Rede von
Dr.
Ilja
Seifert
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(PDS)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE LINKE.)
Herr Präsident! Meine liebe
Kolleginnen und Kollegen! Erlauben Sie mir noch einige
Bemerkungen zur Pflegeversicherung. Es gäbe dazu ei-
gentlich sehr viel zu sagen.
Frau Ministerin, anhand zweier Punkte möchte ich be-
legen, dass man einiges, was Sie in diesem Bereich ma-
chen, nicht akzeptieren kann.
Sie nehmen sich vor, über die Pflegeversicherung Mo-
dellprojekte für ein persönliches Budget und für neue
Wohnformen von Pflegebedürftigen zu bezahlen. Selbst
wenn das funktionieren würde, könnten Sie diese Mo-
dellprojekte keinesfalls in die Praxis überführen; denn
bundesweit flächendeckend kann man aus der Pflegever-
sicherung weder persönliche Budgets, die den Zweck
einigermaßen erfüllen, noch Wohnformen finanzieren;
das muss steuerfinanziert sein.
Gleichzeitig – das ist das eigentlich Schlimme – sen-
ken Sie die Haushaltsmittel für diesen Zweck um den
Betrag, den Sie in der Pflegeversicherung für Modellpro-
jekte zur Verfügung stellen. Das ist ein Verschiebebahn-
hof im klassischen Sinne. Das kann man nicht akzep-
tieren.
– Lesen Sie das doch einmal nach!
– Eben!
Dann lassen Sie uns einmal über die Greencard-Vari-
ante reden. Auch das ist so ein tolles Ding. Wenn wir Pfle-
geassistenz, Hilfe, Begleitung – und was da sonst noch al-
les genannt werden kann – wirklich ernst nehmen und ein
bisschen verbessern wollen, dann müssen wir wissen,
dass die Menschen, die diese Pflegeassistenz, diese Hilfe,
diese Begleitung benötigen, unter anderem Ansprache
und das Reden miteinander brauchen.
Ich möchte einmal wissen, wie ein pflegebedürftiger
Mensch mit einem Thai-Mädchen reden soll. Ich habe
nichts gegen Thai-Mädchen, aber in diesem Bereich geht
es um etwas anderes. Es geht darum, dass man miteinan-
der reden kann, und dazu gehören unter anderem Sprach-
kenntnisse, und zwar auch Kenntnisse der Dialekte, die
die Menschen sprechen. Jemand, der in einem baye-
rischen Dorf pflegebedürftig ist, spricht bayerisch. Das ist
nicht das Deutsch, das ein aus dem Ausland eingereister
Mensch vielleicht ein bisschen lernt.
Ich weiß genau, dass diese Greencard-Variante auch in
den Kreisen derjenigen, die den Pflegenotstand immer
wieder und mit Recht anprangern, zwar begrüßt wird,
aber nur als eine Notvariante gesehen wird. Das heißt
doch, dass die Not so groß ist, dass man anders überhaupt
nicht weiterkommen kann. Ihre Aufgabe und unsere Auf-
gabe wäre es aber, den Menschen, die diese Arbeit leisten
möchten – sonst würden sie den Beruf ja nicht erlernen –,
eine Chance zu geben, diesen Beruf so auszuüben, wie sie
ihn ausüben wollen, eben nicht nach dem Motto: satt, sau-
ber, trocken und ansonsten Bude zu und viel Papier be-
schrieben.
Darum geht es eben nicht. Es geht darum, sich den Men-
schen zuwenden zu können. Dazu gehört auch, dass man
miteinander reden kann, dass man Zeit füreinander hat,
dass man da ist, statt Papier zu beschreiben.
Ich hätte dazu noch sehr viel zu sagen, aber leider ist
meine Redezeit zu Ende.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und bitte Sie,
das zu bedenken.