FDP-Fraktion und der
PDS-Fraktion angenommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich rufe Punkt I. 26 auf:
Einzelplan 10
Bundesministerium für Verbraucherschutz,
Ernährung und Landwirtschaft
– Drucksachen 14/7310, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Uwe-Jens Rössel
Iris Hoffmann (Wismar)

Josef Hollerith
Franziska Eichstädt-Bohlig
Jürgen Koppelin

Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, vier Änderungsanträge der Fraktion der FDP
und ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor. Über
einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU wer-
den wir später namentlich abstimmen. Die Fraktion der
FDP hat einen Entschließungsantrag eingebracht, über
den morgen nach der Schlussabstimmung abgestimmt
wird.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Kol-
lege Josef Hollerith für die Fraktion der CDU/CSU.


Josef Hollerith (CSU):
Rede ID: ID1420514800
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Aus der Sicht
eines Haushälters empfinde ich den Ablauf der Haus-
haltsberatungen zum Einzelplan 10 als gänzlich unparla-
mentarisch. Die Kolleginnen und Kollegen von SPD und
Grünen haben die Vorlagen der Bundesregierung prak-
tisch kritiklos abgenickt. Sie haben weder Gestaltungs-
willen noch Gestaltungskraft erkennen lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bedaure dies. Ich empfinde die Drohung des

SPD-Generalsekretärs Müntefering, wer nicht pariere, der
laufe Gefahr, einen schlechteren oder sogar gar keinen
Listenplatz zu erhalten, als schweren Anschlag auf das

Selbstverständnis der Parlamentarier und als höchst pro-
blematisch. Ich weise ein solches Verständnis, das der
SPD-Generalsekretär öffentlich äußerte, als mit dem
Grundgesetz und mit dem Selbstverständnis des Parla-
mentarismus unvereinbar nachdrücklich zurück.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP– Hans Georg Wagner [SPD]: Das können Sie in Berlin sagen, aber nicht in Bayern!)


Die Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen
sind auch beim Thema regenerative Energien und Bio-
masse über den Tisch gezogen worden.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was? – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie denn da eigentlich?)


War ursprünglich vereinbart, dass von dem Ansatz in
Höhe von 200 Millionen Euro beim Bundeswirtschafts-
minister 35 Prozent für Biomasse zu verwenden sind – das
hätte 70 Millionen Euro entsprochen –, so hat Rot-Grün
jetzt den falschen Entschluss gefasst, dass nur noch
35 Millionen Euro für die Biomasse zur Verfügung ge-
stellt werden. Dies ist ein schwerer Schlag gegen die
Landwirte, die sich mithilfe von Biogasanlagen ein wei-
teres Standbein schaffen wollten. Dies ist ein schwerer
Schlag gegen mittelständische Betriebe, die in diesen
Markt im Vertrauen auf die Zusage, dass Subventionen in
Höhe von 35 Prozent von 200 Millionen Euro in diesem
Bereich gewährt werden, eingestiegen sind.


(Zuruf von der SPD: Machen wir ja auch!)

Es ist auch volkswirtschaftlich Unsinn, denn von
100 DM, die in Biomasseanlagen investiert werden, be-
kommt der Finanzminister vorneweg bereits 16 DM auf-
grund der Mehrwertsteuer, erst im Nachgang erhalten
dann die Investoren etwa 12 DM pro investierten 100 DM
an Förderung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir unter-
stützen die Entscheidung, dass der Verbraucherschutz in
das Landwirtschaftsressort eingegliedert worden ist.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Also habt ihr euch auch über den Tisch ziehen lassen!)


Wir unterstützen ausdrücklich die Gründung des Bundes-
amtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
und der Zentralstelle für Risikobewertung. Allerdings
sind wir im Gegensatz zu Rot-Grün der Auffassung, dass
die dafür benötigten Stellen aus dem nachgelagerten Be-
reich der Anstalten und der Forschungseinrichtungen des
Bundeslandwirtschaftsministeriums hätten erwirtschaftet
werden können. Immerhin gibt es in diesem Bereich rund
3 700 Stellen, sodass es aus meiner Sicht möglich gewe-
sen wäre, diese Stellen durch Umschichtungen zu erwirt-
schaften, statt den Personalkegel, wie es Rot-Grün be-
schlossen hat, weiter aufzublähen.

Rot-Grün hat seit 1998 die Landwirtschaft stranguliert
und den Strukturwandel in der Landwirtschaft drama-
tisch beschleunigt.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Immer noch frische Eier!)





Vizepräsidentin Petra Bläss

20289


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(D)



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Ich erinnere an die Belastungen durch die Ökosteuer
– 1 Milliarde DM –, an die Absenkung der Gasölbeihilfe
imZugeder Steuerreform–eineweitereMilliardeDMBe-
lastung –, an die negativen Auswirkungen der schlechten
Beschlüsse im Rahmen der Agenda 2000, die die Land-
wirtschaft mit 1 Milliarde DM belasten, an die jüngst be-
schlossene Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes, die
auf dem Rücken der Landwirte umgesetzt wurde, und an
die noch im Vermittlungsausschuss anhängige Entschei-
dung – ich hoffe, dass hier noch eine Korrektur erfolgt –
über die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes auf Futter-
mittelzusatzstoffe, die, wenn sie denn umgesetzt würde,
die ohnehin schon strangulierte Landwirtschaft noch ein-
mal mit 100 Millionen DM belasten würde. Das trifft hier
vor allem die bäuerliche Landwirtschaft, weil diese
dafür optiert hat, dieMehrwertsteuer pauschal abzuführen,
während größereBetriebe so optieren konnten, dass sie die
Mehrwertsteuer auf Futtermittelzusatzstoffe über die Vor-
steuer zurückerhalten. Hier werden wiederum die bäuerli-
chen Betriebe in unserem Land einseitig belastet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Zu diesen Belastungen kommt der Ökowahn der neuen

Bundeslandwirtschaftsministerin Frau Künast. Ich emp-
finde es als unseriös und sachlich falsch,


(Zuruf von der SPD: Was Sie sagen!)

dass praktisch zwischen den angeblich guten Betrieben,
nämlich den Ökobetrieben, und den angeblich schlech-
ten Betrieben, nämlich den konventionell wirtschaften-
den Betrieben, unterschieden wird. Die konventionell
wirtschaftenden Betriebe haben bewiesen, dass sie Le-
bensmittel höchster Qualität für den Verbraucher erzeu-
gen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist schlicht unseriös, zu unterstellen, dass sie schlechte
Nahrungsmittel erzeugten. Es ist auch ungerecht, eine
Spaltung des bäuerlichen Berufsstandes auf diese Art zu
versuchen.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang den Landwirt
Jürgen Donhauser aus dem Landkreis Amberg-Sulzbach,
der über seine Erfahrungen als Ökobauer Folgendes ver-
öffentlicht hat. Er schreibt – ich zitiere auszugsweise –:

Bei der Zuchtsauenhaltung dagegen stellt sich die
ökologische Wirtschaftsweise als absoluter Irrweg
dar. Durch unsere eigenen Erfahrungen können wir
heute sagen, die Öko-Sauenhaltung ist weder gesün-
der noch artgerechter. Im Gegenteil, die Anzahl der
verkauften Ferkel pro Sau ist um 30 Prozent gesun-
ken und die Tierarztkosten haben sich verdoppelt.

Weiter schreibt er:
Die zugekaufte Futtergerste

– Öko-Gerste –
wies so hohe Schimmelpilzgehalte auf, dass sie für
uns nicht mehr als Futter verwertbar war und entsorgt
werden musste.

Abschließend schreibt er:
Der Pilztoxingehalt konnte sogar im Blut der Sauen
nachgewiesen werden und führte zur allgemeinen

Immunschwäche. Die Sauen waren nicht mehr in der
Lage, kleine Infektionen abzuwehren, und erkrank-
ten wegen jeder Kleinigkeit.

(Ulrich Heinrich [FDP]: Wo bleibt denn da der Tierschutz?)

– Wo bleibt der Tierschutz? Das ist die Realität, beschrie-
ben von dem Landwirt und Ökobauern Jürgen Donhauser
zum Thema Ökolandwirtschaft bei der Sauenhaltung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Heinrich [FDP]: So sieht die Praxis aus!)


Wie wir aufgrund der Praxis erkennen, ist das ein Öko-
wahn, der offiziell aus dem Ministerium auf die Bauern
niedergeht. Dies äußert sich im Haushalt durch die Sen-
kung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe um 70Mil-
lionen Euro und durch eine globale Minderausgabe in
Höhe von 21Millionen Euro. Damit finanzieren praktisch
90 Prozent der bäuerlichen, konventionell wirtschaften-
den Betriebe fragwürdige Ökoprogramme der Ministerin
Künast, und zwar für den Ökolandbau 35 Millionen Euro
und für die Modellregionen 26 Millionen Euro mit
Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 50 Milli-
onen Euro.

Wie fragwürdig diese Programme sind, zeigt ein Blick
auf die zu finanzierenden Maßnahmen aus dem so ge-
nannten Modellregionen-Programm. Darin ist zu lesen,
dass damit die Betreuung verhaltensauffälliger Kinder auf
Bauernhöfen finanziert werden soll. Nun ist das sicherlich
ein ehrenwertes Ziel, aber es ist zu hinterfragen, ob eine
solche Aufgabe aus dem Etat der Bundeslandwirtschafts-
ministerin zu finanzieren ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Ulrich Heinrich [FDP]: Denen ist nichts mehr eingefallen!)


Darin steht, dass aus dem Etat der Agrarministerin
Schulbauernhöfe finanziert werden sollen. Schulbauern-
höfe sind sicherlich wünschenswert, aber die Finanzie-
rung kann doch nicht die Aufgabe des Bundes sein.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Das haben wir in unserem Bezirk selber gemacht!)


Es ist allenfalls eine Länderaufgabe oder eine kommunale
Aufgabe.

Weiterhin ist zu lesen, dass eine Zusammenarbeit zwi-
schen Landwirtschaft und Garten- und Landschaftsbau zu
finanzieren ist. Als ob dies nicht schon so erfolgte! Einer
weiteren Finanzierung bedarf es nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die falsche,
einseitige Ausrichtung in Richtung Öko jetzt zulasten
von 90 Prozent der Betriebe, ohne dass ein Gewinn an
Nahrungsmittelqualität und Verbrauchersicherheit
erzielt wird, im Gegenteil: Es ist eine Belastung, weil
etwa das Verbot von Futterzusatzstoffen und Fettersatz-
stoffen von Frau Ministerin Künast europaweit nicht
durchgesetzt werden konnte. Dass die Nahrungsmittel,
die von solchen Tieren stammen, weiterhin im Binnen-
markt exportiert werden dürfen und auch auf dem Tisch
der deutschen Verbraucher landen, ist eigentlich der




Josef Hollerith
20290


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Skandal. Es wäre Aufgabe desjenigen, der das ernst
meint, dieses zu verhindern und mit dem Verbraucher-
schutz wirklich Ernst zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dem wird dadurch noch die Krone aufgesetzt, dass der
Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft ge-
schlossen zurückgetreten ist.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Das hat es noch nie gegeben! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)


– Das ist ein Signal. Das hat es in der Geschichte der Bun-
desrepublik Deutschland noch nie gegeben, dass ein Gre-
mium geschlossen zurückgetreten ist, weil dieses Gre-
mium es satt hatte, die Bevormundung der Ministerin zu
erdulden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen wäre es an der Zeit, dass Frau Ministerin
Künast wieder zu dem zurückkehrt, von dem sie etwas
versteht, und von ihrem Amt als Ministerin für Verbrau-
cherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zurücktritt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420514900
Nächste Rednerin in
der Debatte ist die Kollegin Iris Hoffmann für die SPD-
Fraktion.


Iris Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1420515000
Frau Präsidentin!
Sehr geehrte Damen und Herren! Über Verbraucherschutz
und Landwirtschaft ist im zurückliegenden Jahr nicht nur
viel geredet und geschrieben worden, sondern in diesem
Bereich hat sich in nur einem Jahr Grundsätzliches getan.
Seit im letzten Jahr der erste BSE-Fall in Deutschland auf-
trat, war es das politische Gebot der Stunde, die Verknüp-
fung von Verbraucherschutz und Landwirtschaft neu zu
definieren.


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Alle Seiten waren hier in der Verantwortung: zum einen
die Futtermittelhersteller und die Landwirte selbst, zum
anderen setzte auch bei den Verbrauchern ein Umdenken
ein.

Uns ist es durch die auf nationaler und europäischer
Ebene zur Verbesserung der Lebensmittelsicherheit ein-
geleiteten Maßnahmen gelungen, dass die Verbraucher
langsam wieder Vertrauen zu Rindfleisch und Rind-
fleischerzeugnissen gefasst haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ziel rot-grüner Politik durch die herbeigeführte Agrar-
wende ist es, den Verbraucherschutz zu stärken und den
ökologischen Landbau zu fördern, aber auch der konven-
tionellen Landwirtschaft Raum zu lassen. Dem haben wir
mit dem vorliegenden Haushalt Rechnung getragen. Im
Agrarhaushalt wurden bereits im Regierungsentwurf

150 Millionen DM für die Agrarwende zur Verfügung ge-
stellt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Für Propaganda!)


Im Jahre 2003 sind dies noch einmal 180 Millionen DM.
Im parlamentarischen Verfahren haben wir erreicht, dass
durch Umschichtungen innerhalb dieses Einzelplanes in
diesem Jahr fast 50 Millionen DM zur Durchsetzung der
Agrarwende eingesetzt werden konnten.

Die Mittel für die Verbraucherpolitik haben wir im Ver-
gleich zu 2001 um 55 Prozent auf insgesamt 33,2 Milli-
onen Euro aufgestockt. Davon profitieren insbesondere
der Bundesverband der Verbraucherzentralen und die Ver-
braucherverbände im Rahmen der institutionellen Förde-
rung. Aber auch die Stiftung Warentest erhält einen Zu-
schuss. Insbesondere wurden zur Unterrichtung der
Verbraucher außerhalb des Ernährungsbereiches fast
2,3 Millionen Euro mehr eingesetzt.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Alles aus dem Agrarhaushalt!)


Allein für die objektive Verbraucherinformation über das
Ökosiegel stellen wir 7,7 Millionen Euro zur Verfügung.
Darüber hinaus werden Informationskampagnen zur Be-
kanntmachung neuer Qualitätssiegel in der Öffentlichkeit
und zur Information über deren Inhalte möglich.

Diese Aufzählung mitsamt den Anstrengungen auf EU-
Ebene zur Weiterentwicklung der Ökoverordnung ließe
sich fortführen, würde aber den Rahmen der Debatte hier
sprengen. Es ist wohl unbestritten, dass wir als Koalition
deutliche Zeichen für die Neuausrichtung der Verbrau-
cherpolitik gesetzt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Bundeskanzler selbst hat die Präsidentin des
Bundesrechnungshofes, Frau Dr. von Wedel, gebeten, ein
Gutachten zur Organisation des gesundheitlichen Ver-
braucherschutzes zu erarbeiten. Die Ergebnisse dieses
Gutachtens haben wir sehr ernst genommen. Diese Er-
kenntnisse einschließlich der Vorarbeiten des Ministe-
riums haben wir bereits in den Haushalt 2002 einfließen
lassen.

Die Schwachstellenbeseitigung liegt klar im Interesse
des Gemeinwohls; dem sind wir alle verpflichtet. Denn es
geht um Gefahrenprävention und Gefahrenabwehr. Dies
muss auch organisatorisch und institutionell durch die
Einrichtung effizienter und schlagkräftiger Behörden er-
folgen. So wird ein Bundesinstitut für Risikobewertung
aufgebaut. Es wird entsprechend seiner Aufgabenstellung
angemessen personell ausgestattet werden. Um die not-
wendige Unabhängigkeit zu gewährleisten, wird es einen
hohen Grad an Selbstständigkeit und Weisungs-
unabhängigkeit haben. Das Bundesinstitut wird eine
breite Öffentlichkeitsarbeit leisten und in einen offen-
siven Dialog mit den Verbrauchern treten, um frühzeitig
über mögliche gesundheitliche Risiken zu informieren.
Zu seinem Start stellen wir im Haushalt 2002 etwa
600 000 Euro als Grundausstattung bereit.




Josef Hollerith

20291


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In Umsetzung des Gutachtens von Frau Dr. von Wedel
wird zum 1. Januar 2002 die Bundesanstalt für Verbrau-
cherschutz und Lebensmittelsicherheit errichtet. Hier
stellen wir mehr als 1,7 Millionen Euro zur Verfügung. Es
wird als selbstständige Bundesoberbehörde hoheitliche
Aufgaben im Bereich des Risikomanagements als Zulas-
sungsstelle für Stoffe, die gesundheitliche Risiken in sich
bergen und in einem engen Zusammenhang mit der Le-
bensmittelsicherheit stehen, wahrnehmen. Mittelfristig
muss der Aufbau dieser Einrichtung abgeschlossen sein.
Ich denke, es liegt klar auf der Hand: Wir als rot-grüne
Koalition haben die Umstrukturierung des Verbraucher-
schutzes und bei der Lebensmittelsicherheit auf den Weg
gebracht und werden die Verbraucherschutzpolitik weiter
stärken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Siegfried Hornung [CDU/ CSU]: Gilt das für alle Nahrungsmittel?)


Auch in der Agrarpolitik zeigen wir deutlich, dass die
Wende einen hohen Stellenwert hat. Die Mittel für die
Modell- und Demonstrationsvorhaben wurden gegen-
über dem Vorjahr um fast 18 Millionen Euro aufgestockt.
Sie sollen unter dem Motto „Regionen aktiv – Land ge-
staltet Zukunft“ zum Tragen kommen, um beispielhaft in
ausgewählten Regionen die neuen Politikansätze regiona-
ler Entwicklung zu demonstrieren.

Die Zielrichtung dieser Projektförderung ist vorrangig,
die Verwirklichung einer verbraucherorientierten nach-
haltigen Produktion und die Vermarktung gesunder,
hochwertiger Nahrungsmittel sichtbar zu machen. Dem
Aufbau regionaler Verarbeitungs- und Vermarktungs-
strukturen kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu,
aber auch der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten
in den Angeboten von Bildung, Weiterbildung und Bera-
tung. Dies ist lediglich eine Auswahl des umfangreichen
Programms und seiner Wirkung, belegt aber deutlich,
dass Rot-Grün nicht nur von einer Agrarwende redet, son-
dern sie auch in die Tat umsetzt,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


dies kurzfristig und dennoch zukunftsorientiert. Die hohe
Zahl von über 200 Bewerbungen ist ein deutliches Zei-
chen für das Interesse an diesem Projekt.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang auch an den
ökologischen Landbau, der durch die rot-grüne Koali-
tion gestärkt und ausgedehnt wurde.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Können Sie auch einmal was über die anderen 98 Prozent sagen?)


Er ist eine tragende Säule unserer neuen Agrarpolitik. Da-
rüber hinaus ist der ökologische Landbau nachhaltig,
umweltgerecht und bietet den Agrarbetrieben sowie den
ländlichen Regionen auch langfristig neue Einkommens-
chancen und eine Existenzgrundlage.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)


Wir verfolgen das Ziel, den ökologischen Landbau in
zehn Jahren von jetzt 3,2 Prozent auf 20 Prozent der land-
wirtschaftlichen Fläche auszudehnen.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Na denn Prost! – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wo denn?)


Wir legen ein Bundesprogramm ökologischer Landbau
mit 35 Millionen Euro im Jahre 2002 auf.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Damit wollt ihr etwas bewegen, mit diesen 35 Millionen Euro?)


Dieses Programm soll entscheidende Impulse für den
Durchbruch des ökologischen Landbaus geben. Hierzu
sind vornehmlich Investitionen im Kopf notwendig, um
Barrieren abzubauen und den Blick für neue Chancen zu
eröffnen.


(Matthias Weisheit [SPD]: Das muss alles an die Opposition gehen!)


Deswegen gibt es Informations- und Beratungsangebote
im Internet, auf Messen, bei Multiplikatoren und in Se-
minaren, kurzum: auf breiter Front.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Daneben gilt es, Forschungslücken zu schließen, um die
Wettbewerbsfähigkeit als entscheidenden Faktor für Er-
folg auf den Märkten zu stärken.

Andere EU-Mitgliedsstaaten haben bereits in der Ver-
gangenheit gezeigt, dass mit einem gut abgestimmten Ak-
tionsprogramm eine deutliche und effiziente Verbreite-
rung des Marktanteils ökologischer Produkte erreicht
werden kann. Darum wollen wir dieses Bundesprogramm
auch 2003 fortführen.

All das Genannte ist ein Beleg dafür, dass Rot-Grün auf
dem richtigen Kurs ist. Diesen werden wir halten.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Behüte uns davor!)

Von der Opposition war hier wenig oder gar nichts
zu hören. Kurt Tucholsky sagte einmal sinngemäß: Alles
ist richtig, auchdasGegenteil.NurdieWorte „zwar ..., aber
...“ sind immer falsch. –MeineDamen undHerren von der
CDU/CSU-Fraktion, diese Worte sind Spiegelbild Ihres
Handelns. Sie haben weder Konzepte noch Alternativen,
um eineAgrarwende zu gestalten. Darum sindAgrar- und
Verbraucherpolitik bei uns auch in guten Händen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Da ist es schon mehr oder weniger peinlich, dass Sie
hier einen Antrag zur namentlichen Abstimmung stellen,
in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, rund
300 Millionen DM für ein Hilfsprogramm für BSE-
Folgekosten aufzulegen. Der CDU-Politiker Manfred
Rommel sagte einmal: Halb richtig ist meistens ganz
falsch. – Recht hat der Mann. Sie wollen nämlich mit
Ihrem zwielichtigen Antrag der Öffentlichkeit suggerie-
ren, dass der Bund hier vorrangig in der Pflicht stünde.
Dies lassen wir Ihnen so nicht durchgehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Iris Hoffmann (Wismar)

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Ich will Ihrem Gedächtnis gerne auf die Sprünge hel-
fen: Richtig ist nämlich, dass der Bund im Frühjahr über
900 Millionen DM zusätzlich für BSE-Kosten bereit-
gestellt hat. Die Länder, die zunächst orakelten, es werde
eine unübersehbare Kostenexplosion geben, mussten ihre
Kostenschätzungen im Laufe der Zeit immer weiter nach
unten korrigieren und lagen zum Schluss weit unter den
Ausgaben, die der Bund übernommen hat.

Es ist eine klare, verfassungsrechtlich zugewiesene
Aufgabe der Länder, über weitere Hilfsprogramme
entsprechend ihren finanziellen Spielräumen nach-
zudenken. Dies hat man offensichtlich in Bayern auch
getan. Ich erinnere an das zu Beginn des Jahres angekün-
digte 600-Millionen-DM-Programm „Verbraucherinitia-
tive Bayern für sichere Lebensmittel und gesunde
Landwirtschaft“. Dies war ohnehin weitgehend eine
Mogelpackung oder vielleicht auch der Versuch der Be-
seitigung von Sünden der Vergangenheit. Dieses Pro-
gramm wurde nunmehr einer Haushaltssperre unterzo-
gen, um die noch freien Mittel zur Stärkung der inneren
Sicherheit einzusetzen.

Ich kann sehr gut verstehen, wenn man sich bei der
Abwägung gegen das Interesse einzelner Gruppen, der
Bauern, und für das Gemeinwohl entscheidet. Dann
aber hier scheinheilig einen aussichtslosen Antrag auf Be-
reitstellung von Bundesmitteln für ein Notprogramm
zur namentlichen Abstimmung zu stellen ist schon
ein dreistes Stück aus dem bayerischen Komödianten-
stadl.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein Wort zur Gemeinschaftsaufgabe. Die Mittel für
die Gemeinschaftsaufgabe wurden mit 13 Millionen Euro
veranschlagt. Sie konnten gegenüber dem Regierungsent-
wurf um fast 31 Millionen Euro abgesenkt werden, weil
sich die Einführung der so genannten Modulation nach
den Verhandlungen mit den Bundesländern um ein Jahr
verzögert und nunmehr 2003 beginnen soll.

Gleichzeitig musste bei der Gemeinschaftsaufgabe
eine globale Minderausgabe von knapp 1 Millionen Euro
ausgebracht werden. Dies war notwendig geworden,
nachdem einige Bundesländer bei ihren Finanzbedarfsan-
meldungen nicht in der Lage waren, einen ihrem Schlüs-
sel entsprechenden Betrag anzumelden, um die bereitste-
henden Bundesmittel abzurufen.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Welche Länder waren das? – Gegenruf des Abg. Josef Hollerith [CDU/CSU]: Schleswig-Holstein und Niedersachsen waren das! SPD-regiert!)


– Gut gemerkt.

(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Statt über Bayern zu reden, reden Sie lieber über die!)


Nun möchte ich Ihren Blick auf die landwirtschaftli-
che Unfallversicherung lenken. Auch hier möchte
die CDU/CSU-Fraktion den Mittelansatz um 100 Milli-
onen Euro anheben. Das zeigt doch deutlich, dass Sie kon-

zeptionslos sind und überhaupt keine Antworten auf die
Fragen der Zeit haben. Martin Buber sagte einmal: Echte
Verantwortung gibt es nur da, wo es wirkliche Antworten
gibt. – Diese hat die rot-grüne Politik, aber nicht die
CDU/CSU.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zu Ihrer Regierungszeit haben Sie sich gerade bei der
landwirtschaftlichen Unfallversicherung stets in der
Flachwasserzone, im Nichtschwimmerbereich, bewegt.
Sie haben hier keine Reform, keine strukturelle Verände-
rung, nein, rein gar nichts zuwege gebracht.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Was? In welchem Land leben Sie denn?)


Wissen Sie, in der Realität ist es so, dass das Fahrwasser
mit roten und grünen Tonnen markiert ist, genauso wie
wir unsere Politik markieren. Aber schwarze und gelbe
Tonnen markieren gefährliche Untiefen, womit Sie sich
wieder in der Flachwasserzone bewegen. Sie haben das
Schwimmen nie gelernt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die landwirtschaftliche Unfallversicherung lässt sich
nämlich nicht durch unseriöse Mittelaufstockung struktu-
rell reformieren. In der nächsten Zeit erwarten wir das
versicherungsmathematische Gutachten, das uns zeigen
wird, in welcher Form und mit welchem finanziellen Auf-
wand die landwirtschaftliche Unfallversicherung modifi-
ziert fortgeführt werden kann.

Das ist solide Haushaltspolitik. Deshalb machen wir
Ihren Populismus nicht mit und lehnen Ihren Antrag
hierzu ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Rot-grüne Verbraucher- und Agrarpolitik hat gerade in
den diesjährigen Haushaltsberatungen deutlich gezeigt,
dass sie Verbraucher und Landwirte zusammenführt, zu-
kunftsorientiert investiert und die Agrarwende als einen
festen Bestandteil ihrer Politik sieht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420515100
Das Wort hat
jetzt der Herr Kollege Heinrich.


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1420515200
Frau Präsidentin! Meine lie-
ben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade gehört,
in welcher Form und welchem Umfang die Umschichtun-
gen im Haushalt erfolgen sollen. Offensichtlich wird hier
einseitig Politik gemacht. Man versucht, im Haushalt ein-
seitig den ökologischen Bereich in den Vordergrund zu
stellen.

Verehrte Frau Ministerin, wenn Sie schon keine Lust
haben, sich mit 97 Prozent der deutschen Landwirtschaft
auseinander zu setzen, dann hätte man wenigstens




Iris Hoffmann (Wismar)


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erwarten können, dass Sie sich als Verbraucherministerin
positiv betätigen. Aber auch da sind Sie eine Enttäu-
schung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie sind eine Enttäuschung für die Verbraucherin und den
Verbraucher, weil der Verbraucherschutz keineswegs bes-
ser geworden ist. Ihre Informationspolitik, die Sie als Ver-
braucherministerin machen müssen, ist nicht so, wie man
es zu erwarten müsste. In wichtigen Bereichen der Ver-
braucherinformation findet schlichtweg nichts statt,


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Josef Hollerith [CDU/CSU]: Nur Ökopropaganda!)


weder Verbraucherinformation zur Euroumstellung noch
Informationen zu den wichtigen Sozialgesetzen oder zum
Datenschutz. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind
enttäuscht.

Glauben Sie nicht, dass der Fleischskandal, der erst
letzte Woche öffentlich geworden ist, in Zusammenhang
mit 2 500 fehlenden Lebensmittelkontrolleuren zu brin-
gen ist?


(Beifall bei der FDP – Jella Teuchner [SPD]: Die fehlen aber nicht erst seit gestern!)


Ich sage Ihnen: Nicht nur die Verbraucherinnen und
Verbraucher sind enttäuscht, sondern auch die Verbrau-
cherverbände, Stiftung Warentest zum Beispiel. Deren
Mittel kürzen Sie um 1,5 Millionen.


(Jella Teuchner [SPD]: Was? Was soll das denn? – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind erhöht worden!)


Wir wollten ein Aufstocken der Mittel für die Stiftung Wa-
rentest, sodass die Stiftung unabhängig von der Politik
entscheiden kann, was mit den eigenen Einnahmen ge-
schehen soll. So verstehen wir Verbraucherpolitik. Sie
sollte nicht am Tropf der Politik hängen und darum bet-
teln müssen, dass Geld kommt. Das ist Ihr Versäumnis.


(Beifall bei der FDP – Zuruf von der SPD: Ist doch Quatsch! So ein Blödsinn!)


Ihr Verbraucherinformationsgesetz – es ist noch kein
Gesetz, Sie haben nur Eckwerte vorgelegt – ist eine reine
PR-Nummer.


(Zuruf von der CDU/CSU: Für den Wahlkampf!)


Sie arbeiten jetzt ein halbes Jahr daran und sind in der
Lage, nur Eckwerte vorzulegen. Sie planen, im nächsten
Frühjahr einen Gesetzentwurf vorzulegen, und bilden sich
ein, dass Sie das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode
verabschieden können. Der Bundesrat muss zustimmen.
Sie wissen ganz genau, dass Sie das nicht in der letzten
Sitzungswoche vor der Sommerpause hinbekommen.


(Beifall bei der FDP)

Das ist eine Enttäuschung der hohen Erwartungen, die Sie
geweckt haben.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das sind bewusste Erwartungen!)


Die Auswirkungen dieser Politik und der Umstruktu-
rierungen im Ministerium sind der Bevölkerung bisher
verborgen geblieben. Wir wissen nicht, was der ent-
sprechende Ansatz ist und wo Verbesserungen stattfinden
sollen.

Frau Künast, neben den Verbrauchern haben Sie auch
die Landwirte enttäuscht. Die Vernachlässigung und
Benachteiligung der konventionellen Landwirtschaft, die
international wettbewerbsfähig sein muss, ist offensicht-
lich. Sie führen einen ideologischen Stellungskrieg mit
der Begründung, dass eine Agrarwende notwendig sei.
Ihre Betrachtungsweise können wir nicht nachvollziehen;
denn die Marktanteile, die wir im Wettbewerb innerhalb
Europas verlieren, können wir nicht mehr zurückholen.
Das führt zur Existenzvernichtung. Frau Künast, Sie sind
nicht nur blind.


(Zurufe von der SPD: Was? – Was ist denn das für eine Rüpelhaftigkeit? – Das ist beleidigend! – Renate Künast, Bundesministerin: Ich sehe Sie!)


– Sie sehen mich.
Sie sind nicht nur blauäugig, sondern auch grünäugig.

(Zuruf von der SPD: Das wird ja immer poeti scher!)

Die so genannte Agrarwende hat bis jetzt zu 50 Prozent

aus der Ökokennzeichnung – das haben wir in den Dis-
kussionen hören können – und zu 50 Prozent aus der Le-
gehennenhaltungsverordnung bestanden. Mehr wurde
bisher nicht erreicht. Das Ökosiegel bleibt bezüglich des
Qualitätsstandards, der Dokumentationspflicht sowie der
Verbrauchersicherheit weit hinter dem Qualitätssiche-
rungszeichen zurück, das die Wirtschaft jetzt einführen
will. Sie orientieren sich an alten Instrumenten, die man
vor zehn Jahren diskutiert und eingeführt hat. Die moder-
nen Möglichkeiten der Datenerfassung und der Daten-
banken werden hier nicht genutzt. Die Weitergabe der
wichtigen Dokumentation zum Zwecke der Verbraucher-
sicherheit findet nicht statt.

Frau Künast, Sie schmücken sich mit dem Ökosiegel,
als wäre das ein Verdienst Ihrer Politik.


(Marita Sehn [FDP]: Nein, das ist es nicht!)

Ich sage Ihnen: 1994 ist auf europäischer Ebene entschie-
den worden, eine entsprechende Richtlinie für Pflanzen
einzuführen; 1999 geschah das für Fleisch. Sie wurde nur
in nationales Recht umgesetzt. Das einzige Verdienst von
Ihnen ist, dass Sie die Richtlinie umgesetzt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Inhaltlich haben Sie nichts dazu beigetragen.

Mit der Legehennenhaltungsverordnung, dem zwei-
ten Aushängeschild der Agrarwende, haben Sie einen Pyr-
rhussieg errungen. Ich kann Ihnen sagen: Keine einzige
Henne wird aus den zu engen Käfigen befreit werden. Die
Produktion geht ins Ausland und die Eier werden impor-
tiert. So wird hier Politik gemacht: Arbeitsplätze werden
exportiert und Nahrungsmittel importiert.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darüber müssen Sie selber noch Ulrich Heinrich 20294 einmal nachdenken!)





(C)


(D)


(A)


(B)

Ihre Aufgabe wäre es gewesen, sich sachlich zu infor-

mieren und Gesamtbilanzen aufzustellen. Man darf nicht
nur einseitig die Henne im Käfig betrachten, sondern es
sind weitere Faktoren zu berücksichtigen. Dies ist auf eu-
ropäischer Ebene auch geschehen. Dadurch kam man zu
dem Schluss, dass eine Weiterentwicklung des Käfigs er-
forderlich ist. Auch wir wollen nicht, dass es in Zukunft
noch enge Käfige gibt. Für die Maßnahmen auf europä-
ischer Ebene hat man als Enddatum das Jahr 2012 ge-
nannt; das war vernünftig und richtig. Parallel dazu soll
eine Alternative entwickelt werden.

Sehen Sie sich doch einmal in den Hennenhaltungsbe-
trieben um! Sie werden feststellen, dass diese Betriebe
entweder aufhören oder ins Ausland gehen. Das ist die
einzige Alternative, die ihnen bleibt. Im Übrigen erfüllen
Sie mit den Hennen, die in der von Ihnen propagierten al-
ternativen Form gehalten werden, den Anspruch, den Sie
reklamieren, überhaupt nicht.

Frau Künast hatte einmal einen Traum. Sie wollte die
Königin von Hennen werden. Diesen Traum hat sie sich
wohl erfüllt.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Sie gackert!)


Ich sage Ihnen aber: Die deutsche Landwirtschaft hat ei-
nen Albtraum. Sie hat den Albtraum, dass Sie in Deutsch-
land eine ökologische Museumslandwirtschaft einführen
wollen, dass der technische Fortschritt nicht genutzt wer-
den kann, was an vielen Stellen zu beweisen ist, und dass
sie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu den Un-
ternehmen sowohl in den außereuropäischen als auch in
den innereuropäischen Staaten extrem benachteiligt wird.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da schwillt einem ja der Hahnenkamm, wenn man so was hört! – Heiterkeit bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Künast, Ihre Agrarwende bedeutet für 3 Prozent
der Landwirte eine Begünstigung, zum Schaden der übri-
gen 97 Prozent. Die Umschichtungen haben dies deutlich
gemacht. Diese 3 Prozent der Landwirte wollen Ihre
Vergünstigungen aber noch nicht einmal, weil sie wissen,
dass Sie ihnen durch Ihr politisches Dazwischenpfuschen
in einem Markt, den sie sich selber geschaffen haben, die
Existenz erschweren und ihre Situation noch verschärfen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die geplanten Verordnungen zur Tierhaltung zum

Wohl der Tiere treiben die Landwirte in den Ruin. Die
Verschärfung der Bauvorschriften – das konnten wir
heute in der „Süddeutschen Zeitung“ lesen – wird eben-
falls dazu beitragen. Ich möchte Sie wirklich fragen:
Reicht Ihnen der Maßstab „GV pro Hektar“ eigentlich
nicht? Müssen Sie jetzt auch noch andere Maßstäbe he-
ranziehen? – Damit zerstören Sie weite Teile unserer auf
Veredelung angewiesenen Regionen und damit haben Sie
sich eigentlich überflüssig gemacht.


(Zuruf von der SPD: Sie aber auch!)


Schauen Sie sich einmal angesichts der Problematik
bei Rindfleisch die Preisentwicklung für das Fleisch von
Jungbullen an. Von 1998 bis 2000 – Stichwort: BSE – gin-
gen die Erzeugerpreise steil um 1,50 DM nach unten, er-
holten sich dann wieder etwas und stiegen um 50 Pfennig
an. Die Preise liegen jetzt auf einem niedrigeren Niveau,
meine Damen und Herren von der SPD, während die Ver-
braucherpreise gleichzeitig angestiegen sind. Das ist die
Situation, mit der unsere Bauern zu kämpfen haben. Dann
sollen sie auch noch mit einer zusätzlichen einseitigen
Verschärfung bezogen auf die Tierhaltung und die Pro-
duktionsmethoden belastet werden.

Natürlich ist mit dem Artikelgesetz einiges verschlech-
tert worden. Ferner bringen die Änderungen im Baurecht
weitere Verschlechterungen. Tatsache ist weiterhin: Tier-
fette dürfen im Ausland eingesetzt werden, in Deutsch-
land nicht.


(Heidemarie Wright [SPD]: Wollen Sie das?)

Wenn dann die Produkte importiert werden, weiß der Ver-
braucher nicht, wie das Tier gefüttert worden ist. Das
Gleiche gilt für Pflanzenschutzmittel. Es gibt eine lange
Liste mit einseitigen Erschwernissen, die die deutsche
Landwirtschaft hinnehmen muss und die es ihr im Wett-
bewerb unmöglich machen, den Herausforderungen des
Marktes in der Zukunft überhaupt noch gerecht werden zu
können.

Wir haben gerade auch vonseiten der SPD und den
Grünen von dem Abschluss der WTO-Ministerkonfe-
renz in Doha gehört. Sie wissen ganz genau, was dort
beschlossen worden ist, nämlich der Abbau der Export-
subventionen, eine Reduzierung des Außenschutzes
und eine Reduzierung der internen Stützungsmaßnah-
men auf die so genannte Greenbox. Sie wissen ganz ge-
nau, dass dies in der nächsten Verhandlungsrunde, das
heißt, in den nächsten drei Jahren, in Angriff genom-
men wird.

Wenn Sie die deutsche Landwirtschaft diesen ver-
schärften Bedingungen ausssetzen, wird sie im Wettbe-
werb nicht bestehen können.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Frau Künast, mit Ihrer Politik fahren Sie die Wettbe-
werbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft gegen die
Wand.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das sage ich nicht, weil ich als Oppositioneller eine Haus-
haltsrede halte, sondern weil ich jeden Tag bei den Land-
wirten bin und diese mir sagen: Wir wissen nicht mehr,
wohin die Reise geht.


(Beifall bei der FDPsowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ilse Janz [SPD]: Sie arbeiten hier im Bundestag! – Weitere Zurufe von der SPD)


Gehen Sie raus! Beschweren Sie sich jetzt über meine
Aussagen! Werden Sie bitte jetzt laut! Das hilft mir im
Wahlkampf, denn das zeigt, dass Sie von der Landwirt-
schaft keine Ahnung haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)





Ulrich Heinrich

20295


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420515300
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Uli Höfken.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420515400
Sehr
geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Frau Merkel hat neulich bei einer CDU-Versamm-
lung in Rheinland-Pfalz etwas Richtiges gesagt:


(Karsten Schönfeld [SPD]: Das kommt selten vor!)


Wer die Eier haben will, muss das Gegacker der Hennen
ertragen. – Von dem Kreischen der Hähne in der Oppo-
sition hat sie allerdings nichts gesagt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Was der Kollege Heinrich vorträgt, ist nichts anderes,
als eine Schlamm- und Abwehrschlacht gegen neue
Marktentwicklungen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich persönlich bedauere es sehr, dass die ökologischen
Produkte – Qualitätsprodukte, Spezialprodukte, die auf
dem deutschen Markt wirklich Chancen haben –, durch
die sich Einkommenschancen für die deutsche Land-
wirtschaft bieten, Zug um Zug in einer jetzt schon Wo-
chen andauernden Schlammschlacht schlecht gemacht
werden. Dabei ist zu verzeichnen, dass gerade diejenigen,
die in ihrer eigenen Regierungszeit von Salmonellen-
bekämpfung und Lebensmittelsicherheit nur wenig hören
wollten,


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Falsch!)

plötzlich im Zusammenhang mit ökologischen Lebens-
mitteln von Mykotoxinen und von unhygienischen Le-
bensmitteln reden. Auf einmal kommt Ihnen die Erkennt-
nis, dass dies ganz wesentlicher Bestandteil der
Agrarpolitik sein soll, womit sie jetzt wiederum gegen
den ökologischen Landbau vorgehen.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist eine Beleidigung!)


Kümmern Sie sich doch zum Beispiel einmal um Myko-
toxine im Kaffee oder um all die verfehlten Salmonellen-
bekämpfungsmaßnahmen, die Sie eben nicht durchge-
führt haben.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Wir kümmern uns um das, wofür wir zuständig sind!)


Ihr Verhalten ist reine Heuchelei!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ähnliches gilt für den Beirat. Ich kenne die Wissen-

schaftler nicht und kann über deren Qualifikation nichts
sagen. Ich denke aber, dass sich sowohl die Wissen-
schaftler als auch diejenigen, die bisher immer vertreten
haben, Deutschland sei BSE-frei, fragen sollten, ob sie
immer das Richtige getan haben und ob es jetzt, nachdem
sich alles dank der Politik der Bundesregierung wieder ein

bisschen beruhigt hat, angebracht ist, wieder den alten
Weg zu gehen, der vor der Wand endete.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Ulrich Heinrich [FDP]: Ihr wart ein aufgescheuchter Hühnerhaufen! – Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Du hast doch auch applaudiert, als Karl-Heinz Funke gesagt hat: Wir sind BSE-frei!)


Diese Bundesregierung hat den Spagat zwischen der
Krisenbewältigung auf der einen und der Beseitigung des
Reformstaus auf der anderen Seite geschafft. Sie hat sich
den neuen Herausforderungen gestellt, die da heißen:
Umstrukturierung des Landwirtschaftsministeriums zu
einem Ministerium für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft, Bewältigung der BSE-Krise sowie
Wiederherstellung der Verbrauchersicherheit und des Ver-
brauchervertrauens. Dies ist Frau Künast tatsächlich ge-
lungen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese neue Ausrichtung zeigt sich gerade in den Ein-
zelbereichen. Die Mittel für den Verbraucherschutz sind
insgesamt um 60 Prozent erhöht worden. Dies gilt auch
für die Verbraucherzentralen, die sehr zufrieden sind. So
hat es bei der Stiftung Warentest statt der Kürzung die
einmal im Raume stand, eine Erhöhung der Mittel von 5,6
auf 5,8 Millionen Euro gegeben. Im Übrigen ist es doch
nun wirklich egal, ob die Mittelerhöhung für die Stiftung
Warentest auf einer Erhöhung des Stammkapitals oder auf
entsprechend erhöhten Zuschüssen beruht.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Das ist ein großer Unterschied bei der Abhängigkeit!)


– Nein, es ist reine Traumtänzerei, davon zu sprechen,
130 Millionen oder gar 300 Millionen – Geld, das im Mo-
ment im Haushalt nicht vorhanden ist – dort hineinzu-
stecken. An der Qualität und der Unterstützung, der fakti-
schen Versorgung der Stiftung Warentest ändert das nicht
einen Deut.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch der Haushaltstitel für die Verbraucherberatung
ist deutlich aufgestockt worden. Erstmals können die Ver-
braucherzentralen auf einer guten Grundlage arbeiten, die
ihnen mehr Luft gibt. Ebenso sind die Mittel für die Ener-
gieberatung erhöht worden. Damit haben wir die entspre-
chenden Anforderungen erfüllt.

Ein anderer Punkt ist das Qualitätszeichen. Es ist ein
riesiger Fortschritt, dass man nun mit einem entsprechen-
den Biosiegel – das ist in den letzten zehn Jahren nicht zu-
stande gekommen – die entsprechende Verbraucherinfor-
mation leistet und Bewerbung ermöglichen kann. Das gibt
den richtigen Kick. Genau den wollten Sie nicht haben.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Sie werden gekickt! Das ist richtig!)


Auch das Qualitätszeichen für den konventionellen
Bereich steht vor der Vollendung. Hier sind Rückverfolg-






(C)



(D)



(A)



(B)


barkeit und Transparenz ein wichtiges Anliegen. Letzt-
endlich dienen diese Zeichen dazu, dass wir den Erzeu-
gern, die sich durch Qualitätsproduktion besonders her-
vortun, die Möglichkeit geben wollen, diese Produkte zu
bewerben, und sie dadurch unterstützen.


(Marita Sehn [FDP]: Aber Sie machen genau das Gegenteil!)


In dem Bereich der Unterstützung der konventionellen
Produktion geht es in erster Linie um die Wettbewerbs-
fähigkeit. Jeder, der sich einbildet, angesichts einer ver-
änderten Agenda 2000, nämlich der Agenda 2006, ange-
sichts der Osterweiterungen und WTO-Verhandlungen
könne man mit dem bisherigen Fördermodell weiterleben
wie bisher, ist blauäugig.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Deshalb bereiten wir die Landwirtschaft auf die Verän-
derungen durch die europäischen und internationalen
Fördervoraussetzungen vor. Wenn man das nicht täte,
würde man die Betriebe in die Situation bringen – in der
sie lange Zeit gewesen sind –, dass sie sich auf neue
Fördervoraussetzungen nicht einstellen können. Diese
neuen Fördervoraussetzungen – das weiß auch die Oppo-
sition – sehen nämlich Greenbox-fähige Maßnahmen und
Verordnungen zum ländlichen Raum vor. Darunter fallen
alle gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft:
Umwelt, Naturschutz, Arbeitsplätze und Qualität. Wir
müssen in diese Richtung gehen; sonst werden wir es
nicht schaffen, diese neuen Fördermöglichkeiten in
Deutschland überhaupt wahrzunehmen. Das ist ökono-
misch und betriebswirtschaftlich eine elementare Ver-
pflichtung, der sich die Bundesregierung stellt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deswegen hat es die Neuausrichtung der Gemeinschafts-
aufgabe gegeben. Sicherlich ist es so, dass sich auch die
Länder entsprechend beteiligen müssen.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Welche denn?)


Ich will noch etwas zur Modulation sagen. Das näm-
lich ist für mich der Gipfel der Heuchelei: Der Bauern-
verband hat sich zusammen mit CDU/CSU und FDP ge-
gen die Durchführung der Modulation gestellt und damit
die deutsche Landwirtschaft und die ländlichen Räume
um mindestens 100 Millionen in 2003 geprellt.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Man hätte wahrscheinlich sogar noch mehr Geld heraus-
holen können. Herr Eichel, die Bundesregierung und die
Länder waren bereit, ihren Anteil zu zahlen. Sie haben das
verhindert, weil Sie sich aus verbandsinternen Interessen
einer solchen Qualitätsproduktion nicht unterziehen wol-
len. Das finde ich eine unglaubliche Frechheit und ein
Vergehen an den landwirtschaftlichen Betrieben, die re-
gelrecht irregeführt worden sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Ausführung der Modulation wird so oder so kommen.
Sie wird obligatorisch werden. Es ist totaler Unsinn, sich
jetzt dagegen zu sperren und die ländlichen Räume um
dieses Geld regelrecht zu betrügen.

Ich will noch etwas zu nachwachsenden Rohstoffen
sagen. Immerhin – das haben Sie nicht gelobt, Herr Kol-
lege Hollerith – ist der Ansatz für das Marktanreizpro-
gramm um 100 Millionen erhöht worden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das hätte doch in Ihrer Rede an erster Stelle stehen müs-
sen. Selbstverständlich setzen wir uns dafür ein.

In der Rede von Herrn Hampel ist deutlich geworden,
dass die Landwirtschaft für Biomasse beantragte Gelder
tatsächlich bekommt. Dabei wird es hoffentlich bald zu
den entsprechenden Rahmenbedingungen kommen. Hier
teile ich im Übrigen ausnahmsweise Ihre Einschätzung
– aber wir in der Koalition setzen uns ohnehin dafür ein –:
Im Bereich der Wirtschaftspolitik ist Biomasse ein wun-
derbares Instrument, Investitionen in die ländlichen
Räume anzuregen und damit Wirtschaftskraft zu schaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Als Letztes will ich noch etwas sagen, was schon die
Kollegin Hoffmann betont hat: Wir haben es geschafft,
unter den schwierigen Bedingungen von Einsparungen in
diesem Haushalt, zum einen die Mittel zu erhöhen und
zum anderen die Erfüllung der Sozialaufgaben zu ge-
währleisten.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420515500
Frau Kollegin,
gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegen Hollerith
und Carstensen?


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420515600
Nein.

(Zurufe von der CDU/CSU)


– Sie wissen, welche Freude ich an Auseinandersetzungen
habe, aber jetzt möchte ich weiterreden.

Ich finde, es ist sehr verdienstvoll, dass sich diese Bun-
desregierung den erhöhten Anforderungen im Sozialbe-
reich stellt. Wir sollten uns gemeinsam an den Reformen,
die in diesem Bereich anstehen, beteiligen, um zu einer
Verbesserung zu kommen. Auf jeden Fall ist es wichtig,
festzustellen, dass die Versorgungsleistungen derjenigen,
die sich jetzt auf das Altenteil zurückziehen und An-
sprüche erheben, sicher sind; denn die notwendigen Mit-
tel stehen zur Verfügung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zum Schluss möchte ich noch auf etwas zu sprechen
kommen, was uns mit Verbitterung erfüllt. Wir haben mit
dazu beigetragen, dass die Verbraucher bereit sind, mehr
für landwirtschaftliche Produkte – beispielsweise für
Rindfleisch mehr als 10 Prozent – zu bezahlen.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Das ist widerlegt!)





Ulrike Höfken

20297


(C)



(D)



(A)



(B)


Aber es geht nicht an, dass die Erzeuger dennoch rund
20 Prozent weniger bekommen. Das wollen wir nicht mit-
machen. Diese unselige Preisspirale muss beendet wer-
den. Die Landwirte und der Bauernverband selbst müssen
sich genau dieser Herausforderung stellen und dafür
kämpfen, dass nicht immer die Landwirte das schwächste
Glied in der Kette sind. Wir werden sie dabei kräftig
unterstützen. Vielleicht sollten auch Sie sich dafür einset-
zen, dass die Rindfleisch produzierenden Betriebe von
den für die Modulation vorgesehenen Geldern profitieren
können.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420515700
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Kersten Naumann.


Kersten Naumann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1420515800
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Lieber Kollege Heinrich, ich hatte
während Ihrer Rede richtig Angst um Sie, weil Sie sich so
aufgeregt haben. Manche Probleme, auf die Sie hinge-
wiesen haben, verstehe ich zwar. Aber ich habe mit den
Konsequenzen, die Sie ziehen, ein paar Probleme.

Wenn ich in meiner Rede zur ersten Lesung den Land-
wirten noch wünschte, dass jedes Jahr ein Wahljahr sein
sollte, nehme ich das heute schnellstens zurück; denn
wieder einmal wurden die Landwirte von den Haushältern
der Koalition über den Tisch gezogen, weil der Agrar-
haushalt mit einer globalen Minderausgabe von 60 Milli-
onen Euro beschnitten werden soll. Während in der ersten
Lesung des Haushalts noch von einer Aufstockung des
Agrarhaushalts die Rede war, haben wir es jetzt mit einer
gravierenden Kürzung zu tun. So knauserig wie beim
Agrarhaushalt ist Hans Eichel freilich nicht, wenn es um
den Verteidigungshaushalt geht. Dort ist nicht Kleckern,
sondern Klotzen angesagt.


(Beifall bei der PDS)

Die Minderausgabe bedeutet für die Landwirte doch

nichts anderes, als dass die Bundesregierung die Zu-
schüsse bei den Modell- und Demonstrationsvorhaben,
beim Verbraucherschutz und bei der Gemeinschaftsauf-
gabe wieder wegnimmt, und das gleich mehrfach. Die
Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe liegen unter dem Ni-
veau von 2001. Der finanzielle Spielraum für eine
gestalterische Politik in den Ländern wird somit weiter
begrenzt. Doch damit nicht genug. Wohin die Reise geht,
kann man daran sehen, dass auch noch die Verpflich-
tungsermächtigungen in der Gemeinschaftsaufgabe um
20 Millionen Euro gekürzt wurden.

Es ist schon eine Meisterleistung der Verbiegung von
Demokratie, wenn der Entwurf des Einzelplans 10 unter
Voraussetzungen behandelt wurde: So stand die globale
Minderausgabe überhaupt noch nicht zur Debatte und
ahnte noch niemand, dass sich die Bundesregierung über
die Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses hin-
wegsetzen wird. Ich frage Sie, Frau Künast: Warum las-
sen Sie sich das gefallen? Oder halten Sie es lieber mit

Faust, getreu dem Motto: „Im Auslegen seid frisch und
munter, legt ihr’s nicht aus, dann legt was drunter.“

Die Landwirte durften schon 1999 mit einer globalen
Minderausgabe in Höhe von rund 90 Millionen DM
kämpfen. Damals protestierten die Bauern zuerst in Bonn
und später vor dem Brandenburger Tor. Sie werden auch
diesmal wieder enttäuscht sein, wenn die Bundesregie-
rung – notwendigerweise – die Alterssicherung erhöht,
aber gleichzeitig mit der globalen Minderausgabe hin-
tenrum die Hand aufhält. Die PDS fordert, die globale
Minderausgabe rückgängig zu machen.


(Beifall bei der PDS)

Wir fordern in unserem Antrag: Die Zuschüsse zur

landwirtschaftlichen Unfallversicherung sind auf 350Mil-
lionen Euro aufzustocken. Das soll eine Teilentlastung der
Landwirte bei den Beiträgen ermöglichen.


(Beifall bei der PDS)

Damit unterstützen wir das jahrelange gerechtfertigte Ver-
langen des Bauernverbandes nach gleichwertigen Bedin-
gungen bei der Unfallversicherung, wie sie im Handwerk
und für den Mittelstand üblich sind.

Darüber hinaus beinhaltet unser Antrag die Erhöhung
der Zuschüsse zur Förderung von Modell- und
Demonstrationsvorhaben auf insgesamt 25 Millionen
Euro. Die Vorhaben im Rahmen der „Arbeitsmarktpoliti-
schen Initiative“ des Verbraucherministeriums und die
vorgesehenen Pilotprojekte „Multifunktionale Landwirt-
schaft und ländliche Entwicklung“ erreichen die
Problemregionen im ländlichen Raum in einem zu gerin-
gen Maße. Die zusätzlichen Mittel müssen für eine breit
angelegte Arbeitsmarktpolitik eingesetzt werden, damit
die ländlichen Räume von dem im Koalitionsvertrag ver-
einbarten Bündnis für Arbeit profitieren und gewerbliche
Arbeitsplätze für aus der Landwirtschaft Ausscheidende
vor Ort geschaffen werden können.

Was nützen einzelbetriebliche Agrarkreditprogramme,
Investitionsförderprogramme, Modernisierung und Ra-
tionalisierung zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit,
wenn nicht gleichzeitig die dadurch freigesetzten Arbeits-
kräfte über andere Programme im ländlichen Raum abge-
fangen werden? Ziel der Gemeinschaftsaufgabe muss es
sein, das betriebliche Interesse an der Steigerung der Ef-
fektivität mit der Schaffung von Arbeitsplätzen im ländli-
chen Raum und einer nachhaltigen Produktion zu verbin-
den.


(Beifall bei der PDS)

Nun steht immer die Frage im Raum: Woher soll das

Geld kommen? Hier die Antwort: Schaut man sich die Be-
richte des Bundesrechnungshofs zur Steuerverschwen-
dung an, stellt man fest, dass offenbar genug Geld da ist –
so viel, wie die Landwirte in ihrem bescheidenen Dasein
gar nicht würden beanspruchen wollen.


(Beifall bei der PDS)

Aber das Geld ist in den falschen Händen und in den
falschen Kanälen.




Ulrike Höfken
20298


(C)



(D)



(A)



(B)


Dann sind da noch die nicht ausgeschöpften und rück-
fließenden Mittel aus Brüssel, sowohl die aus dem EU-
Agrarbudget als auch die unverbrauchten Mittel zur Be-
wältigung der BSE-Krise. Es sollten Möglichkeiten
gefunden werden, den Landwirten diese Mittel wieder zur
Verfügung zu stellen. Selbstverständlich sollte auch die
staatliche Unterstützung der durch BSE geschädigten Be-
triebe sein.


(Beifall bei der PDS)

Denn sie wurden durch eine unverantwortliche Politik ge-
schädigt, deren Drahtzieher, Lobbyisten und Vertuscher
keine Verantwortung übernehmen.

Das Herauskaufprogramm muss wohl als gescheitert
angesehen werden, weil den Bauern damit nicht wirklich
geholfen werden konnte. Höhere Verbraucherpreise für
Rindfleisch und Milchprodukte, vom Verbraucher hono-
riert und angenommen, kommen beim Landwirt nicht an.
Nur der Handel profitiert von der Krise und knebelt die
Bauern. Bauern und Verbraucher haben die Last der zu-
sätzlichen Kosten für Tests und für die Tiermehlentsor-
gung zu tragen.

Meine Damen und Herren, bei allen guten Ansätzen für
eine Agrarwende bleibt die Tatsache: Die Landwirtschaft
wird weiter liberalisiert, die Weltmärkte werden weiter
geöffnet, die Direktzahlungen werden weiter gekürzt, die
Alternativen im ländlichen Raum sind eher schmalbrüstig
und die Programme der Bundesregierung werden diesen
Prozess nicht aufhalten.

Mit ihrem Papier „Vertrauen durch Veränderung – Ar-
beitsplan nachhaltige Landwirtschaft“ betreibt die Bun-
desregierung wieder einmal Augenwischerei, wenn sie
schreibt: „Das Höfesterben und die schwindende Attrak-
tivität der Hofübernahme sollen teilweise aufgefangen
werden.“ Seit Jahren und Jahrzehnten haben wir es statt
einer Belebung der ländlichen Räume eher mit Höfester-
ben und dem Ausbluten der ländlichen Räume zu tun. Die
Menschen im ländlichen Raum werden zunehmend ab-
hängig von Modell- und Pilotprojekten, von Arbeitsbe-
schaffungs- und Strukturanpassungsmaßnahmen und von
EU-Fördertöpfen.

Die Bundesregierung tut sich leider schwer, Titel ein-
zustellen, die dauerhaft und grundsätzlich den Akteuren
im ländlichen Raum zur Verfügung stehen. Sie wären aber
dringend notwendig für ein breites Spektrum an Ar-
beitsplatzinitiativen, im Bereich der Finanzierung von
Umweltmaßnahmen, für die Förderung von Junglandwir-
ten, – und zwar ohne dass hohe bürokratische Hürden ge-
nommen werden müssen.


(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, der multifunktionale Cha-

rakter der Landwirtschaft wird in Papieren des Bundes
und der EU immer gern betont. Ein bisschen Urlaub auf
dem Bauernhof, ein bisschen Ausgleichszulage, ein biss-
chen Dorferneuerung und ein paar Modellprojekte ma-
chen aber noch nicht das Gleichgewicht zwischen ökono-
mischem, ökologischem und sozialem Anspruch aus.
Doch ländliche Entwicklung erfolgt nicht durch vorran-
gige Förderung der Wettbewerbsfähigkeit.

Wo ist denn die gesellschaftliche Honorierung der vie-
len externen Leistungen der Bauern, wie für Klima, Bo-
den, Landschaftspflege und Kulturtradition? Was wir
brauchen, ist eine Landwirtschaft, die auch künftig Ein-
kommen erwirtschaftet, und keine, an der einige wenige
Konzerne verdienen,


(Beifall bei der PDS)

und zwar Einkommen vorrangig aus den Produkten, die
die Landwirtschaft erwirtschaftet. Endlich müssen die
Verarbeitungsindustrie und der Handel mit ins Boot, wenn
es um agrarpolitische Maßnahmen geht.

DerVerbraucher ist gewillt – das besagen Studien –, ge-
sellschaftlich relevante undvon ihmgewollte sichtbare und
transparente Leistungen der Landwirte auch gesellschaft-
lich zu honorieren. Dazu muss allerdings die Agrar- und
Verbraucherschutzpolitik die Voraussetzungen schaffen.

Werte Frau Ministerin Künast, machen Sie sich mit Ih-
rer Politik die Landwirte endlich zu Ihren Partnern statt
wie bisher zu Ihren Gegnern! Dieser Haushalt ist jedoch
der falsche Weg.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420515900
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Jella Teuchner.


Jella Teuchner (SPD):
Rede ID: ID1420516000
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
legen! Liebe Kolleginnen! Die Definition von Verbrau-
cherschutz, wie sie in Art. 153 des Amsterdamer Vertra-
ges niedergeschrieben ist, lautet:

Zur Förderung der Interessen der Verbraucher und
zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus leis-
tet die Gemeinschaft einen Beitrag zum Schutz der
Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen
Interessen der Verbraucher sowie zur Förderung ih-
res Rechts auf Information, Erziehung und Bildung
von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen.

Diese Definition spiegelt sich im Haushalt 2002 wider.
Sie spiegelt sich auch in den für den Rest der Legislatur-
periode geplanten Initiativen wider. Leider findet sie sich
nicht in dem wieder, was die FDP uns hier vorgelegt hat.

Ziel der Schaffung des Bundesministeriums für Ver-
braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft war es
nicht, ein Ministerium für gesundheitlichen Verbraucher-
schutz zu schaffen; Ziel war es, dem gesamten Spektrum
des Verbraucherschutzes eine stärkere Position zu geben.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Den Beweis dafür sind Sie aber bisher schuldig geblieben!)


Dazu wurden auch die Zuständigkeiten des Wirtschafts-
ministeriums für den Verbraucherschutz auf das Ministe-
rium für Verbraucherschutz übertragen.

Wenn man, wie dies die FDP in der letzten Woche ge-
tan hat, wirtschaftlichen Verbraucherschutz lediglich
als Kostenfaktor für die Wirtschaft betrachtet,


(Marita Sehn [FDP]: Das ist doch Quatsch!)





Kersten Naumann

20299


(C)



(D)



(A)



(B)


dann wundert es mich allerdings nicht, wenn Sie ein we-
sentliches Aufgabengebiet des Verbraucherschutzes ein-
fach unter den Tisch fallen lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ulrich Heinrich [FDP]: Sie haben das nicht verstanden!)


Die Verbraucherinnen und Verbraucher sind am Markt
tendenziell in einer schlechteren Position als die Anbieter.
Dies müssen wir ausgleichen, wenn wir uns der sozialen
Marktwirtschaft verpflichtet fühlen. Das heißt zum einen,
dass wir Mindeststandards für die Produktqualität über
Haftungs- und Gewährleistungspflichten sicherstellen
müssen.

Mit der Schuldrechtsmodernisierung, mit der die Ge-
währleistungsfristen verlängert wurden, haben wir den
Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit ge-
geben, ihr Recht auf mangelfreie Produkte besser durchzu-
setzen. Ich hoffe, Sie sehen denAnspruch auf mangelfreie
Produkte nicht wieder als einen reinen Kostenfaktor an.

Wirtschaftlicher Verbraucherschutz heißt zum ande-
ren, den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Infor-
mation zu geben, die sie für bewusste Kaufentscheidun-
gen brauchen, um ihnen die notwendigen Mittel an die
Hand zu geben, ihre Rechte auch durchzusetzen.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Dann helfen Sie doch mit, das unabhängig zu machen!)


Mit dem Haushalt 2002 setzen wir hierfür wichtige Im-
pulse. Die Mittel für die Verbraucherpolitik steigen von
21,4 Millionen Euro auf 33,2 Millionen Euro. Das ent-
spricht einem Anstieg um 55 Prozent.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Mittelansatz für die Verbraucherinformation im Ein-
zelplan 10 steigt von 9,3 Millionen Euro auf 11,6 Milli-
onen Euro.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Das ist doch kein Anstieg! Sie haben doch wesentlich mehr Aufgaben übernommen!)


– Das haben Sie so nicht richtig verstanden.
Im Einzelplan 09 stehen damit ausreichend Mittel für

die Energieberatung der Verbraucherzentralen bereit.

(Marita Sehn [FDP]: Seien Sie doch mal ganz ehrlich!)

Der Informationsbedarf der Verbraucherinnen und

Verbraucher wird auch in Zukunft steigen. Der elektroni-
sche Handel bringt genauso wie die private Altersvor-
sorge neuen Beratungsbedarf. Dem begegnen wir, indem
wir die Verbraucherberatung stärken und sie zu einem
wirksamen Gegengewicht zur Werbung der Anbieter ma-
chen. Unabhängige Informationen versetzen die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher in die Lage, bewusste Kauf-
entscheidungen zu treffen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was ist daran unabhängig?)


Wir stärken gleichzeitig die Verbraucherverbände, damit
sie eine wirksame Interessenvertretung für die Verbrau-
cherinnen und Verbraucher gewährleisten können.

Die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Renate
Künast, hat letzte Woche Eckpunkte für ein Verbraucher-
informationsgesetz vorgestellt.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Mit Eckpunkten hat sie es!)


Ich begrüße diese Initiative.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Warum sollen verbraucherrelevante Informationen, die
bei Behörden vorliegen, nicht zugänglich sein? Warum
sollen Allergiker Inhaltsstoffe nicht erfahren dürfen?


(Ulrich Heinrich [FDP]: Wenn wir das alles so genau wissen, warum habt ihr das Gesetz dann noch nicht vorgelegt? – Gegenruf der Abg. Ilse Janz [SPD]: Alter Nörgelfritze! Furchtbar!)


Wollen Sie denn nicht auch wissen, ob Sie mit hydroli-
sierter Gelatine gestreckten Schinken gegessen haben?

Wir wollen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher
ihre Kaufentscheidungen bewusst treffen können.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Wir auch! – Marita Sehn [FDP]: Das machen die auch schon!)


Das heißt, dass sie Zugang zu den dafür notwendigen In-
formationen brauchen.


(Zuruf des Abg. Ulrich Heinrich [FDP])

– Sie haben es in Ihrer Rede vorhin aber bemängelt. – Mit
dem Verbraucherinformationsgesetz schaffen wir die Vo-
raussetzungen dafür.

Wenn wir eine Schlichtungsinstanz schaffen, die bei
Streitigkeiten um die Informationspflichten vermittelt,
dann werden die Interessen von Anbietern und Konsu-
menten ausgewogen berücksichtigt werden.

Verbraucherschutz ist aber mehr als der Schutz der Ge-
sundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ich kann
daher nicht nachvollziehen, warum man – wie im Antrag
auf Drucksache 14/7684 gefordert – die Bündelung der
Kompetenzen für den Verbraucherschutz wieder zurück-
nehmen soll. Im Gegenteil: Das Bundesministerium für
Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft wird
in der Bundesregierung weiterhin – in Zukunft noch ver-
stärkt – die Interessen der Verbraucherinnen und Verbrau-
cher bündeln.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um dies zu erreichen, sollten wir die Einführung eines
jährlichen Berichtes zur Verbraucherpolitik prüfen. Res-
sortübergreifend sollten die Probleme der Verbraucherin-
nen und Verbraucher beschrieben und sollten vor allem
auch Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Auch
eine Stärkung des Verbraucherschutzes in der Geschäfts-
ordnung der Bundesregierung wäre denkbar: ein Initi-
ativrecht für das Verbraucherschutzministerium bei




Jella Teuchner
20300


(C)



(D)



(A)



(B)


Angelegenheiten anderer Ressorts, wenn sie Verbraucher-
fragen betreffen, oder die Verpflichtung, bei Gesetzent-
würfen in der Begründung die Auswirkungen auf den
Verbraucherschutz darzulegen.

Der Verbraucherschutz ist im letzten Jahr deutlich ge-
stärkt worden. Die dafür bereitgestellten Mittel steigen
um 55 Prozent. Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass
Anbieter und Konsumenten auf gleicher Augenhöhe
miteinander handeln. Mit dem Verbraucherschutzministe-
rium, das für den gesundheitlichen und den wirtschaftli-
chen Verbraucherschutz zuständig ist, leisten wir einen
weiteren Beitrag. Dies ist notwendig. Vor allem wird dies
auch in der Zukunft notwendig sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420516100
Das Wort hat
jetzt der Herr Abgeordnete Ronsöhr.


Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU):
Rede ID: ID1420516200
Frau Prä-
sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor
einem Jahr hat man in der Bundesrepublik Deutschland
den ersten BSE-Fall – so muss man ja formulieren – ent-
deckt. Wir haben daraus einige Konsequenzen gezogen,
aus meiner Sicht sehr richtige Konsequenzen, die noch
unter der früheren Gesundheitsministerin, Frau Fischer,


(Beifall der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


und unter dem früheren Landwirtschaftsminister, Herrn
Funke,


(Beifall des Abg. Karsten Schönfeld [SPD])

eingeleitet wurden. Seitdem ist es um das Ziehen von
Konsequenzen aus den BSE-Fällen in Deutschland sehr
ruhig geworden.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Ich war neulich in einem Institut, das BSE-Tests am le-

benden Tier entwickelt. Ich habe mich in dem Institut, ei-
nem sehr renommierten deutschen Institut, danach erkun-
digt, ob man dort die notwendige politische Unterstützung
hat. Das haben die Wissenschaftler eindeutig verneint.


(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Diese Unterstützung gibt es nicht, obwohl doch der BSE-
Test am lebenden Tier ein gewaltiger Fortschritt für den
Verbraucher und für den Landwirt in der Bundesrepublik
Deutschland wäre.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt gar nicht!)


Wir haben im Zusammenhang mit den gesetzlichen
Maßnahmen zur Bekämpfung von BSE eine Verordnung
erlassen,


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Innerhalb einer Woche wurde das durchgepeitscht! – Ulrich Heinrich [FDP]: Das war dieses Panikgesetz!)


mit der man den „Tiermehltourismus“ nach Deutschland
untersagen könnte. Bis heute hat die Bundesministerin für
Verbraucherschutz noch nicht gehandelt,


(Beifall bei der CDU/CSU)

obwohl die Grünen mehrmals angekündigt haben, dass
man handeln will. Ich kann ja einmal die Protokolle aus
dem Ausschuss zur Verfügung stellen.

Meine Damen und Herren, so geht es doch weiter. Seit
diesem Zeitpunkt sind praktisch keine Konsequenzen
mehr gezogen worden. Offensichtlich ist es so, dass die
Grünen Krisen instrumentalisieren, aber nichts zur Lö-
sung der Krisen beitragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Sozialdemokraten begleiten das mit einer Politik der
ruhigen Hand. Das tun sie nicht nur hier. Wenn wir über
Verbraucherschutz reden, messen wir den Verbraucher-
schutz bitte immer mit dem, was wir konkret tun. Verbrau-
cherschutz, der nicht konkret und unbequem ist, ist keiner.

Es geht auch bei der Landwirtschaft so. Aus der BSE-
Krise heraus wird jetzt immer wieder etwas entwickelt.
Neulich hat ein nordrhein-westfälischer Abgeordneter der
SPD einmal etwas sehr Interessantes gesagt. Er hat gefor-
dert, man möge die westfälische Landwirtschaft retten.
Vor wem eigentlich? – Vor Frau Höhn und Herrn Clement,
vor Frau Künast und Herrn Schröder, vor niemand anders,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich finde es schon eigenartig, dass man erst die nordrhein-
westfälische Landwirtschaft in einen Abgrund stößt und
sich dann als Sanitäter bezeichnet.

Es ist wichtig, dass wir endlich wieder zur Verlässlich-
keit der Rahmenbedingungen in der Landwirtschaft bei-
tragen und vernünftige Rahmenbedingungen entwickeln.
Dann muss der Abgeordnete Scholz von der SPD die
Landwirtschaft in Westfalen vor niemandem retten, weil
sie sich selbst entwickeln wird. Das ist das Entscheidende
und hierauf setzen die Landwirte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Landwirte wollen, dass ein Dialog mit ihnen be-

gonnen wird, aber die Ministerin verweigert den Dialog
mit der Landwirtschaft.


(Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Den hat es noch nie gegeben!)


Man stelle sich einmal vor, in der Wirtschaft würde je-
mand den Dialog mit den Unternehmen und mit den Ge-
werkschaften verweigern und dann über die Gestaltung
von Wirtschaftspolitik reden. Wir würden den alle nicht
ernst nehmen. Leider muss man Frau Künast ernst neh-
men, weil sie die Rahmenbedingungen für die deutsche
Landwirtschaft ständig verschlechtert.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Weil sie zuviel Unheil anrichtet!)


Frau Künast ist eine große Agrarlobbyistin, aber leider für
die ausländische Agrarproduktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Rudolf Bindig [SPD]: Nun brüllen Sie doch nicht so!)





Jella Teuchner

20301


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Das ist doch selbst beim Ökolandbau der Fall. Zwar
werden die Subventionen für den Ökolandbau dramatisch
und drastisch erhöht – das ist richtig –, aber auf der ande-
ren Seite begünstigt Frau Künast eine Politik des Preis-
dumpings bei den Ökoprodukten. Damit nimmt sie den
Ökobauern das wieder weg, was sie ihnen auf der Sub-
ventionsseite gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist eine Tatsache, mit der wir uns auseinander zu set-
zen haben. Das halte ich für wichtig.

Die Agrarpolitik von Frau Künast, der SPD und den
Grünen trägt dazu bei, dass die wirtschaftliche Entwick-
lung in Deutschland ständig zusätzlich geschwächt wird.
Die ländlichen Räume können sich mit dieser agrarpoliti-
schen Konzeption nicht so entwickeln, wie sie sich auf-
grund der Voraussetzungen, die Landwirte in Deutschland
bieten, eigentlich entwickeln müssten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch der SPD)


– Natürlich ist das so. – Ihnen als Sozialdemokraten will
ich wenigstens Folgendes sagen: Herr Müntefering hat in
der „Stuttgarter Zeitung“ gefordert, dass die Sozialdemo-
kraten sich von der Agrarpolitik von Frau Künast abkeh-
ren. Das hat er natürlich getan, damit die Bauern in dieser
Republik es lesen, aber die Sozialdemokraten bleiben hin-
ter der Forderung von Herrn Müntefering zurück. Das ist
die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Handeln Sie doch einmal so, wie Sie es ankündigen! Wür-
den Sie so handeln, wäre die Agrarpolitik besser gestellt.
Die Landwirte in dieser Nation empfinden Frau Künast
inzwischen als die eigentliche Belastung in der Agrar-
politik.


(Rudolf Bindig [SPD]: Wer schreit, hat Unrecht!)


Es geht manchmal gar nicht mehr

(Ilse Janz [SPD]: Geht es gar nicht um den Haushalt?)

um Haushaltsansätze. Es geht vielmehr darum, dass Frau
Künast eine grundsätzlich verkehrte Entwicklungskon-
zeption für die ländlichen Räume und für die Agrarpolitik
in Deutschland hat. Damit ist ein ganz schmerzlicher Pro-
zess verbunden.

Jetzt sagen Sie, wir sollten die 300 Millionen für die
Rinder mästenden Landwirte nicht beantragen. Die Preise
sind hier aber nach wie vor am Boden.


(UlrikeHöfken [BÜNDNIS90/DIEGRÜNEN]: Hätten Sie doch kriegen können über die Modulation!)


– Ich möchte einmal eines sagen: Frau Höfken hat in
ihrer Rede eben zum wiederholten Male gesagt, die Grü-
nen und die SPD trügen im Grunde genommen dazu bei,
dass die zweite Säule in der Agrarpolitik ausgebaut
wird. Nur, wenn Sie sich anschauen, wer die zweite Säule
in der Agrarpolitik zurzeit finanziert, dann werden Sie

feststellen, dass es sich um Baden-Württemberg, um Bay-
ern, um Thüringen und um Sachsen handelt. Das sind al-
les unionsregierte Länder.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Anstatt hier immer wieder von uns zu fordern, dazu

beizutragen, die zweite Säule in der Agrarpolitik auszu-
bauen, sollten Sie in rot-grün und rot regierten Ländern
Ihre Schularbeiten machen. Wenn Sie das getan haben,
werden Sie glaubwürdig und wir sprechen gemeinsam
über den Ausbau der zweiten Säule.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch die Agrarfinanzierung gefordert!)


Sie haben die Agrarumweltprogramme zunichte gemacht.
Sie haben bisher keine Agrarumweltprogramme ent-
wickelt. Belehren Sie uns nicht, wenn Sie sich selbst be-
lehren müssen, Frau Höfken. Diese Wahrheit muss auch
in diesem Hause einmal ausgesprochen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nehmen Sie sich an Bayern, an Baden-Württemberg und
an anderen ein Beispiel!

Ich will noch etwas zu den 300 Millionen sagen. Ich
finde es ganz schlimm, dass man für Holzmann 300 Mil-
lionen zur Verfügung gestellt hat, sich aber bei der Land-
wirtschaft ständig auf einen Holzweg begibt und ihr die-
jenigen Hilfen verweigert, die man anderen zu geben
bereit ist. Die Rindermäster stehen nach wie vor mit dem
Rücken zur Wand. Sie hätten es verdient, dass die Politik
handelt. Übrigens, alle SPD-regierten Bundesländer stim-
men mit uns in dieser Frage überein. Auch sie sind der
Auffassung: Frau Künast und die Bundesregierung sollten
endlich handeln.

Der Bundeskanzler hat einmal davon gesprochen, dass
es kein Recht auf Faulheit gibt. Wenn dem so ist, dann be-
fleißigen Sie sich bitte auch, was die Hilfen für die Rin-
dermäster in der Bundesrepublik Deutschland angeht. Ich
finde es schmählich, die Rindermäster im Regen stehen zu
lassen und die Bauern auch noch zu beschimpfen, wie das
teilweise bei Herrn Schröder und manchmal bei Frau
Künast der Fall ist. Dieser ungerechten Politik von Ihnen
sagen wir den Kampf an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans Forster [SPD]: Jetzt haben wir aber Angst, Herr Ronsöhr!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420516300
Das Wort hat
jetzt die Bundesministerin Renate Künast.

Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft: Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab auf
zwei vorherige Redebeiträge eingehen.

Herr Ronsöhr, Sie haben in Ihrem Redebeitrag gesagt:
Ein Verbraucherschutz, der nicht unbequem ist, ist keiner.
Ihrem Redebeitrag habe ich entnommen: Ich bin unbe-




Heinrich-Wilhelm Ronsöhr
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quem. Anders ist das Engagement, das Sie in Ihrer Rede
an den Tag gelegt haben, nicht zu erklären.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Ich habe gesagt, wo Sie Defizite haben!)


– Was ich Ihnen sage, müssen Sie schon annehmen. Ir-
gendwo schließt sich der Kreis Ihrer Argumentation.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Nicht alles, was unbequem ist, ist Verbraucherschutz!)


Ich möchte etwas zu dem Teil Ihres Redebeitrags, Herr
Ronsöhr, sagen, in dem Sie auf Tiermehl und Tourismus
eingegangen sind. Wir haben innerhalb der EU die höchs-
ten Vernichtungskapazitäten, um das Tiermehl unschäd-
lich zu machen. Möchten Sie, dass wir aufhören, Tiermehl
aufzukaufen, um es hier zu vernichten? Möchten Sie, dass
das alte Tiermehl im EU-Binnenmarkt herumgefahren
wird, sodass man nicht weiß, ob es vielleicht verfüttert
wird? Ich glaube, die Antwort ist Nein.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Was geschieht denn dann damit?)


Herr Hollerith, sind Sie nunmehr zu einem Unterstüt-
zer der Ökosteuer mutiert? Sie können nicht für die wei-
tere Finanzierung von Biomasse eintreten, ohne gleich-
zeitig zu sagen – in Ihrem Redebeitrag haben Sie dieses
Thema getrennt behandelt –, dass Sie sämtliche Aktivitä-
ten im Bereich Biomasse, die durch die Einnahmen aus
der Ökosteuer finanziert werden, ebenfalls gutheißen. Nur
eines von beiden geht, Herr Hollerith. Sie haben es vorher
nicht verstanden, dort entsprechend zu fördern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr!)


Sie haben nette Ausführungen zu den von mir vorge-
nommenen Änderungen beim Wissenschaftlichen Bei-
rat gemacht. Wissen Sie, um Sie auch damit zu erfreuen:
Der alte Beirat ist 1996 von einem meiner Vorgänger
handverlesen installiert worden und bestand nur aus
Agrarökonomen. Das habe ich bis heute nicht verstanden.
Ich habe versucht, einen Teil des Gremiums neu zu beset-
zen; alle bis auf einen aus diesem Wissenschaftlichen Bei-
rat haben gesagt: Wir räumen unseren Posten; besetzen
Sie neu. Der Einzige, der sich öffentlich beschwert hat,
war Professor Schmitz von der Universität Gießen. Ich
kann Ihnen nicht ersparen, über ihn eine nette Anekdote
zu erzählen. Er hat vor einer Woche ein Gutachten dazu
vorgestellt, wie negativ der Einfluss wäre, wenn die deut-
sche Landwirtschaft von heute auf morgen 75 Prozent we-
niger Pflanzenschutzmittel einsetzen würde. Einige Jour-
nalisten, die zugehört hatten und dann im Detail
nachfragten, waren sehr verwundert, weil Professor
Schmitz, nachdem er lange beschrieben hatte, wie
schwierig alles für die Landwirtschaft werden würde, auf
die Frage: „Will das denn jemand?“ antwortete: Nein. –
So viel zum Thema Wissenschaftlicher Beirat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Das ist aber eine schwache Argumentation!)


– Nein, das ist keine schwache Argumentation, das ist nur
der Versuch, Ihnen etwas Humor beizubringen. Manches
wird nicht so heiß gegessen, wie es von einigen gekocht
wird. Eigentlich dachte ich, dass zumindest der Aus-
schussvorsitzende über viel Humor verfügt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Bei Ihnen hat man immer den Eindruck, dass Sie, wenn Sie mittags Eisbein essen, sich abends als Lammhaxe bezeichnen!)


– Jetzt übernehmen Sie nicht die Witze vom SPD-Minis-
ter a. D. Funke. Den mit dem Eisbein haben Sie gerade
funktionalisiert. Übrigens kenne ich den auch schon.

Wenn wir uns anschauen, meine Damen und Herren,
was in diesem Haushalt vorliegt, müssen wir zu dem
Schluss kommen, dass entscheidende Weichen für den
Verbraucherschutz neu gestellt wurden. Wir sind den
Anforderungen der Verbraucher nachgekommen, Klarheit
und Sicherheit in die Lebensmittelproduktion hereinzu-
bringen, indem wir sie auf neue Füße gestellt haben.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wo denn?)

Das heißt: Wir bringen die Landwirtschaft besser mit Um-
welt-, Natur- und Tierschutz in Einklang und eröffnen da-
mit neue Perspektiven für die Landwirte und die länd-
lichen Räume. Schade, dass das nicht schon früher
passiert ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulrich Heinrich [FDP]: Wo sind denn da die Perspektiven?)


Wir richten die Landwirtschaft neu an den globalen
Rahmenbedingungen aus, die uns in Form von Globali-
sierung, WTO-Runden und Erweiterung der Europä-
ischen Union gegenübertreten. Der Sachverständigenrat
zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick-
lung, von dem Sie gerne ein Lob für Ihre Ideen hätten, hat
– das ist insbesondere für die FDP interessant; da wird sie
wieder zittern und sich darüber ärgern – unserer Politik
ein gutes Zeugnis ausgestellt. Die so genannten fünf Wei-
sen haben gesagt, dass wir mit der neuen Verbraucher-
und Agrarpolitik auf dem richtigen Weg sind. Sie haben
gesagt, unsere Maßnahmen seien prinzipiell geeignet,
verloren gegangenes Vertrauen in Landwirtschaft und
Agrarpolitik wieder herzustellen.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Die sind genauso wenig sachverständig wie Sie!)


Ich bin stolz auf diesen Satz, Herr Ronsöhr und Herr
Heinrich, und zwar darum, weil es das erste Mal ist – Sie
können die ganzen letzten Jahrzehnte durchgehen –, dass
in einem Papier, basierend auf der Wirtschaftskompetenz
der fünf Weisen, die Agrar- und Verbraucherschutzpolitik
gelobt wird. Das haben Sie während Ihrer Regierungszeit
nie erreicht. Dass Sie da nervös werden, verstehe ich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Ulrich Heinrich [FDP]: Ich werde überhaupt nicht nervös! BSE ist eine ganz neue Sache!)





Bundesministerin Renate Künast

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Wir holen nun die Defizite der alten Agrarpolitik auf,
die jahrzehntelang in die falsche Richtung gegangen ist.
Wir sorgen für Qualität und dafür, dass auch die deutsche
Landwirtschaft von dem weltweit boomenden Ökomarkt
profitiert und nicht, wie in den vergangenen Jahrzehnten,
dieses den Dänen und den Niederländern überlassen wird.
Selbst das Fleischerhandwerk – mit dem sprach ich heute
früh – macht jetzt eine große Kampagne für Bioprodukte.
Man sagte mir dort, dass man daran bereits verdiene.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Fleischer verdienen an allem!)


Wir rühren nicht, anders als Herr Ronsöhr, konzepti-
onslos in der Politik herum, sondern stellen sie so ein, dass
sie durch Expansion die Absatzmöglichkeiten auf dem
Weltmarkt nutzen kann.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Lassen Sie das der Wirtschaft und fummeln Sie nicht herein!)


Wir denken dabei insbesondere daran, dass die Steuer-
zahler Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz sehen wol-
len und nicht, wie ihre hart erarbeiteten Steuergelder im
Nachhinein für die Beseitigung von Umweltfolgen ver-
wendet werden müssen. Der Haushaltsentwurf für das
nächste Jahr trägt deshalb


(Abg. Ulrich Heinrich [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– nein, Herr Heinrich, lasse ich nicht zu, ich habe zu we-
nig Zeit – die Handschrift „Weg in die Zukunft“.

Aufgrund einer jahrzehntelang falschen Politik kam auf
uns die BSE-Problematik zu; nun wird neu organisiert.
Sie selbst haben in einigen Redebeiträgen schon gesagt,
was dazugehört, und zwar das Bundesamt für Lebensmit-
telsicherheit.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Haben Sie das wissenschaftlich-fachlich geprüft?)


Dazu werden wir ab Anfang des Jahres mit dem Aufbau
beginnen. Wir richten außerdem ein Bundesinstitut für Ri-
sikobewertung ein, in dem Wissenschaftler wirklich un-
abhängig arbeiten können.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir beantragen in Bayern Forschungsmittel!)


– Ach, wissen Sie, wir leben im Föderalismus. Darauf
sind die Bayern immer stolz und sind beinhart, wenn ih-
nen irgendjemand Kompetenzen wegnehmen will. Zum
Föderalismus gehört auch die andere Seite, dass man
nämlich aus seinem Landeshaushalt auch einmal Geld zur
Verfügung stellt, und das ist gut so.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Reinhard Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Das ist wohl ein Berliner Leitspruch, was?)


Das werden Sie wohl nicht kritisieren wollen.
Wir meinen, es gehört mehr dazu. Dazu gehört auch,

dass Verbraucher nicht nur passiv vom Staat geschützt
werden, sondern dass sie selber Werkzeuge bzw. Instru-
mente in die Hand bekommen. Deshalb bringen wir ein
Verbraucherinformationsgesetz auf den Weg.

Nun werden Sie sicherlich verstehen, dass ich nicht das
Gesetz, sondern nur Eckpunkte des Gesetzes vorstelle.
Der Gesetzentwurf ist aber fertig, Herr Heinrich. Auch in-
sofern kann ich Sie beruhigen. Normalerweise geht man
damit in die Abstimmung und nicht vor die Bundespres-
sekonferenz. Das läuft und bewegt sich also. Ich verstehe
allerdings, dass sich die FDP, die früher einmal für Bür-
ger- und Menschenrechte eintrat, darüber ärgert, dass sie
die Verbraucher als Rechtsträger und als Faktor in der
Wirtschaftspolitik nicht erkannt hat. Sonst hätten wir ein
solches Gesetz schon seit Jahrzehnten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Nun kommt es aber: Wir statten den Bundesverband
Verbraucherzentrale in diesem Bereich mit mehr Geld
aus. An institutioneller Förderung werden 8,75 Milli-
onen Euro zur Verfügung gestellt. Ich weiß gar nicht, was
Sie immer erzählen. Das Gespräch mit Edda Müller vor
einigen Tagen hat dazu geführt, dass wir gemeinsame Pro-
jekte planen. Dissens habe ich wenig gesehen.

Wir wollen auch über das Stichwort Verbraucherschutz
etwas für die Landwirtschaft tun. Produktion hat keinen
Selbstzweck, sondern Produktion hat immer den Zweck,
dass das betreffende Produkt von jemandem konsumiert
wird. Deshalb müssen wir auf den Verbraucher abstellen.
Daher wird auch ein respektvoller, verantwortungsvoller
Umgang mit Blick auf die Verbraucher das sein, was Zu-
kunftsperspektiven für die Landwirtschaft schafft. Dazu
gehört aus unserer Sicht auch der respektvolle Umgang
mit Nutztieren. Dies haben wir als Erstes bei der Hen-
nenhaltungsverordnung wahr gemacht.

Herr Heinrich, Sie tun so, als gäbe es eine Art Stand-
ortpflicht für die Legehenne. Als Sie geredet haben, haben
Sie sich irgendwie im Thema vertan. Sie hatten jahrzehn-
telang die Möglichkeit, mit Ihren ungeheuren wirtschaft-
lichen Kompetenzen dafür Sorge zu tragen, dass die
großen, zum Teil Millionen von Legehennen haltenden
Betriebe nicht abwandern. Es war zu Ihrer Zeit, als die
großen Unternehmer nach Tschechien gegangen sind, wo
sie kurz hinter der Grenze Betriebe mit bis zu 1,8 Milli-
onen Hennen gegründet haben. Es war zu Ihrer Zeit, als
man es nicht geschafft hat, die Wirtschaft dazu zu bringen,
statt mit „Billig, billig“ für Qualität „Made in Germany“
zu werben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In diesem Bereich steuern wir jetzt systematisch um.
Deshalb sorgen wir dafür, dass der Umgang mit den Le-
gehennen in dieser Art und Weise ein Ende findet. Ich
weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich bin christlich erzogen.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Deswegen sind Sie auch dafür, dass terroristische Vereinigungen weiter agieren können!)


Deshalb gibt es für mich einen Punkt, an dem ich sage: Da
hört es auf! Da ist ein Umgang mit dem Mitgeschöpf Tier
nicht mehr zu verantworten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesministerin Renate Künast
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(C)



(D)



(A)



(B)


Diese Umgestaltung verbinden wir mit einer finanziellen
Absicherung. Deshalb haben wir das „Bundesprogramm
tiergerechte Haltungsverfahren“ aufgelegt, mit dem wir
über die Landwirtschaftliche Rentenbank günstige Kre-
dite installieren. Selbst der Deutsche Bauernverband hat
erkannt, dass darin für die bäuerliche Landwirtschaft un-
geheure Chancen liegen.

Im Bereich Qualitätssicherung über das Prüfsiegel
„QS“ oder auch im Bereich Biosiegel haben wir es endlich
geschafft, die Landwirtschaft mit der verarbeitenden Indu-
strie und mit dem Lebensmitteleinzelhandel zu verbinden.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Das haben Sie doch nicht geschafft! Das waren die Bauern im Lande! Lügen Sie doch nicht!)


Wir haben geschafft, was viele vorher nicht geschafft ha-
ben, dass sich nämlich der gesamte Lebensmitteleinzel-
handel und die Lebensmittelindustrie an den Biosiegeln
beteiligen.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Das war doch ganz anders! Sie haben doch nur dazwischen gefunkt! – Siegfried Hornung [CDU/ CSU]: Eine Kuh würde das Maul nie so voll nehmen!)


Wir werden es auch schaffen das Niveau der EG-Öko-
Verordnung weiter zu erhöhen. Das Memorandum dazu
ist längst auf dem Weg nach Brüssel –,

Ich habe mich gefragt, warum dieses Ministerium, das
eigentlich für Ernährung zuständig ist, es über Jahrzehnte
hinweg nicht geschafft hat, die Wirtschaft im Ernährungs-
bereich mit den Produzenten, also mit den Landwirten,
zusammenzubringen. Als ich das erfuhr, war ich wirklich
fassungslos. Wir haben sie zusammengebracht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Sie haben gar nichts zusammengebracht! Sie wollen nur dazwischen reden!)


Es wird zu beiderseitigem Nutzen sein, und zwar für Jobs
in der Landwirtschaft und für Arbeitsplätze in der Le-
bensmittel verarbeitenden Industrie, sodass sich am Ende
auch die Gewerkschaften darüber freuen können.

Für diejenigen, die den internationalen Zusammen-
hang noch nicht erkannt haben, werde ich erklären,
warum das Prüfsiegel „QS“ im konventionellen Bereich
kein staatliches, sondern ein privates sein wird. Ich weiß
nicht, ob Sie sich in diesem Zusammenhang schon einmal
mit der WTO und mit dem Problem der Handelsbarrieren
beschäftigt haben.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Wir brauchen Ihre Belehrungen nicht! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)


Ein staatliches Siegel wäre an dieser Stelle nicht WTO-
konform und innerhalb kürzester Zeit hinfällig. Wir haben
im Rahmen des magischen Sechsecks alle Beteiligten zu-
sammengebracht. Wir diskutieren noch über die Krite-
rien; gerade heute fand dazu eine Debatte statt.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Die Wirtschaft sagt: Gut, dass Sie nicht dabei gewesen sind!)


Das Ergebnis unserer Arbeit ist: Wir haben endlich alle,
und zwar vom Stall bis zur Ladentheke, zusammenge-
bracht. Wir haben die Zukunft für die Landwirtschaft ge-
sichert und Arbeitsplätze im verarbeitenden Bereich ge-
schaffen.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Die Menschen glauben zwar an Harry Potter, aber nicht an Renate Künast!)


Wir werden den ländlichen Raum so stärken, dass alle auf
dem Land eine Zukunft haben.

Man kann eines sagen: Die neue Verbraucher- und
Agrarpolitik findet zwischen den Polen WTO-Verhand-
lungen, EU-Erweiterung und Verbraucherinteressen statt.
Dabei geht es darum, den Tierschutz, den Umweltschutz
und die Chancen der ärmeren Länder, die der Entwick-
lungsländer, zu verbessern. Damit schaffen wir eines: Wir
organisieren die Zukunft der Landwirtschaft unter Wah-
rung der Verbraucherinteressen. Genau das finden Sie im
Haushaltsentwurf 2002 wieder.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Siegfried Hornung [CDU/ CSU]: Sie lügen doch die Leute an! – HeinrichWilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Müder Beifall auf allen Seiten!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420516400
Zu einer Kurz-
intervention erhält zunächst der Kollege Heinrich und
dann der Kollege Hollerith das Wort. Bitte.


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1420516500
Verehrte Frau Ministerin, ei-
gentlich wollte ich nur eine Zwischenfrage stellen. Die
haben Sie aber leider nicht zugelassen.

Sie haben den Eindruck erweckt, als wären wir gegen
Möglichkeiten, Ökoprodukte zusätzlich auf den Markt zu
bringen. Genau das Gegenteil ist der Fall: Wir sind selbst-
verständlich dafür, so viel wie möglich zu tun. Wir halten
es nur für einen gravierenden Fehler, dass Sie Ihre Politik
ausschließlich an den Ökobetrieben ausrichten und alle
anderen Betriebe, die im internationalen Wettbewerb be-
stehen müssen, in einer Art und Weise benachteiligen,
dass sie im Wettbewerb nicht mehr bestehen können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Lassen Sie mich noch etwas zum Verbraucherinforma-
tionsgesetz sagen. Wenn der Gesetzentwurf wirklich fer-
tig ist, warum haben Sie ihn dann nicht vorgelegt? Es ist
Ihnen doch freigestellt, einen fertigen Gesetzentwurf
vorzulegen, sodass wir darüber ordnungsgemäß diskutie-
ren können. Sie haben stattdessen nur ganz vage Eck-
punkte benannt, ohne Inhalte anzusprechen, und lassen
alles andere beiseite, in der Hoffnung, dass der Gesetz-
entwurf, wenn Sie ihn erst im nächsten Frühjahr vorlegen,
nicht mehr verabschiedet wird, weil er dann nicht mehr
die parlamentarischen Hürden des Bundestages und des
Bundesrates nimmt.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Opposition kann auch Gesetze vorlegen!)





Bundesministerin Renate Künast

20305


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(B)


Nun zur Bedarfsdeckung bei den Eiern. Mit dem von
Ihnen Gesagten haben Sie gezeigt, dass Sie die Konse-
quenzen Ihres Handelns überhaupt noch nicht begriffen
haben. Denn mit dem, was Sie unternommen haben, wird
es zu verfassungsrechtlichen Urteilen dahin gehend kom-
men, dass Sie dies so, wie von Ihnen geplant, nicht um-
setzen können. Darauf können Sie sich gefasst machen.
Den Vertrauensschutz, den jeder Unternehmer, der inves-
tiert, haben muss, missbrauchen Sie. Sie werden eine ent-
sprechende Klage vor dem Verfassungsgericht verlieren
und werden eine entsprechende Entschädigung an die Be-
troffenen zahlen müssen. Das ist so sicher wie das Amen
in der Kirche. Für Betriebe, die 1999, 2000 und auch noch
in diesem Jahr investiert haben und denen jetzt die Mög-
lichkeit genommen wird, auch nach 2006 noch mit diesen
Einrichtungen produzieren zu dürfen, bedeutet das einen
Eingriff in ihr Eigentum. Da wird es in Ihrem Hause noch
gewaltig rumpeln.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420516600
Insgesamt
möchte ich auf Folgendes hinweisen: Kurzinterventionen
sind nicht dazu da, dass die Kollegen, die schon eine Rede
gehalten haben, in derselben Debatte einen weiteren
Redebeitrag leisten. Das im Rahmen der Kurzintervention
Gesagte muss sich schon konkret auf die Vorredner be-
ziehen.

Das Wort hat jetzt der Kollege Hollerith.


Josef Hollerith (CSU):
Rede ID: ID1420516700
Frau Präsidentin, ich
nehme dies zur Kenntnis. Ich möchte jedoch der Ministe-
rin antworten, nachdem sie in ihrer Rede im Zusammen-
hang mit der Ökosteuer meinen Namen genannt hat.

Ich stelle fest, dass die rot-grüne Mehrheit bzw. die Bun-
desregierung die Ökosteuer auch auf regenerative Energien
erhebt und damit pro Jahr rund 600 Millionen DM ein-
nimmt. Jetzt ist sie dabei, von diesen Einnahmen aus der
auf regenerative Energien erhobenen Steuer 400 Milli-
onen DM für die Förderung dieser Maßnahmen wieder
zur Verfügung zu stellen. Dies ist einer der vielen Grund-
widersprüche dieser rot-grünen Mehrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420516800
Jetzt bekommt
die Ministerin Gelegenheit, auf beide Kurzinterventionen
zu antworten.

Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-
schutz, Ernährung und Landwirtschaft: Herr Hollerith,
der Unterschied in der Förderung regenerativer Ener-
gien liegt darin, dass die alte Regierung 18 Millionen DM
und die neue Regierung 540 Millionen DM dafür ausge-
geben hat. Das ist ein beachtlicher Unterschied.

Ich nehme meine Behauptung, Sie würden die Öko-
steuer komplett unterstützen, zurück. Ich stelle fest, dass

Sie die Ökosteuer nur insoweit unterstützen, als dass wir
sie bei der Förderung von regenerativen Energien einset-
zen. Das ist aber schon etwas. Damit robben wir uns lang-
sam an eine Komplettzustimmung heran.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Josef Hollerith [CDU/ CSU]: Das ist falsch!)


Herrn Heinrich muss ich sagen: Es ist immer schön,
wenn mir jemand unterstellt, ich würde mich nur um
„Öko“ kümmern. Mittlerweile muss ich aber zum Thema
ökologischer Landbau nichts mehr sagen, weil sich alle
anderen an diesem Thema festgebissen haben.

Weiterhin sage ich: Ich bin für 100 Prozent der Land-
wirtschaft zuständig. Wir kümmern uns auch um die Zu-
kunft der gesamten Landwirtschaft. Natürlich will ich die
Gewichtungen verändern. Ich erlebe, dass bis in den
Deutschen Bauernverband hinein viele auf die Umstel-
lungsmöglichkeit „Öko“ aufspringen. In so mancher
Landwirtschaftskammer, wo es früher 20 Umstellungsbe-
ratungen gab, können wir erleben, dass dort jetzt 200 bis
300 Beratungen für die Umstellung auf den ökologischen
Landbau für konventionelle Bauern stattfinden.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Gib einmal nicht so an!)


Wir haben einen viel versprechenden Marktbereich ent-
deckt und entwickelt.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Wo?)


Ich merke, dass die Landjugend rechnet und erkennt, dass
es ein guter Absatzmarkt ist.

Bezüglich der Legehennen muss ich Sie kurz auf zwei
Punkte hinweisen. Die Geschichte des Verbraucherinfor-
mationsgesetzes wird genauso verlaufen wie die der Hen-
nenhaltungsverordnung: Es hat niemand daran geglaubt,
dass sie kommt; dann kam sie doch. Ich darf Ihnen hin-
sichtlich des Themas Hennenhaltungsverordnung weiter-
hin sagen, dass wir diese auch extern verfassungsrechtlich
geprüft haben. Die Verordnung ist gemäß dieser Prüfung
nicht zu beanstanden. Ich nehme allerdings aufgrund Ih-
rer langen Ausführungen mit Interesse zur Kenntnis, Herr
Heinrich, dass Sie lieber Legehennen in Käfigen sehen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dirk Niebel [FDP]: Das ist falsch! – Weiterer Zuruf von der FDP: Eine grobe Vereinfachung!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420516900
Das Wort hat
jetzt der Herr Abgeordnete Lippold.


Dr. Klaus W. Lippold (CDU):
Rede ID: ID1420517000
Frau
Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eine ge-
nerelle Vorbemerkung. Aus meiner Sicht geht die Bedeu-
tung der Landwirtschaft weit über die volkswirtschaftli-
chen Kennzahlen hinaus:


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut!)





Ulrich Heinrich
20306


(C)



(D)



(A)



(B)


500 000 gut wirtschaftende Betriebe und 1 Million Be-
schäftigte. Wenn man die Beschäftigten in der Ernäh-
rungswirtschaft mit hinzu nimmt, die auf der Basis dieser
Landwirtschaft in Deutschland arbeiten, sind das 4 Milli-
onen Beschäftigte.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrich Heinrich [FDP]: Genauso ist es!)


Lassen Sie mich hinzufügen: Im Bereich des Umwelt-
schutzes, in dem wir viel gearbeitet haben, ist diese deut-
sche Landwirtschaft generell wesentlich weiter als alle
Landwirtschaften in Europa und erst recht weltweit. Was
diese deutsche Landwirtschaft im Bereich Umweltschutz
tut, mag nicht hundertprozentig perfekt sein. Aber wir lie-
gen weit vor allen anderen. Wir haben daher wesentlich
höhere Kosten, was uns wettbewerbsmäßig ungeheuer
stark beeinträchtigt, weil die anderen diese Kosten des
Umweltschutzes, die die deutsche Landwirtschaft trägt,
nicht zu tragen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage das, um der Legendenbildung in diesem Fall

vorzubeugen. Denn, Frau Ministerin: So, wie Sie es im
Greenpeace-Interview getan haben, kann man mit dem
Bauern nicht umgehen. Dort haben Sie gesagt, das die
Bauern für den Umweltschutz Geld bekommen, aber im-
mer weiter zu viel Gülle auf das Feld kippen und Pestizide
spritzen. Also weiter im Trippelschritt. Wörtlich sagten
Sie:

In Deutschland stecken wir jährlich 27 Milliar-
den DM an Steuern in die Landwirtschaft. Und dafür
belasten viele Bauern die Böden und das Grundwas-
ser durch Pestizide und die Gülle aus der Intensiv-
tierhaltung. Sie füttern ihr Vieh mit Soja aus Brasi-
lien, wo dafür der Urwald abgeholzt wird.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Unverschämt!)


Wer die Situation so einseitig darstellt, Frau Ministerin
Künast, verwirkt ganz einfach das Recht, zu sagen, er ver-
trete 100 Prozent der Landwirtschaft. Sie nicht!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage ganz deutlich: Die Agrarwende, die Sie ein-

geleitet haben wollen, ist ein Weg in die falsche Richtung.
Wir haben Aussagen von Wissenschaftlern, die deutlich
machen, dass BSE-Krise und Lebensmittelverschmut-
zung nichts mit der Form der konventionellen, umwelt-
orientierten Landwirtschaft zu tun haben und keine Frage
der Betriebsgröße sind. Das alles ignorieren Sie ganz sou-
verän. Das kann nicht angehen, Frau Ministerin.

Erstaunlich ist doch – das müssen wir hier einmal auf-
arbeiten –, dass Ihre sozialdemokratischen Freunde und
Kollegen ein Jahr vor der Wahl entdecken, dass das of-
fensichtlich nicht opportun ist, und dass Landwirtschafts-
minister der SPD unter Federführung des SPD-General-
sekretärs erkennen, dass diese Ökowende falsch ist


(Heino Wiese [Hannover] [SPD]: Das stimmt doch überhaupt nicht!)


und man sich von ihr sowie von dieser Ministerin distan-
zieren muss, damit man nicht nur von 3 Prozent, sondern
von 97 Prozent der Landwirte gewählt wird.


(Lachen bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei einem Teil Ihrer

Wortbeiträge ist heute deutlich geworden, dass Sie nicht
einmal mitbekommen haben, dass Ihre Vorturner schon
eine Rückwende in die alte Agrarpolitik vorgenommen
haben, während Sie noch die Wende in die neue Agrarpo-
litik befürworten. Machen Sie sich doch erst einmal kun-
dig, was Ihre Wahlkampfopportunisten betreiben, bevor
Sie uns glauben machen, noch auf der richtigen Seite zu
sein. So geht es doch nicht!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In diesem Zusammenhang spreche ich natürlich ganz

offen den Verdacht aus, dass Sie das nicht aus Überzeu-
gung tun, sondern deswegen, weil Sie in der Vergangen-
heit festgestellt haben, dass die klare, durch nichts beein-
trächtigte Haltung der Union eine andere Wirkung zeitigt.
Um noch auf den fahrenden Zug zu springen, laufen Sie
uns jetzt hinterher – nicht aus Überzeugung, sondern aus
reinem Wahlkampfopportunismus.

Erstaunlich ist ebenfalls, dass Ihre Landwirtschaftsmi-
nister auf einmal den Begriff der Agrarfabrik als
„Kampfvokabel“ bezeichnen. Wer hat eigentlich in die-
sem Hause diese Kampfvokabel eingeführt? Das war Ihr
Bundeskanzler. Jetzt aber erklären seine Minister, sie
könnten diese Kampfvokabel nicht gebrauchen, sie werde
der Landwirtschaft und den in ihr arbeitenden Menschen
nicht gerecht und habe mit der BSE-Krise nichts zu tun.
Nein, so geht es wirklich nicht! Nehmen Sie hier und
heute das Wort von den Agrarfabriken zurück und sagen
Sie, dass sich der Kanzler – wie so oft – geirrt habe. Dann
ist es gut. Sonst aber können wir das nicht so im Raume
stehen lassen.

Früher haben Sie nationale Alleingänge gemacht.
Nachdem ich Sie darauf hingewiesen habe, dass sie nicht
sinnvoll seien, weil sie die Wettbewerbsfähigkeit der
deutschen Landwirtschaft beeinträchtigten, haben Sie mir
vorgeworfen, ich verstünde die neue Wende nicht und
ließe mich nicht genug auf Umweltschutz ein. Was sagen
Ihre Agrarminister jetzt? Man könne das alles nur ma-
chen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Landwirtschaft erhalten bleibe. Recht haben sie; aber es
ist Heuchelei und Wahlkampfopportunismus, während es
bei uns eine ganz klare Linie war, die wir über lange Zeit
vertreten haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn Sie

nun im Leitantrag der SPD zur grünen Gentechnik da-
von sprechen, dass man einen großflächigen Anbau von
gentechnisch veränderten Pflanzen wolle, dann wundere
ich mich schon.


(Jella Teuchner [SPD]: Sie sind wohl nicht auf dem neuesten Stand?)





Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)


20307


(C)



(D)



(A)



(B)


Das haben wir hier schon anders gehört. Auch hier kommt
jetzt zum Ausdruck, dass Sie sich von Ihrer alten Haltung
distanzieren.

Frau Künast, ich muss auch folgenden Sachverhalt hier
noch einmal festhalten: Sie sind ja mit viel Scheinelan in
Ihr Amt gestartet. In jeder Veranstaltung haben Sie mar-
kige Worte für das gefunden, was Sie alles verändern wol-
len. Geblieben ist davon, Frau Ministerin, nichts. Bei
Tiermehl und Tierfetten wollten Sie gegen die EU anren-
nen. Die EU ist stehen geblieben und Sie sind mit einer
Beule zurückgekommen. Das hat natürlich dazu geführt,
dass die Glaubwürdigkeit Ihrer Politik in diesem Land
unendlich gelitten hat. Wir haben keine vernünftige und
stetige Verbraucherschutzpolitik und auch keine vernünf-
tige und stetige Landwirtschaftspolitik gehabt, weil Sie
mit Ankündigungen und nicht mit Inhalten gearbeitet
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das letzte Beispiel haben Sie gerade eben geliefert. Ich

habe nie eine schwächere Ausrede als das gehört, was Sie
zu den Eckpunkten des Informationsgesetzes gesagt ha-
ben. Verehrte Frau Ministerin, wer das Gesetz fertig in der
Schublade hat, stellt das Gesetz und nicht ein paar
schwächliche Eckpunkte vor und hätte zumindest die Ab-
stimmung mit den anderen Ressorts hinter sich gebracht.
All dies ist ganz offensichtlich nicht erfolgt. Sie haben
praktisch zugegeben, dass Sie über neun Monate lang
nichts gemacht haben und wollen jetzt eine Aktivität vor-
täuschen. Aber der Kollege Heinrich und ich lassen Ihnen
das nicht durchgehen. Hier wird nichts vorgetäuscht. Ent-
weder wird konkret gehandelt oder wir sagen Ihnen, dass
Sie Handlungen nur vortäuschen. Das hilft uns aber nicht
weiter.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legen Sie doch selber mal was vor!)


Ich will in aller Deutlichkeit hinzufügen: Mit diesem
Informationsgesetz werfen sie gleich wieder eine Fülle
von Fragen auf. Sie werden sicherlich mit Herrn Müller
noch diskutieren müssen, ob Sie – gegenüber wirtschaf-
tenden Betrieben tun Sie dies – einfach Verdächtigungen
in den Raum stellen und die Verdachtsschwelle absenken
können. Das möchte ich mit Fug und Recht infrage stel-
len. Sie können natürlich davon ausgehen, dass der Kol-
lege Müller als Wirtschaftsminister nichts mehr zu sagen
hat. Er wird also kritisieren, diese Kritik aber nicht durch-
setzen können. Darauf können Sie sich unter Umständen
verlassen. Trotzdem wird dieser Nachteil für die Wirt-
schaft und die wirtschaftenden Betriebe natürlich beste-
hen bleiben. Das müssen wir ganz deutlich ansprechen.

Früher haben Sie davon gesprochen, dass Sie die Auf-
gaben, die sich unter anderem aus Ihren Kompetenzen der
Verbraucherschutzgesetzgebung ergeben, in Ihrem
Hause bündeln wollen. Ich entnehme der Presse, dass Sie
davon Abstand genommen haben. Weitestgehende Berei-
che bleiben in anderen Ministerien. Wie das koordiniert
werden soll, lassen Sie offen.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das hängt mit der Unfähigkeit zusammen!)


Jedenfalls kann aufgrund der bisherigen Vorlagen nicht
angenommen werden, dass Sie zu einer in sich geschlos-
senen Konzeption finden oder eine solche vorstellen wer-
den. Ich sage das so deutlich, weil das bedauerlich ist. In
diesem Bereich haben wir wesentlich mehr von Ihnen er-
wartet.

Frau Ministerin, ein ganz wesentlicher Punkt ist, dass
Sie beim Gesundheitsschutz genauso wenig geleistet ha-
ben. Bereits zu Anfang habe ich erwähnt, dass Sie sich in
der EU entgegen Ihren Ankündigungen nicht durchge-
setzt haben. Nach wie vor können verunreinigte Lebens-
mittel in der Bundesrepublik Deutschland auf den Markt
kommen, weil es in der EU keine einheitliche Regelung
gibt. Deshalb sind die Verbraucher in der Bundesrepublik
nicht so geschützt, wie wir es aufgrund unserer Vorstel-
lung von vorbeugendem Gesundheitsschutz gern hätten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben eine Fehlinformation gegeben; denn Sie haben
diesen Schutz nicht herbeigeführt. Frau Ministerin, es
nützt nichts, dass Sie sagen, dass in der Bundesrepublik
Deutschland etwas gemacht wird, während dies gleich-
zeitig in Europa nicht der Fall ist. Früher gab es im Ge-
gensatz zu heute keinen Binnenmarkt. Unsere Verbrau-
cher sind nicht in dem Maße gesundheitlich geschützt,
wie Sie es gesagt haben, wenn es möglich ist, dass Pro-
dukte, die unseren Anforderungen nicht entsprechen, auf-
grund des Binnenmarkts nach Deutschland kommen.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was reden Sie da alles? – Gegenruf des Abg. Albert Deß [CDU/CSU]: Das stimmt doch alles!)


Es gibt eigentlich nur einen Punkt, auf den man deut-
lich zu sprechen kommen muss: Neben der Tatsache, dass
Sie Handlungen angekündigt, aber nicht durchgesetzt ha-
ben, muss auch erwähnt werden, dass Sie die Kriterien,
nach denen Sie urteilen, einfach herabsetzen, wenn Sie er-
kennen, dass das eine oder andere eben nicht durchgesetzt
werden kann.

Ein Beispiel dafür ist das Ökosiegel. Erst haben Sie
große Töne gespuckt. Dann haben Sie festgestellt, dass
Sie das nicht durchsetzen können. Danach wurden die
Kriterien dieses Ökosiegels deutlich abgesenkt. Es stellt
jetzt keine höheren Anforderungen mehr als das Siegel,
das es in der EU bereits gibt. Natürlich können Sie alle
Produkte zu Ökoprodukten machen, wenn Sie die Krite-
rien entsprechend absenken. Dadurch erreichen Sie sogar
über 20 Prozent. Frau Ministerin, inhaltlich ändert das
aber überhaupt nichts.

Deshalb bin ich dafür, dass wir von dieser Sprechbla-
senpolitik wegkommen. Ich bin auch dafür, dass sich die
SPD offen und ehrlich inhaltlich von Ihnen trennt. Das
würde natürlich auch bedeuten, dass ein anderer auf Ihrem
Stuhl Platz nimmt. Der Letzte, der Landwirtschaftspolitik
in diesem Hause gemacht hat, ist so davongeschlagen
worden, dass die Funken nur so gestoben haben. Das ist
doch der Punkt.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Deshalb hieß er auch Funke!)





Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)

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(B)


Er hat damals gesagt, dass die Anforderungen niedrig
gehalten werden sollen. Danach ist er abgemeiert worden.
Dann kamen Sie mit den flotten Sprüchen. Jetzt ist es an
der Zeit, dass die flotten Sprüche gehen und die soliden
Leute, die aus diesem Ministerium wirklich etwas ma-
chen, kommen. Der Verbraucher in der Bundesrepublik
hat es verdient.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420517100
Bevor ich den
nächsten Redner aufrufe, möchte ich Ihnen – vielleicht
haben das einige nicht mitbekommen – nur noch einmal
sagen, dass statt der ursprünglich angekündigten nament-
lichen Abstimmung eine einfache Abstimmung durchge-
führt wird.

Als letzter Redner vor der Abstimmung hat jetzt der
Abgeordnete Heino Wiese das Wort.


Heino Wiese (SPD):
Rede ID: ID1420517200
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Zunächst einmal
möchte ich ein paar Dinge richtig stellen. Eine ganze
Reihe dessen, was Herr Lippold eben erzählt hat, ist zu
korrigieren.

Erstens. Wenn Sie den Beschluss des Parteitages der
SPD richtig gelesen hätten, hätten Sie das Wort
„großflächiger Anbau“ nicht gefunden. So, wie Sie es dar-
stellen, ist es einfach falsch. Es steht nicht in unserem Be-
schluss.


(Beifall bei der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Steht überhaupt etwas Konkretes drin? – Ulrich Heinrich [FDP]: Das habt ihr gestrichen!)


Zweitens. Sie erzählen – ich gehöre zufällig der Kom-
mission an, die dieses Programm mit entwickelt hat –,
Herr Müntefering habe gesagt, wir kritisierten die Politik
der Regierung und brauchten ein eigenes Programm. Das
ist falsch. Ich will einmal sagen, wie das bei Ihnen aus-
sieht: Sie haben zwei Lager; in dem einen Lager sind die-
jenigen, die Frau Merkel folgen, in dem anderen Lager
diejenigen, die Herrn Stoiber folgen. Sie wollen doch
auch eigene Profile in allen Bereichen der Partei ent-
wickeln. So wollen wir in der Regierung auch eigene Pro-
file entwickeln.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Herr Müntefering hat aber festgestellt, dass ihr keines habt!)


Wir wollen ein sozialdemokratisches Profil in die Agrar-
politik der Regierung einbringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ulrich Heinrich [FDP]: Ihr nickt hier doch nur noch ab! Ihr bekommt doch Druck von den Ländern!)


Wenn ich höre, dass Sie etwas gegen die Agrarwende
haben, dann ist das für mich ganz normal. Wenn Sie nichts
dagegen hätten, dann würden wir irgendetwas falsch ma-

chen; dann würden wir nämlich das weitermachen, was
Sie vorher gemacht haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie sagten eben imZusammenhangmit demRisikoma-
terial,wirwürden nicht genügend beim vorsorgendenVer-
braucherschutz tun. Vor einem halben Jahr sind wir hier
nochverprügeltworden,weilwirbei denRisikomaterialien
überreagierenwürden.Heute sagenSie,wir täten zuwenig.
Für irgendetwas müssen Sie sich schon entscheiden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ulrich Heinrich [FDP]: Der Verbraucher wird betrogen! – Abg. Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Es tut mir sehr Leid, Herr Carstensen. Wenn Ihre Frak-
tion Sie nicht als Redner für den heutigen Tag aufgestellt
hat, dann werde auch ich Ihnen jetzt nicht eine Plattform
bieten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jeder Haushalt steht unter zwei Prämissen: das, was
man will, und das, was man kann.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Herr, nimm mir den Willen, weil ich nichts kann! – Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)


– So ähnlich ist es. – Die Opposition hat es da leicht: Sie
muss nur sagen, was sie will. Für das, was man kann, sind
wir schließlich da.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn aber von der Opposition gesagt wird, wir täten
nicht genügend für die Landwirtschaft, so kann ich dem
nur entgegenhalten: In Ihrer Regierungszeit wurden in
den Jahren von 1994 bis 1998 die Ausgaben im Einzel-
plan 10 um 13,4 Prozent gesenkt. Wir haben für 2002
– wenn man die fehlenden Einnahmen aus dem Agrardie-
sel einrechnet – die gleiche Summe zur Verfügung, die Sie
1998 in den Haushalt eingestellt haben,


(Ulrich Heinrich [FDP]: Das Entscheidende sind die anderen Schweinereien, die ihr macht!)


und das trotz unserer Sparmaßnahmen. Warum wir eine
solche Sparpolitik machen müssen, das wissen Sie alle
auch: Wir haben nämlich 1,5 Billionen DM Schulden ge-
erbt. Jetzt müssen wir dagegenhalten und einen Spar-
haushalt fahren. Trotzdem haben wir die Gesamtausgaben
im Vergleich zu 1998 real nicht gesenkt.

Wenn man die EU-Marktordnungsausgaben dazurech-
net, dann kommt man auf einen Betrag von rund 24 Mil-
liarden DM, der 2002 in die deutsche Landwirtschaft
fließt.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist nicht wahr!)


– Das ist nicht wahr? Warum? Sind es etwa 27 Milliar-
den DM?




Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach)


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(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Nein, das stimmt überhaupt nicht!)


– Natürlich stimmt das. Es fließen also 24 Milliarden DM
in die deutsche Landwirtschaft. Ich finde, das ist ein stol-
zer Betrag. Darin sind die Ausgaben der Bundesländer
noch gar nicht eingerechnet.

Von Ihnen in der Opposition wird immer behauptet
– das haben Sie auch schon zu Zeiten von Karl-Heinz
Funke gesagt –, durch unsere Politik würde das große Hö-
festerben in Deutschland verursacht. In der Zeit der Re-
gierung Kohl gab es 1984 in der damaligen Bundesrepu-
blik noch 436 000 Haupterwerbslandwirte. 1997 waren es
noch 210 000. Allerdings waren inzwischen einige tau-
send Betriebe durch die Wiedervereinigung hinzugekom-
men. Das heißt, in 13 Jahren Ihrer Regierung hat sich die
Zahl der Landwirte mehr als halbiert, und das, obwohl Sie
immer die Wahrung der bäuerlichen Landwirtschaft im
Munde führen. Sie sollten diesbezüglich keine große
Lippe mehr riskieren, finde ich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Insgesamt gibt es in Deutschland inklusive der Neben-
erwerbslandwirte 440 000 Höfe. Wenn ich jetzt einfach
die 24 Milliarden DM auf die 440 000 Höfe verteilen
würde, dann bedeutete das durchschnittlich rund
55 000 DM an öffentlichen Geldern pro Hof, und zwar
egal, ob groß oder klein. Verteilt auf die Haupterwerbsbe-
triebe wären das über 100 000 DM pro Betrieb. Wenn wir
also so viel an Steuergeldern für die Landwirtschaft aus-
geben und es den Landwirten noch immer schlecht geht,
muss es einen Systemfehler geben.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Davon wird aber auch die Bürokratie mitbezahlt! Das haben Sie nicht mitgerechnet!)


Allein aus diesen Gründen war die Agrarwende not-
wendig.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420517300
Erlauben Sie
eine Zwischenfrage des Kollegen Carstensen?


Heino Wiese (SPD):
Rede ID: ID1420517400
Nein. – Es ist idio-
tisch, eine Prämie für Futtermais zu zahlen, diesen dann
in der Bullenmast zu verfüttern, um dann wieder Prämien
zu zahlen, damit das Rindfleisch in einem so genannten
Marktentlastungsprogramm vernichtet wird. Dafür sind
Steuergelder zu schade.


(Beifall bei der SPD – Ulrich Heinrich [FDP]: An diesem Unsinn haben Sie doch nichts geändert!)


Es ist eben ein Irrweg, durch Zuschüsse immer intensiver
zu produzieren, um dann die Produkte mit Steuergeldern
zu vernichten. Ich kann aber jeden Bauern verstehen, der
aus betriebswirtschaftlichen Gründen bei diesem System
mitmacht.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Das ist Volksverdummung, was Sie hier erzählen!)


Aber Steuergelder sollen dazu dienen, zu steuern, und
nicht dazu, Ressourcen zu vernichten.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Wenn man nichts versteht, soll man das Maul halten!)


Was heißt in diesem Zusammenhang Agrarwende?
Mir ist es wichtiger, aus der zweiten Säule der Agrarpoli-
tik Gelder für die Erhaltung eines Dorfladens auszugeben,
als die Überproduktion in der Landwirtschaft zu finanzie-
ren. Mir ist es wichtiger, Gelder für den Vertragsnatur-
schutz auszugeben, als noch größere Produktivität zu sub-
ventionieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Streichen Sie sie doch! – Ulrich Heinrich [FDP]: Sie kennen Ihre eigenen Gesetze nicht, Herr Kollege!)


– Ich habe es schon einmal gesagt: Wenn Sie sich so är-
gern, müssen wir etwas richtig machen.


(Ulrich Heinrich [FDP]: Nein! Sie sagen das Falsche!)


In diesem Zusammenhang ist der Einstieg in die Mo-
dulation wichtig. Wir sollten das Geld viel stärker für
eine Verbesserung der Infrastruktur im ländlichen Raum
und für den Schutz der Kulturlandschaften ausgeben. Der
ländliche Raum muss lebenswert bleiben. Die landwirt-
schaftliche Produktion muss sich künftig viel stärker über
den Markt regeln. Ich glaube auch, dass das geht. Viele
junge, gut ausgebildete und engagierte Landwirte würden
gern auf die Zuschüsse verzichten, wenn sie dadurch nicht
Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt wären.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Dann wird es keine jungen Landwirte mehr geben!)


Ich glaube, dass wir im Hinblick auf die Agenda 2007
noch sehr viel darüber nachdenken müssen, wie wir un-
sere Landwirtschaft zukunftssicher machen und das Le-
ben auf dem Land attraktiver gestalten können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dafür wäre es sehr hilfreich, wenn die Verbände, insbe-
sondere der Bauernverband, nicht nur Blockadepolitik
und Besitzstandswahrung propagierten, sondern ihren
Sachverstand konstruktiv in eine Zukunftsplanung ein-
bringen würden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein wichtiges Instrument, um neue Ideen zu sammeln
und in der Praxis zu erproben, sind die für das nächste Jahr
geplanten Modellregionen. Die 25 Millionen Euro, die
im Haushalt dafür vorgesehen sind, sind gut angelegt. Wie
wir feststellen, ist das Angebot sehr gut angenommen
worden. Die große Zahl von Bewerbungen lässt darauf
hoffen, dass wir viele neue Ansätze zur Entwicklung der
ländlichen Räume erwarten können.

Wir werden all diese Erfahrungen nutzen müssen, um
die Agrarwende im Sinne der Verbraucherinnen und Ver-
braucher und im Sinne der Menschen im ländlichen Raum
umzusetzen. Wer aber glaubt, dies ließe sich in ein paar
Monaten bewerkstelligen, der irrt sich. Als Willy Brandt




Heino Wiese (Hannover)

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(A)



(B)


1961 sagte, er wolle dafür arbeiten, dass der Himmel über
der Ruhr wieder blau werden solle, haben ihn die Ver-
bände und die anderen Parteien für verrückt erklärt.
Heute, 40 Jahre später, wissen wir alle: Es ist gelungen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Die Großfeuerungsanlagenverordnung haben wir gemacht!)


Es hat aber viel Energie und Geld gekostet. Vor einer
ähnlich großen Herausforderung stehen wir auch heute.
Mit dem Haushalt 2002 haben wir den ersten kleinen
Schritt gemacht.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420517500
Ich danke auch
und schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen zu Einzelplan 10,
und zwar zunächst zu den Änderungsanträgen. Wie ge-
sagt: Statt der angekündigten namentliche Abstimmung
gibt es eine ganz normale Abstimmung.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7585. Wer stimmt
dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt
worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7586. Wer stimmt
dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch dieser
Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen der gesamten Opposition ab-
gelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7658. Wer stimmt da-
für? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP
abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der FDP, Drucksache 14/7659. Wer stimmt dafür? – Ge-
genstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist
mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS
gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der
CDU/CSU abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7660. Wer stimmt da-
für? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
und der PDS gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP
abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der FDP auf Drucksache 14/7661. Wer stimmt da-
für? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen

und der PDS gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung
der CDU/CSU abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/7674. Wer stimmt da-
für? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die
PDS, die zugestimmt hat, abgelehnt worden.

Ich bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 10 in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Der
Einzelplan 10 ist mit den Stimmen der SPD und des
Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen von
CDU/CSU, FDP und PDS angenommen worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich rufe den Punkt I. 27 auf:
Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit
– Drucksachen 14/7314, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Walter Schöler
Dr. Michael Luther
Franziska Eichstädt-Bohlig
Jürgen Koppelin
Dr. Barbara Höll

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich sehe
keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der
Abgeordnete Michael Luther.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1420517600
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor einem Jahr
haben wir den Haushalt 2001 der damaligen Bundesge-
sundheitsministerin Andrea Fischer beraten. Sie musste
gehen. Sie ist über die BSE-Krise gestolpert. Ich glaube
aber, dass dem Kanzler dieser Anlass ganz recht war; denn
eigentlich ging es um etwas anderes: Frau Fischer ist an
ihrer Gesundheitspolitik gescheitert.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: So ist es!)


Sie steuerte das deutsche Gesundheitssystem in ein
Chaos. Ärzte, Patienten, Krankenhäuser standen deutsch-
landweit Kopf. Das passte unserem Medienkanzler natür-
lich nicht. Festzustellen ist: Frau Fischer führte das deut-
sche Gesundheitssystem an den Rand des Abgrunds.
Heute sind wir einen Schritt weiter.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Seit knapp einem Jahr heißt die Gesundheitsministerin
Ulla Schmidt. Was ist anders? Was ist besser geworden?
Eines ist sicher: Über den gesundheitlichen Verbraucher-
schutz kann sie nicht mehr stolpern; denn dieses Ressort
ist ausgelagert worden. Frau Schmidt hat in Anbetracht
der Ursache der Aufregung gehandelt. Sie hat nämlich




Heino Wiese (Hannover)


20311


(C)



(D)



(A)



(B)


zuerst versucht, Ärzte und Patienten zu beruhigen. Das ist
ihr zum Beispiel mit der Aufhebung des Arznei- und
Heilmittelbudgets ein Stück weit gelungen. Das ist aber
eine reine Beruhigungsmaßnahme, mit der das Ziel ver-
folgt wird, über die Bundestagswahl 2002 zu kommen.

Die Folgen dieser Politik sind schon heute zu spüren:
Es gibt eine Kostenexplosion und die Beitragssätze in der
gesetzlichen Krankenversicherung steigen. Die ange-
strebte kurzfristige Frontberuhigung schafft nachhaltige
Probleme für das Gesundheitssystem. Defizite sind die
Folge. Es besteht die Gefahr einer Zweiklassenmedizin.
Das Schlimmste ist: Damit ist die Chance, die eigentlich
hätte genutzt werden sollen, verpasst worden, eine Ge-
sundheitsreform durchzuführen, die ihren Namen auch
verdient.

Wir brauchen im Interesse von Ärzten, Patienten, Ar-
beitnehmern und Arbeitgebern sowie im Sinne der Siche-
rung unseres Gesundheitswesens und für die soziale
Marktwirtschaft eine wirkliche Gesundheitsreform.
Eine solche Reform hat uns Ulla Schmidt bislang ver-
weigert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vielleicht – ich möchte das nicht unterstellen – kann sie
es auch nicht. Einen Beleg für das Versagen der Ministe-
rin habe ich im Bundeshaushalt gefunden, und zwar bei
dem Ansatz für die Öffentlichkeitsarbeit. Er hat einen
Aufwuchs um 4 Prozent erfahren. Die Mittel für die Öf-
fentlichkeitsarbeit dienen im Allgemeinen dazu, dass man
etwas Neues bekannt macht. Aber wenn man keine Ge-
sundheitsreform durchführt, dann braucht man auch keine
Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit. Ich kann Herrn Eichel
also vorschlagen: Hier können Sie einsparen. Denn – ich
sage das ganz klar – Stillstand muss man nicht öffentlich
vermitteln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Um eventuellen Fehlentwicklungen vorzubeugen,

sollte man vielleicht den Bundesrechnungshof auffor-
dern, aufzupassen, dass nicht etwa der Wahlkampf über
den Haushalt des Bundesgesundheitsministeriums finan-
ziert wird. Der Wahlkampf muss nämlich von den Par-
teien finanziert werden.

Lassen Sie mich zu den Eckdaten des Haushaltes
des Bundesgesundheitsministeriums kommen. 2001 um-
fasste der Haushalt ein Volumen von 907 Millionen Euro.
2002 sind es 1 389 Millionen Euro. Dieser Zuwachs lässt
sich allerdings allein durch den Zuschuss an die Pflege-
kassen – es handelt sich um 562 Millionen Euro – be-
gründen, der schon seit langem vereinbart ist. Wenn man
das berücksichtigt, dann stellt man fest, dass es einen
Rückgang von 9 Prozent gibt. Ich habe mir die Frage ge-
stellt, wie sich diese minus 9 Prozent im Haushalt aus-
wirken. Ich bin zu dem Ergebnis gekommen: Bei den Pro-
grammausgaben, also dort, wo die Ministerin gestalten
kann – das betrifft zum Beispiel die Mittel für die Dro-
genaufklärung sowie für die Behandlung von Aids- und
Krebskranken, chronisch Kranken, Behinderten, Pflege-
bedürftigen und psychisch Kranken –, geht der Haushalt
insgesamt um 12 Prozent zurück, während er bei den

Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit, wie gesagt, ein
Plus von 4 Prozent aufweist.

Ich habe im Finanzbericht 2002 insbesondere das ge-
lesen, was dort über die Ausgaben des Bundes und das
Gesundheitswesen steht. Es werden in diesem Bericht
– richtigerweise – zwei Themen in den Vordergrund ge-
stellt. Das erste Thema, dem der meiste Platz eingeräumt
wird, ist das Thema Aids. Festgestellt wird, dass Aids
nach wie vor nicht heilbar ist. Momentan sind nur lebens-
verlängernde Maßnahmen für Aidskranke möglich. Das
Robert-Koch-Institut attestiert, dass es jährlich etwa
2 000 HIV-Neuinfektionen gibt. Deshalb – das wird auch
in dem Finanzbericht festgestellt – muss dieses Thema
Schwerpunkt bleiben, und zwar sowohl bei der Forschung
als auch bei der Aufklärung. Wir, die Union, haben ver-
sucht, hier einen Schwerpunkt zu setzen. Sie haben das
letztendlich abgelehnt. So muss ich feststellen: Für die
Bundesgesundheitsministerin ist dieses Thema offen-
sichtlich kein Schwerpunkt.

Das zweite Thema des Finanzberichts ist das Thema
Infektionskrankheiten. Es wird festgestellt: Infektions-
krankheiten sind weltweit die häufigste Krankheits- und
Todesursache. Zu diesen Krankheiten gehören auch wie-
der Diphtherie und Tuberkulose, die man schon für aus-
gerottet gehalten hatte. Es gibt aber auch Krankheiten wie
zum Beispiel die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit – das ist
infolge der BSE-Krise deutlich geworden – oder neue Va-
rianten der Hepatitis-C-Infektion, die nicht in ausreichen-
dem Maße erforscht sind.

Bei dem, was wir nach dem 11. September erlebt ha-
ben, müssen wir im Sinne der Antiterrorbekämpfung wis-
sen, dass es die Möglichkeiten biologischer Kampfstoffe
gibt, zum Beispiel Milzbrand, Marburg-, Ebola-, Lassa-
viren, Pocken. Bei Pocken haben Sie etwas getan. Sie ha-
ben Pockenimpfstoff angekauft. Ich finde das an dieser
Stelle auch richtig. Aber wenn man dieses Feld insgesamt
betrachtet, sieht man auf der einen Seite die Aussage des
Finanzberichts, dass ein großer Forschungsbedarf be-
steht, und auf der anderen Seite im Haushalt ein Plus von
51 000 Euro. Toll!


(Beifall bei der CDU/CSU – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Ein bisschen wenig!)


Zum Bereich Drogen: „Cannabis und Designerdrogen
werden bei Jugendlichen in Deutschland immer belieb-
ter.“ Der Konsum illegaler Substanzen gewinne an ge-
sellschaftlicher Akzeptanz – so kürzlich der Vorsitzende
des Fachverbandes Drogen und Rauschmittel, Thomas
Bader, zum Auftakt des 24. Bundesdrogenkongresses in
Leipzig.

Die Folgerung daraus: Eigentlich müsste die Gesund-
heitsministerin hier auch einen Schwerpunkt setzen, näm-
lich gerade im Bereich der Aufklärung. Wer mit Jugend-
lichen zu tun hat, wer mit ihnen redet, wird erschreckt
feststellen, wie locker man mit diesem Thema umgeht:
Mir wird schon nichts passieren; in der Disco ist es ja kein
Problem. – Das heißt, das Thema und die Gefährlichkeit
werden nicht ernst genug genommen. Das Thema müsste
von uns, vom Deutschen Bundestag, von der Regierung




Dr. Michael Luther
20312


(C)



(D)



(A)



(B)


ernster genommen werden. Aber die entsprechenden Pro-
grammansätze im Bundeshaushalt sind nicht zu finden.
Das finde ich schade.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1420517700
Lassen Sie eine
Zwischenfrage Ihrer Kollegin zu?


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1420517800
Ja, bitte schön.


Marion Caspers-Merk (SPD):
Rede ID: ID1420517900
Herr Kollege, sind Sie
bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Drogenbeauf-
tragte der Bundesregierung bei dem Kongress in Leipzig
anwesend war, dass wir gemeinsam diskutiert haben und
dass wir vor allen Dingen neue Schwerpunkte gemeinsam
erarbeitet haben?


(V o r s i t z : Präsident Wolfgang Thierse)

Sind Sie weiterhin bereit, zur Kenntnis zu nehmen,

dass gerade in diesem Bereich neue Personalstellen ge-
schaffen wurden, weil wir den uralten Rauschgift-
bekämpfungsplan der alten Regierung zu einem moder-
nen Aktionsplan „Drogen und Sucht“ überarbeiten?


(Beifall bei der SPD)



Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1420518000
Das ist mir sehr
wohl bekannt. Sie haben einen entsprechenden Titel im
Bundeshaushalt bekommen. Ich würde mir auch wün-
schen, dass diese Aufgabe ernst genommen wird. Ich habe
mir einmal den Tätigkeitsbericht der Drogenbeauftragten
vom letzten Jahr angesehen. Man kann an zwei Händen
abzählen, welche Aktivitäten öffentlich bekannt gewor-
den sind. Sie waren meistens in Berlin. Darum meine ich,
dass hier viel mehr geleistet werden muss. Aber eines ist
sicher – über mehr habe ich überhaupt nicht geredet –: Die
Titel, die Sie benötigen, um entsprechend Aufklärungs-
arbeit zu betreiben, sind nicht ausreichend im Haushalt zu
finden. Nur darüber habe ich geredet.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch zu ei-

nem weiteren Thema kommen. In der „Leipziger Volks-
zeitung“ stand vor nicht allzu langer Zeit: „Dem Freistaat
gehen die Landärzte aus.“ Das ist ein schwieriges Thema
in den neuen Bundesländern, nicht nur in Sachsen. Was ist
die Ursache dafür? Viele Allgemeinärzte haben sich nach
der Wende niedergelassen. Sie waren damals 40, 45,
50 Jahre alt. Zehn, 15, 20 Jahre später gehen sie in Rente.
Das beginnt jetzt. Sie finden keine Nachfolger. Warum?
Weil die Bedingungen für die Mediziner und die Ho-
norarsituation schlecht sind. Auch in den alten Bundes-
ländern fehlen mittlerweile Allgemeinärzte.

Die jungen Ärzte im Osten nehmen natürlich das bes-
sere Angebot wahr und wandern in den Westen, mit der
Folge, dass wir in den neuen Bundesländern strukturelle
Probleme bekommen. Hier muss dringend gehandelt wer-
den. Ich meine, dass hier seitens des Bundesgesundheits-
ministeriums zu wenig getan wird. Es gibt zwar das

Wohnortprinzip, das letztendlich die Finanzierung der
Kassenärztlichen Vereinigungen verbessert, aber das ist in
keiner Weise ausreichend. Deshalb fordere ich uns alle
auf, gerade an dieser Stelle mehr zu tun. Wir müssen die-
ses Problem unbedingt ernst nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will zu einem letzten Problem im Haushalt kom-

men, nämlich dem Personal. Durch das Antiterrorpaket
wurde auch das Bundesministerium für Gesundheit besser
ausgestattet. 61 Stellen sind hier vorgesehen worden. In
der ersten Planung war vorgesehen, dass diese 61 Stellen
in den nachgeordneten Einrichtungen platziert werden.
Fünf Stellen sollten im Paul-Ehrlich-Institut angesiedelt
werden, das unter anderem die Aufgabe hat, die Koordi-
nation von Maßnahmen zur Risikovorsorge und Gefah-
renabwehr sicherzustellen. 56 Stellen waren ursprünglich
beim Robert-Koch-Institut geplant. Ihnen waren Aufga-
ben wie die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten und
epidemiologische Untersuchungen zugeordnet. Ich halte
das für eine richtige Maßnahme, denn nach dem 11. Sep-
tember müssen wir diese Gefahren ernst nehmen. Wir
müssen die Institute, die die Aufgabe haben, Vorsorge so-
wie Aussagen zu Gefährdungen zu treffen, entsprechend
stärken. Da es hierbei im Wesentlichen um Aufgaben der
wissenschaftlichen Forschung geht, müssen diese Institute
insbesondere personell gestärkt werden.

Zu meiner Überraschung wurde in der Bereinigungs-
sitzung eine andere Planung vorgelegt. Es waren immer
noch 61 Stellen vorgesehen, aber nicht mehr 56 Stellen
beim Robert-Koch-Institut. Dafür waren nur noch 45 Stel-
len ausgewiesen. 11 Stellen sind jetzt plötzlich beim Mi-
nisterium direkt gelandet. Dazu fällt mir folgender Satz
ein: Wer eine Krise nicht nutzt, um sein Personalbudget
aufzustocken, ist selbst daran schuld. Ich halte das aller-
dings für unredlich, weil man diese Personalkapazitäten
genau denjenigen Institutionen wegnimmt, die sie unbe-
dingt brauchen.

Ich füge noch eines hinzu. Für die 45 Stellen im
Robert-Koch-Institut sind im Personalplan 345 000 Euro
eingestellt. Rechne ich das auf 12 Monate und die Be-
schäftigten um, ergibt sich ein Wert von 694 Euro. Für die
11 Stellen im Bundesministerium sind 937 000 Euro ein-
gestellt. Rechne ich diesen Betrag in gleicher Weise um,
ergibt sich ein Betrag von 7 098 Euro. Was heißt das? –
Die Stellen im Bundesministerium können im Januar be-
setzt werden, während die Stellen beim Robert-Koch-In-
stitut frühestens ab September besetzt werden können.
Das zeigt ganz deutlich, dass diese Politik darauf abzielt,
erst einmal den eigenen Bauch zu füllen, statt die Vorsorge
zu treffen, die in den nachgeordneten Instituten unbedingt
notwendig ist. Ich halte das schlicht für eine verfehlte
Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Detlef Parr [FDP])


Meine Damen und Herren, ich will meine Rede mit fol-
gender resümierenden Bemerkung schließen: Im letzten
Jahr hatten wir eine grüne Ministerin, die gescheitert ist.
In diesem Jahr erleben wir eine rote Ministerin, die ge-
scheitert ist.


(Susanne Kastner [SPD]: Hier haben wir einen schwarzen Redner, der auch gescheitert ist!)





Dr. Michael Luther

20313


(C)



(D)



(A)



(B)


Es wird Zeit, dass wir wieder einen schwarzen Minister
bekommen.


(Lachen bei der SPD)

Ich empfehle an dieser Stelle: Herr Seehofer, übernehmen
Sie!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Klaus Kirschner [SPD]: Seehofer, der würde uns fehlen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420518100
Ich erteile dem Kolle-
gen Walter Schöler, SPD-Fraktion, das Wort.


Walter Schöler (SPD):
Rede ID: ID1420518200
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Ich hatte dem Kollegen Luther ein-
gangs meiner Rede ein Lob für seine hervorragende, sach-
liche Rede aussprechen wollen.


(Susanne Kastner [SPD]: Ein großer Fehler! – Zuruf von der CDU/CSU: Das muss man nicht!)


Dann erging er sich plötzlich in farbigen Bildern und
sprach von schwarzen Ministern. Daraufhin musste ich
mir das anders überlegen.

Lieber Kollege Luther, anscheinend wolltest du dar-
stellen, dass es zu Zeiten eurer Gesundheitsminister Blüm
und Seehofer in Deutschland eine heile Welt gab. Ich
habe, nachdem du schon etliche Jahr im Parlament bist,
den Eindruck, dass du einen harten Verdrängungsprozess
im Hinblick auf eure Regierungszeit hinter dir hast; denn
ihr kanntet nur Steigerungen bei den Versicherungsbeiträ-
gen auf der einen Seite und Kürzungen von Leistungen
sowie Zuzahlungen durch die Versicherten auf der ande-
ren Seite. Damals waren wir auf dem besten Weg in die
Zweiklassenmedizin, von der der Kollege Luther gerade
sprach. Wir wollen das nicht und werden es auch in den
nächsten Jahren zu verhindern wissen.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Sie wollen das über die Beitragserhöhung machen!)


Wo sind denn jetzt die Alternativen zu unserer Politik?

(Zuruf von der CDU/CSU: Zu welcher Politik denn? Ihr habt doch gar keine!)

Das, was von der Opposition vorgeschlagen wird, läuft
immer auf dasselbe hinaus. Sie wollen das Solidaritäts-
prinzip aushöhlen.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Nicht von dieser Opposition!)


– Das, was von der Opposition auf dem rechten Flügel
kommt, liebe Barbara Höll. Die Opposition will wirklich
das Solidaritätsprinzip aushöhlen.

Die Opposition sollte endlich damit aufhören, die Be-
völkerung zu verunsichern, denn auch Sie wissen ganz ge-
nau: Die Leistungsfähigkeit und Qualität unseres Ge-
sundheitssystems sind unverändert hoch. Uns geht es
darum, dass diese hohe Qualität der Versorgung allen zu-

gute kommt, egal ob gesetzlich, freiwillig oder privat ver-
sichert. Dafür werden wir uns einsetzen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Die Qualität müsste verbessert werden!)


Wir haben in den letzten drei Jahren eine Fülle gesetz-
geberischer Maßnahmen eingeleitet. Große Teile davon
sind schon in Kraft.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was für welche?)

– Gucken Sie ins Bundesgesetzblatt! Da kann man das
nachlesen. – Die Grundsätze unserer Gesundheitspolitik
ziehen sich wie ein roter Faden durch die Reform-
maßnahmen. Aus jedem dieser Gesetze wird deutlich: Im
Mittelpunkt unseres Denkens und Handelns stehen die
Kranken und Pflegebedürftigen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Erst unter unserer Regierung ist die Gesundheitspolitik
patientenorientiert geworden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Deshalb bekommen sie auch die Leistungen nicht mehr!)


Wir setzen mit unseren Maßnahmen dort an, wo die Ur-
sachen liegen. Die Zeiten, in denen man, wie unter der
früheren Regierung, den einfachen Weg einer ständig
steigenden Selbstbeteiligung der Patienten gegangen ist,
sind bei uns vorbei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist dummes Zeug!)


Wir halten am solidarisch finanzierten Gesundheitswesen
fest. Ihr Weg hätte zu einer Grundversorgung geführt. Das
wäre der Weg in die Zweiklassenmedizin; denn die Wahl-
leistungen wären teuer zu bezahlen und das können sich
viele Menschen – das wissen Sie ganz genau – überhaupt
nicht leisten. Auch die von der FDP vorgeschlagene Fest-
schreibung des Arbeitgeberanteils kann nicht der richtige
und erst recht nicht unser Weg sein.


(Detlef Parr [FDP]: Wir müssen es zum Lohnbestandteil machen!)


Einig sind wir uns darin, Herr Parr: Weitere Struktur-
reformen im Gesundheitswesen sind sicherlich notwen-
dig.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Aber vorher nicht darüber sprechen!)


Dazu gehört zum Beispiel die Ausschöpfung von Wirt-
schaftlichkeitsreserven. Auch da hat die frühere Regie-
rung sträflich versagt. Sie haben sich – das tun Sie heute
noch – an dem Gerangel von Ärzten, Kliniken und Phar-
maindustrie um das größte Stück am Beitragsaufkommen
orientiert. Das war Ihre Politik! Wir hingegen haben die
Gesundheitspolitik jetzt auf den richtigen Weg gebracht.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: In die ruhige Hand!)





Dr. Michael Luther
20314


(C)



(D)



(A)



(B)


Die hausärztliche Versorgung wurde gestärkt. Die Ver-
sorgungsqualität haben wir erhöht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das merkt nur keiner!)


Die Transparenz wurde verbessert. Die Verzahnung des
ambulanten und des stationären Sektors ist ein wichtiger
Ansatz zur Lösung der Probleme. Prävention wurde wie-
der zu einem herausragenden Thema der Gesundheitspo-
litik.


(Klaus Kirschner [SPD]: Das haben die anderen abgeschafft!)


Nicht zuletzt haben wir auch erreicht, dass Ost und West
nicht – wie bei Ihnen noch geschehen – weiter ausei-
nander wachsen, sondern schneller zusammenkommen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zurufe von der CDU/CSU)


– Meine Damen und Herren, Sie können so viel dazwi-
schenrufen, wie Sie wollen! – Sie müssen wissen: Ge-
sundheitspolitik bedeutet Verantwortung. Die Menschen
haben ein Recht auf optimale Versorgung und Pflege nach
dem modernsten Stand der Medizin.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Warum geben Sie sie ihnen nicht?)


Ich will jetzt auf einige Schwerpunkte des Gesundheits-
etats eingehen. Zwar hat sich der Kollege Luther schon
darum bemüht, aber offensichtlich hat er einen anderen
Entwurf gelesen bzw. sein Wissen aus der „Leipziger
Volkszeitung“ bezogen, in der unser Entwurf bisher nicht
steht.

Der Einzelplan 15 hat im Jahr 2002 ein Ausgabevolu-
men von rund 1,39Milliarden Euro. Das erscheint auf den
ersten Blick etwas bescheiden, zumindest gemessen an
den mehr als 500 Milliarden DM, die die Menschen jähr-
lich für ihre Gesundheit aufwenden und von denen rund
die Hälfte aus Beiträgen der gesetzlichen Krankenver-
sicherung finanziert wird.

Im Vergleich zum laufenden Jahr steigt der Gesund-
heitsetat um 50 Prozent – dazu haben bei mir sehr viele
aufgeregt nachgefragt, wie das denn sein könne; bei an-
deren Ministerien sei das nicht so –, und zwar von
907 Millionen Euro auf 1,39 Milliarden Euro. Das hängt
mit der im Jahr 2002 fällig werdenden Rückzahlung eines
Vorschusses – nicht eines Zuschusses, Herr Kollege
Luther – in Höhe von 562 Millionen Euro zusammen.


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Das habe ich schon richtig zitiert!)


Diesen Betrag hatte die frühere Regierung im Jahre 1995
bei den Pflegekassen gepumpt. Den hat sie sich einfach
auf Pump zinslos genommen, allerdings für einen guten
Zweck, nämlich zur Anschubfinanzierung von Investi-
tionen in den neuen Bundesländern. Dieser Betrag ist im
nächsten Jahr fällig und deshalb in den Haushalt einge-
stellt.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Jedenfalls haben wir uns das Geld nicht von der Pharmaindustrie geholt!)


Wenn man diesen Betrag unberücksichtigt lässt, dann
kann man feststellen: Der Einzelplan 15 leistet auch im
Jahr 2002 seinen Beitrag zur Konsolidierung des Gesamt-
haushalts. Bei allen notwendigen Sparbemühungen stellt
er die Finanzierung wichtiger gesundheitspolitischer
Maßnahmen sicher.

Das mit den 9 Prozent – das haben Sie eben bei den
Kürzungen angesprochen – hängt unter anderem damit
zusammen, dass der Verbraucherschutz in das Ministe-
rium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirt-
schaft ausgelagert worden ist. Da muss man also richtig
rechnen. Im Übrigen ist auch nicht richtig, dass der ge-
sundheitliche Verbraucherschutz ausgelagert worden ist,
wie Sie, Herr Kollege Luther, gesagt haben. Dieser Teil
bleibt beim Ministerium. Dafür richten wir sogar ein ei-
genes Referat ein. Das ist im Haushalt nachzulesen.


(Klaus Kirschner [SPD]: Da müssten sie ja den Haushalt lesen können!)


Bemerkenswert ist auch die Erhöhung des Ansatzes für
gesundheitliche Aufklärung um fast 25 Prozent gegen-
über dem laufenden Jahr. Diese Steigerung der Mittel für
die Aufklärung zeigt die große Bedeutung, die gesund-
heitliche Prävention für uns hat.


(Beifall bei der SPD)

Für Sie, Herr Seehofer, kann gesundheitliche Prävention
trotz aller gegenteiligen Beteuerungen diese Bedeutung
nicht gehabt haben, denn Sie haben die Mittel seit der da-
maligen Ausgründung des Gesundheitsministeriums um
nahezu ein Drittel gekürzt. Sie haben am Etat des Ge-
sundheitsministeriums fortwährend Kürzungsoperati-
onen vorgenommen und etliche Bereiche über das ver-
tretbare Maß hinaus beschnitten.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wer hat ihm denn den Unsinn aufgeschrieben?)


Bei diesen Haushaltsoperationen zulasten der Menschen
waren Sie gemeinsam mit Ihrem Finanzminister offen-
sichtlich stets sehr begnadete Chirurgen.

Wir haben Ihren falschen Kurs umgekehrt. Die Mittel
für gesundheitliche Aufklärung werden gegenüber dem
laufenden Jahr um 1 Million Euro gesteigert. Für Maß-
nahmen zur gesundheitlichen Aufklärung sind 5 Milli-
onen Euro eingesetzt. Die Ausgaben für die Aidsauf-
klärung mit 9 Millionen Euro sowie für die Aufklärung
gegen Drogenmissbrauch mit 6 Millionen Euro haben wir
auf hohem Niveau verstetigt.

Meine Damen und Herren, in der Sucht- und Drogen-
politik setzen wir unsere Reformpolitik ebenfalls fort. Bei
der Drogenpolitik der alten Regierung hatte man häufig
den Eindruck, dass die Drogensüchtigen selbst bekämpft
wurden und nicht die Drogensucht.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Worauf führen Sie denn zurück, dass die Zahl der Drogentoten steigt?)


Dabei ist Sucht anerkanntermaßen Krankheit und Sucht-
kranke brauchen deshalb in erster Linie Hilfe, Herr
Lohmann.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wenn sie tot sind, ist es zu spät!)





Walter Schöler

20315


(C)



(D)



(A)



(B)


Unsere Sucht- und Drogenpolitik umfasst gleicher-
maßen die notwendigen Säulen Prävention, Therapie,
Überlebenshilfe, Schadensminderung und Repression.
Unter Federführung der Drogenbeauftragten der Bundes-
regierung wird im nächsten Jahr ein „Aktionsplan Sucht
und Drogen“ erarbeitet. Für uns sind dabei folgende Prin-
zipien wichtig: Die einseitige Gewichtung von Problemen
mit illegalen Drogen muss endlich aufgebrochen werden.
Die Probleme durch Tabak und Alkohol sowie Medika-
mentenabhängigkeit müssen viel stärker in den Mittel-
punkt der Aufmerksamkeit gerückt werden.


(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen muss die Suchtpolitik die europäische Ebene
einbeziehen, weil die Problematik nur europaweit gelöst
werden kann.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch bei der Ökosteuer so!)


Prävention muss gestärkt werden, denn Hilfen errei-
chen die Betroffenen oft erst viel zu spät. Dafür stellen wir
die notwendigen Haushaltsmittel bereit. Wir greifen so
ein für viele Menschen aus leidvoller Erfahrung be-
drückendes Thema auf.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum
BfArM, zu dem ich im letzten Jahr hier schon eingehend
Stellung bezogen habe. Das Institut war ins öffentliche
Gerede gekommen; das konnte man nicht hinnehmen. Wir
haben hier gehandelt; denn die Zulassung von Arzneimit-
teln ist nicht nur eine bedeutende Aufgabe, sondern sie ist
für Patienten oft lebenswichtig. Auf zugelassene Patien-
ten muss man sich verlassen können.

Anträge auf Nachzulassungen waren aber in erhebli-
chem Umfang nicht bearbeitet, gehörten schließlich zu
dem Erbe, das Sie uns hinterlassen hatten. Warum war das
so? – Herr Seehofer, Sie hatten es zugelassen, dass beim
Bundesinstitut fürArzneimittel und Medizinprodukte
Personalmangel herrschte. Viele Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter wurden nur mit Zeitverträgen eingestellt. Sie
wussten ganz genau – haben es aber nie offen gesagt –,
dass neben einem Berg von unerledigten Anträgen auf
Nachzulassung auch die gesetzlich vorgeschriebene Wie-
derzulassung der Arzneimittel nach jeweils fünf Jahren im
Argen lag. Da lief gar nichts mehr.

Wir haben in unserer Regierungszeit nicht nur zusätzli-
ches Personal zur Verfügung gestellt, wir haben mit dem
Haushalt 2002 auch 110 der insgesamt 245 Stellen mit kw-
Vermerk in zeitlich unbefristete Stellen umgewandelt. Das
dient dem Abbau einer überdurchschnittlichen Personal-
fluktuation, die man sich in diesem Institut nicht erlauben
kann, und der nachhaltigen Gewinnung von qualifiziertem
Personal. Es gibt im Übrigen den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern auch eine langfristige Berufsperspektive.

Wir knüpfen an diese Maßnahmen natürlich auch die
Erwartung, dass die Rückstände jetzt zügig bearbeitet
werden und dass es eine ordnungsmäßige Sachbearbei-
tung gibt, insbesondere bei der Zulassung und Wieder-
zulassung von Arzneimitteln. Das gilt auch für die Be-
obachtung von Arzneimittelrisiken. Deshalb haben wir
– wie ich eben schon sagte – auch die Personalsituation

beim gesundheitlichen Verbraucherschutz in diesem Zu-
sammenhang verbessert.

Schon lange vor den Bioterroranschlägen in den USA
war für jeden erkennbar: Das Jahrzehnte alte Bundesseu-
chengesetz entsprach nicht mehr modernen Anforderun-
gen. Was haben Sie während Ihrer Regierungszeit dage-
gen unternommen? – Nichts, schlichtweg nichts.

Wir haben im letzten Jahr das Seuchenrecht reformiert
und das Infektionsschutzgesetz in Kraft gesetzt.


(Klaus Kirschner [SPD]: Sehr gut! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Das mussten Sie nur aus den Schubladen ziehen und veröffentlichen!)


Der Etat sieht dafür im Übrigen, Herr Kollege Luther,
14 zusätzliche Stellen vor. Als zu befürchten war, dass es
auch in der Bundesrepublik Anschläge mit Anthrax oder
ähnlichen Bakterien bzw. Viren geben könnte, haben wir
sofort gehandelt. Das können Sie in der Antwort der Bun-
desregierung auf Ihre Kleine Anfrage nachlesen.

Aus dem Antiterrorpaket fließen dem BMG 12 Milli-
onen Euro zu. Davon erhalten das Bundesministerium,
das Paul-Ehrlich-Institut und das Robert-Koch-Institut
5Millionen Euro für 61 neue Stellen in den Bereichen Ka-
tastrophenschutz, Zulassung und Entwicklung von Impf-
stoffen sowie Gefahrenabwehr bei terroristischen Angrif-
fen mit biologischen Waffen.


(Beifall bei der SPD)

Weil wir wissen, dass die Bevölkerung in Sorge ist, ha-

ben wir eine Informationsstelle Bioterrorismus am RKI
eingerichtet. Zum Ausbau eines Hochsicherheitslabors
zur Untersuchung hochinfektiöser Krankheitserreger
werden im kommenden Jahr 7 Millionen Euro als Inves-
titionsmittel bereitgestellt. In den nächsten drei Jahren
werden wir nochmals 18 Millionen Euro, die als Ver-
pflichtungsermächtigung veranschlagt werden, zur Verfü-
gung stellen.

Ich möchte der Berichterstatterrunde, die sich in meh-
reren Sitzungen mit dem Haushalt befasst hat, für die kol-
legiale Zusammenarbeit herzlich danken. Für die Vorbe-
reitung und Begleitung bei den Beratungen gilt auch
Ihnen, Frau Ministerin Schmidt, und den Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern Ihres Hauses mein herzlicher Dank.

Noch ein Wort an Sie, meine Damen und Herren von
der Opposition auf der rechten Seite – damit Frau Höll
nicht wieder mit mir schimpft; das gilt aber auch für die
PDS –:


(Klaus Kirschner [SPD]: Sie haben ziemlichen Respekt vor Frau Höll!)


Als Opposition ist es sicherlich eine Ihrer wichtigsten
Aufgaben, die Regierung zu kritisieren. Gleichwohl soll-
ten Sie dabei eines nicht aus den Augen verlieren: Es
stünde Ihnen gut an, Alternativen zu unserer Politik auf-
zuzeigen. Dies sind Sie auch bei den diesjährigen Haus-
haltsberatungen schuldig geblieben.


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Sie sollten ab und zu die „Leipziger Volkszeitung“ lesen!)





Walter Schöler
20316


(C)



(D)



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(B)


In unserer Regierungszeit, besonders im laufenden
Jahr, ist vieles von der Bundesregierung auf den Weg ge-
bracht und einiges sogar schon zu Ende geführt worden.
Unserer Politik lagen dabei ganz bestimmte Handlungs-
maximen zugrunde.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Welche?)


Ich fasse kurz zusammen: Stärkung der Patientenorientie-
rung, qualitative Verbesserung der Versorgung von Pati-
enten und Pflegebedürftigen sowie die Erhaltung des so-
lidarischen Krankenversicherungssystems bis hin zur
Ausschöpfung der Wirtschaftlichkeitsreserven, was eine
noch größere Aufgabe darstellt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Alles Blabla!)


Mein Fazit: Wir haben viel für die Menschen erreicht.

(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Jetzt reicht es den Menschen!)

Die Bilanz unserer bisherigen drei Regierungsjahre ist po-
sitiv. Sie können sicher sein: Wir werden unsere erfolg-
reiche Politik auch nach dem Jahr 2002 fortsetzen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Jetzt bitte keine Drohungen!)


Herzlichen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420518300
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Detlef Parr, FDP-Fraktion.


(Wolfgang Lohmannd [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Er hat schon einen schwarzen Anzug an!)



Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1420518400
Herr Präsident! Meine Damen und
Herren! Herr Kollege Schöler, ich habe mich heute Mor-
gen vor meinem Kleiderschrank anscheinend richtig ent-
schieden, als ich den schwarzen Anzug gewählt habe,
denn diese Gesundheitspolitik wird immer mehr zu einem
Trauerfall.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Dass der Patient jetzt auch noch einer Zulassung be-
darf, übertrifft wohl jedes Maß an Regulierung, Herr Kol-
lege Schöler.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

ABAG folgt AABG und der RSA mit DMP. Wer soll da
noch durchschauen?

Die Bundesregierung stolpert von einer Fußangel in
die nächste,


(Zuruf des Abg. Klaus Kirschner [SPD])

Herr Kirschner. Sie kuriert in immer kürzeren Zeitabstän-
den hektisch an Symptomen. Jeder spürt immer deutli-
cher: Es wird nichts nützen.

Seit der Änderung des letzten Neuordnungsgesetzes,
Herr Kollege Seehofer, haben wir drei Jahre lang die
Chance auf Reformen leichtfertig vertan.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Richtig! – Walter Schöler [SPD]: Ihr, ja!)


Nach dem Willen des Kanzlers soll es auch im verblei-
benden Jahr keine Reform mehr geben.


(Zuruf der Abg. Regina Schmidt-Zadel [SPD])

– Frau Schmidt-Zadel, wie eine Monstranz haben Sie die
Beitragssatzstabilität vor sich hergetragen und für Milli-
onen aufrechte Beitragszahler steigen die Beiträge auf
breiter Front. Das ist das schmerzliche Ergebnis. Wachs-
tum haben wir uns anders vorgestellt.


(Beifall bei der FDP)

„Arbeit, Arbeit, Arbeit“ – so hieß es 1998 auf den

Wahlplakaten der SPD. Jetzt laufen Ihnen die Lohnzu-
satzkosten aus dem Ruder. Arbeit wird immer teurer. Die
Arbeitslosigkeit wächst. Wachstum haben wir uns anders
vorgestellt.

Diese Entwicklung hat nichts, rein gar nichts mit dem
11. September und der weltweiten Konjunkturschwäche
zu tun. Sie ist allein Ergebnis des Missmanagements und
des fehlenden Reformmutes dieser Regierung.

Die Beitragssätze laufen davon, weil die Regierung
unfähig war, die anderen sozialen Sicherungssysteme zu
reformieren und ein Gleichgewicht herzustellen. Sie hat
deshalb einen unverantwortlichen Verschiebebahnhof zu-
lasten der GKV konstruiert. Zur Erinnerung: Der scham-
lose Griff in die Taschen der GKV-Beitragszahler beläuft
sich auf jährlich über 8 Milliarden DM, von der Absen-
kung der Krankenversicherungsbeiträge für Arbeitslosen-
hilfeempfänger über Mehrausgaben beim Krankengeld bis
hin zu geringeren Beitragseinnahmen, weil die Bundesre-
gierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Bei-
tragserhebung bei freiwillig versicherten Rentnern einfach
aussitzt. Diese Reihe könnte noch fortgesetzt werden.

Der Gesetzgeber legt in der Renten- und Arbeitslosen-
versicherung die Beitragssätze fest. Das ist in der Kran-
kenversicherung anders. Da obliegt diese Aufgabe der
einzelnen Krankenkasse. Was liegt da näher, als eine ver-
fehlte Sozialpolitik auf diese Ebene zu verlagern? Sie hof-
fen wohl, dass sich der Volkszorn über den Griff ins Por-
temonnaie dort und nicht bei denjenigen entlädt, die
eigentlich die Verantwortung dafür tragen.

Man sollte erwarten, dass, wenn schon die Beitrags-
sätze nicht stabil bleiben, zumindest die Leistungen aus-
reichen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Ja, eben!)


Aber auch hier gilt: Weit gefehlt. Budgeturlaub nimmt zu,
immer mehr Praxen werden zeitweise geschlossen, Ratio-
nierung ist im Gesundheitswesen kein Fremdwort mehr,
sondern Realität. Das neue Motto lautet wohl: mehr Geld
im System bei weniger Leistungen für den Versicherten.
Das ist eine seltsame Gleichung.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wachstum haben wir uns anders vorgestellt!)





Walter Schöler

20317


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich bin davon überzeugt – daran kann auch ein runder
Tisch mit hinhaltenden Konsensgesprächen nichts än-
dern –: Die Stunde der Wahrheit ist in diesem Jahr ge-
kommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Klaus Kirschner [SPD]: Nächstes Jahr vor allem!)


Wir müssen der Bevölkerung jetzt offen sagen, dass mit
begrenzten Mitteln nicht unbegrenzt medizinische Leis-
tungen in Anspruch genommen werden können.


(Klaus Kirschner [SPD]: Hat nie jemand etwas anderes behauptet!)


– Herr Kirschner, als wir heute Morgen beim „Handels-
blatt“ gesessen haben, hätte ich schon ganz gerne eine
Antwort von Ihnen auf die Frage gehört, wie Sie das
zukünftig lösen wollen. Wir leben nicht in einem Land
– so kommt es Ihnen ja offensichtlich vor –, in dem Milch
und Honig fließen.

Allzu lange hat die Bundesregierung, wie ich denke,
dem Irrglauben gefrönt, sie könne ohne schmerzhafte
Konsequenzen immer neue Wohltaten verteilen: redu-
zierte Zuzahlungen, Zuzahlungsbefreiung für jeden chro-
nisch Kranken unabhängig vom Einkommen, Soziothera-
pie, Wiedereinführung von Leistungen für den Zahnersatz
bei Jugendlichen,


(Klaus Kirschner [SPD]: Das ist vernünftig!)

Rücknahme packungsgrößenbezogener Zuzahlungen bei
Arzneimitteln – das hatte ja entsprechende Folgen –, Un-
terstützung von Verbraucherberatungsstellen und Selbst-
hilfegruppen sowie medizinische Fußpflege – die wurde
von Ihnen auch noch in die Liste aufgenommen.


(Klaus Kirschner [SPD]: Haben Sie dagegen gestimmt?)


Wer findet solche Maßnahmen eigentlich nicht gut und
hilfreich, Herr Kirschner? Wenn das aber bedeutet, dass
dafür medizinisch Notwendiges nicht zu bekommen ist
oder nur nach längeren Wartezeiten oder dass die Bei-
tragssätze auf breiter Front steigen, wie wir es jetzt erle-
ben, und damit zwangsläufig das verfügbare Einkommen
sinkt, darf wohl die Frage erlaubt sein: Wer gibt uns Poli-
tikern eigentlich das Recht, so zu handeln und damit die
Entscheidungsfreiheit des Einzelnen immer mehr einzu-
engen?


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Walter Schöler [SPD]: Was sagt die AOK Rheinland dazu?)


So kommen wir nicht weiter; dass wir uns hier in ei-
nem Teufelskreis befinden, wissen auch Sie. Ihre kurzfris-
tige hektische Politik führt zu Atemlosigkeit.


(Susanne Kastner [SPD]: Nun reicht es mit diesem Aneinanderreihen!)


Ihnen geht offensichtlich auf der Zielgerade die Puste aus.
Sie haben nicht mehr die Kraft, das Notwendige zu tun.

Nun kommt sicherlich die Frage, die wir auch vom
Herrn Bundeskanzler gestern Morgen mehrfach und in

selten spürbarer Hilflosigkeit – so habe ich es jedenfalls
empfunden – gestellt bekommen haben: Welches Konzept
haben Sie denn? Was würden Sie denn konkret tun?

Fangen wir bei den Arbeitgeberbeiträgen an, Herr
Kirschner. Wir müssen die Arbeitgeberbeiträge auszah-
len, um damit dem einzelnen Versicherten mehr Möglich-
keiten zu geben, eigenverantwortlich zu handeln.


(Klaus Kirschner [SPD]: Wo soll denn da die Eigenverantwortung sein?)


Die Koppelung von GKV-Ausgaben und Lohnkosten ist
ein Fluch, wenn es um den Erhalt oder die Schaffung von
Arbeitsplätzen geht. Das wissen Sie wie ich. Schreiben
Sie den Menschen nicht in immer mehr Bereichen vor,
was sie zu wollen haben. Geben Sie ihnen mehr Freihei-
ten, ihren Versicherungsschutz nach eigenen Vorstellun-
gen zu gestalten.


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Freiheit für die Krankheit? Toll!)


Auch die Krankenkassen warten darauf, ihren Pflichtleis-
tungskatalog um eigene Angebotspaletten zu erweitern
und damit in einen wirklichen Wettbewerb einzutreten.


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Wir kaufen im Kaufhaus eine Krankheit!)


Schaffen Sie Transparenz im Gesundheitssystem! Sie
legen Friedhöfe für Datensammlungen an, Sie installieren
gigantische Kontroll- und Überwachungssysteme und
stärken den MDK. Viel wichtiger wäre es, die Position
von Patient und Arzt zu stärken, indem beide im Rahmen
der Kostenerstattung erfahren, wie hoch die Festpreise für
medizinische Leistungen liegen. Nur derjenige kann sich
kostenbewusst verhalten, der weiß, wie teuer diese Leis-
tungen sind. Auch das fällt unter das Stichwort Eigenver-
antwortung, nicht nur die Frage der Zuzahlungen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Krankenkassenwahlrecht ist ein Recht für alle.
Fahren Sie eine Informationskampagne, um den Men-
schen nahe zu bringen, dass sie sich alle eine preisgüns-
tige Krankenkasse aussuchen können, ohne negative
Konsequenzen für die benötigten Gesundheitsleistungen
befürchten zu müssen, und zwar auch dann, wenn sie alt,
krank oder behindert sind! Wir haben vom Wettlauf um
Gesunde gesprochen. Im Zusammenhang mit dem DMP
sprechen wir vom Wettlauf um Kranke. Wir denken aber
nie daran, dass es keine Einbahnstraße ist, sondern dass es
auch darum geht, dass die Menschen ihre Chancen im
Hinblick auf die Nutzung ihres Krankenkassenwahlrechts
ergreifen.

Schaffen Sie endlich die Budgetierung ab und über-
lassen Sie es den Verhandlungspartnern, den gesetzlich
vorzugebenden Rahmen für ein leistungsgerechtes Sys-
tem der Finanzierung miteinander zu vereinbaren. Warum
glauben Sie eigentlich trotz aller gegenteiligen Erfahrun-
gen immer noch, dass wir Politiker besser wüssten, wel-
cher Mitteleinsatz bundesweit für eine gute Versorgung
der Bevölkerung erforderlich ist, als diejenigen, die im
Gesundheitswesen arbeiten?




Detlef Parr
20318


(C)



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(A)



(B)


Führen Sie ein Benchmarking bei den Verwaltungs-
ausgaben der Krankenkassen ein! Hohe Verwaltungsaus-
gaben gehen leider nicht mit einer besonders guten Ver-
sorgung von Versicherten und Patienten einher. Herr
Schöler, Sie haben von Wirtschaftlichkeitsreserven ge-
sprochen. Das ist ein Bereich, den wir auch in dieser Hin-
sicht angehen müssten.


(Walter Schöler [SPD]: Ja, jetzt handeln! – Klaus Kirschner [SPD]: Versandhandel!)


Nutzen Sie auch den Wettbewerb als Mittel, um eine
größtmögliche Effizienz zu erreichen! Fördern Sie die
Kreativität der Marktteilnehmer, anstatt den Markt durch
immer neue Spielarten bürokratischer Reglementierun-
gen zu ersticken.

Herr Kirschner, Sie haben die gleiche Einladung be-
kommen wie ich, nämlich die Einladung des Bundeswirt-
schaftsministers und der Bundesgesundheitsministerin zu
einem „Zukunftsmarkt Gesundheit“ am 6. Dezember.


(Walter Schöler [SPD]: Und der Nikolaus hat schon wieder einen roten Mantel! Das ist ja irre!)


Das ist wirklich eine angenehme Nikolausüberraschung.
Eines aber ist verwunderlich: Wenn wir fordern, mehr
marktwirtschaftliche Elemente in unser Gesundheitssys-
tem einzubauen, dann schreien Sie auf und beschwören
die Solidargemeinschaft. In dieser Einladung ist plötzlich
die Rede vom Gesundheitswesen als Wirtschaftsfaktor
ersten Ranges.


(Walter Schöler [SPD]: Das ist bei Ihnen doch immer so gewesen!)


Da werden mehr als 500 Milliarden DM Umsatz bei
3,5 Millionen Beschäftigten genannt. Da werden die Bio-,
die Gen-, die Informations- und die Medizintechnologie
als Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts aufge-
führt.


(Walter Schöler [SPD]: Eine gute Regierung!)

Da wird die Befürchtung geäußert, dass die Belastungen
für die Versicherten und Unternehmer ansteigen werden.
Welch fundamentale Erkenntnisse!

Am tollsten ist aber die Frage, die sich der Bundes-
wirtschaftsminister und die Bundesgesundheitsministerin
sozusagen Arm in Arm stellen:

Welche Möglichkeiten gibt es, diese Belastungen zu
begrenzen, ohne die im Wachstumsmarkt Gesund-
heit liegenden Chancen zu vergeben?

Das ist wirklich die Kernfrage, liebe Kolleginnen und
Kollegen. Sie stellen sie jetzt – mit großer Verspätung.
Die FDP hat sie längst beantwortet und in ihr Zukunfts-
konzept eingearbeitet. Weniger Bismarck und mehr Graf
Lambsdorff – oder mehr Ludwig Erhard, wie Sie sagen
würden – ist die Parole.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir erwarten durch dieses Symposium mehr und mehr
Rückenwind für unsere Vorschläge, letztlich vielleicht
auch durch Wirtschaftsminister Müller.

Frau Ministerin, ich gönne es Ihnen ja nicht, aber ich
habe mich an ein Zitat Goethes in „Der Fischer“ erinnert,
das ich jetzt im Hinblick auf das Verhältnis zwischen
Herrn Müller und Ihnen leicht verfremden will: Halb zog
er sie, halb sank sie hin und ward nicht mehr gesehen.


(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Eine letzte Bemerkung zur Pflegeversicherung.Auch
dort häufen sich die Probleme. Ich glaube, wir tragen ge-
meinsam viele Problemlösungen vor und wollen auch ge-
meinsam agieren, aber wir müssen auch die Fragen stel-
len, die wichtig sind und deshalb gestellt werden müssen.
So möchten wir in diesem Bereich gerne über die zweite
Säule der kapitalgedeckten Absicherung und eine stärkere
Ausrichtung an Bedürftigkeitskriterien diskutieren und
darüber nachdenken, wie der Pflegenotstand in den nächs-
ten Jahren verhindert bzw. abgebaut werden kann, und
zwar nicht nur durch Greencard-Aktionen, sondern auch
durch die beiden Anträge. Frau Schmidt-Zadel, Sie haben
dazu im Ausschuss genickt.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Ich muss also aufpassen, wenn ich nicke!)


Sie mussten es aus fiskalischen Gründen ablehnen,
eine Imagekampagne für Pflegeberufe ins Leben zu rufen,
damit die jungen Menschen diesen Beruf wieder ergreifen
und möglichst lange in diesem Beruf verweilen. Unser
Wunsch war weiterhin, die Mittel für die Erprobung neuer
Versorgungsformen bei Pflegebedürftigen aufzustocken.
Diesen unseren Wünschen konnten Sie nicht zustimmen.
Ich glaube, dass wir in diesem Bereich in der Sache doch
eine gemeinsame Grundlage finden können.

Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Alle Wünsche kann man nicht erfüllen, Herr Parr!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420518500
Ich erteile der Kolle-
gin Katrin Göring-Eckardt, Bündnis 90/Die Grünen, das
Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

gen! Lieber Herr Parr, aus meiner Erfahrung mit der ko-
alitionsinternen Arbeitsweise kann ich Ihnen sagen: Frau
Schmidt-Zadel nickt sehr oft, da sie freundlich ist. Das
heißt nicht immer, dass sie dem zustimmt, was die andere
Seite möchte.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Detlef Parr [FDP]: Das ist sehr bedauerlich! Ich hatte angenommen, sie wäre in der Tiefe meiner Gedanken mit mir!)


Eine zweite Bemerkung: Sie haben lange über die Tat-
sache referiert, dass sich Wirtschaftsminister und Ge-
sundheitsministerin mit dem Arbeitsmarkt auf dem Ge-
biet der Gesundheit beschäftigen. Ich persönlich halte das




Detlef Parr

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(C)



(D)



(A)



(B)


für einen sehr guten Ansatz; Sie hoffentlich auch. Das
Problem ist: Sie gönnen es uns offensichtlich nicht, dass
wir auf diesem Gebiet etwas tun. Freuen Sie sich darüber
und arbeiten Sie auf diesem Feld mit! Sorgen Sie auf der
einen Seite dafür, dass wir diese Zusammenarbeit von Ge-
sundheitssektor und Wirtschaft dazu nutzen, mehr
Arbeitsplätze auch in diesem Bereich zu schaffen!


(Detlef Parr [FDP]: Sehr richtig!)

Sorgen Sie auf der anderen Seite mit uns gemeinsam
dafür, dass die Ausweitungen an den Stellen stattfinden,
an denen sie tatsächlich notwendig sind!


(Detlef Parr [FDP]: Sie brauchen einen Systemwandel!)


Eine dritte Bemerkung: Herr Parr, nachdem wir hier
Ihre Vorschläge zu den Reformen im Gesundheitswesen
gehört haben, finde ich: Als Patienten kann man Sie zu-
lassen, als Therapeuten lieber nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte im Rahmen des Haushaltsplanes auf zwei

Dinge eingehen. Erstens. Wir wollen in der Gesundheits-
politik einiges voranbringen. Herr Schöler hat die ent-
sprechenden Zahlen genannt. Ich will noch einmal die
Stichworte nennen: Das eine sind die Mittelaufwächse bei
der gesundheitlichen Aufklärung. Ich glaube, hier wird
sehr deutlich, dass es uns einerseits um Information und
andererseits um Prävention geht. Beides ist in Ihrer Re-
gierungszeit in der Tat vernachlässigt worden.

Wir haben nicht nur im Gesundheitssystem selbst, son-
dern auch im Haushaltsplan tatsächlich eine Umsteuerung
erreicht, die in den zuständigen staatlichen Institutionen
dafür sorgt, dass Information und Prävention vorange-
trieben werden. Wenn Sie sich beispielsweise Veröffentli-
chungen der Zentrale für gesundheitliche Aufklärung an-
schauen und das in der Bevölkerung hinterfragen, dann
werden Sie wahrscheinlich feststellen, dass wir uns hier
der Erfüllung des Informations- und Vorsorgebedürfnis-
ses der Bevölkerung sehr stark annähern. Ich finde, das ist
eine wirklich gute Sache.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zweitens. Ich möchte die Mittel- und Stellenaufwächse
gerade im Bereich dessen, was wir als Krisenbekämp-
fung bezeichnen, nennen. Hier gibt es natürlich ein
großes Bedürfnis der Bevölkerung und auch eine Not-
wendigkeit der staatlichen Fürsorge. Hier sind Stellen
eingerichtet worden, übrigens auch im Ministerium. Herr
Luther, ich finde es völlig richtig, dass es im Ministerium
zusätzliche Stellen gibt, weil dort Handlungsoptionen
vorbereitet werden müssen. Sie wären wahrscheinlich
dann, wenn das Ministerium nicht rechtzeitig auf das rea-
giert, was notwendig ist, der Erste, der Zeter und Mordio
schreien würde, weil die Bevölkerung nicht rechtzeitig
gewarnt worden ist oder weil Maßnahmen nicht rechtzei-
tig ergriffen worden sind. Also, stimmen Sie bitte gerade
diesen Aufwächsen, was die Mittel und die neuen Stellen,
auch die im Ministerium, angeht, zu!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Horst Seehofer [CDU/CSU]: Was sind Aufwächse? – Zuruf von der SPD: Im Ausschuss haben die das getan!)


– Das werden sie dann vielleicht auch hier tun. Darauf
können wir uns sicher verständigen.

Damit bin ich bei den Dingen, die uns im Gesund-
heitssystem gemeinsam beschäftigen. Hier nehmen wir
heute zur Kenntnis – und das nicht erst seit heute –, dass
es in der Tat im System aufwachsende Beiträge gibt.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Ist das eine vornehme Umschreibung für steigende Beiträge?)


Sie wissen, dass wir die Frage der Beitragssatzstabilität
in unserer Regierungszeit nicht nur im Gesundheitssys-
tem, sondern auch in den anderen Sozialversicherungs-
systemen zur zentralen Aufgabe gemacht haben.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Dürfen wir Beitragsaufwüchse mit Beitragssteigerung übersetzen?)


Ich stehe weiterhin dazu, dass das notwendig ist.
Wir haben eine ganze Reihe von Reformen, die in die-

sem Bereich notwendig gewesen sind, auf den Weg ge-
bracht. Ich nenne beispielhaft die Themen „Hausärzte“
und „integrierte Versorgung“. Wir müssen zur Kenntnis
nehmen, dass die Reformen, die wir hier unternommen
haben, aus unterschiedlichen Gründen – da will ich nicht
nur in die Richtung der Opposition schauen – noch nicht
ausgereicht haben. Ich finde, man sollte nicht darum he-
rumreden, sondern es an dieser Stelle deutlich sagen.

Wir haben auf der einen Seite die Reform im Kranken-
hausbereich nicht so voranbringen können, wie wir es
wollten. Sie wissen, dass die Länder bei der Gesundheits-
reform eine Blockadehaltung eingenommen hatten. Wir
haben auf der anderen Seite in diesem Jahr eine Reihe von
kleineren Schritten mit einer Fülle von Gesetzen unter-
nommen,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Trippelschritte!)


um für eine Ausgabenbegrenzung zu sorgen. Aber wir
sind noch nicht so weit, wie wir bei anderen Reformen der
Bundesregierung gekommen sind. Wir haben heute Mor-
gen über das Rentensystem, über die Steuerreform und
über die Zukunftsfähigkeit der Haushaltspolitik dieser
Regierung diskutiert.

Im Gesundheitssystem – Herr Seehofer weiß das wie
kein anderer –


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Danke! – Klaus Kirschner [SPD]: Wir wollen nicht übertreiben! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ich habe den Eindruck, Sie wollen ihn als Berater einkaufen!)


sind zum einen die Reformen selber schwieriger als wo-
anders, zum anderen ist auch ihre Umsetzung nicht so ein-
fach wie in anderen Bereichen, weil zu viele Interessen
aufeinander prallen und weil mitunter auch die Selbstver-
waltung zum Teil nicht bereit ist – manchmal ist sie auch
nicht in der Lage –, das umzusetzen, was auf den Weg ge-
bracht worden ist. Das haben wir insbesondere bei der




Katrin Göring-Eckardt
20320


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(D)



(A)



(B)


Gesundheitsreform 2000 gemerkt. Es wird deswegen not-
wendig sein, auch über das hinaus, was wir getan haben
und was ich für einen richtigen Kurswechsel halte – daran
will ich überhaupt keinen Zweifel aufkommen lassen –,
weitere Schritte einzuleiten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der Kurswechsel, den ich meine, besteht vor allem in
einem Punkt. Herr Parr, Ihre Vorschläge bezogen sich ja
vor allen Dingen darauf, wie man den Markt stärken kann
und wie man dafür sorgen kann, dass bestimmte Teile die-
ses Marktes – beispielsweise die Pharmaindustrie und die
Ärzteschaft – mehr Geld im Portemonnaie haben. Alle un-
sere Reformen haben sich insbesondere und zuallererst
darauf bezogen, die Patientinnen und Patienten in den
Mittelpunkt zu stellen.


(Beifall bei der SPD – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Genauso ist es!)


Das ist der richtige Weg und diesen richtigen Weg werden
wir auch weiter beschreiten.

Natürlich haben wir begrenzte Mittel. Diese begrenz-
ten Mittel müssen sinnvoll verteilt werden. Wir brauchen
weiterhin mehr Patientenorientierung und Eigenver-
antwortung. Ich stimme mit Ihnen überein, dass mehr
Transparenz ins System Einzug halten muss.


(Detlef Parr [FDP]: Aber Sie machen genau das Gegenteil!)


Ich persönlich halte dafür die Patientenquittungen und
eine ganze Reihe von anderen Maßnahmen, die zur Da-
tentransparenz beitragen, für einen richtigen Weg. Sie
wissen, dass wir dabei sind, entsprechende Regelungen
auszuarbeiten und umzusetzen.

Dazu gehört auch, dass die Versicherten mehr Eigen-
verantwortung übernehmen müssen. Aber Eigenverant-
wortung heißt eben nicht Zuzahlung. Eigenverantwortung
heißt vor allen Dingen Wahlfreiheit. Dafür müssen wir
sorgen.


(Detlef Parr [FDP]: Da sind wir uns schon einig!)


Wir müssen auch dafür sorgen, dass der Leistungskatalog
immer daraufhin überprüft wird, was hinein gehört und
was nicht.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Detlef Parr [FDP]: Sehr gut!)


Besonders dann, wenn etwas Neues hineinkommt, muss
man alte Posten überprüfen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen weiterhin dafür sorgen, dass es für die Pa-

tientinnen und Patienten durchschaubar ist, was in diesem
System passiert. Dafür brauchen wir die Verantwortung
der Politik und die Verantwortung der Selbstverwaltung.
Diese müssen wir als Politik auch einfordern.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das gibt aber Schwierigkeiten mit der linken Seite des Hauses!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420518600
Das Wort hat nun die
Kollegin Ruth Fuchs, PDS-Fraktion.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1420518700
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Kollegin Göring-Eckardt, Sie müssen mir ir-
gendwann einmal erklären, seit wann Eigenverantwor-
tung in dem Falle etwas mit Wahlfreiheit zu tun hat.


(Detlef Parr [FDP]: Sie hat es sehr gut verstanden!)


– Darüber werden wir uns noch unterhalten.
Ich komme nun zum Haushalt. Im Ansatz des Einzel-

plans 15 sollten sich die Gesamtausgaben von knapp über
900 Millionen Euro in 2001 auf circa 1,3 Milliarden Euro
im Jahre 2002 erhöhen. Die Ursache für diesen Anstieg
liegt in der Rückzahlung von circa 550 Millionen Euro,
die die Pflegekassen 1995 für das Pflegeinvestitionspro-
gramm zur Verfügung gestellt hatten. Weitere 72 Milli-
onen Euro mussten im Ergebnis der Ressortverlagerung in
den Verbraucherschutzetat umgesetzt werden. Bezieht
man beides ein, zeigt sich die tatsächliche Entwicklung.

Auch 2002 setzt sich die langjährige Tendenz der Kür-
zung der im Bundeshaushalt für gesundheitliche und Pfle-
gezwecke zur Verfügung gestellten Mittel fort.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Da haben Sie Recht!)


Aus gesundheitspolitischer Sicht liegt das Hauptproblem
des Bundeshaushaltes jedoch nicht im Einzelplan 15. Es
besteht darin, dass zugunsten des Bundeshaushaltes der
GKV in den zurückliegenden Jahren immer mehr Bei-
tragseinnahmen entzogen wurden. Ich nenne hier nur das
Wort Verschiebebahnhöfe. Allein seit 1996 werden der
GKV dadurch jährlich über 6 Milliarden DM entzogen.

Die neue Koalition hat diese Politik leider fortgesetzt.
Ihr erster Zugriff kam in Form einer weiteren gesetzlichen
Begrenzung der Beiträge aus der Arbeitslosenhilfe. Seit-
dem fehlen der gesetzlichen Krankenversicherung jähr-
lich weitere 1,2 Milliarden DM. Wie hoch die neuen Be-
lastungen aus der Rentenreform sein werden, darüber
streiten sich noch die Fachleute. Dass Belastungen kom-
men werden, steht aber außer Frage.

Meine Damen und Herren, diese Politikentscheidun-
gen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass die Bun-
desregierung im Gesundheitswesen erneut in Schwierig-
keiten gekommen ist. Hatten schon die Gesundheits-
reform 2000 und die vorschnelle Ankündigung der Strei-
chung des Arzneimittelbudgets mehr Probleme geschaf-
fen als gelöst, hat es die Regierung jetzt mit massiven Bei-
tragserhöhungen zu tun. Das kann niemanden freuen,
denn es belastet die Arbeitgeber und Arbeitnehmer glei-
chermaßen. Dass diese Entwicklung von der Arbeitgeber-
seite aber dazu benutzt wird, das Solidarsystem radikal in-
frage zu stellen, ist schlimm.

Wenn CDU/CSU und FDP jetzt wegen der Beitragser-
höhungen den Untergang des Wirtschaftsstandortes




Katrin Göring-Eckardt

20321


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(D)



(A)



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Deutschland an die Wand malen, dann ist das, gelinde ge-
sagt, unredlich.


(Beifall bei der PDS – Zurufe von der CDU/CSU)


– Frau Merkel hat genau das gesagt.
Erstens. Die heutige desolate Lage ist nicht allein in der

letzten Zeit entstanden; sie ist das Ergebnis einer seit vie-
len Jahren verfehlten Gesundheitspolitik. Gerade in Ihrer
Regierungsverantwortung sind die größten Verschiebe-
bahnhöfe eröffnet worden.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Na, na, na!)

Ist nicht der Kassenwettbewerb um Mitglieder, dessen
unsolidarische Folgen heute auch die großen Ersatzkas-
sen und viele Ortskrankenkassen zu Beitragserhöhungen
zwingen, durch Herrn Seehofer – wenn auch in großer
Koalition mit der SPD – in Gang gesetzt worden?

Zweitens. Meine Damen und Herren von der Union
und der FDP, was Sie heute anzubieten haben, ist nichts
anderes als die alten Rezepte aus Ihrer Regierungszeit vor
1998. Damals haben die Menschen wohl verstanden, was
sich hinter Ihren Formeln von wachsender Eigenverant-
wortung, Regel- und Wahlleistungen und mehr Wettbe-
werb verbirgt. Die Erfahrung zeigt: Mit einer Gesund-
heitsreform kann man keine Wahl gewinnen.


(Beifall bei der PDS)

Man kann sie aber verlieren. Ihr Kollege Geißler hat dazu
ein wunderbares Buch geschrieben, das ich Ihnen zur
Lektüre empfehle; denn das, was Sie heute fordern, be-
deutet auch nichts anderes, als die Menschen stärker zur
Kasse zu bitten, und zwar nicht paritätisch, sondern ganz
individuell und privat.

Meine Damen und Herren, eine Gesundheitspolitik zu-
lasten der Kranken und Pflegebedürftigen sollte in diesem
Hause keine Mehrheit finden.


(Beifall bei der PDS)

Gebraucht wird eine allen Menschen zugängliche, sozial
gerechte und humane Gesundheitsversorgung. Diese ist
bei entsprechendem politischen Willen nach wie vor mög-
lich. Erforderlich bleiben strukturelle Reformen, Refor-
men, die diesen Namen auch verdienen und endlich an
den bekannten Systemmängeln und Fehlsteuerungen an-
setzen. Um die solidarische Vollversicherung zu erhalten,
müssen auch die Finanzgrundlagen der GKV konsolidiert
werden, allerdings nicht durch Zuzahlungen oder Wahl-
leistungen,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Durch Beitragserhöhung!)


sondern strikt am Solidargedanken orientiert. Dazu liegen
Vorschläge von vielen Seiten, auch von uns, vor. Aus mei-
ner Sicht bedarf es nur politischen Mutes, sie auch umzu-
setzen. Genau diesen Mut wünsche ich Ihnen, Frau Mi-
nisterin.

Danke.

(Beifall bei der PDS – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Es fehlte noch, dass wir jetzt den Sozialismus einführen!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420518800
Ich erteile Bundesmi-
nisterin Ulla Schmidt das Wort.


(von der SPD mit Beifall begrüßt)

leginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Anfang den
Mitgliedern des Haushaltsausschusses dafür danken, dass
sie dafür gesorgt haben, dass wir die Stellenaufstockung
im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums
vornehmen können. Herr Kollege Luther, Sie können
ganz unbesorgt sein: Alle Stellen können ab Anfang Ja-
nuar besetzt werden.

Weil ich als Ministerin auch gleichzeitig Leiterin des
Hauses und sozusagen oberste Dienstherrin bin, will ich
noch eines sagen: Wenn Sie glauben, wir hätten die Krise
genutzt, um elf neue Stellen im Ministerium zu schaffen,
die eigentlich nicht gebraucht werden, dann haben Sie of-
fensichtlich überhaupt keine Vorstellung davon, wie viel
meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den letzten
Wochen und Monaten gearbeitet haben,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Detlef Parr [FDP]: Weniger Gesetzgebung!)


und zwar rund um die Uhr. Sie haben dafür gesorgt – ge-
rade auch im Krisenstab –, dass wir für alle Eventualitä-
ten gerüstet sind. Wir alle hoffen, dass wir nicht benötigen
werden, was wir derzeit einrichten und wofür wir Geld
ausgeben. Als Beispiele nenne ich die Beschaffung von
Impfstoffen und Antibiotika, die Investitionen in Labor-
kapazitäten. In diesem Rahmen haben wir auch dafür ge-
sorgt, dass es Menschen gibt, die das bedienen können.
Sie sollen dafür sorgen, dass die Menschen in diesem
Lande sicher sein können, in einer Krise den Gesund-
heitsschutz zu erhalten, den sie benötigen. Wir hoffen
natürlich, dass wir niemals in die Situation kommen, dies
einsetzen zu müssen.

Dafür hat diese Regierung die finanziellen Grundlagen
geschaffen. Ich bin auch im Interesse meiner Mitarbeite-
rinnen und Mitarbeiter dafür dankbar, dass die Stellen auf-
gestockt wurden; denn auch das hat etwas mit humanen
Arbeitsbedingungen zu tun. Und dafür setze ich mich ein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Kollege Luther, ich komme zu meinem nächsten
Punkt. Sie haben so schön gesagt: Grün gescheitert, Rot
gescheitert – wir brauchen endlich wieder Schwarz. Da-
bei haben Sie an Ihren Kollegen aus der Schwesterpartei
gedacht.


(Dr. Michael Luther [CDU/CSU]: Das ist ein guter Mann!)


Wir beide sind lange genug im Deutschen Bundestag.
Ich will Ihnen einmal etwas sagen: Nach Ihren Analysen
hätte Ihr Kollege aus der Schwesterpartei nicht einmal
sein erstes Jahr überstanden; denn von 1991 bis 1998 sind
die Beitragssätze von 12,3 Prozent auf 13,6 Prozent ge-
stiegen.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Das ist aber doch schon lange her! – Wolfgang Lohmann Dr. Ruth Fuchs 20322 [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: 1997 und 1998 hatten wir einen Überschuss!)





(C)


(D)


(A)


(B)


In den Jahren 1992, 1995 und 1996 – auch nach den Re-
formen Ihres Parteikollegen – wies die gesetzliche Kran-
kenkasse Defizite in Höhe von 9,4 Milliarden DM,
7,2 Milliarden DM und 7 Milliarden DM auf.


(Susanne Kastner [SPD]: Das alles ist das Seehofer-Defizit!)


Dies zeigt, dass trotz aller Reformen, die damals gemacht
wurden – auch die große Reform –, die Beiträge erhöht
werden mussten. All das, womit wir heute im Bereich der
Gesundheit konfrontiert werden – nicht nur die demogra-
phische Entwicklung, sondern auch der medizinische
Fortschritt, der dazu führt, dass unheilbare Krankheiten
chronisch werden –, erfordert immer wieder Reformen.
Das ist also nicht so einfach, Herr Kollege Luther.

Für diese Bundesregierung sage ich: Wir wollen nicht
den Weg gehen, den Sie gegangen sind, weil sich gezeigt
hat, dass diese Rezepte nichts bringen.


(Detlef Parr [FDP]: Das ist der Fehler! – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das haben wir schon gemerkt!)


Sie haben während Ihrer Amtszeit Leistungen ausge-
schlossen und die Zuzahlungen erhöht. Sie haben damit
nicht die Versicherten, sondern die Kranken mit über
4 Milliarden DM belastet. Trotzdem haben Sie keine Bei-
tragsstabilität erreicht. Deshalb müssen wir uns darüber
unterhalten, welche anderen Wege zu gehen sind. Dazu
sind wir bereit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Detlef Parr [FDP]: Wir müssen uns nicht unterhalten! Sie müssen handeln!)


Herr Kollege Parr, es geht nicht darum, die begrenzten
Mittel für unbegrenzte Leistungen einzusetzen; niemand
von uns will das.


(Detlef Parr [FDP]: Die Menschen glauben das!)


Vielmehr müssen wir in der Gesundheitspolitik versu-
chen, die vorhandenen Mittel gerecht zu verteilen. Dabei
gilt es immer, zwei widerstreitende Interessen auszuglei-
chen: zum einen das Interesse der Versicherten daran, dass
die Beiträge bezahlbar sind, zum anderen das Interesse
derjenigen, die krank sind, daran, eine Gesundheitsver-
sorgung zu erhalten, die ihnen dabei hilft, gesund zu wer-
den bzw. die Schmerzen zu bekämpfen. Beides können
wir nur dann zusammenbringen, wenn wir die Qualität der
medizinischen Versorgung verbessern. Wir brauchen
mehr wirtschaftliches Handeln im Gesundheitsbereich.
Selbstverständlich müssen wir uns auch über die Frage
der Reformen der Selbstverwaltung und der Vertragsge-
staltung unterhalten. Das ist, glaube ich, unbestritten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir brauchen mehr Patientenorientierung;

(Zuruf von der CDU/CSU: Warum tun Sie dann nichts dafür? – Gegenruf von der SPD: Tun wir doch!)


denn nur die Patienten und Patientinnen, die aktiv mit in
das Gesundheitsgeschehen eingreifen und daran teilneh-
men, sind auch in der Lage, Eigenverantwortung zu
übernehmen.


(Detlef Parr [FDP]: Sie müssen bestimmen dürfen!)


Eigenverantwortung, Herr Kollege Parr, hat doch nicht
nur etwas mit dem Portemonnaie zu tun.


(Detlef Parr [FDP]: Das habe ich ja auch gesagt!)


Die Menschen zahlen doch Beiträge entsprechend ihrem
Leistungsvermögen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir von Eigenverantwortung reden, dann ist da-
mit genau das gemeint, was diese Regierung macht und
was sie fördert. Wir sagen: Die Menschen müssen lernen,
mehr Eigenverantwortung für die eigene Gesundheit zu
übernehmen.


(Detlef Parr [FDP]: Dann müssen Sie es ihnen auch sagen!)


– Ich sage das schon allen. – Wir müssen dafür sorgen,
dass in diesem Land der Grundsatz gilt: Für deine Ge-
sundheit bist du zuallererst selber verantwortlich;


(Zurufe von der CDU/CSU: Ach!)

wenn du aber krank wirst, dann steht die Solidargemein-
schaft ohne Einschränkungen für dich ein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist der Unterschied, Herr Kollege Parr, zwischen
dem, was wir machen, und dem, was Sie wollen.


(Detlef Parr [FDP]: Da ist überhaupt kein Unterschied! – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das sind ja lauter Allgemeinplätze!)


Das ist auch einer der Gründe dafür, dass wir das Prin-
zip der solidarischen Versicherung beibehalten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind hier doch nicht in der Volksschule! Sagen Sie doch mal, wie Sie es machen wollen!)


Herr Kollege Parr, die solidarische Versicherung, wie wir
sie haben, die jedem Menschen – unabhängig von seinem
Einkommen, Geschlecht und Alter –, der Mitglied in ei-
ner gesetzlichen Krankenversicherung ist, das gleiche An-
gebot an Leistungen zur Verfügung stellt, ist nämlich mit
eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Menschen diese
Eigenverantwortung überhaupt wahrnehmen können.


(Detlef Parr [FDP]: Wenn sie keine Freiheiten haben, können sie auch keine Verantwortung übernehmen!)


Eine gute Gesundheitsvorsorge ist die Voraussetzung für
Chancengleichheit. Inwieweit ein Mensch am gesell-
schaftlichen und politischen Leben teilhaben kann, ist




Bundesministerin Ulla Schmidt

20323


(C)



(D)



(A)



(B)


immer mit davon abhängig, wie er gesundheitlich dazu in
der Lage ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir geben das Prinzip der solidarischen Versicherung
nicht auf.


(Klaus Kirschner [SPD]: Solidarisch, das ist das Wort!)


Wir sagen ganz klar: Eine Steigerung der Qualität der Ver-
sorgung, mehr wirtschaftliches Handeln – also auch das
Erschließen von Wirtschaftlichkeitsreserven – und Bei-
tragsstabilität


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Wo ist die?)


gehören ganz eng zusammen. Das ist auch der Grund für
die Reformen und die Zielsetzung der Reformen, die wir
bisher auf den Weg gebracht haben.

Wir haben die Prävention wieder gestärkt, nachdem
Ihr damaliger Minister geglaubt hat,


(Klaus Kirschner [SPD]: Wie hieß denn der? Seeräuber!)


unter Hinweis auf Bauchtanzkurse können man gleich die
Primärprävention insgesamt als Kassenleistung streichen
und man brauche keine betriebliche Prävention. Ich
glaube, dass das der falsche Ansatz ist; denn in einer älter
werdenden Gesellschaft ist es nicht so entscheidend, ob
man mit 60, 70, 80 oder auch mit 40 Jahren krank wird; es
ist immer teuer. Entscheidend wird vielmehr sein, wie es
uns gelingt, die Menschen so lange wie möglich – auch
durch Angebote, die ihnen eine gesunde Lebensweise er-
möglichen – gesund zu halten.

Wenn es, wie der Sachverständigenrat sagt, stimmt,
dass ein Herausschieben einer chronischen Erkrankung
um zwei Jahre einen Beitragssatzpunkt ausmacht, dann ist
es richtig, was wir mit dem Risikostrukturausgleich auf
den Weg gebracht haben. Wir sagen: Wir brauchen eine
bessere Versorgung chronisch kranker Menschen unter
aktiver Einbeziehung der Patienten und der Patientinnen
in diese Programme und auch die Wahrnehmung von Ei-
genverantwortung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn das stimmt, dann ist es auch richtig, dass wir das
Projekt „gesundheitsziele.de“ mit Haushaltsmitteln des
BMG fördern.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was heißt „gesundheitsziele.de“?)


Wir wollen, dass sich die Versorgung künftig an allgemein
gültigen Qualitätsstandards ausrichtet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mein Ziel ist, künftig die Finanzierung sehr eng an die
Qualität der Leistung zu binden. Darin stimme ich mit Ih-
nen überein. Ich bin froh, dass eines der ersten Ziele, die
ausgearbeitet werden, die qualitätsgestützte Verbesserung

der Vorsorge und Versorgung bei Brustkrebs ist; denn ich
glaube, dass die Frauen in diesem Lande darauf schon viel
zu lange haben warten müssen. Dafür sollten wir uns ge-
meinsam einsetzen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS])


Wenn es stimmt, dass wir nur durch Qualitätssteige-
rungen Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen können,
ist unser Gesetz zur Einführung der Fallpauschalen in den
Krankenhäusern der richtige Weg. Ein Grund ist, dass wir
durch die leistungsbezogene Vergütung davon wegkom-
men, das Vorhalten von Bettgestellen zu finanzieren. Der
wichtigere Grund ist aber, dass ein Krankenhaus, das voll-
ständig nach Fallpauschalen abrechnet, ganz anderen
Qualitätsansprüchen genügen muss; denn ein an Fallpau-
schalen orientiertes Krankenhaus muss interdisziplinär
zusammenarbeiten, wenn es wettbewerbsfähig sein will.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit steigt die Qualität der Versorgung. Wir wissen ja,
dass Qualitätsmängel zum großen Teil auf einer nicht ab-
gestimmten Parallelbehandlung beruhen.

Wenn ein Krankenhaus nach Fallpauschalen arbeitet,
kann es auf Dauer nicht wettbewerbsfähig sein, wenn in
diesem Krankenhaus kein Arbeitszeit- und Personal-
management stattfindet. Dies hat nicht nur etwas mit
Geld zu tun, sondern dient auch dazu, dass der Pflege- und
der Arztberuf für junge Menschen wieder attraktiver wird.
Die momentanen Arbeitszeitbedingungen erinnern teil-
weise an die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, sie passen
nicht in eine Gesellschaft des 21. Jahrhunderts.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Die Rede hat doch mit den Fallpauschalen überhaupt nichts zu tun!)


Unser Weg hin zu mehr Versorgungsqualität und mehr
Zusammenarbeit ist richtig. Auch die Modellprojekte, die
mit diesem Haushalt gefördert werden, gehen in diese
Richtung.

Ich kann Ihnen zum Schluss noch sagen, dass ein ganz
elementarer Bestandteil dieser Neuorientierung der Ein-
zug der Telematik in das Gesundheitswesen sein wird,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Telematik! Auch schön! – Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Kosten! Wer soll das bezahlen?)


damit wir Prozessabläufe optimieren können und dadurch
mehr Zusammenarbeit und mehr Transparenz für die
Leistungserbringer sowie die Versicherten und Patienten
schaffen können. Dafür sollten wir gemeinsam alles tun.
Dann können wir wirklich gute medizinische Leistungen
zu bezahlbaren Preisen anbieten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesministerin Ulla Schmidt
20324


(C)



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(A)



(B)


Auch morgen soll in Deutschland noch der Satz gelten:
Krankenkasse ist nicht zweite Klasse. – Darauf vertrauen
die Menschen in diesem Land und dafür treten wir an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420518900
Nun hat Kollege
Horst Seehofer, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Horst Seehofer (CDU/CSU) (von der CDU/CSU mit
Beifall begrüßt): Herr Präsident! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Liebe Kollegin Schmidt, manchmal
ist es schon eine Folter, wenn man Ihnen zuhören muss.


(Lachen bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Nicht so überheblich, Herr Seehofer!)


Das ganze deutsche Gesundheitswesen ist außer Rand
und Band und wir hören hier Ausführungen, die – wie
mein Kollege Faust, ausgebildeter Arzt, gerade sagte –
eher zum ersten Herbstzeugnis als hierhin gehören, das
allerdings nicht zum Vorrücken berechtigt, Frau Schmidt.
Sie haben völlig am Thema vorbeigesprochen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Solche überheblichen Sprüche haben Sie jahrelang gemacht, Herr Seehofer!)


Sie haben hier die wesentlichen Punkte mit Allge-
meinplätzen besetzt. Dazu braucht man keine Gesund-
heitsministerin und dazu braucht man auch keine Haus-
haltsberatung hier im Parlament.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, einen Auszug
aus den Agenturmeldungen der letzten zwei Tage dazu zu
erstellen, was diejenigen von dem Gesundheitswesen in
Deutschland halten, die davon betroffen sind, also dieje-
nigen, die täglich Dienst an den Menschen leisten, und
diejenigen, die diesen Dienst brauchen, nämlich die Kran-
kenversicherten. Wenn Sie das lesen, werden Sie sehr
schnell erkennen, dass das deutsche Gesundheitswesen
aufgrund Ihrer Politik, Frau Schmidt, außer Rand und
Band geraten ist.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Sie haben heute wieder zwei Ziele formuliert: eine qua-
litativ hohe Versorgung und stabile Krankenversiche-
rungsbeiträge. Dazu schrieb die Deutsche Gesellschaft für
Versicherte und Patienten, also diejenigen, für die das Ge-
sundheitswesen installiert ist, am 28. November 2001:

An diesem Anspruch ist die Gesundheitspolitik von
Rot-Grün nun gescheitert.

Sie haben keines der beiden Ziele erreicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie bekommen steigende, galoppierende Beiträge und
eine Versorgung, die schlechter ist, als wir sie jemals in
der Bundesrepublik Deutschland hatten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP– Walter Schöler [SPD]: Das sieht man an Ihren eigenen Pressemitteilungen, die Sie hier zitieren!)


28. November 2001: Klinikärzte beginnen mit Com-
puterstreik. Die Ärzte wollen gegen die überlangen Ar-
beitszeiten, fehlende Personalstellen und überbordende
Bürotätigkeiten demonstrieren. Sie wollen, dass endlich
das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Okto-
ber 2000 umgesetzt wird. 15 000 Stellen sind in den deut-
schen Krankenhäusern notwendig. Die Ärzte leiden unter
diesem Problem. Sie sagen zu diesem Thema keinen ein-
zigen Satz.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD)


Verweisen Sie jetzt nicht auf unsere Regierungszeit.
Wir haben in unserer Regierungszeit zwischen 1992 und
1997 für die Pflegekräfte in den deutschen Krankenhäu-
sern 25 000 zusätzliche Stellen geschaffen und damit den
Pflegenotstand in Deutschland behoben. Wir haben das
auch finanziert. Jetzt sind Sie an der Reihe, den Ärzten mit
15 000 Stellen zu helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Walter Schöler [SPD]: Von wann war denn die Klage? Aus Ihrer Zeit, Herr Seehofer!)


Ich will nun den „praktizierenden Bundesgesundheits-
minister“ Florian Gerster zitieren. Wer Florian Gerster
nicht kennt, dem sei gesagt: Das ist der Sozialminister in
Rheinland-Pfalz und der eigene Kopf der deutschen SPD-
Gesundheitspolitik. Frau Schmidt, an den werden Sie sich
noch erinnern.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Detlef Parr [FDP]: Kluger Mann!)


Ich zitiere ihn vom 29. November 2001 – das ist
heute –:

Aber inzwischen sehen auch viele – auch im Bun-
deskanzleramt und in der Spitze der Regierung –,
dass wir mit den jetzigen Instrumenten nicht weiter-
kommen. ...

Gerster kritisierte, dass Schmidt die Budgetdeckelung
vor der Entwicklung neuer Instrumente zur Kostenmin-
derung im Gesundheitswesen aufgehoben hat: Frau
Schmidt, es war einer Ihrer zentralen Fehler, dass Sie die
Budgets aufgehoben und nicht gleichzeitig eine Struktur-
reform des deutschen Gesundheitswesens durchgeführt
haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der „amtierende Bundesgesundheitsminister“ wird

weiter zitiert:
Auch der Tauschhandel mit der Pharmaindustrie sei
irritierend.


(Detlef Parr [FDP]: Ablass!)

– Das ist der Ablass mit 400 Millionen DM. Das ist ei-
ner der unappetitlichsten Vorgänge in der deutschen Poli-
tik der jüngeren deutschen Geschichte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Deutsche Bundestag – das hätten wir einmal ma-

chen sollen! – bekommt ein Gesetz mit dem Inhalt zuge-
leitet, dass die Pharmahersteller einen Solidarbeitrag zu




Bundesministerin Ulla Schmidt

20325


(C)



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(A)



(B)


erbringen haben. Das gefällt den Pharmaherstellern nicht.
Dafür habe ich Verständnis, das ist ihr Recht. Danach ha-
ben Sie nichts mehr zu sagen gehabt, Frau Schmidt. Sie
sind dann direkt zum Kanzler gegangen. Der Kanzler hat
diesen Ablasshandel vereinbart.

Das ist ein in hohem Maße unappetitlicher Vorgang:
Die großen Konzerne sanieren sich zulasten der Patien-
ten und der kleinen und mittelständischen Betriebe. Sie
als Parlamentarier lassen sich dieses Gesetz aus der Hand
nehmen. Sie sind dazu überhaupt nicht mehr gefragt
worden.

Die Spitze und Absurdität dieses ganzen Vorgangs ist,
dass die Hauptzeche dieses Prozesses die Steuerzahler be-
zahlen, weil dieser Beitrag natürlich als Betriebsausgabe
von der Steuer absetzbar ist, Frau Schmidt. Das ist Ihr So-
lidarbeitrag für die Pharmaindustrie. Ihn zahlen die
Steuerzahler und nicht die Pharmahersteller.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie hat keine Minute zugehört! – Walter Schöler [SPD]: Keine gute Rede!)


Nun zitiere ich den Prüfungsbericht 2000 des Bundes-
versicherungsamtes:

Zur Deckung ihrer laufenden Ausgaben greifen
Krankenkassen immer wieder auf Mittel der Pflege-
kasse zurück. Die der Pflegekasse entgangenen Zins-
erträge haben die Krankenkassen oftmals nicht er-
stattet.

(Walter Schöler [SPD]: Sie haben als Minister nicht eingegriffen, als sie nicht bezahlt haben! Sie haben sich geweigert! Es laufen noch Prozesse!)

Wir haben die Kassen

– so das Bundesversicherungsamt –
angehalten, die der Pflegekasse zustehenden Zinsen
für die Vergangenheit zu erstatten und bei künftigen
Krediten der Pflegekasse die Zinsen zu erstatten.

Das muss man sich einmal vorstellen: Die Pflegekas-
sen leben im Moment von den Rücklagen, die wir 1998 an
diese Regierung übergeben haben. Die Pflegekassen ha-
ben erhebliche strukturelle Probleme. Die Pflegesätze
sind im ambulanten Bereich nicht mehr angehoben wor-
den. Sie haben in Wahrheit das Problem mit den De-
menzkranken nicht gelöst. In einer solchen Situation las-
sen Sie zu, dass sich die Krankenkassen aus den
Rücklagen der Pflegekassen bedienen und dafür den Pfle-
gekassen nicht einmal die Zinsen bezahlen.

Frau Schmidt, es wäre heute an der Zeit gewesen,
dass Sie vor dem deutschen Parlament einmal sagen,
was Sie dagegen unternommen haben, dass sich die
Krankenkassen bei den Pflegekassen bedienen. Das ist
eine Plünderung der Pflegekassen. Wir brauchen das
Geld für die Kranken und Pflegebedürftigen: es darf
nicht zur Sanierung Ihrer verfehlten Politik verwendet
werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich habe heute viele neue Begriffe gelernt. Es gibt
künftig einen „zugelassenen Patienten“.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

Das verrät die ganze Denkrichtung, Herr Schöler. Ich
werde Ihnen – wenn es nicht zu teuer ist; ich muss mich
erst erkundigen – das Werk „Der Arzt wider Willen“ von
Molière zu Weihnachten schenken; denn in diesem schö-
nen Werk kommt Ihre Denkrichtung zum Ausdruck.
Molière kommt in diesem Werk zu dem Ergebnis, dass
zwar eigentlich alles perfekt geregelt sei, dass er aber
gerne noch die Regelung haben möchte, dass ein Patient
erst dann sterben darf, wenn es der Arzt ausdrücklich ver-
ordnet hat.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Daran hat mich Ihr Begriff „zugelassener Patient“ erin-
nert.

Frau Göring-Eckardt, Sie haben – das ist die zweite
neue Wortschöpfung – von „Aufwächsen bei den Beiträ-
gen“ gesprochen. Ich weiß zwar nicht genau, was das ist;
aber wahrscheinlich haben Sie steigende Beiträge ge-
meint. Das war wirklich eine schöne Wortschöpfung.

Aber obwohl Sie von Gesundheitspolitik so viel ver-
stehen wie niemand sonst bei den Grünen, muss ich Sie
mit Herrn Metzger von Ihrer Fraktion konfrontieren. Je-
der mischt sich ein, weil die zuständige Ministerin ein Va-
kuum hinterlässt. Sie hat auch heute nicht zu erkennen ge-
geben, wohin ihre Gesundheitspolitik eigentlich führen
soll, was sie gegen Beitragssatzerhöhungen und gegen die
Verschlechterung derVersorgungsqualität tun möchte.
Man darf sich deshalb nicht wundern, wenn sich jeder,
wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz, zu Wort meldet.

Jetzt hat sich also auch Herr Metzger geäußert, den ich
übrigens sehr schätze. Er sagt laut einer Pressemitteilung
vom 29. November – das ist sozusagen taufrisch – genau
das, was wir Ihnen schon seit Jahren sagen und was wir,
als wir Verantwortung getragen haben, auch befolgt ha-
ben: Es gibt nur Transparenz, Wettbewerb und mehr
Selbstbestimmung im Gesundheitswesen. Genau diese
drei Parameter sind die Lösung für ein modernes, sozial-
verträgliches Gesundheitswesen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Metzger macht sogar den Vorschlag – ich denke,

dass das meine Fraktion auch so sieht; wir haben nicht da-
rüber gesprochen –: Derjenige, der regelmäßig zu Vorsor-
geuntersuchungen geht, hat eine geringere Selbstbeteili-
gung als derjenige, der das nicht tut. Das ist ein ganz
vernünftiger Ansatz von Eigenverantwortung. Das ist
etwas anderes als das, was Sie immer behaupten, um sich
selbst zu behaupten. Wir wollen mehr Prävention und
Vorsorge mit mehr Selbstbestimmung und Eigenverant-
wortung verbinden. Deshalb hat Herr Metzger zu Recht
gesagt: Dass Herr Seehofer den Bonus bei der Zahnheil-
kunde eingeführt hat – wer regelmäßig zum Zahnarzt
geht, bekommt einen höheren Zuschuss als derjenige, der
nicht regelmäßig zum Zahnarzt geht –, war wunderbar. So
etwas ließe sich im gesamten Gesundheitswesen realisie-
ren: Wer häufiger zu Vorsorge- und Früherkennungs-
untersuchungen – eine Steigerung der Zahl solcher Un-




Horst Seehofer
20326


(C)



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(A)



(B)


tersuchungen ist in der Tat notwendig – geht, muss weni-
ger bezahlen, während derjenige, der das nicht tut, durch
eine höhere Selbstbeteiligung mehr zur Solidargemein-
schaft beitragen muss.

Ich weiß nicht – da Herr Metzger nicht da ist, kann ich
ihn nicht fragen –, ob alle Grünen diese Meinung teilen.
Aber selbst wenn es so wäre, ist ja noch lange nicht ge-
sagt, dass sie ihr Gewissen so vergewaltigen dürfen, dass
sie ihre Meinung gegenüber der SPD durchsetzen können.

Herr Schöler und Frau Ministerin, Sie beide haben wie-
der von der Vergangenheit gesprochen.


(Walter Schöler [SPD]: Von Ihrer Vergangenheit! Ihrer, nicht meiner!)


Das ist der rote Faden, der sich durch die ganze Haus-
haltsdebatte zieht. Mich wundert, dass Sie nicht bis in die
Gründungsjahre der Republik zurückgehen. Frau
Schmidt, Ihre Partei – wahrscheinlich waren Sie auch
schon damals Mitglied des Bundestages – hat schon ein-
mal Verantwortung getragen. Zwischen 1970 und 1982 ist
der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung
von 8,2 auf 12 Prozent, also um 3,8 Prozentpunkte, ge-
stiegen.


(Walter Schöler [SPD]: Das steht im Haus der Geschichte in Bonn!)


Dafür war Ihre Partei verantwortlich. Unter Helmut
Schmidt wurde dann ein Gesetz eingebracht, das höhere
Zuzahlungen vorsah. Unter anderem darüber ist Helmut
Schmidt – ich erinnere mich daran noch gut, weil es mein
erster Wahlkampf war – gestürzt. Während der 13 Jahre,
in denen die sozialliberale Koalition regierte, ist der Bei-
tragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung also
um fast 4 Prozentpunkte gestiegen.


(Walter Schöler [SPD]: Das haben sie in einem Jahr gemacht! – Klaus Kirschner [SPD]: Da ist die Leistung erhöht worden!)


In den 16 Jahren, in denen wir Verantwortung getragen
haben, ist der Beitragssatz von 12 auf 13,6 Prozent ge-
stiegen. Er ist also in 16 Jahren um 1,6 Prozentpunkte ge-
stiegen! In den 90er-Jahren, als es einen großen Beitrags-
satzsprung gab, haben wir das Geld für einen guten Zweck
ausgegeben, nämlich für eine bessere gesundheitliche
Versorgung in den neuen Ländern. Das Geld war gut an-
gelegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der von uns durchgeführte Umbau des Gesundheitswe-
sens in den neuen Ländern war eine der größten Leis-
tungen in der deutschen Sozialgeschichte. Deswegen war
es gerechtfertigt, einen etwas höheren Beitragssatz in
Kauf zu nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Frau Ministerin, das ist der entscheidende Unterschied

zwischen Ihrer und unserer Politik. Die Beitragssatzer-
höhungen, die Ihnen jetzt bevorstehen, die im Moment
laufen und die dazu führen, dass wir einen Rekordbei-
tragssatz erreichen, den wir in der deutschen Geschichte
in der gesetzlichen Krankenversicherung noch nie hatten,

werden für Dinge ausgegeben, bei denen man sehr hinter-
fragen kann, ob sie unter dem Gesichtspunkt der Notwen-
digkeit und der Effizienz angezeigt sind. Unsere Bei-
tragssatzerhöhungen hingegen wurden für einen sehr
notwendigen und guten Zweck ausgegeben, nämlich für
den Umbau des deutschen Gesundheitswesens in den
neuen Ländern. Das ist der entscheidende Unterschied.

Frau Schmidt, ich kann Ihnen nur raten: Erholen Sie
sich über die Weihnachtsfeiertage gut. Lassen Sie sich
warme Kleidung schenken; denn Ihnen stehen im nächs-
ten Jahr sehr anstrengende, sehr unterhaltsame, aber auch
frostige Monate bevor. Das kann ich Ihnen ankündigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420519000
Ich erteile Kollegin
Monika Knoche, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.


Monika Knoche (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1420519100

Herr Seehofer, Sie haben eine umfangreiche Zitaten-
sammlung vorgelegt. Das war ein bisschen patchwork-
mäßig nach Lumpensammlerart, aber eine große, starke
Rede war das nicht. Ich glaube, das werden Sie selbst auch
nicht so sehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Gut wäre es natürlich gewesen, Herr Seehofer, wenn
man all die Umbruchsherausforderungen im Zusammen-
hang mit der deutschen Vereinigung seriöserweise steuer-
finanziert und nicht den gesetzlichen Krankenkassen auf-
gebürdet hätte.


(Beifall bei der SPD)

Dann hätten wir heute über eine ganz andere Beitragshöhe
zu reden und die geringen Entwicklungen, die heute zu
verzeichnen sind, würden sich relativieren.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Das hätten Sie ja in Ihrer Regierungszeit abbauen können!)


Ich muss mich aber auch wundern, mit welcher Leich-
tigkeit bis nahezu Leichtfertigkeit von den hohen Errun-
genschaften gesprochen wird, die dieses bewährte System
hervorgebracht hat, in Bezug auf Innovationskraft und
in Bezug auf einen sehr hoch spezialisierten Arbeitsmarkt
und Beschäftigungssektor im Gesundheitsbereich, der
volkswirtschaftlich von eminenter Bedeutung ist


(Detlef Parr [FDP]: Decken Sie es auf! Schön!)


und dessen Zuwächse insgesamt wie auch die Interessen,
die rein privatwirtschaftlich Agierende im Gesundheits-
wesen haben, ausschließlich darauf zurückzuführen sind,
dass wir ein paritätisch finanziertes solidarisches
Sachleistungsprinzip haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Nur die Tatsache, dass alle gesetzlich Versicherten
– dies sind über 90 Prozent – diese hohen Leistungen im




Horst Seehofer

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(C)



(D)



(A)



(B)


Falle der Krankheit bekommen können, hat den Innovati-
onsschub befördert und enorme Wirtschaftlichkeiten, die
dieses System bereithält, nutzen lassen. Wir brauchen uns
doch nur umzuschauen, um zu sehen, dass es niemals der
Leistungskatalog als solcher ist, der die Leistung auslöst,
sondern dass das immer die medizinische Indikation ist.


(Beifall beim BÜNDNISS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS – Detlef Parr [FDP]: Nein, das Anspruchsdenken!)


Damit sind wir im Zentrum der Frage: Wer kann sich
seine Krankheit aussuchen? Wer kann durch die Wahl des
Leistungskataloges entscheiden, welche medizinische
Versorgung er oder sie braucht? Das ist doch gänzlicher
Unfug und Humbug!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Klar ist doch: Wenn ich den Leistungskatalog ein-
schmelze, wird die GKV-Last, die Beitragslast, immer
größer, weil die großen Risiken von immer weniger Men-
schen in der Solidargemeinschaft finanziert werden müs-
sen. Es ist barer volkswirtschaftlicher Unfug, aus dem
Sachleistungsprinzip aussteigen zu wollen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der PDS – Detlef Parr [FDP]: Ganz Europa sieht das anders!)


Es kommt noch etwas Interessantes dazu; das sprechen
Sie nicht so deutlich aus. Wenn man den Leistungskatalog
ausdünnt, eröffnet man in der Tat einen neuen großen,
ökonomisch verwertbaren Dienstleistungssektor, nämlich
den Sektor der ärztlichen Dienstleistung, die privat bar be-
zahlt werden muss. Wie kann man eine medizinische
Leistung, die nicht medizinisch indiziert ist, auch
medizinethisch vertreten? Man kann ein System wie un-
seres nicht zu einem Wirtschaftsfaktor ausbauen und noch
die Illusion nähren, dass man darin evidenzbasierte medi-
zinische Versorgungsansprüche realisieren könnte.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die große Aufgabe, die es auch in der Zukunft gerade
in Bezug auf die demographische Entwicklung zu meis-
tern gilt, muss zwingend auf dem solidarischen Sachleis-
tungssystem basieren.


(Detlef Parr [FDP]: Nicht in diesem Ausmaß!)

Deshalb ist es für mich völlig unverständlich, wie man ein
so hochleistungsfähiges System in solchem Maße diskre-
ditieren kann.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Detlef Parr [FDP]: Qualität für die, die sie brauchen!)


Rein demokratiepolitisch und vom Staatsverständnis
her ist es für mich ein Phänomen: Wer heute den System-
wechsel propagiert, hat vor der Aufgabe der Reformpoli-
tik bereits kapituliert. Warum? – Wenn man ein System
verlassen will, muss man zwingend nachweisen, dass es
nicht reformierbar ist. Genau das können Sie nicht nach-

weisen. Sie haben keine Legitimation, zu behaupten, dass
dieses System die Herausforderungen der Zukunft nicht
meistern kann.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Mit dieser Meinung stehen Sie und Ihre Partei völlig allein!)


Dazu braucht man allerdings eine Politik, die es sich nicht
aus der Hand nehmen lässt, regulierend und reregulierend
zu wirken.


(Beifall der Abg. Dr. Ruth Fuchs [PDS])

Es hat mich doch sehr verwundert, wie neue Leis-

tungsbereiche, die wir in die GKV aufgenommen haben,
in den Debattenbeiträgen denunziert wurden. Was bedeu-
tet in diesem Bereich die medizinische Fußpflege? Es ist
ein zwingendes Erfordernis, Menschen mit diabetischen
Erkrankungen eine bessere Versorgung zu sichern


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


und sie als chronisch Kranke möglichst lange frei von ver-
meidbaren Beschwerden zu halten. Das ist ein unver-
zichtbarer Leistungsbereich.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Wer stellt das infrage?)


Ein weiteres Beispiel ist die Soziotherapie. Wie kommt
man dazu, in Abrede zu stellen, dass Menschen mit
schweren chronischen psychiatrischen Krankheitsbildern
diese Leistungen brauchen? Das ist für mich der Inbegriff
von Gleichheit, die durch die GKV hergestellt werden
kann. Das werde ich jederzeit verteidigen.

Wenn Sie einzelne Leistungsbereiche herausnehmen
wollen, drücken Sie damit zugleich aus, dass Sie die Un-
gleichheit der Erkrankten verstärken wollen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Hören Sie doch auf!)


Man muss sicherstellen, dass – egal, um welche Krankheit
es sich handelt – alle an den neuen medizinischen Er-
kenntnissen partizipieren können.


(Walter Schöler [SPD]: Genau! Alle!)

Deshalb ist dieses System so souverän.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Kein Mensch sprach vor zwei Jahren von Soziotherapie!)


Neue Herausforderungen stehen an. Sie werden von
uns gemeistert werden. Ich nenne nur das von keinem Ih-
rer Redner angesprochene Thema der großen Herausfor-
derung der neuen Bio- und Gentechnologie sowohl in
der Forschung als auch in der Diagnostik.

Ein Gentestgesetzwird von uns erarbeitet werden, um
sicherzustellen, dass Gendiagnostik – ein hochsensibles
Gebiet – nur im Bereich des ärztlichen Behandlungsauf-
trages erfolgen kann, damit niemand mit diesen Tests zu-
sätzlich Geld verdient und große Verunsicherung bei den
Menschen verursacht und ihnen individuell riesige Risi-
ken auflädt.




Monika Knoche
20328


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir beschäftigen uns ebenso damit, welche immensen
Tabubrüche die embryonale Stammzellforschung dar-
stellt, gerade in Bezug auf die Ummünzung der Unfrucht-
barkeitsbehandlung zur Gewinnung von Ressourcen für
die medizinische Forschung. Das sind herausragende
Themen, denen wir uns stellen.

Ich bin froh, dass ich in dieser Legislaturperiode an der
Arbeit der Regierungskoalition teilnehmen kann. Ich
würde niemals erwarten, dass Sie mit einer solchen Of-
fenheit und Klarheit sowie einer solchen ethischen Orien-
tierung an diese Zukunftsfragen herangingen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420519200
Ich erteile dem Kolle-
gen Dr. Ilja Seifert, PDS-Fraktion, das Wort.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1420519300
Herr Präsident! Meine liebe
Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir noch einige
Bemerkungen zur Pflegeversicherung. Es gäbe dazu ei-
gentlich sehr viel zu sagen.

Frau Ministerin, anhand zweier Punkte möchte ich be-
legen, dass man einiges, was Sie in diesem Bereich ma-
chen, nicht akzeptieren kann.


(Beifall der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU])


Sie nehmen sich vor, über die Pflegeversicherung Mo-
dellprojekte für ein persönliches Budget und für neue
Wohnformen von Pflegebedürftigen zu bezahlen. Selbst
wenn das funktionieren würde, könnten Sie diese Mo-
dellprojekte keinesfalls in die Praxis überführen; denn
bundesweit flächendeckend kann man aus der Pflegever-
sicherung weder persönliche Budgets, die den Zweck
einigermaßen erfüllen, noch Wohnformen finanzieren;
das muss steuerfinanziert sein.

Gleichzeitig – das ist das eigentlich Schlimme – sen-
ken Sie die Haushaltsmittel für diesen Zweck um den
Betrag, den Sie in der Pflegeversicherung für Modellpro-
jekte zur Verfügung stellen. Das ist ein Verschiebebahn-
hof im klassischen Sinne. Das kann man nicht akzep-
tieren.


(Beifall bei der PDS – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)


– Lesen Sie das doch einmal nach!

(Walter Schöler [SPD]: Das sind Modellpro jekte und nicht Ewigkeitsprojekte!)

– Eben!

Dann lassen Sie uns einmal über die Greencard-Vari-
ante reden. Auch das ist so ein tolles Ding. Wenn wir Pfle-
geassistenz, Hilfe, Begleitung – und was da sonst noch al-
les genannt werden kann – wirklich ernst nehmen und ein
bisschen verbessern wollen, dann müssen wir wissen,
dass die Menschen, die diese Pflegeassistenz, diese Hilfe,
diese Begleitung benötigen, unter anderem Ansprache
und das Reden miteinander brauchen.


(Detlef Parr [FDP]: So ist es! Eben!)


Ich möchte einmal wissen, wie ein pflegebedürftiger
Mensch mit einem Thai-Mädchen reden soll. Ich habe
nichts gegen Thai-Mädchen, aber in diesem Bereich geht
es um etwas anderes. Es geht darum, dass man miteinan-
der reden kann, und dazu gehören unter anderem Sprach-
kenntnisse, und zwar auch Kenntnisse der Dialekte, die
die Menschen sprechen. Jemand, der in einem baye-
rischen Dorf pflegebedürftig ist, spricht bayerisch. Das ist
nicht das Deutsch, das ein aus dem Ausland eingereister
Mensch vielleicht ein bisschen lernt.

Ich weiß genau, dass diese Greencard-Variante auch in
den Kreisen derjenigen, die den Pflegenotstand immer
wieder und mit Recht anprangern, zwar begrüßt wird,
aber nur als eine Notvariante gesehen wird. Das heißt
doch, dass die Not so groß ist, dass man anders überhaupt
nicht weiterkommen kann. Ihre Aufgabe und unsere Auf-
gabe wäre es aber, den Menschen, die diese Arbeit leisten
möchten – sonst würden sie den Beruf ja nicht erlernen –,
eine Chance zu geben, diesen Beruf so auszuüben, wie sie
ihn ausüben wollen, eben nicht nach dem Motto: satt, sau-
ber, trocken und ansonsten Bude zu und viel Papier be-
schrieben.


(Beifall bei der PDS)

Darum geht es eben nicht. Es geht darum, sich den Men-
schen zuwenden zu können. Dazu gehört auch, dass man
miteinander reden kann, dass man Zeit füreinander hat,
dass man da ist, statt Papier zu beschreiben.

Ich hätte dazu noch sehr viel zu sagen, aber leider ist
meine Redezeit zu Ende.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bitte Sie,
das zu bedenken.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420519400
Ich erteile dem Kolle-
gen Klaus Kirschner, SPD-Fraktion, das Wort.

Klaus Kirschner (SPD) (vom Abgeordneten der SPD
mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Verehrte Kollegin-
nen und Kollegen! Verehrter Herr Kollege Seehofer
– oder soll ich sagen „lieber Herr Kollege Seehofer“? –,


(Zuruf von der FDP: Ist das zitierfähig, Herr Kollege?)


nachdem ich Ihnen zugehört habe, kann ich nur ein Resü-
mee ziehen: Sie tragen Ihre simple Kritik gebetsmühlen-
haft in Plattitüden vor, ohne – das habe ich bei Ihnen ver-
misst – konkrete Antworten auf die Zukunftsfragen der
Gesundheitspolitik zu geben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das lässt darauf schließen, dass Sie – das gilt für die
gesamte Opposition auf der rechten Seite des Hauses –
Ihre Absichten vor den Wählern verschleiern wollen.


(Zuruf von der FDP: Wer will denn verschleiern?)





Monika Knoche

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(C)



(D)



(A)



(B)


Dafür habe ich sogar Verständnis, da Sie schon bei der
letzten Bundestagswahl von den Wählerinnen und
Wählern für Ihre Politik der immer höheren Zuzah-
lungen – lieber Herr Kollege Seehofer, das haben Sie eben
verschwiegen – und des Schritts in die Zweiklassenmedi-
zin – die Abschaffung der Erstattung für Zahnersatz für
jüngere Menschen war der Schritt in die Zweiklassen-
medizin – abgewatscht worden sind.


(Beifall bei der SPD – Detlef Parr [FDP]: Völlig daneben!)


Sie tun so, als ob Ihre Welt der Gesundheitspolitik,
Herr Kollege Seehofer, heil gewesen wäre. Nichts war
heil und nichts war Ihnen heilig. Bei Ihnen sind sowohl
die Beitragssätze gestiegen


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Seit 1993 nicht!)


als auch die zusätzlichen Belastungen für die Patientinnen
und Patienten. Denken Sie doch nur an die Zuzahlungen
bei Arzneimitteln, die Sie erhöht haben, an die Zuzahlun-
gen bei Reha und an die Koppelung, dass die Beitrags-
sätze gestiegen sind und die Zuzahlungen erhöht wurden.


(Zuruf von der SPD: Abgezockt hat er!)

Mit diesen Rezepten von gestern und vorgestern wollen
Sie doch im Grunde weitermachen. Sie wollen den Pati-
enten in die Tasche greifen.


(Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU]: Sie tun es!)


Da Sie das verschleiern wollen, lasse ich Ihnen die ge-
sundheitspolitische Hose runter.


(Beifall bei der SPD – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Jetzt wird es aber obszön!)


Ich will einmal versuchen, das an dem CDU-Papier
„Neue soziale Marktwirtschaft – für einen neuen Vertrag
zwischen Politik und Bürger“ – das ist eine schöne Über-
schrift – klar zu machen. Dort heißt es unter anderem:

Auch die gesetzlichen Krankenkassen sollen
Zusatzversicherungen anbieten können.

Unter „Stärkung der Wahlrechte der Versicherten“ heißt es:
Diese sollen sich für oder gegen bestimmte, über die
Kernleistungen hinausgehende Zusatzleistungen ent-
scheiden können.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist der mündige Bürger!)


Im Klartext: Sie wollen Grund- und Wahlleistungen
und nichts anderes.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Sie nennen es nur anders!)


Nicht mehr der Patient und seine berechtigten medizini-
schen Bedürfnisse stehen im Mittelpunkt, sondern der Zu-
griff auf den Geldbeutel.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Lassen Sie das, was Sie da gerade reden, aber nicht den Kanzler hören!)


Davon soll seine Behandlung abhängig gemacht werden.
Das ist, auch wenn Sie es anders nennen und verschleiern
wollen, die Zwei-Klassen-Medizin. Das wissen Sie ganz
genau.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Was schaffen Sie denn, Herr Kirschner?)


Nun zur CSU. Ich gebe ja gern zu: Die CSU ist im Zün-
den von Nebelkerzen cleverer als ihre Schwester- oder
Bruderpartei CDU. In ihrem Papier „Gesundheitspolitik
für das neue Jahrhundert“ heißt es zwar:

Die Einführung einer Grundsicherung bzw. die Ein-
führung eines Regel- und Wahlleistungskatalogs ist
abzulehnen, da niemand in der Lage ist, einen Grund-
leistungskatalog aufzustellen.

Da kann ich nur sagen: Richtig! Ich frage allerdings:
Wieso haben Sie denn vorher geklatscht?


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das war doch kein Widerspruch!)


– Sie haben doch vorher geklatscht.
Weiter steht dort:
Der Versicherte soll jedoch zukünftig wählen kön-
nen, welche Leistungen er in der gesetzlichen
Krankenversicherung beanspruchen will.

(Zuruf von der SPD: Aus dem nicht vorhande nen Katalog!)

Zwar sollen Krankenhausbehandlung, Arzneimittel und
ärztliche Behandlung sowie Krankengeld auch weiterhin
zum Pflichtleistungskatalog gehören, jedoch sollen die
übrigen Leistungen – so steht es in Ihrem Papier –, das
sind etwa 16 Prozent der Leistungsausgaben, immerhin
rund 40Milliarden DM, vom Versicherten insgesamt oder
teilweise abgewählt werden können. Das heißt bei-
spielsweise – das müssen Sie den Menschen sagen –:
Heilmittel, Hilfsmittel, Zahnersatz, häusliche Kranken-
pflege, Krankenfahrten, beispielsweise zur Dialyse, stel-
len Sie zur Disposition.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Aber doch nur, wenn sie es wollen! Sie können es auch lassen! – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das müssen Sie mal draußen erzählen!)


Beantworten Sie doch einmal folgende Frage: Wenn
ein 20- oder 30-jähriger Patient oder Versicherter, der in
diesem Alter logischerweise in der Regel nicht an chroni-
sche Krankheiten denkt, solche Leistungen abwählt, mit
60 Jahren aber beispielsweise einen Schlaganfall erleidet
– davor ist niemand gefeit – und dringend auf Kran-
kengymnastik, Logopädie oder häusliche Krankenpflege
angewiesen ist, was wird dann aus seiner Behandlung?
Diese Fragen müssen Sie doch beantworten, wenn Sie
diese Leistungen aus dem Pflichtleistungskatalog he-
rausnehmen.

Welchen Stellenwert hat denn die Reha in der Gesund-
heitsversorgung à la CSU, wenn Krankengymnastik und
Sprachheilkunde nicht mehr zum Pflichtleistungskatalog
der gesetzlichen Krankenversicherung gehören sollen?
Was ist mit dem Rollstuhl als Hilfsmittel, wenn er den




Klaus Kirschner
20330


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abgewählt hat? Der gehört nach Ihrer Version der gesetz-
lichen Krankenversicherung nicht mehr zum Pflicht-
leistungskatalog. Was ist, wenn nach einer Brustkrebs-
operation die Lymphdrainage nicht mehr von der GKV
gewährt wird, weil sie nicht mehr zu den Pflichtleistungen
gehört


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Hört! Hört!)

und die Patientin als Versicherte das in jungen Jahren ab-
gewählt hat?

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Sind Sie sich
eigentlich bewusst, dass Sie die Behandlungskette von der
Prävention über die Akutbehandlung zur Reha kippen?
Sind Sie sich bewusst, dass Sie Heil- und Hilfsmit-
telversorgung einerseits zu Luxusgütern machen, indem
Sie sie aus der gesetzlichen Krankenversicherung aus-
gliedern, während anderseits den Sozialhilfeempfängern
diese Leistungen zustehen? Was Sie in Ihr Papier
hineingeschrieben haben, ist verfassungswidrig.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Meine Damen und Herren, in enger Verbundenheit
– das gilt auch für die FDP, lieber Herr Kollege Parr – mit
den Lobbyisten der Leistungserbringer begründen Sie
dies unisono damit, dass angeblich das Geld nicht mehr
reicht für eine ausreichende und qualitätsgesicherte Voll-
versorgung.

Der Kollege Seehofer hat in einer Debatte im Deut-
schen Bundestag am 26. September gesagt, dass durch die
Budgetierung Millionen kranke Menschen in Deutsch-
land die notwendige Versorgung nicht mehr bekommen.
Angesichts Ihrer Absichten – sie sind im CSU-Papier dar-
gelegt –, die Heil- und Hilfsmittelversorgung und die
häusliche Krankenpflege von Schwerkranken zu strei-
chen, ist dies pure Heuchelei.


(Beifall bei der SPD)

An die Adresse der FDP möchte ich Folgendes sagen:

Herr Kollege Parr, Sie reden ständig von mehr Wettbe-
werb. Wo bleibt die Forderung nach mehr Wettbewerb
zum Beispiel bei der Arzneimitteldistribution? Fordern
Sie die Freigabe des Versandhandels für Medikamente?
Wollen Sie mehr Wettbewerb bei den Zahnärzten und
Ärzten? Stellen Sie die KVen und die KZVen auf den
Prüfstand? Was Sie in Wirklichkeit wollen, ist ein Wett-
bewerb zugunsten der Besitzstandswahrer und zulasten
der Versicherten und Patienten.


(Beifall bei der SPD und der PDS)

Ihre Wege, den Kranken mehr Geld abzupressen, sind

in höchstem Maße unsozial. Es ist doch vielmehr zutref-
fend – ich zitiere –


(Detlef Parr [FDP]: Nein!)

– warten Sie einmal ab! –,

dass wir in der Bundesrepublik Deutschland zu viele
Krankenhausbetten haben, dass wir im Krankenhaus
ein hohes Maß an Fehlbelegungen haben, dass wir in
Deutschland viel zu viel stationäre und viel zu wenig
ambulante Behandlung durchführen. Niemand wird
ernstlich infrage stellen können, dass wir in der teu-

ren Apparatemedizin z. B. einen Anteil von 30 %
überflüssigen Röntgen- oder Laborleistungen haben.
Jeder kennt doch die Probleme mit den Mehrfachun-
tersuchungen, mit den großen Arzneimittelpackun-
gen. Hier liegen große Wirtschaftlichkeitsreserven
für das Einsparen.

Dieser Sachstandsbeschreibung kann ich nur zustim-
men. Sie liegt zwar neun Jahre zurück, hat aber nichts von
ihrer Aktualität verloren. Wissen Sie, von wem diese Ana-
lyse stammt? Von unserem lieben, verehrten Kollegen
Seehofer – damals noch Bundesgesundheitsminister –,
hier am 11. September 1992 vorgetragen!


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wie man aus einer solchen Analyse die Schlussfolgerung
ziehen kann, dass es einer höheren Selbstbeteiligung und
der Kürzung medizinischer Leistungen bedarf, das bleibt
Ihr Geheimnis.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zickzackkurs!)


Zielführend ist: höhere Effizienz, mehr Effektivität
und Qualität, so wie es das GKV-Gesundheitsreformge-
setz 2000 vorsieht. Das haben wir in das Gesetz hinein-
geschrieben. Ich gebe zu: Wir sind mit der Umsetzung lei-
der nicht so vorangekommen, wie ich es erhofft habe.


(Detlef Parr [FDP]: Das ist wie mit den Arbeitslosen!)


Beispielsweise wurden bis zur Konstituierung des Koor-
dinierungsausschusses mehr als eineinhalb Jahre ge-
braucht. Wir werden uns diese Blockade genau an-
schauen. Es darf in Zukunft nicht mehr so sein, dass das,
was der Gesetzgeber beschließt, blockiert wird.

Ebenso sind die vollmundigen Versprechungen der
KBV– ich weise darauf hin, weil es ebenfalls sehr viel mit
den steigenden Arzneimittelausgaben zu tun hat –, das
Problem der Arzneimittelausgaben selbst in den Griff zu
bekommen, ins Gegenteil verkehrt worden. Auch deshalb
müssen wir jetzt die Gesetze ändern.

Beitragssatzstabilität ist erreichbar, wenn – davon bin
ich überzeugt – die beschlossenen Strukturreformen end-
lich Realität werden. Da Sie immer wieder nach unseren
Konzepten fragen: Was ist Ihre Alternative zur integrier-
ten Behandlung in Versorgungsnetzen, zu den Fallpau-
schalen im Krankenhaus, zum Katalog stationsersetzen-
der Leistungen, zur Stärkung des Hausarztes?


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Keine!)

Sind Sie gegen evidenzbasierte Behandlungsleitlinien,
die durch den Koordinierungsausschuss festzulegen sind?
Wenn Sie dagegen sind, dann sagen Sie es! Aus meiner
Sicht gibt es keine verantwortbare Alternative, wenn der
Patient – nicht egoistische Partikularinteressen – im Mit-
telpunkt stehen soll. Darum dreht sich die ganze Ausei-
nandersetzung, die wir hier zu führen haben.

Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU und von
der FDP, ich rate Ihnen: Werfen Sie Ihren Ballast ver-
staubter,


(Detlef Parr [FDP]: Der kann vor Staub schon nichts mehr sehen!)





Klaus Kirschner

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(C)



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(A)



(B)


strukturkonservativer Vorstellungen ab!

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Ich sage ehrlich: Es geht darum, ob wir entweder eine me-
dizinisch-qualitätsgesicherte Vollversorgung,wie wir sie
wollen, oder ein System von Grund- und Wahlleistungen,
wie es Ihrem Konzept entspricht, bekommen. Wir
scheuen die politische Auseinandersetzung darüber nicht.
Ich verspreche Ihnen: Wir werden diese Auseinanderset-
zung auch im Wahlkampf führen.


(Detlef Parr [FDP]: Jawohl, das ist sehr gut!)

Wenn Sie den Patienten wirklich in den Mittelpunkt

stellen wollen, dann rate ich Ihnen: Springen Sie endlich
auf den Zug echter Strukturreformen und geben Sie Ihr
Vorhaben einer Zweiklassenmedizin – es handelt sich um
ein soziales Abstellgleis – auf!


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420519500
Ich erteile das Wort
der Kollegin Annette Widmann-Mauz, CDU/CSU-Frak-
tion.


Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1420519600
Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege
Kirschner, Ihre gerade hier vorgetragene Rede war ein
reines Ablenkungsmanöver. Wir können doch stolz sein,
dass die CDU/CSU wenigstens ein Konzept hat. Sie ha-
ben nämlich keines.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Auf dem SPD-Parteitag in Nürnberg wurde nicht ein Wort
über konkrete Zukunftsperspektiven für das Gesundheits-
wesen verloren.

Ehe Sie hier die Grund- und Wahlleistungen so diffa-
mieren, sollten Sie sich einmal mit den Aussagen Ihrer ei-
genen Parteifreunde beschäftigen. Florian Gerster aus
Rheinland-Pfalz sagt, daran führe gar kein Weg vorbei.
Hören Sie sich einmal in Ihrem eigenen Ministerium um.
Der Abteilungsleiter Smigielski spricht ja schon über
höhere Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen, allerdings
erst für die Zeit nach der Wahl. Warum wollen Sie eigent-
lich den Menschen hier im Land etwas vormachen? Die
Menschen glauben es Ihnen nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn es noch eines Hinweises bedurft hätte, hat spätes-

tens die heutige Debatte gezeigt: Frau Schmidt, Sie sind
die zweite Ministerin in Folge, die den Anforderungen des
Amtes nicht gewachsen ist. Nie waren Sie so schwach wie
heute. Ihnen gleitet alles aus der Hand.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Horst Seehofer hat in seiner Rede deutlich die Explo-
sion der Kassenbeiträge aufgezeigt.


(Zuruf von der SPD: Nur Zitate!)

Die fünf Wirtschaftsweisen haben es ebenfalls in der ih-
nen eigenen Nüchternheit gesagt – ich zitiere –: „Der Ge-

sundheitspolitik fehlt eine klare Konzeption.“ Deutlicher
geht es wohl nicht mehr.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Lesen Sie auch nur Zitate vor?)


Frau Schmidt, Sie fahren das Gesundheitssystem sou-
verän, wie Sie es nennen, an die Wand. Die Leidtragenden
sind zuallererst wieder einmal die kleinen Leute im Land.


(Lachen bei der SPD)

Wo ist denn das angeblich so große Herz der SPD für die
kleinen Leute nach drei Jahren geblieben?


(Susanne Kastner [SPD]: Aber Ihre Riesenzuzahlungen waren für die kleinen Leute? Sagen Sie doch mal was zu Ihren Zuzahlungen!)


Auch Ihr Kanzler hat mittlerweile erkannt, dass Sie die
Zügel nicht mehr in den Händen halten, und hat jetzt, wo
Ihnen das Wasser bis zum Halse steht, selbst das Ruder
übernommen. Gesundheitspolitik ist zur Chefsache ge-
worden. Damit wird aber das Ganze nicht besser.
Schröder ist der Dritte im Bunde, der keine Ahnung von
Gesundheitspolitik hat.


(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Kastner [SPD]: Aber Sie haben Ahnung?)


– Warten Sie einmal ab. – Aus dem, was Schröder mit sei-
nem Pharmadeal uns Parlamentariern – das müsste doch
Sie als Geschäftsführerin wirklich ins Mark treffen –


(Lachen der Abg. Susanne Kastner [SPD])

und mehr noch den Patienten, den Versicherten, den Men-
schen in diesem Land zumutet, spricht wirklich die kalte
Arroganz der Macht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich weiß nicht, was es ist: Ahnungslosigkeit oder Kalt-
blütigkeit. Ich vermute, es ist von beidem etwas. Schröder
nimmt das Geld des kleinen Mannes und verteilt Weih-
nachtsgeschenke an die milliardenschwere Pharmaindus-
trie.

Der Kanzlerdeal ist verfassungspolitisch so anrüchig
und unanständig, dass wir den Menschen schon mit aller
Deutlichkeit sagen müssen, was in diesem Lande vor sich
geht.


(Susanne Kastner [SPD]: Wenn hier jemand unanständig ist, dann sind Sie es!)


Das sollte auch Sie beschäftigen. Ich sage es noch einmal
zum Mitschreiben: Die Fraktionen von SPD und Bünd-
nis 90/Die Grünen bringen in den Bundestag einen Ge-
setzentwurf mit dem Ziel ein, die Arzneimittelausgaben
zu senken, für deren Erhöhung sie selbst verantwortlich
sind. Die Argumente der Betroffenen werden in der An-
hörung gar nicht wahrgenommen; die Anhörung zu Ihrem
Gesetz verlief doch niederschmetternd.


(Walter Schöler [SPD]: Sofort Notarzt!)

Jetzt drohen für die Beschäftigten und für die wirtschaft-
liche Entwicklung und für unser Land große Schwierig-
keiten.

Was passiert? Siehe da, die Industrie winkt mit dem
Geldbeutel und Schröder öffnet – zumindest für die be-




Klaus Kirschner
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(D)



(A)



(B)


sonders zahlungskräftigen forschenden Pharmaunterneh-
men – die Pforten des Kanzleramtes.


(Susanne Kastner [SPD]: Sagen Sie einmal etwas zu Ihrer Zuzahlung!)


Man raucht Zigarren und trinkt schweren Rotwein. Dann
lässt man sich 400 Millionen DM in einem Koffer anbie-
ten und verspricht dafür, dass ein Passus aus dem Gesetz
verschwindet.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD – Walter Schöler [SPD]: Welch ein Niveau!)


Dieser Passus sah für 2002 und 2003 einen gesetzlich ver-
ordneten Preisabschlag von 4 Prozent bei verschrei-
bungspflichtigen und nicht festbetragsgeregelten Medika-
menten vor. Dabei handelt es sich um 390 Millionen DM
pro Jahr, insgesamt also 780 Millionen DM –


(Susanne Kastner [SPD]: Ist diese Frau schrecklich! – Weitere Zurufe von der SPD)


– hören Sie gut zu; ich weiß, dass Sie das nicht gerne
hören, aber das können Sie sich ruhig einmal auf der
Zunge zergehen lassen –, die die Pharmaindustrie weni-
ger verdient hätte. Jetzt kommt Schröder und sagt: Okay,
gebt mir einmalig 400 Millionen DM und die Sache ist
vom Tisch. – Dieses Geschenk, das 380 Millionen DM
kostet, haben die Versicherten in diesem Land zu bezah-
len. Dass dieser Deal jetzt auch noch von der Steuer ab-
setzbar sein soll, haben wir schon gehört. Deshalb ist die
Pharmaindustrie an dieser Stelle kaum noch betroffen.
Durch das Absetzen als Betriebsausgabe reduzieren sich
die verbliebenen 400 Millionen DM etwa auf die Hälfte
und zahlen darf es der kleine Steuerzahler.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Wenn sie weniger einnehmen, zahlen sie weniger Steuern!)


Die Verteilung dieser mageren 400 Millionen DM auf
die 620 Krankenkassen im Land wird auch noch einmal
Geld verschlingen. Was kommt denn am Schluss über-
haupt noch bei den Beitragszahlern an?


(Walter Schöler [SPD]: Haben Sie einmal in den Haushalt reingeguckt? – Susanne Kastner [SPD]: Die Zuschauer gehen schon!)


Ich kann nur sagen: Schöne Weihnachten, zumindest
für die großen Pharmakonzerne! Eine Branche kauft sich
von gesetzlichen Regelungen frei. Die Großen lässt man
laufen und die Kleinen beißen die Hunde. So sieht rot-
grüne Reformpolitik aus!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Ablasshandel!)


Nach drei Jahren rot-grüner Politik sind wir in einer
Bananenrepublik angekommen.


(Lachen bei der SPD)

Der Kanzler geriert sich wie ein Monarch, das Parlament
wird zum Abnicken degradiert – das ist ja nicht das erste
Mal – und bezahlt wird diese monarchistische Schau vom
kleinen Mann. Es ist kein Wunder, wenn er das Vertrauen
in den Rechtsstaat und in das System der gesetzlichen
Krankenversicherung verliert.

Meine Damen, meine Herren von Rot-Grün, als Kolle-
gin und auch als Bürgerin finde ich dieses Gebaren des
Bundeskanzlers, das Sie nicht im Mindesten in Zweifel
ziehen – Frau Schmidt-Zadel, Sie sagten wörtlich, der
Kanzler habe gut verhandelt; es fragt sich nur, für wen –,
nicht nur verfassungspolitisch skandalös, sondern auch
unter rechtlichen Aspekten höchst bedenklich.

Jetzt können Sie noch etwas lernen. § 31 SGB I enthält
einen Gesetzesvorbehalt, in dem verankert ist, dass Zu-
wendungen an die gesetzliche Krankenversicherung nur
aufgrund gesetzlicher Grundlagen möglich sind.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Für Sie wird es Zeit, dass Weihnachten wird!)


Aber unsere Gesundheitsvirtuosen Schröder und Schmidt
bewegen sich im gesetzwidrigen Raum. Wenn gesetzliche
Krankenkassen das Geld bekommen sollen, dann muss
das durch ein Gesetz geregelt werden.


(Walter Schöler [SPD]: Darf eine AOK mit Millionenbeträgen Bundesligavereine finanzieren und sponsern?)


Daran kommen Sie nicht vorbei, aber vorgelegt haben Sie
noch nichts. Es ist auch völlig unklar, wie die Bundesre-
gierung sicherstellen will, dass die Mitgliedsunternehmen
des VFA die Zahlungen tatsächlich leisten.

Es ist ganz interessant, wenn Sie in den Ticker schauen
und in einer dpa-Meldung lesen, was wir morgen zum Bei-
spiel in der „Frankfurter Rundschau“ lesen werden. Wir
werden nämlich lesen, dass es gar nicht sicher ist; die
Pharmaindustrie will diese 400 Millionen DM wohl gar
nicht bezahlen. In der dpa-Meldung heißt es – ich zitiere –:

Vielmehr sollten die 38 Mitgliedsfirmen jeweils Teil-
beträge an die von der Regierung zu benennende In-
stanz überweisen.

Das heißt, wenn nicht gezahlt wird, haben die Kassen als
öffentlich-rechtliche Körperschaft noch nicht einmal die
Rechtsgrundlage dafür, um dieses Geld einzufordern.
Ohne gesetzliche Regelung setzt sich neben der Regie-
rung auch noch die gesetzliche Krankenversicherung dem
Vorwurf der Käuflichkeit aus.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ist denn überhaupt geklärt, ob die Krankenkassen dieses
Schmiergeld annehmen wollen?

Auch in diesem Zusammenhang ist es wieder interes-
sant, zu lesen, was in der deutschen Öffentlichkeit gesagt
wird – ich zitiere aus derselben Meldung –:

Weder das Bundesversicherungsamt noch die Spit-
zenverbände der Krankenkassen seien zu der Mittel-
verteilung bereit, heißt es in dem Zeitungsbericht.

Frau Schmidt, bei dem, was Sie machen, handelt es sich
um einen Systembruch, mehr noch: Es ist ein weiterer
Sündenfall. Im Unterschied zur Rentenversicherung lebt
die gesetzliche Krankenversicherung bisher nicht von Zu-
schüssen, sondern ausschließlich vom Beitragsaufkom-
men. Mit diesem Ablasshandel schaffen Sie eine völlig
neue Finanzierungsquelle für die gesetzliche Krankenver-
sicherung. Ich frage Sie, ob Sie jetzt auch noch die




Annette Widmann-Mauz

20333


(C)



(D)



(A)



(B)


Krankenversicherung von der Spendenbereitschaft der
Pharmaindustrie abhängig machen wollen.


(Susanne Kastner [SPD]: Jetzt kommt es!)

Man könnte die Behandlung dieser rechtlichen Fragen

bis in alle Ewigkeit fortsetzen. Es ist wirklich schlimm,
aber eines kann ich Ihnen zum Abschluss wirklich nicht
ersparen. Sie haben uns immer das Bild von der Zwei-
klassengesellschaft an die Wand gemalt.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Lauter schreien! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wir werden wach!)


Ich erinnere mich gut daran, dass Sie auf Wahlplakaten
zum Beispiel den Zahnersatz für Kinder instrumentali-
siert haben. Sie haben es wieder getan, Kollege Kirschner.
Damals hieß es, unsere Kinder sollten auch in Zukunft
lächeln können, obwohl Sie genau wussten, dass die Kin-
der von dieser Regelung so gut wie gar nicht betroffen ge-
wesen wären. Dies war eine infame Kampagne.


(Susanne Kastner [SPD]: Wie bitte? Haben Sie Gedächtnisverlust?)


Ich kann Ihnen nur sagen, dass Sie sich heute doch selbst
übertreffen. Den Kindern in diesem Land ist das Lachen
nämlich mittlerweile vergangen. Sie haben einer Richtli-
nie des „Bundesausschusses Zahnärzte und Krankenkas-
sen“ zugestimmt, nach der die Kassen von Januar an für
die Korrektur von Zahnfehlstellungen nur noch in Aus-
nahmefällen die Kosten erstatten. Künftig werden also die
Eltern die Zahnspange für ihre Kinder selbst finanzieren
müssen. Bei Kosten von 1 500 bis 7 000 DM ist das wirk-
lich kein Pappenstiel.


(Walter Schöler [SPD]: Das ist purer Blödsinn! – Klaus Kirschner [SPD]: Kosmetik wird auch nicht von der Krankenkasse bezahlt!)


Glauben Sie denn allen Ernstes, dass Ihren Sonntags-
reden von Stärkung der Prävention und Ablehnung einer
Grundversorgung in der Bevölkerung überhaupt noch je-
mand glaubt?


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420519700
Frau Kollegin, Sie ha-
ben Ihre Redezeit überschritten. Sie müssen bitte zum
Ende kommen.


(Beifall bei der SPD)



Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1420519800
Ich komme
zum Schluss.

Wer die Grundversorgung durch die Hintertür einführt,
der hat jeglichen Anspruch verloren, sich abfällig über
Kern- und Wahlleistungen auszulassen. Künftig wird man
in diesem Land am Lächeln erkennen, ob jemand zur Zeit
von Rot-Grün groß geworden ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1420519900
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15,
Bundesministerium für Gesundheit, in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Einzelplan 15 ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des
übrigen Hauses angenommen.

Wir kommen jetzt zu Überweisungen im vereinfachten
Verfahren ohne Debatte.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte V a bis V f sowie Zu-
satzpunkt 1 auf:

Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Neuordnung der Statistik im produzieren-
den Gewerbe und zur Änderung des Geset-
zes über Kostenstrukturstatistik
– Drucksache 14/7556 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss(f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
Stärkung der vertraglichen Stellung von Ur-
hebern und ausübenden Künstlern
– Drucksache 14/7564 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Kultur und Medien

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
geordneten Beendigung der Kernenergie-
nutzung zur gewerblichen Erzeugung von
Elektrizität
– Drucksache 14/7261 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und
Reaktorsicherheit (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Forstvermeh-
rungsgutgesetzes (FoVG)

– Drucksache 14/7384 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und
Landwirtschaft

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu
dem Protokoll vom 27. Februar 2001 zurEr-
gänzung des Abkommens vom 5. April 1993




Annette Widmann-Mauz
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(C)



(D)



(A)



(B)


zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der Republik Lettland über den Luft-
verkehr
– Drucksache 14/7419 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike
Flach, Cornelia Pieper, Birgit Homburger, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
DeutscherWissenschaftspreis
– Drucksache 14/3811 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technik-
folgenabschätzung (f)

Finanzausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien

ZP 1 Weitere Überweisung im vereinfachten
Verfahren

(Ergänzung zu TOPV.)

Beratung des Antrags der Fraktion der PDS
Sofort- und Wiederaufbauhilfe für Kuba nach
dem Wirbelsturm „Michelle“
– Drucksache 14/7597 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Haushaltsausschuss

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu Beschlussfassungen zu Vorlagen,
zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI a auf:
Abschließende Beratungen ohne Aussprache
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zur Änderung des Anerkennungs- und Voll-
streckungsausführungsgesetzes
– Drucksachen 14/7207, 14/7418 –

(Erste Beratung 198. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache: 14/7595 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Margot von Renesse
Joachim Stünker
Dr. Susanne Tiemann
Rainer Funke
Dr. Evelyn Kenzler

Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 14/7595,
den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die

dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen
des ganzen Hauses angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist vom ganzen Haus angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI b auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
über die Aufhebung des Gesetzes zur Förde-
rung der Rationalisierung im Steinkohlenberg-
bau
– Drucksache 14/7238 –

(Erste Beratung 198. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)

– Drucksache 14/7607 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Kurt-Dieter Grill

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp-
fiehlt auf Drucksache 14/7607, den Gesetzentwurf anzu-
nehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zu-
stimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit
in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI c auf:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zu dem Abkommen vom 11. März
1996 zwischen der Bundesrepublik Deutsch-
land und der Demokratischen Volksrepublik
Algerien über die gegenseitige Förderung und
den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
– Drucksache 14/7042 –

(Erste Beratung 195. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)

– Drucksache 14/7482 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Friedhelm Ost

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp-
fiehlt auf Drucksache 14/7482, den Gesetzentwurf anzu-
nehmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich
zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Gesetzentwurf ist bei Enthaltung der PDS mit den
Stimmen des übrigen Hauses angenommen.




Präsident Wolfgang Thierse

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(D)



(A)



(B)


Ich rufe Tagesordnungspunkt VI d auf:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zu dem Vertrag vom 23. Mai 2000
zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
derRepublik Botsuana über die Förderung und
den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen
– Drucksache 14/7043 –

(Erste Beratung 195. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)

– Drucksache 14/7525 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Rolf Hempelmann

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie emp-
fiehlt auf Drucksache 14/7525, den Gesetzentwurf anzu-
nehmen. Ich bitte diejenigen, die zustimmen wollen, sich
zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des Hauses bei
Enthaltung der PDS angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI e auf:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des
von der Bundesregierung eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 7. Fe-
bruar 2000 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Demokratischen Sozia-
listischen Republik Sri Lanka über die Förde-
rung und den gegenseitigen Schutz von Kapi-
talanlagen
– Drucksache 14/7036 –

(Erste Beratung 195. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Wirtschaft und Technologie (9. Ausschuss)

– Drucksache 14/7526 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Andrea Fischer (Berlin)


Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie empfiehlt
auf Drucksache 14/7526, den Gesetzentwurf anzunehmen.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen
wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des
Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen.

Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten VI f
bis VI k, zu den Beschlussempfehlungen des Petitions-
ausschusses.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI f auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 317 zu Petitionen
– Drucksache 14/7494 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 317 ist mit den Stimmen des
Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI g auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 318 zu Petitionen
– Drucksache 14/7495 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 318 ist mit den Stimmen des
Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI h auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 319 zu Petitionen
– Drucksache 14/7496 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 319 ist mit den Stimmen des
Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI i auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 320 zu Petitionen
– Drucksache 14/7497 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 320 ist einstimmig angenom-
men.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI j auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 321 zu Petitionen
– Drucksache 14/7498 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 321 ist mit den Stimmen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
anderen Fraktionen angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt VI k auf:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 322 zu Petitionen
– Drucksache 14/7499 –

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Sammelübersicht 322 ist mit den Stimmen von
SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS gegen die Stim-
men von CDU/CSU und FDP angenommen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 2 a auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesre-
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes
zurBereinigung des als Bundesrecht fortgelten-
den Rechts der Deutschen Demokratischen Re-
publik
– Drucksache 14/6811 –




Präsident Wolfgang Thierse
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(D)



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(B)



(Erste Beratung 190. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 14/7570 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans-Joachim Hacker
Andrea Voßhoff
Hans-Christian Ströbele
Rainer Funke
Dr. Evelyn Kenzler

Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache
14/7570, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte dieje-
nigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das
Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Der Gesetzentwurf
ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf
ist einstimmig angenommen.

Ich rufe den Zusatzpunkt 2 b auf:
Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von
der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs ei-
nes Gesetzes zu dem Markenrechtsvertrag vom
27. Oktober 1994
– Drucksache 14/7044 –

(Erste Bertung 195. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsaus-
schusses (6. Ausschuss)

– Drucksache 14/7574 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dirk Manzewski
Dr. Norbert Röttgen
Volker Beck (Köln)

Rainer Funke
Sabine Jünger

Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache
14/7574 den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte dieje-
nigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu
erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

Damit sind wir am Ende dieser Abstimmungsprozedur.
Ich rufe nun auf:

Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen
– Drucksachen 14/7312, 14/7321 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Gerhard Rübenkönig
Franziska Eichstädt-Bohlig
Jürgen Koppelin
Dr. Uwe-Jens Rössel

Es liegen sechs Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, drei Änderungsanträge der Fraktion der FDP
und vier Änderungsanträge der Fraktion der PDS vor.
Weiterhin liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU vor, über den wir am Freitag abstimmen wer-
den.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen
Bartholomäus Kalb von der CDU/CSU-Fraktion das
Wort.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt geht es los!)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1420520000
Herr Präsident!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den gym-
nastischen Übungen nun zum Verkehrsetat. Der Verkehrs-
etat ist unter die Räder gekommen. Es war nicht gut, dass
die Beratungen im Haushaltsausschuss von den Spannun-
gen, die sich im Vorfeld der Vertrauensfrage des Bundes-
kanzlers aufgetan haben, gekennzeichnet waren.


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Petra Bläss)

Es hat sich überhaupt nichts mehr bewegt, weil sich die

Koalition praktisch gegenseitig blockiert hat.
Jede wichtige Frage wurde sofort zur Grundsatzfrage

hochstilisiert, aus jeder Frage wurde ein Koalitionsfrage
gemacht. Ich weiß, dass es in den Reihen des größeren
Koalitionspartners, der SPD, durchaus sehr vernünftige
Überlegungen gegeben hatte, auf bestimmte Veränderun-
gen flexibel zu reagieren. Das ist dann aber nicht zuge-
lassen worden.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere
in den Bereichen der Straßenbauinvestitionen und der
neuen Technologien wie dem Transrapid hat sich die Ideo-
logie gegen die Vernunft durchgesetzt. Wir alle wissen
und beklagen, dass die Mittel für die Schieneninvestitio-
nen in diesem und im nächsten Jahr nicht abfließen
werden. Deshalb haben wir vorgeschlagen, einen
Deckungsverbund zwischen Schienen- und Fernstraßen-
investitionen herzustellen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Sehr vernünftig!)


Was würde es denn der Schiene schaden, wenn die Mittel,
die dort nicht abfließen, an anderer Stelle in Verkehrsin-
vestitionen gesteckt würden? – Überhaupt nichts!


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wer hat das jetzt verhindert?)


Es ist geradezu ein Drama, wenn man feststellen muss,
dass bis November des laufenden Jahres in wesentlichen
Investitionsbereichen erst etwa 45 Prozent der Ausgaben
nicht getätigt werden konnten. Auch wenn man berück-
sichtigt, dass zum Jahresabschluss der Mittelabfluss




Präsident Wolfgang Thierse

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(C)



(D)



(A)



(B)


natürlich höher sein wird, ist das eine viel zu niedrige
Quote.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die waren in früheren Jahren noch viel niedriger!)


Die Bauwirtschaft gerät immer tiefer in die Krise.
Viele Unternehmen stehen am Rande ihrer Existenz. Laut
Statistischem Bundesamt ist der Auftragseingang allein
im September um 8,1 Prozent eingebrochen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Leider wahr! – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Dramatisch!)


Die Zahl der Beschäftigten ist seit März um 10,8 Prozent
bzw. um 115 000 Personen gesunken und der Umsatz ist
um 11,2 Prozent zurückgegangen. Viele Unternehmen
warten dringend auf Aufträge und auf Zahlungen für be-
reits erbrachte Leistungen. Hier hakt es vor allem bei der
Bahn.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber das rührt hier offenbar niemanden. 1,8 Milliar-

den DM wollen Sie in diesem und im nächsten Jahr der
DBAG für die zinslose Zwischenfinanzierung von Mehr-
kosten bei Großprojekten zuschieben. Damit wird aber
kein einziger Kilometer zusätzliche Strecke gebaut und
auch kein einziger neuer Arbeitsplatz in der Baubranche
gesichert.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir begleichen eure Schulden!)


Es dient allenfalls dazu, das Betriebsergebnis der DBAG
zu verbessern, Herr Aufsichtsratsmitglied.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer war denn der Spatenstichminister?)


– Zu Ihrem Zwischenruf kann ich sofort etwas sagen, Herr
Kollege Schmidt: Wenn ich mir die Verpflichtungser-
mächtigungen für die Haushaltsjahre 2003 und folgende,
insbesondere aber die für das Haushaltsjahr 2003, an-
schaue, dann zeichnet sich jetzt schon ab, dass im nächs-
ten Jahr eine ganze Reihe von werbeträchtigen Spatensti-
chen stattfinden wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin weit
davon entfernt, für den mangelnden Mittelabfluss allein
die Bahn verantwortlich zu machen. Dort gibt es zwar
Mängel, die wir kritisieren. Es gibt aber auch objektive
Schwierigkeiten, die nicht ohne weiteres zu beheben wa-
ren und zu beheben sind. Zudem gibt es Probleme, die von
der Regierung zu verantworten sind, etwa die zögerlichen
Verfahren bei Finanzierungsvereinbarungen oder die un-
stete Mittelbereitstellung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist kein Beitrag zur Verbesserung der Planungssi-

cherheit und der Verstetigung von Investitionen, wenn
im November 2000 der Bahn für die Jahre 2001, 2002 und
2003 zusätzliche Mittel aus dem so genannten ZIP-Pro-
gramm in Aussicht gestellt werden, diese Mittel aber zu-

gleich mit einem kw-Vermerk versehen werden, was eine
strikte Befristung bis zum Jahre 2003 bedeutet.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist unglaublich!)


Die Koalition rühmt sich der nominalen Erhöhung des
Verkehrsetats um 1,5 Milliarden Euro. In Wirklichkeit
sinkt er aber um 900 Millionen Euro,


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


weil Sie mittlerweile rund 2,4 Milliarden Euro über den
Haushalt finanzieren müssen, die Sie noch im Vorjahr
durch Privatisierungserlöse dem Eisenbahnvermögen zu-
führen konnten.

Der von der Bundesregierung selbst vorgelegte Ver-
kehrsbericht 2000 prognostiziert bis zum Jahre 2015 ei-
nen drastischen Verkehrszuwachs. Der Güterverkehr wird
insgesamt – so der Bericht – einen Zuwachs um 64 Pro-
zent verzeichnen, der Straßengüterfernverkehr gar um
70,8 Prozent zunehmen. Und das ist nur der Durchschnitt!

In Wirklichkeit bedeutet das, dass der Straßengüter-
fernverkehr in einigen Korridoren, insbesondere in den
Ost-West-Relationen, um bis zu 800 Prozent zunehmen
wird, und zwar nicht zuletzt aufgrund der von uns allen
begrüßten EU-Osterweiterung, die natürlich mit einem
Verkehrswachstum verbunden ist. Wenn gewollt ist, dass
die Europäische Union möglichst bald erweitert wird,
dann müssen dafür auch die Voraussetzungen geschaffen
werden. Dies gilt insbesondere auch für den Verkehrs-
wegeausbau.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ähnlich wie nach der Wiedervereinigung – damals haben
wir die Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ aufgelegt –,
brauchen wir jetzt ein Programm Verkehrsprojekte „Eu-
ropäische Einigung“.


(Iris Gleicke [SPD]: Ach du großer Gott!)

Die zu erwartende Verkehrsnachfrage und -belastung

wird es uns in der Zukunft nicht mehr erlauben, ideologi-
sche Spielchen zu betreiben. Wenn wir nicht im Verkehr
ersticken wollen, wird es notwendig sein, alle Verkehrs-
träger so schnell wie möglich zu optimieren und sie noch
besser miteinander zu verzahnen und zu vernetzen. Wir
müssen ihre jeweiligen Vorzüge und Stärken voll zur Gel-
tung bringen und sie optimal nutzen. Mit Ideologie,
Wunschdenken und Gesundbeten sind die Probleme der
Zukunft jedenfalls nicht zu lösen. Wir müssen der Ent-
wicklung ins Auge sehen und entsprechend handeln.

Innerhalb von drei Jahren gibt es bereits den dritten
Minister an der Spitze dieses Hauses. Innerhalb von zwei
Jahren wurden vier Programme angekündigt, die angeb-
lich eine wesentliche Verstärkung von Verkehrsinvestitio-
nen zur Folge haben sollten. Ich erinnere nur an das so ge-
nannte Investitionsprogramm im September 1999 und an
das Anti-Stau-Programm im Februar 2000, das aufgelegt
wurde, weil das erste nicht ausreichte. Letzteres sollte mit
Geld, dass man noch gar nicht hatte, finanziert werden. Im
Oktober und November des letzten Jahres schließlich gab
es dann das so genannte ZIP-Programm.




Bartholomäus Kalb
20338


(C)



(D)



(A)



(B)


Im Oktober dieses Jahres lese ich nun zu meiner Über-
raschung: „Neue Milliarden für den Autobahnausbau.“


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Sie finden keinen freien Platz mehr!)


Die „Passauer Neue Presse“

(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gute Zeitung!)

und viele andere schrieben:

Verkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) kündigte ges-
tern an, dass von der Bahn nicht verbrauchte Mittel
für den schnelleren Ausbau von Autobahnen ver-
wendet werden. 500 km Autobahnen sollten schnel-
ler als geplant sechsspurig ausgebaut werden.

Vorgesehen war, dass nicht abfließende Mittel bei der
Bahn dafür eingesetzt werden, dass die Vorfinanzierung
gleichzeitig durch Zugeständnisse bei der Bemautung ge-
währleistet wird. Dies alles ist dann aber nicht geschehen.
Im Rahmen der Haushaltsberatungen habe ich von diesem
Autobahnrandstreifenprogramm auch nichts mehr gehört.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Es ist im grünen Loch verschwunden!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, entgegen al-
len Ankündigungen wurden insbesondere die Mittel für
den eigentlichen Fernstraßenbau nicht erhöht, sondern
sind drastisch zurückgegangen.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo ist denn da was zurückgegangen?)


Leider ist auch ein anderes Thema, das sehr ideologie-
behaftet ist, strittig diskutiert worden. Streit bestand dabei
weniger zwischen der SPD und uns, sondern vielmehr
zwischen den Grünen und der SPD. Es geht um das
Thema Transrapid. Wir waren uns eigentlich einig – das
sah auch der Herr Kollege Rübenkönig, der heute nicht
hier sein kann –, sodass wir es für dringend erforderlich
halten, dass diese in Deutschland entwickelte Hochtech-
nologie auch hier zum Einsatz kommt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir konnten uns in den Vereinigten Staaten davon

überzeugen, welches Tempo dort vorgelegt wird, welches
Interesse die USA daran haben. Gemeinsam mit Ihnen,
Herr Minister, konnten wir uns auch in China davon über-
zeugen, mit welch geradezu atemberaubender Geschwin-
digkeit die Chinesen auf der Strecke zwischen Pudong-
Flughafen und Shanghai darangehen, diese Technologie
zur Anwendung zu bringen. Wir brauchen die Nutzung
dieser Technologie auch in Deutschland. Mit den beiden
Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen und Bayern, für die
jetzt die Machbarkeitsstudien erstellt werden, liegen zwei
absolut interessante Projekte vor, die dringend in die Tat
umgesetzt werden müssen.

In den Erläuterungen zu Titelgruppe 03, Kap. 1202
steht:

Der Bund ist jedoch unverändert bereit, sich mit bis
zu 3,1 Milliarden Euro an der Zukunft der
Magnetschwebebahntechnik zu beteiligen.

Weiter heißt es:
Der Bund beteiligt sich an der Planung und Realisie-
rung von Anwendungsstrecken für die Magnet-
schwebebahntechnik. Dafür werden gemeinsam mit
interessierten Bundesländern Alternativstrecken un-
tersucht.

Ich weiß mich mit dem Kollegen Rübenkönig und mit
vielen anderen Kollegen aus der SPD einig: Wir legen auf
diese Erläuterung allergrößten Wert und sehen sie auch als
politisch verbindlich an.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wo ist denn der Kollege Rübenkönig heute?)


– Der Kollege Rübenkönig, der hier Berichterstatter für
die SPD-Fraktion ist, kann heute nicht da sein. Er hat
es aber verdient, gerade in dieser Sache hier erwähnt zu
werden.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Aber er kann sich nicht durchsetzen!)


Es ist zwar abgelehnt worden, Verpflichtungsermäch-
tigungen, die wir für notwendig gehalten haben, auszu-
bringen, aber wir müssen festhalten, dass die genannten
Vorkehrungen zur Anwendung der Magnetschwebebahn-
technologie auch in Deutschland getroffen sind.

Die beiden großen Fraktionen haben erst kürzlich An-
träge mit dem Ziel eingebracht, die Binnenschifffahrt zu
stärken. Wenn man die Stärkung der Binnenschifffahrt
will, heißt das aber auch, dass man nicht gleichzeitig ge-
gen alle in diesem Bereich geplanten Projekte zu Felde
ziehen kann, wie es immer wieder – gerade von der Seite
der Grünen – getan wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Sprache des Kollegen Albert Schmidt, der in Deg-
gendorf erklärt hat, wenn die Donau ausgebaut werde,
dann gebe es an der Donau Krieg,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber ohne Streubomben!)


ist mehr als verräterisch. Diese militante Sprache sollte ei-
nem Grünen eigentlich gar nicht erst über die Lippen gehen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Wieso, der Pazifismus wurde doch abgelehnt!)


„Krieg“ an der Donau haben wir genug; wir brauchen ihn
jetzt nicht auch noch in Deggendorf.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter
Herr Minister, mir wäre zwar eine klare Entscheidung über
eine auszubauende Variante lieber gewesen. Wenn es jetzt
aber nicht möglich ist, eine solche Entscheidung zu tref-
fen, dann halte ich es für sachdienlich, dass man zumindest
den von Ihnen und von Bayern wohl gemeinsam ange-
dachten Weg beschreitet, mit drei verschiedenen Varianten
in das Raumordnungsverfahren zu gehen. Dann ergibt sich
auch die Möglichkeit, die noch offenen Fragen wirklich im
Detail zu klären. Vor allen Dingen würde dann kein weite-
rer zeitlicher Verzug eintreten. Ich würde es jedenfalls sehr
begrüßen, wenn dieser Weg beschritten werden könnte.


(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Es wäre schon besser, wenn Sie sagen würden, was Sie Bartholomäus Kalb 20339 wollen! – Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





(C)


(D)


(A)


(B)


– Ich kann das ohne weiteres sagen. Ich habe mich immer
klar für einen Donauausbau, der vernünftig ist


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was ist denn vernünftig?)


und der eine Verbesserung der Verkehrsverhältnisse
bringt, ausgesprochen. Ich habe da keine Probleme. Ich
habe das vor Ort immer klipp und klar gesagt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist im Übrigen auch in den Protokollen des Bundes-
tages nachzulesen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420520100
Herr Kollege Kalb,
ich muss jetzt klipp und klar sagen, dass Ihre Redezeit ab-
gelaufen ist.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1420520200
Ich würde noch
gerne etwas zu den Bereichen Städtebauförderung und
Aufbau Ost sagen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420520300
Angesichts der Zeit
eher nicht.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1420520400
Der Bundeskanz-
ler hat ja eine Sommerreise in die neuen Bundesländer un-
ternommen, bei der er große Ankündigungen und Ver-
sprechungen gemacht hat, die aber nicht eingehalten
wurden. Wir haben dann im Haushaltsausschuss die ent-
sprechenden Anträge gestellt. Diese wurden von der Ko-
alition abgelehnt, weil sie dem Bundeskanzler nicht fol-
gen wollte.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir auch nicht!)


Das ist der Unterschied zwischen Ankündigungen und
Taten. Wir sind dafür, dass das, was angekündigt wird,
auch in die Tat umgesetzt wird und dass den Menschen
geholfen wird. Dieser Verkehrsetat gibt leider keine Ant-
worten auf die drängenden Fragen. Deswegen können wir
ihm auch nicht zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420520500
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt die Kollegin Annette Faße.


Annette Faße (SPD):
Rede ID: ID1420520600
Frau Präsidentin! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Eigentlich wäre nun mein Kollege
Gerd Rübenkönig als zuständiger Berichterstatter im
Haushaltsausschuss an der Reihe. Von dieser Stelle aus
wünsche ich ihm alle Gesundheit. Dieses Signal, denke
ich, sollten wir gemeinsam geben.


(Beifall im ganzen Hause)

Es fällt mir natürlich überhaupt nicht schwer, heute

zum Verkehrshaushalt Stellung zu nehmen; denn das ist
ein Verkehrshaushalt, der sich wirklich sehen lassen kann.
Der Verkehrshaushalt ist mit seinen 26,37 Milliarden

Euro der drittgrößte Einzelhaushalt und zugleich der
größte Investitionshaushalt des Bundes.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit 13,5 Milliarden Euro liegen die Investitionen auf
Rekordniveau.


(Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Die sinken!)

Damit sind knapp die Hälfte aller Investitionen des Bun-
des Investitionen im Verkehrs- und Baubereich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Zahlen machen deutlich, welchen Stellenwert
die Verwirklichung einer effizienten und umweltgerech-
ten Verkehrspolitik für uns hat. Darüber hinaus leisten
diese Investitionen einen wichtigen Beitrag zur Bekämp-
fung der Arbeitslosigkeit, zum Beispiel in der Bauwirt-
schaft, und zur wirtschaftlichen Entwicklung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Kollege Kalb hat die prognostizierten Zahlen für
den Personen- und Güterverkehr genannt. Wir stellen uns
der damit verbundenen großen Herausforderung, hier ver-
antwortungsvoll handeln zu müssen.

Ich sage ganz deutlich, meine lieben Kolleginnen und
Kollegen der Opposition: Die Schlaglöcher Ihrer Politik
bekommen wir täglich zu spüren. Tausende von Lang-
samfahrstellen auf Straße und Schiene sind die Folge Ih-
rer jahrelangen ungenügenden Investitionspolitik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Na! Was fahren Sie für ein Fahrzeug? – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: An Ihrem Fahrzeug sind die Stoßdämpfer kaputt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Ihre fehlende Voraussicht ist jüngst in einer Studie des
Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bestätigt
worden, meine Herren. Nach einer Berechnung des DIW
– also eines neutralen Instituts – beträgt die Investitions-
lücke für zwischen 1991 und 1998 begonnene Projekte
mindestens 5 Milliarden DM.

Statt in der Vergangenheit die notwendigen Ersatz-
investitionen zu tätigen, gab es lediglich haufenweise
Spatenstiche von Herrn Wissmann. Eine solche Politik
lehnen wir ab. Danach nämlich klaffte eine große Lücke
und kamen große Probleme, denen wir jetzt gegenüber-
stehen.

Wir stehen für eine ganz klare, verlässliche Haushalts-
politik. Dies gilt auch für den Verkehrsbereich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das heißt für uns, dass wir den Bundesverkehrswege-
plan – ich weiß, bei diesem Wort bekommen gleich alle
lange Ohren und die Haare stehen zu Berge –,


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Glauben Sie, dass wir Haushalte nicht lesen können?)





Bartholomäus Kalb
20340


(C)



(D)



(A)



(B)


der mit circa 100 Milliarden DM unterfinanziert ist, in
Ordnung bringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/ CSU)


Das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Dafür ist
ein vernünftiger zeitlicher Ablauf erforderlich. Hier las-
sen wir uns auch nicht drängen. 1 700 Maßnahmen adä-
quat zu untersuchen und zu bewerten dauert seine Zeit.
Hier ist Qualität gefragt und die werden wir liefern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Damit wir aber weiter handlungsfähig sind – jetzt
komme ich zu den vom Kollegen Kalb angesprochenen
vielen Programmen –, haben wir mehrere Programme
aufgelegt. Die vielen Programme sind doch super. Das
erste Programm, das Investitionsprogramm 1999 bis
2003, ist dazu da, Klarheit, Verlässlichkeit und Planungs-
sicherheit zu schaffen sowie den Einsatz der Haushalts-
mittel adäquat zu regeln. Was haben Sie gegen ein IP? Das
ist für mich überhaupt nicht zu verstehen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Überhaupt nichts, wenn es mit Geld unterlegt ist!)


Das zweite Programm – Zukunftsinvestitionspro-
gramm – ist ebenfalls eine tolle Geschichte. Mit diesem
ist es gelungen, für den Baubereich zusätzliche Gelder
locker zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In Ihrem Entschließungsantrag fordern Sie, alle Möglich-
keiten zu nutzen. Statt anzuerkennen, dass das hier gelun-
gen ist, stöhnen Sie: noch ein Programm! Es ist doch toll,
dass wir dieses Programm haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist ein Programmsalat!)


Es hilft vielen Menschen, die schon lange auf eine Orts-
umgehung warten.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr richtig!)


Das Dritte – ich sage an dieser Stelle klar und deutlich,
dass das völlig in Ordnung ist – ist das Anti-Stau-Pro-
gramm. Wenn Sie sagen, das sei eine Investition in die Zu-
kunft, muss ich Ihnen zustimmen. Wir aber wollen die
Zukunft gestalten. Darum begeben wir uns ganz konse-
quent auf diesen Weg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dieses Programm hängt mit der Einführung der LKW-
Maut zusammen. Wir gehen zum ersten Mal einen ganz
neuen Weg, wir machen nämlich den Schritt weg von der
Haushaltsfinanzierung hin zur Nutzerfinanzierung.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das haben Sie bisher immer als Teufelszeug abgelehnt!)


Durch die streckenbezogene Autobahnmaut werden alle
schweren LKWs gleichermaßen und gerecht an den We-

gekosten in Deutschland beteiligt. Die Maut ist eine wett-
bewerbsneutrale Abgabeform. Die Spediteure haben die
Einführung begrüßt. Der Verkehrsminister hat gesagt, er
werde weiterhin konsequent für eine europäische Harmo-
nisierung der Wettbewerbsbedingungen einstehen;


(Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP]: Dann macht mal!)


dies habe Vorrang vor allen anderen Hilfen.
Das Anti-Stau-Programm – das betone ich noch einmal

deutlich – läuft, das ist korrekt, nur bis zu einem be-
stimmten Zeitpunkt. Unser Interesse als Verkehrspolitiker
ist es, eine Fortführung – genau wie bei dem unter Einsatz
der UMTS-Mittel finanzierten ZIP-Programm – zu errei-
chen. Das ist vollkommen klar. Darüber können Sie sich
nicht beklagen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir machen noch etwas, was auch Sie in Ihrem Ent-
schließungsantrag fordern – zumindest diesen Teil kön-
nen Sie wieder streichen –, wenn auch nicht über Vorfi-
nanzierungsmaßnahmen, wie das in Ihrem Antrag steht:
Wir wollen die Mauteinnahmen zusätzlich sinnvoll ein-
setzen. Darum wollen wir ein Betreibermodell mit der Be-
teiligung privater Investoren für den Ausbau einer fünf-
ten und sechsten Spur bei Autobahnen. Was ist daran
eigentlich schlimm, Herr Kalb? Das ist eine wunderbare
Idee, mit der wir schneller etwas initiieren können, als
wenn wir uns alleine auf Haushaltsmittel verlassen wür-
den.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir geben der DBAG ganz bewusst Geld, weil wir die
Schere zwischen Straßen- und Schieneninvestitionen
schließen wollen. Es ist richtig: Es ist ein Ärgernis, wenn
es nicht gelingt, die zur Verfügung gestellten Gelder aus-
zugeben. Wir geben darum dieses Jahr das erste Mal diese
Investitionsmittel frei, um die Gelder zur Intensivierung
von Planungen einzusetzen. Aber wer ist eigentlich daran
schuld, dass die Planungskapazitäten derart zurück-
gefahren wurden, meine Damen und Herren der Opposi-
tion? Das gilt es, einmal zu fragen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich sehe die Strukturen der Entscheidungsfindung im
Planungsbereich sehr kritisch. Wir müssen hier gemein-
sam versuchen, mit der DBAG und den zuständigen Stel-
len, also dem Ministerium und dem EBA, herauszufinden,
wo es Möglichkeiten gibt, Planungen zu beschleunigen.
Hier Druck zu machen, halte ich für eine ganz vernünftige
und korrekte Sache.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden die DBAG in die Pflicht nehmen. Das sage
ich ganz deutlich. Auch uns ist daran gelegen, dass die
Mittel, die für Schieneninvestitionen bereitgestellt
werden, auch in dem entsprechenden Bereich verbraucht
werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





Annette Faße

20341


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir werden dieses Jahr sehr kritische Begleiter der
DB AG sein – das waren wir schon und das bleiben wir
auch. Wir werden das, was Herr Mehdorn zugesagt hat,
ganz konsequent einfordern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch die Bundeswasserstraßen – das sage ich ganz
deutlich – werden mit 1,5 Milliarden Euro bedacht. Ein
Teil davon entfällt auf Investitionen.

Jetzt mag man immer sagen, dass dies alles für die
Straße – die Anträge haben Sie gestellt –, für die Schiene
und für die Wasserstraßen zu wenig ist. Aber es gibt von
Ihnen nicht einen Vorschlag zur Gegenfinanzierung. Ich
habe es noch einmal nachgelesen: Die von Ihnen gefor-
derten Summen ergeben addiert 65 Milliarden DM, die
Sie zur Verfügung stellen wollen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Brutto oder netto?)


Es gab nicht einen konsequenten Vorschlag, wo Sie dieses
Geld hernehmen wollen. Das halte ich für unglaubwürdig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Iris Gleicke [SPD]: Das ist es auch! – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Druckmaschinen!)


In den Haushaltsberatungen – auf diese Punkte möchte
ich gerne noch eingehen – haben wir als Parlament teil-
weise gemeinsam einige Veränderungen vorgenommen,
die uns als Abgeordnete sehr wichtig waren. Wir haben
die Mittel für den kombinierten Verkehr auf 150 Milli-
onen DM erhöht. Es ist für uns weiterhin ein sehr wichti-
ges Zeichen, den kombinierten Verkehr nicht nur in Sonn-
tagsreden zu loben, sondern in diesem Bereich aktiv zu
werden. Ich finde es sehr gut, dass wir dadurch private
Gelder locker machen können; denn nur gemeinsam kön-
nen wir hier aktiv werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass wir das
erste Mal eine Beihilfe für die Seeschifffahrt im Haus-
halt haben, die über die Ausbildungshilfe hinausgeht.
Nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass das schwedi-
sche Parlament vor einigen Tagen eine hundertprozentige
Lohnsteuererstattung für die Reeder beschlossen hat, war
es wichtig, hier ein Zeichen für die Arbeitsplätze an der
Küste zu setzen. Wir haben in den Beratungen gemeinsam
eine Aufstockung erreicht. Dies ist für unsere Arbeitneh-
mer an der Küste und auch für die Reeder ein ganz wich-
tiger Punkt. Ich gehe davon aus, dass wir damit die anste-
henden Ausflaggungen der Fähren auf der Ostsee
verhindern können. Ich hoffe, dass dieses Zeichen so ver-
standen wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch für die Schiffssicherheit gibt es in diesem Haus-
halt ein deutliches Signal. Ich möchte das an einem Punkt
festmachen, nämlich an der Bereitstellung von 9,4 Milli-
onen Euro für 2002, um ein neues Mehrzweckschiff für

die Ostsee in Auftrag zu geben und zu bauen. Das ist die
erste Marge; das andere geht in den Bereich Verpflich-
tungsermächtigung. Wir haben damit etwas gemacht, was
es bisher noch nicht gab: Es gibt jetzt ein Sicherheitskon-
zept sowohl für die Nordsee als auch für die Ostsee. Wir
stehen auch finanziell dazu, das heißt, wir finanzieren ein
Mehrzweckschiff für die Ostsee. Damit haben wir ein
deutliches Zeichen im Haushalt 2002 gesetzt. Das sollten
wir alle begrüßen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zum Etat des Bundesverkehrsministers gehören auch
die 100 Millionen Euro, die wir zur Förderung des Rad-
verkehrs eingestellt haben. Dazu hatten wir bereits im
Sommer einen Antrag eingebracht. Damit bekommt der
Radverkehr unter Rot-Grün eine neue Wertigkeit. Ich
halte es für richtig und wichtig, dass wir nicht nur Anträge
verabschiedet haben, sondern dass wir auch dafür gesorgt
haben, dass sich die neue Wertigkeit des Radverkehrs im
Haushalt wiederfindet. Wir haben im Bereich des Radwe-
gebaus ein Zeichen gesetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte meine heutige Rede mit dem Thema be-
enden, mit dem der Kollege Gerhard Rübenkönig immer
seine Reden beendet, nämlich mit dem Transrapid. Wir
stehen zum Transrapid.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

Es gibt keinerlei Einschränkungen in finanzieller Hin-
sicht. Wir werden die Machbarkeitsstudien in Ruhe ab-
warten. Ich betone: Der Transrapid ist uns lieb und teuer.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir können auf den vorliegenden Haushalt des Bun-
desverkehrsministers stolz sein. Er erfüllt – das ist klar –
zwar nicht alle Wünsche. Aber er ist machbar, konkret und
konsequent.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420520700
Für die FDP-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Horst Friedrich.


Horst Friedrich (FDP):
Rede ID: ID1420520800
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen
und Kollegen! Gestatten Sie auch mir eine Vorbemer-
kung: Nachdem dem Kollegen Rübenkönig alles Gute
und eine hoffentlich dauerhafte Gesundheit gewünscht
worden ist, möchte ich von dieser Stelle aus dem Kolle-
gen Dirk Fischer zu seinem heutigen Geburtstag gratu-
lieren. So viel Zeit sollte sein.


(Beifall)





Annette Faße
20342


(C)



(D)



(A)



(B)


Jetzt zum Ernst der Sachlage: Es ist bemerkenswert,
dass die Beratungen über den größten Investitionshaus-
halt des Bundes spät in der Nacht und unter Ausschluss
der Öffentlichkeit stattfinden,


(Beifall bei der PDS)

offensichtlich deswegen, weil Minister Bodewig allen
Grund hat, ein Jahr nach seinem Amtsantritt nicht großar-
tig an die Öffentlichkeit zu treten. Die Sprechblasen sind
nämlich geplatzt. Die Ankündigungen sind zurückge-
nommen. Die Investitionen des Bundes sind real gesun-
ken. Die Abgabenbelastung des Verkehrs ist gestiegen
und die Reformen stecken im Stau. Der vorliegende Haus-
halt ist ein erschütterndes Dokument gescheiterter Ver-
kehrspolitik.


(Beifall bei der FDP)

Er ist ein erneutes negatives Signal in Richtung Bauwirt-
schaft und Baugewerbe; denn der Bund fällt im nächsten
Jahr als öffentlicher Auftraggeber aus, wenn es um neue
Impulse und Investitionen geht.

Das am 18. Oktober von Kurt Bodewig mit großem
Getöse der Öffentlichkeit vorgestellte Investitionsbe-
schleunigungsprogramm ist nicht haushaltsrelevant. Das
hat der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Reinhard
Weis, im Ausschuss gesagt. Er hat deswegen unseren An-
trag auf Aufsetzung des Programms auf die Tagesordnung
der nächsten Ausschusssitzung abgelehnt.


(Beifall bei der FDP)

Die angekündigte Umschichtung von mindestens

800 Millionen DM an Schienenmitteln, die die Bahn AG
auch in diesem Jahr nicht verbauen kann, findet nicht
statt. Finanzminister Eichel wird sich freuen. Arbeits-
minister Riester muss sich allerdings mit dem Problem
herumschlagen, dass aufgrund fast 1 Milliarde DM an
nicht getätigten Investitionen schätzungsweise rund
10 000 Arbeitsplätze gefährdet sind. Nicht einmal Peter
Struck hat Ihnen geholfen, Herr Minister, die nicht ver-
bauten Investitionsmittel der Bahn AG zugunsten der
Straße umzuschichten; denn Ihr grüner Koalitionspartner
setzt seine indische Verkehrspolitik fort: Heilige Kühe
dürfen nicht geschlachtet werden, koste es, was es wolle!


(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)


Ein weiteres Trauerspiel ist die Schienenverkehrspo-
litik des Bundes. Minister Bodewig hat den Machtkampf
gegen den inzwischen zum faktischen Eisenbahnminister
aufgestiegenen Hartmut Mehdorn verloren. Von seinen
großen Ankündigungen auf dem Stuttgarter Parteitag der
Grünen ist nichts, aber auch gar nichts übrig geblieben. Er
ist noch nicht einmal in der Lage, das Wenige, was ihm die
Task Force vorgegeben hat, gesetzesmäßig auf den Weg
zu bringen. Er hat ja bereits angekündigt, dass er das nicht
mehr schafft. Wo bleiben die Ergebnisse? Die Bahn AG
kann so ein weiteres Jahr ihr Monopol pflegen. Die pri-
vaten Mitbewerber werden sich zum wiederholten Male
überlegen, ob sie in die Schiene investieren.

Ein weiterer Skandal Ihrer Verkehrspolitik, sehr ver-
ehrter Herr Minister, spielt sich im Bereich des Straßen-

verkehrs ab. Unter dem Deckmantel der Umstellung der
Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur auf der Straße ha-
ben Sie unter dem Begriff der stärkeren Nutzerbezogen-
heit rücksichtslos das Abkassiermodell aufgefahren. Die
Autofahrer rasen bereits für die Rente, die LKW brum-
men für Ihr Haushaltsloch. Sie haben mit Ihrem LKW-
Maut-Gesetz weder eine dauerhafte echte Zweckbindung
der Einnahmen erreicht, noch den versprochenen Aus-
gleich für das mittelständische deutsche Verkehrsgewerbe
durchgesetzt.


(Dr. Peter Danckert [SPD]: Doch, das kommt!)

Nur ein kleiner Anteil der LKW-Maut, die mindestens
8 Milliarden DM in die Kasse spült, soll – zugegebener-
maßen erst nach der Wahl – befristet wieder in den
Straßenbau zurückfließen. Dann stellt sich dieser Minis-
ter hin und erklärt öffentlich, dass mit Umstellung dieser
Finanzierungsform als Kompensation die LKW-Vignette
wegfalle. Das ist eigentlich eine politische Unverschämt-
heit, Herr Minister, und grenzt an eine Kampfansage an
das deutsche Verkehrsgewerbe.

Das hat, wenn ich das „Handelsblatt“ richtig gelesen
habe, Ihre eigene Fraktion auch schon erkannt, die Sie
aufgefordert hat, endlich Butter bei die Fische zu geben
und nachzuweisen, wie Sie tatsächlich Ihre Zusage der
größtmöglichen Harmonisierung auf europäischem Ni-
veau umsetzen wollen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sehr interessant!)


Da sind Sie bisher alle Antworten nachhaltig schuldig ge-
blieben. Das Einzige, was Sie am 18. Oktober beim BGL-
Jahrestag zugesagt haben, ist, die Kfz-Steuer auf europä-
isches Niveau zu senken. Das ist ein erster richtiger
Schritt, aber Sie leisten damit eine Finanzierung zulasten
Dritter. Die Kfz-Steuer – das wissen Sie – gehört den Län-
dern. Da müssen Sie über die Ausgleichsmechanismen
zumindest einmal nachdenken und deutlich sagen, wie Sie
es den Ländern erklären wollen.

Zum Zweiten reicht das natürlich erkennbar nicht aus,
vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass die Nieder-
länder bereits angekündigt haben, die Maut ebenfalls ein-
zuführen und in diesem Zusammenhang sofort die Mine-
ralölsteuer um 15 Prozent zu senken. Aber wo bleibt die
Antwort des deutschen Verkehrsministers auf diese Pro-
blematik? Er schweigt stille, weil er es offensichtlich
nicht besser weiß oder weil er es nicht sagen darf oder
auch nicht sagen kann. Alles zusammen ist dies relativ
schlecht.

Es fehlt die Zeit, alle Defizite dieser Regierung aus-
führlich zu würdigen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dann setzen Sie sich doch!)


Es gäbe im Bereich des Luftverkehrs nicht nur im Zu-
sammenhang mit dem 11. September eine Menge zu tun.
Ich verweise nur auf die Problematik der Flugsicherung
und den entsprechenden Haushalten.

Die Reform der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung
haben Sie aus wahltaktischen Gründen auf die lange Bank
geschoben.




Horst Friedrich (Bayreuth)


20343


(C)



(D)



(A)



(B)


Bei der Seeunfalluntersuchung – Stichwort „Pallas“ –
will die Bundesregierung zukünftig offensichtlich hinter
verschlossenen Türen kungeln, statt das bewährte öffent-
liche Verfahren zu stärken und die Verfahrensrechte aller
Beteiligten zu sichern.


(Zuruf von der SPD: Keiner kungelt hier! Unterstellung!)


Defizite über Defizite und keine Chance, mit dem
Haushalt 2002 daran etwas zu ändern. Herr Minister, Ihre
Verkehrpolitik ist gescheitert. Das Scheitern hat einen Na-
men. Es heißt Kurt Bodewig. Der einzige Lichtblick ist:
Es ist offensichtlich der letzte Haushalt, den Sie in diesem
Haus verantwortlich zu vertreten haben. Der nächste wird
von anderen gestaltet.

Danke sehr.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420520900
Das Wort hat die Kol-
legin Franziska Eichstädt-Bohlig für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin! Bevor wir auf das große Wortgetöse einge-
hen, möchte ich zunächst einmal nicht nur dem Kollegen
Fischer, sondern vor allem auch der Kollegin Rehbock-
Zureich ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren.


(Zurufe von der SPD)

– Ach, Frau Rita Streb-Hesse hat auch Geburtstag. He,
Frauen vor! Das finde ich ja ganz toll. Super! Gratuliere!
Ich hatte Sie nicht in der Liste. Das tut mir echt Leid. Dop-
pelt hält besser.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Frohe Weihnachten auch noch!)


Ich muss schon sagen: Von diesem kleinen, bescheide-
nen Block hier kommen wirklich große Wortgetöse: Die
Koalition hat sich blockiert. Kollege Kalb, Sie müssen in
Gesprächen gewesen sein, die wir nicht mitbekommen
haben. Das kann ja sein. Außerdem haben Sie gesagt: Die
Reformen stecken im Stau. Also wirklich, das ist eine
Nummer zu groß gegriffen.

Ich glaube, wir müssen noch einmal ganz deutlich sa-
gen: Hinterlassen haben Sie uns einen Bundesverkehrs-
wegeplan mit 100 Milliarden DM Unterfinanzierung.
Jetzt wollen Sie hier ständig die Backen aufblasen, dass
wir das Geld praktisch vom Himmel herunterregnen las-
sen sollen.

Die rot-grüne Bundesregierung hat – das ist wirklich die
Hauptleistung – überhaupt erst einmal Klarheit in die
Bundesverkehrswegestruktur gebracht, auch wenn wir den
detaillierten Bundesverkehrswegeplan in seiner überarbei-
teten Form in dieser Legislaturperiode nicht mehr vorle-
gen können, weil das sorgfältige Kleinarbeit erfordert.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ja, ja, ihr traut euch nicht!)


Wir haben erst einmal neue Ehrlichkeit in der Finanz-
planung erreicht. Wir haben vor allem – das haben Sie nie
geschafft und auch nie gewollt – die Angleichung der Ver-
kehrsträger Straße und Schiene realisiert, indem wir die
Investitionen in die Schiene schrittweise nach oben ge-
fahren haben, weswegen jetzt Waffengleichheit zwischen
Straße und Schiene besteht. Dafür war es allerhöchste
Zeit.

Man kann sich nicht ständig darüber beschweren, dass
bei der Bahn alle möglichen Probleme, Verspätungen usw.
auftreten, wenn nicht schrittweise von hier aus die drin-
gend nötige Unterstützung kommt. Das haben Sie ver-
säumt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie haben die Investitionen in die Bahn 1998 auf 6,14Mil-
liarden DM heruntergefahren. Angesichts dessen sollten
Sie sich jetzt nicht beschweren, dass wir einen großen
Kraftakt brauchen, um Schritt für Schritt das auszubes-
sern, wofür Sie die Mittel abgesenkt hatten.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber dieses Geld hat die Bahn verbaut!)


Angesichts dessen verstehe ich die Beschwerden über die
verschiedenen Programme überhaupt nicht. Sie sollten
froh sein, dass wir Zug um Zug wieder Boden unter die
Füße bekommen und den Problembereich Verkehrspolitik
wirklich solide anpacken.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: „Unter die Schiene“ müsste das heißen!)


Auch die LKW-Maut haben wir nach vielen Diskus-
sionen im Vorfeld auf den Weg gebracht.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist ja nicht wahr!)


Bisher konnten Sie daran noch keine substanzielle Kritik
äußern. Sie sind froh über das Anti-Stau-Programm.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Sie haben doch bisher das Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetz abgelehnt!)


Wir sind sehr froh, dass das Anti-Stau-Programm ein
Fifty-fifty-Programm und eben kein reines Straßenbau-
programm ist, sondern auch die Schiene und die Wasser-
straßen im wahrsten Sinne des Wortes mit ins Boot holt.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Sie haben doch dieses Gesetz 1994 als Grundlage dafür abgelehnt! Lesen Sie doch die Abstimmungsverhältnisse nach!)


– Ich glaube, da liegt jetzt wirklich ein Irrtum vor. Ihr Ge-
setz musste wirklich abgelehnt werden. Die Form, in der
wir es jetzt auf den Weg bringen, ist solide und korrekt.

Wir werden es mit dem jetzigen Anti-Stau-Gesetz bzw.
Maut-Gesetz schaffen, dass für die LKWs je nach Ge-
wicht und Schadstoffklasse zwischen 27 und 37 Pfennig
endlich und zum ersten Mal wirklich je gefahrenem Kilo-
meter gezahlt werden müssen. Das ist zwanzigmal mehr




Horst Friedrich (Bayreuth)

20344


(C)



(D)



(A)



(B)


als die Jahresgebühr, die Sie mit der Vignette auf den Weg
gebracht hatten.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das wird den Güterverkehr endlich schrittweise auf die
Schiene verlagern.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Zwanzigmal mehr Belastung!)


Sie wissen sehr wohl, wie nötig das ist, denn auch der Ver-
kehrsbericht 2000 hat in erschreckender Weise klar ge-
macht, wie groß diese Aufgabe in den nächsten Jahren
sein wird.

Lassen Sie mich noch eines sagen: Die viel geschmähte
Ökosteuer zeigt endlich auch ökologische Lenkungswir-
kung. Ich sage das gerade in diesem Kreis, denn das im-
mer wieder zu hörende Gerede, wir sollten die Ökosteuer
abschaffen, ist wirklich falsch. Sie hat verkehrspolitische
Lenkungswirkung.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Jawohl, der Autofahrer zahlt!)


Der Straßenverkehr entwickelt sich schrittweise in ver-
antwortlicherer Weise. Wir haben in diesem Jahr eine
5-prozentige Absenkung des Benzinverbrauchs erreicht.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wegen der Ökosteuer?)


Es wird weniger und sparsamer Auto gefahren. Die
Schiene profitiert schrittweise davon. Der Bahnverkehr
wächst jährlich um rund 3 Prozent. Der Güterverkehr hat
in 2000 sogar um 13 Prozent zugenommen.

Das alles beweist, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Es ist ein sehr mühseliger und langwieriger Prozess, die
Verkehrswende peu à peu in die richtige Richtung zu voll-
ziehen, aber wir tun es. Wir werden den Stau auf der
Straße – anders, als Sie gesagt haben – schrittweise auflö-
sen, nicht dadurch, dass wir ständig mehr Straßen bauen,
sondern dadurch, dass wir die Verlagerung des Verkehrs
auf die Schiene und teilweise auf die Wasserstraße wirk-
lich organisieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Annette Faße hat es bereits gesagt: Mit dem Radwege-
programm, mit der Stärkung des kombinierten Verkehrs
haben wir eine Reihe von Bausteinen in Angriff genom-
men, die tatsächlich helfen, gerade die Schnittstellen der
unterschiedlichen Verkehrsträger aktiv auszugestalten,
statt uns immer nur darauf zu verlassen, dass die Straße
alle Probleme löst.

Ich möchte eines noch zu der immer wieder vorge-
brachten Beschwerde sagen, die Mittel für Investitionen
in die Schiene flössen nicht ab. Es ist richtig: In diesem
Jahr hatte und hat die Bahn große Probleme, die Mittel ab-
fließen zu lassen – darum soll man nicht herumreden –,
aber wir haben das Thema in der Koalition sehr solida-
risch diskutiert und mit dem Ministerium wichtige Maß-
nahmen getroffen. Ein Schritt dabei ist, dass mithilfe ei-
nes Sonderimpulses im Umfang von 460 Millionen DM

die Planungskapazitäten und die Beschleunigung der Pla-
nung endlich auf den Weg gebracht worden sind. Das
Zweite war die trilaterale Vereinigung. Herr Kollege
Kalb, da sollten Sie sich an die eigene Nase fassen. Wenn
Sie solche Großprojekte wie den Berliner Knoten oder die
Strecke Köln–Frankfurt oder das Projekt Ingolstadt so
falsch kalkulieren, dass nachher ein riesiger Mehrbedarf
entsteht – das ist diese typische Art, Großprojekte schön-
zurechnen –,


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die Bahn kalkuliert, doch nicht wir!)


dann führt das eben dazu, dass im Endeffekt die Sach-
zwänge geschaffen sind und der Steuerzahler nachfinan-
zieren muss. Sie haben so unsolide gearbeitet und wir bes-
sern das wieder aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die Bahn hat doch die Kosten kalkuliert!)


Die Bahn hat jetzt ihre Hausaufgaben intensiv gemacht
und das vorbereitet. Sie hat Projekte im Gegenwert von
8 Milliarden DM in die Investitionsphase gebracht, hat
Projekte im Gegenwert von 20 Milliarden DM in der Pla-
nung und wird das Geld Anfang nächsten Jahres abfließen
lassen. Wir alle sollten froh sein, dass es bei der Bahn ab-
fließt, erstens, weil wir dann bald zufriedene Bahnkunden
bekommen, und zweitens, weil bei Maßnahmen im Bahn-
bereich mehr Bauarbeitsplätze geschaffen werden; Bahn-
investitionen sind arbeitsplatzintensiver.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich noch etwas zum Bauetat sagen. Da
haben wir besonders effektiv gearbeitet. Ich bin wirklich
stolz auf das, was wir im parlamentarischen Verfahren
zuzulegen geschafft haben. Wir haben es geschafft, die
Städtebauförderung – die Diskussion dazu gab es lange
genug; da hatten wir eigentlich auch die Unterstützung
der Opposition – entsprechend dem, was wir schon im
letzten Jahr erreicht hatten, um 100 Millionen DM auf-
zustocken. Wir haben den Verpflichtungsrahmen für eine
Anschluss-finanzierung im Umfang von 50 Millionen
Euro, also von 100 Millionen DM, stabilisiert, sodass die
Städtebauförderung West sehr solide in die Zukunft pla-
nen kann.

Genauso haben wir es bei dem Programm Soziale
Stadt gemacht. Auch da haben wir im parlamentarischen
Verfahren wieder 50 Millionen DM draufgepackt. Dafür
möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen sehr
herzlich bedanken.

Obwohl es schon sehr schwierig war, weil die Kon-
junkturdaten ja nicht ganz so rosig sind, haben wir auch
beim sozialen Wohnungsbau ein Stück weit draufgesat-
telt, nämlich 70 Millionen Euro.


(Zuruf von der SPD: Das war ganz besonders wichtig!)


Es war sehr schwierig, das dem Finanzministerium posi-
tiv zu vermitteln. Ich halte das für einen sehr wichtigen




Franziska Eichstädt-Bohlig

20345


(C)



(D)



(A)



(B)


Schritt, weil wir gerade in diesem Jahr das Gesetz refor-
miert haben.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das war eine Echternacher Springprozession, erst nach vorn und dann nach hinten!)


Es ist eben nicht mehr nur ein Gesetz für den Neubau; die
Bestandserneuerung ist ebenso wie der Erwerb von Be-
legrechten ein sehr wichtiger Baustein. Das wird zuneh-
mend wichtig.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Weil das ProgrammSoziale Stadt sehr viel in alten Sied-
lungen des sozialen Wohnungsbaus der 50er- und 60er-
Jahre stattfindet, braucht es als Kofinanzierung dringend
den Baustein der Bestandserneuerung in alten Sozialwoh-
nungen, und zwarmit gemischterBelegung, damit das nicht
länger soziale Problemfelder sind. Das ist richtig undwich-
tig und ergänzt die Städtebauförderung, die überwiegend in
Altbauquartieren stattfindet, in einer sehr guten Form.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann gibt es das ProgrammStadtumbauOst.Das ist sehr

wichtig und sollte insbesondere auch von der PDSnicht im-
mer so kritisiert und niedergemacht werden. Da haben wir
einen ganz wichtigen Impuls gesetzt, der im Osten auch
längst angekommen ist, leider noch nicht bei der PDS. Die
wartet immer noch und sagt: Erst dann, wenn es mehr und
mehr und mehr Geld gibt, soll der Stadtumbau Ost stattfin-
den. – Ich finde es sehr schade, dass dieKollegen noch nicht
begriffen haben, was vor Ort inzwischen schon passiert.

Mit dem Wettbewerb, der gerade begonnen hat, sind
praktisch alle größeren Städte aufgefordert,


(Zuruf von der SPD: Auch Regionen!)

ihre Stadtentwicklungspläne, die in der damaligen Zeit
völlig euphorisch und auf viel zu viel Bevölkerungszu-
wachs hin kalkuliert waren, jetzt solide auf die real ab-
schätzbare Entwicklung hin neu auszurichten. Das ist ein
ganz wichtiger Schritt. Da muss dann eben der erforderli-
che Rückbau erfolgen.

Dafür haben wir wirklich ein Programm aufgelegt, das
für die nächsten acht Jahre Planungssicherheit schafft.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Was haben Sie an Barmitteln für das nächste Jahr drin, Frau Kollegin?)


– Es sind genau 153 Millionen Euro als Verpflichtungs-
rahmen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Und an Barmitteln?)


Das wird dann entsprechend aufwachsen.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: An Bar mitteln sind es ganze 15 Millionen Euro!)

– Ich habe die Barmittelzahl jetzt nicht. Die Barmittel sind
aber auch nicht so sehr das Problem, sondern der Ver-
pflichtungsrahmen, damit Klarheit besteht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Echtes Geld, nicht Verpflichtungsermächtigungen!)


– Herr Kollege, wir beginnen jetzt mit der Planung!

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Die haben vorher gar nichts gemacht und jetzt wollen sie wieder übertreiben!)


Ich habe gerade gesagt, dass der Wettbewerb um die
Stadtentwicklungskonzepte, die die Grundlage für den
Städtebau in den einzelnen Stadtteilen sind, auf den Weg
gebracht ist. Er wird im ersten Halbjahr des nächsten Jah-
res erfolgen. Insofern sage ich Ihnen: Reißen Sie die
Bäume doch nicht aus, bevor Sie überlegt haben, wie der
Park gestaltet werden soll, sondern fangen Sie mit der Ar-
beit von vorne und nicht von hinten an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich bin ziemlich sicher, dass diese Gelder sehr gut an-
kommen. Die Länder haben inzwischen ihre Kofinanzie-
rung gesichert. Von daher wird der Stadtumbau ein sehr
wichtiger Impuls sein, auch noch einmal für die lokale
Bauwirtschaft. So absurd es klingt, es ist sehr wichtig.

Wir haben für etwas ganz Entscheidendes gesorgt: Es
geht eben nicht nur um Abriss und Rückbau, sondern
fifty-fifty, Rückbau plus 50 Prozent Aufwertung plus Ei-
gentumsförderung in den Innenstädten plus Investitions-
zulage für den Altbau. Das ist ein sehr sinnvolles Konzept
zur Stärkung der Städte und zum Rückbau in einer sehr
achtsamen Form.

Ich bekomme aus den Diskussionen in den einzelnen
Städten mit, dass die Projekte sehr konstruktiv angegan-
gen werden. Ich werbe sehr dafür, dass die Wohnungs-
wirtschaft das Thema ernst nimmt und sie sich einigt. Es
ist natürlich ein sehr schwieriger Prozess zu entscheiden,
welches Unternehmen wie viel abreißen muss.

Lassen Sie mich noch zwei Punkte sagen.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Nein!)


– Doch, die sage ich schon noch, Kollege Kansy.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420521000
Das geht von der Zeit
her eigentlich nicht mehr.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die Redezeit ist trotzdem vorbei!)


Wir haben im experimentellen Wohnungs- und Städtebau
West für den Leerstand West, der auch mehr und mehr auf
uns zukommt, zum ersten Mal Pilotprojekte mit 15 Milli-
onen Euro auf den Weg gebracht und wir haben für die
Initiative „Architektur und Baukultur“ mit 143 Milli-
onen Euro im Jahr 2002 und 102 Millionen Euro im Jahr
2003 ganz bescheiden die nötigen Mittel eingestellt. Das
sind sehr wichtige Punkte, um mit der Baukultur über die
Legislaturperiode hinaus in den nächsten Jahren wirklich
voran zu kommen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Franziska Eichstädt-Bohlig
20346


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420521100
Das Wort hat die Kol-
legin Christine Ostrowski für die PDS-Fraktion.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Die darf jetzt wenigstens fünf Minuten überziehen!)



Christine Ostrowski (PDS):
Rede ID: ID1420521200
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! Als ich die aktuellen Beschlüsse des
Haushaltsausschusses las, habe ich mich gefragt: Ja, ist
denn heut‘ schon Weihnachten? Ich war wirklich über-
rascht.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wenn Weihnachten ist, muss aber auch E-Plus kommen!)


Es ist Tatsache, dass der Verpflichtungsrahmen für wich-
tige Programme gegenüber dem Entwurf des Haushalts
deutlich aufgestockt worden ist. Das betrifft den dritten
Förderweg sozialer Wohnungsbau alte Bundesländer, die
Städtebauförderung West, den sozialen Wohnungsbau Ost
– da ist es weniger deutlich – und die Soziale Stadt. Selbst-
verständlich freut mich das; denn jede Mark mehr für den
sozialen Wohnungsbau ist wichtig, auch jede für die
Städtebauförderung und jede für die Soziale Stadt.

Weil ich in der Vorweihnachtszeit immer besonders
freundlich gestimmt bin,


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Der erste Advent ist erst nächsten Sonntag!)


will ich allen Kämpfern an der Haushaltsfront ein Lob
aussprechen. Frau Eichstädt-Bohlig, Herr Spanier und
alle, die da gekämpft haben, bekommen jetzt also ein Lob,
natürlich auch Herr Großmann. Das meine ich auch wirk-
lich ehrlich.

Aber Sie kennen mich und wissen, dass ich bei diesem
Lob allein natürlich nicht stehen bleiben kann, denn der
Vorgang macht mich doch ein wenig stutzig. Herr
Dr. Kansy, Herr Spanier und wir alle haben miterlebt, dass
hier monatelang beispielsweise über die Reform des so-
zialen Wohnungsbaus diskutiert wurde. Wir und auch
die CDU/CSU und die FDP haben immer wieder ange-
mahnt, dass die Mindestausstattung, die man vorgesehen
hatte, nämlich 230 Millionen Euro, hinten und vorn nicht
langen könne, wenn es denn eine Reform werden solle.
Wir haben insbesondere von Ihnen, Frau Eichstädt-
Bohlig, die gleichen Argumente gehört, die Sie uns auch
gerade wieder um die Ohren gehauen haben:


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das ist leider wahr!)


„Die Mindestausstattung reicht für die Zielgruppe, die wir
in Zukunft fördern wollen.“ „Wir müssen überhaupt mehr
an den Bestand gehen.“ „Sie von der PDS können ja nur
die Hand aufhalten und Geld fordern.“


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ihr hattet ja immer solche Berge!)


Diese Argumente kamen immer und immer wieder im
Brustton tiefster Überzeugung und mit dem Hinweis, Sie
müssten den Haushalt konsolidieren.

Deshalb darf ich mich schon ein bisschen wundern,
dass Sie von diesem Standpunkt, den Sie so lange konse-
quent und hartnäckig vertreten haben, nun ganz plötzlich
abgegangen sind. Da stellt sich mir – vielleicht bin ich ja
etwas verwirrt – doch die Frage: Haben Sie uns in den
letzten Monaten belogen und haben Ihre damaligen Argu-
mente nicht gestimmt


(Iris Gleicke [SPD]: Wir lügen niemals, Frau Kollegin!)


oder sind Ihre Argumente von heute, wenn Sie die Ansätze
erhöhen, richtig? Was auch immer stimmt, so kann man
eigentlich nicht miteinander umgehen. Sie können nicht
in der Öffentlichkeit Argumente vertreten, die sie dann
plötzlich ändern, um schließlich so zu tun, als wäre das al-
les normal.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Doch, das können die! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Die Grünen können das!)


– Ja, die können das. Das stimmt. Sie können das manch-
mal vielleicht geschickter, als es die alte Koalition konnte.
Das muss ich ebenfalls sagen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da sind Sie sich zumindest mit der verwirrten FDP einig! – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: So tief sind wir noch nie gesunken!)


Stutzig wird man natürlich auch, wenn man feststellt,
dass Sie das Geld so plötzlich finden. Wenn wir oder eine
der anderen Oppositionsfraktionen Anträge einbringen,
dann entgegnen Sie mit den immer gleichen Argumenten:
„Es gibt überhaupt keinen Spielraum mehr.“ Nicht nur in
dieser Debatte, sondern auch in anderen Zusammenhän-
gen – ich strapaziere jetzt nicht den Verteidigungshaus-
halt – fällt mir auf, dass Sie dort, wo es Ihnen wichtig ist,
immer in der Lage sind, Geld bereitzustellen. Wenn es da-
rauf ankommt, dann tun Sie das sogar in allerletzter Mi-
nute.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Warum ist Ihnen das besonders wichtig? Ich gehe nicht
auf Argumente wie diejenigen ein, die sich auf die Be-
troffenen oder den sozialen Wohnungsbau beziehen, und
schaue mir einfach ganz nüchtern die Zahlen an. Ich stelle
fest, dass ein zusätzlicher Verpflichtungsrahmen allein für
den sozialen Wohnungsbau und für die Förderung des
Städtebaus in den Westländern in Höhe von rund
170 Millionen Euro geschaffen wurde. Merken Sie sich
diese Zahl! Für den sozialen Wohnungsbau im Osten
werden demgegenüber nur rund 14 Millionen Euro zu-
sätzlich zur Verfügung gestellt.


(Iris Gleicke [SPD]: 4 Milliarden Aufbau Ost!)

– Ich komme gleich zu der Menge. – Die Masse der von
Ihnen zusätzlich zur Verfügung gestellten Gelder fließt in
die alten Bundesländer. Auch wenn ich ihnen jede Mark
gönne, darf ich einmal daran erinnern, dass die große
Mehrzahl Ihrer Wähler im Westen wohnt.


(Iris Gleicke [SPD]: Das ist ja wohl das Letzte! – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist nun wirklich unverschämt! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie sind wirklich etwas verwirrt! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Auch im Westen leben Menschen!)





(C)


(D)


(A)


(B)


Man könnte den Verdacht haben, dass Sie an die nächsten
Wahlen denken.


(Beifall bei der PDS)

Ich darf daran erinnern, dass sich die Wohnungswirt-

schaft im Osten und nicht die Wohnungswirtschaft im
Westen in einer existenziellen Krise befindet.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Heißt es „Stadtumbau West“ oder „Stadtumbau Ost“?)


Ich komme zum Programm Stadtumbau Ost.

(Zuruf von der SPD: Neid schüren, das ist eine schöne Debatte!)

Um den Verpflichtungsrahmen in Höhe von 150 Milli-
onen Euro, den Sie für das nächste Jahr bereitstellen, zu
finanzieren, stehlen Sie ein Drittel bei der Gemein-
schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“ und ein weiteres Drittel bei der klassi-
schen Städtebauförderung Ost. Nur das letzte Drittel, das
heißt nur 50 Millionen Euro, kommt aus allgemeinen
Haushaltsmitteln.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: So ist das leider! – Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP]: Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht!)


Das ist die Wahrheit. An Barmitteln stellen Sie schlappe
15 Millionen Euro bereit. Wenn man die Gelder für den
Osten mit denen, die Sie zusätzlich für den Westen zur
Verfügung stellen, vergleicht, dann werden die wahren
Verhältnisse sichtbar.

Alle Mittel, die für die anderen Bestandteile des Pro-
gramms bereitgestellt werden, erschließen Sie ebenfalls
nicht zusätzlich; vielmehr werden sie dadurch bereitge-
stellt, dass andere Programme liquidiert werden. Liebe
Frau Eichstädt-Bohlig, das Wohneigentumsprogramm
wird schlicht und ergreifend durch die Abschaffung der
Investitionszulage für die Selbstnutzer finanziert. Die er-
höhte innerstädtische Investitionszulage wird durch den
erhöhten Selbstbehalt der krisengeschüttelten ostdeut-
schen Wohnungsunternehmen finanziert. Das von Ihnen
bereitgestellte Darlehensprogramm wird im nächsten Jahr
über ein KfW-Modernisierungsprogramm finanziert.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wir finanzieren alles aus Steuergeldern! Ich weiß nicht, ob Sie das schon gehört haben!)


Ab 2003 – das ist wohl das Allerschärfste – soll das Darle-
hensprogramm aus dem Zuschussprogramm finanziert
werden. Dazu kann ich nur sagen: Wenn das wirklich al-
les ist, was der Bund im nächsten Jahr an zusätzlichem
Geld bereitstellt, nämlich 50 Millionen Euro als Teil des
Verpflichtungsrahmens, dann ist das zu wenig.

Ich möchte etwas zum Gesamtfinanzrahmen sagen: Es
ist unglaublich, welcher Eindruck erweckt wird. Ich habe

Herrn Bodewig das letzte Mal öffentlich reden gehört, als
er bei einem SPD-Forum die Einführungsrede hielt.
Sie sagen gewöhnlich – aus Ihrem Munde ist das sehr
eindrucksvoll –: Für das Programm Stadtumbau Ost
stehen insgesamt 5 Milliarden DM bereit. Jeder normale
Mensch, der sich nicht auskennt, muss glauben, dass diese
5 Milliarden DM vom Bund kommen; schließlich äußern
Sie sich dazu nie konkret. Ich betone: 2 Milliarden DM
kommen vom Bund für acht Jahre, 2 Milliarden DM von
den Ländern und 1 Milliarde DM von den – ich frage
mich, woher sie es nehmen sollen; denn gerade diejeni-
gen, die den höchsten Leerstand haben, sind am finanz-
schwächsten – ostdeutschen Kommunen.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Hört! Hört!)


Zum Vergleich, meine Damen und Herren, besonders
die von der Koalition: Die Expertenkommission Woh-
nungsleerstand hat im Hinblick auf den Leerstand des
Jahres 1998 festgestellt, dass damals bei den ostdeutschen
Wohnungsunternehmen Belastungen in Höhe von 4 Mil-
liarden DM aufgelaufen sind, nämlich 2 Milliarden DM
Einnahmeverluste und 2 Milliarden DM Kostenbelastun-
gen. Demzufolge kamen 1999 noch einmal 4 Milliarden
DM hinzu; damit sind wir bei 8Milliarden DM Belastung.
Im Jahr 2000 kommen wieder 4 Milliarden DM hinzu;
damit sind wir bei 12 Milliarden DM Belastung. 2001
sind es dann 16 Milliarden DM. Und so geht das dann
weiter.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Und die Zinsen und Zinseszinsen?)


Ein Vergleich dieser Summe, durch die die ostdeutschen
Unternehmen belastet werden, mit den 2 Milliarden DM
Förderung, die Sie über acht Jahre vorgesehen haben,
zeigt deutlich, dass die Verhältnismäßigkeit der Mittel
überhaupt nicht gewahrt ist.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie aber erwecken in der Öffentlichkeit absichtlich einen
anderen Eindruck.

In diesem Zusammenhang möchte ich zu Ihnen, Herr
Hilsberg, noch ein Wort sagen: Ich bin vor drei oder vier
Tagen zu einem ungefähr zweistündigen, sehr interessan-
ten Gespräch mit dem Bürgermeister von Großräschen,
SPD, zusammengekommen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hat er sich nicht gegen Ihren Besuch wehren können?)


Auch in seiner Gemeinde gibt es einen hohen Leerstand.
Im Übrigen ist das dortige Stadtentwicklungskonzept fast
fertig gestellt; es stimmt nicht, dass die jetzt erst anfangen
müssen. Dieser SPD-Bürgermeister sagte mir: „Nun ja,
Frau Ostrowski, jetzt ist ja alles geregelt. Es werden im
nächsten Jahr ja 5Milliarden DM zur Verfügung gestellt.“

Ich musste ihm sagen, wie es sich wirklich verhält und
dass im nächsten Jahr keine 5 Milliarden DM fließen wer-
den. Er aber hatte diesen Eindruck, obwohl er einer der
besser informierten Politiker ist, da er immer wieder bei




Christine Ostrowski
20348


(C)



(D)



(A)



(B)


Beratungen im brandenburgischen Innenministerium zu-
gegen ist. Ich weiß, Herr Hilsberg, dass Sie diesen Wahl-
kreis erobern wollen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Die Uhr ist wohl stehen geblieben!)


Ich kann Ihnen da nur empfehlen: Kümmern Sie sich bitte
darum, dass, auch wenn Sie nicht mehr Geld zur Verfü-
gung stellen, wenigstens ganz schnell Geld fließt. Es kann
nicht sein, dass Sie den Wohnungsleerstand wie einen
Berg vor sich herschieben.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420521300
Frau Ostrowski, Sie
müssen sich jetzt um das Ende Ihrer Rede bemühen.


Christine Ostrowski (PDS):
Rede ID: ID1420521400
Ich komme zum
Schluss. – Wir haben drei Anträge gestellt, für die nicht
mehr Geld eingestellt werden muss.

Im ersten Antrag wird gefordert, die gesamte Ostför-
derung in einem Topf zu bündeln und die Kommunen ent-
scheiden zu lassen, was sie mithilfe dieses Geldes auf-
bauen oder abreißen wollen.

Der zweite Antrag fordert, die Mittel für bedrohte Exis-
tenzen im Rahmen der Härtefallverordnung früher bereit-
zustellen.

Der dritte Antrag fordert, die Städtebauförderung Ost
wieder auf den Ansatz anzuheben, der bisher dafür zur
Verfügung stand,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da haben Sie doch auch immer schon gejammert!)


und nicht die Mittel, die Sie für Abrisse einsetzen wollen,
aus diesem Topf zu nehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420521500
Das Wort hat der Bun-
desminister Kurt Bodewig.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Erst einmal auch von meiner Seite einen
Genesungsgruß an Gerd Rübenkönig und einen Geburts-
tagsgruß an Dirk Fischer sowie Rita Streb-Hesse und
Karin Rehbock-Zureich. Dabei fällt mir auf, dass der Kol-
lege Fischer feiert, während die Damen sogar an ihrem
Geburtstag arbeiten. Herzlichen Glückwunsch!

Ich werde sehr gerne und mit Vergnügen auf all Ihre
Beiträge eingehen. Ihr Lamento rührt ja wahrscheinlich
daher, dass Sie sich einen derartigen Haushalt überhaupt
nicht vorstellen konnten. Während Ihrer Regierungszeit
war die Entwicklung dieses Haushaltes rückläufig. Mittel
wurden verlagert und es gab riesige Löcher, wie die, die
Sie uns bei den Schienenprojekten hinterlassen haben.


(Widerspruch bei der FDP)


Ich nenne hier einmal die Neubaustrecken. So waren für
die Neubaustrecke Köln–Frankfurt 7 Milliarden DM ein-
kalkuliert, 10 Milliarden DM kostet sie. Das fällt in Ihre
Verantwortung.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wahrscheinlich haben Sie das alles kalkuliert!)


Ich glaube, da handelt diese Koalition viel verantwortli-
cher, indem sie auch die Mittel bereitstellt, um Infrastruk-
tur auszubauen. Damit wird Verkehrspolitik überhaupt
erst realisierbar.


(Beifall bei der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wer hat denn die Zahlen vorgelegt? Herr Dürr und nicht wir!)


– Sie haben aber die Entscheidungen zu verantworten,
Herr Friedrich. Aus dieser Verantwortung werde ich Sie
nicht entlassen. – Ihr Beitrag erinnerte mich übrigens an
einen schönen Film, den ich gesehen habe: „Die fabel-
hafte Welt der Amélie“. Das kann man auf Sie übertragen,
denn in Ihrem freudschen Versprecher drückten Sie es
richtig aus: Dieser Haushalt steigt, und zwar sinnvoll und
zielgenau. Deshalb enthält Ihr Versprecher eine richtige
Aussage; diese greifen wir gerne auf.


(Beifall bei der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Ich habe mich ja korrigiert!)


Lassen Sie mich noch einmal deutlich machen, über
was wir heute reden und was wir in der dritten Lesung be-
schließen werden.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist die große Frage!)


Wir stimmen über einen Haushalt ab, der ein ungeheures
Maß an Investitionen aufweist, der sich positiv auf die
Beschäftigung auswirken wird und damit die richtigen
Akzente setzt. Auch hier liegt ein Unterschied zur Ver-
gangenheit. Das ist auch ein Grund, warum wir sagen
können: Mit diesem Haushalt können wir hervorragend
leben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Das spricht aber gegen die Kollegen, wenn ihr damit leben könnt!)


Dies war trotz der notwendigen Konsolidierung möglich.
Auch hier möchte ich noch einmal ein wenig den Blick

in die Vergangenheit richten: Was haben wir denn 1998
übernommen? 1,5 Billionen DM Bundesschulden. Das ist
eine Verschuldung, die die staatliche Handlungsfähigkeit
absolut unzulässig einengt.


(Norbert Otto [Erfurt] [CDU/CSU]: Sie haben die deutsche Einheit übernommen!)


Diese Schulden bauen wir in einem großen Kraftakt ab.
Deswegen steigt nicht der Gesamthaushalt, sondern es
steigt der Haushalt für Verkehr, Bau und Wohnungswe-
sen, der der größte Investitionshaushalt des Bundes ist.
Damit wird der richtige Akzent gesetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Christine Ostrowski

20349


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich glaube, auch das sollten wir noch einmal sehr deutlich
machen, denn wir haben Verantwortung für Beschäfti-
gung. Ich meine, dass es sich sehen lassen kann, dass die-
ser Haushalt im Vergleich zum Vorjahreshaushalt um
1,5 Milliarden Euro steigt.


(Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Ja, weshalb denn?)


Wir haben das erarbeitet. Ich nenne nur das Stichwort
BEV. Hier stellen wir sicher, dass wir den sozialen Ver-
pflichtungen, die sich aus der Bahnreform ergeben, über-
haupt nachkommen können.

In diesem Haushalt sind neue Akzente erarbeitet wor-
den, auf die ich im Einzelnen noch eingehen werde. Ich
glaube, dass es richtig war, dass wir das, was Sie in der
Vergangenheit praktiziert haben, indem Sie den Schienen-
etat systematisch heruntergefahren haben – 1995 9 Mil-
liarden DM und 1998 6,5 Milliarden DM –, deutlich kor-
rigiert haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: 1995 kann nicht stimmen, Herr Minister! Da waren es noch 9,9!)


Jetzt sind wir wieder bei rund 9 Milliarden DM. Ich
glaube, dass es richtig ist, in einem integrierten Verkehrs-
system alle Verkehrsträger gleichermaßen auszubauen.
Das führt dann auch dazu, dass wir einen Bundesfern-
straßenhaushalt mit 10,8 Milliarden DM haben. Das ist
ein Rekord, und zwar schon im zweiten Jahr. Wir kündi-
gen Programme nicht nur an, sondern wir realisieren sie
auch.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Durchführung des Zukunftsinvestitionspro-
gramms bedeutet, dass 125 Ortsumgehungen in drei Jah-
ren zu realisieren sind. Das heißt, 125 Mal, verteilt auf
Deutschland, Verbesserung der Lebensqualität. Sie wären
froh gewesen, wenn Sie so etwas in Ihrer Amtszeit hätten
realisieren dürfen. Es war Ihnen nicht gegeben – wir ma-
chen es. Das ist der qualitative Unterschied.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nun komme ich zum Wohnungsbau. Ich bin der Mei-
nung, dass sich auch der Wohnungsbauhaushalt als Teil
des Einzelplans 12 sehen lassen kann und dass wir unge-
heuer viel erreicht haben.

Sie haben Recht, Frau Ostrowski; Sie können immer
mehr fordern. Das ist eine Qualität, die ich bei Ihnen be-
wundern darf. Die Realität sieht aber so aus, dass wir Pro-
bleme lösen und dass wir die Mittel dafür zielgenau ein-
setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin der Meinung, dass sich 2 Milliarden DM Bundes-
mittel für das „Stadtumbauprogramm Ost“ mit den ande-
ren Programmteilen in Höhe von 2,2 Milliarden DM
durchaus sehen lassen können; das können Sie doch nicht
klein reden.


(Beifall bei der SPD)


Dabei geht es um Steuergelder. Wir haben die Verantwor-
tung, sorgsam mit diesen Steuergeldern umzugehen, und
das tun wir.

Ich glaube, dass das „Stadtumbauprogramm Ost“
wichtig ist, weil es dort ansetzt, wo wir Probleme haben.
In den neuen Bundesländern stehen 1Million Wohnungen
leer. Etliche Wohnungsgesellschaften sind an der Grenze
ihrer Belastbarkeit. Mit § 6 a Altschuldenhilfe-Gesetz hel-
fen wir ihnen.


(Christine Ostrowski [PDS]: Keine Mark ist geflossen!)


Wir helfen ihnen auch dadurch, dass wir einen Wettbe-
werb starten. 31 Millionen DM haben eine Wirkung. Al-
lein schon die Beteiligung am Wettbewerb ist für alle
Städte, die sich beteiligen, ein Gewinn. Wir haben das
Programm von 100 auf 200 Städte erweitert und werden
damit ebenfalls Stadtentwicklungskonzepte unterstützen,
die notwendig sind. Das heißt, auch dieser Prozess hat
eine Qualität. Deswegen ist das Stadtumbauprogramm ein
intelligentes Programm.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Weiterhin haben wir das Programm Soziale Stadt auf-
gelegt. Ich möchte allen Beteiligten meinen Dank
aussprechen. Die Impuls-Kongresse machen die hohe
Beteiligung deutlich. Die Menschen brauchen dieses Pro-
gramm, weil es bewirkt, dass sie in den Quartieren aus ei-
gener Kraft dafür sorgen können, die Lebensumwelt neu
zu gestalten, Qualität wiederherzustellen und Stadtteile,
die auf der Kippe stehen, wieder zu stabilisieren. Ich
glaube, dass wir dieses Programm zu Recht europaweit
vorzeigen können.

Erstmalig stehen für die Förderung als Zukunft unserer
Städte fast 1,1 Milliarden DM zur Verfügung. Die letzte
Zahl, die Sie hinterlassen haben, waren 600 Millio-
nen DM für den Städtebau. Wir haben fast das Doppelte
erreicht. Ich meine, das kann sich sehen lassen, und das
unterscheidet uns dann wieder.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Richtig! Dafür hatten wir dreimal so viel im Wohnungsbau, Herr Minister, und in der Summe mehr!)


Ich komme noch zum sozialen Wohnungsbau, in dem
wir ebenfalls neue Akzente gesetzt haben. Sie alle kennen
unser Gesetz zur sozialen Wohnraumförderung, das zu
einer Flexibilisierung führt. Ein Aspekt wurde von Fach-
leuten immer wieder thematisiert – ich war kürzlich noch
bei Christian Ude in München – Ballungsräume. Für diese
Ballungsräume haben wir zusätzlich 70 Millionen Euro
mobilisiert, um über diesen Weg der Wohnraumförderung
ganz gezielt gerade in den Ballungszentren, in denen ein
hoher Wohnbedarf vorhanden ist, tätig werden zu können.
Es gibt in Deutschland unterschiedliche Wohnungs-
märkte; das ist eine Tatsache. Wir können jetzt in diesem
Bereich ganz gezielt arbeiten. Das ist der richtige Weg.
Allen, die daran beteiligt waren, sage ich herzlichen
Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Bundesminister Kurt Bodewig
20350


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich freue mich übrigens auch darüber, dass wir die Ini-
tiative „Architektur und Baukultur“ fortsetzen. Dies ist
eine sehr wichtige Initiative. Denn Baukultur hat etwas
mit Menschen zu tun,


(Dr. Michael Meister [CDU/CSU]: 600 000 arbeitslose Bauleute hat auch etwas mit Menschen zu tun!)


und zwar deswegen, weil sie die Menschen prägt. Ich
kann mir vorstellen, dass die für diese Initiative vorgese-
henen Mittel weiterhin angesetzt werden und dass es viel-
leicht einmal eine Stiftung „Architektur und Baukultur“
geben wird, mit der wir dauerhaft Impulse für den Städte-
bau, aber auch für die architektonische Stadtentwicklung
setzen können.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das ist eine gute Idee! Da machen wir mit!)


– Über Zustimmung freue ich mich natürlich sehr, Herr
Kansy. Sie können das im Anschluss eindrucksvoll be-
stätigen. Unterstützung nehme ich immer gern entgegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch im Verkehrsbereich gab es gerade in der Schluss-
phase der Haushaltsberatungen eine Reihe neuer Akzente:
zum Beispiel einen eigenständigen Etattitel für den Ausbau
von Radwegen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das sind Lückenschlussprogramme. Hier ist mit 100 Mil-
lionen Euro eine Verdoppelung des Ansatzes ermöglicht
worden. Auch das lässt sich sehen. Das zeigt doch, dass
wir das, was wir ankündigen, in diesem Haushalt veran-
kern und vorantreiben. Im kommenden Sommer werden
wir sehen, dass in diesen Bereich richtig Bewegung hin-
einkommt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Dafür kein Lärmschutz!)


Lassen Sie mich zum System Schiene kommen. Auch
hier zeigen wir unsere ganz besondere Verantwortung.
Rund 4,5 Milliarden Euro setzen wir für Investitionen in
Schienenwege an. Die Finanzlöcher, die Sie uns hinter-
lassen haben – ich habe sie soeben beschrieben –, plagen
uns natürlich an der einen oder anderen Stelle. Die müs-
sen wir in der Übernahme der Verantwortung für Sie stop-
fen. Wir haben einen hohen investiven Mittelansatz und
wir werden alles dafür tun, dass diese Investitionen auch
umgesetzt werden.

Der von uns vorgenommene Aufbau der Planungska-
pazität in Höhe von 460 Millionen DM ist eine Folge Ih-
rer Politik. Wir handeln hier und schaffen die Vorausset-
zungen, dass Schieneninvestitionen in Höhe von 2 bis
2,5 Milliarden DM vorzeitig realisiert werden können.
Das kann sich sehen lassen. Wir tun etwas.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte auf andere Dinge zu sprechen kommen. Für
den prognostizierten Verkehrszuwachs brauchen wir die
Schiene. Wir brauchen sie auch, um die Straße leistungs-
fähig zu halten.


(Norbert Otto [Erfurt] [CDU/CSU]: Dann bauen Sie doch in Thüringen und in Bayern!)


– Wir bauen ja auch; das wissen Sie doch, Herr Otto. Herr
Otto, wir sind hier doch nicht in der Nordkurve.

Ich wiederhole: Wir planen, wir bauen und wir arbei-
ten intensiv an der Erstellung des Bundesverkehrswege-
planes. Denn das, was Sie uns hinterlassen haben, wollen
wir nicht: eine Unterfinanzierung von 100Milliarden DM
und Hoffnungen vor Ort, die wir nicht erfüllen können.
Wir werden also den Bundesverkehrswegeplan sehr ziel-
genau entwickeln.


(Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Wann kommt der denn?)


Dabei ist es unser Ziel, einen integrierten Bundesver-
kehrswegeplan zu erarbeiten. Das heißt, er wird die
Straße, die Schiene und die Wasserstraße umfassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Herr
Friedrich, die Taskforce-Ergebnissewerden im schnellst-
möglichen Zeitplan systematisch umgesetzt. Ich versi-
chere Ihnen: Wir werden das erste Land sein, das die ent-
sprechende EU-Richtlinie pünktlich zum 15. März 2003
umsetzen wird. Wir arbeiten daran unter Hochdruck.

Lassen Sie mich auf die Bundesfernstraßen eingehen.
Hier gibt es Zukunftsinvestitionsprogramme, die, wie ich
soeben gesagt habe, sehr wirkungsvoll sind. Das Anti-
Stau-Programm wird Engpässe beseitigen, und zwar über-
all. Auch will ich herausstellen: Wir setzen auf ein inte-
griertes System. Das Denken der Vergangenheit, immer
nur den einzelnen Verkehrsträger zu betrachten bzw. die
unterschiedlichen Verkehrsträger gegeneinander auszu-
spielen, muss ein Ende haben.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Unsinn!)

Das, was bei Ihnen der Fall war, werden wir nicht tun.
Deswegen wird es eine integrierte Verwendung der Ein-
nahmen aus der LKW-Maut geben. Das macht Sinn.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Das ist eine platte Behauptung, die nichts mit der Realität zu tun hat! – HansMichael Goldmann [FDP]: Das ist unter Ihrem Niveau!)


Vor einem möchte ich Sie warnen: Wenn man im Zu-
sammenhang mit der LKW-Maut von Kompensationen
spricht, dann ist dies das sicherste Mittel, solche zu ver-
hindern. Sie wissen, dass dies europarechtlich überhaupt
nicht zulässig ist.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Komisch, dass die Holländer so etwas ankündigen!)





Bundesminister Kurt Bodewig

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(C)



(D)



(A)



(B)


Natürlich wäre es eine Entlastung für dieses Gewerbe,
wenn die Euro-Vignette wegfallen würde. Natürlich wäre
es eine Entlastung, wenn zum Beispiel die Kfz-Steuer ge-
senkt würde, weil der Ausstoß von Emissionen in der
LKW-Maut berücksichtigt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Warum machen Sie es dann nicht?)


Darüber hinaus geht es natürlich um den Grundsatz:
Wenn die Beihilfetatbestände in den Niederlanden, in Ita-
lien und Frankreich nicht auslaufen, dann müssen sie bei
uns anlaufen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Alles Ausreden!)


Denn wir wollen keine Wettbewerbsverzerrungen und wir
müssen die Steuern auf europäischer Ebene harmonisie-
ren. Das ist uns allen klar. Das ist übrigens der einzige
gangbare Weg.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Und die anderen haben zwei Jahre einen Vorteil! – HansMichael Goldmann [FDP]: Warum haben Sie es nicht gemacht?)


– Ich könnte Ihnen vieles aufzählen, was wir für das Spe-
ditionsgewerbe gemacht haben. Wir haben zum Beispiel
das zentrale Problem der illegalen Beschäftigung endlich
angepackt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben darüber nur geschwafelt. Bei Ihnen ist doch nie
etwas passiert. Wir tun etwas. Dazu kann ich nur sagen:
Erkennen Sie es doch an!


(Zuruf der Abg. Renate Blank [CDU/CSU])

Auch das Hinzulernen, Frau Blank, ist etwas, was man
sich selbst zugestehen kann.


(Dr. Hermann Kues [CDU/CSU]: Wo ist eigentlich Herr Klimmt?)


Ich will deutlich machen, dass das Verkehrssystem der
Zukunft als ein integriertes Verkehrssystem geplant wer-
den muss. Integriert heißt: kombinierter Verkehr. Wir
stocken um ein Fünftel auf. Das kann sich sehen lassen.
Das ist auch wichtig, weil wir auf diese Weise Verkehre
bewältigen können.

Herr Kalb, ich kann Ihnen sagen: Die Vereinbarung
zwischen Bund, Bahn und der Industrie hinsichtlich des
Transrapid vom Jahre 2000 gilt nach wie vor. Davon
werden wir nicht abweichen. Ich denke, das ist richtig und
sinnvoll.

Lassen Sie mich deutlich machen: Wasserstraßen und
Binnenschifffahrt haben eindeutig Priorität. Wir machen
die Ostsee sicher, weil wir das „shortsea shipping“ voran-
treiben wollen. AIS bauen wir auf, um eine große
Sicherheitsqualität zu erreichen. Auf der zweiten mariti-
men Konferenz in Rostock haben alle Beteiligten – seien
es Reeder, Vertreter der Wirtschaft, der Häfen und der Ge-
werkschaften – deutlich gemacht, dass das der richtige

Schritt ist. Die Aufstockung der Finanzbeiträge für die
Seeschifffahrt ist ein ganz entscheidender Punkt, um hier
weiterzukommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bevor ich eine Bilanz ziehe, möchte ich noch einen
Dank sagen. Ich bedanke mich bei den Berichterstattern
im Haushaltsausschuss. Ich habe Ihre harte Arbeit kennen
gelernt. Ich bedanke mich natürlich auch bei den Koaliti-
onsfraktionen; denn sie haben dafür gesorgt, dass der Ge-
winner dieser Haushaltsberatungen der Einzelplan 12 ist.
An ganz vielen Punkten ist aufgestockt worden. Ich
denke, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Ich bin je-
denfalls der Meinung, dass man diesen Haushaltsplan mit
Stolz vertreten kann.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Für die Opposition ist es natürlich etwas schwierig. Ich
kann verstehen, dass bei Ihnen ein bisschen Neid durch-
schimmert, weil Sie das nicht hinbekommen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)


Umso schöner ist es, dass es uns gelungen ist. Wir werden
lange genug an der Regierung bleiben, damit uns das Jahr
für Jahr gelingt.

Ich danke auch dem Bundesfinanzminister. Es waren
nicht immer einfache Verhandlungen. Aber ihr Ergebnis
ist gelungen. Es gab Investitionen in die Infrastruktur, die
der Verantwortung für die Beschäftigung und für die Mo-
bilität in dieser Gesellschaft Rechnung tragen. Nicht zu-
letzt stehen wir in der Verantwortung, einen Verkehrszu-
wachs von 64 Prozent in 15 Jahren bewältigen zu können.

Nach Ihrer Tatenlosigkeit werden jetzt die Weichen in
die richtige Richtung gestellt. Schauen Sie doch einmal
die Aussagen des Sachverständigenrates an. Die Investi-
tionen in die Infrastruktur


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: In welche?)


haben sich bereits 2001 beim Straßenbau positiv ausge-
wirkt. Das Programm „Stadtumbau Ost“ zeigt bereits jetzt
positive Wirkungen auf die Investitionen für 2002.

Ich will noch einen Punkt aufklären. Herr Kalb, das Be-
treibermodell ist ein innovatives Modell im Investitions-
beschleunigungsprogramm „Bauen jetzt“. Es gab immer
den Ruf nach zusätzlichen Milliardenbeträgen. Wir sind
etwas intelligenter vorgegangen. Wir haben dafür gesorgt,
dass die 26 Milliarden DM beschleunigt ausgegeben wer-
den können. Wir haben Finanzvereinbarungen zwischen
Ländern und dem Bund getroffen. Was früher ein Drei-
vierteljahr dauerte, werden wir auf ein Vierteljahr be-
schleunigen. Das heißt, investive Tätigkeiten können ein
halbes Jahr früher begonnen werden. Das ist Ihnen nie
eingefallen. Es geht also.

Das Betreibermodell bedeutet, in einer intelligenten
Kombination aus Mitfinanzierung, Betrieb und Erhal-
tungsaufwand in einem Konzessionsvertrag mit einer be-




Bundesminister Kurt Bodewig
20352


(C)



(D)



(A)



(B)


stimmten Dauer zusätzlich 3,5 Milliarden DM privates
Kapital zu mobilisieren.


(Renate Blank [CDU/CSU]: Nichts Neues!)

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir auf der Basis des
LKW-Maut-Gesetzes, das jetzt kommt, eine entsprechende
Refinanzierung schaffen. Wir können die insgesamt 10
Projekte schon jetzt pilotieren und – das ist ein Angebot an
die Länder –, beginnend ab dem Jahr 2003, realisieren. Die
A 5 und auch der letzte Lückenschluss auf der A 2 sind
dringend notwendig. Das werden wir anpacken. Es ist ein
intelligentes Programm, das sich sehen lassen kann.

Ich habe abschließend eine Bitte an die Damen und
Herren der Opposition. Mark Twain hat einmal gesagt:
Der beste Weg, sich selbst eine Freude zu machen, ist, zu
versuchen, einem anderen eine Freude zu machen. Lernen
Sie dazu! Dann machen Sie uns allen eine Freude.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420521600
Zu einer Kurzinter-
vention erteile ich jetzt der Kollegin Christine Ostrowski
das Wort.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Die hat doch gerade erst geredet!)



Christine Ostrowski (PDS):
Rede ID: ID1420521700
Es tut mir Leid, meine
Damen und Herren; aber es muss sein. – Herr Minister, ich
möchte zu zwei Punkten, die Sie in Ihrer Rede angeführt
haben, meinen Standpunkt äußern.

Sie hatten erstens gesagt, dass § 6 a Altschuldenhilfe-
Gesetz der Wohnungswirtschaft geholfen hat. Ich stelle
dazu fest, dass dem bisher real nicht so ist. Es ist von die-
sen Mitteln, die Sie dafür bereitgestellt haben, noch nichts
abgeflossen. Es liegen meines Wissens aktuell erst sieben
oder acht Anträge aus der Wohnungswirtschaft vor. Die
Situation ist so, dass bisher real noch keine Hilfe erfolgen
konnte, weil die Kriterien, die Sie vor die Antragstellung
gestellt haben, durch Sie so hoch gesetzt worden sind
– ich sage nur die Stichworte „Banken“ und „Verzicht auf
die Vorfälligkeitsentschädigung“ –, dass existenzbedrohte
Wohnungsunternehmen bisher nicht in den Genuss der
Mittel kommen konnten.

Zweitens möchte ich mich noch einmal zu Ihrer Be-
merkung äußern, 2 Milliarden DM vom Bund könnten
sich sehen lassen. Dazu stelle ich fest, dass man das so
nicht sagen kann, und zwar aus folgenden Gründen:

Erstens. Wenn man bedenkt, dass mindestens seit dem
Jahre 1998 nach Aussage und Beweisführung der Exper-
tenkommission „Wohnungsleerstand“ bei den ostdeut-
schen Wohnungsvermietern 16 Milliarden DM an finan-
ziellen Belastungen aufgelaufen sein müssen, dann sind
diese 2 Milliarden DM – noch dazu über acht Jahre ver-
teilt – ein Beitrag, der inakzeptabel ist.

Zweitens.

(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das war schon zweitens, jetzt kommt drittens!)


– Der zweite Grund für die 2 Milliarden DM, Herr
Dr. Kansy. – Diese 2 Milliarden DM werden zu zwei Drit-
teln aus anderen Programmen finanziert. Nur ein Drittel
erschließt der Bund aus allgemeinen Haushaltsmitteln.
Ich halte auch das nicht für angemessen,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Es ist sehr problematisch, wenn jemand eine Kurzintervention macht, der vorher schon geredet hat! Ob das durch die Geschäftsordnung abgedeckt ist, bezweifle ich, Frau Präsidentin!)


weil diese anderen Programme, aus denen das Stadtum-
bauprogramm finanziert wird, für den Osten gerade des-
halb nötig sind, weil die Städte belebt und die Menschen
in den Städten gehalten werden müssen. Daher darf man
diese Programme nicht kürzen, zumal mit den Mitteln
Wohnungen abgerissen werden sollen. Das ist nicht in
Ordnung und das musste gesagt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS – Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420521800
Herr Minister, bevor
ich Ihnen das Wort zur Erwiderung erteile, schlage ich
vor, dass die zweite angemeldete Kurzintervention des
Kollegen Oswald sofort erfolgt.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist erledigt!)


– Ich bedanke mich für die Kulanz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Iris Gleicke [SPD]: Das ist positiv, Herr Oswald!)

Trotzdem hat der Herr Minister die Möglichkeit zu er-

widern. – Bitte.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Sie kennen die Problematik des § 6 a
AHG und wissen, dass als Voraussetzung für den Antrag
ein betriebswirtschaftliches Konzept vorhanden sein
muss. Acht solcher Konzepte sind bereits entwickelt wor-
den; insgesamt erwarten wir 20. Das braucht seine Zeit.
Dieses Programm läuft an; dass es diese Anträge gibt, be-
weist, dass das Programm schon Wirkung zeigt. Deshalb
halte ich Ihre Kritik nicht für berechtigt.


(Beifall bei der SPD)

Zu Ihrem zweiten Punkt: Ich kann ja verstehen, dass

Sie als Oppositionsabgeordnete das Programm „Stadtum-
bau Ost“ kritisch bewerten müssen. Dass Sie es auch ne-
gativ darstellen müssen, ist vielleicht Ihr Verständnis von
Oppositionsarbeit. Alle anderen aber, sowohl Vertreter der
Wohnungswirtschaft als auch diejenigen, die in den neuen
Bundesländern in kommunaler Verantwortung sind, sa-
gen, das Programm sei hervorragend. Der GdW-Präsident
Freitag hat sich absolut erfreut geäußert, weil man der
Wohnungswirtschaft mehr Geld anbietet, als sie über-
haupt gefordert hat. Das zeigt, welche Voraussetzungen
wir hier schaffen, um die Krise der Wohnungswirt-
schaft in den neuen Bundesländern real und nicht nur in




Bundesminister Kurt Bodewig

20353


(C)



(D)



(A)



(B)


theoretischen Erklärungen anpacken zu können, Frau
Ostrowski.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420521900
Wir fahren in der De-
batte fort. Das Wort hat der Kollege Dr. Dietmar Kansy.


(Zuruf)



Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1420522000
Sie sind auch
in dieser Frage inkompetent. Die Größe der Räume ist
vom Deutschen Bundestag beschlossen worden, Herr
Kollege.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Vorbereitet vom Vorsitzenden der Baukommission!)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der
Minister hat seine Rede mit dem Wunsch abgeschlossen,
Bilanz zu ziehen. Ich stimme dem zu; es ist Zeit, Bilanz
zu ziehen.

Erstens. Wir beraten heute einen Einzelplan für den
Bundeshaushalt 2002, bei dem in rot-grünen Regierungs-
zeiten erstmals ein und derselbe Bundesminister die
Haushaltsaufstellung begonnen und auch abgeschlossen
hat.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

Er ist übrigens schon ein Jahr und eine Woche im Amt.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Donnerwetter!)


Bei den bekannten Halbwertzeiten von Ministern dieser
Koalition – ich meine Müntefering und Klimmt – ist das
eigentlich eine erfreuliche Angelegenheit.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wenn Sie sonst nichts haben!)


Zweitens. Wenig erfreulich ist, dass die Wohnungs-
wirtschaft und die interessierte Öffentlichkeit von Salz-
gitter bis Garbsen, Herr Kollege Schmidt, in diesen Jah-
ren kaum etwas von einem Wohnungsminister
mitbekommen hat, der sich am Kabinettstisch durchsetzt,
wenn es um Fragen des Wohnungsbaus geht. Das ist kein
Wunder, Herr Minister, haben Sie doch bei verhängnis-
vollen Fehlentscheidungen dieser Bundesregierung zulas-
ten der Wohnungsbauinvestitionen – sei es im Steuer-
recht, sei es im Mietrecht, sei es beim Kahlschlag des
sozialen Wohnungsbaus – geschwiegen und zugestimmt.
Das ist die Bilanz, die wir Ihnen heute vorhalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Minister, dass Sie sich auch bei der Städtebauför-

derung West, die Sie eben so gelobt haben, und dem Pro-
gramm Soziale Stadt gegenüber dem Ansatz von 2001
zunächst einmal widerspruchslos dem Finanzminister
gebeugt haben und bei der sozialen Wohnungsbauförde-
rung die Demontagepolitik Ihrer beiden SPD-Vorgänger
Müntefering und Klimmt fortzusetzen bereit waren – Sie
müssen jetzt erst durch das Parlament korrigiert werden –,
hindert Sie offensichtlich nicht, sich schon wieder – das
ist ein PR-Gag – als großer King in dieser ganzen Woh-
nungs- und Städtebaupolitik zu fühlen.

Herr Minister, Sie haben trotz der notdürftigen Nach-
besserungen im Haushaltsausschuss einen Haushalt vor-
gelegt, der in keiner Weise den Erfordernissen der Woh-
nungs- und Städtebaupolitik Rechnung getragen hat,
sodass Sie – übrigens vom ganzen Parlament – korrigiert
werden mussten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich nenne nur ein Beispiel: Minister Bodewig hat im

letzten Jahr im Kabinett die Ausgrenzung der Wohnim-
mobilien aus der privaten Altersvorsorge abgenickt. Das
Gleiche geschah beim ersten Formelkompromiss. Das
war doch wohl so. Diesen hat er noch Mitte Januar auf ei-
ner Pressekonferenz kommentiert, indem er sagte, dass er
sehr zufrieden sei. Nach massivem Druck der Wohnungs-
wirtschaftsverbände sowie der B-Länder im Bundesrat
hat erst der Vermittlungsausschuss mit dem Zwischenent-
nahmemodell wenigstens einen minimalen Einstieg in
diese Angelegenheit geschafft. Anfang November präsen-
tierte sich der Minister in einem Pressegespräch als Pro-
motor der Einbeziehung des selbst genutzten Wohneigen-
tums in der Rentenreform.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, liebe vereinzelte Zuschauer auf der Zuschauer-
tribüne, sehr verehrter Herr Kameramann,


(Iris Gleicke [SPD]: Es sind vier Kameramänner!)


in Ihrem Zeugnis, Herr Minister, steht: PR gut – das gebe
ich zu –, Wohnungspolitik ungenügend.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Folgen der verfehltenWohnungsbaupolitik der Re-

gierung Schröder – von der Finanzierung der Wohngeld-
erhöhung, übrigens auf demRücken derHäuslebauer, nach
einem von der Union im Bundesrat gestoppten Versuch,
dies zulasten der Länder undGemeinden zu tun, daran darf
ich bei dieser Gelegenheit auch einmal erinnern, Frau Kol-
legin, über die investitionsfeindliche Steuerpolitik bis hin
zur Mietrechtsreform und der Demontage des sozialen
Wohnungsbaus – haben zwar bereits zu ersten Mangeler-
scheinungen geführt – ich freue mich, dass das jetzt sogar
anerkannt wird; bei der letzten Debatte wurde das noch
zurückgewiesen –, aber erst in den nächsten Jahrenwerden
die Folgen dieser ganzen verhängnisvollen Fehlentschei-
dungen in der Wohnungspolitik sichtbar werden.

Das einzige, was man heute bereits sieht, sind die
Arbeitslosen im Baugewerbe. Seit 1998 sind über
200 000 Arbeitsplätze auf dem Bau verloren gegangen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Davon hat er kein Wort gehört!)


Die wissen schon, woher das gekommen ist. Ich darf ein-
mal daran erinnern, dass während der Regierungszeit von
Helmut Kohl bis zu 600 000 Fertigstellungen im Jahr er-
reicht wurden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Dafür haben wir jetzt diesen Leerstand! So ein Unsinn!)


Herr Kollege Schmidt, wir hatten den niedrigsten Anstieg
des Mietenindexes. Er betrug 1,1 Prozent. Nach Ihrem




Bundesminister Kurt Bodewig
20354


(C)



(D)



(A)



(B)


Ausstieg aus der Wohnungspolitik versuchen Sie jetzt
plötzlich, sich wenigstens über das Wahljahr 2002 hin-
wegzuretten und stark sinkende Fertigstellungen und wie-
der ansteigende Mieten zu verschleiern.

Meine Damen und Herren, wir werden Ihnen einige
unangenehme Fragen nicht ersparen. Zum Beispiel:
Meine verehrten Kollegen aus dem Ausschuss für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen, Herr Minister, warum
hat der Beschluss des Ausschusses – er wurde mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gefasst –, die soziale
Wohnraumförderung in Verdichtungsräumen durch den
Bund mit zusätzlich 170 Millionen Euro zu intensivieren
– das hat der Minister auf manchen Verbandstagen an-
schließend als großen Erfolg gefeiert –, nur eine Halb-
wertzeit von wenigen Tagen gehabt, bevor er von dieser
Regierung wieder kassiert wurde?

Wenn ich daran erinnere, dass Sie bei der letzten Bun-
destagswahl noch 2 Milliarden DM, also rund 1 Milli-
arde Euro, für den sozialen Wohnungsbau gefordert ha-
ben, kann ich nur dringend darum bitten, vielleicht tun Sie
ja sogar dem Minister einen Gefallen – ich sage bewusst
„vielleicht“ –, dass Sie morgen unserem Antrag in der
zweiten Lesung des Bundeshaushaltes zustimmen, damit
die Mittel für den sozialen Wohnungsbau wieder auf
400 Millionen Euro erhöht werden. Der Schwerpunkt
liegt dabei auf den Ballungsräumen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dort sind wieder erste Anzeichen von Wohnungspro-
blemen sichtbar geworden.

Mit welchen neuen Rahmenbedingungen, Herr
Minister, wollen Sie übrigens sicherstellen, dass der
vom Bundesamt für Bauwesen und Raumwesen brand-
neu prognostizierte Wohnungsneubaubedarf von rund
340 000 Wohnungen auch erfüllt wird, nachdem die Zahl
der Fertigstellungen und erst recht die Zahl der Baugeneh-
migungen bereits heute deutlich dieses mittelfristige Ziel
unterschreiten? Die DIW-Prognose – das letzte Mal konnte
man sie vor zwei Stunden auf dem parlamentarischen
Abend gegenüber hören – besagt: dieses Jahr keine 300000
mehr, nächstes Jahr eher 250000 Fertigstellungen im Neu-
bau. Das ist ein eklatanter Absturz, den wir in diesem Um-
fang – so ist es dort eben auch formuliert worden – in der
Nachkriegszeit in Deutschland noch nie gehabt haben.

Was haben Sie eigentlich mit der Eigenheimzulage
vor, Herr Minister, die im rot-grünen Lager, angeblich un-
ter raumordnungs- und umweltpolitischen Gesichtspunk-
ten, zunehmend diffamiert wird? Die bisherigen Kürzun-
gen durch Wegfall der Vorkostenpauschale, durch Wegfall
der steuermindernden Erhaltungsaufwendungen beim
Zweiterwerb und durch die Reduzierung der Einkom-
mensgrenzen haben auch hier – und zwar erstmalig – zu
einem massiven Rückgang der Zahl der Baugenehmigun-
gen und der Fertigstellungen geführt. Bei den Grünen
– Frau Eichstädt-Bohlig, wir sitzen ja jede zweite Woche
auf gemeinsamem Podium – wird sogar schon über die
Abschaffung der Eigenheimzulage geredet.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Über die Veränderung der Eigenheimzulage!)


Die SPD versucht sich in dieser Angelegenheit über die
Wahl hinwegzuschweigen.Hier,HerrMinister, ist sogar PR
mangelhaft; dieWohnungspolitik ist sowieso ungenügend.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Welche Belastung für den Immobilienmarkt haben Sie,

Herr Minister, eigentlich bei den Neuregelungen der Erb-
schaft- und Grundsteuer vor? Hier setzt der Kanzler
ebenfalls auf Vernebeln und Wiedervorlage nach den
Wahlen. Das einzig Positive ist, dass Sie dazu nicht mehr
in der Lage sein werden. Hier gebe ich Ihnen die beste PR-
Note des heutigen Abends: Sonderpreis für hervorra-
gendesNebelwerfen.Aber:Wohnungspolitik ungenügend.

Warum, Herr Minister, reden Sie ständig von der stär-
keren Gewichtung der Bestandsförderung, tun aber ge-
nau das Gegenteil: Wegfall des Vorkostenabzugs, Wegfall
der Verteilung des Erhaltungsaufwandes, Wegfall der In-
vestitionszulage für die Modernisierung selbst genutzter
Wohnungen? Das alles geschieht bei gleichzeitiger unzu-
reichender Finanzausstattung der sozialen Wohnraumför-
derung. Dadurch wird überhaupt keine ausreichende Be-
standsförderung mehr ermöglicht, selbst wenn man sie
machen wollte. PR: ausreichend, Wohnungspolitik: wie-
der ungenügend.

Ein letztes Wort zu dem angekündigten Stadtumbau-
programm Ost. Ich fürchte, ihm droht dasselbe Flop-
Schicksal wie der vollmundig erklärten und eben schon
angesprochenen überfrachteten Altschuldenhärtefallrege-
lung, wo in diesem Jahr noch keine zehn Fälle abgear-
beitet wurden. Von dem 5-Milliarden-Programm bzw.
– wenn wir einmal ehrlich sind – 2-Milliarden-Programm
des Bundes ist schon geredet worden. Kassenmäßig haben
Sie für das ganze nächste Jahr 15,3 Millionen Euro für die
Umsetzung des Stadtumbaus Ost vorgesehen.


(Iris Gleicke [SPD]: Aber Sie sind doch selber Planer, Sie wissen doch, dass das dauert!)


– Das ist einfach wahr. – Sie verkaufen den Stadtumbau
Ost aber ausgerechnet im Programm „Bauen jetzt – Inves-
titionen beschleunigen“ auch als Bauinvestitionspro-
gramm. Das ist einfach eine Lachnummer.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Ihre Rede ist eine Lachnummer!)


Deswegen fordere ich Sie auf: Stimmen Sie unserem
weiteren Antrag der Erhöhung der Barmittel sowohl bei
der Städtebauförderung West als auch beim Stadtumbau
Ost morgen zu, damit Ihr Programm „Bauen jetzt“ über-
haupt einen Sinn bekommt und die Mittel nicht erst in den
Jahren 2004 bis 2008 bereitstehen.

Kurzum: Herr Minister, auch in diesem Politikbereich
steht Ihren Ankündigungen ein spärliches Ergebnis ge-
genüber, das nicht nur viele Bürgerinnen und Bürger ent-
täuschen wird, sondern das auch den Erfordernissen der
Städte- und Wohnungsbaupolitik nicht gerecht wird. Des-
wegen werden wir dem Etatteil, der die Wohnungs- und
Städtebaupolitik betrifft, beim besten Willen nicht zu-
stimmen können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





Dr.-Ing. Dietmar Kansy

20355


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(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420522100
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Wolfgang Spanier.


Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1420522200
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Dr. Kansy, auch wenn
Sie noch zwanzigmal Ihre Standardrede wiederholen, sie
wird in keinem Punkt richtiger.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Heute haben Sie aber noch einen draufgesetzt. Dass Sie
nun behauptet haben, in einer der Podiumsdiskussionen,
an denen auch ich teilgenommen habe, sei gefordert wor-
den, die Eigenheimzulage ganz abzuschaffen, ist – mit
Verlaub, Frau Präsidentin – wirklich Quatsch.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Genau!)


Das ist nie gesagt worden, das wissen Sie auch. Eigentlich
haben Sie es gar nicht nötig, solche Dinge hier zu unter-
stellen, um als Opposition irgendwelche Pluspunkte zu
sammeln.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Danke, Herr Kollege Spanier!)


Ich möchte eine Anmerkung zu einem Hinweis von
Frau Ostrowski machen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Betonung lag auf „ganz“!)


Ich sage dies mit allem Ernst und Nachdruck: Ich halte es
für einen miesen politischen Stil, zu unterstellen, wir wür-
den, weil sich unsere Anträge auf die alten Länder bezie-
hen, der Masse unserer Wähler folgen.


(Beifall bei der SPD)

Welche Schlussfolgerungen soll ich denn dann daraus
ziehen, dass sich Ihre Anträge ausschließlich auf die
neuen Bundesländer beziehen? Ich finde, wir sollten uns
alle gemeinsam davor hüten, in solcher Weise Ost-West-
Antistimmung zu schüren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Christine Ostrowski [PDS]: Das machen doch Sie!)


Das mag zwar hier und da populistische Vorteile bringen,
aber ich glaube, dass das für uns alle schlicht und einfach
nicht angemessen ist. Ich halte das – das sage ich mit aller
Deutlichkeit – für einen miesen politischen Stil.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Iris Gleicke [SPD]: Dem ist nichts mehr hinzuzufügen!)


Dass wir die Städtebau- und Wohnungspolitik der letz-
ten Jahre völlig anders einschätzen als die Opposition, ist
selbstverständlich. Die wichtigsten innovativen neuen
Ansätze sind: das Stadtumbauprogramm Ost inklusive der
Härtefallregelung in § 6 a, die Städtebauförderung – end-
lich für die alten Länder wieder auf ein halbwegs an-
gemessenes Niveau gebracht –, das Programm Soziale
Stadt, die Reform der sozialen Wohnraumförderung und
die zusätzlichen Anstrengungen bei der Modernisierung
des Wohnungsbestandes.

Ich habe in den dreieinhalb Jahren keine wirkliche in-
haltliche Alternative aus den Reihen der Opposition
gehört.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So sind sie!)


Es gab einige wenige Ausnahmen, so etwa beim Mietrecht
seitens der FDP, die ihre alten Vorstellungen wieder aus
der Schublade gekramt hat.

Ihre Kritik beschränkt sich im Wesentlichen und auch
heute wieder darauf, dass Sie an der Höhe der Ansätze
herummäkeln. Das ist schlicht und einfach zu wenig.
Wenn Sie sich dann in persönliche Angriffe auf den
Minister versteigen – Herr Dr. Kansy, ich muss Ihnen das
einfach sagen, denn wir haben sonst fachlich einen guten
Umgang miteinander –,


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Den Minister anzusprechen ist kein Sakrileg in einer Demokratie!)


ist das ein Zeichen von fachlicher, inhaltlicher Armut;
nichts anderes.


(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich zusammenfassen, welche Verände-

rungen wir am Haushalt vornehmen: Zunächst einmal
werden die Mittel für das Programm Soziale Stadt wieder
auf die Höhe von 2001, also auf 150 Millionen, gebracht.
Das ist auch gut so. Die Mittel für die Städtebauförderung
werden in einem ersten Schritt auf die Höhe von 2001 ge-
bracht und noch zusätzlich um 100 Millionen – also zu-
sammen um 200 Millionen – aufgestockt. Ich drücke mich
jetzt noch in D-Mark aus.

Die Mittel für Forschung und Weiterentwicklung des
Wohnungs- und Städtebaus – eine wichtige Maßnahme –
werden um 30 Millionen aufgestockt. Ich werde darauf
gleich noch etwas genauer eingehen. Die Mittel für die so-
ziale Wohnraumförderung werden um 140 Millionen auf-
gestockt. Insgesamt – jetzt in Euro, denn wir alle müssen
uns langsam daran gewöhnen – ist das eine Anhebung –
da rechne ich die Rücknahme der ursprünglich vorgese-
henen Kürzungen bei dem Programm Soziale Stadt und
der Städtebauförderung West nicht mit – gegenüber 2001
um sage und schreibe 135 Millionen Euro.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich denke, dass sich das angesichts unserer finanziellen
Rahmenbedingungen sehen lassen kann. Das sind zum ei-
nen die notwendige Haushaltskonsolidierung und zum
anderen natürlich die Mehrbelastungen durch unseren
Beitrag zum internationalen Kampf gegen den Terroris-
mus.

Ich glaube, hinsichtlich der Zielrichtung gibt es in den
Anträgen fast keine nennenswerten Unterschiede, ledig-
lich in den Beträgen: Die PDS hat zusätzliche 442 Milli-
onen beantragt, die CDU/CSU – etwas bescheidener – zu-
sätzliche 862 Millionen. Morgen soll aber noch etwas
kommen. Die FDP ist, was Zahlen angeht – dabei denke
ich an die 18 Prozent –, etwas im Größenrausch. Sie hat






(C)



(D)



(A)



(B)


zusätzliche 1 600 Millionen nur für Städtebau- und Woh-
nungspolitik beantragt.


(Franziska Eichstädt-Bohlig GRÜNEN)

erhöhen!)

Dabei stellt sie noch immer gebetsmühlenartig die For-
derung nach umfassenden Steuersenkungen. Das wird auf
immer Ihr Geheimnis bleiben. Herr Westerwelle mag sich
noch so sehr an unseren Kanzler anschmiegen: Wenn
Sie nicht ein ganzes Stück seriöser werden, dann sind
Sie nicht regierungsfähig. Das will ich Ihnen deutlich
sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wann haben Sie denn am Mittwoch gesehen, dass er sich angeschmiegt hat?)


Zur Opposition. Wir machen eine gute Politik; das ist
klar. Aber Sie machen keine schlechte Opposition, indem
Sie uns stützen und stärken. Deswegen werden Sie diese
für uns dankenswerte Rolle auch in den kommenden vier
Jahren in diesem Haus weiterhin ausüben können. Da bin
ich sicher. Dafür noch einmal herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Innovation und Neuorientierung – das sind die Stich-
worte, unter denen unsere Städtebau- und Wohnungspoli-
tik steht. Das Stadtumbauprogramm Ost ist heute schon
mehrfach angesprochen worden. Ich will es noch einmal
auch in Richtung PDS sagen: Für die Jahre 2002 bis
2009 – das müssen Sie dem Bürgermeister mitteilen;
wenn Sie mir den Namen nennen, will ich mit dem Mann
gerne telefonieren – werden vom Bund 2 Milliarden, von
den Ländern 2 Milliarden und 1 Milliarde von den Kom-
munen bereitgestellt. Das macht summa summarum
5 Milliarden. Das ist eine gewaltige Kraftanstrengung:
2 Milliarden für den Rückbau, 3 Milliarden für die Auf-
wertung.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie erwecken den Eindruck, als ob der Bund das zahlen würde!)


Reden Sie diese Anstrengungen doch nicht herunter!
Die Gemeinden sind schon längst am Werk. Gestern Abend
habe ich in einer Gesprächsrunde erfahren, welche konkre-
ten Projekte für den Ostteil dieser Stadt bereits vorbereitet
sind. Es geht im nächsten Jahr los. Warum reden Sie das
herunter? Warum unterstützen Sie die Umsetzung nicht? Es
kommt darauf an, dass endlich etwas passiert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Mit 15 Millionen! Vergessen Sie Ihre Milliarden!)


Ganz wichtig in diesem Zusammenhang: Wir werden
mit dem Umbauprogramm Ost auch Erfahrungen für die
alten Länder sammeln. Deswegen haben wir das verzahnt.
Das ist im Zusammenhang mit den 30Millionen mehr für
Forschung und zur Weiterentwicklung des Wohnungs-
und Städtebaus zu sehen. Dabei geht es um die Unterstüt-

zung von Pilotprojekten zum Stadtumbau auch in den al-
ten Ländern.


(Iris Gleicke [SPD]: So ist es! Das ist notwendig!)


Das halten wir für richtig und zukunftsorientiert. Deswe-
gen haben wir dieses Geld zusätzlich bereitgestellt.


(Beifall bei der SPD)

Ich darf an das Programm Soziale Stadt erinnern. Ich

bin froh, dass wir auch im nächsten Jahr die Höhe von
2001 mit 150 Millionen halten können. Seit 1999 – das ist
kein langer Zeitraum – wurden 249 Maßnahmen in
184 Gemeinden durchgeführt. Das ist doch ein Erfolg.
Das geht quer durch die gesamte Republik.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was ist das? Ein Erfolg?)


– Erkundigen Sie sich einmal in Ihren Ländern. Fragen
Sie einmal bei Ihren Bürgermeistern nach, wie erfolgreich
das läuft. Ich weiß gar nicht, ob Sie überhaupt wissen, wo-
von ich gerade rede.


(Iris Gleicke [SPD]: Das befürchte ich!)

Die Weiterführung ist gesichert. Die Chance für Neu-

aufnahmen ist gewährleistet. Ich habe in den letzten Wo-
chen und Monaten so manche Presseerklärung gelesen.
Das ist alles kalter Kaffee. Wir werden in bewährter Weise
so weitermachen wie bisher.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Basta!)

– Das gehört nicht zu meinem Repertoire.

Soziale Wohnraumförderung: Ich will dazu noch
einmal die Zahlen nennen. 2001 hat der Bund lediglich
– das gebe ich gerne zu – 450Millionen bereitgestellt. Die
Länder haben 5 Milliarden hinzugefügt. Durch die Woh-
nungsprogrammen der Länder sind zusammengenommen
fast 100 000 Wohnungen gefördert worden. Das ist doch
etwas. Das kann sich doch sehen lassen.


(Beifall bei der SPD)

Wenn es uns jetzt gelingt, die Mittel aufzustocken,

dann können wir darüber nur froh sein. Ich hoffe und wün-
sche, dass die Länder nicht von der Möglichkeit der Über-
gangsfrist Gebrauch machen. Einige werden wohl
tatsächlich erst 2003 einsteigen. Achten wir alle gemein-
sam darauf, dass die Umsetzung des Gesetzes in den Län-
dern wirklich zügig erfolgt. Wir sind auf die Mitwirkung
der Länder angewiesen.

Bei der Gelegenheit möchte ich eine kleine Bemerkung
machen. Es sind immer die Einkommensgrenzen kritisiert
worden. Es wurde stets das Beispiel einer allein lebenden
Person, ledig, mit einem Einkommen von 28 000 DM ge-
nannt. Dann höre ich oft: Das sind die Bedürftigen. Jetzt
haben Sie Ihre Kritik an uns auf die Zielgruppe der Be-
dürftigen reduziert. Unterhalten Sie sich einmal mit Stu-
denten, Volontären und Referendaren. Das alles sind
Menschen, die nach wie vor Anrecht auf einen Wohnbe-
rechtigungsschein haben. Diese sollte man aber nicht in
die Kategorie „Bedürftige“ einordnen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: In welche Richtung reden Sie jetzt eigentlich? – Wolfgang Spanier 20357 Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wen meinen Sie jetzt?)





(C)


(D)


(A)


(B)


So, wie es jetzt gestaltet ist, ist es ein deutlicher Fort-
schritt. Inhaltlich, verehrter Herr Dr. Kansy, stimmen wir
bei der sozialen Wohnraumförderung völlig überein.

Städtebauförderung West: Ich darf daran erinnern,
dass sie seit 1994 nur 80 Millionen DM betrug. Wir haben
diesen Betrag auf 180 Millionen DM aufgestockt und
stocken ihn jetzt noch einmal auf. Ich denke, die große
Nachfrage der Städte und Gemeinden in West und Ost ist
für uns der Beleg dafür, dass diese Aufstockung berech-
tigt ist. Wir tragen zur Stärkung der Attraktivität unserer
Städte bei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich zum Schluss auf die Modernisierung
des Bestandes eingehen. Im Rahmen des 1996 aufgeleg-
ten CO2-Minderungsprogramms, das Sie mitzuverant-worten haben, wurden 360 000 Wohneinheiten mit Inves-
titionsmitteln in Höhe von 24 Milliarden gefördert. Im
Rahmen des 2001 aufgelegten CO2-Gebäudesanie-rungsprogramms, das ein Fördervolumen von 1,163 Milli-
arden DM hat, wurden 27 000 Wohnungen gefördert. Bis
Oktober gab es 10 000 neue Anträge. In 8 000 Fällen
konnte bereits eine Zusage erteilt werden.

Wenn Frau Ostrowski die Zahl der geförderten Woh-
nungen in das Verhältnis zur Gesamtzahl der Wohnungen
in Deutschland setzt, dann muss ich sagen, dass das – ich
will ja nicht frauenfeindlich sein – eine Milchbubenrech-
nung ist; denn man muss das in das Verhältnis zu den
Wohnungsbeständen der 50er- und 60er-Jahre setzen.
Schließlich kommen nur die für eine Modernisierung in-
frage. Wenn Sie zu den 50 000 Wohnungen, die im sozia-
len Wohnungsbau modernsiert worden sind, die Zahl der
im Rahmen des CO2-Minderungsprogramms, des CO2-Gebäudesanierungsprogramms und des Wohnraummo-
dernisierungsprogramms Ost geförderten Wohnungen
hinzuzählen, dann werden Sie feststellen, dass die jährli-
che Zahl der zum alten Wohnungsbestand gehörenden
Wohnungen, für deren Modernisierung wir gesorgt haben,
beachtenswert ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420522300
Apropos Zahlen: Die
Uhrzeit zeigt, dass Sie Ihre Redezeit schon überschritten
haben.


Wolfgang Spanier (SPD):
Rede ID: ID1420522400
Frau Präsidentin, ich habe
schon auf den Hinweis, den Sie mir vor mehreren Sekun-
den gegeben haben, entsprechend reagiert.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420522500
Jetzt spricht der Kol-
lege Hans-Michael Goldmann für die FDP-Fraktion.


Hans-Michael Goldmann (FDP):
Rede ID: ID1420522600
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin
von dem, was Herr Bodewig gesagt hat, enttäuscht;


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das tut uns aber Leid!)


denn wir versuchen sonst immer, gewisse Gemeinsam-
keiten herauszuarbeiten. Ich habe aber festgestellt, dass
der vorliegende Haushalt mit einem Volumen von 26 Mil-
liarden Euro gerade einmal eine Steigerung von 27 Milli-
onen Euro aufweist. Das ist ein Promille. Deswegen kann
ich überhaupt nicht verstehen, wie Sie, Herr Bodewig, der
Meinung sein können, dass dieser nach Ihrer Aussage un-
geheuer investive Haushalt auch nur andeutungsweise
– ich betone: andeutungsweise – Antworten auf das geben
soll, was uns bedrängt.


(Beifall bei der FDP)

Ich bin bitter enttäuscht – ich habe gelesen, dass Sie aus
dem Gewerksachaftsbereich kommen –, dass Sie nicht ein
einziges Wort zu den dramatischen Problemen am Arbeits-
markt – Herr Weis, hören Sie gut zu – und zu den dramati-
schen Problemen von Hunderttausenden von Menschen,
die sich um ihre Zukunft Sorgen machen, gesagt haben.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Frau Eichstädt-Bohlig, Sie sind auch nicht besonders

effektiv. Frau Ostrowski hat Ihnen das – das muss ich in
diesem Fall wirklich sagen – bewundernswert deutlich
gemacht. Sie sind plakativ, aber nicht effektiv und kon-
struktiv.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn Sie erklären, alleine ein Wettbewerb helfe den Städ-
ten in den neuen Ländern, den Anschluss an den Markt,
den Wettbewerb und den Wohnungsbau zu gewinnen,
kann ich Sie nur fragen: Sind Sie niemals in Ostdeutsch-
land gewesen?


(Beifall bei der PDS)

Glauben Sie wirklich, dass die Probleme über den Wett-
bewerb gelöst werden können? Frau Eichstädt-Bohlig,
das, was Sie dazu gesagt haben, war trostlos.

Ich möchte Ihnen auch sagen, warum ich das, was sie
vorhin gesagt haben, als Sie Ihre Miniinvestitionen gelobt
haben, für so ungeheuer gefährlich halte. Sie haben doch
vorher die Investitionen aus dem Markt gepustet. Sie ha-
ben doch ein Gesetz nach dem anderen unter dem Neid-
aspekt auf den Weg gebracht. Bloß keine privaten Inves-
titionen mehr in diesem Bereich!


(Beifall bei der FDP)

Soll ich Ihnen einmal alles auflisten, wofür Sie verant-

wortlich sind? Ich tue es: der Fallenstellerparagraph; die
eingeschränkte Verlustverrechnung; die Spekulationsfrist
rückwirkend verändert; den Vorkostenabzug gestrichen;
die Riester-Rente, die kein Mensch versteht, auf den Weg
gebracht; das Mietrecht einseitig verändert; die Bauab-
zugsteuer. Sie haben einen fiskalischen und bürokrati-
schen Moloch auf den Weg gebracht. Sie haben alles
unternommen, damit kein Mensch auch nur andeutungs-
weise bereit ist, in den Markt der Wohnungs- und der Bau-
wirtschaft zu investieren.




Wolfgang Spanier
20358


(C)



(D)



(A)



(B)


Nun haben wir das Ergebnis: Es gab noch nie so
schlechte Fertigstellungszahlen. Das gilt für alle Berei-
che, egal ob es sich um den Bereich der Mehrfamilien-
häuser oder um den gewerblichen Bereich handelt. Der
Markt ist in einem katastrophalen Zustand. Aber Sie, Herr
Bodewig, lächeln nur freundlich und erklären: Was bin
ich doch für ein toller Ker, ich habe meinen Haushalt um
ein Promille erhöht!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich will Ihnen noch etwas sagen – was ich den Gipfel

der Unverschämtheit finde – zu dem, was Ihr Minister-
kollege Herr Eichel in seiner Haushaltsrede gesagt hat.
Ich habe das gar nicht geglaubt, als ich das hörte. Ich
dachte, du musst dich verhören. Aber ich habe ihn vor
zwei Tagen beim Verband der privaten Bausparkassen
noch einmal erlebt und da hat er es wieder gesagt, näm-
lich dass nicht die Bundesregierung an dem Desaster auf
dem Baumarkt Schuld hat, sondern dass die Bauwirt-
schaft das selbst verursacht habe. Sie ist im Grunde
schuld an den schlechten Wachstumszahlen. Sie ist schuld
daran, dass wir in die wirtschaftliche Rezession abgleiten,
weil die Bauwirtschaft nicht mehr in dem Maße zum
volkswirtschaftlichen Wohlergehen beiträgt, wie man das
von ihr zu erwarten hätte.

Nein, Herr Kollege Bodewig, wer den Haushalt nur so
minimal anhebt, wer die Weichen so am Markt vorbei
stellt, wer die privaten Investoren aus dem Markt heraus-
pustet, der muss sich wirklich nicht darüber wundern,
dass er als Bauminister im Grunde genommen überhaupt
nicht wahrgenommen wird. Da helfen auch irgendwelche
blumigen Beiträge hier nichts.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Herr Spanier, ich mag Sie gerne leiden, aber es ist wirk-

lich nicht in Ordnung, dass Sie hier behaupten, die FDP
habe nicht zu allen Punkten Änderungsanträge gestellt.
Wir haben ein Gesetz zum Altschuldenhilfe-Gesetz ein-
gebracht. Das war besser als das, was Sie auf den Weg ge-
bracht haben.


(Dr. Karlheinz Guttmacher [FDP]: Wohl wahr!)


Wir wollten schon vor zwei Jahren 1 Milliarde DM für
den Stadtumbau Ost. Das haben Sie abgelehnt. Wir haben
ein eigenes Mietrechtsgesetz eingebracht. Wir haben ei-
gene Vorstellungen zum sozialen Wohnungsbau einge-
bracht. Wir haben zu der Eigenheimzulage, die Sie – wie
war Ihre Formulierung? – nicht ganz streichen wollen,
aber doch wohl ziemlich streichen wollen, eigene Vorstel-
lungen eingebracht, die viel besser und viel wirksamer
wären. Da erklären Sie hier, wir hätten nichts zum Gelin-
gen einer vernünftigen Situation in der Bauwirtschaft bei-
getragen! Herr Kollege Spanier, das war nicht in Ordnung.

Eine letzte Bemerkung zu Ihrem Konzept der Sozialen
Stadt: Haben Sie noch nicht gemerkt, dass es viel zu eng
angelegt ist? Es ist viel zu eng angelegt, um den Heraus-
forderungen in unseren Städten gerecht zu werden. Sie
müssen nicht die Soziale Stadt machen, sondern Sie müs-
sen eine Bürgerstadt machen. Sie müssen alle gewinnen,
die bereit sind, in Eigentum zu investieren. Dafür müssen
Sie keine Milieupflege betreiben, sondern Sie müssen

eine ganzheitliche Pflege vorantreiben. Dazu werden wir
demnächst Anträge stellen.

Ich kann Ihnen jetzt nur empfehlen: Lesen Sie sich
noch einmal durch, was wir an Anträgen in die Beratun-
gen einbringen. Das sind genau die richtigen Antworten,
auf die Herausforderungen eines vernünftigen Stadtum-
baukonzepts. Dann seien Sie auch einmal so offen, wie
Sie es von uns hier einfordern. Dann stimmen Sie einmal
Anträgen der FDP zu, mit denen zum Beispiel das Alt-
schuldenhilfe-Gesetz verbessert werden kann. Jawohl,
Herr Spanier, so ist es. Stimmen Sie der Städtbausanie-
rung auch in den alten Ländern zu. Auch dort gibt es näm-
lich an der einen oder anderen Stelle schon Probleme.
Stimmen Sie unserer Komplementärfinanzierung für die
neuen Länder zu.

Sie wissen ganz genau: Ihre Luftblase mit 8 oder
20 Milliarden DM, die Sie für die neuen Länder aufbla-
sen, ist den neuen Ländern völlig schnuppe. Da sie keine
müde Mark in ihrer Kasse haben, können sie sich an
Ihrem Programm überhaupt nicht beteiligen. Das ist Be-
trug an den Menschen in den neuen Ländern. Das ist Be-
trug an der Situation in den Städten in den neuen Ländern.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich finde es für Sozialde-
mokraten beschämend, was Sie hier machen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Das läuft doch schon!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420522700
Der letzte Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Dr. Hermann Kues.


Dr. Hermann Kues (CDU):
Rede ID: ID1420522800
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass ich
als letzter Redner einer fast 14-stündigen Debatte den
Sack zubinden darf. Ich bedanke mich bei allen Kollegin-
nen und Kollegen, die noch da sind.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Je später der Abend, desto schöner die Gäste!)


Man fragt sich natürlich bei Haushaltsdebatten oh-
nehin, welche Bedeutung die Argumentation der Opposi-
tion hat. Sie können das mit einer gewissen Gelassenheit
angehen. Sie haben auch heute Abend eine knappe Mehr-
heit hier.

Herr Minister Bodewig, ich sage Ihnen, ab wann die
Argumentation der Opposition bedeutend wird. Sie wird
dann bedeutend, wenn sie von maßgeblichen Stellen in
der Öffentlichkeit übernommen wird. An diesem Punkt
sind wir angelangt.

Ich zitiere einmal eine Zeitung von heute; ich könnte
jede beliebige herausgreifen. Um den dort angesproche-
nen Sachverhalt geht es im Kern auch beim Bau- und Ver-
kehrshaushalt, weil dies der größte Investitionshaushalt
des Bundes ist.




Hans-Michael Goldmann

20359


(C)



(D)



(A)



(B)


Fast die Hälfte der investiven Mittel wird hier verausgabt;
das ist aber nichts Neues.

Beispielsweise schreibt die „Süddeutsche Zeitung“
von heute:

Die Regierung wird in den von ihr als zentral erach-
teten Feldern der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpoli-
tik ihre selbst gesteckten Ziele rundum verfehlen.
Kanzler Schröder hat die Latte mit 3,5 Millionen Ar-
beitslosen als Ziel vermeintlich niedrig aufgelegt,
um sicher darüber zu springen. Jetzt muss er sich ver-
renken und in Limbo-Manier vor aller Augen drun-
ter durchtanzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Was hat das mit dem Verkehrshaushalt zu tun?)


Damit ist beschrieben, worum es geht.
Wenn der Verkehrshaushalt im Zentrum der Investiti-

onen steht und die Investitionen heruntergefahren

(Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Der Verkehrshaushalt wird nicht heruntergefahren!)


und die Konsumausgaben angezogen werden, dann zeigt
dies eine strukturelle Schieflage. Das zeigt, was Sie selbst
mit Ihrem Verkehrs- und Bauhaushalt zu dieser Misere
beitragen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist zum Beispiel symptomatisch, dass ausgerechnet

in dieser Woche, da wir über den Verkehrshaushalt bera-
ten, im Bundesgesetzblatt die endgültige Beerdigung des
Transrapid auf der Strecke Hamburg-Berlin veröffent-
licht wird. Das ist ein Symbol. Ein zukunftsträchtiger In-
vestitionsbereich wird aus ideologischen Gründen
blockiert; die Minister dieser Regierung fahren nach
China, um sich dort erklären zu lassen, wie Zukunfts-
chancen kraftvoll genutzt werden können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Innovationen und technisches Know-how entstehen

dadurch, dass mittelständische Firmen bei dessen Anwen-
dung und Umsetzung tätig werden können. Nicht nur die-
ses Know-how, sondern auch Arbeitsplätze entstehen in
Verbindung mit dem Transrapid-Projekt in China. Gleich-
zeitig fordert der Bundeskanzler mehr Innovation in den
Vorstandsetagen der deutschen Wirtschaft. Dies passt
nicht zusammen, sondern strotzt vor Widersprüchen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Wenn ich mir die prosaischen Namen Ihrer verkehrs-

politischen Ersatzprogramme anschaue, so dominiert
zwar der Begriff „Zukunft“, in Wahrheit aber verdienen
sie das Attribut „nebulös und zukunftsverbauend“.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich weiß nicht, wie lange sich die Öffentlichkeit die aus-
schließlich auf Propaganda ausgerichtete Strategie des
Verkehrsministers gefallen lassen wird. Ich weiß nur, dass
mit einer Vielzahl von kaum nachvollziehbaren Program-
men, die immer wieder mit großem Bohei angekündigt
werden, der dringend notwendige zügige Ausbau von

Straße und Schiene zur Erhaltung unserer Mobilität mit
Sicherheit nicht erreicht wird.


(Zuruf von der CDU/CSU: So arbeitet halt Rot-Grün!)


Das absolute Paradebeispiel war die Veröffentlichung des
Konzeptes „Bauen jetzt – Investitionen beschleunigen“
am 7. November 2001. Dort wurde zum Beispiel an-
gekündigt, dass dreistellige Millionensummen bis zum
Ende des Jahres verbraten werden sollen, obwohl man
nicht einmal die dafür notwendige Planungskapazität hat.
In knapp vier Wochen wird Weihnachten sein. Dann wird
sich erweisen, Herr Minister, dass auch dies wieder ledig-
lich eine leere Ankündigung war.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie hatten in Ihrem Koalitionsvertrag und Ihrer Regie-

rungserklärung einen neuen Bundesverkehrswegeplan
noch für diese Legislaturperiode zugesagt. Wenn ich die
Presse von heute und die Veröffentlichungen Ihres Hauses
vergleiche, so ergeben sich allein heute zwei unterschied-
liche Zahlen. Aus der Antwort auf die Große Anfrage der
CDU/CSU, die gestern veröffentlicht wurde, geht hervor,
dass Sie davon ausgehen, dass der Entwurf voraussicht-
lich im Jahr 2003 vorgelegt werden wird. Die Staatsse-
kretärin im Verkehrsministerium war gestern im Emsland,
in meiner Heimatregion. Dort hat sie ausweislich der
Presse gesagt, der Bundesverkehrswegeplan werde 2004
vorgelegt werden.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Wenn Sie diese Zahlen miteinander vergleichen, dann

wird auch klar, was Sie wollen: Sie wollen den Menschen
keinen reinen Wein einschenken.


(Beifall beider CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist ja unglaublich! Welch ein Unterschied! – Iris Gleicke [SPD]: Das ist ja falsch!)


Sie wollen ihnen nicht sagen, dass sie auf ihre Ortsumge-
hungen verzichten müssen. Sie wollen ihnen nicht sagen,
dass sie auf Lärmschutzmaßnahmen und auf Lücken-
schlüsse verzichten müssen. Sie haben Vorgehen und
Zeitraster zu häufig geändert, als dass wir Ihnen das so
noch abnehmen könnten.

Wenn Sie sich den Haushalt im Einzelnen ansehen
– ich habe eben schon gesagt: Es ist derjenige Haushalt
des Bundes mit dem größten Volumen an Investitionsmit-
teln –, dann können Sie beim Einzelplan 12 feststellen,
dass die Steigerungsrate in erster Linie auf die Erhöhung
des Beitrages für das Bundeseisenbahnvermögen zurück-
zuführen ist. Mit 6,64 Milliarden Euro schluckt dieser
Titel ziemlich genau ein Viertel der Gesamtausgaben des
Einzelplans 12.

Über den Verkehrs- und Bauhaushalt brauchen wir
aber mehr als nur Impulse. Wir brauchen eine Infrastruk-
turoffensive, um der Bau- und Verkehrswirtschaft, einem
Standbein unserer Wirtschaft überhaupt, wieder mehr Le-
ben einzuhauchen. Dazu gehört der beschleunigte Ausbau
der Schienenwege, der Autobahnen und der Bundes-
straßen. An verschiedenen Gesetzen lässt sich festma-




Dr. Hermann Kues
20360


(C)



(D)



(A)



(B)


chen, dass Sie mit einer falschen Politik dazu beitragen,
dass die Konjunktur zusätzlich abgewürgt wird. Dass
Deutschland beim Wirtschaftswachstum inzwischen
Schlusslicht ist, spricht Bände und ist ein Armutszeugnis
für diese Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das haben wir lange nicht gehört in dieser Woche!)


– Das kann man nicht häufig genug wiederholen, Herr
Schmidt.

Die strukturelle Schieflage dieses Haushalts wird da-
durch deutlich, dass unter Ihrer Ägide zugunsten der kon-
sumtiven Ausgaben die Investitionen kontinuierlich sin-
ken. Nach der Finanzplanung wird der Anteil der
Investitionen im Jahr 2005 nur noch 10,5 Prozent betra-
gen. In diesem Jahr waren es noch 12 Prozent. Beim Ein-
zelplan 12 geht es in die gleiche Richtung, nämlich nach
unten. Nach einem Investitionsanteil von 56 Prozent im
Jahr 2001 werden es im Jahr 2002 nur noch 51 Prozent
sein. In der Finanzplanung für 2005 stehen 4,3 Milliarden
Euro weniger als noch im Haushalt 1998, als Sie die
Amtsgeschäfte übernahmen. Diese Negativbilanz bieten
Sie uns trotz der UMTS-Milliarden und der zu erwarten-
den Mehreinnahmen durch streckenbezogene Maut.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das mit 2005 können wir ja ändern! Damit kein Missverständnis aufkommt!)


Ich habe den Eindruck, dass Sie generell mehr Wert auf
Schein als auf Sein legen. Mediengerechte Namen für
zweifelhafte Projekte ersetzen keine handfeste Investiti-
onspolitik.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die Performance ist hervorragend!)


Ich denke da zum Beispiel an den Begriff Zukunftsinves-
titionsprogramm.


(Reinhard Weiß [Stendal] [SPD]: Die Mittel fließen für die Projekte ganz planmäßig ab! Das ist doch ein Erfolg!)


Wenn nicht für die Zukunft, wofür wird sonst eigentlich
investiert?

Ich komme noch einmal auf den Transrapid zurück.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das wird dadurch nicht besser! – Annette Faße [SPD]: Das hatten wir doch schon!)


Bei dem Titel „Zukunftssicherung der deutschen Magnet-
schwebebahntechnik“ gestalten Sie in diesem Haushalt
nicht deren Zukunft. Die Zukunft sitzt dieser innovativen
Technik ständig im Nacken. Frau Mertens hat im Emsland
stolz verkündet, die Transrapidversuchsanlage sei bis
Mitte 2002 – nicht länger – gesichert. Dieser Haushalt gilt
immerhin bis zum 31. Dezember 2002. Hier tut sich be-
reits eine Lücke auf.

In Nordrhein-Westfalen wird das anders dargestellt.
Der dortige Wirtschaftsminister Schwanhold, der ja lange
Zeit zu unseren Kollegen zählte, erweckt den Eindruck,

als sei der Metrorapid ökonomisch und ökologisch sinn-
voll und bedeute einen Quantensprung. Man kann nur
nicht erkennen, dass auf Bundesebene oder auf Landes-
ebene Haushaltsmittel eingestellt werden, um eine solche
Anwendungsstrecke in Deutschland überhaupt zu reali-
sieren. Stattdessen werden dreistellige Millionensummen
nach China gegeben, ohne dass bei uns auch nur ein ein-
ziger Kilometer in Angriff genommen wird. Das ist der
falsche Ansatz.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Aufbau Fernost!)


Wir haben Mittel für die Lärmsanierung an Schienen-
wegen gefordert. Sie haben die Mittel zugunsten des Rad-
wegebaus um 100 Millionen Euro gekürzt. Das ist ein-
deutig Klientelpolitik. Ich nehme an, dass die Radwege
dann mit grünem Belag versehen werden.

Ich fasse zusammen: Die Verkehrs- und Baupolitik ist
zu einer großen Schau verkommen. Propaganda statt kon-
kreter Investitionen. Zukunftsprojekte werden aus ideolo-
gischen Gründen blockiert. Sie werden verstehen, dass
wir den Einzelplan 12 deswegen aus tiefer Überzeugung
ablehnen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Welche Sensation! – Reinhard Weis [Stendal] [SPD]: Das hätte wesentlich kürzer sein können!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1420522900
Ich schließe die Aus-
sprache und kündige ein kleines Abstimmungsmarathon
an.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 12,
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswe-
sen, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen Änderungs-
anträge vor, über die wir zuerst abstimmen.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/7587 auf. Wer stimmt für
diesen Änderungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltun-
gen? – Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von
CDU/CSU- und FDP-Fraktion bei Enthaltung der PDS
abgelehnt.

Jetzt kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7591. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Än-
derungsantrag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU- und
FDP-Fraktion bei Enthaltung der PDS abgelehnt.

Ich rufe jetzt den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/7662 auf. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Än-
derungsantrag ist gegen die Stimmen der CDU/CSU und
der FDPbei einer Gegenstimme der PDS-Fraktion und bei
einer Enthaltung aus der PDS-Fraktion abgelehnt.


(Zurufe)

– Auch bei zwei Leuten kann man noch differenzieren.

Ich rufe jetzt den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/7664 auf. Wer stimmt für




Dr. Hermann Kues

20361


(C)



(D)



(A)



(B)


diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von
CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der PDS-Fraktion ab-
gelehnt.

Jetzt kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/7665. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Dieser
Änderungsantrag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU
und FDP abgelehnt.

Jetzt kommen wir zum Änderungsantrag der
CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 14/7667. Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –
Dieser Änderungsantrag ist nur gegen die Stimmen der
CDU/CSU-Fraktion abgelehnt.

Zur Abwechslung kommen jetzt Änderungsanträge ei-
ner anderen Fraktion. Ich rufe den Änderungsantrag der
FDP-Fraktion auf Drucksache 14/7676 auf. Wer stimmt
für diesen Antrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? Die-
ser Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der FDP-
Fraktion bei Enthaltung von CDU/CSU und PDS ab-
gelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 14/7680? – Gegenprobe! – Enthal-
tungen? – Dieser Änderungsantrag ist gegen die Stimmen
von CDU/CSU und FDPbei Enthaltung der PDS-Fraktion
abgelehnt.

Jetzt rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 14/7682 auf. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP bei
Enthaltung der PDS-Fraktion abgelehnt.

Jetzt kommen noch die Änderungsanträge der PDS-
Fraktion. Ich rufe den Änderungsantrag auf Drucksa-
che 14/7641 auf. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist gegen
die Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.

Jetzt kommen wir zum Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/7666. Wer stimmt für diesen
Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Auch dieser Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der
PDS-Fraktion abgelehnt.

Jetzt rufe ich den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/7668 auf. Wer stimmt für diesen
Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Auch dieser Änderungsantrag ist gegen die Stimmen der
PDS-Fraktion abgelehnt.

Schließlich und endlich rufe ich den Änderungsantrag
der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/7675 auf. Wer
stimmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Auch dieser Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS-Fraktion abgelehnt.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Einzel-
plan 12 in der Ausschussfassung. Wer stimmt für den Ein-
zelplan? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der

Einzelplan 12 ist gegen die Stimmen von CDU/CSU, FDP
und PDS angenommen.

Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, rufe ich Punkt
I. 30 auf:

Haushaltsgesetz 2002
– Drucksachen 14/7322, 14/7323 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Michael von Schmude
Hans Georg Wagner
Dr. Elke Leonhard
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Dr. Christa Luft

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen
deshalb gleich zur Abstimmung, und zwar zunächst über
zwei Änderungsanträge.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
FDP auf Drucksache 14/7683? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Dieser Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen von CDU/CSU und FDP bei Enthaltung der
PDS-Fraktion abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der PDS auf
Drucksache 14/7643? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-
tungen? – Der Änderungsantrag ist gegen die Stimmen
der PDS-Fraktion abgelehnt.

Nun bitte ich diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ge-
setzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die Be-
schlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Un-
terrichtung durch die Bundesregierung „Finanzplan des
Bundes 2001 bis 2005“, Drucksachen 14/6801, 14/7324
und 14/7538. Der Ausschuss empfiehlt Kenntnisnahme.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be-
schlussempfehlung ist bei Enthaltung von CDU/CSU,
PDS und FDP angenommen.

Ich möchte mich insbesondere bei den beiden Jubila-
rinnen des heutigen Tages, denen ich auf diese Weise recht
herzlich zum Geburtstag gratulieren möchte, dafür be-
danken, dass sie ihren Geburtstagsabend mit uns bei die-
ser Diskussion verbracht haben.


(Beifall)

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-

nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-

tages auf morgen, Freitag, den 30. November 2001, 9 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.