Protokoll:
18068

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 68

  • date_rangeDatum: 25. November 2014

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 10:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 17:25 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/68 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 68. Sitzung Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 I n h a l t : Tagesordnungspunkt I: a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- zes über die Feststellung des Bundes- haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 (Haushaltsgesetz 2015) (Drucksachen 18/2000, 18/2002) . . . . . . . 6411 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Finanz- plan des Bundes 2014 bis 2018 (Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826) 6411 B I.1 Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsi- dialamt (Drucksachen 18/2823, 18/2324) . . . . . . 6411 B I.2 Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 18/2802, 18/2823) . . . . . . 6411 C I.3 Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 18/2823, 18/2824) . . . . . . 6411 D I.4 a) Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen (Drucksachen 18/2808, 18/2823) . . . 6411 D b) Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksachen 18/2818, 18/2823) . . . 6411 D Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 6412 A Norbert Barthle (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 6413 D Sven-Christian Kindler (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6416 C Johannes Kahrs (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6418 C Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister BMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6420 B Dr. Axel Troost (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 6423 A Carsten Schneider (Erfurt) (SPD) . . . . . . . . . 6424 A Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6425 D Norbert Brackmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6426 D Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD) . . . . . . . . . . . . 6428 B Bartholomäus Kalb (CDU/CSU) . . . . . . . . . . 6429 C Cansel Kiziltepe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6430 D I.5 Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 18/2814, 18/2823) . . . . . . 6432 A Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 6432 B Helmut Heiderich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6433 C Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6435 A Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6436 B Hermann Gröhe, Bundesminister BMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6438 B Kathrin Vogler (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6440 D Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 6441 C Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6443 A Hubert Hüppe (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6444 B Inhaltsverzeichnis II Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 68. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6445 D Birgit Wöllert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . 6446 C Hilde Mattheis (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6447 B Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6448 A Reiner Meier (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 6449 A I.6 a) Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (Drucksachen 18/2807, 18/2823) . . . 6450 D b) Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksachen 18/2817, 18/2823) . . . 6450 D Roland Claus (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . 6451 A Heiko Maas, Bundesminister BMJV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6452 A Renate Künast (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6453 D Klaus-Dieter Gröhler (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6455 C Dennis Rohde (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6457 C Caren Lay (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . . 6459 B Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU/CSU) . . . . . . 6460 C Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6462 D Elvira Drobinski-Weiß (SPD) . . . . . . . . . . . . . 6464 A Mechthild Heil (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . 6465 A Metin Hakverdi (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6466 C Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 6467 D Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6469 B I.7 Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 18/2806, 18/2823) . . . . . . 6470 A Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE) . . . . . . . . 6470 B Dr. Reinhard Brandl (CDU/CSU) . . . . . . . . . 6472 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6474 A Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6475 B Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister BMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6476 D Dr. André Hahn (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 6479 C Rüdiger Veit (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6481 A Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6482 C Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) . . . . 6483 D Dr. Eva Högl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6486 A Dr. André Berghegger (CDU/CSU) . . . . . . . . 6487 C Susanne Mittag (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6489 C Michaela Engelmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . . 6490 D Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6491 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten. . . . . . 6493 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Nina Warken (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsförde- rungsgesetzes (25. BAföGÄndG) (Drucksa- che 18/3181) (66. Sitzung, Tagesordnungs- punkt 13 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6493 C Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 68. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 6411 (A) (C) (D)(B) 68. Sitzung Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 Beginn: 10.01 Uhr
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    Deutscher Bundestag – 18. Wahlperiode – 68. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2014 6493 (A) (C) (B) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten (D) Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Alpers, Agnes DIE LINKE 25.11.2014 Bellmann, Veronika CDU/CSU 25.11.2014 Bluhm, Heidrun DIE LINKE 25.11.2014 Dr. Braun, Helge CDU/CSU 25.11.2014 Dağdelen, Sevim DIE LINKE 25.11.2014 Dörner, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.11.2014 Feiler, Uwe CDU/CSU 25.11.2014 Fischer (Karlsruhe- Land), Axel E. CDU/CSU 25.11.2014 Frieser, Michael CDU/CSU 25.11.2014 Dr. Gysi, Gregor DIE LINKE 25.11.2014 Heller, Uda CDU/CSU 25.11.2014 Hellmich, Wolfgang SPD 25.11.2014 Kermer, Marina SPD 25.11.2014 Kotting-Uhl, Sylvia BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.11.2014 Nietan, Dietmar SPD 25.11.2014 Nissen, Ulli SPD 25.11.2014 Schön (St. Wendel), Nadine CDU/CSU 25.11.2014 Tempel, Frank DIE LINKE 25.11.2014 Walter-Rosenheimer, Beate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 25.11.2014 Wunderlich, Jörn DIE LINKE 25.11.2014 Zech, Tobias CDU/CSU 25.11.2014 Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Nina Warken (CDU/CSU) zur namentlichen Abstimmung über den Ände- rungsantrag der Abgeordneten Nicole Gohlke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zu dem von der Bundesregierung einge- brachten Entwurf eines Fünfundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungs- förderungsgesetzes (25. BAföGÄndG), Druck- sache 18/3181 (66. Sitzung, Tagesordnungs- punkt 13 a) In der Ergebnisliste ist mein Name nicht aufgeführt. Mein Votum lautet: Nein. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Anlagen Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 68. Sitzung Inhaltsverzeichnis EPL 01 Bundespräsident EPL 02 Bundestag EPL 03 Bundesrat EPL 08, EPL 20 Finanzen, Bundesrechnungshof EPL 15 Gesundheit EPL 07, EPL 19 Justiz und Verbraucherschutz, Bundesverfassungsgericht EPL 06 Innen Anlagen
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806800000

Nehmen Sie bitte Platz. Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie herzlich zu unserer Haushaltswoche und
hoffe, dass wir sie mit der geübten Verbindung von
Ernsthaftigkeit und Gelassenheit bis Freitagmittag hinter
uns bringen. Es gibt keine amtlichen Mitteilungen, so-
dass wir gleich in unsere Tagesordnung eintreten kön-
nen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte I mit den Buchsta-
ben a und b auf:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für

(Haushaltsgesetz 2015)


Drucksachen 18/2000, 18/2002

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2014 bis 2018

Drucksachen 18/2001, 18/2002, 18/2826

Wir kommen nun zur Beratung der Einzelpläne, und
zwar zunächst der drei Einzelpläne, zu denen keine Aus-
sprache vorgesehen ist.

Ich rufe zunächst den Tagesordnungspunkt I.1 auf:

Einzelplan 01
Bundespräsident und Bundespräsidialamt

Drucksachen 18/2823, 18/2824

Berichterstatter sind die Abgeordneten Kerstin
Radomski, Steffen-Claudio Lemme, Dietmar Bartsch
und Ekin Deligöz.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 01 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dem zu? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die-
ser Einzelplan einstimmig angenommen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.2 auf:

Einzelplan 02
Deutscher Bundestag

Drucksachen 18/2802, 18/2823

Berichterstatter sind die Kolleginnen und Kollegen
Johannes Kahrs, Bernhard Schulte-Drüggelte, Roland
Claus und Anja Hajduk.

Wir kommen zur Abstimmung über diesen Einzelplan
in der Ausschussfassung. Wer stimmt der Beschlussemp-
fehlung zu? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Auch dieser Einzelplan ist damit einstimmig angenom-
men.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.3 auf:

Einzelplan 03
Bundesrat

Drucksachen 18/2823, 18/2824

Berichterstatter sind die Abgeordneten Ulrich Freese,
Kerstin Radomski, Dietmar Bartsch und Tobias Lindner.

Ich lasse über diesen Einzelplan in der Ausschussfas-
sung abstimmen. Wer stimmt dafür? – Möchte jemand
dagegen stimmen? – Oder sich der Stimme enthalten? –
Das ist nicht der Fall. Dann ist auch der Einzelplan 03
einstimmig angenommen.

Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten I.4 a
und I.4 b:

a) Einzelplan 08
Bundesministerium der Finanzen

Drucksachen 18/2808, 18/2823

b) Einzelplan 20
Bundesrechnungshof

Drucksachen 18/2818, 18/2823

Berichterstatter für den Einzelplan 08 sind die Abge-
ordneten Norbert Brackmann, Hans-Ulrich Krüger,
Gesine Lötzsch und Tobias Lindner. Berichterstatter für
den Einzelplan 20 sind die Abgeordneten Michael





Präsident Dr. Norbert Lammert


(A) (C)



(D)(B)

Leutert, Carsten Körber, Bettina Hagedorn und Tobias
Lindner.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Dazu sehe ich
keinen Widerspruch. Dann können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Dietmar Bartsch.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806800100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ich der

erste Redner in der Haushaltswoche bin, will ich die Ge-
legenheit nutzen, um mich bei den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Haushaltsausschusses sowie bei den
vielen fleißigen Mitarbeitern in den Ministerien, insbe-
sondere bei jenen, die für Haushaltsfragen zuständig
sind, zu bedanken. Das war eine wertvolle Unterstützung
für die Regierung und auch für die Opposition. Herzli-
chen Dank! Es war wieder toll mit Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, wir hatten sehr interes-
sante Haushaltsberatungen. Da wurde ein erster Haus-
haltsentwurf vorgelegt, der im Ergebnis genau eine
schwarze Null vorsah. Dann hatten wir intensive Bera-
tungen. Es gab gewaltige Veränderungen. Es gab auch
gewaltige Veränderungen bei den Rahmenbedingungen;
zum Beispiel ist die Prognose zum Wachstum des
Bruttoinlandsprodukts im nächsten Jahr von Herrn
Gabriel nach unten korrigiert worden – von 2,0 Prozent
auf 1,5 Prozent. Die EU-Kommission sieht das alles
noch problematischer: Sie geht von einem Wachstum
von 1,1 Prozent aus. Die Steuereinnahmen sind rückläu-
fig. Ich könnte jetzt viele Beispiele für dunkle Wolken,
die am Himmel sind, aufzählen. Dazu kommen die Kri-
senherde im Nahen Osten, in der Ukraine usw. Doch wie
von Zauberhand haben wir nach Monaten wieder einen
Entwurf, der genau eine schwarze Null vorsieht. Das ist
aber ein Zufall! – Das ist keine seriöse Haushaltspolitik;
das kann keine seriöse Haushaltspolitik sein. Das ist der
Versuch, sich ein Denkmal zu setzen. Herr Schäuble, sa-
gen Sie bitte laut und deutlich, dass Sie sich kein Denk-
mal zulasten künftiger Generationen setzen wollen.
Denn das ist in diesem Haushalt angelegt.

Ich will einige Punkte nennen.

Zunächst: Wir haben eine blamable Investitionsquote.
Wir als Opposition – die Grünen genauso – haben bereits
bei den letzten Haushaltsberatungen darauf hingewiesen.
Sie versuchen jetzt, dies zu überdecken, indem Sie sa-
gen: In den Jahren 2016 bis 2018 legen wir 10 Milliar-
den Euro drauf. – Beim Gipfel der G-20-Staaten wurde
beschlossen, dass in den nächsten Jahren zusätzlich
1,6 Billionen Euro investiert werden sollen. Die 10 Mil-
liarden Euro, die Deutschland investieren will, würden
dabei 0,5 Prozent ausmachen. Na, das ist ja mal eine In-
vestitionsquote! – Das ist blamabel, meine Damen und
Herren! Angesichts der Situation unserer Straßen, unse-
rer Brücken und der digitalen Infrastruktur muss im In-
vestitionsbereich deutlich mehr getan werden. Experten
schätzen den jährlichen Bedarf allein im Bereich der
Verkehrsinfrastruktur auf 7 Milliarden Euro. Das DIW
– wahrhaftig nicht links – schätzt die inzwischen in
Deutschland aufgelaufene Investitionslücke auf jährlich
75 Milliarden Euro in den Jahren 1999 bis 2012. Und
Sie halten an diesem Progrämmchen mit einem Volumen
von 10 Milliarden Euro fest – obwohl wir nicht einmal
wissen, wer 2018 die Regierung stellt. Nötig wäre ein
grundlegender Kurswechsel, nicht nur in der Haushalts-
politik.

Wir haben die Große Koalition, aber wo sind denn die
großen Reformvorhaben? – Fehlanzeige, meine Damen
und Herren! Stattdessen bewegen Sie sich in politischer
Geschäftigkeit auf dem Niveau der Dobrindt-Maut;
diese sollten Sie nicht ernsthaft versuchen umzusetzen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Regierung hat weder Lösungen für die entschei-
denden tagespolitischen Herausforderungen noch für die
Zukunftsfragen.

Sie reden darüber, die Märkte zu beruhigen, das Ver-
trauen der Märkte zurückzugewinnen. Notwendig wäre
aber, an der Gestaltung einer besseren Gesellschaft zu
arbeiten. Es darf in diesem Lande niemand mit Existenz-
angst leben.


(Beifall des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


1 Million Langzeitarbeitslose: Was geschieht denn mit
denen? – Da gibt es nur ein Miniprogramm von Frau
Nahles. Jedes Kind in Armut ist eines zu viel, jeder
Rentner in Armut ist einer zu viel in diesem reichen
Land.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine Gesellschaft, in der es zwischen den Generationen,
zwischen Ost und West und auch bei den Vermögen und
Einkommen gerechter zugeht, wäre notwendig.

Frau Merkel, gestatten Sie mir eine Bemerkung: Wir
haben jetzt zu Recht gemeinsam 25 Jahre Mauerfall ge-
feiert. Aber wir haben immer noch die Situation, dass
wir bei den Renten ein geteiltes Land sind. Jemand, der
das Glück hatte, im Osten 25 Jahre zu arbeiten, hat
25 Jahre lang einen niedrigeren Rentenwert erworben.
Das ist 25 Jahre nach dem Mauerfall ein Riesenskandal,
und im Haushalt wird nichts getan, daran etwas zu än-
dern.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Stimmt nicht!)


Bei der Mütterrente vertiefen Sie diese Spaltung sogar.
Das ist inakzeptabel, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will den Kolleginnen und Kollegen der SPD zuru-
fen: Haben Sie Mut! Stehen Sie zu Ihren Wahlkampfver-





Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

sprechen des Jahres 2013. Da war auch manch Kluges
dabei, zum Beispiel der Satz:

Die finanziellen Mittel für die Rückkehr zu einer
wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik dürfen …
nicht durch neue Schulden aufgebracht werden,
sondern durch … gerechte Besteuerung …

Das ist doch völlig richtig.

Dieses Land braucht eine Umkehr der jahrzehntelan-
gen Umverteilung von unten nach oben. Das ist notwen-
dig, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben als Linke konkrete Vorschläge dazu vorge-
legt, wie wir die Einnahmen erhöhen wollen. Wir wollen
45 Milliarden Euro mehr einnehmen, und das ausdrück-
lich nicht durch allgemeine Steuererhöhung. Vielmehr
wollen wir diejenigen stärker beteiligen, die leistungs-
fähig sind und die über große Vermögen verfügen. Die
500 reichsten Familien in Deutschland besitzen ein Ver-
mögen von 615 Milliarden Euro. Das sind zwei Bundes-
haushalte. Das ist doch nicht normal! Da muss man doch
etwas tun!

Warum ziehen Sie nicht die Einführung einer Millio-
närsteuer in Erwägung? Warum reformieren Sie nicht
die Erbschaftsteuer, wie das noch im Wahlprogramm der
Sozialdemokraten stand? In Großbritannien ist die Erb-
schaftsteuer fünfmal so hoch wie in Deutschland, in
Frankreich ist sie viermal so hoch,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das ist doch ein Paradebeispiel!)


Und in den Vereinigten Staaten ist sie zehnmal so hoch
wie in Deutschland. Warum haben Sie nicht den Mut,
hier zu reformieren? Niemand will enteignen, aber da
muss mehr für das Gemeinwohl abgeschöpft werden,
meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


An dieser Stelle will ich Ihnen noch eines sagen: Das
vor kurzem aufgedeckte Steuervermeidungsmodell in
Luxemburg ist einer der größten Skandale, die man sich
überhaupt vorstellen kann.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Da waren die Sozialisten mit dabei, Herr Bartsch! Das war der Juncker nicht allein!)


Wer hat Herrn Juncker mit seinen Erfahrungen auf die-
sem Gebiet eigentlich zum Chef der EU-Kommission
gemacht? Wer war in dieser Zeit an der Regierung in un-
serem Land? Wer hat denn ausgerechnet Herrn Juncker
unterstützt?

Wie war denn das? Allein die deutschen Großkon-
zerne haben von 2002 bis 2010 durch diese Modelle
90 Milliarden Euro eingespart – ob sie legal sind, das
werden wir erst noch feststellen. Und wir? Wir machen
gar nichts. Doch da müsste einmal Druck gemacht wer-
den. Ich will auch ein bisschen an die Moral der Unter-
nehmer appellieren, dass so etwas doch nicht sein kann:
Die fleißigen Menschen in unserem Land zahlen Steuern
und die Unternehmer suchen sich Modelle wie in
Luxemburg, um das zu umgehen. Das, meine Damen
und Herren, ist wirklich ein Riesenskandal.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist der falsche Weg, Haushaltskonsolidierung und
Haushaltssanierung zulasten von Zukunftsgestaltung zu
betreiben. Auch das Zu-Tode-Sparen der Zukunft ist
falsch und geht auf Kosten der jüngeren Generation. Di-
verse Einzeletats – wir werden darauf zu sprechen kom-
men – sind chronisch unterfinanziert.

Der vorliegende Haushalt zeigt einmal mehr: Die
CDU und die unionsgeführte Regierung sind eben nicht
der haushaltspolitische Stabilitätsanker. Im Gegenteil:
Ihr Kurs ist untauglich für die Gegenwart und stellt eine
Fortschrittsbremse dar. Längst ist Handeln angesagt!

Ich will mit Molière schließen, der gesagt hat:

Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir
tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Ach, wie originell!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806800200

Norbert Barthle ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Norbert Barthle (CDU):
Rede ID: ID1806800300

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter
Herr Kollege Bartsch, die Linke hat in den Haushaltsbe-
ratungen Mehrausgaben von sage und schreibe 54 Mil-
liarden Euro gefordert. Sie haben nur zum Teil darüber
gesprochen, wem Sie dieses Geld wegnehmen wollen.
Ich finde, Sie sollten einmal genau sagen, wem Sie die
54 Milliarden Euro wegnehmen wollen;


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Gerne!)


denn auch für die Linke fällt das Geld nicht vom Him-
mel.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Doch!)


Seriös wirtschaften sieht anders aus. Deshalb spreche ich
jetzt über unseren Haushalt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Scherz!)


Wir, die Große Koalition, schreiben mit dem Bundes-
haushalt 2015 Geschichte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)






Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist der
erste Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland,
der einen Haushaltsentwurf ohne neue Schulden vorlegt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir, der Deutsche Bundestag, werden am Freitag erst-
mals einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden be-
schließen. Das ist ein Novum in der Geschichte der Bun-
desrepublik Deutschland.

Für uns ist die schwarze Null kein Fetisch. Für uns ist
die schwarze Null keine Monstranz oder heilige Kuh,
oder, um es mit Wowereit zu sagen, das ist für uns nicht
besonders sexy. Vielmehr machen wir das schlicht und
einfach, meine Damen und Herren, weil wir der Auffas-
sung sind: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir
mit dem Geld auszukommen haben, das uns die Bürge-
rinnen und Bürger über ihre Steuern, über Gebühren zur
Verfügung stellen.


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Schulen verrotten! Die Brücken verrotten und die Straßen!)


Deshalb finanzieren wir die Ausgaben in Höhe von
299,1 Milliarden Euro in diesem Haushalt ohne zusätzli-
che, ohne neue Schulden. Wir steigen aus aus dem ewi-
gen Kreislauf ständig neuer Verschuldung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Etwas Weiteres beweisen wir damit: Die schwarze
Null gefährdet nicht das Wachstum. Im Gegenteil: Das
schrittweise Zurückfahren der Verschuldung über die
vergangenen Jahre hinweg endet im vorliegenden Haus-
halt, aber wir haben dennoch Wachstum, wir können
dennoch in Zukunft investieren. Beides gehört für uns
zusammen.

Der zentrale Satz im Haushaltsgesetz 2015 lautet:

Im Haushaltsjahr 2015 nimmt der Bund keine Kre-
dite zur Deckung von Ausgaben auf.

Das war übrigens, wie ich bereits gesagt habe, lange Zeit
nicht so. Selbst 1969 unter Franz Josef Strauß waren im
Entwurf noch Schulden in Höhe von 3,6 Milliarden
D-Mark vorgesehen. Im Ist war dann sogar ein Über-
schuss da.


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wer war da dann Finanzminister?)


Kompliment also auch an die CSU. Aber dennoch ist
dies etwas Neues, was es bisher nicht gab. 1969 gab es
also zuletzt einen ausgeglichenen Haushalt. Das war das
Jahr, in dem Neil Armstrong den Mond betreten hat und
in dem der Berliner Fernsehturm eröffnet wurde – das
zur Erinnerung daran, was damals alles passiert ist.

Wir haben im Rahmen der parlamentarischen Bera-
tungen den Haushalt nochmals verbessert. Der gute
Entwurf des Finanzministers ist noch besser gewor-
den, indem wir die Ausgaben um weitere 400 Millionen
Euro abgesenkt und gleichzeitig die Investitionen um
360 Millionen Euro gesteigert haben. Ich möchte nur ei-
nige Beispiele für die politischen Schwerpunkte, die wir
während der Haushaltsberatungen gesetzt haben, nen-
nen:

Wir haben sehr viel für die innere Sicherheit getan.
Die Bundespolizei wird mit gut 400 neuen Stellen ausge-
stattet und bekommt auch mehr Mittel zur Verbesserung
der Personalstruktur. Wir geben zusätzliches Geld für
moderne Schutz- und Einsatzbekleidung und für Fahr-
zeuge aus. Wir stellen das THW und auch die Feuerweh-
ren besser. Wir stärken das Bundesamt für Verfassungs-
schutz;


(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist keine gute Idee!)


denn das hat derzeit mit der Observation von Salafisten
schwierige Aufgaben zu erfüllen. Der Etat wird um
10 Prozent aufgestockt. Das ist für die innere Sicherheit
in diesen Tagen dringend notwendig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir kommen aber auch unserer humanitären Verant-
wortung nach und erhöhen die entsprechenden Mittel im
Etat des Auswärtigen Amts und im Etat des Bundes-
ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung, im BMZ, um insgesamt fast 280 Millionen
Euro, um damit den aktuellen Entwicklungen in den Kri-
sengebieten Rechnung tragen zu können.

Wir erhöhen den Etat für die Kultur wie schon in den
Vorjahren deutlich und können damit auch das Denkmal-
schutzprogramm für national bedeutsame Kulturgüter
wiederauflegen. Wir haben das Bauhaus-Jubiläum be-
rücksichtigt. Wir schaffen Vorsorge für die Errichtung
eines Museums für die Kunst des 20. Jahrhunderts in
Berlin. An dieser Stelle gratuliere ich unserer Staatsmi-
nisterin Monika Grütters ganz besonders zu diesem weg-
weisenden Schritt. Das wird für die Zukunft bedeutsam
sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Außerdem statten wir die Deutsche Welle besser aus.
Gerade die Deutsche Welle hat angesichts der Tatsache,
dass andere Sender, die weltweit informieren, mehr Geld
ausgeben – dazu gehören zum Beispiel Russia Today
und al-Dschasira –, zunehmend Aufgaben zu erfüllen. Es
ist nicht einfach, dagegenzuhalten.

Wir stocken auch den Verkehrsetat auf. Entsprechende
Mittel für Lärmschutzmaßnahmen stehen zur Verfügung,
und zwar mehr als bisher. Insbesondere tun wir etwas für
die Deutsche Flugsicherung, indem wir ein 500-Millio-
nen-Euro-Programm bis 2019 aufgelegt haben. Das ver-
hindert unverhältnismäßig hohe Gebührenerhöhungen
für die Fluggäste und stärkt somit den Luftfahrtstandort
Deutschland. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiges Si-
gnal.

Außerdem hat die Koalition ein Herz für den Sport.
Wir erhöhen den Sportetat um 15 Millionen Euro,


(Beifall des Abg. Carsten Träger [SPD])






Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

allerdings mit der klaren Aussage an die Organisationen
und an den DOSB, dass wir im kommenden Jahr Vor-
schläge für Strukturreformen erwarten, die es ermögli-
chen, die Mittel effektiver einzusetzen und somit die
Spitzensportförderung in den Zustand zu versetzen, dass
wir international wieder wettbewerbsfähiger werden.
Sportverbände, Trainer und der Kampf gegen Doping
sollen insbesondere profitieren.

Wir haben den Personalbestand des Bundes trotz teil-
weise erheblicher Personalverstärkungen – zum Beispiel
350 zusätzliche Stellen beim Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge für die Asylbewerberverfahren – insge-
samt reduziert. Im Vergleich zum Jahr 2014 gibt es ins-
gesamt 1 100 Stellen weniger. Der Personalbestand des
Bundes umfasst insgesamt 248 400 Stellen. Das sind
deutlich weniger als noch im Jahr der Wiedervereini-
gung. Damals hatten wir 301 500 Stellen allein in den
westlichen Bundesländern.

Lassen Sie mich zwei Worte zur Kritik der Opposition
sagen, die bereits im Vorfeld vorgetragen wurde. Da war
immer von Tricksereien und von Schattenhaushalten die
Rede usw. usf.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt!)


Meine Damen und Herren, davon kann keine Rede sein.
Im Gegenteil: Da wird nirgendwo getrickst. Wir haben
nicht nur eine sehr gute Fassade, sondern auch die Sub-
stanz dieses Haushalts stimmt.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider eben nicht!)


Wir sparen auch nicht an der Zukunft dieses Landes.
Das Gegenteil haben wir in den vergangenen Jahren be-
wiesen. Wir haben nicht nur die strukturelle Verschul-
dung sukzessive zurückgeführt, sondern wir haben auch
die Neuverschuldung Jahr für Jahr sukzessive zurückge-
führt. Bei der Neuverschuldung kommen wir von 80 Mil-
liarden Euro, die für das Jahr 2010 vorgesehen waren
– am Ende waren es 44 Milliarden Euro –, und haben
dann die Neuverschuldung Jahr für Jahr sukzessive in
gleichmäßigen Schritten zurückgeführt.

Ich bin zuversichtlich, dass wir ebenso wie in den ver-
gangenen Jahren, als wir jeweils besser abgeschnitten
haben, als im Soll vorgesehen war, auch in diesem Jahr
besser abschneiden werden und am Jahresende hoffent-
lich unter der vorgesehenen Nettokreditaufnahme von
6,5 Milliarden Euro bleiben können.

Wir halten die Schuldenbremse nicht nur ein; wir
bleiben sogar deutlich unter der Grenze der Schulden-
bremse. Wir haben die Kriterien bereits 2012 erfüllt, und
auch dieses Mal bleiben wir deutlich unter den Vorgaben
der Schuldenbremse.

Der Abbau der Neuverschuldung hat uns nicht ge-
schadet, meine Damen und Herren. Trotz des Abbaus
der Neuverschuldung haben wir ein ordentliches Wirt-
schaftswachstum. Eine solide und verlässliche Haus-
haltspolitik schafft Vertrauen, und Vertrauen ist die Vo-
raussetzung für wirtschaftliches Wachstum. Genau diese
Formel geht bei uns auf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Die derzeitige Situation ist also nicht irgendeinem
glücklichen Umstand zu verdanken und uns einfach in
den Schoß gefallen. Natürlich sind die Umstände güns-
tig, natürlich haben wir das Glück niedriger Zinsen;
keine Frage. Aber dieses Glück trifft nicht nur uns in
Deutschland; die niedrigen Zinssätze der EZB gelten für
alle. Man muss sein Glück also auch nutzen,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!)


und wir nutzen unser Glück, indem wir richtig haushal-
ten, indem wir richtig wirtschaften. Demzufolge können
wir konsolidierte Haushalte vorlegen. Wir haben in die-
sem Land glücklicherweise eine Beschäftigungsquote,
die so hoch ist wie noch nie, und eine Arbeitslosenquote,
die so niedrig ist wie nirgendwo sonst in der Europäi-
schen Union. Aber auch das ist uns nicht in den Schoß
gefallen, sondern das muss man sich erarbeiten.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt ja im Haushalt gar nicht gearbeitet!)


Somit hat das nur wenig mit Glück zu tun, aber viel mit
solider Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Jetzt komme ich zu einem weiteren Vorwurf der Op-
position. Die Opposition behauptet immer wieder, wir
würden in die sozialen Sicherungssysteme eingreifen.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, falsche Richtung!)


Meine Damen und Herren, die Deutsche Rentenversi-
cherung verfügt derzeit über Rücklagen in Höhe von
gut 33 Milliarden Euro, und wir leisten einen Steuerzu-
schuss an die Rentenversicherung von jährlich gut
80 Milliarden Euro. Es ist also doch nur vernünftig, da-
mit neue Belastungen zu finanzieren, anstatt die Rück-
lage noch stärker wachsen zu lassen.

Zum Gesundheitsfonds: Wir haben im vergangenen
Jahr versprochen, dass wir den Zuschuss an den Gesund-
heitsfonds, der abgesenkt wurde, sukzessive wieder er-
höhen. Das tun wir. In diesem Jahr wird der Steuerzu-
schuss an den Gesundheitsfonds um 1 Milliarde Euro
erhöht. Auch an dieser Stelle lösen wir also unser Ver-
sprechen ein. Auch der Gesundheitsfonds verfügt über
ordentliche Rücklagen. Das werden am Ende dieses Jah-
res rund 13 Milliarden Euro sein – zusätzlich zu den
Rücklagen, über die die Krankenkassen verfügen. Daher
muss kein Versicherter Sorge haben, dass seine Leistun-
gen gekürzt werden.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die zahlen aber Zusatzbeiträge! Das haben fast alle Kassen angekündigt!)


– Wenn irgendwo Zusatzbeiträge erhoben werden soll-
ten, Herr Kollege Kindler, dann liegt das an der jeweili-





Norbert Barthle


(A) (C)



(D)(B)

gen Kasse, nicht am Gesundheitsfonds. Der Gesund-
heitsfonds ist gut gefüllt.

Deshalb lautet mein Appell an die Opposition auch an
dieser Stelle: Bleiben Sie bei der Wahrheit, und bauen
Sie keinen Popanz auf!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Nebenbei bemerkt: Die exorbitant niedrigen Zinsen,
die, wie gesagt, auf die Zinspolitik der EZB zurückge-
hen, schlagen sich selbstverständlich auch in den exorbi-
tant niedrigen Zinssätzen für unsere Staatsanleihen nie-
der. Aber auch diese sehr niedrigen Risikoaufschläge
– zehnjährige Staatsanleihen rentieren derzeit mit 0,8 Pro-
zent – muss man sich erarbeiten. Wir haben uns das Ver-
trauen der internationalen Finanzmärkte erarbeitet. Auch
das ist nichts, was einem in den Schoß fällt. Das ist viel-
mehr zurückzuführen auf die solide Politik der vergan-
genen Jahre.

Deshalb erlaube ich mir folgenden Hinweis, meine
Damen und Herren: Wer sich im europäischen Raum
umschaut, stellt sehr schnell fest, dass die gute Situation,
in der wir uns befinden, nicht nur mit Zufall und Glück
zu tun hat, sondern mit der Politik der vergangenen Jahre
zu tun hat.

Die Situation in Frankreich ist so, dass Frankreich
seine Staatsausgaben in den vergangenen Jahren, zwi-
schen 2010 und 2014, ordentlich erhöht hat: Im Haus-
haltsentwurf für 2014 waren Ausgabenzuwächse von
2,3 Prozent vorgesehen, für das kommende Jahr sind
1,8 Prozent vorgesehen, obwohl Frankreich unter dem
Konsolidierungsdruck seitens der Europäischen Union
steht. Wir haben einen Ausgabenzuwachs von 0,9 Pro-
zent.

Wenn Sie sich die Entwicklung der Lohnstückkosten
anschauen, werden Sie sehr schnell feststellen, dass sie
bei uns stabil sind, dass sie in Spanien, in Portugal, in
Griechenland deutlich zurückgegangen sind, dass sie
aber in Frankreich und Italien gestiegen sind.

Das Glück der guten Begleitumstände dieser Zeit
trifft also nicht nur Deutschland; es trifft alle. Deshalb ist
es bemerkenswert, dass die Staatsquote in anderen Län-
dern steigt – in Frankreich in dieser Zeit von 56,4 auf
57,9 Prozent –, während wir bei uns in Deutschland eine
rückläufige Staatsquote haben. Das ist Ausweis klarer,
solider Politik und einer Haushaltspolitik, die Wachs-
tumskräfte möglich macht, anstatt sie zu behindern.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Lassen Sie mich abschließend sagen, meine Damen
und Herren: Der Haushalt 2015 und die mittelfristige Fi-
nanzplanung markieren den Beginn einer neuen und bes-
seren Ära in der Haushaltspolitik des Bundes. Wir wer-
den diesen Weg erfolgreich weiter beschreiten.

Danke.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806800400

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der

Kollege Kindler das Wort.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bring uns in Stimmung, Sven!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ja, keine Panik. – Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen!


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nicht vergessen: Liebe Freundinnen und Freunde!)


Herr Minister Schäuble, ich will am Anfang zugestehen:
Mit Ihrem Haushalt verfolgen Sie eine gute Marke-
tingstrategie. Doch leider ist er die Fortsetzung der alten
Schuldenpolitik. Sie verkaufen ihn nur besser als andere.
Sie leihen sich zwar das Geld nicht mehr bei der Bank,
aber Sie greifen in den Gesundheitsfonds, Sie nehmen
bei der Rentenkasse Schulden auf, und Sie fahren die In-
frastruktur auf Verschleiß. Die Investitionsquote in die-
sem Haushalt sinkt rapide. Herr Schäuble, Sie verste-
cken Ihre Schulden nur in Schattenhaushalten. Das ist
unehrlich. Wenn man ehrlich ist, muss man sagen: Bei
diesem Haushalt steht in der Bilanz ein dickes, fettes Mi-
nus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf von der CDU/ CSU: Er lernt einfach nicht dazu!)


Zur Wahrheit gehören die versteckten Schulden bei
den Sozialkassen. Rund 10 Milliarden Euro verstecken
Sie in Schattenhaushalten bei den Sozialkassen, 7 Mil-
liarden Euro bei der Mütterrente, und Sie greifen
2,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds. Und
warum? Alles nur, weil die Union zu feige war, eine ge-
rechte Finanzpolitik zu machen, und weil die Union zu
feige war, auch hohe Einkommen, hohe Vermögen he-
ranzuziehen. Dabei ist jedem hier im Bundestag klar
– das sagt auch die Deutsche Rentenversicherung –: Für
die Mütterrente darf nicht die Rentenkasse geleert wer-
den. Sie muss aus Steuermitteln bezahlt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Auch das Projekt der SPD, die Rente mit 63, wird klar
teurer; das wird jetzt deutlich. Das ist aber sowieso die
falsche Antwort. Die Rentenkasse ist 2018 leer. Insge-
samt machen Sie im Rahmen des Rentenpaketes nichts
gegen Altersarmut. Das ist nicht nur unverantwortliche
Finanzpolitik, sondern auch ein krasses Versagen bei
diesem zentralen Gerechtigkeitsthema.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die Plünderung des Gesundheitsfonds führt übrigens
dazu, dass fast alle gesetzlichen Krankenkassen jetzt
schon angekündigt haben, 2015 Zusatzbeiträge zu erhe-
ben. Wozu führt Ihr Griff in die Sozialkassen? Große
Einkommen werden geschont, und kleine und mittlere
Einkommen, die Beitragszahler, werden die Zeche für





Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

Ihren Haushalt zahlen. Ich sage Ihnen: Das ist extrem
ungerecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Ich finde einfach, Herr Schäuble, Sie handeln fahrläs-
sig, ignorant und zukunftsvergessen. Sie setzen weiter-
hin auf das Prinzip Hoffnung. Machen wir uns doch
einmal ehrlich: Bei der Steuerschätzung gab es viele
glückliche Einmaleffekte. Ohne diese Einmaleffekte
wäre sie doch eine Katastrophe für Sie geworden. Zu
den Einmaleffekten gehören: 1,3 Milliarden Euro weni-
ger bei den Zinsen, Sie bekommen 2015 2,2 Milliar-
den Euro von der Europäischen Union zurück, und 2015
gibt es einen Sondereffekt bei der Postbeamtenversor-
gungskasse in Höhe von 560 Millionen Euro. Das macht
Einmaleffekte in Höhe von 4 Milliarden Euro. Das ist
viel Glück!


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Glück hat nur der Tüchtige! Das wissen Sie!)


Sie machen am Haushalt aber nichts Strukturelles. Diese
Arbeitsverweigerung, dass Sie nichts Strukturelles ma-
chen, wird uns später noch teuer zu stehen kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Ich finde, angesichts der historisch niedrigen Zinsen,
der extrem großen Einmaleffekte 2015, Ihres Glückes
und der gleichzeitig in den Sozialkassen versteckten
Schulden ist dieser Haushalt kein Grund, um sich auf die
Schulter zu klopfen. Diesen Haushalt mit seinen ver-
steckten Schulden hätte jeder Bundesfinanzminister ir-
gendwie hingebogen;


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Eben nicht! Das ist es ja!)


diesen Haushalt hätten auch Theo Waigel und Hans
Eichel hingebogen. Aber mit Ehrlichkeit und Leistung
hat dieser Haushalt nichts zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Sie trauen sich nicht, strukturell etwas an diesem
Haushalt zu ändern. Sie schichten nicht um, Sie entrüm-
peln nicht, es gibt keinen Subventionsabbau und keine
Verbesserung bei den Einnahmen.

Dabei gibt es in Bezug auf den Haushalt genug zu tun.
Es gibt kaum Investitionen; die Investitionsquote im Fi-
nanzplan sinkt. Investitionen in den Klimaschutz und die
Energiewende muss man mit der Lupe suchen, Investi-
tionen in das Breitband sind 2015 Fehlanzeige. Sie ver-
schlafen Investitionen in gute Bildung und gute Kitas
und bauen lieber neue Autobahnen, statt jetzt bestehende
Straßen und Brücken zu erhalten. Das heißt, Sie fahren
diese Gesellschaft auf Verschleiß. Dieser Haushalt lebt
von der Substanz, und das ist einfach total zukunftsver-
gessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Auch Sie, Herr Schäuble, haben jetzt gemerkt, dass
die Kritik an den Investitionen gesessen hat. Statt aber
substanziell zu arbeiten, machen Sie weiter mit Ihrer
Marketingstrategie. Zu dem 10-Milliarden-Euro-Paket,
das Sie bei der Steuerschätzung verkündet haben, haben
Sie im Haushaltsausschuss selbst gesagt, es gehe Ihnen
hier vor allen Dingen um eine gute Kommunikations-
strategie. Das sieht man leider auch an diesem Paket. Es
hat nur wenig Substanz, und das Ergebnis ist ziemlich
ernüchternd: In 2015 gibt es nichts, diese 10 Milliarden
Euro werden über drei Jahre verteilt, sodass es pro Jahr
nur etwas über 3 Milliarden Euro sind, und im Finanz-
plan sowie im Haushalt ist bisher nichts gegenfinanziert.
Insgesamt ist das leider nur ein Tropfen auf den heißen
Stein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie haben daneben noch eine zweite Marketingstrate-
gie. Seit Monaten höre ich von Herrn Schäuble und
Herrn Gabriel, dass sie mehr privates Kapital für Investi-
tionen aktivieren wollen. Das hört sich erst einmal gut
an. Mir wird aber angst und bange, wenn ich höre, wie.
Sie wollen nämlich einen neuen Vorstoß für öffentlich-
private Partnerschaften. Dabei zeigt der Bundesrech-
nungshof am Beispiel Straßenbau schon jetzt, dass dies
zu Mehrkosten in Milliardenhöhe führt. Durch die höhe-
ren Zinskosten und die hohen Renditeerwartungen der
Unternehmen führt dies dazu, dass die Schuldenbremse
umgangen wird, dass es teuer wird und dass Schatten-
haushalte aufgebaut werden. Insgesamt ist das ein Aus-
verkauf von öffentlicher Infrastruktur mit gravierenden
Folgen. Ich sage Ihnen: Diese ÖPP-Strategie ist ein ge-
fährlicher und teurer Irrweg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Stattdessen sollten Sie im Haushalt lieber klare Priori-
täten bei den Investitionen setzen, und das muss man
auch solide gegenfinanzieren. Da muss man am Haus-
halt auch einmal arbeiten, indem man zum Beispiel um-
schichtet und entrümpelt. Da muss man das Betreuungs-
geld streichen


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


und Milliarden bei Rüstungsdesastern einsparen.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das nehmen Sie aber zurück! Der hat Nerven!)


Da muss man bei den Ausgaben für neue Autobahnen
kürzen und dafür den Erhalt von Straßen finanzieren,
und da muss man auch einmal an die Subventionen he-
rangehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Der Staat verbrennt durch umweltschädliche Subven-
tionen jedes Jahr 50 Milliarden Euro.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Oje!)






Sven-Christian Kindler


(A) (C)



(D)(B)

Davon könnte man 2015 schnell rund 9 Milliarden Euro
abbauen: bei den Subventionen für die Flugindustrie, das
Erdöl, den Agrardiesel und die schweren Dienstwagen.
Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie mit dieser kli-
maschädlichen Subventionspolitik auf!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Staat ist strukturell unterfinanziert. Deswegen
muss man auch die Einnahmeseite verbessern, weswe-
gen wir zum Beispiel dafür sorgen wollen, dass Kapital-
einkommen genauso wie Arbeitseinkommen wieder
progressiv besteuert werden und die ungerechte Abgel-
tungsteuer abgeschafft wird; denn wir brauchen in
Deutschland endlich mehr Steuergerechtigkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Durch Entrümpeln, Umschichten, Subventionsabbau
und Einnahmeverbesserungen können wir in diesem
Haushalt pro Jahr einen Spielraum von mehr als 10 Mil-
liarden Euro schaffen: für Innovationen, für Investitio-
nen und für Gerechtigkeit.

Wir Grüne haben hier viele Änderungsanträge einge-
bracht. Ich will nur einmal drei Schwerpunkte nennen:

Erstens wollen wir, dass die Energiewende wieder an
Fahrt gewinnt. Wir wollen mit einem Energiesparfonds
im Umfang von 3 Milliarden Euro dafür sorgen, dass
Wohnungen und Gebäude saniert werden, und so das
Klima schützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen zweitens dafür sorgen, dass es überall
schnelles Internet gibt: von Stralsund bis Konstanz. Des-
halb wollen wir 1 Milliarde Euro für den Breitbandaus-
bau einsetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Drittens wollen wir noch mehr für Flüchtlinge tun: im
Nordirak und in Syrien, aber auch hier vor Ort in
Deutschland, in den Kommunen. Der Winter steht jetzt
vor der Tür. Wer nach Deutschland flieht, darf hier nicht
in Zelten oder Turnhallen schlafen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])


Deswegen wollen wir die humanitäre Hilfe in Ländern
wie Syrien und dem Irak und deren Nachbarländern
deutlich erhöhen, und wir wollen 1 Milliarde Euro in
Deutschland zur Unterstützung von Flüchtlingen und
Kommunen einsetzen.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Mehr Geld ausgeben, aber weniger Steuern!)


Diese 1 Milliarde Euro haben jetzt ja auch Sigmar
Gabriel und die SPD angekündigt. Ich finde es schön,
dass Sie jetzt Verantwortung übernehmen wollen.
Schauen Sie deswegen nicht mehr weg, und stimmen Sie
unserem Antrag am Freitag bitte zu, liebe SPD!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben ja keinen eigenen!)


Ich bin sehr gespannt.

Man muss sagen: Dieser Haushalt hat eine schillernde
Fassade, aber dahinter bröckelt es gewaltig. Es gibt in
diesem Haushalt viele Verlierer: das Klima und die Ener-
giewende; die Flüchtlinge; Kinder und Jugendliche, de-
nen es an Bildung fehlt; Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer, denen Sie in die Tasche greifen und die die
Zeche für Ihren Haushalt zahlen.

Herr Schäuble, Ihr Haushalt enthält viele versteckte
Schulden, und es wird kaum investiert. Sie finanzieren
diesen Haushalt auf dem Rücken von vielen Menschen:
hier in Deutschland und im Rest der Welt. Deswegen
werden wir diesen Haushalt ablehnen.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806800500

Johannes Kahrs ist der nächste Redner für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Kahrs (SPD):
Rede ID: ID1806800600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Uns liegt heute ein Haushalt vor, der bemer-
kenswert ist. Er ist deswegen bemerkenswert, weil wir
seit ewigen Zeiten das erste Mal keine neuen Schulden
machen. Das ist ein Grund, sich parteiübergreifend zu
freuen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja leider nicht so!)


Wenn man aus den Erfahrungen der letzten Jahre ge-
lernt hat, dass es immer gute Gründe gibt, mehr Geld
auszugeben, dann weiß man, dass es nicht leicht ist,
keine neuen Schulden zu machen. Das klingt wie eine
Selbstverständlichkeit, aber das ist leider keine. Der Kol-
lege Norbert Barthle hat gesagt, dass es eigentlich selbst-
verständlich sein müsste, keine neuen Schulden zu ma-
chen. Da hat er eigentlich recht.


(Zuruf von der CDU/CSU: Eigentlich!)


Auf der anderen Seite haben wir das noch nie so gehal-
ten.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es! – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt auch nicht!)


Weil wir das noch nie so gemacht haben, ist diese De-
batte an diesem Tag so bedeutsam. Wir müssen einfach
einmal verinnerlichen, dass wir heute etwas Selbstver-
ständliches machen, was wir in den letzten Jahren aber
nicht getan haben.





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)

Das wirklich Gute an diesem Haushalt ist nicht, dass
wir es einmal geschafft haben, keine neuen Schulden zu
machen, sondern es ist die Bereitschaft bei, wie ich
glaube, allen Parteien in diesem Hause, das nicht nur in
diesem Haushalt zu schaffen, sondern auch in den Haus-
halten der nächsten Jahre. Sinn macht diese Veranstal-
tung nämlich nur, wenn wir dauerhaft keine neuen
Schulden machen. Das ist der Punkt.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir als Sozialdemokraten haben zusammen mit der
Union in der letzten Großen Koalition dafür gesorgt,
dass die Schuldenbremse ins Grundgesetz aufgenommen
wird. Wir haben auch auf unseren Parteitagen immer be-
schlossen: Wir wollen keine neuen Schulden machen.
Ich bin mir sicher, auch die Union hat immer Ähnliches
gemacht. Jetzt aber wird es getan.

Wichtig ist, dass wir über diese Linie die Schulden-
bremse erreichen. Es ist gut, dass uns das so gelungen
ist. Herr Minister Schäuble, ich bin dankbar, dass dies in
guter Zusammenarbeit mit Ihrem Hause gelaufen ist. Im
Gegensatz zu dem Kollegen Bartsch glaube ich auch
nicht, dass es ein Zufall war, dass wir als Ergebnis langer
Haushaltsberatungen – dabei waren wir durchaus unter-
schiedlicher Ansicht – keine neuen Schulden gemacht
haben, sondern das war harte Arbeit, lange, harte Arbeit.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?)


– Herr Kollege, das ist schlicht und einfach so. Seien Sie
doch einfach einmal glücklich darüber, dass uns das ge-
lungen ist.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt euch gestritten, aber nicht gearbeitet!)


Es gibt immer viele Möglichkeiten und gute Gründe,
mehr Geld auszugeben. Hier ist es uns einfach gelungen,
das nicht zu tun.

Wichtig ist für uns alle das Vorhaben, dass das nicht
nur für 2015 gilt, sondern auch für 2016, 2017, 2018,
2019, 2020. Das ist nachhaltige Politik. Das ist genera-
tionengerechte Politik. Das heißt, dass man nachfolgen-
den Generationen keine Schuldenberge hinterlässt. Es
heißt aber auch, dass man mit dem vorhandenen Geld
auskommen muss, dass man also, wenn es Wünsche und
Bedarfe gibt, auch einmal innerhalb eines Etats und zwi-
schen Etats umschichten muss.

Das haben wir in der Vergangenheit alle nicht ge-
schafft, weil wir immer lieber mit frischem Geld neue
Schulden gemacht haben, statt uns an bestehenden Be-
sitzständen abzuarbeiten und damit die eine oder andere
Interessengruppe, die eine oder andere Lobby in diesem
Land gegen uns aufzubringen. Davor haben wir immer
Angst gehabt. Deswegen haben wir immer mehr Geld
ausgegeben.

Eigentlich aber wissen wir alle, dass es natürlich Be-
reiche gibt, wo gespart werden kann. Ehrlich gesagt: In
Zeiten, in denen es uns gut geht, in Zeiten, in denen wir
hohe Steuereinnahmen haben, in denen wir eine geringe
Arbeitslosigkeit haben, ist das, was wir hier machen,
keine Atomphysik; das gebe ich zu. Aber sollte sich das
einmal wieder ändern, sollten die Zeiten wieder schwie-
riger werden, ist das eine große Herausforderung. Wir
haben das, was die Risiken angeht, schon angesprochen.

Wenn die Zinsen wieder auf ein halbwegs normales
Niveau steigen, wie es sich jeder deutsche Sparer oder
jeder, der eine Lebensversicherung abgeschlossen hat,
wünscht, und bei 3 oder 4 Prozent liegen, dann zahlen
wir nicht mehr wie jetzt 25 Milliarden Euro jährlich an
Zinsen. Dann sind es 45 Milliarden, 50 Milliarden oder,
wenn wir Pech haben, 60 Milliarden Euro. Dann in die-
sem Haushalt keine neuen Schulden zu machen, das ist
die eigentliche Herausforderung. Das wird man bei je-
dem Etat beachten müssen. Damit wiederum werden
sich Haushaltspolitiker relativ unbeliebt machen. Dann
werden Fraktionssitzungen nicht so charmant sein wie
jetzt, wo man als Haushälter – Kollege Barthle hat es an-
gesprochen – noch die eine oder andere vernünftige Sa-
che umsetzen kann, sondern dann muss man erklären,
warum man die eine oder andere eigentlich gute Sache
nicht mehr macht. Das wird die Herausforderung wer-
den.

Deswegen sind diese Haushaltsberatungen meines Er-
achtens nicht das, was die Opposition zum Besten gibt,
wenn sie von einer Nullnummer oder versteckten Schul-
den spricht. Wenn wir alle gemeinsam sagen: „Das ist
ein Anfang, der auch Konsequenzen haben muss, und
das muss über die Jahre durchgezogen werden“, dann ist
das ein wichtiger Haushalt. Dann ist es auch ein histori-
scher Haushalt, und dann haben wir alle wirklich etwas
geleistet.

Deswegen ist das nicht nur Glück – deswegen ist es
auch nicht nur ein Zufall, Herr Bartsch –, sondern es ist
harte Arbeit, die man durchzieht.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber jetzt nicht! Jetzt ist es nicht harte Arbeit!)


Das kann man dann auch in der mittelfristigen Finanz-
planung sehen.

Ich glaube, Herr Kindler, dass es keine Geschenke
sind, wenn man einen Mindestlohn oder die Rente mit
63 durchsetzt,


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist falsch!)


die das Pendant zur Rente mit 67 ist. Denn all diejeni-
gen, die wie ich erst sehr spät ins Arbeitsleben eingetre-
ten sind, weil sie studiert haben, können gerne bis 67 ar-
beiten, während diejenigen, die mit 15, 16, 17 oder
18 Jahren angefangen haben, zu arbeiten, und das kör-
perlich nicht länger können, gerne mit 63 in Rente gehen
können. Das ist vernünftig, richtig und vor allen Dingen
gerecht. Deswegen ist das kein Geschenk.


(Beifall bei der SPD)


Das Gleiche gilt übrigens auch für die Mütterrente,
die wir auch mitgetragen haben. Sie ist richtig und ver-
nünftig.





Johannes Kahrs


(A) (C)



(D)(B)

Das sind keine Geschenke. Man muss nur darauf ach-
ten, dass sie entsprechend finanziert werden.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber ihr habt sie nicht richtig finanziert!)


Wenn man sie jetzt beschließt, dann muss man sie auch
dauerhaft finanzieren.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Das habt ihr aber nicht gemacht!)


Denn das ist der Sinn dieser Veranstaltung.

Deswegen ist es richtig, dass man sich darüber Ge-
danken macht, was man steuerpolitisch tut. Kollege
Barthle hat es schon gesagt: Wir haben etwas im Bereich
der Flugsicherung getan. Wir haben es leider nicht ge-
schafft, uns die Luftverkehrsteuer zu schenken, die von
Schwarz-Gelb in der letzten Legislaturperiode als Steu-
ererhöhungsmaßnahme eingeführt worden war. Gut, das
hat nicht geklappt. Aber im Ergebnis hat dieser Haus-
halt, glaube ich, gezeigt, dass man beides machen kann:
keine neuen Schulden und gleichzeitig auch noch ein
paar vernünftige Sachen.

Ob beim THW, der Bundespolizei oder der Bundes-
zentrale für politische Bildung – du hast es schon er-
wähnt, Norbert Barthle –: Ich glaube, das sind Maßnah-
men, die man durchführen muss, damit man in dem
einen oder anderen Punkt vernünftige und gerechte Zu-
stände hinbekommt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Aber das, was diesen Haushalt wirklich auszeichnet,
ist, dass die beiden großen Volksparteien in diesem Land
sich geschworen haben, dass wir keine neuen Schulden
machen wollen. Wenn die Zeiten schlechter werden,
dann muss hart gespart werden. Wenn wir das durchzie-
hen, dann haben wir etwas geleistet.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das könnt ihr ja nicht! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn ihr was durchziehen würdet, dann hättet ihr was geleistet! Das ist ja nicht so! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Guckt einfach zu!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806800700

Das Wort erhält nun der Bundesfinanzminister,

Dr. Wolfgang Schäuble.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dr. Wolfgang Schäuble, Bundesminister der Finan-
zen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Diese Bundesregierung hat nach der Wahl be-
schlossen, dass wir ab 2015 den Bundeshaushalt ohne
Neuverschuldung fahren wollen. Dieses Versprechen
halten wir ein und setzen wir heute um.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf des Abg. SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


– Das hat mit einem Denkmal wenig zu tun; machen Sie
sich keine Sorgen, Herr Kindler.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat er falsch gesagt!)


– Das ist offenbar sogar Ihnen peinlich. Aber von dem,
was Sie gesagt haben, ist Ihnen manches auch peinlich.
Das war auch nicht Ihr bester Beitrag heute, mit allem
Respekt.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Schäuble, das muss doch jetzt nicht sein!)


Ich kann ja verstehen, dass es für Sie, nachdem Sie in
Meinungsumfragen gesehen haben, dass es sogar die
Anhänger der Oppositionsparteien in großer Mehrheit
für richtig halten, dass wir keine neuen Schulden ma-
chen,


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Aber auf welchem Weg?)


ein bisschen schwierig ist, hier dagegen zu polemisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber entscheidend ist etwas anderes. Eine nachhaltige,
verlässliche und berechenbare Finanzpolitik, die Wort
hält, ist ein Anker für Vertrauen. Vertrauen ist in einer
Zeit, wo die wirtschaftliche Lage hochfragil und nervös
ist, ein ganz wichtiges Kapital für eine nachhaltige, sta-
bile wirtschaftliche Entwicklung.

Es ist übrigens nicht ganz von alleine gekommen,
dass die breite Mehrheit des wirtschaftswissenschaftli-
chen Sachverstands in Deutschland diese Finanzpolitik
für richtig hält. Die Wirtschaftsforschungsinstitute der
Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose haben sich in ih-
rem aktuellen Herbstgutachten klar für diese Finanzpoli-
tik ausgesprochen. Der Sachverständigenrat zur Begut-
achtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat
sich ebenfalls klar für diese Finanzpolitik ausgespro-
chen. Sie reden gegen die breite Überzeugung der Be-
völkerung wie des wirtschaftswissenschaftlichen Sach-
verstands in Deutschland, wenn Sie diese Finanzpolitik
kritisieren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Natürlich ist das wirtschaftliche Umfeld seit der Ein-
bringung des Bundeshaushalts ein Stück weit schwieri-
ger geworden. Im ersten Halbjahr konnten wir uns vor
Prognosen kaum retten, die jede Woche die wirtschaftli-
che Entwicklung für die nächsten Jahre noch positiver
eingeschätzt haben. Die Bundesregierung war eher auf
der zurückhaltenden Seite. Im dritten Quartal dieses Jah-
res ist es dann plötzlich gekippt. Nun sind jeden Tag





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

Meldungen zu lesen, dass es ein bisschen schlechter
wird als im Frühjahr vorhergesehen. Das wird gleich als
schlechte Nachrichten verstanden. Aber wir sind nicht in
einer Rezession und auch nicht in einer Wirtschaftskrise.
Die Wachstumsentwicklungen sind nicht ganz so gut wie
im Frühjahr vorhergesehen. Aber wir sind nahe an der
Normalauslastung unserer wirtschaftlichen Kapazitäten.
Wir haben ein höheres Wachstum als in den zurücklie-
genden Jahren. Deswegen wäre es ein schwerer Fehler,
wenn wir die Krise jetzt durch unbedachtes Gerede gera-
dezu herbeireden würden. Davor kann ich nur warnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Herr Kollege Kindler, wenn ich den Versuch einer
ernsthaften Auseinandersetzung mit dem, was Sie als
Marketingstrategie bezeichnet haben, unternehmen darf:
Ich bin gar nicht so anspruchsvoll. Ich wollte bewusst
vermeiden – das habe ich so im Haushaltsausschuss und
bei vielen anderen Gelegenheiten öffentlich bekannt –,
dass eine Meldung, dass die Steuereinnahmen ein biss-
chen langsamer wachsen als noch vor fünf oder sechs
Monaten geschätzt, erneut als eine negative Nachricht
verstanden wird; denn wenn wir noch ein paar Missver-
ständnisse dieser Art haben, dann entsteht die Krise ein-
fach nach dem Prinzip der Selffulfilling Prophecy. Wir
reden sie dann herbei. Genau das dürfen wir nicht ma-
chen. Deswegen habe ich gesagt: Nein, wir haben eine
ordentliche wirtschaftliche Auslastung in einem schwie-
riger gewordenen wirtschaftlichen Umfeld. Aber damit
wird sich die Bundestagsdebatte vermutlich morgen in
der Generalaussprache stärker beschäftigen. Darum muss
ich mich heute nicht kümmern. Aber es ist völlig klar,
dass sich das wirtschaftliche bzw. geopolitische Umfeld
auf die wirtschaftliche Entwicklung, die Einschätzungen
und die Erwartungen auswirkt. Dass das etwas schwä-
cher gewordene wirtschaftliche Umfeld in Europa auch
für Deutschland als das Land, das am meisten von der
wirtschaftlichen und politischen Integration Europas
profitiert, Auswirkungen hat, ist auch nicht zu bestreiten.
Deswegen ist es für uns entscheidend und wichtig, dass
wir in Europa Stabilitätsanker und Wachstumslokomo-
tive und zugleich Anker von Verlässlichkeit und Ver-
trauen bleiben. Wenn wir uns nicht an die Regeln in
Europa halten, können wir es auch nicht von anderen er-
warten. Schließlich haben wir es leichter als andere.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Damit es da gar keinen Zweifel gibt: Wir haben nach
wie vor eine gesamtstaatliche Schuldenstandsquote im
Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von annähernd
75 Prozent. Wir werden sie in den nächsten Jahren auf
unter 70 Prozent zurückführen.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja, das sollten wir nicht vergessen!)


Wir erfüllen damit – und nur damit – die Verpflichtung
des europäischen Regelwerks, dass wir bis in die
2020er-Jahre unsere Schuldenstandsquote auf 60 Pro-
zent unserer gesamtwirtschaftlichen Leistungskraft zu-
rückführen. Deswegen sage ich noch einmal: Wenn wir
uns nicht an die europäischen Regeln halten, wie sollen
wir es dann von anderen, die es aktuell schwerer haben,
verlangen? Deswegen ist es wichtig, dass wir diese Fi-
nanzpolitik machen, auch als Beitrag zur Überwindung
der Schwierigkeiten in Europa.

Weil Sie den G-20-Gipfel in Brisbane und anderes an-
gesprochen haben, will ich folgende Bemerkung ma-
chen: Auf dem G-20-Gipfel haben wir wieder und wie-
der erklärt – am Ende ist das von den Staats- und
Regierungschefs in Brisbane genau so in der Gipfeler-
klärung beschlossen worden –: Für ein nachhaltiges
Wachstum sind Strukturreformen, mehr Investitionen
und eine nachhaltige Finanzpolitik entscheidend. Eine
nachhaltige Finanzpolitik wird immer vergessen.

Wie man sagen kann, wir könnten mehr für die Infra-
struktur tun, indem wir die Ausgaben für den Autobahn-
bau kürzen – auch das haben Sie in Ihrer Rede gesagt –,
hat sich mir nicht ganz erschlossen. Wenn wir Probleme
bei der Verkehrsinfrastruktur haben, sollten wir viel-
leicht mehr dafür tun, dass wir dort, wo Bedarf ist, zum
Beispiel bei den Bundesfernstraßen, investieren. Man
kann doch nicht sagen, wir müssten dort kürzen. Da
mussten Sie Ihren Kotau vor der umweltpolitischen
Komponente Ihres Parteitages, der gerade stattgefunden
hat, machen. Das sei Ihnen verziehen, aber Sie verlieren
ein bisschen Seriosität mit dieser Argumentation.


(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, Herr Schäuble! Das ist doch Umschichten im Haushalt! Das wissen Sie doch!)


Es gilt auch in Europa: nachhaltige Finanzpolitik. Na-
türlich muss das in jedem Land nach den jeweiligen
Möglichkeiten erfolgen. Diesen Zusammenhang wird
die Europäische Kommission, die sich neu gebildet hat,
berücksichtigen, wenn sie die Haushalte der Mitglied-
staaten jetzt beurteilt. Sie wird zu allen ihre Kommentare
abgeben, und wir werden darüber in den europäischen
Räten zu beraten und zu befinden haben. Das geschieht
auf der Grundlage der Entscheidungen der Europäischen
Kommission.

Aber kein Zweifel kann daran bestehen, dass wir alle,
wo notwendig, Strukturreformen fortsetzen müssen.
Wenn Europa nicht insgesamt daran arbeitet, wettbe-
werbsfähig zu bleiben oder wieder zu werden, dann wird
Europa insgesamt irrelevant werden. Wir wollen, dass
Europa insgesamt stark wird. Dazu leistet die deutsche
Finanzpolitik einen Beitrag, nicht mehr, aber auch nicht
weniger.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deswegen werden wir auch im Rahmen dieser Fi-
nanzpolitik, aber eben nicht anstelle einer soliden und
nachhaltigen Finanzpolitik, alle Spielräume für zusätzli-
che Investitionen nutzen. Vielleicht ist es doch manch-
mal ganz nützlich, das Jahresgutachten des Sachverstän-
digenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Da-
rin ist wieder einmal – das tun andere Stellen auch; die
Bundesbank schreibt es in jedem Monatsbericht – dieses





Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble


(A) (C)



(D)(B)

Gerede von der angeblichen Investitionslücke in Deutsch-
land ein ganzes Stück weit relativiert worden.

Sie sollten nicht irgendjemandem nachplappern. Wir
haben, Bezug nehmend auf die Vereinten Nationen
– deswegen erfolgte übrigens die Berichtigung in den
europäischen Haushalten, die in anderen Mitgliedslän-
dern zu großer Erregung geführt haben –, endlich im
Rahmen der Revision der volkswirtschaftlichen Gesamt-
rechnung die Ausgaben für Forschung und Entwicklung
in die Investitionsausgaben einbezogen. Mit dieser Neu-
berechnung stehen wir im internationalen Vergleich aus-
gesprochen gut da.

Ich will auch auf die Investitionen der privaten Wirt-
schaft hinweisen. Deutschlands 45 größte Unternehmen
haben ihre Ausgaben für Forschung und Entwicklung al-
lein zwischen Juli 2013 und Juli 2014 um 11,3 Prozent
erhöht. Weltweit ist der Trend rückläufig. Es ist auch in
der privaten Wirtschaft nicht so, dass es dort eine Inves-
titionslücke gäbe. Einer plappert die falsche Nachricht
des anderen nach. Das stimmt überhaupt nicht.

Man muss im Übrigen in Europa an Folgendes erin-
nern: Wenn man zu den Investitionen nur Bauinvestitio-
nen rechnet, dann dürften wir eigentlich in einigen
Ländern keine Probleme haben. Wenn ich mir manche
Investitionsruinen, die auch durch europäische Pro-
gramme finanziert wurden, anschaue, dann muss ich sa-
gen: Die Reduzierung von Infrastruktur und Investitio-
nen nur auf Beton macht nicht unbedingt Sinn.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das hat ja keiner gesagt!)


Das kann man in manchen Teilen Europas besichtigen.

Entscheidend ist, dass wir vor allen Dingen mehr für
Forschung und Entwicklung tun. Indem diese Ausgaben
in die Investitionsquote einbezogen werden, liegen wir
in Deutschland über dem europäischen Durchschnitt und
nicht darunter. Das muss wenigstens einmal zur Kennt-
nis genommen werden.

Im Übrigen sind wir uns darüber einig – Sie werden
es spätestens bei den Verhandlungen zur Neuordnung
der Bund-Länder-Finanzbeziehungen sehen –, dass die
Hauptträger öffentlicher Investitionen die Länder und
vor allem die Kommunen sind. Die haben den größten
Bedarf. Gesamtstaatlich sind die Investitionen in Deutsch-
land stark gestiegen; die Investitionen von Bund, Län-
dern und Kommunen sind insgesamt massiv gestiegen.
Die Kommunen haben im ersten Halbjahr ihre Investi-
tionen um insgesamt 17 Prozent erhöht. Die darin ent-
haltenen Bauinvestitionen sind um 15 Prozent gestiegen.

Auch der Bund wird in dieser Legislaturperiode über
die zusätzlichen 5 Milliarden Euro für öffentliche Ver-
kehrsinfrastruktur hinaus, die wir im Koalitionsvertrag
vereinbart haben, investieren. Wir haben immer gesagt:
Soweit wir Spielräume haben, werden wir zusätzlich in-
vestieren. Gemeint sind nicht die großen Programme;
das habe ich auch nicht behauptet. Wir werden an dieser
Finanzpolitik festhalten und die zusätzlichen Spielräume
für die Verstärkung der Investitionen nutzen, wie es auch
der Haushaltsausschuss in den letzten Jahren immer wie-
der beschlossen hat.

Aber entscheidend ist, dass wir in Forschung und Ent-
wicklung investieren. Keine Regierung hat jemals mehr
Ausgaben für Forschung, Bildung und Entwicklung ge-
tätigt als die von der Bundeskanzlerin Angela Merkel
geführten Regierungen. Das ist der Schlüssel für den Er-
folg unseres Landes.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir, der Bund, haben die Kommunen durch die voll-
ständige Übernahme der Grundsicherung im Alter ent-
lastet. Vieles ist ja schon vergessen. In den Jahren 2012
bis 2017 findet eine Entlastung der Kommunen um über
25 Milliarden Euro statt. Das ist die Grundlage für mehr
Investitionen. Wir haben dafür gesorgt, dass sämtliche
Ausgaben für das BAföG vom Bundeshaushalt über-
nommen werden. Die Länder haben zugesagt – ich
hoffe, dass sie diese Zusage nicht vergessen haben –,
dass sie die Mittel, die sie dadurch sparen, zusätzlich in
Schule und Hochschule investieren. So fördert der Bund
nicht nur seine eigene Investitionstätigkeit, sondern auch
die von Ländern und Gemeinden. Diesen Weg werden
wir fortsetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen – Kollege
Kahrs hat es eben gesagt –: Einmal die Null zu präsen-
tieren – der Moment ist für manche sicherlich schön; ich
habe schöne Momente wie diesen fast hinter mir –, ist
überhaupt nicht relevant. Entscheidend ist, dass wir da-
ran festhalten: Wir werden die Finanzpolitik als einen
Schlüssel für eine Politik nachhaltigen Wirtschafts-
wachstums nur fortsetzen können, wenn wir das tun,
Herr Kollege Kahrs, was Sie gerade gesagt haben – ob es
ein bisschen schwieriger wird oder ob es einfacher
wird –: daran festhalten, eine berechenbare, verlässliche
Finanzpolitik zu betreiben. Sie ist ein Anker für die wirt-
schaftliche Entwicklung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns doch
in dieser Debatte nicht unterschlagen, dass diese Politik
einen maßgeblichen Beitrag dazu geleistet hat, dass die
wirtschaftliche Lage in Deutschland besser ist als in al-
len europäischen Ländern,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)


dass wir eine Lage am Arbeitsmarkt haben, wie wir sie
niemals in den letzten 25 Jahren, seit dem Fall der
Mauer, hatten, dass die Realeinkommen der Beschäftig-
ten in diesem Jahr stärker gestiegen sind – es kommt
also etwas bei den Menschen an – als in den letzten Jah-
ren. Das heißt, die Menschen haben etwas von einer soli-
den Finanzpolitik. Deswegen bitte ich Sie, dass wir ge-
nau daran festhalten.

Herzlichen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD)







(A) (C)



(D)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806800800

Für die Fraktion Die Linke erhält nun der Kollege

Troost das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Axel Troost (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806800900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Bundesfinanzminister ist nicht nur für den Bundeshaus-
halt zuständig, sondern bundesseitig auch für den Pro-
zess des Länderfinanzausgleichs. Dazu möchte ich meine
Rede heute halten.

Bis 2019 laufen zentrale Elemente des Länderfinanz-
ausgleichs aus und müssen neu verhandelt werden – eine
große Aufgabe, weil Länderfinanzausgleich heißt, einen
Ausgleich zwischen finanzstarken und finanzschwachen
Ländern und ihren Gemeinden zu schaffen. Die Gemein-
den sind in diesem Zusammenhang immer ganz wichtig;
die kommunalen Finanzen hängen vom Länderfinanz-
ausgleich zentral ab.

Das Ganze ist eine große Aufgabe. Alle hatten eigent-
lich erwartet, dass man zu ihrer Erfüllung wieder eine
Föderalismuskommission, die Föderalismuskommis-
sion III, einsetzt. Die Große Koalition ist einen anderen
Weg gegangen. Sie hat gesagt: Wir brauchen keine neue
Föderalismuskommission; wir regeln das irgendwie so. –
Dann haben auf einmal die Bundeskanzlerin und der
Finanzminister gemeinsam mit den Ministerpräsidenten
im Sommer gesagt: Wir machen das jetzt ganz schnell;
wir versuchen bis zum 11. Dezember dieses Jahres, das
in Geheimverhandlungen schnell zustande zu bringen.
Dies ist im völligen Chaos geendet und muss jetzt erst
einmal neu angegangen werden.

Wir haben bereits bei der Föderalismuskommission II
kritisiert, dass die Länderparlamente und Kommunen
nicht mit am Tisch waren, obwohl sie zentrale Elemente
sind. Diesmal ist es so: Der Bundestag ist außen vor, die
Länderparlamente sind außen vor, die Kommunen wer-
den überhaupt nicht gefragt, und dies ist ein Skandal.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das Ergebnis, das jetzt vorliegt, ist, dass wir eine völ-
lige Zerstrittenheit zwischen dem Bund und den 16 Bun-
desländern haben und das Ganze erst einmal, wie eine
Zeitung geschrieben hat, im Abklingbecken hängt. Das
ist aber natürlich auch eine Chance, weil nach wie vor
der Artikel 72 des Grundgesetzes die Herstellung gleich-
wertiger Lebensverhältnisse vorschreibt, und das heißt
eben nicht „Ellenbogenprinzip“ – jedes Bundesland
kämpft für sich selbst –, sondern das heißt, gemeinsam
ein Konzept zu entwickeln: Wie könnte ein solidarischer
Finanzausgleich aussehen?


(Beifall bei der LINKEN)


Dazu sind faire und transparente Verhandlungen notwen-
dig.

Die Linke hat sich sehr intensiv mit dieser Frage be-
schäftigt, hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gebildet
und dort ein sehr gutes, so glaube ich, Konzept ausgear-
beitet. Alle, die das interessiert, können das auf meiner
Internetseite einsehen. Es gibt eine Langfassung. Es gibt
eine Kurzfassung. Es gibt eine relativ populär gehaltene
Broschüre, in der dargestellt ist, nach welchen Prinzipien
man eigentlich vorgehen müsste. Da ich lediglich fünf
Minuten Redezeit habe, will ich hier an dieser Stelle nur
vier Punkte einbringen:

Erstens. Die reichen Bundesländer mit reichen Kom-
munen können sich insofern nach wie vor armrechnen,
als ein Teil der kommunalen Steuereinnahmen nicht in
den Länderfinanzausgleich einfließt. Es gibt sogar Posi-
tionen, die sagen: Das soll noch stärker der Fall sein. Wir
sind der Ansicht: Die kommunalen Einnahmen müssen
zu 100 Prozent mit berücksichtigt werden. Das führt
dazu, dass die strukturschwachen Länder in Ost und
West deutlich besser dastehen, als es jetzt der Fall ist.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Zweitens. Auf der Kostenseite – das ist auch ganz
zentral – muss die Strukturblindheit aufhören. Wir haben
arme Kommunen, die durch die Sozialausgaben immer
mehr in Bedrängnis geraten sind. Deswegen sagen wir:
Alle bundeseinheitlich geregelten Sozialleistungen müs-
sen im Länderfinanzausgleich Berücksichtigung finden,
dazu zählen die Ausgaben nach dem Sozialgesetz-
buch II, für Arbeitslose, Asylsuchende, sozial benachtei-
ligte Kinder und vieles andere mehr. Das entspricht nur
dem Konnexitätsprinzip. Das ist vom Bund so beschlos-
sen worden, und der Bund soll die Ausgaben dann auch
entsprechend übernehmen. Man kann über Ausgleichs-
zahlungen nachdenken, aber die Situation, dass struktur-
schwache Regionen immer weiter abstürzen, wird damit
geheilt.

Drittens. Wir glauben, dass auch die Zinszahlungen in
Zeiten der Schuldenbremse vergemeinschaftet werden
müssen, und fordern deswegen einen bundeseinheit-
lichen Länderaltschuldenfonds, in den auch die Schul-
den der Kommunen mit einfließen, um die entsprechen-
den Zinszahlungen gemeinsam zu tragen.

Viertens. Wir brauchen weiterhin einen Solidarpakt III
als Ergänzung, als Erweiterung des Solidarpakts II, nicht
mehr bezogen auf Ost und West, sondern auf alle struk-
turschwachen Regionen. Wer den Soli abschaffen will,
schafft Solidarität ab. Das, was die Ministerpräsidenten
von SPD und Grünen jetzt beschlossen haben, nämlich
„Wir legen das einfach auf die Länder und Kommunen
um“, heißt: Da, wo viel Geld ist, kommt noch viel mehr
dazu, und da, wo wenig ist, kommt auch nur wenig dazu.
– Deswegen: Der Solidarpakt muss sozusagen verlängert
werden. Der Soli muss für gemeinschaftliche Ausgaben
weiter genutzt werden.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806801000

Für die SPD-Fraktion erhält der Kollege Carsten

Schneider das Wort.


(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Bravo! Guter Mann!)


(B)







(A) (C)



(D)(B)


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1806801100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als

wir 2009 hier im Bundestag die Schuldenbremse be-
schlossen haben, waren wir in einer schwierigen wirt-
schaftlichen Lage. Wir hatten bei der Wirtschaftsleistung
Deutschlands einen Rückgang um knapp 5 Prozent, das
heißt den stärksten Konjunktureinbruch, den es jemals
gab. Wir haben 2010 einen Haushalt aufgestellt, der auf
diese schlechte wirtschaftliche Lage mit einem Konjunk-
turprogramm und einer Neuverschuldung von über
80 Milliarden Euro reagiert hat.

Heute geht es um den Haushalt 2015, und wir befin-
den uns in der Situation, dass wir das erste Mal seit vier
Jahrzehnten einen Haushalt ohne Neuverschuldung auf-
gestellt haben. Das ist ein gewaltiger Akt. Ich hätte mir
2009, als wir das Vorgenannte hier im Bundestag be-
schlossen haben, nicht vorstellen können, dass wir dieses
Ziel in der Kürze der Zeit erreichen. Das verdient Aner-
kennung.


(Beifall bei der SPD)


Das ist vor allen Dingen darauf zurückzuführen, dass
wir – im Gegensatz zu allen anderen europäischen Län-
dern – mittlerweile wieder ein Niveau der Wirtschafts-
leistung erreicht haben, das deutlich über dem vor der
Krise liegt. Damit gehen natürlich die gute Steuerbasis,
höhere Abschlüsse bei den Löhnen und geringere Sozial-
ausgaben einher. Ganz entscheidend ist – darauf ist hier
schon hingewiesen worden –, dass aufgrund der schlech-
ten wirtschaftlichen Situation in vielen anderen europäi-
schen Ländern, der Anpassungsprozesse, die dort statt-
finden, das Zinsniveau extrem niedrig, ja, unnatürlich
niedrig ist. Davon profitieren auch wir. Man kann nicht
auf der einen Seite die EZB dafür kritisieren, dass sie die
Zinsen auf ein Niveau senkt, das auf die – ich will nicht
sagen – Deflationstendenzen, aber doch die Gefahr re-
agiert und somit versucht, die Wirtschaft in der EU ins-
gesamt wieder in Gang zu setzen, während wir auf der
anderen Seite dadurch Gewinne verzeichnen, dass wir
geringere Zinsausgaben haben. Das geht nicht. Ich finde,
man muss dort kohärent sein. Das heißt, wir brauchen
auf europäischer Ebene nicht nur die EZB als einzig han-
delnden Akteur, sondern wir müssen auch als nationale
Regierung, als nationale Parlamente unserer Verantwor-
tung gerecht werden.

Dazu gehört dann auch ein Blick in die geänderten
europäischen Rechtsvorschriften. Hier wird zu Recht auf
die Einhaltung der Maastricht-Kriterien in ihrer Form
durch die sogenannten Twopacks und Sixpacks hinge-
wiesen. Wir haben die Konsequenzen daraus gezogen,
dass es nicht nur um die starre Einhaltung dieser Krite-
rien, maximal 3 Prozent Neuverschuldung und maxi-
maler Schuldenstand von 60 Prozent des BIP – da sind
wir deutlich darüber – geht, sondern wir haben auch ma-
kroökonomische Fragen mit in den Blick genommen, so
etwa die Frage von Ungleichgewichten in den Leistungs-
bilanzen. Wenn wir wegen der Haushaltsdefizite mit
dem Finger auf Frankreich zeigen, mahne ich auch an:
Ja, Frankreich muss sich strukturell reformieren und zu-
sehen, dass alle Steuereinnahmen, die möglich sind,
auch generiert werden. Ich sage das auch mit voller Un-
terstützung dafür, dass das französische Parlament be-
rechtigterweise unserer Forderung jetzt entgegengekom-
men ist, die Bankenabgabe nicht steuerlich abzugsfähig
zu machen. Es ist ein großer Schritt, wenn zwei europäi-
sche Länder das nicht tun und die Kosten der Finanz-
krise quasi nicht den Steuerzahlern angelastet werden.

Aber ein weiterer Blick auf Deutschland gehört dazu.
Dieser weitere Blick zielt auf den Leistungsbilanzüber-
schuss. Wir haben uns im Rahmen der Veränderung des
Stabilitätspaktes durch das Sixpack verpflichtet, dass der
Leistungsbilanzüberschuss maximal 6 Prozent betragen
soll. Selbst das geht auf Dauer nicht, sondern wir brau-
chen eigentlich einen Ausgleich. Nun sind wir in
Deutschland im vergangenen Jahr bei 7,5 Prozent gewe-
sen. In diesem Jahr wird der Überschuss wahrscheinlich
noch höher sein. Das alles muss uns in Alarmstimmung
versetzen; denn die Schuldscheine, die wir für das be-
kommen, was wir heute exportieren – ich sage einmal:
den Porsche oder den BMW –, werden wir nur zurück-
gezahlt bekommen, wenn die anderen Länder tatsächlich
wieder auf die Beine kommen. Das werden sie nur, wenn
wir unsere Binnennachfrage und unsere Investitionen in
Deutschland stärken.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich als Sozialdemokrat sage – Minister Schäuble, da
haben wir einen Dissens –, die Investitionen in Deutsch-
land sind zu niedrig, sowohl im öffentlichen Bereich als
auch im privatwirtschaftlichen Bereich. Ich habe mir das
sehr genau angesehen. Ich beziehe mich auf den Präsi-
denten des ZEW – er ist Vorsitzender des Wissenschaft-
lichen Beirates des Bundesfinanzministeriums –, Herrn
Fuest. Er hat gesagt, wir müssten jetzt theoretisch sogar
eine höhere Verschuldung in Kauf nehmen, um mehr zu
investieren. Wir folgen an dieser Stelle seinem Rat nicht.
Aber ich finde das bemerkenswert. Schauen wir uns die
Zahlen des DIW an. Sie zeigen, dass die Infrastrukturlü-
cke bei fast 80 Milliarden Euro liegt. Wir müssen also
deutlich mehr in den Erhalt unserer Infrastruktur inves-
tieren. Es ist richtig, dass wir mehr in Forschung inves-
tiert haben. Ich bin auch froh, dass die Unternehmen dies
tun. Das ist ein großer Unterschied zu Italien zum Bei-
spiel, wo die Unternehmen fast nicht in den Forschungs-
bereich investieren.

Gerade als Transitland müssen wir eine exzellente In-
frastruktur zur Verfügung stellen. Da nagt der Zahn der
Zeit. Das ist nicht so sehr in meinem Heimatbundesland
Thüringen der Fall; da ist in den vergangenen zwei Jahr-
zehnten sehr viel investiert worden. Aber wenn ich den
Blick auf Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen oder an-
dere Bundesländer werfe, dann sehe ich den Nachholbe-
darf. Wir werden zusätzliche Mittel in die Hand nehmen
müssen, um die Infrastruktur in Deutschland auf dem ex-
zellenten Niveau zu halten, das wir als entwickelte
Volkswirtschaft letztendlich brauchen.


(Beifall bei der SPD)


Der erste Schritt dazu ist, dass wir zusätzlich 10 Mil-
liarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen. Ich
halte das für absolut richtig. Wir werden in den nächsten





Carsten Schneider (Erfurt)



(A) (C)



(D)(B)

ein bis zwei Monaten entscheiden, wie wir diese Mittel
einsetzen werden.

Der zweite Schritt ist, dafür Sorge zu tragen, dass die
Unternehmen mehr investieren. Wir haben derzeit die
Situation, dass die kleinen und mittelständischen Unter-
nehmen Beschäftigung aufbauen und dass sie zusätzli-
che Investitionen in Deutschland voranbringen, dass es
aber gerade im Bereich der Großunternehmen keinen
Anstieg bei den Nettoinvestitionen gibt. Das hat viel da-
mit zu tun, dass diese Unternehmen im Ausland neue Fa-
briken aufbauen. Beispielsweise investiert BASF fast
1 Milliarde Euro in den USA. Unternehmen wie VW ge-
hen verstärkt auf die ausländischen Märkte. Wir müssen
aufpassen, dass der Markt in Deutschland für die großen
Unternehmen wichtig bleibt.

Deswegen sind Themen wie das Freihandelsabkom-
men und die Energieversorgung ganz zentral für die
Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Wir müs-
sen dafür Sorge tragen, dass sie auch leistungsfähig
bleibt, damit sich die positive Lohnentwicklung, die wir
jetzt haben und die sich in den nächsten Jahren aufgrund
des gesetzlichen Mindestlohns noch verstärken wird,
fortsetzt. Es ist ja nicht nur so, dass der gesetzliche Min-
destlohn für über 4 Millionen Menschen – da zitiere ich
Thomas Oppermann – die größte Lohnerhöhung sein
wird, die sie je bekommen haben, sondern auch die an-
deren Löhne werden nachziehen und zu einer höheren
Binnennachfrage führen. Das unterstützen wir; denn das
ist richtig. Ich hoffe, dass die Gewerkschaften auch hö-
here Löhne durchsetzen werden.


(Beifall bei der SPD)


Der Kollege Troost – das ist meine letzte Bemerkung –
hat die Bund-Länder-Finanzbeziehungen angesprochen.
Darüber verhandeln wir gerade in der Koalition. Ich
glaube, dass die Union klären muss, was sie tatsächlich
will. Man kann nicht sagen, dass es sich bei unseren Vor-
schlägen um eine Steuererhöhung handelt – eine entspre-
chende Äußerung des bayrischen Finanzministers habe
ich heute in der Zeitung gelesen –, wenn die Summe der
Steuereinnahmen gleich bleibt. Das erschließt sich mir
nicht. Das ist bayrische Mathematik; vielleicht wird Ma-
thematik in Bayern anders gelehrt. Ich kann das jeden-
falls nicht erkennen.

Wir sind der Auffassung: Wir brauchen einen leis-
tungsfähigen Staat. Wir brauchen die Mittel, die durch
den Soli eingenommen werden. Das sind 19 Milliarden
Euro.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit der Gießkanne!)


Die frei verfügbare Finanzmasse des Bundeshaushalts
sind jährlich etwa 30 Milliarden Euro. Die 20 Milliarden
Euro, die wir im Jahr 2020 zur Verfügung haben – 2019
sind es 19 Milliarden Euro –, können also gar nicht weg-
fallen; es sei denn, man würde die Mütterrente, die in
2019 6 Milliarden Euro pro anno kostet und die wir im
Moment noch nicht aus dem Haushalt finanzieren, wie-
der rückgängig machen –

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806801200

Herr Kollege Schneider.


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1806801300

– oder man würde die Ausgaben für die sozialen Si-

cherungssysteme kürzen. Aber das wollen wir Sozialde-
mokraten nicht. Herr Präsident, Sie wollen das sicherlich
auch nicht.

Ich komme zum Schluss und sage: Ich hoffe auf einen
zügigen Klärungsprozess und darauf, dass wir diese
wichtige Frage der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zü-
gig und schnell in dieser Legislaturperiode klären kön-
nen.

Danke.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da muss sich die SPD aber ein bisschen anstrengen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806801400

Ich verstehe ja, dass alle Haushaltspolitiker die Posi-

tionen im Bundeshaushalt möglichst alle der Reihe nach
einzeln erläutern wollen. Das wird aber im Rahmen der
verfügbaren Beratungszeit technisch nicht machbar sein.
Deswegen werden wir uns immer wieder ein bisschen
zwischen dem Erläuterungsbedürfnis und dem verfügba-
ren Zeitrahmen disziplinieren müssen.

Nun hat der Kollege Lindner das Wort für Bünd-
nis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hört ja in
dieser Debatte alle möglichen Begriffe: Es ist die Rede
vom Beginn einer neuen Ära oder von einer historischen
Leistung. Da muss man sich doch mal im Detail an-
schauen – ich bin dem Kollegen Kahrs für seine entlar-
vende Ehrlichkeit fast schon dankbar –, was denn tat-
sächlich passiert: Sie haben, liebe Kolleginnen und
Kollegen, die Ausgaben und damit im Wesentlichen die
Struktur dieses Haushalts konstant gehalten – man
könnte auch sagen: Sie haben nichts gemacht –; gleich-
zeitig haben Sie auf steigende Steuereinnahmen gewet-
tet. Deswegen kommen Sie bei ökonomischem Schön-
wetter, in Zeiten, wo es diesem Land gut geht, am Ende
bei null neuen Schulden heraus. Eine Großtat, meine Da-
men und Herren, ist das nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Wenn wir über ökonomisch gute Zeiten reden, dann
sollten vor allem Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen
aus der Unionsfraktion, bedenken, warum es Deutsch-
land heute ökonomisch so gut geht. Das liegt nämlich im
Wesentlichen an den mutigen Entscheidungen vieler mu-
tiger Frauen und Männer vor zehn Jahren hier in diesem
Plenarsaal, die mit wichtigen Reformen in diesem Land





Dr. Tobias Lindner


(A) (C)



(D)(B)

einige Strukturen verändert haben, das liegt nicht an der
Arbeitsverweigerung der CDU/CSU, die seit 2005 in
diesem Land Verantwortung trägt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Lieber Herr Schäuble, Sie haben hier heute Morgen
versucht, einen Disput aufzumachen, der so gar nicht be-
steht. Es geht nicht darum, dass Sie keine neuen Schul-
den wollen und die Opposition, wir Grüne, etwa neue
Schulden machen würden. Ganz im Gegenteil, wir haben
Ihnen in diesen Haushaltsberatungen dezidiert dargelegt,
wie wir unsere Schwerpunkte finanzieren würden: wo
wir Ausgaben streichen würden, wo wir priorisieren
würden, wo wir umweltschädliche Subventionen kürzen
würden. Es geht darum, wie Sie zu null neuen Schulden
kommen. In der Tat befindet sich in Ihrem Haushalt eine
ganze Menge an Nullen: Es gibt null Fortschritt dabei,
dass wir bei den Bildungs- und Forschungsausgaben ir-
gendwie einmal aus dem Bereich unterhalb des OECD-
Durchschnitts herauskommen. Das ist eine Null, die Sie
in Ihrem Haushalt haben. Es gibt null Fortschritt, wenn
es darum geht, den Verfall unserer öffentlichen Infra-
struktur zu verhindern. Das ist eine Null, die Sie in Ih-
rem Haushalt haben. Und es gibt null Anstrengungen
dafür, sicherzustellen, dass es den Menschen in Deutsch-
land auch noch in 10, 15 oder 20 Jahren ökonomisch gut
geht. Das sind die Nullen in Ihrem Haushalt, meine Da-
men und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Heute Morgen wurde an Franz Josef Strauß erinnert,
an die Zeit vor über 40 Jahren. So sieht, muss man ehr-
lich sagen, leider auch die Energiepolitik aus, die sich in
Ihrem Haushalt manifestiert: Sie halten mit Ihren Ent-
scheidungen an Kraftwerken fest, die zu einem Zeit-
punkt in Betrieb genommen wurden, als Sepp Herberger
noch Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft
war. Das ist es, was Ihren Haushalt unter anderem auch
zukunftsvergessen macht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Thomas Oppermann [SPD]: Nichts gegen Sepp Herberger!)


– Nichts gegen Sepp Herberger, da haben Sie voll und
ganz recht, Herr Kollege Oppermann; aber ich habe et-
was gegen eine Energiepolitik aus der Zeit von Sepp
Herberger,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und leider haben Sie mit diesem Haushalt, was eine an-
dere Energiepolitik betrifft, nicht geliefert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Großen Ko-
alition, wenn ich mir Ihren Haushaltsplan so anschaue,
dann fühle ich mich fatal an ein Projekt der letzten Gro-
ßen Koalition erinnert, an den Versuch, die Deutsche
Bahn an die Börse zu bringen. Da hat man nicht nach
links und nicht nach rechts geschaut und dieses Unter-
nehmen auf Rendite optimiert und dabei das Schienen-
netz fast verrotten lassen. Was machen Sie mit dem Bun-
deshaushalt 2015? Sie schauen in Ihrem Haushalt auf
den Fetisch Nettokreditaufnahme und fahren dabei die-
ses Land auf Verschleiß.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Lieber Wolfgang Schäuble, in gewisser Art und Weise
sind Sie der Hartmut Mehdorn der deutschen Finanzpoli-
tik.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


Ich glaube, das lässt sich auch an Ihren eigenen Ansprü-
chen nicht messen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Wir Grüne haben in diesen Haushaltsberatungen ge-
zeigt, dass eine Haushaltspolitik ohne neue Schulden
möglich ist, mit den richtigen Schwerpunkten.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: 8 Milliarden Euro neue Ausgaben!)


Wo wir diese setzen würden, das werden wir mit Ihnen
in den kommenden Tagen noch Ressort für Ressort
durchgehen. Vielleicht verbessert sich dann bis Freitag
auch noch etwas an Ihrem Haushalt; wir geben Ihnen zu-
mindest die Möglichkeit dazu.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806801500

Ich erteile das Wort dem Kollegen Norbert

Brackmann für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Norbert Brackmann (CDU):
Rede ID: ID1806801600

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Lieber Kollege Lindner, es bleibt dabei: Die
schwarze Null ist eine historische Leistung. Sie ist es,
weil wir das erste Mal seit 46 Jahren so haushalten, dass
sich Einnahmen und Ausgaben decken. Wir machen
endlich Schluss damit, Schuldenmachen für normal zu
halten. Jahrzehntelang wurde geglaubt, dass Demokratie
und Schulden zusammengehören.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie kommen Sie darauf, dass das geglaubt wurde? Das haben wir einfach so praktiziert!)


Noch immer meinen einige Experten aus Wirtschaft und
Wissenschaft, Schuldenmachen sei nötig, um das politi-
sche Leben und die Wirtschaft am Laufen zu halten.
Heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, bewei-
sen wir das genaue Gegenteil.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)






Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)

Wir demonstrieren, dass eine Demokratie ohne neue
Schulden auskommen und gleichzeitig eine leistungsfä-
hige Wirtschaft organisieren kann, und das, ohne in die
Taschen der Bürger zu greifen oder auf Kredite angewie-
sen zu sein.

Wir haben tatsächlich gespart. Der Haushalt 2015
sieht Ausgaben von 299,1 Milliarden Euro vor. Lieber
Herr Kollege Lindner, ich weise darauf hin: Das ist uns
nicht zugefallen. Wir haben 2012 noch 306,8 Milliarden
Euro ausgegeben, 2013 noch 307,8 Milliarden Euro, und
trotz aller Preissteigerungen, Tarifsteigerungen usw. ge-
ben wir 2015 nur 299,1 Milliarden Euro aus. Das ist der
Beleg für eine aktive Sparpolitik, die von dieser Regie-
rung betrieben wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Situation ist günstig. Die Beschäftigung – darauf
wird, wie ich meine, viel zu wenig eingegangen – ist die
höchste, die wir in der Bundesrepublik je hatten. Wer,
wenn nicht wir in dieser Großen Koalition, wann, wenn
nicht jetzt, soll ohne neue Schulden auskommen?

Wir sind mit dieser Politik glaubwürdig. Wir halten
Wort. Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise führen wir
die Neuverschuldung des Bundeshaushalts Jahr für Jahr
zurück. 2009 lag sie noch bei 44 Milliarden Euro, 2011
bei 17,3 Milliarden Euro, 2012 bei 22,5 Milliarden Euro,
2013 bei 22,1 Milliarden Euro. In diesem Jahr erreichen
wir hoffentlich eine Neuverschuldung von 6,5 Milliar-
den Euro, und 2015 schreiben wir die Null. Keine Neu-
verschuldung mehr – das ist der klare Kurs des Bundes-
finanzministers Schäuble und der Großen Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Damit sind wir Vorbild für ganz Europa. Im Koalitions-
vertrag haben wir 2013 das Ziel vereinbart, die Staatsver-
schuldung in den nächsten Jahren auf 60 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts zurückzuführen und damit die
europäischen Verpflichtungen aus dem Fiskalvertrag zu
erfüllen. Bis 2017 wollen wir die Staatsverschuldung auf
unter 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bringen. Mit
einer Staatsverschuldung von 82 Prozent des Brutto-
inlandsprodukts sind wir 2010 gestartet, 2011 waren es
80 Prozent, 2012 81 Prozent, 2013 78,4 Prozent; in die-
sem Jahr werden es 75,1 Prozent sein, und im nächsten
Jahr wird die Zahl noch weiter sinken. Wir sind also auf
dem richtigen Weg. Die schwarze Null ist der nächste
Schritt, um diesen Weg erfolgreich weiterzugehen,
meine sehr verehrten Damen und Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit diesem Haushalt schaffen wir Vertrauen in Inves-
titionen. Bei der Einführung der Schuldenbremse im
Jahr 2009 wurde ihre konjunkturelle Unverträglichkeit
kritisiert; angeblich würde sie das Wirtschaftswachstum
begrenzen. Deutschland hat sich seitdem zur Wachs-
tumslokomotive in Europa entwickelt. Die Wirtschaft
zeigt sich nach wie vor stabil. Bis 2016 sollte das struk-
turelle Defizit auf 0,35 Prozent des BIP zurückgeführt
werden. Schon 2015 soll das strukturelle Defizit minus
0,01 Prozent betragen. Damit wäre der Haushalt struktu-
rell schon mehr als ausgeglichen. Wir befinden uns auf
einem vernünftigen Zukunftsweg.

Die Finanzplanung sieht bis 2018 jedes Jahr einen
ausgeglichenen Haushalt vor. Das bringt der Wirtschaft,
den Bürgern, den Ländern und Kommunen gleicherma-
ßen Stabilität und Planungssicherheit. Es gilt noch im-
mer: Ohne Vertrauen gibt es keine Investitionen.

Die schwarze Null bedeutet aber nicht nur keine
Schulden und Solidität. Sie ist vielmehr Voraussetzung
für die Finanzierung wichtiger Zukunftsausgaben, und
das gleich zweifach. Zum einen müssen Zinsen natürlich
nur für Schulden bezahlt werden. Keine neuen Schulden
bedeuten also: keine neuen Zinsen. Zum anderen hat die
allgemeine Zinsentwicklung, aber mehr noch das Ver-
trauen in den Standort Deutschland dazu geführt, dass
uns Investoren zu sehr günstigen Konditionen – das
weltweit geringste Zinsniveau, deutlich besser als in den
anderen Ländern Europas – Geld gegeben haben.

Insgesamt muss der Bund 2015 rund 25,6 Milliarden
Euro für Zinsen ausgeben, 2009 waren es noch 38,1 Mil-
liarden Euro. Die gesunkenen Zinsausgaben verdanken
wir unserer soliden Haushaltspolitik.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch richtiger Quatsch!)


Allein gegenüber 2009 sparen wir jährlich über
12,5 Milliarden Euro an Zinsausgaben.


(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch gar nicht!)


Das ist das Ende der Schuldenpolitik. Das ist der Neu-
anfang einer soliden Zukunftspolitik. Das ist der Erfolg
dieser Großen Koalition.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)


Wir stärken Deutschland als Wissenschaftsstandort
durch Investitionen in Bildung und Forschung; denn wir
müssen an die Zukunft denken. 13,3 Milliarden Euro ha-
ben wir in den Jahren 2010 bis 2013 zusätzlich in Bildung
und Forschung investiert. In dieser Legislaturperiode
werden wir noch einmal 3 Milliarden Euro zusätzlich in-
vestieren. Allein im Haushalt 2015 steigern wir die Aus-
gaben dazu um zusätzlich 1 Milliarde Euro auf knapp
15,3 Milliarden Euro. Damit steht Deutschland derzeit
mit an der Spitze der internationalen Forschungsinvesti-
tionen. Wenn Sie hier etwas anderes behaupten, Kollege
Lindner, dann haben Sie eine selektive Wahrnehmung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden auch die berufliche Bildung in den Vor-
dergrund stellen; denn Innovationen alleine reichen nicht
aus, sie müssen in der Wirtschaft auch kompetent umge-
setzt werden. Das macht den Wirtschaftsstandort
Deutschland aus. Deshalb ist es vernünftig, unsere Stär-
ken weiter zu stärken.

Neben Bildung und Forschung werden wir in die digi-
tale Infrastruktur investieren. Mit der schnellen Breit-





Norbert Brackmann


(A) (C)



(D)(B)

bandtechnologie werden wir zukünftig unsere Infra-
struktur weiter stärken und unsere Wirtschaft besser
vernetzen. Wir investieren heute klug in die Bereiche,
die unsere wirtschaftliche Zukunft und damit Steuerein-
nahmen garantieren.

Im Haushalt 2014 lagen die Investitionen noch bei
25,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2015 werden die Investi-
tionen auf 26,453 Milliarden Euro angehoben. Das
10 Milliarden Euro schwere Investitionspaket wird ab
2016 weiterhin finanziellen Spielraum für Investitionen
geben: für Investitionen in Infrastruktur und in die wich-
tigen Bereiche Energieeffizienz in Gebäuden und ener-
gieoptimiertes Bauen. Wir haben damit den Haushalt
nachhaltig konsolidiert, ohne die notwendigen Investi-
tionen zu vernachlässigen.

Die schwarze Null ist Realität und wird in den kom-
menden Jahren zur Normalität. Das ist Ausdruck unserer
Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen
und unserer Verantwortung gegenüber den Steuerzah-
lern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806801700

Hans-Ulrich Krüger erhält nun das Wort für die SPD-

Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD):
Rede ID: ID1806801800

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! „Gestalten und verantwortungsbewusst spa-
ren“, dieses Motto haben wir uns zu Beginn der Haus-
haltsberatungen gegeben. Wir haben es bis zum heutigen
Tage eingehalten. 299,1 Milliarden Euro, das ist die
Summe, die wir im nächsten Jahr ausgeben wollen;
400 Millionen Euro weniger als noch im Regierungsent-
wurf enthalten. Das Investitionsvolumen beträgt
26,45 Milliarden Euro.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung ein Investi-
tionsprogramm von weiteren 10 Milliarden Euro ange-
kündigt, welches die Haushälter in ihrer Bereinigungs-
sitzung auf den Weg gebracht haben. Wir gehen davon
aus, dass Energieeffizienz, Gebäudesanierung und An-
reize für zusätzliche private Investoren hier die Kern-
punkte sein werden.

Der Haushalt 2015 stellt die Weichen in die richtige
Richtung. Allerdings muss – Carsten Schneider sprach
es schon an – in den nächsten Jahren darauf geachtet
werden, dass diese Haushaltsentwicklung bei den Men-
schen ankommt, und zwar auch in Form steigender Real-
löhne, damit auch diese an der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung teilhaben können und sehen: Es lohnt sich,
verantwortungsbewusst mit Finanzen umzugehen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Norbert Barthle [CDU/CSU])

Wir werden mit der Bereitstellung von zusätzlichen
5 Milliarden Euro die Verkehrsinfrastruktur weiter stär-
ken. Insgesamt steigen die Investitionen in diesem Be-
reich bis 2017 auf 12 Milliarden Euro. Wir werden die
Förderung von Forschung und Entwicklung mit weiteren
3 Milliarden Euro unterstützen, was beispielsweise der
Exzellenzinitiative und den Hightech-Strategien zugute-
kommt.

Auch das sollte an dieser Stelle nicht vergessen wer-
den: Wir haben durch die BAföG-Reform den Ländern
und Kommunen 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung ge-
stellt, die diese frei werdenden Mittel nunmehr in Schule
und Hochschule investieren können;


(Zuruf des Abg. Ralph Brinkhaus [CDU/ CSU])


daneben haben wir auch die BAföG-Sätze erhöht – bei-
des richtige Maßnahmen, die, denke ich, ihren Segen
werden entfalten können.


(Ralph Brinkhaus [CDU/CSU]: Nur in Nordrhein-Westfalen leider nicht!)


Wir haben das Bundesteilhabegesetz im Koalitions-
vertrag verankert und dort 5 Milliarden Euro zugunsten
der Kommunen festgeschrieben. 2015 und 2016 wird je
1 Milliarde Euro kommen. Ich gehe davon aus, dass wir
2017, wenn wir dieses Gesetz verabschiedet haben wer-
den, nicht bei 1 Milliarde Euro, sondern bei mindestens
3 Milliarden Euro stehen werden. Wünschenswert wäre
es natürlich auch, wenn wir im Jahre 2017 bereits die
5 Milliarden Euro erreicht hätten. Schau’n wir mal. Wir
werden dafür arbeiten und kämpfen.


(Beifall bei der SPD)


Auch der Ausbau der Kinderbetreuung liegt uns am
Herzen. Wir haben 5,4 Milliarden Euro für die Kommu-
nen für die Betreuung der unter Dreijährigen zur Verfü-
gung gestellt.

Das alles sind Summen, die sich sehen lassen können,
Summen, die man sich nicht kleinreden lassen sollte,
Summen, deren man sich nicht zu schämen braucht.

Es gibt natürlich noch andere Punkte, gerade auch im
Bereich der Sicherheit. Bei der Bundespolizei werden
neue Stellen geschaffen. Besseres Equipment und Fahr-
zeuge werden zur Verfügung gestellt. Das alles sind
Punkte, von denen wir sagen müssen: Sie kosten Geld,
aber es ist gut angelegtes Geld im Interesse unserer Bür-
gerinnen und Bürger, in unser aller Interesse: für unsere
Sicherheit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Im Haushalt 2014 haben wir gemeinsam schon einige
Akzente zugunsten der Hilfsorganisationen – ich spreche
hier insbesondere vom THW – gesetzt. Diese Akzente
haben wir verstärkt. Ich sehe es als eine große Leistung
von uns SPD-Haushältern an, dass wir noch einiges oben
draufgelegt haben. Das war zwar im Jahre 2014 schon
beabsichtigt, ist aber bei den Organisationen – ich sage
das einmal ein wenig euphemistisch – nicht in dem ge-
wünschten Umfang angekommen.





Dr. Hans-Ulrich Krüger


(A) (C)



(D)(B)

Wir werden dafür sorgen, dass künftig keine Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter des THW mehr in Unter-
künften ihren Dienst tun müssen, in denen das Wasser
von der Decke tropft. Anders ausgedrückt: Das Wasser
soll auch bei THW-Unterkünften aus dem Wasserhahn
und nicht durchs Dach kommen. – 27 Millionen Euro
sind vorgesehen, um marode Bausubstanz in einem kon-
tinuierlichen Prozess in einen vernünftigen Zustand zu
versetzen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir alle haben in unseren Wahlkreisen Denkmäler,
die den unterschiedlichsten Eigentümern und Institutio-
nen gehören, die erhaltenswert sind und ein Kulturerbe
darstellen. Diese können allerdings nicht immer in dem
gebotenen Umfang mit dem entsprechenden Geld finan-
ziert werden. Dass wir hierfür 100 Millionen Euro zur
Verfügung gestellt haben, zeigt, dass wir uns unserer
Tradition und unseres Erbes bewusst sind und dieses
auch für die Zukunft erhalten wollen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Noch einige Sätze zum Haushalt des Bundesfinanz-
ministers. Er ist, wie Sie alle wissen, ein verwaltungs-
orientierter Haushalt. 56 Prozent des Etats betreffen Per-
sonalausgaben. Hier haben wir gegenüber dem Haushalt
2014 einen Stellenzuwachs von 916 Stellen zu verzeich-
nen. Da dies eine hohe Zahl ist, lassen Sie mich etwas
dazu sagen: Diese 916 Stellen mehr sind die Folge der
Übernahme der Verwaltung der Kfz-Steuer zum 1. Juli
2014 durch den Zoll. Durch diese Übernahme werden
170 Millionen Euro nicht mehr zu zahlen sein, die wir
bislang im Wege der sogenannten Organleihe an die
Länder zu leisten hatten. Hier ist es also gelungen, ein
Plus von 30 bis 40 Millionen Euro für den Bundeshaus-
halt zu generieren – getreu dem Motto: verantwortungs-
bewusst sparen.

Wir haben noch eine große Aufgabe: die Kontrolle
der Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns. Diese
Aufgabe werden wir auch weiterhin beim Zoll etatisie-
ren. Wir werden dafür sorgen, dass das entsprechende
Personal zur Verfügung gestellt wird, um den Mindest-
lohn nicht zu einem zahnlosen Tiger werden zu lassen.
Wir brauchen ein effizientes Instrument zur Kontrolle
der gesetzlichen Vorgaben. Das wird passieren. Dieses
Vorhaben wird vom Finanzministerium durch ein eigens
dafür zuständiges Referat flankiert, das dafür sorgen
soll, dass durch Rechtsverordnungen und effiziente Be-
gleitung der Mindestlohn das wird, was wir wollen,
nämlich ein großer Erfolg – getreu dem Motto: verant-
wortungsbewusst sparen und gestalten.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806801900

Nächster Redner ist der Kollege Barthl Kalb für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1806802000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Auskommen mit dem, was man einnimmt – eigentlich
sollte das selbstverständlich sein,


(Johannes Kahrs [SPD]: Genau!)


war es aber nicht. Die Große Koalition hat es sich zum
Ziel gesetzt, die heute als historisches Ereignis gefeierte
schwarze Null wieder zu einer Selbstverständlichkeit zu
machen.

Die schwarze Null wurde oft ins Auge gefasst. 1999
sagte Hans Eichel: Die Bundesregierung will so schnell
wie möglich einen Haushalt ohne neue Schulden vorle-
gen. – 2008 Peer Steinbrück: Ab dem Haushaltsjahr 2011
wird der Bund keine neuen Schulden aufnehmen. – Es
ist immer anders gekommen. Wir kennen die Gründe da-
für; das ist keine Schuldzuweisung. Ich weiß auch, dass
Theo Waigel 1989/90 knapp davor war, einen ausgegli-
chenen Haushalt vorlegen zu können. Dann kam aber
– ich sage: Gott sei Dank – die Wiedervereinigung. Sie
hat uns vor neue, große Herausforderungen gestellt. Ich
sage hier 25 Jahre später freimütig: Ich empfinde es noch
immer als Glück und als Segen, dass die Teilung unseres
Landes mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl fried-
lich überwunden werden konnte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ab 2015
wollen wir auf Dauer mit dem auskommen, was wir ein-
nehmen, und das ohne Steuererhöhungen.


(Johannes Kahrs [SPD]: Genau!)


Sicher hat die Opposition recht, wenn sie sagt, dass wir
Glück haben, weil wir weniger Zinsen zahlen müssen
usw.; aber – das ist vorhin schon dargestellt worden –
auch das drückt aus, dass die internationale Finanzwelt
Vertrauen hat in die deutsche Wirtschaft und die deut-
sche Politik. Insofern ist auch das ein Ertrag unserer gu-
ten Arbeit, die in Deutschland geleistet wird – neben der
guten wirtschaftlichen Entwicklung, die wir vorzuwei-
sen haben, neben dem Höchststand an versicherungs-
pflichtig Beschäftigten und Erwerbstätigen.

Dies alles macht aber noch keinen ausgeglichenen
Haushalt. Dazu gehört auch die Ausgabendisziplin.
Dazu wiederum gehört, dass man der Versuchung wider-
steht, dass man dem Druck widersteht, der aufgebaut
wird mit dem Ziel, dass man an anderer Stelle großzügig
ist. Die unionsgeführten Bundesregierungen haben in
den vergangenen Jahren bei steigenden Einnahmen kon-
sequent strikte Ausgabendisziplin gewahrt. Diese Aus-
dauer wird nun belohnt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])


Wir können am Freitag dieser Woche einen ausgegli-
chenen Haushalt verabschieden, ohne dass Investitionen
in die Zukunft unseres Landes auf der Strecke bleiben.
In der mittelfristigen Finanzplanung bereits haben wir
alle zentralen Vorhaben des Koalitionsvertrags berück-
sichtigt: Wir stärken Bildung und Forschung, wir inves-





Bartholomäus Kalb


(A) (C)



(D)(B)

tieren mehr in Infrastruktur, und wir entlasten unsere
Kommunen und schaffen auch dort Investitionsspiel-
räume.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Darüber hinaus treffen wir bereits im Bundeshaus-
haltsplan 2015 die Vorkehrungen für zusätzliche Investi-
tionsmaßnahmen in den Jahren 2016, 2017 und 2018;
dafür ist Vorsorge getroffen. Das ist auch ein Ausdruck
von Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Zentrale Zu-
kunftsvorhaben wie die Steigerung der Energieeffizienz,
die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und der
Breitbandausbau werden dadurch beschleunigt vorange-
bracht. Der Bundeshaushalt 2015 schafft Vertrauen: Ver-
trauen der Bevölkerung und der Wirtschaft in die Politik
der Bundesregierung, aber auch Vertrauen unserer euro-
päischen Partner in die Bundesrepublik Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sollten die Wirkung dieses Vertrauens auf die
gesellschaftliche Stabilität und das wirtschaftliche Wachs-
tum nicht unterschätzen. Vertrauen und öffentliche In-
vestitionen sind wichtige Grundlagen für wirtschaftli-
ches Wachstum, aber nicht die einzigen. Wir müssen ein
innovationsfreundliches Klima erhalten und es weiter
stabilisieren. Dazu wollen wir verstärkt Mut zur Grün-
dung und zum Unternehmertum vermitteln und die dafür
nötigen Rahmenbedingungen weiter verbessern. Eine
zentrale Aufgabe ist dabei die Stärkung der Versorgung
mit Wagniskapital. Ich weiß, wir haben hier etwas an-
dere Verhältnisse als in den Vereinigten Staaten von
Amerika; auch das gilt es zu berücksichtigen. In Kürze
werden wir den öffentlichen Investitionszuschuss – dem
dient ein Gesetzgebungsvorhaben – von der Steuer be-
freien. Weitere Maßnahmen zur Unterstützung von
Wachstumsunternehmen werden folgen.

Eine weitere Herausforderung für unsere Wirtschaft
ist der demografische Wandel. Auch hier müssen wir die
entsprechenden politischen Antworten geben: Erhöhung
der Flexibilität des Arbeitsmarktes und Steigerung der
Beschäftigungsquote; keine Frage. Ab sofort müssen wir
wieder verstärkt Anreize setzen, damit das Arbeitskräf-
tepotenzial erhöht werden kann. Um für Fachkräfte
attraktiv zu bleiben, muss Deutschland bei der Steuer-
belastung der Leistungsträger – ich nenne hier insbeson-
dere die Mittelschicht – eine Neujustierung des Systems
vornehmen; das Stichwort lautet: Abmilderung der Wir-
kung der kalten Progression. Ich persönlich würde mir
wünschen, dass wir unsere Kräfte bündeln und uns in
den nächsten Jahren einen Spielraum erarbeiten, damit
wir eine strukturell angelegte Steuerreform – Stichwort:
Mittelstandsbauch – angehen können. Ich weiß, das ist
eine gewaltige Herausforderung, weil es hier um enorm
große Summen geht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben, meine sehr verehrten Damen und Herren,
auch international erhebliche Fortschritte und Erfolge
dank des enormen Einsatzes unseres Bundesfinanz-
ministers erzielen können – auf europäischer Ebene,
aber auch im Rahmen der G 20 –, insbesondere wenn es
um Gewinnvermeidung und Gewinnverlagerung geht;
ich meine die sogenannte BEPS-Initiative. Herr Bundes-
finanzminister, ganz herzlichen Dank für Ihren uner-
messlichen Einsatz auf diesem Gebiet! Ich weiß, wie
schwierig und hart das alles ist. Wir müssen es schaffen,
dass Steuern dort gezahlt werden, wo ein Unternehmen
tatsächlich wirtschaftlich tätig ist.

Ich hätte gerne noch zur Neuordnung der Bund-Län-
der-Finanzbeziehungen gesprochen. Das geht leider nicht
mehr, weil meine Redezeit nicht reicht; sonst würde mir
der Herr Präsident den Saft abdrehen.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806802100

Nein, er würde freundlich an die abgelaufene Rede-

zeit erinnern.


(Heiterkeit)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1806802200

Ja, Herr Präsident. Wir in Bayern reden da immer et-

was deutlicher und kommen auch mit etwas kräftigeren
Ausdrücken gut voran.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will
zum Abschluss sagen: Der Bundeshaushalt ist sehr so-
lide; das ist von meinen Vorrednern schon dargestellt
worden. Er ist nicht künstlich schöngeredet. Die Politik
der unionsgeführten Bundesregierung steht für Ver-
trauen, Gerechtigkeit und Verantwortung. Das spiegelt
sich im Haushalt 2015 wider. Wir werden ihm gerne und
aus Überzeugung zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806802300

Letzte Rednerin zum diesem Einzelplan ist die Kolle-

gin Kiziltepe für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Cansel Kiziltepe (SPD):
Rede ID: ID1806802400

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

Herr Minister Schäuble! Die heutige finanzpolitische
Debatte ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten:
Einerseits sieht man, wenn man in die Geschichte des
Bundeshaushalts schaut, die erste schwarze Null seit
1969. Dabei ist, wie Bundesfinanzminister Schäuble in
der ersten Haushaltslesung sagte, die schwarze Null kei-
neswegs Selbstzweck. Deshalb wollen wir auch in die
Zukunft blicken: auf die künftigen Herausforderungen.

Mit einem ausgeglichenen Haushalt sind nicht alle
Probleme verschwunden. Nein, es stellen sich auch wei-
terhin die Fragen: Wie fördern wir das Wirtschafts-
wachstum? Wie verteilen wir unseren Wohlstand gerech-
ter?

Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise hat auch
Auswirkungen auf Deutschland. Wir sind nun einmal
keine Insel der Glückseligen. Deshalb haben wir immer
wieder mit schwachen Konjunkturdaten und auch mit ei-
nem sich eintrübenden Wirtschaftswachstum zu kämp-
fen.





Cansel Kiziltepe


(A) (C)



(D)(B)

Will man in solch einer Situation die Finanzkraft des
Staates und den Sozialstaat sichern sowie die Wirtschaft
am Laufen halten, dann muss der Staat seine Investi-
tionstätigkeit ausweiten. Das sagt die SPD schon seit
langem, und endlich haben wir dafür gesorgt, dass genau
das in diesem Haushalt und auch in den kommenden
Haushalten berücksichtigt wird.


(Beifall bei der SPD)


Die 10 Milliarden Euro, die innerhalb des Investi-
tionspakets für die Jahre 2016 bis 2018 kommen, werden
einen wichtigen Beitrag dazu leisten, den anhaltenden
Substanzverzehr, den wir in Deutschland schon seit Jah-
ren erleben, aufzufangen. Das Geld wird auch für
Wachstumsimpulse sorgen, und in den nächsten Jahren
wird es vor allen Dingen darauf ankommen, diese Inves-
titionsleistung zu verstetigen und auszubauen.


(Beifall bei der SPD – Johannes Kahrs [SPD]: Gute Sache! – Gegenruf des Abg. SvenChristian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Tropfen auf den heißen Stein!)


Verschiedene Studien rechnen uns immer wieder vor,
welchen Investitionsrückstand wir haben. Die Kreditan-
stalt für Wiederaufbau geht allein im kommunalen Be-
reich von einem Investitionsstau von 118 Milliarden
Euro aus. Andere Institute sagen, dass die Investitionslü-
cke beim Bestand jährlich um 10 Milliarden Euro steigt.
Was zeigt uns das? Das zeigt uns, was zu tun ist.

Die Finanzpolitik auf Bundesebene ermöglicht uns
Mehrausgaben für Investitionen – das ist auch gut so –
bei gleichzeitig ausgeglichenem Haushalt. Von dieser Si-
tuation können viele Kommunen nur träumen; sie schaf-
fen das nicht. Deshalb ist es richtig, die Städte und Ge-
meinden zu entlasten, wie es dieser Haushaltsentwurf
auch tut. Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes wer-
den die Kommunen jährlich um rund 1 Milliarde Euro
entlastet. Weitere Entlastungen – auch für die Länder –
sind ebenfalls vereinbart worden, zum Beispiel – das
wurde hier auch genannt – durch die Übernahme des
BAföG durch den Bund,


(Johannes Kahrs [SPD]: Richtig und gut!)


durch ein stärkeres Engagement beim Kitaausbau und,
und, und.


(Beifall bei der SPD)


Die gesamte Haushaltswoche steht unter dem Ober-
begriff „schwarze Null“. Auch wenn ich keine schwäbi-
sche Hausfrau bin, finde ich es schon beachtlich,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Das kann ja noch kommen! – Gegenruf des Abg. Johannes Kahrs [SPD]: Keine Drohungen! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


die Neuverschuldung von 44 Milliarden Euro im Jahr
2010 auf nun 0 Euro zu senken. Damit das aber so bleibt,
dürfen wir nicht nachlassen; denn der Staat ist strukturell
unterfinanziert.
Wir müssen die Einnahmen stabil halten. Wenn wir
die richtigen Lehren aus dem hohen Investitionsbedarf
ziehen, dann werden wir nicht einfach darauf hoffen,
dass die Steuereinnahmen weiterhin wachsen. Die ak-
tuelle Steuerschätzung hat auch schon gezeigt, dass
diese leicht rückläufig sind.

In der steuerpolitischen Debatte hören wir immer
wieder den Begriff der kalten Progression. Natürlich gibt
es sie bei Inflation, und wir müssen uns überlegen, wie
das an anderer Stelle kompensiert werden kann.

Keiner in diesem Haus wird mir widersprechen, wenn
ich sage, dass wir untere und mittlere Einkommen ent-
lasten müssen. Wenn wir dies tun wollen, dann dürfen
wir aber auch über die Besteuerung großer Einkommen
und Vermögen nicht schweigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wer Wohlstand gerechter verteilen will, der darf über die
Vermögensbesteuerung nicht schweigen,


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!)


sonst wird die schwarze Null ganz schnell wieder ver-
schwinden.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Richtig!)


Wenn wir uns die Besteuerung großer Einkommen und
Vermögen anschauen, also den Spitzensteuersatz, die
Erbschaftsteuer und auch die Vermögensteuer, dann
müssen wir auch da hinschauen, wo es diesen enormen
Reichtum gibt.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Eine aktuelle Studie der UBS, Union de Banques
Suisses, zeigt, dass in Deutschland fast 20 000 Multimil-
lionäre, also Menschen mit einem Vermögen von
24 Millionen Euro und mehr, leben. Die Zahl an sich ist
noch nicht aussagekräftig. Aber wenn man sie ins Ver-
hältnis setzt, erkennt man: Es sind 0,02 Promille der Be-
völkerung, die 22,6 Prozent des Vermögens in Deutsch-
land besitzen. Das ist schon bemerkenswert. Interessant
ist in diesem Zusammenhang auch, wie diese Vermögen
zustande kommen, nämlich 28 Prozent ausschließlich
durch Erbschaften und 31 Prozent zum Teil aus Erb-
schaften. Diese superreichen Deutschen geben jährlich
mehr als 3 Milliarden Euro alleine für Schmuck und
Jachten aus. Die Ausgaben für Kaviar und Champagner
sind da noch nicht eingerechnet.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Investitionen sind das! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ist denn Konsum schlecht?)


Alleine der Konsum dieser beiden Luxusgüter beträgt
ein Drittel der Höhe des jährlichen Investitionsstaus in
Deutschland.


(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Genau! – Max Straubinger [CDU/CSU]: In welcher Welt leben Sie?)






Cansel Kiziltepe


(A) (C)



(D)(B)

Dieser Vergleich soll zeigen, dass mehr Investitionen
– da sind wir uns ja mit Bundesminister Schäuble einig –
und das gleichzeitige Festhalten an der schwarzen Null
nur mit einer gerechteren Besteuerung gelingen können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs [SPD]: Gute Rede!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1806802500

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zu den Abstimmungen, und zwar
zunächst über den Einzelplan 08 – Bundesministerium
der Finanzen – in der Ausschussfassung. Wer stimmt
dieser Beschlussempfehlung des Ausschusses zu? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Ein-
zelplan mit den Stimmen der Koalition gegen die Stim-
men der Opposition angenommen.

Ich rufe auf die Abstimmung über den Einzelplan 20
– Bundesrechnungshof –, ebenfalls in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dem zu? – Wer stimmt dagegen? –
Niemand. Enthaltungen? – Auch niemand. Dann ist das
einvernehmlich so beschlossen.

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt I.5:

Einzelplan 15
Bundesministerium für Gesundheit
Drucksachen 18/2814, 18/2823

Berichterstatter sind die Abgeordneten Petra Hinz,
Helmut Heiderich, Gesine Lötzsch und Ekin Deligöz.

Hierzu liegen vier Änderungsanträge der Fraktion Die
Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Über den Entschließungs-
antrag werden wir am Freitag nach der Schlussabstim-
mung abstimmen.

Auch für diese Aussprache sind interfraktionell
96 Minuten vorgesehen. – Das ist offensichtlich unstrei-
tig. Dann können wir so verfahren.

Inzwischen haben offenkundig alle, die an dieser De-
batte teilnehmen wollen, einen der wenigen freien Plätze
gefunden. Dann erteile ich der Kollegin Gesine Lötzsch
das Wort.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806802600

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Herr Minister Gröhe, Ihr Einzelplan ist mit 12 Mil-
liarden Euro nun wirklich nicht der größte im Bundes-
haushalt. Aber auch hier greift der Finanzminister zu,
nur damit er mit der schwarzen Null in die Geschichte
eingehen kann. Wie macht er das? Er greift dazu ganz
tief in die Trickkiste.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Eijeijeijei!)


Der Gesundheitsfonds wird über zwei Jahre hinweg um
6 Milliarden gekürzt, allerdings in diesem Jahr etwas
weniger als im vergangenen Jahr, sodass das fast wie
eine Erhöhung aussieht. Das ist keine seriöse Politik.


(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: 1 Milliarde mehr!)


Was passiert? Die Krankenkassen holen sich das feh-
lende Geld bei den Versicherten.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Die Kassen haben doch Rücklagen!)


Ab 1. Januar 2015 – das ist schon angekündigt und auch
in dieser Debatte angesprochen worden – verlangen die
meisten gesetzlichen Krankenkassen von ihren Mitglie-
dern Zusatzbeiträge. Zwar sinkt der allgemeine Beitrags-
satz von 15,5 auf 14,6 Prozent, aber das wird nicht aus-
reichen, um die Kosten zu decken. Was passiert? Die
Versicherten müssen zahlen; die Arbeitgeber werden
entlastet. Das können wir nicht akzeptieren. Das ist un-
gerecht, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Es ist doch kein Geheimnis, dass immer mehr Be-
schäftigte durch die Art und Weise, wie wir heute arbei-
ten und arbeiten müssen, krank werden. Die Zusatz-
beiträge sind dabei ein weiterer Schritt zur
Entsolidarisierung der Gesellschaft. Was wir jetzt brau-
chen, was wir wirklich brauchen, ist endlich eine solida-
rische Bürgerversicherung: eine Versicherung, in die alle
einzahlen und in der die Gesundheitskosten gerechter
verteilt werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Neulich kam in meine Bürgersprechstunde ein ehe-
maliger Selbstständiger – ich denke, ein Kleinselbststän-
diger; über 55 –, der nach langer Zeit endlich wieder
eine Anstellung gefunden hatte. Als sein Arbeitgeber ihn
nach der Krankenversicherung fragte, marschierte er
frohgemut zur AOK und wollte aufgenommen werden.
Dort wurde ihm die Rechtslage erklärt, und er wurde na-
türlich nicht aufgenommen. Wir wissen das, aber für ihn
war das alles völlig unverständlich. Denn eine private
Krankenversicherung kann er sich mit einem Halbtags-
job nicht leisten.

Herr Gröhe, Sie haben sich doch so viele Gesetze vor-
genommen. Sie haben ausführlich dargestellt, was Sie
alles anstoßen wollen. Ich finde, wir sollten endlich für
alle Menschen in unserem Land die Möglichkeit schaf-
fen, sich zu versichern.

Das Statistische Bundesamt spricht von 137 000
Nichtversicherten. Ich schätze allerdings, die Dunkelzif-
fer ist weitaus höher. Ich kann es nur noch einmal beto-
nen: Der beste Weg, diesen Zustand zu beenden, ist die
Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung. Das
ist das Gebot der Stunde, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte noch drei unserer Änderungsvorschläge
hervorheben. Die Linke will den Investitionsstau in den
Krankenhäusern auflösen. Dafür schlagen wir einen An-
satz von 2,5 Milliarden Euro für das kommende Jahr vor.





Dr. Gesine Lötzsch


(A) (C)



(D)(B)

Wer in letzter Zeit einmal ein Krankenhaus besucht hat,
weiß, wie nötig das ist.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo kriegt ihr das Geld her?)


Nun hat auch der Finanzminister erkannt, dass wir in
Deutschland mehr investieren müssen. Allerdings will er
das erst ab 2016 tun, um die berühmte schwarze Null,
über die es inzwischen schon unendlich viele Kalauer
gibt, zu retten. Ich finde, in Anbetracht einer drohenden
Rezession ist eine solche Verschiebung nicht weitsichtig,
sondern fahrlässig.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wollen auch die nichtkommerzielle Pharmafor-
schung fördern und einen Krisenfonds Ebola einrichten.
Der Chef der Weltbank hat auf einen wichtigen Fakt auf-
merksam gemacht: In Nigeria haben die Behörden sehr
schnell auf den Ausbruch des Ebolavirus reagiert. Mit
13 Millionen Dollar konnten sie die Epidemie eindäm-
men. In Liberia, Sierra Leone und Guinea gelang das
nicht. Dort gibt es bereits über 5 000 Tote, und die Kos-
ten für den Kampf gegen diese Krankheit schnellen in
die Höhe. Hinzu kommt, dass die ökonomische Situation
für viele Länder in Afrika dramatisch ist. Felder werden
nicht bestellt, und Experten gehen von einer Hungersnot
im nächsten Jahr aus. Der Weltbankchef sagte: Jedes
Land kann mehr tun – und sollte mehr tun. Diese Auffor-
derung hat die Linke aufgenommen, indem sie einen
Ebolakrisenfonds mit einem Volumen von 50 Millionen
Euro fordert.

Ich glaube, das reiche Deutschland kann und muss
mehr tun, um den Menschen in Westafrika zu helfen.
Ohne die bisherigen Bemühungen der Menschen in un-
serem Lande geringschätzen zu wollen: Wir müssen aber
alle gemeinsam etwas tun. Wir wissen, dass es in
Deutschland viele Menschen gibt, die das wollen. Wir
sollten diesen Willen aufgreifen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir wissen, dass Ebola seit 1976 regelmäßig in afri-
kanischen Ländern ausbricht. Trotzdem gibt es kein Me-
dikament gegen diese Krankheit. Das hat einen ganz ein-
fachen Grund: Es gibt keine kaufkräftige Nachfrage. Die
Linke ist der Überzeugung: Es darf nicht dem Markt
überlassen werden, ob und welche Krankheiten be-
kämpft werden. Deshalb fordern wir in einem Antrag die
Förderung der nichtkommerziellen Pharmaforschung.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir können dem Gesundheitshaushalt nicht zustim-
men. Ich will es noch einmal betonen: Wir können nicht
akzeptieren, dass für eine Obsession, die schwarze Null,
die Versicherten ihre Gesundheitskosten zunehmend sel-
ber tragen müssen. Das ist der falsche Weg.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806802700

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Helmut Heiderich,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Helmut Heiderich (CDU):
Rede ID: ID1806802800

Frau Präsidentin! Schön, dass Sie pünktlich zur Ge-

sundheitsdebatte präsidieren. Meine lieben Kolleginnen
und Kollegen! Der Bundeshaushalt umfasst rund 300 Mil-
liarden Euro. Davon entfallen auf den Gesundheitsetat
gut 12 Milliarden Euro. Darüber entscheiden neben dem
Minister im Wesentlichen die Haushälter und die Fach-
politiker. Aber Sie dürfen nicht übersehen, verehrte Frau
Kollegin Lötzsch, dass die Gesamtausgaben des Ge-
sundheitsbereichs weit über 300 Milliarden Euro betra-
gen, also weit höher sind als der gesamte Bundeshaus-
halt. Wenn Sie das alles zusammen betrachten, dann
stellen Sie fest: Das Gesundheitswesen ist ein wesentli-
cher Baustein unserer Gesellschaft. Darüber entscheiden
wir hier in diesem Hause.

Wir haben in den letzten Jahren erfolgreiche Arbeit
geleistet. Nach einer Allensbach-Studie von April – da-
rauf hat der Minister schon bei der Einbringung des
Haushalts hingewiesen – sind mehr als 80 Prozent der
Bevölkerung mit der Gesundheitsversorgung in Deutsch-
land zufrieden. In einer Umfrage der Techniker Kran-
kenkasse von Oktober wurde ermittelt, dass sich seit
2006 das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Ge-
sundheitssystem verdoppelt hat. Vertrauen ist einer der
wesentlichen Bausteine. Deswegen können wir zu Recht
sagen, dass wir in den letzten Jahren – unter Beteiligung
vieler anderer – erfolgreiche Arbeit geleistet haben.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An Ihnen hat das nicht gelegen!)


Wir wollen uns aber auf dem Erreichten nicht ausru-
hen; denn 90 Prozent der Bürger erwarten, dass wir unser
Gesundheitssystem weiter verbessern. Deswegen haben
wir in den Berichterstattergesprächen nicht nur mit dem
Ministerium und den nachgeordneten Behörden gespro-
chen, sondern auch mit dem Beauftragten der Bundes-
regierung für die Belange der Patientinnen und Patienten
sowie dem Bevollmächtigten für Pflege und der Drogen-
beauftragten der Bundesregierung. An dieser Stelle
möchte ich der Hauptberichterstatterin ein Dankeschön
für die Vorbereitung und Durchführung dieser Gespräche
sagen. Wir haben dabei viele Erfahrungen gemacht.

Wir haben den Schwerpunkt auf die Prävention gesetzt.
Wir haben den schon im Regierungsentwurf verbesserten
Ansatz in Höhe von rund 45 Millionen Euro noch einmal
deutlich erhöht. Die erste Initiative gilt dem Aufbau einer
Präventionsstrategie gegen die Droge Crystal Meth. Wir
haben darüber bereits bei der Haushaltseinbringung debat-
tiert. Inzwischen hat uns die Schlagzeile aufgeschreckt,
dass diese Droge auf den Schulhöfen angekommen ist.
Oder um einen der führenden Suchtmediziner Deutsch-
lands, Roland Härtel-Petri, zu zitieren:

Der Konsum von Crystal Meth ist extrem gestie-
gen. … Es ist definitiv eine der gefährlichsten Dro-
gen der Welt … Prävention ist deshalb ein ganz
wichtiges Thema.





Helmut Heiderich


(A) (C)



(D)(B)

Wir wollen durch Prävention die Nachfrage reduzie-
ren und gleichzeitig Delikte stärker verfolgen. Wir haben
deshalb gemeinsam mit der Fraktion Die Grünen einen
neuen Haushaltsansatz bei der Drogenbeauftragten ge-
schaffen. Wenn es eine Bestätigung dafür gebraucht
hätte, dann war es die vor etwa zwei Wochen durch die
Presse gehende Meldung, dass in Leipzig rund drei Ton-
nen Rohstoff zur Herstellung dieser Droge sichergestellt
wurden. Das zeigt, wie nötig unsere Initiative ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die zweite Verstärkung bei der Drogenbeauftragten
dient der Prävention bei unseren Jüngsten in der Grund-
schule. Hier gibt es seit Jahren das erfolgreiche Pro-
gramm „Klasse 2000“. Es sticht dadurch hervor, dass es
das in Deutschland am weitesten verbreitete Programm
zur Sensibilisierung von Kindern gegenüber Gewalt und
einem gesunden Leben ist. Dieses Programm setzt früh
ein, es ist nachhaltig, breit aufgestellt, wissenschaftlich
positiv evaluiert worden und wird von den Schülern und
den Schulen gerne angenommen. Deswegen wollen wir
dieses Programm weiter verstärken.

Um einmal den Mediziner Dietrich Grönemeyer zu
zitieren:

Leider steckt die Prävention bei Kindern zu oft
noch in den Kinderschuhen. Nur wenn sie erken-
nen, wie wichtig gute Ernährung und Bewegung
sind, können sie auch danach handeln.

Seine aktuelle Feststellung lautet:

Insgesamt sind 15 Prozent der Kinder und Jugendli-
chen zwischen drei und 17 Jahren übergewichtig,
6 Prozent aller Kinder sogar krankhaft.

Deshalb wird, nachdem wir bereits bei der Haushalts-
einbringung die Mittel für die Förderung der Kinderge-
sundheit erhöht haben, für den Kampf gegen das Über-
gewicht bei Kindern noch einmal deutlich mehr Geld
bereitgestellt. Das passt auch sehr gut mit der Forderung
der Fachpolitiker zusammen, den Kampf gegen Diabe-
tes II deutlich zu verstärken und eine gemeinsame Prä-
ventionsstrategie zu entwickeln.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD])


Sie sehen also: Einiges von dem, was noch bei der
Haushaltseinbringung unter uns als wünschenswert dis-
kutiert wurde, ist nach den Beratungen der Haushälter
jetzt finanziell fixiert worden.

Bei der Pflege – die Pflegeversicherung wird im kom-
menden Jahr die größte Verbesserung seit ihrer Einfüh-
rung erfahren – haben wir eine personelle Verstärkung
ermöglicht. Es geht um die besondere Aufgabe der Aus-
bildung und Gewinnung neuer Pflegekräfte. Karl-Josef
Laumann hat sehr häufig darauf hingewiesen, dass wir
einem Fachkräftemangel vorbeugen müssen. Wir schaf-
fen im Hause zusätzliche Stellen, um die Reform der
Pflegeausbildung und ein neues Pflegeberufsgesetz zu
entwickeln. Ebenso gibt es eine personelle Verstärkung
im Rahmen der Entwicklung eines Gesetzes zur Hospiz-
und Palliativversorgung. Wir schaffen zudem die Mög-
lichkeit, die Überwachung der Arzneimittelsicherheit zu
verbessern, indem wir auch in diesem Bereich eine per-
sonelle Verstärkung vornehmen. Ich glaube, dies alles
zeigt, dass wir dem Thema Prävention sehr viel Auf-
merksamkeit widmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich will das Thema Prävention noch ein wenig aus-
dehnen. Der Kollege Henke hatte bei der Haushaltsein-
bringung so schön gesagt: Vielleicht ist Prävention die
einzige Chance, künftige Kostenbelastungen zu vermei-
den. Das Problem ist allerdings, die Menschen für Prä-
vention zu gewinnen und das Ganze so zu organisieren,
dass sie sie auch tatsächlich nutzen. – Dazu passt die ge-
rade zitierte Umfrage der Techniker Krankenkasse. Da-
nach sind rund 60 Prozent der Deutschen der Ansicht, je-
der sei für seine Gesundheit selbst verantwortlich. Aber
rund 70 Prozent von denen, die zu dieser Erkenntnis ge-
kommen sind, sagen selbst, dass sie aus ihrer eigenen Er-
kenntnis nicht genügend Konsequenzen ziehen. Das
heißt, hier ist ein breites Feld, um die Bürger dazu zu be-
wegen, sich selbst gesund zu halten und präventive An-
gebote wahrzunehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Petra Hinz [Essen] [SPD])


Dabei sind wir in diesem Bereich bisher nicht inaktiv.
Ich will einige kurze Beispiele darstellen, solange es
meine Zeit erlaubt: Wir haben zum Beispiel im eigenen
Haus bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklä-
rung das Programm „Älter werden in Balance“, das mit
3 Millionen Euro von den privaten Krankenversicherun-
gen finanziert wird. Wir haben seit über zehn Jahren das
in Deutschland wohl bekannteste Projekt von Barmer
GEK, ZDF und Bild mit dem Titel „Deutschland bewegt
sich“. Inzwischen sind viele andere Unternehmen in
diese Initiative eingestiegen, sodass es inzwischen eine
relativ breite Unterstützung dieser Bewegung gibt. Wir
machen gemeinsam mit dem Agrarministerium das Pro-
jekt „IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde
Ernährung und mehr Bewegung“ und sind damit jetzt in
der zweiten Projektphase. Ich denke, dass wir das weiter
ausbauen sollten. Verschiedene Unternehmen beteiligen
sich an der Plattform Ernährung und Bewegung mit
demselben Ziel: Übergewicht zu vermeiden. Es gibt au-
ßerdem die Initiative „Zeit für Bewegung! Partnerschaf-
ten für Familien in der Kommune“, die vom Familienmi-
nisterium und vom Deutschen Olympischen Sportbund
durchgeführt wird. Darüber hinaus gibt es das Deutsche
Netzwerk für Schulverpflegung, in dem inzwischen
– das habe ich überraschend festgestellt – 20 Sternekö-
che versammelt sind, um diesem Projekt weitere Bedeu-
tung zu geben. – Ich glaube, wir haben genügend
Punkte, um mit dem neuen Präventionsgesetz Kräfte zu
koordinieren, Begeisterung zu wecken und bei der Be-
völkerung insgesamt ein Bewusstsein für Prävention zu
entwickeln.

Zum Schluss will ich noch kurz die ganz neuen tech-
nischen Anwendungen ansprechen, die gerade durch die
Presse gehen. Das beginnt beim Fitnessarmband und





Helmut Heiderich


(A) (C)



(D)(B)

geht über den Training Tracker, die I-Watch bis hin zu
HealthKit und ähnliche Produkte. Ich glaube, auf uns
wird eine neue Diskussion über Prävention, gesundheit-
liche Solidarität und Nutzung moderner Anwendungen
zukommen.


(Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Was hat das mit Prävention zu tun? Gar nichts!)


Prävention wird auch in den nächsten Jahren ein span-
nendes Thema sein. Wir können gemeinsam daran arbei-
ten, es positiv weiterzuentwickeln. Wir werden uns wei-
terhin für die Gesundheit der Bevölkerung einsetzen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806802900

Vielen Dank. – Für Bündnis 90/Die Grünen spricht

jetzt die Kollegin Klein-Schmeink.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Anders als meine Vorredner möchte ich als
Erstes sagen: In einer Haushaltsdebatte reden wir im
Kern über Finanzen. Im Bereich des Gesundheitsminis-
teriums, Einzelplan 15, geht es im Wesentlichen über
den Zuschuss zum Gesundheitsfonds. Dieser Zuschuss
macht 95 Prozent aller Mittel aus. Es ist doch bezeich-
nend, dass das bei den bisherigen Rednern der Koalition
noch keine Rolle gespielt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das verwundert uns auch nicht; denn diese Zwangsan-
leihe, diese Zwangsspende, die Sie kurz vor Weihnach-
ten wieder einmal bei den Beitragszahlern erheben, ist
eine, die sich deutlich bemerkbar macht: im nächsten
Jahr mit 2,5 Milliarden Euro.

Betrachtet man die gesamte Regierungszeit der Gro-
ßen Koalition, wird es sich um 8,5 Milliarden Euro
handeln. Das entspricht etwa 0,1 Prozentpunkten der
Beitragssätze. Das ist viel Geld für jeden einzelnen Bei-
tragszahler. Man muss sich klarmachen: Die Mehrheit
der Beitragszahler hat einen Verdienst von nicht mehr als
1 500 Euro brutto. Bei ihnen statt bei den Steuerzahlern
mit breiten Schultern holen Sie sich das Geld, um Ihren
Haushalt zu sanieren. Das kritisieren wir aufs Schärfste,
und das machen wir nicht mit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Das sind im Übrigen Gelder, die als Rücklage im Ge-
sundheitsfonds fehlen werden, um den Anstieg bei den
Zusatzbeitragssätzen, die Sie eingeführt haben, abzufe-
dern, was dazu führen wird, dass allein die Beitragszah-
ler den Kostenanstieg im Gesundheitswesen bezahlen
müssen. Wir reden mit Blick auf das nächste Jahr von
über 9 Milliarden Euro Mehrbelastung, die auf den Bei-
tragszahler zukommen. Diese Summe könnte durch ei-
nen Zuschuss zum Gesundheitsfonds natürlich erheblich
abgefedert werden; denn dann könnte sie geringer aus-
fallen. Insofern sprechen wir von einer echten Zwangs-
spende, die Sie hier kurz vor Weihnachten bei den Bei-
tragszahlern erheben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es ist ganz klar: Das ist ein Verschiebebahnhof. Die-
ser Verschiebebahnhof hat Methode. Das Verschieben
von staatlichen Aufgaben hin zum Beitragszahler voll-
zieht sich auch bei der Rentenversicherung. Das erleben
wir aber auch bei den kommenden Gesetzen, die schon
als Referentenentwürfe vorliegen. Auch damit sind Kos-
ten von etwa 350 Millionen Euro verbunden, die erneut
dem Beitragszahler zugeschoben werden. Das machen
wir nicht mit; das halten wir für eine unsoziale Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Diese Politik ist aber nicht nur unsozial, sondern auch
unseriös. Den Weg einer unseriösen und unzuverlässigen
Politik – immerhin hat der Zuschuss zum Gesundheits-
fonds im Gesetz immer als Zuschuss für versicherungs-
fremde Leistungen gestanden – setzen Sie fort, und das
finden wir falsch. Wir meinen, dass man Verlässlichkeit
darstellen muss und zu den Aussagen, mit denen man in
die Öffentlichkeit gegangen ist, auch stehen muss. Da
spreche ich Sie ganz direkt an, Herr Minister. Sie haben
versprochen, dass es zu einer breiten Entlastung der Bei-
tragszahler zum 1. Januar 2015 kommen wird. Sie haben
versprochen, dass 20 Millionen Versicherte weniger zah-
len werden als heute. Das ist ersichtlich nicht der Fall;
davon kann man nicht reden. Das war ein leeres Verspre-
chen, und es zeigt sich: An der Stelle sind Sie extrem un-
seriös.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zudem wird es in sehr schnellen Schritten dazu kom-
men, dass der Zusatzbeitragssatz bis 2017 auf mindes-
tens 1,5 Prozent ansteigen wird. Das sind Kosten, die nur
die Beitragszahler tragen. Außerdem haben Sie mit Ihrer
Gesetzgebung dazu beigetragen, dass es zu einem massi-
ven Beitragswettbewerb kommen wird. Die Kassen wer-
den sich überbieten bzw. beim Zusatzbeitragssatz unter-
bieten, was dazu führen wird, dass die Solidarität im
Gesundheitswesen unterhöhlt wird. Sie legen die Axt an
unser System der Solidarität an.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist kurzsichtig, das ist zukunftsvergessen; das ist
letztendlich aber auch unverantwortlich. Sie machen die
Versorgerkasse zum Auslaufmodell, das Callcenter zum
Standard – und das ausgerechnet für eine Zeit, in der wir
mehr hochbetagte Versicherte haben werden, in der wir
Kassen brauchen, die vor Ort präsent sind, die ansprech-
bar sind, die gute Versorgung anbieten und darin inves-
tieren. Das werden wir brauchen. Das wollen wir als
Kassenmodell. Da gehen Sie den völlig falschen Weg.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kommen wir zu einer weiteren großen Herausforde-
rung. Wir wissen alle, dass wir derzeit einen massiven
Zuzug von Flüchtlingen haben. Es sind Menschen in
höchster Not, Menschen, die zum Teil wirklich schwer-





Maria Klein-Schmeink


(A) (C)



(D)(B)

wiegende Erfahrungen gemacht haben, oft auch Kinder
und Jugendliche. Wir wissen, dass es da um die gesund-
heitliche Versorgung ausgesprochen schlecht bestellt ist.
Es ist ein humanitäres Armutszeugnis, dass wir in
Deutschland diesen Schutzsuchenden nur eine minimale
Gesundheitsversorgung bieten, dass nur die Behandlung
im Notfall und bei Schmerzzuständen vorgesehen ist,
dass wir für diese Menschen keine reguläre Grundver-
sorgung im medizinischen Bereich haben. Das müssen
wir dringend ändern. Das ist eine humanitäre Aufgabe,
die vor uns steht und die wir angehen müssen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Genau für diesen Zweck stellen wir in unserem Haus-
haltsmodell 490 Millionen Euro bereit. Wir wollen, dass
wir eine gute gesundheitliche Versorgung für die Flücht-
linge haben. Wir wollen die Einbeziehung in unser Sys-
tem der gesetzlichen Krankenversicherung möglich ma-
chen. Zusätzlich wollen wir für die Behandlung
traumatisierter Flüchtlinge 3,15 Millionen Euro bereit-
stellen.

So sieht unsere Art von Gesundheitspolitik aus: soli-
darisch und nach vorn gerichtet, menschlich. Das, denke
ich, wäre die Aufgabe, der wir uns alle zusammen stellen
müssten. Wir müssten schauen: Was müssen wir tun, um
den Kitt zu erhalten, der unsere Gesellschaft zusammen-
hält, nämlich Solidarität und Menschlichkeit? Darin
können wir investieren. Wir zeigen mit unserem Haus-
halt, der gut gerechnet ist,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: 8 Milliarden Mehrausgaben! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: So wie die Steuervorschläge!)


dass das auch möglich ist und zu stemmen ist.

Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806803000

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Petra Hinz,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1806803100

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsi-

dentin! Man setzt sich hin, bereitet sich auf die zweite
und dritte Lesung vor, schreibt einige Eckpunkte oder
Schwerpunkte zum Haushalt auf, zu dem, was wir in der
Zeit von der ersten Lesung über die gemeinsame Bera-
tung in den Fachausschüssen und in der Bereinigungssit-
zung des Haushaltsausschusses bis zur zweiten und drit-
ten Lesung beschlossen haben, um es heute hier im
Plenum vorzutragen, um deutlich zu machen, dass wir
als Große Koalition in diesem Jahr in der Tat eine ganze
Menge auf den Weg gebracht haben.

Was dann kommt, wiederholt sich gebetsmühlenartig;
das ist nachzulesen. Wir haben in diesem Jahr viermal
über den Haushalt gesprochen, und viermal begann ich
meine Rede mit der Richtigstellung zum Thema Gesund-
heitsfonds. Ich werde es nicht leid, und ich werde auch
nicht müde, dies auch jetzt wieder zu tun: Diejenigen,
die uns die Argumente im Rahmen der Anhörung gelie-
fert haben, haben sehr deutlich gemacht, dass die Redu-
zierung auf ein Zeitfenster bis 2016 nie dazu führen
wird, dass die Beitragssätze ansteigen werden. Mir ist
klar: Ob ich Ihnen das noch einmal sage oder nicht, Sie
hören meine Worte nicht, und Sie hören meine Argu-
mente nicht. Ich möchte den Punkt jedoch nicht einfach
übergehen, sondern schon mit Bedauern feststellen, dass
Sie selbst das Urteil von Sachverständigen nicht zur
Kenntnis nehmen wollen. Wie heißt es so schön? Die
Wiederholung von unwahren Tatsachen ergibt noch
lange nicht die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Richtig ist, dass wir bei den Beratungen zum Haushalt
2014 angekündigt haben, dass wir den Gesundheitsfonds
dauerhaft bis 2016 auf 14,5 Milliarden Euro aufstocken.
Dadurch – ich sage es noch einmal – wird kein Beitrags-
satz gekürzt. Alles andere, was Sie angesprochen haben,
was Zwangsspenden und Beitragsbetrug – welche Worte
Sie da auch gewählt haben – angeht, ist nicht richtig. Ich
verstehe ja, dass man Dinge, die man politisch nicht
mag, auf den Punkt bringen muss. Aber ich verstehe
nicht, warum Sie das in dieser Form vortragen, weil es
eindeutig nicht richtig ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Bei den Gesamtausgaben – das ist schon angespro-
chen worden – reden wir über 12 Milliarden Euro. Einen
sehr großen Teil macht die steuerfinanzierte Umlage im
Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung aus. Wir
werden in der Tat sehr genau hinsehen, welche Maßnah-
men, welche Projekte und Aufgaben wir aus dem Parla-
ment, aus dem Fachbereich dorthin überführen. Die wer-
den dann nämlich dauerhaft unserer Kontrolle entzogen.
Ich bitte die Fachkolleginnen und -kollegen, wirklich ein
Auge darauf zu haben. Es mag zwar im ersten Augen-
blick richtig erscheinen. Aber manchmal ist es wichtig,
dass Dinge bei uns im Parlament bleiben.

Einen Hinweis, den ich bereits in der Bereinigungssit-
zung gegeben habe, möchte ich heute noch einmal vor-
tragen, und zwar zum Pflege-Bahr. Ich verstehe Ihr
Ministerium, Herr Gröhe, dass bei der staatlichen Zu-
lage, beim sogenannten Pflege-Bahr, im Rahmen des
Schätztitels ein Aufwuchs bzw. eine Anmeldung von
52 Millionen Euro vorgesehen ist. Ich verstehe aller-
dings nicht das Finanzministerium, das nach den Erfah-
rungen in 2014 in dem Bereich nicht die errechnete tat-
sächliche Summe etatisiert hat, sondern einen höheren
Betrag. Wir haben gemeinsam in der Bereinigungssit-
zung darum gebeten, dass diese Schätzzahl im nächsten
Haushalt dem Bedarf entsprechend dargestellt wird. Ich
möchte da meine Kollegin Ekin zitieren. Wir wollen den
Pflege-Bahr nicht streichen oder ihn aufgeben – inhalt-
lich diskutieren wir das jetzt gar nicht –, sondern wir
wollen, dass die Versicherungsnehmer sich auf unser
Wort verlassen können. Deshalb muss in diesem Bereich
der tatsächliche Wert dargestellt werden.





Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)

Wie mein Kollege möchte ich meine Ausführungen
unter drei Überschriften setzen: Pflege, Prävention und
Aufklärung, Kindergesundheit. Für diesen Bereich ha-
ben wir rund 78 Millionen Euro zur Verfügung. Da gilt
es in der Tat, sehr genau hinzusehen.

Der Pflegebereich ist eine Querschnittsaufgabe. Nicht
nur im Bereich Gesundheit diskutieren wir darüber.
Auch die Kollegin Manuela Schwesig und die Kollegin
Andrea Nahles haben im Pflegebereich mit der Ausbil-
dung von Pflegekräften und dem Thema „Familie und
Pflege“ zu tun; wir tun das im gesundheitlichen Bereich.
Ich denke, das, was wir mit der ersten Pflegestufe im
Rahmen der Umsetzung auf den Weg gebracht haben, ist
genau der richtige Schritt. Die Kolleginnen und Kolle-
gen arbeiten jetzt im Bereich der zweiten Stufe an der
weiteren Umsetzung.

Zur Pflegeinformation. In der ersten Lesung ist von
unseren Fachkollegen sehr deutlich dargelegt worden,
wie wichtig gerade die Pflegeinformationen für die Bür-
gerinnen und Bürger sind. In dem Bereich stellen wir
3 Millionen Euro zur Verfügung, die wir dann auch ver-
stetigen. Das heißt: Da wird nicht gekürzt; es wird bei
dem Betrag bleiben. Wenn Mehrbedarf besteht, sollen
die Mittel aufgestockt werden. Die Versorgung Pflegebe-
dürftiger haben wir mit 2,9 Millionen auf den Weg ge-
bracht.

Kommen wir zur internationalen Zusammenarbeit.
Hier ist schon mehrfach das Thema Ebola angesprochen
worden. Der Haushaltsausschuss hat einen entsprechen-
den Bericht vorgelegt bekommen. Herr Minister Gröhe
hat für alle Fachbereiche sehr ausführlich die Koopera-
tion und Zusammenarbeit dargelegt. Ich bin dem Außen-
minister Frank-Walter Steinmeier dankbar, dass er
gemeinsam mit den Fachkollegen einen Sonderbeauf-
tragten, Walter Lindner, eingesetzt hat. Jetzt können die
Maßnahmen gebündelt und konzentriert werden. Wir ha-
ben für diesen Bereich weitere 3,1 Millionen Euro zur
Verfügung gestellt. Man könnte natürlich einwenden,
dass man mit dieser Summe nicht viel bezwecken kann.
Das Geld muss in einem Haushaltsjahr aber auch ausge-
geben werden können. Schauen wir uns einmal im Ein-
zelplan 15 an, wofür diese 3,1 Millionen Euro eingesetzt
werden: für klinische Studien, für Ausbildungspro-
gramme, für medizinisches Personal usw. Genau da ist
das Geld richtig eingesetzt. In anderen Bereichen wie
dem der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gibt es einen
wesentlich höheren Ansatz. Das gilt genauso für den Be-
reich des Auswärtigen.

Auch die Flüchtlingsgesundheit ist hier mehrfach an-
gesprochen worden. Wir haben in der Tat 500 000 Euro
zusätzlich eingestellt; denn wir sehen, dass den Kommu-
nen dringend geholfen werden muss, wenn es um die ge-
sundheitliche Aufklärung der Flüchtlinge geht. Hier ist
die Frage zu klären, wer wofür zuständig ist. Uns ist
deutlich gemacht worden, dass in unserem föderalen
System eigentlich die Länder dafür zuständig sind. Wir
haben gemeinsam mit unseren Fachkollegen eine Mög-
lichkeit gefunden, die Gelder bei der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung zu etatisieren, sodass für die
gesundheitliche Aufklärung der Flüchtlinge, wie gesagt,
500 000 Euro zur Verfügung stehen.

Die Haushaltsmittel für den Bereich „Förderung der
Kindergesundheit“ – machen wir uns da nichts vor – wä-
ren eigentlich 2014 ausgelaufen. Wir haben die Gelder
für diesen Bereich neu etatisiert. Mein Kollege
Heiderich hat für die Koalition schon sehr deutlich ge-
macht, dass Kindergesundheit und Prävention ein
Schwerpunkt für uns sind. Schon der Volksmund sagt:
Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Wir
hoffen, dass wir in den Bereichen Gesundheitsvorsorge
und gesundheitliche Aufklärung von der Kita bis zur
Schule Fortschritte erzielen. Die entsprechenden Mittel
haben wir nicht nur verstetigt, sondern auf 1,5 Millionen
Euro aufgestockt. Es geht auch um die Aufklärung bei
Adipositas, also Fettleibigkeit, von Kindern. Hier müs-
sen wir genau schauen, wie die Kommunen ihre Finanz-
mittel einsetzen. Denn wer Schwimmbäder schließt, darf
sich nicht wundern, dass unsere Kinder nicht schwim-
men können und dementsprechend auch keinen Sport
treiben. Das eine bedingt das andere.

Ein weiterer Aufgabenschwerpunkt in unserem Haus-
halt ist der Bereich Forschung. Hier werden für Ressort-
forschung 25,5 Millionen Euro angesetzt: für die Beglei-
tung von Gesetzesvorhaben, für Strategien zur
Bekämpfung von Aids und für die Optimierung der Pa-
tientensicherheit, um nur einige Beispiele zu nennen.

Ein spezieller Punkt der Forschung ist die Aidsfor-
schung. Seit 1981 ist Aids als Krankheit anerkannt. Seit-
dem investieren wir in die Forschung, aber auch in die
Aufklärung. Ich erinnere daran, dass wir 2014 10 Millio-
nen Euro in die Aids-Stiftung eingezahlt haben, sodass
sie bis 2017 in der Lage ist, den Menschen, die sich
durch Blutübertragung infiziert haben, zu helfen. Jetzt
geht es darum, zu klären, wie es nach 2017 mit der Stif-
tung weitergeht. Für diesen Bereich haben wir 11,9 Mil-
lionen Euro angesetzt, 1,6 Millionen Euro für die For-
schung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein kleiner Betrag, der trotzdem erwähnt werden
muss, ist der für die World Transplant Games. Hier wer-
den wir die Reisekosten für die deutschen Teilnehmer
übernehmen, schon zum zweiten Mal. Es ist zwar nur ein
kleiner Betrag; aber daran wird deutlich, mit welch kom-
plexen Themen wir uns im Zuge der Haushaltsberatung
beschäftigen müssen.

Aus dem Fachbereich wurde auf die Kaiserschnittge-
burten hingewiesen. Es ist richtig, dass die Zahl derer
zunimmt. Wir wissen, dass es auf diesem Gebiet zahlrei-
che Evaluierungen gibt. Trotzdem haben wir 250 000
Euro für eine Studie eingesetzt, mit der untersucht wer-
den soll, in welcher Weise sich dieser Bereich verändert
hat.

Beim Drogen- und Suchtmittelmissbrauch – mein
Kollege Heiderich hat gerade noch einmal darauf auf-
merksam gemacht – haben wir die Mittel weiter aufge-
stockt, auf 1,5 Millionen Euro. Sehr wichtig war uns die
Frage von weiteren Programmen gegen Glücksspiel-
sucht, losgelöst aus den übrigen Programmen, damit die





Petra Hinz (Essen)



(A) (C)



(D)(B)

einzelnen Punkte, die in diesem Bereich zur Umsetzung
kommen und etatisiert sind, für die Fachkolleginnen und
Fachkollegen entsprechend nachvollziehbar sind, damit
man sehen kann, welche Maßnahmen auf den Weg ge-
bracht werden, welche Evaluierung und welche For-
schungsmittel eingesetzt werden.

Es wird weitere Veränderungen geben: Es wird neue
Mitarbeiter bzw. Geschäftsführer für das Robert-Koch-
Institut und die Bundeszentrale für gesundheitliche Auf-
klärung geben, die im nächsten Jahr ihre neue Aufgabe
antreten werden. Auch in diesem Bereich haben wir – so
sage ich einmal – nicht nur national, sondern auch inter-
national einen sehr guten Namen. Immer wieder werden
Know-how und Kapazitäten des Robert-Koch-Instituts
abgefragt, gerade im Zusammenhang mit Ebola.

Ich möchte mich bei all denen, die dazu beigetragen
haben, dass der Haushalt für 2015 aufgestellt werden
kann, und die noch eine deutliche Aufstockung in den
Bereichen Pflege, Prävention und Aufklärung sowie
Kindergesundheit möglich gemacht haben, herzlich be-
danken. Dies ist eigentlich der erste Haushalt der Großen
Koalition. Wir haben noch eine ganze Menge an Arbeit
auf den Weg zu bringen. Ich möchte mich bei allen ganz
herzlich bedanken: beim Minister, beim Bundesrech-
nungshof, beim Finanzministerium, vor allem aber bei
den Fachkolleginnen und Fachkollegen, die uns in dieser
Frage sehr deutlich unterstützen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806803200

Herzlichen Dank. – Für die Bundesregierung erhält

jetzt das Wort Bundesminister Hermann Gröhe.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Hermann Gröhe (CDU):
Rede ID: ID1806803300

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Gerne
greife ich zu Beginn den Dank auf und erwidere ihn
herzlich. Nach intensiven Beratungen in diesem Jahr
– der Haushalte 2014 und 2015 – ist es in der Tat ange-
messen, der Hauptberichterstatterin, den Berichterstat-
tern und dem Haushaltsausschuss als Ganzes Dank zu
sagen. Ich denke, wir haben in umfänglichen, in enga-
gierten Beratungen ein Ergebnis vorgelegt, das uns auf
dem wichtigen Feld der Gesundheitspolitik nach vorne
bringt; dafür bin ich dankbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun ist es
völlig normal, dass die Haushaltsdebatte der Opposition
Gelegenheit zur Kritik bietet. Was uns allen nicht weiter-
hilft, ist allerdings, wenn mit bewussten Verzerrungen
und Verdrehungen die Verunsicherung der Versicherten
gleichsam im Rahmen einer versuchten Märchenstunde
zum Ziel der Politik gemacht wird. So dienen Sie kei-
nem Menschen, meine Damen und Herren von der Op-
position.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Darüber hinaus zeigt Ihre Polemik gegen einen ausge-
glichenen Haushalt,


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt aber mal zur Sache!)


Ihre Polemik dagegen, dass wir die Liquiditätsreserve ei-
nen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten
lassen, Ihre Polemik gegen das Festschreiben des Arbeit-
geberbeitrags, dass Sie ein entscheidendes Grundprinzip
eines solidarischen Gesundheitswesens überhaupt nicht
verstanden haben: Es ist eine gute Wirtschaftslage, es
sind sichere, gut bezahlte Arbeitsplätze, die dazu beitra-
gen, dass sich die Menschen in unserem Land auf ein
solidarisches Gesundheitswesen verlassen können, und
dies muss so bleiben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insofern ist es richtig, dass wir die Liquiditätsreserve ei-
nen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts leisten
lassen. Ein Haushalt ohne Neuverschuldung, das ist ein
Signal der Generationengerechtigkeit, er stärkt aber eben
auch die wirtschaftliche Entwicklung und pflegt damit
gleichsam die Grundlagen, auf denen dann auch prall ge-
füllte Sozialkassen für die Sicherheit der Menschen in
diesem Land einstehen. Sie wissen sehr genau – Kolle-
gin Hinz hat es noch einmal unterstrichen –, dass keiner-
lei Abstriche an gesundheitlichen Leistungen, keinerlei
Abstriche bei den Zuweisungen an die Krankenkassen
erfolgen. Es ist gewissermaßen so: Wie in den Jahren der
Finanz- und Wirtschaftskrise durch Unterstützung des
Steuerzahlers, ja unter Inkaufnahme von Staatsverschul-
dung, die Beiträge stabil gehalten wurden, damit Ar-
beitsplätze nicht vernichtet werden, leistet jetzt eine prall
gefüllte Liquiditätsreserve ihren Beitrag zu einer wachs-
tumsfördernden Konsolidierungspolitik.

Gleiches gilt für das Einfrieren des Arbeitgeberbei-
trags in der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch das
soll und wird dazu beitragen, die Rahmenbedingungen
für Wachstum und Beschäftigung in unserem Land stabil
zu halten und damit die solidarische Gesundheitspolitik
dauerhaft abzusichern.

Die damit verbundene Verpflichtung, mit dem Geld
der Versicherten besonders sparsam umzugehen, neh-
men wir ernst. Das haben wir unter Beweis gestellt, in-
dem wir im Rahmen einer der ersten Gesetzgebungen
dieser Großen Koalition die Arzneimittelpreise ange-
packt haben. Hiermit stellen wir Sparsamkeit in der ge-
setzlichen Krankenversicherung sicher. Das ist entschei-
dend und wird uns weiterhin leiten.

Wir sind auch der Überzeugung, dass ein guter Wett-
bewerb um Qualität und Effizienz in der Leistungser-
bringung im Interesse der Versicherten ist. Die Versi-
cherten sind schlau genug, zu wissen, ob sie allein auf
den Preis schauen oder auch die Frage stellen: Ist da eine
Ansprechpartnerin, ein Ansprechpartner vor Ort? – Sie
vergleichen Leistungspakete und Preise, und das ist rich-
tig so. Es führt zu einem Bemühen um Effizienz in der
Leistungserbringung. Das liegt im Interesse der Versi-
cherten.





Bundesminister Hermann Gröhe


(A) (C)



(D)(B)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben
eine Reihe von Dingen unmittelbar im ersten Jahr dieser
Koalition angepackt. Vieles ist derzeit in Arbeit; vieles
haben wir uns noch vorgenommen. Wir haben die ge-
setzliche Krankenversicherung insgesamt zukunftsfest
gemacht: Einerseits ermöglichen wir einen vernünftig
gestalteten Wettbewerb, andererseits stärken wir das
Qualitätsbewusstsein, indem wir die Grundlagen für ein
Qualitätsinstitut geschaffen haben, das schon im nächs-
ten Jahr seine Arbeit aufnehmen wird. Wir haben
schließlich – das wurde bereits in diesem Jahr gesetzlich
abgeschlossen – die Rolle der Hausärzte gestärkt.

Erst unlängst haben wir an dieser Stelle das erste Pfle-
gestärkungsgesetz beschlossen. Damit werden wir am
1. Januar des nächsten Jahres – gleichsam zum 20. Ge-
burtstag der Pflegeversicherung – zu einer deutlichen
Ausweitung der Leistungen für Pflegebedürftige, für
ihre Angehörigen und damit auch im Interesse der Pfle-
genden in den verschiedenen Einrichtungen gelangen:
wirksamere Unterstützung zu Hause, passgenauere, bes-
ser an die individuellen Bedürfnisse angepasste Unter-
stützung in der Pflege und mehr Betreuungskräfte in un-
seren stationären Altenpflegeeinrichtungen.

Zugleich – auch das ist ein Stück Generationenge-
rechtigkeit – legen wir einen Vorsorgefonds an, den wir
in Zukunft mit gut 1 Milliarde Euro pro Jahr anfüllen.
Damit leisten wir einen Beitrag dazu, dass Pflegeversi-
cherungsleistungen ohne dramatischen Beitragsanstieg
erbracht werden können, wenn die geburtenstarken Jahr-
gänge in höherem Umfang darauf angewiesen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Aber es geht weiter: Mit einem zweiten Pflegestär-
kungsgesetz werden wir den neuen Pflegebedürftigkeits-
begriff einführen und ein individuelleres Begutachtungs-
system umsetzen. In diesem Sommer und Herbst wurde
in umfangreichen Studien die Anwendung dieses Sys-
tems getestet. Dies wird nun ausgewertet. Das Jahr 2015
wird das Jahr der gesetzlichen Umsetzung sein, sodass
wir alsbald zu einer umfassenden Implementierung eines
neuen, individuelleren Begutachtungsverfahrens kom-
men.

Wir wollen die Verbesserungen in der Pflege mit Ver-
besserungen in der hospizlichen und palliativmedizini-
schen Versorgung in unserem Land verbinden, mit Ver-
besserungen dieser notwendigen Aktivitäten unserer
Pflegeeinrichtungen; sie haben hier schon eine intensive
Debatte geprägt. Ich bin sicher: Wenn es darum geht,
Schwerstkranken und Sterbenden einen Anspruch auf
menschliche Zuwendung und bestmögliche medizini-
sche und hospizliche Betreuung einzuräumen, dann sind
wir uns in diesem Hause sehr einig.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


2015 wird uns insgesamt das Thema Versorgung be-
schäftigen: Wie sichern wir gute Versorgung stationär
und ambulant? Das geschieht auch vor dem Hintergrund
veränderter Herausforderungen durch den demografi-
schen Wandel: eine älter werdende Gesellschaft, mehr
chronisch und mehrfach erkrankte Menschen. Da liegt
mir, da liegt vielen von uns die gute medizinische Ver-
sorgung im ländlichen Raum besonders am Herzen. Wir
werden voraussichtlich noch im Dezember mit dem Ent-
wurf eines Versorgungsstärkungsgesetzes wichtige Wei-
chen stellen. Dazu gehört beispielsweise, dass man mit-
hilfe von Strukturfonds in Gebieten mit drohender oder
vorhandener Unterversorgung tätig werden kann, dass
Anreize für eine Niederlassung geschaffen werden.

Zukünftig haben die kassenärztlichen Vereinigungen
damit die Möglichkeit, mit vielfältigen Maßnahmen,
vom Stipendium bis hin zur Niederlassungshilfe, einen
Beitrag dazu zu leisten, dass Unterversorgung erst gar
nicht entsteht und auch im ländlichen Raum angemes-
sene, gute Verhältnisse im Hinblick auf die Niederlas-
sung geschaffen und gestärkt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dabei tragen wir auch den Wünschen junger Studieren-
der oder junger Ärztinnen und Ärzte Rechnung, etwa
wenn wir die Formen gemeinschaftlicher Berufsaus-
übung – von der Gemeinschaftspraxis über das in Zu-
kunft pflichtweise zu fördernde Netzwerk bis hin zu er-
weiterten Möglichkeiten von Zentren zur medizinischen
Versorgung – stärken. Wie gesagt: Dies trägt gerade den
Wünschen junger Medizinerinnen und Mediziner Rech-
nung.

Ich sage auch: Wir brauchen eine bessere Verteilung
von Vertragsärztinnen und Vertragsärzten. Das ist alle-
mal kein Grund zur Panikmache. Selbstverständlich
kann dazu auch der Abbau von Überversorgung beitra-
gen. Dafür sollen die Verantwortlichen vor Ort zuständig
sein, die die jeweilige Versorgungslage im Blick haben.
Das kann einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung in
unserem Land insgesamt zu verbessern. Es wird auch
darum gehen, dass dort, wo niedergelassene Ärzte den
Bedarf an ambulanter Versorgung nicht gewährleisten
können, die Krankenhäuser für die ambulante ärztliche
Versorgung geöffnet werden.

Nun komme ich zur Krankenhausplanung, zur Kran-
kenhausversorgung in unserem Land. Sie wissen: Dazu
tagt eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die aller Voraus-
sicht nach ebenfalls im Dezember ihre Arbeit abschlie-
ßen und Eckpunkte vorlegen wird, die dann Grundlage
einer Gesetzgebung im nächsten Jahr sein werden.

Ohne den einzelnen Ergebnissen vorgreifen zu wollen
– die Beratungen dauern ja noch an –: Es wird darum ge-
hen, die Länder bei der Krankenhausplanung darin zu
unterstützen, Qualität zu einem weiteren entscheidenden
Kriterium in der Krankenhausplanung zu machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das ist entscheidend, um dann zu einem angemessenen,
wenn Sie so wollen, auch neuen, guten Miteinander von
gut erreichbaren Krankenhäusern der Grund- und Regel-
versorgung einerseits und der Spezialisierung in beson-
deren Zentren, in Häusern der Maximalversorgung in
den Universitätskliniken andererseits zu kommen.





Bundesminister Hermann Gröhe


(A) (C)



(D)(B)

Ein verbesserter Sicherstellungszuschlag wird dazu
beitragen, das notwendige Angebot in der Fläche zu er-
halten. Dazu wird aber auch beitragen, dass wir die be-
sonderen Leistungen, die in einzelnen Zentren, aber auch
in den Universitätskliniken erbracht werden, etwa bei
seltenen oder besonders schweren Erkrankungen, ange-
messen vergüten. Schon im Versorgungsstärkungsgesetz
werden wir uns des Themas Hochschulambulanzen an-
nehmen, weil auch hier angesichts des Beitrages, den un-
sere Hochschulambulanzen gerade bei der Betreuung
Schwerstkranker bzw. besonders schwerer Fälle leisten,
eine Verbesserung notwendig ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bei der Verknüpfung von Krankenhäusern der Grund-
und Regelversorgung, von Spezialeinrichtungen und nicht
zuletzt von Universitätskliniken, kommt dem Einsatz
neuer Informations- und Kommunikationstechnologien
in der Krankenhausversorgung große Bedeutung zu.

Ich habe neulich in der Universitätsklinik Dresden er-
lebt, wie dort die Zusammenarbeit mit kleinen Kranken-
häusern in Ostsachsen organisiert ist: über die Nutzung
des Teletumorboards, über die Nutzung der Expertise bei
der Behandlung von Schlaganfallpatientinnen und -pa-
tienten. Dies sind eindrucksvolle Beispiele. Wir werden
durch die Nutzung solcher Technologien die Selbststän-
digkeit von Menschen gerade im hohen Alter, die unter
Herzinsuffizienz, Diabetes oder anderen Krankheiten
leiden, verbessern. Es geht um ein selbstbestimmtes,
aber eben mithilfe von Informations- und Kommunika-
tionstechniken ärztlich begleitetes Leben. Wir werden
mit einem E-Health-Gesetz die Anwendung dieser mo-
dernen Informations- und Kommunikationstechniken in
unserem Land vorantreiben.

Schließlich freue ich mich, dass wir alsbald in diesem
Hause den Entwurf eines Präventionsgesetzes werden
beraten können. Das Thema ist heute verschiedentlich
angesprochen worden. Der Haushalt trägt im Einzel-
plan 15 durch den Titel für das „Nationale Kompetenz-
zentrum für Prävention“ bei der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung diesem Gedanken bereits
Rechnung. Wir wollen eine nationale Präventionsstrate-
gie, an der alle Akteure mitwirken und ihren Beitrag für
eine lebens- und gesundheitsfördernde Lebensweise
– von der Kita über die Schule und den Arbeitsplatz bis
in die Altenpflege hinein – leisten. Was die gesetzliche
Krankenversicherung angeht, werden wir über die ent-
sprechende Gesetzgebung die erforderlichen Mittel be-
reitstellen. Wir werden aber auch die Einbeziehung der
übrigen Sozialversicherungsträger, der privaten Kran-
ken- und Pflegeversicherungen, in eine gemeinsame
Kraftanstrengung einbinden.

Zum Stichwort Prävention. Ich bin dem Haushalts-
ausschuss ausgesprochen dankbar für seine Arbeit im
Bereich der Sucht- und Drogenprävention. Denn ver-
schiedene Nachrichten aus dem Görlitzer Park in Berlin,
die Entdeckung von knapp 3 Tonnen Grundstoff für die
Herstellung von Crystal Meth und andere Meldungen
beunruhigen uns. Dieser Fund zeigt die Wichtigkeit der
Arbeit von Marlene Mortler, für die ich ausgesprochen
dankbar bin.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das Thema Ebola ist bereits angesprochen worden.
Wir haben im Haushaltsausschuss intensiv darüber ge-
sprochen. Deutschland stellt sich ohne Wenn und Aber
seiner Herausforderung in diesem Bereich. Wir haben
bereits erhebliche Mittel außerplanmäßig zur Verfügung
gestellt und werden das weiter vorantreiben. Das gilt
zum Beispiel für den Bereich der Impfstoffe, konkrete
Forschungsprojekte, Training in der Region und in der
Nachbarschaft, in der auswärtigen humanitären Hilfe
und auch in der Entwicklungshilfe.

Mir ist es wichtig, heute allen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern sowie Freiwilligen der Nichtregierungsor-
ganisationen, des Roten Kreuzes, des THW und der
Bundeswehr für ihren dringend benötigten und nicht risi-
kolosen Einsatz herzlich zu danken. Sie bekommen
selbstverständlich materiellen Rückenwind und die not-
wendigen Ressourcen aus dem Bundeshaushalt. Ihnen
gilt unser aller Dank. Sie haben das verdient. Wir wer-
den dieses Engagement weiter ausbauen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806803400

Das Wort hat jetzt Kathrin Vogler, Fraktion Die

Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Kathrin Vogler (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806803500

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Herr Minister!

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Das mit der Märchenstunde würde ich nun gerne
zurückgeben, Herr Minister. Denn an manches, was Sie
da erzählt haben, muss man ein Fragezeichen anhängen.
Es ist nicht so, auch wenn es unsere Aufgabe als Opposi-
tion ist, dass wir nur Kritik üben.


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Das ist ja was ganz Neues, Frau Kollegin!)


Allerdings ist der von Ihnen vorgelegte Haushalt durch-
aus kritikwürdig, und zwar gerade an dem Punkt der
Einschnitte beim Steuerzuschuss für den Gesundheits-
fonds.

Wir haben konkrete Vorschläge gemacht.


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Was ist denn mit der Gegenfinanzierung?)


Ihnen würde sicherlich kein Zacken aus der Krone bre-
chen, wenn Sie nur einen unserer guten Vorschläge, die
wir in den Änderungsanträgen vorgelegt haben, aufneh-
men und umsetzen würden.


(Beifall bei der LINKEN)






Kathrin Vogler


(A) (C)



(D)(B)

Ich möchte einmal beispielhaft den Ebolakrisenfonds
nennen. Es kann nicht sein, dass wir im Vagen gelassen
werden, wenn es darum geht, was da nächstes Jahr auf
uns zukommt.

Weiterhin wollen wir den Kampf gegen den Drogen-
und Suchtmittelmissbrauch mit Forschungsvorhaben un-
terlegen. Wir haben einen konkreten Vorschlag dahin ge-
hend gemacht. Auch darauf haben wir keine positive Re-
sonanz Ihrerseits erhalten.


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Machen Sie doch eigene Vorschläge!)


Wir wollen die nichtkommerzielle Pharmaforschung
ausbauen. Das ist dringend nötig. Wir sehen zum Bei-
spiel an der Ebolasituation, dass es da große Defizite
gibt. Wir laden Sie dazu ein. Unterstützen Sie das, und
machen Sie das mit!

Mit dem umfangsreichsten unserer Änderungsan-
träge, was die Höhe der Mittel angeht, wollen wir auch
dieses Jahr wieder den Finger in eine große Wunde unse-
res Gesundheitswesens legen: Wir wollen den Investi-
tionsstau bei den Krankenhäusern abbauen. Jährlich feh-
len den Kliniken 2 bis 3 Milliarden Euro für notwendige
Bauten und technische Erneuerungen. Insgesamt sind
das etwa 50 Milliarden Euro. Ja, wir wissen auch, dass
eigentlich die Länder dafür verantwortlich sind. Doch
diese wälzen angesichts von Schuldenbremsen diese
Last auf die Kranken ab. Das können wir nicht hinneh-
men. Darum fordert die Linke, dass sich der Bund zur
Hälfte an den notwendigen Investitionen im Kranken-
hausbereich beteiligt


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Dann machen Sie doch einen Gegenfinanzierungsvorschlag!)


und damit den Krankenhäusern Unterstützung in Höhe
von circa 2,5 Milliarden Euro im Jahr leistet.


(Beifall bei der LINKEN – Reiner Meier [CDU/CSU]: Wie sieht die Gegenfinanzierung aus?)


– Unsere Gegenfinanzierung haben wir doch längst dar-
gelegt. Die legen wir Ihnen jedes Mal wieder dar, aber
Sie ignorieren das einfach.


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Realistisch und seriös!)


Alle Koalitionen der letzten Jahre haben sich gewei-
gert, diese überaus notwendige Debatte zu führen und
den Krankenhäusern an dieser Stelle zur Seite zu stehen.
Die Folge ist, dass so manches Krankenhaus inzwischen
als ökonomisch untragbar gilt und geschlossen werden
soll. Das droht zum Beispiel auch dem Marienhospital in
meiner Heimatstadt Emsdetten, einem Krankenhaus, das
im AOK-Krankenhausnavigator von den Patientinnen
und Patienten regelmäßig hervorragende Noten erhält.
Die Qualität, über die wir oft sprechen, scheint hier nicht
der Grund zu sein. Tausende Bürgerinnen und Bürger
haben bereits Petitionen unterschrieben und sind auf die
Straße gegangen, um ihr Krankenhaus zu erhalten. Ich
finde es unerträglich, dass Krankenhäuser allein aus
ökonomischen Erwägungen geschlossen werden, ohne
dass die Kommune, der Kreis oder die betroffenen Bür-
gerinnen und Bürger mitreden können.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen dringend die politische Verantwortung
übernehmen. Dazu rufe ich Sie auf. Markt und Wettbe-
werb sind keine geeigneten Mechanismen, um die Kran-
kenhausversorgung in diesem Land zu steuern. Deswe-
gen bitte ich Sie: Stimmen Sie dem Änderungsantrag der
Linken zu. Lassen Sie die kleinen Krankenhäuser leben.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806803600

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Burkhard Blienert,

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Burkhard Blienert (SPD):
Rede ID: ID1806803700

Sehr geehrte Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem in dieser Wo-
che zu beschließenden Haushalt 2015 zeigt die Große
Koalition, dass sie verantwortungsbewusste und solide
Haushaltspolitik mit effektiver, verlässlicher und erfolg-
reicher Gesundheitspolitik in Einklang bringt.


(Beifall bei der SPD – Harald Weinberg [DIE LINKE]: Hört sich an wie Pfeifen im Wald!)


Wir setzen das um, was wir vorher gesagt haben. Wie
angekündigt erhöhen wir die Mittel für den Gesundheits-
fonds wieder auf 11,5 Milliarden Euro und somit die Ge-
samtausgaben für das Gesundheitssystem insgesamt um
knapp 10 Prozent auf über 12 Milliarden Euro.

Für uns gilt: Das eingesetzte Geld muss den Men-
schen zugutekommen und darf nicht im System versi-
ckern.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Tino Sorge [CDU/CSU]: Genau das ist der Punkt!)


Daher ist es nicht per se richtig, immer mehr Geld in das
System zu pumpen, sondern es ist vielmehr auf die Effi-
zienz der eingesetzten Gelder zu achten. Nach wie vor
sind die finanziellen Spielräume begrenzt. Unter diesen
Voraussetzungen stellen wir die gesundheitliche Versor-
gung sicher, geben die richtigen Signale für die Zukunft
und reagieren auf neue Herausforderungen.

Ich möchte zwei Beispiele geben, die zeigen, dass
wir auf dem richtigen Weg sind – sie wurden bereits er-
wähnt –: Ebola in Westafrika und die gesundheitliche
Situation der Flüchtlinge aus den Krisengebieten. Wir
müssen Antworten geben und handlungsfähig sein; und
das sind wir, ohne an anderer Stelle zu kürzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Mit diesem Haushalt zeigen SPD und Union genau diese
Handlungsfähigkeit.

Aktuell erarbeiten wir mit vielen verschiedenen Ak-
teuren eine Krankenhausreform: das Präventionsgesetz





Burkhard Blienert


(A) (C)



(D)(B)

und das Versorgungsstärkungsgesetz. Punkt für Punkt
gehen wir die unterschiedlichen Bereiche an und sorgen
für Lösungen, die den Menschen helfen. Es hilft nicht,
Anträge vorzulegen, die nicht gegenfinanziert sind und
die nicht mit einem Konzept hinterlegt sind, während
gleichzeitig zusammen mit den Ländern an Konzepten
gearbeitet wird. Anstatt mit Blick auf die Krankenhaus-
finanzierung Panik zu machen, muss man sich über Kon-
zepte und Inhalte verständigen; denn das ist der richtige
Weg. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir setzen im Koalitionsvertrag Beschlossenes wie
die Pflegereform um und verbessern damit die Situation
vieler Pflegebedürftiger. Es ist uns gelungen, die Haus-
haltsmittel für die Pflegekampagne zu verstetigen und
gleichzeitig die Gelder für Pflegebedürftige auf knapp
3 Millionen Euro zu steigern. Das sind gute Beschlüsse.
Sie gehören nicht in die Schublade eines parteipoliti-
schen Klein-Klein.

Nicht zuletzt im mir sehr wichtigen Bereich der Dro-
gen- und Suchtbekämpfung haben wir es geschafft, die
zur Verfügung gestellten Finanzmittel weiter zu erhöhen.
Für das, was wir machen, nun einige Beispiele:

Endlich ist es gelungen, Geld zur Bekämpfung der
Glücksspielsucht im Haushalt einzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Eine halbe Million Euro ist realisiert worden.

Der Aufwuchs im Bereich der Modell- und For-
schungsvorhaben hilft, eine Vielzahl von Unterstüt-
zungsangeboten fortzuführen und somit Hilfesuchenden
eine Anlaufstelle zu geben.

Mit der Ausweitung des Schulbusprojekts kann der
Crystal-Ausdehnung ein erfolgversprechendes Projekt
für Jugendliche entgegengestellt werden.

Auch die Mittel für das Klasse-2000-Projekt werden
helfen, Kindern Wege in ein selbstbestimmtes und ge-
sundes Leben zu zeigen. Es ist ein großer Schritt, wenn
wir die Finanzierung dieses Projekts an zusätzlich bis zu
2 000 Schulen ermöglichen.

An dieser Stelle muss festgestellt werden, dass wir
Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten an vielen
Stellen und in vielen Programmen die gesundheitliche
Prävention bei Kindern in den Haushaltsberatungen gut
durchsetzen konnten.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Na, na, na! Da waren wir aber vorneweg! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Nicht nur die Sozialdemokraten! Die Koalition!)


Die Mittel für die Kindergesundheit steigen von
500 000 Euro auf insgesamt 2 Millionen Euro; das ist
ein gutes Zeichen. Ein Teil davon sind Gelder für die
wichtige Adipositasforschung. Übergewicht ist in unse-
rer Gesellschaft leider ein weit verbreitetes Problem.
Umso wichtiger ist es, die Forschung auf diesem Gebiet
zu unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Prävention setzt im-
mer am Beginn an, Prävention umfasst alle Bereiche und
sozialen Lebenslagen, Prävention vermeidet Folgekos-
ten. Das ist in den kommenden Jahren unsere Hauptauf-
gabe. Mit den Beschlüssen zum Haushalt des Einzelpla-
nes 15 dürfen wir daher ganz zufrieden sein. Die
Haushälter haben, glaube ich, gut verhandelt und so da-
für gesorgt, dass das, was eingebracht wurde, besser
geworden ist und wir somit heute einen guten Einzel-
plan 15 verabschieden können. Danke insbesondere an
die zuständigen Berichterstatter für ihre Arbeit!


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, eingangs habe ich
bereits darauf hingewiesen: Es gibt Situationen, die un-
erwartet Handeln unsererseits erforderlich machen.
Ebola ist ein Beispiel; über 3 Millionen Euro stellen wir
hier für klinische Studien zur Verfügung. Die große He-
rausforderung der gesundheitlichen Versorgung von
Flüchtlingen ist ein weiteres Beispiel. Dort greifen wir
den Kommunen unter die Arme. Sie sind an der Grenze
ihrer finanziellen Belastbarkeit. Ich bin froh darüber,
dass wir dafür auch im Haushalt des BMG 500 000 Euro
zur Verfügung stellen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 500 000! Tausend, nicht Millionen!)


Wir können somit eindeutig feststellen: Die Schwer-
punktsetzungen dieser Koalition stimmen. Wir reden
nicht nur, wir zerreden nicht, wir handeln.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja! Und das in kleinsten Schritten!)


Vor gut einem Jahr wurde Schwarz-Gelb abgewählt.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Na ja, aber Schwarz ist ja wohl immer noch dran, oder? – Gegenruf des Abg. Tino Sorge [CDU/CSU]: Ja, und das bleibt auch so! Schwarz wirkt!)


Dies ist nun der erste ureigene Haushalt, den diese
Große Koalition in dieser Legislatur vorlegt und ab-
schließend berät. Wir haben einiges erreicht: Schritt für
Schritt, durchdacht und fachlich untermauert, abgewo-
gen und sozial, verlässlich und solide.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte? Sozial? Verlässlich?)


Das macht erfolgreiches politisches Handeln aus. Inso-
fern: Marktschreierische Forderungen und illusorische
Gedankenspiele sind nicht unsere Sache. Wir sind
– Punkt für Punkt – an der Sache orientiert.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist ja ein toller Beitrag!)


Wir fordern nichts Unerreichbares. Es muss das Mach-
bare angegangen werden. Auf diesem Weg befinden wir
uns.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)






Burkhard Blienert


(A) (C)



(D)(B)

Wir haben unsere Arbeit für diesen Haushalt getan:
gründlich, solide, erfolgreich.


(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und leidenschaftlich!)


Die Bürgerinnen und Bürger können sich sicher sein,
dass unser Haushaltsentwurf die richtige Medizin für die
Herausforderungen in der kommenden Zeit sein wird.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806803800

Vielen Dank. – Das Wort hat Kordula Schulz-Asche,

Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Minister Gröhe, ich möchte Ihnen für die Rede, die Sie
hier gerade gehalten haben, ausdrücklich danken. Denn
einen besseren Beweis für das Motto dieser Großen Ko-
alition, was den Gesundheitshaushalt angeht, konnte es
gar nicht geben. Ihr Motto lautet „Verwalten statt gestal-
ten“.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: Dann haben Sie nicht zugehört! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: So ein Quatsch! – Das ist ja frech!)


Wie soll die Gesundheitsversorgung in Zeiten des de-
mografischen Wandels in Zukunft aussehen? Wie kann
diese solidarisch finanziert werden? Den Ehrgeiz zu gro-
ßen, längst überfälligen Reformen bleiben Sie leider
schuldig. Diese Koalition verschleppt nahezu alles, was
den Patienten und ihren Angehörigen, den Versicherten
und den Bürgerinnen und Bürgern zugutekommen
würde. Ich möchte nur ein paar Beispiele nennen:

Die Koalition packt das Pflegestärkungsgesetz, die
Probleme des wachsenden Bedarfs an guter Pflege – ich
betone: an guter Pflege –, nicht an der Wurzel. So ist die
Einführung des neuen Pflegebegriffs wieder einmal ver-
schoben worden. Das Problem einer langfristigen und
gerechten Finanzierung bleibt ungelöst.


(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Was ist denn damals bei Rot-Grün passiert?)


Stattdessen verschwendet Schwarz-Rot das Geld der
Versicherten an einen völlig unsinnigen Pflegevorsorge-
fonds,


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Dass Vorsorge für Sie unsinnig ist, haben wir ja schon mitbekommen!)


und der schwarz-gelbe Pflege-Bahr, der erwiesenerma-
ßen schon ein totaler Reinfall ist, wird nicht etwa abge-
schafft, sondern fortgeführt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, mit dem sogenannten Ver-
sorgungsstärkungsgesetz – das ist im Moment offen-
sichtlich Ihr Lieblingswort – verliert sich Minister Gröhe
hingegen im Klein-Klein. Altbekannte Akteure im Ge-
sundheitswesen werden mit Geschenken und Detailver-
besserungen bei Laune gehalten, notwendige Strukturre-
formen aber werden auf die lange Bank geschoben.
Konkrete Regelungen zur Reform der Krankenversor-
gung, also zur Bedarfsplanung, zur besseren Koopera-
tion der Gesundheitsberufe, zur Stärkung der Verantwor-
tung in den Bundesländern und Kommunen zur
Sicherstellung der Versorgung in Stadt und Land, fehlen
völlig.

Bei dem geplanten Präventionsgesetz bedient sich die
Große Koalition bei den Vorschlägen aus den dunklen
Zeiten der Gesundheitspolitik von Schwarz-Gelb. Hier
hilft ein bisschen SPD-Prosa überhaupt nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Hilde Mattheis [SPD]: Hallo!)


Im Gegenteil: Schwarz-Rot verpasst die Möglichkeit,
Prävention und Gesundheitsförderung als Gemein-
schaftsaufgabe zu verstehen, zu finanzieren, zu organi-
sieren und umzusetzen.

Wir brauchen eine echte Investition in die Erhaltung
und die Förderung der Gesundheit, und zwar mit den
Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam. Das gelingt aber
nur, wenn insbesondere Kinder und Jugendliche sowie
die wachsende Zahl älterer Menschen nicht nur kompe-
tent im gesunden Verhalten werden, sondern im Alltag
tatsächlich auch die Möglichkeit haben, diese Lebens-
weise umzusetzen. Das scheitert nicht an fehlenden
Kenntnissen, sondern es fehlt an den notwendigen Mög-
lichkeiten Einzelner – übrigens auch den finanziellen
Möglichkeiten – und an den Gelegenheiten im Alltag: im
Kindergarten, in der Schule, im Betrieb, im Stadtteil.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Deshalb machen wir neue Gesetze! Sie müssen einmal lesen, was wir machen!)


Deshalb setzen wir Grüne auf eine Gesundheitsförde-
rung, die auch die Verbesserung dieser Alltagswelten
zum Gegenstand hat und alle – vor allem die Menschen
vor Ort – an der Gestaltung dieser Alltagswelten betei-
ligt. Wenn wir es schaffen, beispielsweise Kindertages-
stätten unter Mitwirkung der Kinder, der Eltern, der Er-
zieherinnen und Erzieher und der Träger zu gesunden
Spiel-, Lern- und Arbeitsorten weiterzuentwickeln, dann
steigt die Zufriedenheit, und das wäre eine echte Investi-
tion in die Zukunft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie bleiben aber nicht nur bei der Ausrichtung hinter
Ihrem eigenen Koalitionsvertrag zurück, sondern auch
bei der Finanzierung. Wo bleibt die angekündigte breite
Finanzierungsbasis, die Einbeziehung der Arbeitslosen-
versicherung und der privaten Kranken- und Pflegever-
sicherung? Prävention kann nicht die alleinige Aufgabe
der gesetzlichen Krankenversicherung sein. Auch hier
versagen Sie leider völlig.





Kordula Schulz-Asche


(A) (C)



(D)(B)

Die Einbeziehung der Kommunen in die Gestaltung
der Alltagswelten kommt bei Ihnen gar nicht vor. Das ist
ein besonders wichtiger Punkt. Deshalb erneuern wir
heute unseren Appell: Die Zukunft der Prävention und
Gesundheitsförderung kann nur gemeinsam mit den Bür-
gerinnen und Bürgern und den Kommunen gestaltet wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu braucht man aber den Mut für einen Paradigmen-
wechsel.

Sehr geehrter Herr Minister Gröhe, wenn Sie die Ge-
sundheitsförderung wirklich ernst nehmen, dann müssen
Sie diese momentane Irrfahrt beenden. Legen Sie ein
Präventionsgesetz vor, das diesen Namen auch verdient
und eine echte Investition in die Zukunft ist!

In der Gesundheitspolitik wurde lange genug herum-
gedoktert. In Zeiten des demografischen Wandels und im
Interesse der Gerechtigkeit für alle Generationen brau-
chen wir endlich eine auf Dauer angelegte bürgerorien-
tierte und soziale Gesundheitspolitik – von der Finanzie-
rung über die Prävention bis hin zu einer guten
Krankenversorgung.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806803900

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Hubert Hüppe,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1806804000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau

Kollegin Schulz-Asche, eigentlich wollte ich nichts dazu
sagen, aber ich habe manchmal das Gefühl, Sie waren
nicht immer dabei, wenn wir die entsprechenden Dinge
im Gesundheitsausschuss diskutiert haben;


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie auch nicht!)


denn was wir für die Menschen geleistet und auf den
Weg gebracht haben, sind Vorteile. Das alles kann man
kritisieren. Sie haben gerade aber den Pflege-Bahr und
die Vorsorge kritisiert und gleichzeitig gesagt, wir wür-
den dieses System nicht sichern. Hier stimmt irgendet-
was nicht, und ich finde es schade, dass wir hier nicht
sachlicher über diese Dinge sprechen können.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte jetzt allerdings noch zu einigen anderen
Themen kommen. Wir hatten in der letzten Sitzungswo-
che eine fünfstündige und viel beachtete Debatte über
die Frage organisierter Suizid, Beihilfe zur Selbsttötung.
Dabei haben wir sehr viele Dinge diskutiert. Es gab ganz
unterschiedliche Meinungen quer durch die Fraktionen.
Aber alle waren sich einig – zumindest ich habe keine
andere Stimme gehört –: Wir wollen eine ausreichende
medizinische, auch schmerzmedizinische Versorgung für
ein würdiges Leben. Wir brauchen gute Pflege. Wir wol-
len ebenso – auch das ist sehr wichtig – die menschliche
Betreuung sicherstellen.

Ich glaube, dass diese Punkte, wenn wir sie weiterent-
wickeln und die Versorgung verbessern und sichern, die
beste Prävention sind, um dem Wunsch nach vorzeiti-
gem Sterben entgegenzutreten. Deswegen ist es gut, dass
vor zwei Wochen eine Initiative des Bundesgesundheits-
ministers Gröhe und der Gesundheitspolitiker der Koali-
tion – sie sind hinsichtlich der Sterbehilfe durchaus un-
terschiedlicher Meinung – vorgestellt worden ist, in der
dargelegt wird, wie die Hospiz- und Palliativversorgung
in Deutschland verbessert werden soll. Es sollen Lücken
in der Versorgung geschlossen werden. Auch soll die
Hospizarbeit finanziell stärker gefördert werden.

Es soll vor allen Dingen auch finanzielle Anreize für
die ambulante Palliativversorgung geben. Es ist wichtig,
dass Menschen gerade in ihrer letzten Phase am gesell-
schaftlichen Leben teilhaben können, dass sie mitten in
unserer Gesellschaft sind und da leben und auch sterben
können, wo sie es wollen. Vielleicht ist das mit ein
Grund, warum wir eine solche Debatte führen: Wir ha-
ben den Tod mehr und mehr in Einrichtungen verbannt
und damit die Angst vor dem Tod gesteigert. Deswegen
ist es notwendig, diese Ideen gerade für die ländlichen
und strukturschwachen Gebiete tatsächlich aufzuneh-
men. Ich lade die Opposition ein, hier mitzumachen. Ich
bin sicher, dass wir uns guten Vorschlägen nicht ver-
schließen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wichtig ist dabei – das darf ich auch einmal sagen –,
dass die Hospiz- und Palliativversorgung in den Pflege-
heimen verbessert wird.


(Beifall der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE])


Immerhin sterben jedes Jahr 340 000 Menschen in sta-
tionären Pflegeeinrichtungen. Es ist notwendig, dass
diese Menschen nicht vergessen werden und sie Zugang
zu Hospiz- und Palliativleistungen haben; denn es ist
wichtig, dass die Menschen keine Angst haben, in diesen
Heimen ohne die Möglichkeit, solche Leistungen und
auch menschliche Zuwendung in Anspruch zu nehmen,
zu sterben. Auch muss gewährleistet sein, dass die Hos-
pizdienste und die Ärzte zusammenarbeiten und den
Menschen in ihrer letzten Phase helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gerade weil sich alle einig waren, dass die Verbesse-
rung der Hospiz- und Palliativversorgung Vorrang hat,
sollten wir darüber als Erstes sprechen. Das sollten wir
schnell tun, bevor wir die anderen rechtlichen Fragen re-
geln, damit diese Hilfe zügig ankommt. Es darf nicht
sein, dass wir zwar eine rechtliche Frage klären, aber die
Hilfe, die die Menschen brauchen, noch nicht geregelt
haben. Deswegen sollten wir hier zügig handeln und
diese Maßnahmen umsetzen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben aber noch nichts getan!)






Hubert Hüppe


(A) (C)



(D)(B)

Wenn wir über Teilhabe von kranken, behinderten
und alten Menschen sprechen, dann müssen wir auch
über Pflege reden. Wenn wir über Inklusion in die Ge-
sellschaft sprechen und über die Umsetzung der UN-Be-
hindertenrechtskonvention, dann denken wir meistens an
gemeinsame Kindergärten, Schulen, vielleicht auch an
Werkstätten und andere Möglichkeiten für Menschen
mit Behinderung. Aber ganz wichtig ist, dabei nicht zu
vergessen, dass auch alte und pflegebedürftige Men-
schen ein Recht auf gesellschaftliche Teilhabe haben.
Deswegen ist das Pflegestärkungsgesetz ein wichtiger
Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskon-
vention und zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe für pfle-
gebedürftige Menschen.

Auch in diesem Bereich wollen wir den Menschen so
lange wie möglich ein Leben mitten in der Gesellschaft
ermöglichen. Wir sehen deswegen zusätzliche Leistun-
gen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen und für
Pflegekräfte vor. Wir flexibilisieren in Zukunft die Kurz-
zeit- und Verhinderungspflege. Wir machen die Tages-
und Nachtpflege leichter zugänglich. Auch die stärkere
Förderung ambulanter Wohngruppen und die Erhöhung
der Zuschüsse für Umbaumaßnahmen tragen dazu bei,
dass Menschen dort leben können, wo sie gerne leben
wollen, auch wenn sie pflegebedürftig sind.

Wir wollen die Voraussetzungen schaffen bzw. ver-
bessern, dass Menschen mit Pflegebedarf und/oder Be-
hinderung möglichst so leben können, wie sie es wollen.
Gesellschaftliche Teilhabe darf nicht in stationären Ein-
richtungen enden. Deswegen bin ich sehr dankbar, Herr
Minister Gröhe, und finde es hervorragend, dass wir bei
den Betreuungskräften in diesen Einrichtungen eine er-
hebliche Aufstockung vornehmen konnten. Wie Sie wis-
sen, konnte bisher pro 24 pflegebedürftigen Bewohnern
eine Betreuungskraft eingestellt werden. Aber dafür
zählten nur Menschen mit eingeschränkter Alltagskom-
petenz, also vor allem demente Menschen. Jetzt ist der
Schlüssel verbessert worden. Es gibt eine Betreuungs-
kraft pro 20 Pflegebedürftigen, und zwar unabhängig da-
von, ob sie dement sind oder nicht.

Das wird bedeuten, dass zu diesem Zweck Tausende,
wenn nicht sogar Zehntausende Betreuungskräfte in die-
sen Einrichtungen eingestellt werden könnten, die den
Menschen mehr geben als Pflege. Sie dürfen zwar keine
körperliche Pflege leisten. Wichtig ist aber auch, jeman-
den zu haben, der mit einem spricht, der einen begleitet
und mit einem spielt. Das ist Inklusion. Das ist Teilhabe,
und das schaffen wir mit diesem Gesetz.


(Beifall bei der CDU/CSU – Elisabeth Scharfenberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird aber von den Versicherten bezahlt und nicht aus dem Haushalt!)


Im Übrigen schafft das vielleicht auch die Möglich-
keit, Menschen einen Arbeitsplatz zu geben, die bisher
diese Chance nicht hatten. Es gibt zum Beispiel ein Mo-
dellprojekt der Lebenshilfe, in dem man versucht, Men-
schen mit Lernbehinderung eine Qualifikation und einen
Arbeitsplatz außerhalb einer Behindertenwerkstatt zu er-
möglichen. Auch das wäre eine sehr schöne Nebenwir-
kung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, alle diese Leistungen kos-
ten Geld.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das der Beitragszahler!)


Gute Pflege gibt es nicht umsonst. Deswegen nehmen
wir die Anhebung des Beitrages in Kauf, auch wenn wir
das nicht gerne tun und bei den Lohnnebenkosten an-
sonsten auf Stabilität achten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Verhaltener Beifall!)


Wichtig ist es auch, Barrieren im Gesundheitssystem
abzubauen. Deswegen sehen wir beim Versorgungsstär-
kungsgesetz vor, dass bei Ausschreibungen eines nach-
zubesetzenden Arztsitzes erstmals die Belange von Men-
schen mit Behinderungen gezielt berücksichtigt werden
können. Übrigens loben uns fast alle Selbsthilfeverbände
dafür. Es wäre richtig, auch das anzuerkennen, statt nur
zu sagen, wir hätten nichts gemacht. Im Gegenteil: Das
ist nur einer der Punkte, um die wir uns kümmern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein weiterer wichtiger Punkt ist meines Erachtens der
Begriff „Transition“. Damit können vielleicht nicht alle
etwas anfangen. Es geht darum – das ist im Koalitions-
vertrag festgelegt worden –, dass für erwachsene Men-
schen mit geistiger Behinderung und schweren Mehr-
fachbehinderungen die Möglichkeit geschaffen wird,
sich in medizinischen Behandlungszentren behandeln zu
lassen. Diese Notwendigkeit gibt es aus meiner Sicht
schon seit geraumer Zeit. Es war notwendig und es ist
richtig, dass wir das, was im Koalitionsvertrag verein-
bart wurde, jetzt anpacken. Bislang sind Menschen mit
einer Behinderung oder Erkrankung wie zum Beispiel
einer Muskeldystrophie oder Mukoviszidose in sozialpä-
diatrischen Zentren behandelt worden. Viele sind schon
im Kindesalter gestorben. Deswegen hat man auch keine
Folgeeinrichtungen geschaffen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806804100

Herr Kollege Hüppe, gestatten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Klein-Schmeink?


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1806804200

Ja, meinetwegen.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806804300

Gut.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Hüppe, wenn Sie schon die Haushaltsrede dazu
nutzen, um auf das als Nächstes geplante Gesetz überzu-
leiten, möchte ich Ihnen eine Frage stellen.

Da Sie zu Recht auf Maßnahmen für Menschen mit
Behinderung hingewiesen haben, ist natürlich erklä-
rungsbedürftig, warum in der letzten Legislaturperiode
das Zentrum zur medizinischen Behandlung von Men-
schen mit Mehrfachbehinderung von Ihrer Fraktion ab-





Maria Klein-Schmeink


(A) (C)



(D)(B)

gelehnt wurde; ein entsprechender Antrag hat hier im
Bundestag vorgelegen. Als Beauftragter der Bundesre-
gierung für die Belange behinderter Menschen hatten Sie
einen umfangreichen Katalog von notwendigen Verbes-
serungen in der gesundheitlichen Versorgung vorgelegt.
Nun sehe ich aber, dass der Referentenentwurf für Men-
schen mit Behinderung gerade einmal drei Punkte ent-
hält, die als notwendig erachtet wurden. Daher frage ich
Sie: Beabsichtigen Sie, nach dem geplanten Versor-
gungsstärkungsgesetz ein eigenständiges Versorgungs-
stärkungsgesetz für Menschen mit Behinderung zu ma-
chen? Wenn ja, dann sind Sie auf dem richtigen Weg.
Ansonsten befürchte ich, dass Sie leider bei den ersten
Schritten stehen bleiben. Sechs Jahre nach der Ratifizie-
rung der UN-Behindertenrechtskonvention wäre es in
der Tat notwendig, eine vollständige Anpassung der Re-
gelungen vorzunehmen. Beabsichtigen Sie das?


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wo ist die Frage?)


– Die Frage lautet, ob es ein eigenständiges Gesetz für
Menschen mit Behinderung geben wird, da das andere
Gesetz quasi nur Bruchteile enthält.


Hubert Hüppe (CDU):
Rede ID: ID1806804400

Es wird in der Tat verschiedene Gesetze geben, im

Rahmen derer dieses Thema behandelt wird. Wir disku-
tieren bereits über ein Teilhabegesetz, auch in der Koali-
tion. Dabei werden nicht nur die Belange behinderter
Menschen, sondern auch der Pflegebereich berücksich-
tigt werden, da die Pflege nicht nur durch die Pflegever-
sicherung, sondern auch im Rahmen des SGB XII finan-
ziert wird. Ich bin sicher, dass verschiedene Punkte
aufgenommen werden, die die Umsetzung der UN-
Behindertenrechtskonvention verstärken. Aber ich bin
der Meinung, dass sowohl das Pflegegesetz als auch das
geplante Versorgungsstärkungsgesetz bereits wichtige
Schritte nach vorne darstellen; ich habe noch nicht alle
aufgezählt. Dazu gehört unter anderem die zahnärztliche
Betreuung. Ich bin dankbar, dass die Belange der Men-
schen mit Behinderung nicht in einem gesonderten Ge-
setz berücksichtigt werden. Vielmehr haben diese Men-
schen genauso wie jeder andere nicht behinderte Mensch
– das bedeutet Inklusion – das Recht auf Versorgung
bzw. ortsnahe Versorgung, soweit es möglich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist wichtig, dass Jugendliche und Kinder mit Be-
hinderung bzw. Mehrfachbehinderung die Kontinuität
einer Behandlung erfahren. Ich nenne ein Beispiel. Es
reicht nicht aus, allein einen Urologen hinzuzuziehen,
wenn ein Mensch mit Spina bifida Probleme mit der
Blase hat. Ein solcher Mensch braucht zusätzlich einen
Neurologen, der feststellen kann, ob dieses Problem bei-
spielsweise mit dem Rückenmark zu tun hat. Es ist auf
jeden Fall wichtig, dass solche Menschen eine umfängli-
che Beratung bekommen, die nicht nur auf den medizini-
schen Bereich ausgerichtet ist, sondern auch Hilfsmittel,
Versorgung und vieles andere umfasst. Wenn wir diese
Kontinuität erreichten, dann wäre das ein wichtiger
Schritt nach vorne.
Letzter Punkt. Eine gute Gesundheits- und Pflegepoli-
tik garantiert in der Tat keine Inklusion und keine gesell-
schaftliche Teilhabe. Aber eines ist sicher: Wenn wir sie
nicht haben, dann wird es auch nicht zu einer gesell-
schaftlichen Teilhabe kommen. Deswegen bedanke ich
mich beim Minister für die eingeleiteten Maßnahmen.
Wir werden noch vieles für die betroffenen Menschen
erreichen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806804500

Vielen Dank, Herr Kollege Hüppe. – Nächste Redne-

rin ist Birgit Wöllert, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Birgit Wöllert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806804600

Frau Präsidentin! Herr Minister Gröhe! Sehr geehrte

Kolleginnen und Kollegen! Kollege Heiderich und auch
Sie, Herr Minister Gröhe, haben recht viel zur Präven-
tion gesagt. Um es deutlich zu machen: Bei Prävention
und Gesundheitsförderung trennen uns nicht nur Welten,
sondern wahrscheinlich genau die Lebenswelten, die in
Ihrem Entwurf fehlen.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der große Wurf mit dem angekündigten lebenswelt-
orientierten Ansatz ist leider nicht gelungen, und auch
der tatsächliche Neuigkeitswert ist gering.

Nach der 1986 verabschiedeten Ottawa-Charta zur
Gesundheitsförderung versteht man Lebenswelten als ei-
nen Ort, an dem Gesundheit von Menschen in ihrer all-
täglichen Umwelt geschaffen und gelebt wird, dort wo
sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Das heißt nichts
anderes, als die Menschen in ihrem unmittelbaren Le-
bensumfeld anzusprechen und das Umfeld selbst zum
Gegenstand gesundheitsfördernden Verhaltens zu ma-
chen. Das bedeutet nicht, die Menschen mit Plakaten, In-
formationsbroschüren und Tipps zur Lebensweise zu
überschütten.


(Beifall bei der LINKEN)


In dem Beschluss der 87. Gesundheitsministerkonfe-
renz zur Gesundheitsförderung und zum Präventionsge-
setz haben die Länder gefordert, die finanziellen Grund-
lagen und die Kooperationen der wesentlichen Akteure
solide und wirkungsvoll zu gestalten. Sie hatten Erwar-
tungen an eine Stärkung der Gesundheit im Sinne der
Verlängerung der gesunden Lebensjahre in Deutschland,
insbesondere auch bei sozial benachteiligten Menschen.
Prävention, die an den Lebenswelten anknüpft, ist also
weder nur Sache der Krankenkassen noch nur eine Sache
von Früherkennungs- und Vorsorgeuntersuchungen.

Statt Steuermittel für die Gesundheitsausgaben immer
weiter zu kürzen, gehören sie richtig eingesetzt.


(Beifall bei der LINKEN)






Birgit Wöllert


(A) (C)



(D)(B)

Deshalb brauchen wir einen Fonds für Gesundheits-
förderung und Prävention mit einem Titelansatz in Höhe
von 1 Milliarde Euro. Das schlägt meine Fraktion vor.


(Beifall bei der LINKEN)


Daraus könnte auch künftig die Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung finanziert werden. Auch die
vier Punkte der Deutschen Allianz gegen Nichtübertrag-
bare Krankheiten zeigen, dass Prävention in Lebenswel-
ten wesentlich mehr bedeutet, nämlich Sport und Bewe-
gung in Kitas und Schulen, Zucker- und Fettsteuer auf
ungesunde Lebensmittel, Qualitätsstandards für Kita-
und Schulessen und ein Verbot von Lebensmittelwer-
bung, die sich an Kinder richtet.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich könnte noch hinzufügen: Ausstattung von Schu-
len mit Möbeln, die dem im Wachstum befindlichen
Körper des Kindes entsprechen, aber nicht nach Kassen-
lage der Kommunen.


(Beifall bei der LINKEN)


Ganz vorne stand bei einem Besuch von Kindern ei-
ner sechsten Klasse im Bildungsausschuss in Spremberg
der Wunsch an die Politik, E-Books einzuführen. Der
Grund: leichtere Schultaschen. Auch das ist Prävention.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806804700

Frau Kollegin Wöllert, ich muss Sie jetzt bitten, zum

Schluss zu kommen, nicht nur weil Ihre Redezeit abge-
laufen ist, sondern auch angesichts Ihrer Heiserkeit we-
gen des Präventionsgedankens.


(Heiterkeit)



Birgit Wöllert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806804800

Deshalb stimmen Sie unserem gesamten Antrag zu.

Danke schön.


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806804900

Nächste Rednerin ist Hilde Mattheis, SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1806805000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es geht hier heute um den Einzelplan 15, aber wie es in
der Politik so ist: Alles hängt mit allem zusammen. Des-
wegen schauen wir uns alles zusammen an; denn wir als
SPD-Bundestagsfraktion sehen natürlich gerade die Da-
seinsvorsorge im Gesundheitsbereich als einen ganz we-
sentlichen Punkt an, und die Zugänge zur medizinischen
Versorgung und die Teilhabe am medizinischen Fort-
schritt stehen im Zentrum unserer Politik.


(Beifall bei der SPD)


Deswegen sind wir auch froh, dass im Einzelplan 15
viele Maßnahmen genau dieses Anliegen erfüllen. In der
Vernetzung und gemeinsam mit dem, was wir im Koali-
tionsvertrag festgeschrieben haben, ist dieser Ansatz zu
erkennen. Ich sage gerne „ist zu erkennen“, weil klar ist:
Wir als Gesundheitspolitiker der SPD wollen immer
mehr, wir sind unersättlich. Das ist richtig.

Aber wir sind auf dem richtigen Weg. Ich mache das
an einzelnen Beispielen fest. Ich bitte alle, die die Meta-
pher der Märchen benutzt haben, weiterzudenken; denn
im Märchen siegen immer die Guten. Wie heißt der nette
Schlusssatz in vielen Märchen? „Und wenn sie nicht ge-
storben sind, dann leben sie noch heute.“


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Vielleicht blüht uns das.

Der Koalitionsvertrag, den wir geschlossen haben, ist
im Gesundheitsbereich sehr konkret. Ich wage zu be-
haupten: So wie in keinem anderen Bereich haben wir,
geleitet von den Zielen Versorgungssicherheit und Ver-
sorgungsqualität, ganz konkrete Projekte und auch ganz
konkrete Maßnahmen beschlossen und eine solche Ver-
einbarung getroffen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Deswegen ist es so wichtig, auch an diesem Punkt, bei
dem es um den Einzelplan 15 geht, immer wieder darauf
hinzuweisen: Ja, wir wollen noch einmal 5,9 Millionen
Euro für alles, was in den Bereich Pflegeberatung und
Unterstützung gehört, zusätzlich ausgeben. Aber unser
zentraler Punkt ist, in dieser Legislaturperiode das Pfle-
gestärkungsgesetz zu verabschieden. Dabei geht es ins-
besondere um die Reform des Pflegebedürftigkeits-
begriffs. Auch im Einzelplan 15 schimmert das durch.
Wir arbeiten vernetzt und gemeinsam an der Erreichung
unseres Ziels: an der Verbesserung der Daseinsvorsorge
und der Teilhabe am medizinischen Fortschritt.

Ein weiteres Beispiel für gelungene Prävention ist
das, was ich gerne das Präventionsgesetz nenne. Das
Programm „Klasse 2000“ ist ein gutes Beispiel. Aus ei-
nem anderen Bereich könnte ich als Beispiel das Pro-
gramm „Soziale Stadt“ nennen. Wo kommt Prävention
an, wenn nicht in Lebenswelten?


(Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir müssen noch ein bisschen daran feilen, wie „Le-
benswelten“ zu definieren sind.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel feilen, nicht ein bisschen!)


Für uns sind Lebenswelten vor Ort im Zusammen-
spiel mit den Kommunen und mit all den Menschen, die
da Verantwortung tragen: von Erzieherinnen über Lehre-
rinnen und Pädagogen – die ganze Palette – bis hin zu
anderen Angehörigen der Arbeitswelt. Dass wir jetzt die
Mittel für Prävention mehr als verdoppeln, ist doch ein
guter, wichtiger Hinweis. Da könnten Sie alle klatschen,
finde ich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)






Hilde Mattheis


(A) (C)



(D)(B)

Genau für den Bereich der Prävention ist auch im
Einzelplan 15 sehr viel zu finden. Dass wir mit 12,1 Mil-
liarden Euro für den Einzelplan 15 natürlich nur einen
ganz kleinen Teil dessen investieren, was wir im Ge-
sundheitsbereich insgesamt verausgaben, wurde hier
schon mehrfach erwähnt. Es ist doch klar: Wir als Politik
haben den Auftrag, die Versichertengelder sehr zielge-
nau und effektiv, Stichwort „Qualität“, einzusetzen. Das
ist unser Auftrag.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Prävention ist und bleibt also ein wichtiger Ansatz.

Zu allem, was mit Versorgungsstrukturen zusammen-
hängt: Im Koalitionsvertrag steht etwas zur Bund-Län-
der-Arbeitsgruppe zum Thema Krankenhausfinanzie-
rung.


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806805100

Frau Kollegin Mattheis, gestatten Sie eine Zwischen-

frage der Kollegin Schulz-Asche?


Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1806805200

Ja.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte eine Zwischenfrage zum vorherigen
Punkt, Gesundheitsprävention, stellen.


Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1806805300

Kein Problem.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was die Betonung der Lebenswelten, die gemeinsame
Gestaltung in den Kommunen angeht, bin ich voll bei Ih-
nen. Sie haben aber auch darauf hingewiesen, dass der
größte Teil aus der gesetzlichen Krankenversicherung
finanziert wird. Deswegen will ich fragen, inwieweit Sie
vorsehen, die privaten Kranken- und Pflegeversicherun-
gen stärker als bisher gerade in die Finanzierung der För-
derung der Lebenswelten einzubeziehen und es dort
nicht bei der Freiwilligkeit zu belassen. – Danke schön.


Hilde Mattheis (SPD):
Rede ID: ID1806805400

Ich danke Ihnen herzlich für die Frage. – Es gelingt

vielleicht, die kleinen, aber feinen Unterschiede in einer
Großen Koalition ein Stück weit dadurch zu verdeutli-
chen, dass ich darauf hinweise, dass unser Herz einfach
dafür schlägt, in größerem Maße eine gleiche Teilhabe
zu gewährleisten und zu ermöglichen, dass sich die pri-
vaten Versicherungen beteiligen. Das dürfte auf der
Hand liegen. Wir müssen eine Debatte darüber führen,
ob uns das, was im Entwurf des Eckpunktepapiers vor-
gesehen ist, ausreicht. Ich sage – da darf ich auch für un-
sere Position sprechen –, dass wir da eine Teilhabe auf
Augenhöhe möchten und fordern. Es wird eine Debatte
geben. Wir haben ein Anhörungsverfahren. Und kein
Gesetz – so lautet das Struck’sche Gesetz – geht so aus
dem Parlament hinaus, wie es hereingekommen ist. Wir
debattieren, und ich glaube, es ist auch eine Qualität von
Parlament, dass hier zwischen Opposition und Koali-
tionsfraktionen debattiert wird. Von daher: Wir freuen
uns über jede Unterstützung.

Ein wichtiger Punkt – auch für uns in der Großen Ko-
alition; da sind wir uns völlig einig – ist natürlich die
Versorgungsstruktur und damit all das, was die Bund-
Länder-Kommission im Bereich der Krankenhausfinan-
zierung regeln möchte. Dass wir uns da ein sehr ambitio-
niertes Ziel gesetzt haben, wurde hier schon ausgeführt.
Wir wollen innerhalb dieses Jahres, also bis Jahresende,
Eckpunkte vorlegen und ein Ergebnis präsentieren, wie
wir gemeinsam mit den Ländern genau das erreichen
können, was unser aller Anliegen ist, nämlich dass die
Krankenhausfinanzierung gesichert ist und dass die Ver-
sorgungsstrukturen, egal wo man lebt, und die Zugänge,
egal ob man im ländlichen oder städtischen Bereich lebt,
einigermaßen gleichwertig sind.

Zum Versorgungsstrukturgesetz. Das neue Versor-
gungsstrukturgesetz, das wir jetzt schon sehr intensiv de-
battieren und uns natürlich mit der ganzen Problematik
der Versorgung konfrontiert, die wir nicht erst seit heute
kennen – schon seit etlichen Jahren versuchen wir immer
wieder, das zu regulieren –, wird Punkte enthalten, zu
denen wir nicht nur ein Nein der Opposition zu hören
wünschen. Wenn wir in den ländlichen Räumen bei den
Versorgungsstrukturen eine Verbesserung haben wollen,
bedeutet das schlicht und ergreifend, dass wir auch eine
Debatte über Überversorgung brauchen. Diese Debatte
werden wir miteinander führen müssen.

Ich glaube schon, dass es wichtig ist – nicht nur im
Hinblick auf die Akzeptanz der Gesetze, die sich die
Große Koalition als wichtige Ziele vorgenommen hat –,
dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, insbeson-
dere, so denke ich, für die Gebiete, in denen die Versor-
gung noch großer Unterstützung bedarf. Da geht es nicht
nur um die ärztliche Versorgung, um die Krankenhaus-
landschaft; da geht es auch um die Versorgung von Men-
schen mit psychischer Beeinträchtigung, da geht es um
die Arzneimittelversorgung. Es ist eine ganze Palette.

Dieses ambitionierte Ziel im Zusammenhang mit dem
Einzelplan 15 ist, glaube ich, eines, das uns nach vier
Jahren, in denen es nicht gelungen ist, Gesundheitspoli-
tik zu machen, als diejenigen auszeichnet, die etwas für
die Menschen erreichen, die nicht eine Märchenstunde
abhalten, sondern ganz knallharte Tatsachen schaffen
und Step by Step – vielleicht will der eine oder andere
zwei Stufen überspringen; wir aber sagen: Step by Step –
die Versorgungsqualität und die Versorgungssicherheit
für die Menschen verbessern.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806805500

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Reiner Meier,

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Reiner Meier (CSU):
Rede ID: ID1806805600

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Da-

men und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
beraten heute in zweiter Lesung den Entwurf des Bun-
deshaushalts 2015. Auch wenn es manche immer noch
nicht glauben wollen: Der Bund wird nächstes Jahr ohne
Neuverschuldung auskommen.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Finanziert durch die Beitragszahler!)


Der erste ausgeglichene Bundeshaushalt seit Franz Josef
Strauß im Jahre 1969 zeigt eines: 45 Jahre später braucht
es mit Wolfgang Schäuble wieder die Union im Finanz-
ministerium, um dieses Ziel zu erreichen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Maria KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo wart ihr denn in der letzten Legislaturperiode?)


Frau Kollegin Schulz-Asche, wenn Sie dem amtieren-
den Gesundheitsminister vorwerfen, er verwalte nur und
gestalte nicht, dann möchte ich Ihnen sagen: Dieser Ge-
sundheitsminister hat im ersten Jahr so viele Reformen
durchgebracht zum Wohle der Patienten und der Bevöl-
kerung wie kein anderer Bundesminister.


(Beifall bei der CDU/CSU – Maria KleinSchmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das lag vielleicht an seinen beiden Vorgängern!)


Deshalb möchte ich von Ihnen weder verwaltet werden,
noch möchte ich Ihnen die Gestaltung der Gesundheits-
politik in Deutschland überlassen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Lieber gut verwaltet als schlecht gestaltet!)


Indem wir einer unkontrollierten Schuldenpolitik eine
klare Absage erteilen, bewahren wir uns und unseren
Kindern Handlungsspielräume für die Zukunft. Die ge-
setzliche Krankenversicherung steht heute wieder auf ei-
nem soliden finanziellen Fundament. Im ersten Halbjahr
2014 haben die gesetzlichen Krankenkassen über Prä-
mien und freiwillige Leistungen insgesamt 517 Millio-
nen Euro an die Versicherten zurückgegeben. Wenn man
diese Ausschüttungen berücksichtigt, sind die Finanzen
der GKV strukturell nahezu ausgewogen. Mit 16,2 Mil-
liarden Euro Rücklagen bei den Kassen und weiteren
10,4 Milliarden Euro beim Gesundheitsfonds verfügt die
gesetzliche Krankenversicherung über hohe Reserven.

Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz haben wir dafür
gesorgt, dass die Kassen den umständlichen Weg über
Ausschüttungen künftig gar nicht mehr gehen müssen.
Ab dem kommenden Jahr können die Krankenkassen die
Höhe des Zusatzbeitrags selbst festsetzen und ihren
Finanzierungsbedarf eigenverantwortlich justieren. Da-
mit, meine Damen und Herren, stärken wir den Wettbe-
werb in der gesetzlichen Krankenversicherung. Jeder
Versicherte kann künftig für sich selbst entscheiden, ob
er lieber kostenlose Zusatzleistungen oder niedrige Bei-
träge haben will. In den nächsten Wochen werden wir se-
hen, wie die Krankenkassen ihre Zusatzbeiträge für das
kommende Jahr gestalten. Ich gehe davon aus, dass viele
Kassen ihre Versicherten auch deutlich entlasten werden.

Meine Damen und Herren, unser deutsches Gesund-
heitssystem gehört zu den modernsten und leistungsfä-
higsten Systemen weltweit.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wegen der Vielfalt der Leistungsangebote und der Ak-
teure kann es aber auch manchmal etwas kompliziert
werden: Welche Leistungen übernimmt die Kasse? Was
sind die Voraussetzungen für Kuren? Oder: Was muss
ich im Ausland beachten? – Genau hier ist die Unabhän-
gige Patientenberatung eine wertvolle Ergänzung zu den
bestehenden Angeboten


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür habt ihr lange gebraucht, um das zu begreifen!)


und unterstützt die Versicherten seit Jahren dabei, sich
im Gesundheitssystem zu orientieren, und, wo es nötig
ist, auch dabei, ihre Rechte zu verwirklichen. Ich freue
mich deshalb besonders, dass es uns gelungen ist, die
Unabhängige Patientenberatung finanziell besser auszu-
statten. Von gut 5 Millionen Euro auf 9 Millionen Euro
jährlich konnten wir das Budget erhöhen. Das ist eine
wichtige Stärkung der Patientenrechte; denn künftig er-
halten die Versicherten nicht nur die schon heute hervor-
ragende Beratung, sondern sie bekommen diese Bera-
tung schneller und idealerweise auch ohne Wartezeiten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein kranker
Mensch interessiert sich nicht für Kennziffern oder Bü-
rokratie, sondern alleine dafür, wie schnell er zum
nächsten Arzt oder in das nächste Krankenhaus kommt.
Wir haben deshalb mit dem Pflegestärkungsgesetz I den
Versorgungszuschlag für Krankenhäuser in Höhe von
0,8 Prozent und damit in voller Höhe um ein weiteres
Jahr verlängert. Das ist mir wichtig; denn das kommt vor
allem kleineren und ländlichen Krankenhäusern zugute,
von denen viele für die Versorgung in der Fläche unent-
behrlich geworden sind.

Ich wohne in der nördlichen Oberpfalz und kenne aus
eigener Erfahrung die Probleme, die sich in manchen
Orten durch die Landflucht stellen. Erst gehen die Ban-
ken und die Fachgeschäfte, dann die Supermärkte und
am Ende die Krankenhäuser, Ärzte und Apotheker. Im
Bereich der Daseinsvorsorge, meine sehr verehrten Da-
men und Herren, ist das für mich schlichtweg inakzepta-
bel. Wir haben uns deshalb im Koalitionsvertrag aus-
drücklich zu einer flächendeckenden ambulanten
Versorgung, einer flächendeckenden Krankenhausver-
sorgung und einer flächendeckenden Apothekenversor-
gung bekannt. Genau an diese Ziele des Koalitionsver-
trags halten wir uns, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Mit dem Referentenentwurf zum Versorgungsstärkungs-
gesetz unseres Gesundheitsministers Hermann Gröhe





Reiner Meier


(A) (C)



(D)(B)

sind wir dabei auf einem guten Weg, und ich danke ihm
für diese hervorragende Leistung.

Weil wir gerade beim Thema Ärzte sind: Ich freue
mich, dass viele Kassenärztliche Vereinigungen schon
heute das Thema Unterversorgung offensiv angehen. Mit
dem Versorgungsstärkungsgesetz werden wir an dieser
Stelle die Instrumente der Selbstverwaltung noch weiter
ausbauen. Kern der ambulanten Versorgung ist und
bleibt für uns aber der niedergelassene Arzt als freier Be-
rufsträger. Weisungsunabhängig und in seiner Diagnose
und Therapie nur dem Wohl des Patienten verantwort-
lich, bleibt er auch weiterhin absolut unverzichtbar.

Wir müssen dennoch die Rahmenbedingungen für
den Ärzteberuf weiter optimieren. Besonders junge
Ärzte tragen häufig den Wunsch an mich heran, Familie
und Beruf besser vereinbaren zu können.


(Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die Pflege!)


Ebenso müssen wir sehen, dass es Ärzte gibt, die zwar in
der Stadt wohnen wollen, aber durchaus bereit sind, auf
dem Land zu arbeiten. Hier brauchen wir noch mehr
praktikable und flexible Modelle, damit wir trotz Ärz-
temangels eine bestmögliche Versorgung der Patienten
gewährleisten können. Ich bin überzeugt, dass wir ge-
meinsam mit der Selbstverwaltung hier gut vorankom-
men.

Meine Damen und Herren, zum Ende meiner Rede-
zeit möchte ich noch kurz auf ein Thema eingehen, das
mir persönlich sehr wichtig ist. In der letzten Sitzungs-
woche haben wir eingehend über das Thema Sterbehilfe
gesprochen. Bei allen unterschiedlichen Meinungen zu
diesem Thema treffen wir uns fast alle immer wieder an
einem Punkt: nämlich der Überzeugung, dass wir die
Hospiz- und Palliativversorgung auch finanziell stärken
müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Kordula SchulzAsche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steht das im Haushalt? – Zuruf von der LINKEN: Wo steht das im Haushalt?)


Eine menschliche und menschenwürdige Begleitung bis
zum Ende ist die mindeste Grundlage für jede weitere
Diskussion.

Meine Damen und Herren, wir haben heute viele Ge-
danken gehört. Wenn Einzelne von uns das eine oder an-
dere Argument nicht so überzeugend gefunden haben, so
bitte ich um Verständnis dafür, dass die Positionen für
uns klar und deutlich definiert sind. Eines ist aber doch
im Grunde unumstritten: Wir müssen aus der Schulden-
spirale ausbrechen, damit am Ende nicht unsere Kinder
die Zeche für uns alle bezahlen müssen.


(Zuruf des Abg. Harald Weinberg [DIE LINKE])


Dieser Haushalt ist ausgewogen und realisiert dieses
Ziel. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zurufe vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806805700

Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15
– Bundesministerium für Gesundheit – in der Aus-
schussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge der
Fraktion Die Linke vor, über die wir zuerst abstimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
18/3272? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU, SPD
und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der
Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
18/3273? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ge-
gen die Stimmen der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
18/3274? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU,
SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache
18/3275? – Wer stimmt dagegen? – Der Änderungsan-
trag ist mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 15 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 15 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bünd-
nis 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.6 a und I.6 b auf:

a) Einzelplan 07
Bundesministerium der Justiz und für Ver-
braucherschutz

Drucksachen 18/2807, 18/2823

b) Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht

Drucksachen 18/2817, 18/2823

Berichterstattung zu Einzelplan 07: Abgeordnete
Dr. Tobias Lindner, Klaus-Dieter Gröhler, Dennis Rohde,
Roland Claus. Berichterstattung zu Einzelplan 19: Abge-
ordnete Carsten Körber, Dennis Rohde, Dr. Dietmar
Bartsch, Manuel Sarrazin.

Zu dem Einzelplan 07 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich sehe kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.





Vizepräsidentin Ulla Schmidt


(A) (C)



(D)(B)

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Roland
Claus, Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Roland Claus (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806805800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Bundesminister Maas, unsere Kritik am Justizetat fällt
traditionell maßvoll aus, aber sie fällt natürlich nicht
gänzlich aus. Wesentlich kritischer sehen wir dann schon
den Bereich Verbraucherschutz. Dem Haushalt für das
Bundesverfassungsgericht werden wir zustimmen.

Herr Minister, Sie strahlen es ja ganz deutlich aus,
dass für Sie die Koalition so etwas wie eine Zwangsehe
ist. Wir nehmen natürlich wahr, dass Sie mit sehr viel
konservativem Justiz- und Rechtsverständnis umgehen
müssen. Deswegen begleitet Sie hin und wieder auch un-
ser Respekt; aber wir meinen, da ist noch sehr viel Luft
nach oben.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein Jahr Große Koalition ist nun um. Ihre Probezeit,
Herr Minister, ist also längst vorüber. Deshalb sagen wir:
mehr Justizcourage an den Tag legen, aber immer in dem
Sinne, den Leuten Mut und nicht Angst zu machen.


(Beifall bei der LINKEN)


Deshalb sagen wir auch: Rechtsstaatlichkeit ist uns
wichtiger als Kabinettsdisziplin.


(Beifall bei der LINKEN)


Im Dezember dieses Jahres soll Edward Snowden der
Alternative Nobelpreis verliehen werden; das ist gut so.
Seine nach Stuttgart übertragene Rede vom Sonntag ist,
glaube ich, für uns alle ein Lehrstück in Sachen Rechts-
verständnis.


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Seine Story, der Film Citizenfour, läuft zeitweilig im
Kino. Zeitlos verläuft weiterhin die Beobachtung durch
die amerikanische Sicherheitsagentur, auch während die-
ser Debatte, meine Damen und Herren. Ich sehe hier
zahlreiches technisches Gerät, und mit Ausnahme der
Bundeskanzlerin sind wir ja alle Gegenstand dieser Ob-
servierung. Und wie verhält sich die Regierung? Wie in
dem berühmten Bild: nichts sehen, nichts hören, nichts
sagen. – Wir sagen Ihnen dazu: Unterwürfigkeit hat in
einer Partnerschaft noch nie Nutzen gebracht. Das muss
beendet werden.


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Minister, Sie haben einen Gesetzentwurf mit
dem Ziel vorgelegt, die Erkenntnisse des Untersu-
chungsausschusses zum „Nationalsozialistischen Unter-
grund“ rechtlich umzusetzen. Für die Linke hat meine
Kollegin Martina Renner den Gesetzentwurf in der De-
batte als eine „gefährliche Symbolpolitik“ charakteri-
siert, also als sehr unzureichend. Gegenüber dem „Natio-
nalsozialistischen Untergrund“ haben bekanntlich viele
versagt; aber es war auch ein gigantisches Justizversa-
gen. Wir müssen daraus endlich Schlussfolgerungen zie-
hen. Den Empfehlungen des Untersuchungsausschusses,
Herr Minister, haben Sie allenfalls buchstabengerecht,
nicht aber dem Geiste nach entsprochen.


(Beifall bei der LINKEN)


Jüngste Umfragen zum Jahrestag des Mauerfalls ha-
ben übrigens eines ergeben, nämlich dass das Vertrauen
in das Funktionieren des Rechtsstaates besonders im Os-
ten unserer Republik erschüttert ist. Das muss uns allen
doch zu denken geben. Ich glaube, wir alle wollen die
Idee vom Rechtsstaat bewahren. Ich glaube aber auch:
Wer die Idee vom Rechtsstaat bewahren will, muss diese
Idee neu denken.


(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Es bedarf daher endlich einer Justizreform, die diesen
Namen auch verdient, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich will zum Abschluss einen Vorgang beschreiben,
der zeigt, wie eine wundersame parlamentarische Ar-
beitsteilung zwischen Koalition und Opposition in Ein-
zelfällen funktionieren kann.

Zu dem Etat des Justizministers gehört auch das Pa-
tentamt mit seinem Hauptstandort in München und ei-
nem kleineren Standort in Jena. Ich habe hier in der ers-
ten Lesung den Vorschlag unterbreitet, für das Patentamt
mehr Mittel in den Haushalt einzustellen, ihm mehr Geld
zu geben, damit es mehr Leistungen erbringen kann, was
letztendlich wiederum zu mehr Einnahmen führt. Ich
fand das ausgesprochen plausibel.


(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir auch!)


Die Reaktion der Koalition war, wie ich sie schon erwar-
tete: Alles Mist, was die Opposition hier erzählt!


(Dennis Rohde [SPD]: Wir haben das Gleiche gesagt wie Sie!)


Danach ist die Koalition intern aber ins Grübeln gekom-
men und hat vielleicht festgestellt: Es war ja nicht alles
schlecht, was die Opposition da gesagt hat. – Was konnte
sie jetzt tun? Sie konnte natürlich nicht den Antrag der
Linken eins zu eins übernehmen.


(Dr. Patrick Sensburg [CDU/CSU]: Ernsthaft? Oder ist das eine Märchenstunde?)


– Das ist ernsthaft passiert. Das ist eine ernsthafte Be-
schreibung eines parlamentarischen Vorgangs. Sie müs-
sen es jetzt aushalten, dass ich Ihnen das erkläre.


(Beifall bei der LINKEN)


Die Koalition hat also ihren ganzen Mut zusammenge-
nommen und sogar noch mehr Mittel, als die Linke ge-
fordert hat, eingestellt. Darüber freuen wir uns.


(Beifall bei der LINKEN)


Das Fazit ist doch einfach toll: Dem Ministerium
wurde geholfen, die Koalition hat ihr Gesicht gewahrt,
die Linke ist hochzufrieden, aber nicht aufgrund von
Rechthaberei, sondern wegen der Wirkung; denn die





Roland Claus


(A) (C)



(D)(B)

Gewinnerinnen und Gewinner dieser Entscheidung sind
junge Erfinder, Start-up-Unternehmen, kleine und mit-
telständische Unternehmen, weil ihr Patent schneller und
sicherer zur Vermarktung kommt.

Ich stelle deshalb nicht ganz selbstlos fest: Innova-
tion, Mittelstand, kleine und mittelständische Unterneh-
mer und Linke passen gut zusammen. Wenn sich das he-
rumspricht, meine Damen und Herren – aber dann!


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Volker Ullrich [CDU/CSU]: Meinen Sie das wirklich?)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1806805900

Vielen Dank. – Für die Bundesregierung erhält jetzt

das Wort Bundesminister Heiko Maas.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Heiko Maas, Bundesminister der Justiz und für Ver-
braucherschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter
Claus, ein Satz hat mir in Ihrer Rede ganz besonders ge-
fallen, der da lautete: „Das Fazit ist doch einfach toll.“ –
Aufgrund Ihrer Schlussbemerkung gehe ich davon aus,
dass Sie dem Justizetat in diesem Jahr möglicherweise
zustimmen können, wenn wir das alles so gut gemacht
haben.

Meine Damen und Herren, es ist noch kein Jahr her,
dass die Bundesregierung ihre Arbeit aufgenommen hat.
Wir haben uns auch für den Bereich Justiz und Verbrau-
cherschutz eine ganze Menge vorgenommen. Und vieles
von dem, was wir uns vorgenommen haben, ist schon
auf den Weg gebracht, teilweise auch schon umgesetzt
worden.

Ein neues Adoptionsrecht für Kinder, die in Regenbo-
genfamilien aufwachsen, ist bereits in Kraft getreten.

Die Mietpreisbremse wird nächste Woche im Rechts-
ausschuss beraten und kann im kommenden Jahr bereits
in Kraft treten. Damit wird Wohnraum für Familien,
Rentner und vor allen Dingen Normalverdiener auch be-
zahlbar bleiben.

Die Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschus-
ses setzen wir ebenfalls zügig um. Der Gesetzentwurf
liegt Ihnen vor. Damit setzen wir ein Zeichen gegen
Rechtsextremismus und Gewalt und auch dafür, dass wir
uns nicht damit abfinden wollen, dass Behörden in unse-
rem Land so gnadenlos versagt haben.

Wir reformieren auch das Sexualstrafrecht, um die
Schwächsten der Gesellschaft vor Missbrauch und vor
Kinderpornografie besser zu schützen. Dieses Gesetz ha-
ben wir intensiv beraten, und es kann bereits in wenigen
Wochen in Kraft treten.

Ich finde, es ist schon eine ganze Menge, was wir in
nicht einmal einem Jahr auf den Weg gebracht haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was das Strafrecht angeht, will ich auch noch einmal
betonen – wie immer an diesem Punkt –: Prävention
bleibt der beste Opferschutz. Das gilt auch, wenn es um
den sexuellen Missbrauch von Kindern geht. Wir haben
bereits in diesem Jahr die Mittel für das Präventionsnetz-
werk „Kein Täter werden“ um 40 Prozent erhöht. Wir
werden diesen Zuschuss auch weiter steigern, weil wir
überzeugt sind: Die beste Kriminalpolitik bleibt die, die
dafür sorgt, dass es gar nicht erst zu neuen Straftaten
kommt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, auch der Verbraucher-
schutz ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv auseinan-
dersetzen. Wir sind dabei, vieles auf den Weg zu brin-
gen, und haben auch schon vieles auf den Weg gebracht.
So haben wir etwa nach dem Insolvenzantrag der Firma
Prokon sofort einen besseren Schutz von Kleinanlegern
angepackt. Mit mehr Transparenz, verständlicheren In-
formationen und mehr Aufsichtsbefugnissen sorgen wir
für faire Spielregeln auch auf dem grauen Kapitalmarkt,
der dies ganz besonders notwendig hat. Der Gesetzent-
wurf zum Kleinanlegerschutz ist bereits im Kabinett be-
schlossen worden und wird uns demnächst hier beschäf-
tigen.

Für eine bessere Orientierung der Verbraucherinnen
und Verbraucher werden auch die sogenannten Markt-
wächter sorgen. Der Marktwächter für den Finanzmarkt
wird Anfang kommenden Jahres bereits seine Arbeit
aufnehmen. Der Marktwächter für die digitalen Märkte,
der genauso notwendig ist, wird bald folgen. Beides ist
vor allen Dingen auch dank der Mittel aus dem Haushalt,
der heute hier beraten wird, möglich geworden. Deshalb
sage ich dem Bundestag und insbesondere den Bericht-
erstattern für unseren Einzelplan ein ganz herzliches
Dankeschön dafür, dass das möglich gemacht wurde.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])


Meine Damen und Herren, wir haben uns viel vorge-
nommen. Auch für die Zukunft bleibt noch viel zu tun.
Zurzeit berät – das ist ein ganz aktuelles Thema – die
Koalition noch einmal über die Frauenquote in den Auf-
sichtsräten. Sie wissen, dass das Justiz- und Verbrau-
cherschutzministerium eine entsprechende Vorlage für
die Änderung des Aktiengesetzes eingebracht hat. Ich
sage nur das, was alle sagen: Der Koalitionsvertrag gilt.
Das bedeutet: Die Frauenquote wird kommen. Vielleicht
kommen wir heute schon einen ganz entscheidenden
Schritt weiter.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Kunde höre ich wohl!)


Dabei geht es nicht darum, wer politisch obsiegt.
Nein, wir setzen mit der Frauenquote, wie ich finde,
auch den Gleichstellungsauftrag aus dem Grundgesetz
um. Sie ist vor allen Dingen – das soll noch einmal ge-
sagt werden – wirtschaftlich sinnvoll. Wir wollen, dass
Deutschlands Unternehmen die vorhandenen Potenziale
stärker nutzen. Frauen in Führungsetagen der deutschen





Bundesminister Heiko Maas


(A) (C)



(D)(B)

Wirtschaft sind keine Belastung, sondern ein Gewinn.
Deshalb wird die Frauenquote kommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Viel Erfolg!)


Meine Damen und Herren, es stehen weitere Themen
auf unserer Tagesordnung. Wir haben zusammen mit den
Kolleginnen und Kollegen aus dem Bundesinnenminis-
terium, also dem Ministerium von Herrn de Maizière, ei-
nen Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Doping vorge-
legt. Wir sind nämlich der Auffassung, dass Profisportler
– um die geht es –, die dopen, zum einen den Wettbe-
werb verzerren und zum anderen vor allen Dingen die
Integrität des Sportes beschädigen. Sie sind damit als
Vorbilder in der Gesellschaft, vor allem für Kinder, ein
kompletter Totalausfall. Deshalb bringen wir diesen Ge-
setzentwurf auf den Weg. Seit vielen Jahren wird über
Doping diskutiert. Es ist höchste Zeit, dass endlich ge-
handelt wird. Dieser Gesetzentwurf ist ein Statement für
sauberen Sport und eine Kampfansage an alle dopenden
Betrüger.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir werden uns in den kommenden Wochen und Mo-
naten außerdem mit der Frage auseinandersetzen müs-
sen, wie wir Frauen besser vor sexueller Gewalt schüt-
zen können. Wir haben uns, auch in Abstimmung mit
den Bundesländern und den Justizbehörden vor Ort, mit
Fallgestaltungen auseinandergesetzt und dabei festge-
stellt, dass der Vergewaltigungsparagraf, so wie er heute
gilt, das Unrecht, das bedauerlicherweise Realität ist,
nicht in allen Fällen erfasst. Es gibt Schutzlücken. Das
Recht muss aber tatsächlich alle Situationen abdecken,
in denen sexuelle Übergriffe stattfinden. Wenn das heute
nicht der Fall ist – so ist das leider –, werden wir diese
Schutzlücken schließen müssen. Wir werden deshalb ei-
nen Gesetzentwurf vorlegen, durch den die Gesetzeslü-
cken und die Schutzlücken, die es bedauerlicherweise
bei Vergewaltigungen gibt, in Zukunft geschlossen wer-
den.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Eine moderne Rechtspolitik nimmt nicht nur die He-
rausforderungen der Zukunft an, sondern stellt sich auch
der Vergangenheit. Wenn es um die deutsche Justiz und
den Nationalsozialismus geht, dann mag persönliche
Schuld verjährt sein; aber die Verantwortung, die wir
alle haben, bleibt bestehen.

Deshalb müssen wir erstens die historische Aufarbei-
tung dieses Themas weiter vorantreiben. Ich meine das
Projekt des Bundesjustizministeriums, das schon unter
meiner Vorgängerin auf den Weg gebracht wurde, das
Rosenburg-Projekt. Wie Sie wissen, untersucht eine un-
abhängige wissenschaftliche Kommission den Umgang
des Ministeriums mit der NS-Vergangenheit nach dem
Zweiten Weltkrieg, also in den 50er- und 60er-Jahren.
Ende des kommenden Jahres soll der Abschlussbericht
vorliegen. Es zeichnet sich bereits heute ab: Die NS-Ver-
strickung der Nachkriegsjustiz und unseres Ministeriums
war noch weitaus tiefer als bekannt. Das müssen wir auf-
arbeiten, und das tun wir auch vorbehaltlos.

Zweitens müssen wir unsere Gesetze, wie ich finde,
auch von den letzten Überresten des nationalsozialisti-
schen Rechtsdenkens befreien. Deshalb – auch wegen
anderer praktischer Probleme, aber auch deshalb – haben
wir eine Reform des Mordparagrafen in Angriff genom-
men.

Drittens schließlich darf die Vergangenheit nie ver-
gessen werden. Ich habe deshalb in diesem Jahr den
Fritz-Bauer-Studienpreis gestiftet. Er ist benannt nach
dem Initiator des Frankfurter Auschwitz-Prozesses, über
den es mittlerweile sogar Kinofilme gibt und über den
weitere gedreht werden. Mit diesem Preis wollen wir ge-
rade junge Juristinnen und Juristen ermuntern, sich mit
den Verbrechen und dem Versagen der deutschen Justiz
wieder stärker zu beschäftigen, weil wir finden: Diese
Erinnerung ist kein Selbstzweck, nein, sie stärkt unseren
Rechtsstaat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/ CSU und der LINKEN)


Wie wichtig ein entschlossenes Vorgehen gegen Anti-
semitismus, Rassismus und Neonazis ist, das haben die
Verbrechen des NSU erneut gezeigt. Wir sind deshalb
überzeugt: Eine Justiz, die die Schattenseiten ihrer Ge-
schichte kennt, wird den Herausforderungen der Gegen-
wart viel besser gerecht. Auch deshalb bleibt die Erinne-
rung an die Vergangenheit so wichtig für die Zukunft.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806806000

Das Wort hat die Kollegin Renate Künast für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806806100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Minister Maas, ich muss zugeben, dass ich letzte Woche,
am Vorlesetag, an Sie gedacht habe.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immerhin!)


Ich habe überlegt, was ich in der Grundschule vorlesen
soll. Am Ende habe ich es nicht vorgelesen, aber mir
kam Das tapfere Schneiderlein in die Finger: Sieben auf
einen Streich. Das tapfere Schneiderlein stickt sich auf
seinen Gürtel, es habe sieben auf einen Streich erledigt,
und fortan halten die Leute es für einen Helden.


(Dietrich Monstadt [CDU/CSU]: Ist heute Märchenstunde?)


Das ist ganz klar ein Beispiel für gelungene PR-Arbeit.

So ähnlich machen Sie es auch, Herr Maas:


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der ganz große Macher. Sie haben ganz viel erzählt, aber
im Ergebnis haben Sie, wie ich finde, nur ganz wenige





Renate Künast


(A) (C)



(D)(B)

Erfolge vorzuweisen. Sie haben vieles versprochen und
angekündigt: Die gesetzliche Frauenquote war Ostern
2014 schon fast in trockenen Tüchern; eine Mietpreis-
bremse haben Sie angekündigt; den Mordparagrafen
wollten Sie modernisieren – gut, Sie haben eine Kom-
mission –; das Urheberrecht wollten Sie den Erfordernis-
sen des digitalen Zeitalters anpassen und die Daten-
schutz-Grundverordnung voranbringen. Bei TTIP haben
Sie verbal so richtig zugeschlagen: TTIP soll endlich
eine breite demokratische Legitimation bekommen, und
bestimmte Bereiche sollen ausgeklammert werden. –
Das alles und noch viel mehr haben Sie sich auf den
kleinen Gürtel gestickt. Gefühlt haben Sie jedes Wo-
chenende jedes dritte Thema noch einmal verkauft. He-
rausgekommen ist aber, finde ich, relativ wenig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Schauen wir uns das an: Sie haben die Sachen zu ei-
nem Gutteil überhaupt nicht wirklich angepackt. Sie ha-
ben gerade als Erfolg verbucht, dass die Sukzessivadop-
tion jetzt auch bei Homosexuellen möglich ist.
Natürlich, aber nur in dem minimalen Rahmen, den das
Bundesverfassungsgericht durch seine Entscheidung bis
spätestens 30. Juni dieses Jahres gefordert hat. Sie hätten
gar nicht anders gekonnt. Insofern geht mein Lob an der
Stelle an Karlsruhe, nicht an Sie. Sie sind keinen Milli-
meter weiter gegangen; trotzdem muss man zwei Verfah-
ren hintereinander absolvieren.

Sie haben gesagt, dass Sie großartig angepackt haben.
Nehmen wir doch einmal den Fall Edathy. Natürlich
mussten Sie dieses Thema anpacken angesichts der Vor-
fälle und der Frage, wer in der alten Koalition oder wäh-
rend der Koalitionsverhandlungen wem was erzählt hat;
das hatte ja auch juristische Nachspiele. Dann haben Sie
eine Vorlage gemacht, sind aber gleich so weit vorange-
schritten, dass in der Anhörung, soweit ich mich erin-
nere, alle sieben Sachverständigen gesagt haben: Das
wollen wir nicht; das ist nicht richtig. – Selbst der Prakti-
ker, der Oberstaatsanwalt aus Gießen, sagte: Das haben
wir nicht gewollt. – Daraufhin mussten Sie an der Stelle
nochmals Änderungen vornehmen.

Sie haben hier auch manch andere Vorschläge ge-
macht, zum Beispiel zu den Marktwächtern und zum
Sachverständigenrat. Das sind ja gute Sachen, die auch
wir durchaus gefordert haben. Aber es kommt darauf an,
ob die guten Vorschläge, die gemacht werden, auch in
der Praxis umgesetzt werden.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Lassen Sie uns doch erst mal abwarten!)


– Nun denn, meine Liebe, Sie sagen: „Mal abwarten!“
Die Legislaturperiode hat bekanntlich vier Jahre. Davon
ist eines bald um.


(Elvira Drobinski-Weiß [SPD]: Ja, und drei sind noch da!)


Der Justizminister hat sich mit Frau Schwesig hingesetzt
und ganz klar gesagt, was alles kommen wird. Dann
wollen wir es auch sehen, und zwar zum versprochenen
Zeitpunkt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Beispiel Mietpreisbremse. „Jetzt kommt die große
Bremse“, haben Sie noch am 8. April dieses Jahres hier
angekündigt. Sie haben sogar gesagt, die Wohnungswirt-
schaft solle nicht das neue Eldorado der Profitmaximie-
rung werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Große kapitalismuskritische Worte eines SPDlers, des
tapferen Schneiderleins. Dann hat es sich aber doch vom
Riesen überwältigen lassen, der am Ende nicht ganz so
tumb war wie im Märchen. Eifrige Lobbyisten haben Pa-
piere geschrieben, die Zeit schritt immer weiter voran,
und der Lobbyismus nahm immer mehr zu. Am Ende ha-
ben Sie sich die Sache zerreden lassen.

Da Sie hier gerade gesagt haben, die Menschen wür-
den in Zukunft bezahlbare Mieten haben, frage ich Sie:
Herr Maas, geht es auch ein bisschen kleiner? Das ist ein
bürokratisches Monster. Da ist nicht einmal eine wirkli-
che Bremse drin. Man muss erst die Bürokratie überwin-
den, um Mietsteigerungen im Hinblick auf einen Teil der
Wohnungen – das gilt nämlich nicht für die Neuvermie-
tung, sondern nur für Bestandswohnungen – für die
Dauer von fünf Jahren auf 110 Prozent zu begrenzen. So
sorgt man nicht für bezahlbare Mieten, schon gar nicht,
wenn das Begleitprogramm fehlt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Oder nehmen wir die Frauenquote. Auch sie wurde
am 8. April dieses Jahres groß angekündigt. Sie haben
sogar mit Frau Schwesig zusammen in der Bundespres-
sekonferenz gesessen und gesagt: Die anderen haben in
der letzten Legislaturperiode nur geredet. Wir handeln
jetzt. – Da sage ich als Frau, die auch in der letzten Le-
gislaturperiode Abgeordnete war – vielleicht im Sinne
aller Frauen, die beim letzten Mal dabei waren –: Das ist
schon starker Tobak, wenn man nicht mehr durchbe-
kommt als das, wofür wir in der letzten Legislaturpe-
riode gekämpft haben.

Zugegeben, am Ende ist die Union umgefallen. Aber die
CDU-Frauen haben dafür im Wahlprogramm eine 30-
Prozent-Quote durchgesetzt. Mehr bekommt man heute
auch gar nicht durch. Also: Mein Dank an die Frauen der
letzten WP!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie hätten an dieser Stelle besser nicht aufgerüstet und
besser nicht so viele Sachen aufgenommen, dass CDU
und CSU am Ende noch lange an der Geschichte herum-
fuhrwerken können. Die Frauen haben keine Geduld
mehr, Herr Maas! Wir wollen endlich etwas sehen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ich sage – auch in Ihre Richtung –: Ich trauere ein
bisschen Rita Pawelski aus der letzten Legislaturperiode
nach; denn die wäre jetzt auf der Zinne, wenn sie Frau
Hasselfeldt hören würde. Frauen schaden der Wirtschaft,
hat Frau Hasselfeldt faktisch gesagt, indem sie formu-





Renate Künast


(A) (C)



(D)(B)

lierte: Jetzt hat die Wirtschaft Vorrang und nicht die
Frauenquote. – Ich kann nur sagen: Schade, dass sie
heute nicht da ist. Wer solche Kolleginnen wie Frau
Hasselfeldt im Bundestag hat, braucht keine altmodi-
schen Männer mehr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Herr Kauder – schade, dass er nicht da ist und nicht
hier sitzt –, der Umgangston in der Koalition geht mich
ja nichts an,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Der ist fantastisch!)


und auch ich bin für harte Sätze bekannt. Aber in der Sa-
che ist es so: Herr Kauder hat über Frau Schwesig ge-
sagt, sie sei weinerlich. Das ist eine Abwertung. So et-
was sagt er über Männer nicht. Ich finde, das ist eine
Entschuldigung wert.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ach was! Männer werden noch ganz anders angegangen! Viel härter!)


Nun zu Ihnen, Herr Maas. Ich würde Sie bitten, in Zu-
kunft vernünftige Gesetzgebungsverfahren auf den Weg
zu bringen, kein Hopplahopp. Auch dafür müsste ein
Justizminister eintreten. Es kann nicht sein, dass wir
dienstagnachmittags geänderte Vorlagen für Mittwoch,
9 Uhr, vorgelegt bekommen. Bei der Istanbul-Konven-
tion sind Sie, was § 177 StGB angeht, auf Druck der Jus-
tizministerinnen der Länder glücklicherweise umgefal-
len; erst wollten Sie ja keine Änderung. Ich würde mir
wünschen, dass wir hier gemeinsam eine Lösung finden.
Ich würde mir auch wünschen, dass wir dazu eine or-
dentliche Beratung im Rechtsausschuss durchführen.
Wir haben für den 28. Januar nächsten Jahres eine Anhö-
rung beantragt. Ich weiß nicht, warum die Union das ab-
gelehnt hat – vielleicht um sich vorher intern zu einigen.
Ich würde mir wünschen – –


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806806200

Kollegin Künast, Sie können sich das alles wünschen.

Ich muss Sie bloß darauf aufmerksam machen: Ihre Kol-
legin hat dann weniger Zeit.


Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806806300

Darf ich den letzten Satz noch sagen? – Ich würde mir

wünschen, dass Sie rechtspolitisch und verbraucherpoli-
tisch in vielen Bereichen Ihre Stimme erheben. Um nur
einige Dinge zu nennen: Anti-Doping soll der Sport und
nicht das Strafgesetzbuch regeln,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


die Verbraucherkennzeichnung hat Herr Müller ge-
rade versemmelt, und Sie sind für nachhaltigen Konsum
zuständig.
Setzen Sie die Dinge endlich auf die Tagesordnung –
nicht nur verbal und in Interviews, sondern auch in der
Realität Ihres ministeriellen Handelns!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806806400

Das Wort hat der Kollege Klaus-Dieter Gröhler für

die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)



Klaus-Dieter Gröhler (CDU):
Rede ID: ID1806806500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe

Kollegen! Herr Minister Maas! Frau Künast, zu Renates
Märchenstunde nur eine Anmerkung:


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bundesweite Märchenstunde!)


Eine Partei, die die erste Kanzlerin der Bundesrepublik
Deutschland stellt, braucht keine Belehrung zum Thema
„Frauen in Führungspositionen“.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nur die Kanzlerin, weil alle Männer bei der Spendenaffäre versagt haben! – Gegenrufe von der CDU/CSU: Oh! – Gegenruf der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So war es doch! Der FAZ-Text ging über den CDU-Spendenskandal, weil Kohl bis heute gegen das Parteiengesetz verstößt!)


Bevor ich auf den Einzelplan 07 konkret eingehe, er-
lauben Sie mir bitte zwei persönliche Bemerkungen:

Die erste möchte ich gerne als Berliner Abgeordneter
machen. Für Berlin enthält dieser Bundeshaushalt insge-
samt sehr viel Gutes. Ich will nur einmal drei Stichworte
nennen: Museum der Moderne, Humboldt-Forum,
Martin-Gropius-Bau. Ich könnte jetzt noch viele weitere
Beispiele nennen, aber dann wären die Kollegen aus den
anderen Bundesländern vielleicht neidisch.

Ich muss sagen, der Bund kommt hier seiner Verant-
wortung für die Bundeshauptstadt sehr engagiert nach.
Als Berliner möchte ich hier ein herzliches Dankeschön
in Richtung Bundesregierung – insbesondere in Rich-
tung von Monika Grütters –,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber nicht unser Haushalt!)


aber auch in Richtung der Kollegen aus den anderen
Bundesländern dafür sagen, dass sie die Bundeshaupt-
stadt durch diesen Haushalt so solidarisch unterstützen.





Klaus-Dieter Gröhler


(A) (C)



(D)(B)

Meine zweite Vorbemerkung: In § 2 Absatz 1 Satz 1
Haushaltsgesetz 2015 heißt es:

Im Haushaltsjahr 2015 nimmt der Bund keine Kre-
dite zur Deckung von Ausgaben auf.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon habe ich ja noch nie gehört!)


– Diesen Satz haben wir heute schon öfter gehört, aber er
ist leider noch nicht bei allen Kollegen in der notwendi-
gen Intensität angekommen, lieber Herr Kollege,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


insbesondere nicht bei den Kollegen Bartsch und
Kindler, was ich feststellen konnte, als ich heute Morgen
sehr intensiv zugehört habe. Ich sage es einmal so: Wenn
diese beiden Bundesminister der Finanzen wären – was
wir nicht hoffen wollen – und es schaffen würden, einen
Haushalt ohne Schulden vorzulegen, dann – das prophe-
zeie ich Ihnen – würden bei dem einen Banner mit der
Aufschrift „Ohne Schulden leben heißt siegen lernen“
aus den entsprechenden Häusern hängen, und bei dem
anderen würden wahrscheinlich Graffiti an der Wand
stehen. Dort hieße es: Schuldenfrei – Spaß dabei.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dies ist übrigens noch nicht die Schlussrunde!)


Wir von der Union gehen mit diesem Erfolg nicht so
überschwänglich um, sondern wir arbeiten solide und
verlässlich weiter, damit es den Menschen in unserem
Land weiterhin gut geht – auch in späteren Generatio-
nen. Dass uns unser sozialdemokratischer Koalitions-
partner bei der Umsetzung dieses wichtigen Ziels ver-
lässlich begleitet, ist, glaube ich, ein gutes Zeichen für
das Land und darüber hinaus.

Mich als Mitglied des Haushaltsausschusses erfüllt es
jedenfalls mit Freude, gerade zu dem Zeitpunkt Mitglied
im Haushaltsausschuss zu sein, in dem wir eine Über-
zeugung von Ludwig Erhard, nämlich „Maß halten“
– das hat jetzt weniger mit dem Herrn Minister zu tun –,
im Haushalt tatsächlich erfolgreich umsetzen können,
sodass Wohlstand für alle wirklich machbar wird.

Ich komme nun im Einzelnen zum Einzelplan 07
– Justiz und Verbraucherschutz –:

Der Etat ist in der Tat sehr klein, aber auch sehr wich-
tig, um den Rechtsstaat erfolgreich zu sichern und fort-
zuentwickeln. Wir haben verstanden, dass Rechtsstaat-
lichkeit und Rechtsgewährung Standortvorteile sind,
wenn das auch noch nicht in allen Teilen Osteuropas
komplett angekommen ist.

Um nur einmal eine Relation klarzumachen: Herr
Minister Maas, mit Ihrem Haushalt käme Ihre Kollegin
Frau Nahles gerade einmal zwei Tage aus. So groß ist
der Unterschied zwischen dem Sozialhaushalt und dem
Justizhaushalt. Trotz dieses geringen Umfangs – viel-
leicht aber auch gerade deshalb – haben wir unsere Bera-
tungen, wie ich glaube, sehr intensiv geführt.
Herr Minister Maas, bitte bestellen Sie den Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern Ihres Hauses, aber auch bei
den Gerichten und in den Ämtern, unser herzliches Dan-
keschön. Lieber Steffen Kampeter, das Gleiche gilt für
das Finanzministerium. Ohne die Zuarbeiten von diesen
Stellen könnten wir unserer Kontrollaufgabe und der
Haushaltsgesetzgebung letztlich nicht nachkommen.
Das muss man an dieser Stelle auch einmal sehr deutlich
sagen.

Wir haben uns mehrheitlich zurückgehalten, was zu-
sätzliche Ausgaben angeht. Trotzdem haben wir – wohl-
begründet – 32 Millionen Euro obendrauf gepackt, wenn
ich das einmal so flapsig sagen darf. Insbesondere haben
wir einen Schwerpunkt beim Deutschen Patent- und
Markenamt gesetzt; der Kollege Claus hat darauf hinge-
wiesen. Herr Kollege Claus, Sie sagten, die Koalition
habe ihren ganzen Mut zusammengenommen, um diese
Mittel zur Verfügung zu stellen.


(Roland Claus [DIE LINKE]: Das war ein Kompliment!)


Ich sage Ihnen einmal etwas: Es bedarf nicht Mut, um
bessere Politik als die Linken zu machen. Es bedarf
Werte und Köpfchen, und das hat diese Große Koalition.


(Zurufe von der LINKEN: Oh!)


Deshalb haben wir an dieser Stelle entsprechend drauf-
gesattelt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Mann! Wo haben Sie denn diese Rede gefunden?)


Nun stehe ich der Bereitstellung zusätzlicher Stellen
in Ämtern immer sehr skeptisch gegenüber, weil das
meistens mehr Verwaltung und mehr Bürokratie bedeu-
tet. Aber an dieser Stelle ist das sehr gut investiertes
Geld. Lassen Sie mich einmal zwei, drei Zahlen nennen.
65 000 Patentanmeldungen werden in 2014 beim Patent-
amt eingehen, 75 Prozent davon stammen aus Deutsch-
land, 10 Prozent aus den USA. In Frankreich ist die Zahl
der Patentanmeldungen nicht einmal halb so groß wie in
Deutschland, in Großbritannien ist es gerade einmal ein
Viertel. Mit diesen Zahlen will ich deutlich machen, wie
wichtig Patentanmeldungen für unser Land sind.

Die Nachfrage beim Patentamt hat sich in den letzten
drei Jahren um fast 10 Prozent gesteigert. Auf diese Be-
lastung müssen wir reagieren, nicht nur um das Personal
zu entlasten und die Leistungsfähigkeit des Amtes zu er-
halten, sondern auch um Einzelanmeldern, kleinen Er-
findern, Mittelständlern und Großunternehmern den nö-
tigen staatlichen Schutz für ihr geistiges Eigentum zu
geben und auch die wirtschaftliche Verwertungsmög-
lichkeit ihrer Erfindung zu gewährleisten. Das gilt übri-
gens genauso für den Schutz von Markendesigns und
Gebrauchsmustern.

2 000 Patentanmeldungen jährlich betreffen den Be-
reich regenerative Energien, 6 000 Anmeldungen die
Sparte Kfz-Abgastechnologien. Die Stärkung des Patent-
amtes ist wichtig für das Erfinderland Deutschland, für
uns als Exportnation, für die Energiewende, für den Mit-





Klaus-Dieter Gröhler


(A) (C)



(D)(B)

telstand und für qualifizierte Arbeitsplätze. Zusätzliche
Prüferinnen und Prüfer sorgen für zusätzliche Einnah-
men. Insofern ist das insgesamt eine sehr gute Verstär-
kung. Die Arbeitsbelastung beim Patentamt wird trotz-
dem hoch bleiben. Wir werden im nächsten Jahr genau
hinschauen müssen – der Kollege Rohde wird da sicher-
lich sehr eng an meiner Seite sein –, um sicherzustellen,
dass das Amt dauerhaft leistungsfähig ist.

Einen zweiten Schwerpunkt haben wir beim Thema
Verbraucherschutz gesetzt: mehr Personal für den Schutz
digitaler Kundenbeziehungen und besonderer Verbrau-
chergruppen, mehr Geld für Verbraucherzentralen und
Marktwächter. Den Grünen ist das immer noch nicht ge-
nug. Es ist nun einmal das Los der Opposition, immer
noch mehr zu wollen. Aber ich sage einmal: Das Haus,
Herr Minister, ist beim Verbraucherschutz meiner Mei-
nung nach gut ausgestattet, stark aufgestellt und wird or-
dentlich arbeiten können.

Dabei sollten wir eines nicht aus dem Auge verlieren:
Im Mittelpunkt des politischen Handelns steht meiner
Auffassung nach die mündige Bürgerin, der mündige
Bürger, die mündige Konsumentin, der mündige Konsu-
ment. Verbraucherschutz heißt nicht, dass Vater Staat die
Kinder an die Hand nimmt und sie durchs Leben führt,
auf dass sich keiner an einem Stein stoße. Verbraucher-
schutz heißt, sich dort einzusetzen, wo es zu Verwerfun-
gen kommt, wo der Verbraucher nicht mehr durchbli-
cken kann oder wo die Gefahr besteht, dass er nicht als
gleichberechtigter Partner im Rahmen der Privatautono-
mie handeln kann. Nur dann darf der Staat eingreifen.

Der wichtigste Aspekt des Verbraucherschutzes muss
immer noch sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher
fitzumachen, um am Markt eigenständig entscheiden
und agieren zu können, um auf Augenhöhe zu verhan-
deln. Dabei wollen wir die Wirtschaft, die Anbieter, als
Partner verstehen, nicht als Gegner der Verbraucher.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Gestatten Sie mir abschließend, auf ein Thema hinzu-
weisen – Herr Minister Maas hat es schon kurz ange-
sprochen –: auf das Präventionsprojekt Dunkelfeld
„Kein Täter werden“. Finanziell ein ganz kleines Anlie-
gen im Haushalt, aber in seiner Wirkung sehr wichtig.
560 000 Euro gibt der Bund in 2015 für dieses Projekt
aus, fast das Doppelte gegenüber 2013 und noch einmal
mehr als 2014.

Wir werden in Zukunft dafür sorgen müssen, dass die-
ses Projekt auf eine andere finanzielle Basis gestellt
wird; denn die Projektfinanzierung wird nicht ewig aus
Mitteln des Justizministeriums kommen können, weil es
ein Projekt ist. Wir werden nach Mitteln suchen müssen,
aber ich bin sicher: Auch dieses Geld ist gut angelegt.
Ich kann die Bundesländer, die bisher für dieses Projekt
noch kein Geld bereitgestellt haben, nur auffordern, zu
überlegen, ob das Projekt nicht dieses Geld wert ist.

Lassen Sie mich zwei, drei Zahlen aus Berlin nennen,
wo der Schwerpunkt dieses Projekts liegt. In den letzten
zehn Jahren haben dort fast 2 000 Männer anonym
Kontakt aufgenommen, weil sie Sorge hatten, dass sie
Straftaten im Bereich pädophiler Neigungen begehen
könnten. Bei 846 dieser Männer hat es abgeschlossene
klinische Diagnosen gegeben, und 412 Männer haben
sich entschlossen, in eine Therapie zu gehen. 6 Prozent
stammten übrigens aus der Region Berlin/Brandenburg;
der Rest kam aus der übrigen Bundesrepublik oder gar
aus dem Ausland. Insofern ist das ein deutlicher Appell
an die anderen Bundesländer, die noch nicht aktiv sind,
in dieser Frage ihre Position zu überdenken. Ich glaube,
auch diese gute halbe Million Euro ist gut angelegtes
Geld, so wie dieser Haushalt insgesamt solide ist. Auch
der Einzelplan 07 – Justiz und Verbraucherschutz – ist
nachhaltig und zukunftsorientiert. Ich glaube, auch die
Opposition kann ihm am Ende der Debatte guten Gewis-
sens zustimmen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806806600

Der Kollege Dennis Rohde hat für die SPD-Fraktion

das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dennis Rohde (SPD):
Rede ID: ID1806806700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Ich bin froh und stolz, dass ich als Fazit zu den
Verhandlungen zum Einzelplan 07 festhalten kann, dass
wir unsere Versprechungen gehalten haben. Ich möchte
das an drei Punkten näher darlegen. Ich beginne mit dem
Punkt, den auch Sie gerade angesprochen haben, Herr
Kollege Claus: mit dem Deutschen Patent- und Marken-
amt.

Ich war sehr verwundert über Ihre Worte. Das, was
Sie in Bezug auf die erste Lesung des Haushalts 2015
hier ausgeführt haben, können Sie eigentlich nur aus
dem Märchenbuch von Frau Künast haben. Alle Kolle-
ginnen und Kollegen haben damals gefordert, dass beim
DPMA etwas passiert. Alle Haushälter haben gesagt:
Das müssen wir angehen. – Das waren nicht nur die Lin-
ken, sondern alle Kolleginnen und Kollegen. Ich finde,
man sollte zumindest im Plenum die Wahrheit sagen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber zu welchem Zeitpunkt?)


Wir haben alle gesagt, dass das Deutsche Patent- und
Markenamt eine vernünftige Ausstattung braucht. Heute
können wir feststellen: Es gibt einen massiven Personal-
aufwuchs. Es gibt eine bessere finanzielle Ausstattung
des DPMA. Versprochen und gehalten, meine Damen
und Herren.

Meine Kollegin Eva Högl hat am 26. Juni 2014 zum
Haushalt im Bereich innere Sicherheit gesagt: „Ein
wichtiger Punkt ist die Stärkung des Generalbundesan-
walts.“ Heute werden wir sechs zusätzliche R-besoldete
Stellen beschließen und dem Generalbundesanwalt über
700 000 Euro zusätzlich zur Verfügung stellen. Verspro-
chen und gehalten.





Dennis Rohde


(A) (C)



(D)(B)

Meine Kollegin Elvira Drobinski-Weiß hat in dersel-
ben Haushaltsberatung gesagt: Neben Ideen und Kon-
zepten benötigen wir für den Verbraucherschutz auch
Geld. – Heute können wir sagen: Seit Regierungsüber-
nahme haben sich die Mittel für den wirtschaftlichen
Verbraucherschutz um mehr als 20 Prozent erhöht. Ver-
sprochen und gehalten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber lassen Sie mich auf die Punkte im Einzelnen
eingehen. Wir wussten zu Beginn der Haushaltsverhand-
lungen um die Situation beim Deutschen Patent- und
Markenamt. Wir wussten, dass es dort einen Antragsstau
von gut 170 000 Anträgen gibt. Ich habe ungefähr drei
Viertel meiner Rede dafür genutzt, die Wichtigkeit des
Patents für unsere Wirtschaft herauszustellen.

Ich bin sehr froh, dass wir als Koalition den Vorschlag
des Deutschen Patent- und Markenamtes heute eins zu
eins umsetzen. Wir werden 58 neue Patentprüferstellen
schaffen und eine bessere finanzielle Ausstattung zur
Verfügung stellen. Ich freue mich wirklich, dass bei die-
sem überlegten Vorgehen auch die Opposition mitgehen
kann.

Wir haben bei der Absicherung der Innovationskraft
unseres Landes Ernst gemacht.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)


Wir haben beim Schutz des geistigen Eigentums Ernst
gemacht. Wir haben beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt keine halben Sachen gemacht, sondern klare
Kante gezeigt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein zweites Thema: Die nationale Sicherheit kostet
Geld. Das merken insbesondere die Kolleginnen und
Kollegen, die mit dem Haushalt des Bundesinnenminis-
teriums befasst sind und mit der Bundespolizei, dem
Zoll, aber auch dem Bundeskriminalamt zu tun haben.

Aber auch die Judikative steht vor neuen Herausfor-
derungen. So gibt es erhebliche Mehrbelastungen beim
Generalbundesanwalt. Diese stehen in unmittelbarem
Zusammenhang mit der Bedrohung durch die Terroristen
des „Islamischen Staates“ und gewaltbereite Dschihadis-
ten. Lassen Sie mich nur ein Beispiel nennen: Im Jahr
2012 gab es beim Generalbundesanwalt in diesem Be-
reich einen Prüfvorgang, ein Ermittlungsverfahren und
vier Beschuldigte. Im Jahr 2014 – Stand: 30. Oktober –
waren es 162 Prüfvorgänge und 41 Ermittlungs- und
Strafverfahren mit insgesamt 80 Beschuldigten.

Meine Damen und Herren, das sind dramatische Ent-
wicklungen, und diesen dramatischen Entwicklungen
müssen wir Rechnung tragen. Wir tragen ihnen Rech-
nung, indem der Generalbundesanwalt 720 000 Euro
mehr zur Verfügung gestellt bekommt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen: Die Si-
cherheit der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutsch-
land und darüber hinaus ist in Geld nicht zu beziffern.
Sicherheit hat kein Preisschild. Es ist unsere Verantwor-
tung, in Gewahrsam genommene Terroristen einem
rechtsstaatlichen Verfahren zuzuführen und sie für ihre
Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen und die Bevöl-
kerung vor ihnen zu schützen. Darum werden wir wei-
terhin genau prüfen und beobachten, was wir an Unter-
stützung für den Generalbundesanwalt werden leisten
können.

Ein drittes Thema. Es war die richtige Entscheidung,
den wirtschaftlichen Verbraucherschutz im Bundesjus-
tizministerium einzugliedern. Wir gehen diesen Schritt
konsequent weiter und stellen den Verbraucherschutz
heute auf eine breitere finanzielle wie personelle Basis.
So haben wir überhaupt erst zum zweiten Mal in seiner
Geschichte der Verbraucherzentrale Bundesverband eine
Erhöhung seiner institutionellen Förderung zugedacht.
Ich weiß, dass das nicht allen gefällt, auch nicht allen
Kolleginnen und Kollegen; denn der vzbv ist auch ge-
genüber den gewählten Politikerinnen und Politikern
manchmal unbequem und nimmt sich das Recht zu Kri-
tik heraus. Aber genau das soll er auch: mit lauter
Stimme einzig und allein für die Verbraucherinnen und
Verbraucher sprechen. Das kann er nur, wenn er unab-
hängig von der Wirtschaft agiert. Darum sind die staatli-
chen Mittel so wichtig. Wir wollen und brauchen starke
und unabhängige Verbraucherzentralen, eine starke
Lobby für die Verbraucherinnen und Verbraucher in un-
serem Land.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Darum werden wir eines der zentralen Projekte dieser
Koalition und der Verbraucherzentralen mit mehr finan-
ziellen Mitteln hinterlegen. Im kommenden Jahr werden
die Marktwächter mit 5,5 Millionen Euro weiter ange-
schoben.

Die Große Koalition richtet ihre Politik übrigens nicht
nach dem Irrglauben aus, man müsse nur vom mündigen
Verbraucher sprechen, und alle Probleme lösten sich
dann in Wohlgefallen auf. So unterschiedlich wie Men-
schen, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse und
die Herausforderungen für die Verbraucherpolitik. Dem
tragen wir Rechnung, indem wir im Bundesjustizminis-
terium ein Referat „Besondere Verbrauchergruppen“
installieren werden. Da geht es zum Beispiel um die
Herausforderungen junger Menschen sowie der Senio-
rinnen und Senioren, aber auch der Migrantinnen und
Migranten. Dabei geht es ganz besonders darum, dass
auf die Dinge, die wir nicht gleich auf dem politischen
Radar haben, aufmerksam gemacht wird.

Ein Beispiel: So deckten im Oktober dieses Jahres die
Verbraucherzentralen Hamburg, Berlin und Bremen er-
hebliche Missstände bei den sogenannten Ethnomobil-
funktarifen auf. Das sind Tarife, die bevorzugt Migran-
tinnen und Migranten nutzen, um Kontakt zu ihrer
Heimat zu halten. Mit diesen Tarifen erhält man verbil-
ligte Konditionen bei Anrufen in einigen Ländern. Kaum
einer von uns wird diese Tarife intensiv nutzen. Aber ge-





Dennis Rohde


(A) (C)



(D)(B)

rade weil Migrantinnen und Migranten diese Tarife in-
tensiv nutzen, gehen zusätzliche Herausforderungen
zum Beispiel bei der Sprache und der Vertragsgestaltung
damit einher. Wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir
zugeben, dass das ein Bereich ist, an den wir nicht zu-
vorderst denken, wenn wir uns die gesamte große
TK-Branche anschauen. Es ist aber wichtig, dass sich
eine Institution mit einer spezifischen Sicht genau sol-
cher Themen annimmt. Das ist ein wichtiger Schritt hin
zu einer Verbraucherpolitik, die wirklich alle Menschen
in unserem Land einschließt.


(Beifall bei der SPD)


Wir stellen uns auch der Herausforderung der Digita-
lisierung unserer Gesellschaft mit der Einrichtung eines
neue Referats „Digitale Kundenbeziehungen“. Heutzu-
tage schließen wir Onlineverträge ab. Wir kaufen ein, er-
ledigen unsere Post und informieren uns über Angebote
online. Kurzum: Ein guter Teil der traditionellen Bezie-
hungen zwischen Verbrauchern und Anbietern ist ins
Netz gewandert. Dabei ist insbesondere der Schutz der
Kundendaten unheimlich wichtig. Wir hoffen, dass wir
mit diesem Referat neue Erkenntnisse diesbezüglich ge-
winnen.

Meine Damen und Herren, Verbraucherschutz ist in
der Großen Koalition in guten Händen. Wir haben einen
Paradigmenwechsel eingeleitet. Wir nehmen den Schutz
der Verbraucherinnen und Verbraucher ernst. Wir wollen
eine aktive und keine reagierende Verbraucherpolitik.
Diesen Weg gilt es in den kommenden Jahren konse-
quent fortzusetzen, ohne einen Rückfall in vergangene
Zeiten. Wir gehen mit dem vorliegenden Haushalt die
Herausforderungen der Judikative, des Schutzes des
geistigen Eigentums und der Verbraucherpolitik an. Wir
haben einen guten Regierungsentwurf noch besser ge-
macht. Hierfür werbe ich um Ihre Zustimmung.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806806800

Das Wort hat die Kollegin Caren Lay für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Caren Lay (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806806900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Was die Verbraucherarbeit und den Verbrau-
cherschutz in diesem Haushaltsentwurf anbelangt,
komme ich leider zu einer völlig anderen Einschätzung
als beispielsweise mein Vorredner. Wenn wir uns die
Zahlen anschauen, stellen wir fest, dass die Verbraucher-
politik im Gesamthaushalt wirklich ein Schattendasein
fristet. Gerade einmal 31 Millionen Euro sind für die
Verbraucherpolitik vorgesehen. Das ist im Vergleich
zum Gesamthaushalt ziemlich wenig. Alleine der Schüt-
zenpanzer Puma beispielsweise ist der Bundesregierung
19-mal mehr wert als die Verbraucherpolitik. Das nenne
ich eine falsche Prioritätensetzung.


(Beifall bei der LINKEN)

An diesem Beispiel sieht man auch, dass es nicht so
ist, dass kein Geld da ist oder die Opposition dauernd
Geld ausgeben möchte; es sitzt einfach an der falschen
Stelle. Auf dieses Kriegsgerät zu verzichten und das
Geld für die Verbraucherarbeit einzusetzen, das wäre
zum Beispiel eine gute Lösung.


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Sie da nicht mitgehen können, will ich Ihnen
einen anderen Vorschlag machen und eine Idee der ehe-
maligen Verbraucherministerin Frau Aigner aufgreifen,
die bekanntlich nicht der Linken angehört, sondern der
CSU. Sie hatte vorgeschlagen, dass man die Mittel, die
dem Bundeskartellamt aus Bußgeldern zufließen, also
die Kartellstrafen aufgrund illegaler Preisabsprachen, für
die Verbraucherarbeit zur Verfügung stellen könnte. Al-
leine bis zum Oktober dieses Jahres waren es Bußgelder
für illegale Preisabsprachen in Höhe von 1 Milliarde
Euro, die in den Bundeshaushalt fließen. Das ist Geld,
das den Verbrauchern unrechtmäßig aus der Tasche ge-
zogen wurde und das man für sinnvolle Projekte einset-
zen könnte. Selbst wenn wir nur 20 Prozent dieser Gel-
der nehmen würden, wären das 200 Millionen Euro.

Dann müsste man, um ein Beispiel zu nennen, nicht
bei der Stiftung Warentest kürzen – und das ausgerech-
net im 50. Jubiläumsjahr. Da frage ich mich ehrlich ge-
sagt, wie das nächste Woche beim feierlichen Festakt ab-
laufen soll und ob dann die Kanzlerin sagt: Liebe
Stiftung Warentest, herzlichen Glückwunsch zum Ge-
burtstag, Sie leisten eine wertvolle Arbeit, und als Ge-
burtstagsgeschenk werden wir Ihnen gleich die Mittel
kürzen. – Nein, bei diesen Geburtstagsgeschenken kann
man sich die Sonntagsreden sparen.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir könnten von diesem Geld beispielsweise
1 000 Schuldner- und Finanzberatungsstellen finanzie-
ren. Das wäre auch angemessen. Sie haben es selber ge-
sehen: Die Anzahl der verschuldeten Haushalte ist er-
neut gestiegen. Die durchschnittlichen Wartezeiten
betragen sechs Monate, in einzelnen Kommunen können
es auch einmal eineinhalb Jahre sein. Damit vergeht viel
zu viel Zeit, in der sich die Schuldenspirale weiter dreht,
anstatt dass den Betroffenen geholfen würde. Wir müs-
sen bei der Finanz- und Schuldnerberatung deutlich
mehr zulegen. Deswegen werden wir als Linke das auch
beantragen.


(Beifall bei der LINKEN)


Man könnte mit einem Bruchteil des Geldes aus den
Kartellstrafen beispielsweise auch die Marktwächter
auskömmlich finanzieren, um tatsächlich und wirkungs-
voll den Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten, aber
auch in der immer komplizierter werdenden digitalen
Welt zu stärken. Wir freuen uns, dass eine langjährige
Oppositionsforderung nach solchen Marktwächtern auf-
gegriffen wurde, aber wir, die wir uns damit beschäftigt
haben, wissen auch: Diese 6,5 Millionen Euro sind zu
wenig. Da hilft es auch nichts, dass die ursprünglich ver-
anschlagten Kosten von 12 Millionen Euro auf Wunsch





Caren Lay


(A) (C)



(D)(B)

nach unten korrigiert wurden. Hier müssten wir eigent-
lich viel mehr Geld in die Hand nehmen.


(Beifall bei der LINKEN)


Es wird gerne gesagt, das gehe gar nicht und man
könne die Bußgelder dafür nicht einsetzen. Die ganzen
Vorschläge, die ich gemacht habe, fallen einfach deswe-
gen weg, weil das Geld, das den Verbrauchern eigentlich
zustehen würde, nicht etwa in den Haushalt des Verbrau-
cherministers fließt, sondern weil es in den Haushalt des
Wirtschaftsministers fließt. Da frage ich mich, warum
das Geld, um das die Verbraucher betrogen wurden, am
Ende ausgegeben wird, um die Wirtschaft zu unterstüt-
zen. Das ist doch wirklich völlig absurd.


(Beifall bei der LINKEN)


Ein beliebtes Argument in diesen Debatten ist, das sei
der kleinste Haushalt. Okay, 31 Millionen Euro sind im
Vergleich zum Gesamthaushalt nicht besonders viel. Es
wird angeführt, es gehe auch darum, gute Gesetze zu
machen. Na, bitte schön, dann machen Sie doch gute Ge-
setze. Ich möchte Ihnen einige aktuelle Beispiele nen-
nen. Eines hat schon eine Rolle gespielt.

Nehmen wir die Mietpreisbremse. Das, was Sie, Herr
Minister, hier vor kurzem in den Bundestag eingebracht
haben, lässt zu, dass die Länder selber entscheiden kön-
nen, ob sie Ihr Gesetz umsetzen. Die Länder haben viel
zu viel Zeit für die Umsetzung, sodass die Vermieter
schön an der Preisspirale drehen können. Es gibt viel zu
viele Ausnahmen und Bedingungen, und der Deckel, den
Sie gewählt haben, ist überhaupt nicht sachgerecht und
wird die Mieten nicht deckeln. Nein, meine Damen und
Herren, diese Mietpreisbremse ist bestenfalls eine Hand-
bremse, und da müssen wir dringend nachbessern.


(Beifall bei der LINKEN)


Oder nehmen wir die gesetzliche Deckelung der Dis-
pozinsen; sie lässt ebenfalls auf sich warten. Sehr geehr-
ter Herr Minister, Sie haben selber gesagt, Verbraucher-
schutz sei kein Thema von Appellen. Dann möchte ich
Sie hier, ehrlich gesagt, an Ihre eigenen Worte erinnern:
Haben Sie bitte den Mut, sich mit der Bankenlobby an-
zulegen! Belassen Sie es nicht einfach bei mehr Transpa-
renz, und führen Sie endlich einen gesetzlichen Deckel
ein!


(Beifall bei der LINKEN)


Ich möchte zum Schluss noch auf das Projekt der
Frauenquote zu sprechen kommen. Dieses Projekt be-
grüße ich natürlich prinzipiell. Aber Ihre Behauptung,
dass mit der Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs der
im Grundgesetz verankerte Gleichstellungsauftrag um-
gesetzt werde, ist, glaube ich, ein bisschen übertrieben.
Die feste Quote soll tatsächlich nur 108 Unternehmen
betreffen. Davon würden also gerade einmal 160 Frauen
tatsächlich profitieren. Dazu muss ich einfach sagen: Vor
diesen 160 Frauen muss die CSU nicht zittern, und der
Herr Fraktionsvorsitzende Kauder muss angesichts des-
sen nicht so weinerlich werden. Meine Damen und Her-
ren von der CDU/CSU-Fraktion, da müssen Sie keine
Angst haben. Die Männerbündelei in Deutschlands Vor-
standsetagen würde auch nach Verabschiedung dieses
Gesetzentwurfs weitergehen. Wir als Linke finden, es ist
dringend an der Zeit, dass wir das endlich beenden.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806807000

Der Kollege Dr. Hendrik Hoppenstedt hat für die

CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Hendrik Hoppenstedt (CDU):
Rede ID: ID1806807100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Rechtspolitik wird bekanntlich nicht mit dem Scheck-
buch gemacht. Das Bundesministerium der Justiz und
für Verbraucherschutz ist in erster Linie ein Gesetzge-
bungs- und Beratungsministerium.

Aber Rechtspolitik ist natürlich auch nicht zum Null-
tarif zu haben. Mein Kollege Gröhler ist als Haushälter
schon auf viele Details des Einzelplans 07 eingegangen.
Auch ich möchte noch einmal auf den erheblichen Auf-
wuchs im Personalhaushalt des Deutschen Patent- und
Markenamtes hinweisen. Mit weit über 50 neuen Stellen
wird es in die Lage versetzt, Patentanmeldungen schnel-
ler zum Abschluss zu bringen. Damit können Erfindun-
gen zügiger auf den Markt gebracht werden, und das si-
chert und schafft Arbeitsplätze in Deutschland. Dieses
Beispiel zeigt, dass wir nach einem Jahr erfolgreicher
Großer Koalition neben den Verbesserungen im Bereich
Opferschutz, auf die ich gleich noch zu sprechen kom-
men werde, viel für die Wirtschaft und den deutschen
Mittelstand getan haben und zukünftig auch noch tun
werden.

Lassen Sie mich das anhand der Nennung von drei
Beispielen unterstreichen:

Beispiel Nummer eins. Wir haben das Gesetz zur Be-
kämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr be-
schlossen und damit die EU-Zahlungsverzugsrichtlinie
umgesetzt. Wenn insbesondere kleinere mittelständische
Unternehmen wochenlang auf die Begleichung einer
Rechnung warten und die Materialkosten vorfinanzieren
müssen, dann kann sie das schnell in den Ruin treiben,
und das vernichtet Arbeitsplätze. Deshalb haben wir zur
Sicherstellung der Liquidität von kleineren und mittleren
Betrieben den bisweilen vorhandenen exorbitanten Zah-
lungsfristen ein Ende gesetzt. Die in den allgemeinen
Geschäftsbedingungen geregelten Zahlungsfristen wer-
den grundsätzlich auf 30 Tage begrenzt. Die Vereinba-
rung einer Zahlungsfrist von mehr als 60 Tagen ist nur
dann wirksam, wenn sie ausdrücklich getroffen ist und
im Hinblick auf die Gläubigerbelange nicht grob unbillig
ist. Bei den öffentlichen Auftraggebern, die ja bekannt-
lich nicht immer die beste Zahlungsmoral haben, darf
auch in Ausnahmefällen die 60-Tage-Frist nicht über-
schritten werden. Regelmäßig wird auch hier die Frist
bei 30 Tagen liegen.





Dr. Hendrik Hoppenstedt


(A) (C)



(D)(B)

Beispiel Nummer zwei. Die Beseitigung der Haf-
tungsfälle für Handwerker im Mängelgewährleistungs-
recht. Worum geht es hier? Kauft ein Handwerker, ohne
dies zu wissen, mangelhaftes Material und baut dies bei
einem Kunden ein, zum Beispiel Parkettstäbe, dann hat
der Kunde aufgrund der werkvertraglichen Beziehungen
einen Nachbesserungsanspruch. Der Handwerker muss
die fehlerhaften Parkettstäbe auf seine Kosten ausbauen
und fehlerfreie Parkettstäbe einbauen. Der Handwerker
seinerseits hat gegen seinen Verkäufer aber nur An-
spruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache, das
heißt, mangelfreier Parkettstäbe. Den wegen der hohen
Lohnkosten zumeist viel teureren Ausbau und den an-
schließenden Einbau muss er aber selber tragen. Der
Handwerker arbeitet also zweimal, bekommt aber nur ein-
mal sein Geld. Deswegen haben wir uns im Koalitions-
vertrag richtigerweise darauf verständigt, die Haftungs-
falle für Handwerker im Mängelgewährleistungsrecht zu
beseitigen. Handwerker und andere Unternehmer sollen
nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmängeln
sitzen bleiben, die der Lieferant oder Hersteller zu ver-
antworten hat.

Wir wollen das Verursacherprinzip im Gewährleis-
tungsrecht stärken. Wir streben dabei eine Lösung an,
die sich bestmöglich in das Gewährleistungsrecht des
BGB und damit in dessen Systematik einfügt und die
auch die berechtigten Interessen der übrigen Beteiligten,
insbesondere die Interessen des Handels, angemessen
berücksichtigt; der Handel ist normalerweise nicht für
Produktionsfehler verantwortlich.

Zu dieser Frage wird das Bundesministerium der Jus-
tiz gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Verbraucherrecht
der Uni Bayreuth im nächsten Frühjahr ein Symposium
durchführen. Danach werden wir uns erst mit dem Ko-
alitionspartner, dann mit dem Ministerium und im An-
schluss selbstverständlich mit dem gesamten Ausschuss
über die konkrete rechtstechnische Umsetzung austau-
schen und uns hoffentlich einigen.

Beispiel Nummer drei. Wir möchten bei der Bewälti-
gung von Konzerninsolvenzen zu Erleichterungen kom-
men. Es geht darum, die Sanierungsmöglichkeiten von
Unternehmen zu verbessern. Das ist im Interesse der
Gläubiger, aber ausdrücklich auch im Interesse der Ar-
beitnehmer.

Das geltende Insolvenzrecht ist auf die Bewältigung
der Insolvenz einzelner Rechtsträger zugeschnitten. Wenn
in einem Konzern mehrere Unternehmen in wirtschaftli-
che Schwierigkeiten geraten, muss für jeden Unterneh-
mensträger ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein In-
solvenzverwalter bestellt werden. Diese zwangsweise
Dezentralisierung kann zu Nachteilen führen, wenn die
zu dem Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen
eine wirtschaftliche Einheit bilden. Die Verwaltungs-
und Verfügungsbefugnis über die konzernweit verfügba-
ren Ressourcen, die bislang durch die Ausübung der
Konzernleitungsmacht aufeinander abgestimmt war, wird
auf mehrere Insolvenzverwalter verteilt. Es wird damit
schwieriger, die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als
solche zu erhalten und ihren vollen Wert für die Gläubi-
ger zu realisieren. Ziel des Gesetzentwurfs ist es daher,
die im Fall einer Konzerninsolvenz zu eröffnenden Ein-
zelverfahren über die Vermögen konzernangehöriger
Unternehmen besser aufeinander abzustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, neben diesen mittelstands-
freundlichen Regelungen geht es auch noch um den
Schutz derer, die schwere Zeiten durchmachen, sei es,
weil sie Opfer von Straftaten wurden, oder sei es, weil
sie besonderes Leid erfahren haben. Auch hier möchte
ich drei Beispiele geben:

Beispiel Nummer eins. Wir haben durch die Novelle
im Sexualstrafrecht – das klang heute schon an – insbe-
sondere Kinder und Jugendliche vor Missbrauch besser
geschützt. Der Fall Edathy hat einmal mehr gezeigt, dass
ein Markt für Kindernacktfotos existiert. Wir haben dem
Handel mit Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen
einen Riegel vorgeschoben, um so die Würde der Kinder
und der Jugendlichen zu schützen. Kinderfotos für das
Familienalbum bleiben erlaubt. Der Handel und der
Tausch von Kindernacktfotos ist kriminelles Unrecht
und muss auch entsprechend bestraft werden.

Der Schutz in Obhutsverhältnissen wird ebenfalls
verbessert. Für die Strafbarkeit sexueller Kontakte zwi-
schen Lehrern und Schülern ist es künftig völlig unerheb-
lich, ob der Lehrer nun Klassenlehrer oder Vertretungs-
lehrer ist. Sexuelle Kontakte zu Schülern werden für alle
Lehrer einer Schule strafrechtliche Konsequenzen nach
sich ziehen.

Kinder und Jugendliche müssen besser vor Erwachse-
nen geschützt werden, die sich im Internet und sozialen
Netzwerken als Kinder ausgeben. Deswegen verschärfen
wir das Strafrecht im Bereich des sogenannten Cyber-
groomings. Als Union hätten wir uns durchaus noch ge-
wünscht, dass auch der untaugliche Versuch unter Strafe
gestellt wird; Täter, die auf Lockvogelangebote von Er-
mittlern eingehen, bleiben aber leider weiterhin straflos.

Beispiel Nummer zwei. Wir gehen das Angehörigen-
schmerzensgeld an. Wir werden einen eigenständigen
Schmerzensgeldanspruch für Menschen schaffen, die ei-
nen nahen Angehörigen durch Verschulden eines Dritten
verloren haben. Anders als viele andere europäische
Rechtsordnungen sieht das deutsche Recht einen solchen
Angehörigenschmerzensgeldanspruch nicht vor. Bislang
ist Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch
des nahen Angehörigen, dass die Schwelle zum Schock
und damit zu einer Gesundheitsverletzung des trauern-
den Angehörigen überschritten wurde. Das ist aber nicht
besonders häufig der Fall.

Das, meine Damen und Herren, führt zu Wertungswi-
dersprüchen: Leichte Schleudertraumata werden ent-
schädigt, nicht aber das viel schwerwiegendere, zum Teil
jahrzehntelange Leid bei Verlust eines nahen Angehöri-
gen. Auch im Falle der Ehrverletzung und selbst für den
Nutzungsausfall eines Pkw sowie für entgangene Ur-
laubsfreude wird Schadenersatz gezahlt. Man könnte
deswegen den Eindruck gewinnen, dass umso eher
finanzielle Kompensation geschuldet wird, je banaler die
Rechtsverletzung ist, und umso weniger, je gravierender





Dr. Hendrik Hoppenstedt


(A) (C)



(D)(B)

die Rechtsverletzung ausfällt. Diese Rechtslage empfin-
den wir als unbefriedigend.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])


Selbstverständlich kann die Einführung eines Ange-
hörigenschmerzensgeldes den Verlust eines nahen Men-
schen niemals ersetzen. Aber der Schmerzensgeld-
anspruch wäre ein Symbol der Solidarität der Gesellschaft
und zeigt, dass die Rechtsgemeinschaft das seelische
Leid auch entsprechend anerkennt.

Und ein letztes Beispiel: die Vorratsdatenspeicherung.
Offen ist auch dieses Projekt. In manchen Bereichen ist
die Speicherung von Verbindungsdaten erforderlich, um
schwere Straftaten aufzuklären und Terrorakte verhin-
dern zu können. Um häufigen Missverständnissen vor-
zubeugen: Es geht hier nicht darum, dass Korresponden-
zen regelmäßig mitgelesen oder Gespräche mitgehört
werden.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur gespeichert werden!)


Die Telekommunikationsanbieter sollen lediglich so-
genannte Metadaten speichern, das heißt: Wer hat mit
wem wann und wie lange telefoniert? Im Bedarfsfalle
würde so auf diese Kommunikationsdaten zugegriffen
werden können. Im Koalitionsvertrag haben wir uns da-
rauf verständigt, dass die Vorratsdatenspeicherung nur
bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch
einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für
Leib und Leben erfolgen soll. Richtig ist, dass der EuGH
die konkrete Richtlinie der EU zur Vorratsdatenspeiche-
rung für nichtig erklärt hat.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hält Sie aber nicht davon ab, dasselbe noch einmal zu machen!)


Nachdem nun die konkrete Richtlinie gescheitert ist,
geht es darum, eine europa- und verfassungsrechtlich
konforme Regelung für die Vorratsdatenspeicherung zu
finden. Ich bin besonders dankbar, dass die SPD-Innen-
minister in ihrer Berliner Erklärung vom 10. April 2014
zum Ausdruck bringen, dass sie das genauso sehen. Ich
zitiere:

Verbindungsdaten müssen unter größtmöglicher
Beachtung der Grundrechte und des Datenschutzes
zur Verfolgung von Kinderpornographie, schwers-
ter Fälle von Cybercrime und organisierter Krimi-
nalität für eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung
stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich selber habe mich bei meinem Besuch beim BKA
in Wiesbaden davon überzeugen können, wie wichtig
diese Vorratsdatenspeicherung auch für unsere Ermitt-
lungsbehörden sind, die wir an dieser Stelle gerne unter-
stützen möchten. Daher wünsche ich mir, dass wir als
Koalition dieses Thema noch deutlich beherzter aufgrei-
fen als in der Vergangenheit, auch wenn ich weiß, dass
das rechtlich schwierig ist. Aber auch hier gilt der Satz:
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Meine Damen und Herren, die genannten Beispiele
zeigen, dass wir auf dem Gebiet der Rechtspolitik schon
viel erreicht haben, aber noch eine gute Wegstrecke vor
uns haben. Nach einem Jahr Mitgliedschaft im Deut-
schen Bundestag kann ich für mich jedenfalls feststellen,
dass die Koalition gute Gesetzentwürfe auf der Grund-
lage der Arbeiten des Bundesministeriums der Justiz und
für Verbraucherschutz beschlossen hat, dass es in der
Rechtspolitik zwischen den Koalitionsfraktionen eine
gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt und dass
es auch mit den Oppositionsfraktionen


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt hört es aber auf!)


trotz inhaltlicher Differenzen im Ausschuss ein zumin-
dest nach meinem Dafürhalten sehr manierliches und or-
dentliches Miteinander gibt. Ich habe das ja schon in
meiner letzten Rede gesagt. Da kam von der Opposition
der Zwischenruf: „Warten Sie es mal ab!“ Ich habe jetzt
eine ganze Weile gewartet, und ich muss sagen: Ich fühle
mich in meiner Aussage durchaus bestätigt und freue
mich deswegen auf die zukünftige Zusammenarbeit in
diesem Ausschuss.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806807200

Das Wort hat die Kollegin Nicole Maisch für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806807300

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Lieber Dr. Hoppenstedt, ich habe vernommen, dass Sie
mit Anlauf zweimal gegen dieselbe Wand laufen wollen,
nämlich bei der Vorratsdatenspeicherung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann nur sagen: Hier hört für uns Grüne der Spaß
auf. Wenn Sie einen Angriff auf unsere Bürgerrechte
fahren, dann wird es hier in der Debatte durchaus unge-
mütlich. Das möchten wir nicht zulassen. Wir halten Ihr
Vorhaben hier für völlig falsch.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber wir sind ja heute zusammengekommen, um über
den Haushalt zu reden. Man kann sagen, dass die Bera-
tungen im Haushaltsausschuss durchaus erfolgreich wa-
ren. Herr Maas, Sie haben viel Kritik eingesteckt. Aber
es gibt auch Dinge, die man loben kann.

Wir finden es als Grüne gut, dass der Bundesverband
Verbraucherzentralen mehr Geld bekommt. Wir finden
es gut, dass Sie endlich Geld für die Marktwächter in
den Bereichen Finanzen und Digitales eingestellt haben.
Wir finden es auch gut, dass Sie endlich einen Sachver-
ständigenrat für Verbraucherfragen benannt haben und
den auch finanzieren wollen.

Aber – damit ist die lobende Vorrede vorbei – wenn
man so etwas Schlaues macht wie Marktwächter, was
wir lange gefordert haben, dann muss man auch den Mut
haben, alles zu tun, damit das Projekt ein Erfolg wird. So





Nicole Maisch


(A) (C)



(D)(B)

wie Sie das angelegt haben, sieht es ein bisschen so aus,
als ob Sie sich eigentlich gar nicht trauen, dass die
Marktwächter erfolgreich werden. Warum ist das so? Sie
wollen weiter mit Projektförderungen operieren. Sie
wissen so gut wie ich, dass der Bundesrechnungshof die
Projektitis nicht gerne sieht. Hier kann man schon fra-
gen: Ist es vor allem ein Ansinnen der Union, die Markt-
wächter nach kurzer Zeit in Schönheit sterben zu lassen,
oder warum finden sie nicht eine längerfristige, eine in-
stitutionelle Finanzierung?

Wenn man will, dass die Marktwächter auch wirklich
beißen und bellen können, dann brauchen sie auch die
strukturellen Voraussetzungen dafür. Dann brauchen sie
ein formales Beschwerderecht gegenüber der BaFin. Wir
müssen außerdem darüber nachdenken, ob wir nicht bes-
sere Möglichkeiten der kollektiven Rechtsdurchsetzung
finden können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Geld allein, so wichtig es ist, macht noch keinen gu-
ten Verbraucherschutz. Das gilt insbesondere für den
Finanzbereich. Hier haben Sie noch einige Versprechun-
gen einzulösen. Sie haben Maßnahmen zur Begrenzung
von Dispozinsen angekündigt. Ich habe akzeptiert, dass
es erst einmal keinen gesetzlichen Deckel geben wird.
Aber Sie haben andere Möglichkeiten angedeutet und
entsprechende Gesetze versprochen. Darauf warten wir
noch.

Weil wir gerade beim Thema „Knietief im Dispo“
sind, will ich noch auf den Kollegen Klaus-Dieter
Gröhler eingehen. Er hat hier eine allgemeine Haushalts-
rede gehalten, hat sich für die schwarze Null und eine
solide Haushaltsführung gerühmt und hat dann auf die
Linken und die Grünen geschimpft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Max Straubinger [CDU/CSU]: Da hat er recht! Das hat er gut gemacht! Das gibt es bei den Grünen nie!)


Da muss ich Ihnen Folgendes sagen, liebe Kolleginnen
und Kollegen: Wer so tief wie Sie in die Rentenkasse, in
den Gesundheitsfonds und in den Topf für die Finanzie-
rung der Infrastruktur fasst, der hat keine schwarze Null
aufzuweisen, sondern der steckt knietief im Dispo bei
den kommenden Generationen. Das lassen wir Ihnen so
nicht durchgehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Max Straubinger [CDU/CSU]: Sie haben doch gesagt, die Mittel müssten noch gekürzt werden!)


Wenn wir uns den Haushalt für den Verbraucherschutz
anschauen, dann finden wir dort hinsichtlich des nachhal-
tigen Konsums eine Leerstelle. Verbraucher sind nicht nur
schutzbedürftig, sondern sie sind auch mächtige Akteure,
wenn es um mehr Tierschutz, mehr Umweltschutz und
nachhaltigeren Konsum geht. Aber dafür braucht man
eben auch die strukturellen Voraussetzungen: vor allem
verlässliche Label und Siegel – zum Beispiel für grüne
Geldanlagen, echten Ökostrom, aber auch für faire Klei-
dung. Hier, finde ich, ist der Verbraucherschutzminister
in der Verantwortung, den Kollegen Müller nicht schei-
tern zu lassen


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Er könnte es sogar besser machen!)


und dieses Textilsiegel zum Erfolg zu führen. Hier soll-
ten Sie Ihren Kollegen unterstützen, damit das Ganze zu
einem Erfolg wird; denn so, wie es im Moment angelegt
ist, ist es eher dazu geeignet, ein Rohrkrepierer zu wer-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte, dass Sie sich weiterhin dafür einsetzen,
dass wir bessere Informationsansprüche im VIG haben
und dass Sie Kampagnen für nachhaltigere Konsum-
muster und für bessere Produkte fahren. Grüner und
nachhaltiger Konsum ist eine große Macht bei der
Transformation der Wirtschaft. Hier kann der Verbrau-
cherschutzminister einfach noch mehr tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Maas, ich wundere mich schon, dass es beim
Thema TTIP um Sie sehr ruhig geworden ist. Vor eini-
gen Monaten hörte sich das noch sehr mutig an. Da ha-
ben Sie den Bürgern in unterschiedlichsten Zeitungs-
interviews viel versprochen. Ihr erstes Versprechen war:
keine Absenkung von Standards. Sie stehen in der Ver-
antwortung, zu erklären, wie regulatorische Kooperatio-
nen mit einem System – nämlich dem der USA – mög-
lich sein sollen, welches das Vorsorgeprinzip nicht
kennt. Wie soll es eine regulatorische Kooperation und
gleichzeitig den Erhalt des Vorsorgeprinzips geben?
Vielleicht ist das möglich. Aber Sie sind in der Verant-
wortung, es zu erklären.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben auch gesagt: keine Investor-Staats-Schieds-
gerichte. Das heißt, Sie haben den Bürgerinnen und Bür-
gern versprochen, dass es keine undemokratische Kon-
zernjustiz gibt. In dieser Deutlichkeit – das muss ich
ganz offen sagen – habe ich das von Ihnen lange nicht
mehr gehört. Das mag damit zusammenhängen, dass
sich Ihr Parteivorsitzender und Wirtschaftsminister
Sigmar Gabriel von der Forderung „keine Investor-
Staats-Schiedsgerichte“ klammheimlich verabschiedet.
Jetzt sind Sie als Verbraucherschutzminister gefragt, ge-
genüber den Bürgerinnen und Bürgern Ihr Versprechen
zu halten: kein Ausverkauf von Verbraucher- und Daten-
schutz und keine Sonderjustiz für Konzerne.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Hier steht nicht nur der europäische Standard für Ver-
braucher- und Datenschutz auf dem Spiel, sondern auch
Ihre Glaubwürdigkeit als Minister.

Ich bedanke mich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806807400

Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Elvira

Drobinski-Weiß das Wort.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Elvira Drobinski-Weiß (SPD):
Rede ID: ID1806807500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Maisch,
ich bitte Sie, einfach mal in den Beschluss unseres Par-
teikonvents zu schauen. Dann wissen Sie, was unsere
und die Position des Wirtschaftsministers zum Thema
TTIP ist. Ich denke, damit ist alles gesagt.

Wenn in den vergangenen Jahren im Rahmen der
Haushaltsberatung über die Politik des Verbraucherschutz-
ministeriums gesprochen wurde, dann musste ich leider
immer Begriffe wie Placebo oder Etikettenschwindel be-
nutzen. Das ist heute zum Glück anders; denn dieser
Haushalt zeigt: SPD wirkt.


(Lachen der Abg. Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben es zusammen mit unserem Koalitionspartner
in diesem Haushalt geschafft, wichtige Weichen für eine
wirksame Verbraucherpolitik zu stellen.

Wir haben einen Sachverständigenrat für Verbrau-
cherfragen eingerichtet, der jetzt seine Arbeit aufgenom-
men hat. Frau Künast, das ist jetzt gerade einmal drei
Wochen her. Ich denke, dann ist es auch recht, dass er
jetzt noch keine Ergebnisse zeitigen kann. – Unser Ziel
ist eine effektive, eine empirisch fundierte Verbraucher-
politik, also keine Placebos mehr. Die Verbraucherfor-
schung kann viel dazu sagen, welche Instrumente effek-
tiv sind, welche Informationen Verbraucherinnen und
Verbraucher in der konkreten Entscheidungssituation
nutzen und welche Gesetze wie verbessert werden müs-
sen. Der Sachverständigenrat wird uns genau dabei un-
terstützen.

Welche Weichen haben wir noch gestellt? Der Start-
schuss für die Marktwächter ist im Oktober gefallen. Wir
haben in der Bereinigungssitzung zum Haushalt 2015
noch einmal 1,135 Millionen Euro draufgesattelt. Insge-
samt stehen den Marktwächtern rund 5,6 Millionen Euro
in 2015 zur Verfügung – wie ich finde, ein toller Erfolg.


(Beifall bei der SPD)


Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz – ich würde hier
gerne vom Sparerschutzgesetz sprechen – sorgen wir da-
für, dass die BaFin als Behörde nun auch die Marktauf-
sicht im Bereich des kollektiven Rechtsschutzes wahr-
nehmen kann. Einzelne Verletzungen des AGB-Rechts
und rechtswidrige Bankgebühren werden der vzbv und
die Verbraucherzentralen in ihrer Marktwächterfunktion
weiterhin durch Abmahnungen und Klagen abstellen.

Die verbraucherpolitischen Herausforderungen neh-
men weiter zu, auch bei der Interessenvertretung der
Konsumentinnen, dem Verbraucherzentrale Bundesver-
band: Datenschutz, digitale Welt, Onlinehandel. Seit
Jahren hat der vzbv darauf aufmerksam gemacht, dass er
mehr Personal braucht, um diesen Herausforderungen
gerecht werden zu können. Mit dem Haushalt werden
die hierfür nötigen Mittel bereitgestellt. Beispielsweise
wird das vzbv-Büro in Brüssel nun auf Dauer eingerich-
tet. Angesichts der gewachsenen Aufgaben erhält der
vzbv im Jahr 2015 865 000 Euro zusätzlich; auch das ist
schon erwähnt worden. Damit können tatsächlich die
Fachleute für die eben genannten Bereiche der digitalen
Welt eingestellt werden.

Welche Weichen haben wir noch gestellt? Im Bundes-
ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wer-
den zwei neue Referate eingerichtet, um auch hier den
gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden: ein Re-
ferat „Besondere Verbrauchergruppen“ – Dennis Rohde
hat es bereits ausgeführt – und ein Referat „Kundenbe-
ziehungen in der digitalen Welt“. Hier geht es darum,
unsere Daten zu schützen, die sonst nur gesammelt wer-
den.

Neulich titelte die Berliner Zeitung: „Sicher sind nur
Stempelkarten“. Das sind die Karten, die bei einem Ein-
kauf in einem bestimmten Geschäft, in dem man öfter
einkauft, gelocht oder abgestempelt werden. Diese Da-
ten kann man nicht erfassen. Aber wenn man heute beim
Einkauf eine Plastikkarte nutzt – man kennt die Frage an
der Kasse: „Haben Sie eine Payback-Karte?“ –, dann
werden natürlich die Daten gesammelt. Dies geht inzwi-
schen auch über Apps auf dem Smartphone. Das ist lei-
der Standard. Eine Firma hat einmal festgehalten: Nach
drei Käufen kennt das Computernetzwerk des Unterneh-
mens das Kaufverhalten des Kunden mindestens in den
Grundzügen, nach zehn Einkäufen weiß man schon sehr
gut Bescheid. Für ein wenig Rabatt oder müheloses Be-
zahlen nutzt man die Karten bzw. Apps, und niemand
weiß, was mit den Daten passiert. Hier ist es wichtig, zu
analysieren und zu reglementieren, was mit unseren Da-
ten passiert. Transparenz ist also notwendig: Wer sam-
melt welche Daten, wer nutzt sie wofür, und wer gibt sie
eventuell an wen weiter? – Die Wahrung der Privatsphäre
und der Schutz der informationellen Selbstbestimmung
müssen sichergestellt werden. Das, Frau Maisch, ist
auch ein Anliegen der Großen Koalition.

Wir wollen also eine Verbraucherpolitik, die wirkt.
Wie Sie sehen, haben wir im Haushalt 2015 die Weichen
dafür gestellt. Aber es gibt noch einige andere Themen,
um die wir uns kümmern müssen, beispielsweise um das
Thema Rechtsdurchsetzung oder aber um das Thema
– auch das ist schon angesprochen worden – der Ab-
schöpfung von Kartellstrafen. Wir alle sind davon über-
zeugt, dass das Kartellamt gute Arbeit leistet. Tatsäch-
lich sind in diesem Jahr fast 1 Milliarde Euro Bußgelder
zusammengekommen. Wir fordern auch hier, dass ein
Teil davon – da bin ich mir mit der Frau Kollegin Lay ei-
nig – für Verbraucherpolitik eingesetzt wird. Wir müssen
darauf achten, dass Kartellsünder unrechtmäßig erwirt-
schaftete Gewinne nicht behalten; denn ich glaube, das
würde falsche ökonomische Anreize setzen.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Die weni-
gen von mir genannten Punkte – darüber hinaus gibt es
noch weitere – stellen die Weichen für eine solide Ver-
braucherpolitik. Ich danke unserem Haushälter Dennis
Rohde und auch Herrn Gröhler von der CDU/CSU für
ihre Unterstützung. Ich wünsche unserem Minister Maas
und auch unserem Staatssekretär Kelber viel Erfolg bei
der Umsetzung aller unserer Vorhaben.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(D)(B)


Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806807600

Die Kollegin Mechthild Heil hat für die CDU/CSU-

Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Mechthild Heil (CDU):
Rede ID: ID1806807700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere
Verbraucherpolitik, die Verbraucherpolitik der CDU/
CSU, basiert auf fünf Säulen: erstens Verbraucherfor-
schung, zweitens Verbraucherbildung, also gezielte För-
derung der Verbraucherkompetenz, drittens Transparenz
und gute Informationen für Verbraucher, viertens ein
klarer Rechtsrahmen und fünftens wirksame Rechts-
durchsetzung.

Zur ersten Säule, der Verbraucherforschung. Gute
Verbraucherpolitik orientiert sich an den Realitäten der
Verbraucher. Unsere politischen Entscheidungen müssen
sich stets am Alltag der Verbraucher orientieren und dort
erfolgreich sein. Um ein möglichst realistisches Bild der
Verbrauchersorgen zu erhalten, stellen wir im Haushalt
2015 erneut Geld ein: 637 000 Euro für die Verbraucher-
forschung und für die Finanzierung einer Stiftungspro-
fessur für Verbraucherrecht immerhin 225 000 Euro.

Aber damit nicht genug. Wir tun noch mehr. Wir ha-
ben auch einen Sachverständigenrat für Verbraucherfra-
gen eingerichtet, der sich bereits im November dieses
Jahres konstituiert hat. Der Sachverständigenrat soll das
Bundesministerium beraten, und er soll Gutachten er-
stellen und Empfehlungen abgeben. Wichtig dabei ist,
dass der Sachverständigenrat unabhängig ist. Wir haben
auch Gelder für die Finanzierung einer Geschäftsstelle
dieses Sachverständigenrates bereitgestellt.

Ich kämpfe für eine Verbraucherpolitik, die empirisch
fundiert und wissenschaftlich reflektiert ist. Eine solche
Politik greift auf den Sachverstand von Experten zurück
und auf Erkenntnisse aus der Verbraucherforschung.

Aber damit nicht genug. Wir gehen noch viel weiter.
Wir sorgen auch für intensive Marktbeobachtung durch
spezialisierte Verbraucherzentralen. Wir stellen über
5 Millionen Euro zur Verfügung, damit diese speziali-
sierten Verbraucherzentralen ihre Funktion als Beobach-
ter wahrnehmen können, und zwar besonders in zwei
Bereichen: zum einen im Bereich des Finanzmarktes und
zum anderen in der digitalen Welt.

Damit die Erkenntnisse des Marktwächters Digitale
Welt tatsächlich aufgegriffen und ausgewertet werden
können, stellen wir dem Ministerium Mittel für die Ein-
richtung eines Referats zur Verfügung, Frau Drobinski-
Weiß, das sich mit Kundendatenschutz beschäftigt.

Bei aller Forschung und Wissenschaft, bei aller Markt-
beobachtung und Schwachstellenauswertung bleibt eines
jedoch immer wahr: Jeder von uns, jeder Kunde und jeder
Verbraucher, sollte in der Lage sein, gute Produkte und
Dienstleistungen zu erkennen und von schlechten zu un-
terscheiden. Wir müssen lernen, Risiken einzuschätzen,
um nicht auf unseriöse Geschäftemacher hereinzufallen.
Das kann uns kein Staat, das kein Wissenschaftler und
auch keine Verbraucherzentrale abnehmen.

Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Nehmen wir das Gesetz
gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Wir haben dafür
gesorgt, dass Verbraucher besser vor unerwünschten Te-
lefonanrufen, vor unseriösen Inkassofirmen und unge-
rechtfertigten Abmahnungen geschützt sind. Das Gesetz
ist da. Vielen unseriösen Firmen konnten wir damit das
Handwerk legen. Aber leider wird es auch weiterhin eine
kleine Schar von schwarzen Schafen geben, die sich an
kein Gesetz halten und durch Betrug versuchen, an Geld
zu kommen. Gegen solche kriminellen Machenschaften
hilft dem Kunden nur: gute Information über seine
Rechte und eine einfache Rechtsdurchsetzung.

Ein anderes Beispiel ist die Pleite des Windkraftkon-
zerns Prokon, bei der auch viele Kleinanleger ihr Geld
verloren haben. Die Stiftung Warentest hat davor ge-
warnt, die Verbraucherzentralen hatten gewarnt. Aber
für manchen Verbraucher war die Verlockung wohl zu
groß und der Zusammenhang zwischen Rendite und Ri-
siko offenbar doch unklar.

Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz schützen wir diese
Verbraucher nun deutlich besser vor riskanten Anlage-
möglichkeiten. Aber die Entscheidung für oder gegen
eine bestimmte Finanzanlage muss der Verbraucher wei-
terhin selber treffen. Nach unserer tiefsten Überzeugung
darf der Staat seine Bürger nicht bevormunden, und er
darf ihnen nicht die Freiheit der Entscheidung nehmen.

Unsere Position ist klar: Wir wollen die Verbraucher
grundsätzlich befähigen, gute und richtige Entscheidun-
gen für sich zu treffen. Das ist die zweite Säule unserer
Verbraucherpolitik: die Verbraucherbildung. Wir wissen
und haben es auch im Koalitionsvertrag niedergeschrie-
ben, dass Verbraucher eben unterschiedlich sind und un-
terschiedliche Hilfestellungen benötigen. Dem tragen
wir Rechnung, indem wir dem Bundesministerium der
Justiz und für Verbraucherschutz Mittel für die Einrich-
tung eines Referates „Besondere Verbrauchergruppen“
zur Verfügung stellen. Uns ist wichtig, dass die besonde-
ren Bedürfnisse zum Beispiel junger Menschen, von Se-
nioren oder Menschen mit Migrationshintergrund in un-
serer Verbraucherpolitik beachtet werden. Das Referat
soll Vorschriften im Hinblick auf diese besonderen Ver-
brauchergruppen weiterentwickeln und auch Konzepte
für zielgruppenorientierte Angebote erstellen.

Kommen wir zur dritten Säule: Information und
Transparenz. Damit Verbraucher die Angebote an Waren
und Dienstleistungen verstehen und sinnvoll vergleichen
können, benötigen sie Informationen. Das Problem ist
heute allerdings nicht, dass Informationen fehlen, ganz
im Gegenteil: Wir werden geradezu überflutet von Infor-
mationen. Verbraucherinformationen müssen deswegen
gut sein. „Gut“ heißt in diesem Zusammenhang: Sie
müssen relevant, sie müssen übersichtlich und sie müs-
sen verständlich sein.

Ein Beispiel: die allgemeinen Geschäftsbedingungen.
Es würde jeden von uns ungefähr 76 Tage pro Jahr kos-
ten, wenn wir alle Nutzungsbedingungen oder Daten-
schutzerklärungen lesen würden, die wir im Alltag lesen





Mechthild Heil


(A) (C)



(D)(B)

müssten oder die uns begegnen und die wir meistens
ohne irgendeine Prüfung akzeptieren. Das kann man
doch eigentlich niemandem zumuten. Klar: Unser BGB
schützt uns vor überraschenden Klauseln in AGB, aber
das reicht leider nicht. Die Informationen in den AGB
müssen so aufbereitet sein, dass sie nicht nur für Juris-
ten, sondern auch für Verbraucher verständlich sind.
Denn der Verbraucher unterschreibt den Vertrag. Er setzt
das Häkchen beim Onlinekauf. Der Kunde alleine und
nicht der Jurist trägt nachher die Konsequenzen. Ein
wichtiges Thema, an dem wir und ganz besonders ich
dranbleiben wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das Gleiche gilt für die Lebensmittel. Bei Lebensmit-
teln muss gelten: Was drin ist, muss auch draufstehen –
und andersherum. Im Dezember tritt die Lebensmittelin-
formations-Verordnung in Kraft. Ab dem 13. Dezember
2014 müssen auf Lebensmittelverpackungen in ganz
Europa Angaben über den Brennwert, die Menge von
Fett und gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker,
Eiweiß und Salz stehen. Hinzu kommen Vorgaben für
die Schriftgröße und die Hervorhebung von Allergenen
in den Lebensmitteln.

Was bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln
selbstverständlich ist, das sollte doch auch bei homöopa-
thischen Mitteln gelten. Der Verbraucher muss verstehen
können, was drin ist, und zwar besonders dann, wenn es
um seine Gesundheit geht. Deshalb muss an dieser Stelle
Schluss sein mit der Kennzeichnung auf homöopathi-
schen Mitteln auf Latein.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Zur vierten Säule. Die Verbraucher benötigen einen
verlässlichen Rechtsrahmen. Seit Beginn der jetzigen
18. Legislaturperiode ist der Verbraucherschutz beim
Bundesministerium der Justiz angesiedelt, einem zentra-
len Verfassungsressort, das an jedem Gesetzgebungsver-
fahren beteiligt ist – ein Tatbestand, der hilft, den Inte-
ressen der Verbraucher in allen Gesetzgebungsverfahren
noch stärker Rechnung zu tragen.

Gute gesetzliche Rahmenbedingungen allein reichen
aber auch hier nicht aus. Wir brauchen auch eine wir-
kungsvolle Rechtsdurchsetzung. Sonst bleiben alle ver-
braucherpolitischen Maßnahmen und Gesetze stumpfe
Schwerter. Wir haben deshalb beispielsweise vereinbart,
dass wir es den Verbraucherverbänden ermöglichen, da-
tenschutzrechtliche Verstöße abzumahnen und Unterlas-
sungsklagen zu erheben. Wenn also Daten unzulässig er-
hoben, verarbeitet oder genutzt werden, könnten, wenn
wir es durchsetzen, die Verbraucherverbände dagegen
vorgehen. Rechtlich ist das nicht ganz einfach – das ist
uns bewusst –, aber wir arbeiten daran.

Um all diese Ziele zu erreichen, brauchen wir Partner.
Wir brauchen Institutionen, die wir finanzieren und die
die Aufgabe haben, die Verbraucher zu informieren, zu
unterstützen und zu schützen. Einen unserer Partner, die
Verbraucherzentralen, stärken wir mit dem Haushalt
2015, mal wieder, mit zusätzlich 1,3 Millionen Euro.
Die Verbraucherzentralen erhalten im Jahr 2015 also ins-
gesamt 10,8 Millionen Euro.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Große Koalition
tut viel für die Verbesserung des Verbraucherschutzes.
Dieses „viel“ lässt sich aber nicht bloß in Euro und Cent
beziffern. Unsere Verbraucherpolitik ist mehr als nur die
Summe einzelner Haushaltstitel. Unser Politikansatz ist
klar: Wir sorgen für die bestmöglichen Rahmenbedin-
gungen, damit die Verbraucher gute Entscheidungen
treffen können, und wir vertrauen den Entscheidungen
der Menschen in unserem Land. Das ist unser Funda-
ment. Darauf gründen sich die Säulen unserer Verbrau-
cherpolitik. Das werden wir auch in Zukunft so halten.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806807800

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Metin Hakverdi

das Wort.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])



Metin Hakverdi (SPD):
Rede ID: ID1806807900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zu Beginn meiner Rede möchte ich zum Ausdruck brin-
gen, dass es mir eine große Ehre und eine große Freude
ist, dabei zu sein, wenn nach über 40 Jahren der erste
Bundeshaushalt ohne Schulden aufgelegt wird.


(Roland Claus [DIE LINKE]: „Ohne Schulden“? Das wäre schön!)


Wir kommen damit einer schon vor Jahren verfassungs-
rechtlich verankerten Verpflichtung nach. Ich danke al-
len, die hierzu ihren Beitrag geleistet haben. Das ist ein
historisches Ereignis.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Im Einzelplan 07 wird deutlich, dass wir den Verbrau-
cherschutz noch stärker in den Mittelpunkt gerückt ha-
ben. Viele meiner Vorredner haben das schon erwähnt,
ich will das trotzdem noch einmal tun. Ich möchte die
5,5 Millionen Euro hervorheben, die wir für die Einrich-
tung von Marktwächtern in den Verbraucherzentralen in-
vestieren. Mir ist der Marktwächter für die digitale Welt
besonders wichtig. Bereits heute wird im Internet einge-
kauft, es wird Pizza bestellt und es werden Reisen ge-
bucht. Im Internet beschafft man sich Unterhaltung in
Form von Spielen und Filmen. Das Internet ist Ort sozia-
ler Interaktion. Die Wahrheit ist aber auch: Die zukünf-
tige Entwicklung im dynamischen Lebensraum Internet
können wir heute gar nicht absehen. Es wird Entwick-
lungen geben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen
können. Vor allem deshalb finde ich es wichtig, dass wir
diese Marktwächter ins Leben gerufen haben und mit
den entsprechenden finanziellen Mitteln ausstatten. Un-
lautere Angebote müssen aufgespürt werden, Verbrau-
cherinnen und Verbraucher müssen vor ihnen geschützt
werden.

Aber auch der Bereich des Datenschutzes ist für die
Entwicklung unserer Gesellschaft von vitaler Bedeu-
tung. Fast jede Woche erscheint ein neues Buch, das sich





Metin Hakverdi


(A) (C)



(D)(B)

mit der Gefahr der digitalen Gesellschaft für unsere Bür-
gerrechte befasst. Der Datenschutz wird eines der wich-
tigsten Themen dieses Jahrzehnts bleiben. Die Diskus-
sion über Big Data, über intelligente Algorithmen und
den gläsernen Bürger sowie die Snowden-Affäre zeigen,
dass in diesem Feld die Politik nicht hinterherhinken
darf. Die Reform des Bundesdatenschutzgesetzes ist ein
weiterer wichtiger Schritt zur Wahrung der bürgerlichen
Freiheiten. Eine wirksame Aufsicht kann nur durch eine
unabhängige Institution gewährleistet werden. Daher ist
es richtig, die Bundesdatenschutzbeauftragte aus der
Bindung an das Innenministerium in die Unabhängigkeit
zu entlassen. Aber damit wird es nicht getan sein. Wir
müssen auch dafür sorgen, dass diese Institution perso-
nell und sachlich auskömmlich ausgestattet wird.

Ein weiteres wichtiges Thema für die Zukunft unserer
Gesellschaft ist die Einführung einer Frauenquote in
Aufsichtsräten. Im Koalitionsvertrag haben wir Folgen-
des vereinbart – ich zitiere –:

Wir wollen den Anteil weiblicher Führungskräfte in
Deutschland erhöhen.

Wir wollen ihn erhöhen.

Deshalb werden wir zu Beginn der 18. Wahlperiode
des Deutschen Bundestages Geschlechterquoten in
Vorständen und Aufsichtsräten in Unternehmen ge-
setzlich einführen.

Mit der Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent
in Aufsichtsräten gehen wir einen ersten Schritt, um eine
Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu beheben. Es
geht nicht an, dass Frauen schlechtere Aufstiegschancen
in unserer Gesellschaft haben, weil sie auf eine Unter-
nehmerwelt treffen, die von Männern dominiert wird.
Über Jahre haben Frauen wegen dieser strukturellen Vo-
raussetzungen schlechtere Aufstiegsmöglichkeiten ge-
habt. Wir können diesem Zustand nicht mehr tatenlos
zusehen. Zusicherungen der Unternehmen haben offen-
sichtlich keine Verbesserung bewirkt; das haben wir ge-
sehen. Es ist an der Zeit, dass wir endlich Entscheidun-
gen treffen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])


Wen ich mit diesem Gerechtigkeitsargument hier und
heute nicht überzeugen kann, dann vielleicht mit einem
ökonomischen – liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Union, ich sage das ohne jeden Zynismus, sondern in
voller Kollegialität –: Das Argument „Wir können uns
die Frauenquote wirtschaftlich nicht leisten“ ist falsch.
Fatal an dieser Argumentation ist, dass das Gegenteil
richtig ist.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Anzahl
von Frauen in Führungspositionen und unternehmeri-
schem Erfolg. Letzten Mittwoch ist die letzte Studie zu
diesem Thema veröffentlicht worden – es wird übrigens
seit Jahrzehnten immer das Gleiche publiziert; ich will
jetzt aber nicht die ganze Liste aufzählen –, und zwar
eine von McKinsey; Sie zwingen also einen Sozialdemo-
kraten, im Deutschen Bundestag eine McKinsey-Studie
zu zeigen.

(Heiterkeit bei der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Was sagt denn der Wirtschaftsminister dazu?)


Sie stammt, wie gesagt, vom letzten Mittwoch, und sie
ist seit Freitag letzter Woche online. In dieser Studie
„Diversity Matters“ wird auf den signifikanten Zusam-
menhang zwischen der wirtschaftlichen Performance
und dem Anteil von Frauen in Führungspositionen hin-
gewiesen. McKinsey ist keine Vorfeldorganisation der
deutschen Sozialdemokratie, und die Studie ist auch
nicht von der SPD in Auftrag gegeben worden. Diese Er-
kenntnis ist auch nicht neu; bereits 2007 wurde das in ei-
ner Studie festgestellt. Was für politische Rückschlüsse
sind daraus gezogen worden? Keine, sieben lange Jahre.
Wenn wir die Selbstverpflichtung am Anfang des letzten
Jahrzehnts hinzunehmen, heißt das: über ein Jahrzehnt
verlorene Zeit. Es ist an der Zeit, das zu ändern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum Schluss möchte ich auf das Thema Sterbehilfe
eingehen. Wenn wir in diesem und im kommenden Jahr
über Sterbehilfe sprechen, sprechen wir über unser
Selbstverständnis vom Menschsein. Dieses Selbstver-
ständnis ist von Mensch zu Mensch höchst unterschied-
lich. Sterben ist eben eine konkrete Angelegenheit für
jede einzelne Person. Es gibt aber auch eine ethische
Klammer, die unser gesellschaftliches Zusammenleben
erst ermöglicht. Diese ethische Klammer ist durch unser
Strafgesetzbuch als Minimalkonsens abgesichert. Nur
das, was für das Zusammenleben zwingend erforderlich
ist, sichern wir strafrechtlich ab, nicht mehr, aber auch
nicht weniger. Das Strafgesetzbuch ist nicht der Ort, um
individuelle ethische Vorstellungen durchzusetzen. In
diesem Geiste sollten wir auch diese Debatte führen. Auf
diese Weise schaffen wir den Raum für Vielfalt und un-
terschiedliche Lebens- und Sterbensentwürfe in unserem
Land.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806808000

Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Ullrich für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])



Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1806808100

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Der vorliegende Etat ist klein, aber fein. Die
Ausgabensteigerungen sind moderat und betreffen den
Generalbundesanwalt, damit er der steigenden Zahl der
Ermittlungsverfahren begegnen kann. Das ist eine rich-
tige und leider notwendige Maßnahme. In Zeiten einer
zunehmenden Bedrohung der inneren Sicherheit hat der
Staat den Schutz zu erhöhen. Dazu gehören auch Stellen-
schaffungen bei Polizei und Justiz.





Dr. Volker Ullrich


(A) (C)



(D)(B)

Die Aussprache über diesen Etat ist stets auch eine
Debatte über die Leitlinien der Rechtspolitik.

Im Bereich des Wirtschaftsrechts bedeutet dies: Der
Staat hat eine funktionsfähige und verlässliche Wirt-
schaftsordnung mit Rechtssicherheit zu garantieren. Wir
haben die Balance zwischen notwendiger Regulierung
und praktischer Umsetzbarkeit zu halten. Das gilt bei-
spielsweise für die Überlegungen zur Einführung eines
Unternehmensstrafrechts. Der Koalitionsvertrag emp-
fiehlt lediglich, ein Unternehmensstrafrecht zu prüfen.

Sympathie zeigt der Bundesjustizminister für den Ge-
setzentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieser
Entwurf ist aber keine tragfähige Diskussionsgrundlage.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Er sieht nämlich vor, dass die strafrechtliche Verantwor-
tung von Unternehmen und Verbänden nach dem Muster
der Anklage und des Strafverfahrens ausgestaltet wird.
Als Sanktionen des strafrechtlichen Verfahrens kommen
Geldstrafen oder gar die Auflösung des Unternehmens in
Betracht. Damit sei eine Konsequenz angedeutet: Das
geplante und diskutierte Unternehmensstrafrecht könnte
im Ergebnis dazu führen, dass Arbeitnehmer mit dem
Arbeitsplatzverlust für das Fehlverhalten von Managern
haften. Das ist nicht unser Ansatz einer gerechten Poli-
tik.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch verletzt ein solches Unternehmensstrafrecht das
Prinzip der Schuld. Schuld setzt individuelle Vorwerf-
barkeit voraus und ist ein sozialethisches Unwerturteil
über persönliches Fehlverhalten. Das passt nicht zu Un-
ternehmen.

Es gibt auch keinen Handlungsbedarf für ein Unter-
nehmensstrafrecht. Wir müssen die jetzigen Vorschriften
des Ordnungswidrigkeitenrechts und die Vorschriften
über den Vermögensverfall nur ordentlich ausreizen und
ausschöpfen. Deswegen sei angeraten, die Prüfung der
Einführung eines Unternehmensstrafrechts zügig zum
Abschluss zu bringen und die Diskussion im Interesse
eines funktionierenden Strafrechts zu beenden.


(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Lesen Sie den Entwurf noch mal!)


Im Bereich des Wirtschaftsrechts sei aber auch ein
Wort zum Gesetzentwurf zur Frauenquote verloren. Um
eines vorweg zu sagen: Wir stehen ohne Wenn und Aber
zu dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Eva Högl [SPD]: Na bitte!)


Wichtig erscheint mir aber: Die Ausgestaltung der
Frauenquote hat so zu erfolgen, dass sie sowohl verfas-
sungsrechtlichen Anforderungen standhält als auch im
tatsächlichen Vollzug handhabbar bleibt.

Gerade bei der Festlegung von verbindlichen Quoten-
zielen für mittelgroße Unternehmen dürfen keine Doku-
mentationspflichten entstehen, die für Mittelständler nur
mit einem hohen oder zu hohen Aufwand zu handhaben
sind.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!)


Eine solche Quote haben wir nicht vereinbart.


(Beifall des Abg. Max Straubinger [CDU/ CSU])


Zukünftig soll bei börsennotierten und mitbestim-
mungspflichtigen Unternehmen eine Quote von 30 Pro-
zent Frauen im Aufsichtsrat gelten.


(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu wenig!)


Wird die Quote nicht erreicht, bleibt der Sitz unbesetzt.
Dieser Eingriff in die Personalhoheit der Unternehmen
ist sicherlich zulässig, aber wir müssen bei dieser Rege-
lung auch die verfassungsrechtlich geschützte Position
des Eigentums immer mit ins Auge fassen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie immer! Ja! Das sind keine Neuigkeiten!)


Die gebotenen Nachbesserungen am Gesetzentwurf
zur Frauenquote sind allerdings nicht so eilig und nicht
mit so großer Priorität vorzunehmen, wie manche das
verlangen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur wenn die Wirtschaft boomt!)


Wenn man den Interviews der letzten Tage gefolgt ist,
dann hat man den Eindruck bekommen, dass die Fami-
lienministerin gerade nur ein Thema zu haben scheint:
die Durchsetzung der Quote. Die Menschen fragen aber
zu Recht: Gibt es nicht wesentlich wichtigere Fragen?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Mann!)


Ich sage Ihnen: Ja, diese Fragen gibt es.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich nenne beispielsweise den Kampf gegen Zwangs-
prostitution und Menschenhandel.


(Beifall bei der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Ullrich, jetzt blamieren Sie sich selber!)


Wir wissen, dass es in diesem Land bei der jetzigen Ge-
setzeslage zu einer Verletzung der Menschenwürde
kommt, und es ist sicherlich zu fragen, weshalb die fe-
derführenden Ministerien die Priorität andersherum set-
zen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen einfach weniger blockieren! Dann geht es schneller weiter! Ganz einfach!)


Warum gibt es nicht endlich einen Gesetzentwurf zur
Reform des Prostitutionsgesetzes? Warum heben wir
nicht das Mindestalter auf 21 Jahre an? Warum schaffen
wir nicht das Weisungsrecht ab?





Dr. Volker Ullrich


(A) (C)



(D)(B)


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Freiern: Warum gehen die Männer überhaupt da hin? Das ist die Frage! Sagen Sie das mal!)


Warum regeln wir nicht das, was die Menschenwürde
verletzt, und beginnen mit den Gesetzesvorhaben, die in
diesem Land eine hohe Priorität haben?


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Eva Högl [SPD]: Das machen wir doch alles, Herr Ullrich! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben Sie immer noch nicht gesagt, warum Männer da hingehen!)


Ebenso keinen Aufschub verdient die Wiedereinfüh-
rung der Strafbarkeit der Sympathiewerbung für terroris-
tische Organisationen. Wer Sympathiewerbung für terro-
ristische Vereinigungen betreibt, wirbt für Terror und
Gewalt. Das darf der Rechtsstaat nicht akzeptieren.


(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch heute alles schon strafbar!)


Der wehrhafte Rechtsstaat hat sich zu seinen ihn begrün-
denden Werten zu bekennen. Dazu gehört auch die ge-
setzgeberische Wertentscheidung, die Sympathiewer-
bung für terroristische Vereinigungen wieder unter
Strafe zu stellen.


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu gehört auch die Gleichstellungsregelung, aktive Gleichstellung!)


Sie abzuschaffen, war ein Fehler.


(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Es gab kein einziges Verfahren!)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806808200

Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Frage oder Bemer-

kung des Kollegen Volker Beck?


Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1806808300

Ja.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806808400

Da Sie zum Thema Sympathiewerbung für terroristi-

sche Organisationen gesprochen haben: Sie sind mit mir
der Auffassung, dass die PKK eine terroristische Organi-
sation ist?


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist er der Auffassung?)


Würden Sie tatsächlich jemanden für den Satz bestrafen
wollen: „Wir danken der PKK, dass sie die Jesiden von
ISIS befreit hat“? – Das ist eine Sympathiewerbung und
wäre nach Ihrer Auffassung strafbar.


(Klaus-Dieter Gröhler [CDU/CSU]: Nebelgranaten!)


Ich finde, das müsste nicht sein.

Dr. Volker Ullrich (CSU):
Rede ID: ID1806808500

Die entscheidende Frage, Kollege Beck, ist, ob wir in

diesem Land Menschen bestrafen wollen, die Sympathie
mit den Mörderbanden von ISIS haben,


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die PKK ist doch eine terroristische Gruppierung!)


die Sympathie für die Terrorbande des NSU äußern.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil habe ich Sie gefragt! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist jetzt schon strafbar!)


Das ist die entscheidende Frage.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie müssen bei der Frage des strafrechtlichen Schut-
zes auch die aktuellen Zustände berücksichtigen


(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht doch gar nicht! Sie sagen, das ist eine terroristische Vereinigung!)


und dürfen nicht theoretische Konstrukte wählen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ein funktionierender Rechtsstaat, der die Sicherheit
der Bürger schützt, ist ein hohes Gut. Darauf sind unsere
Anstrengungen zu richten. Die Menschen haben das
Recht, sich sicher zu fühlen und sicher zu sein: sicher
vor Terroristen und Extremisten, sicher vor Einbrechern
und dem organisierten Verbrechen, sicher auf den Stra-
ßen und Plätzen unserer Städte. Nur so bleibt die Freiheit
gewahrt.

Wir dulden nicht und werden nicht dulden, dass unter
dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit Gewaltfan-
tasien ausgelebt werden. Wir können auch nicht dulden,
dass Strukturen von Parallelgesellschaften und Parallel-
justiz entstehen und sich verfestigen. Für diese Ziele ist
notwendig, dass genügend Mittel und Stellen für die Jus-
tiz und Polizei bereitgestellt werden. Das betrifft alle
staatlichen Ebenen.


(Jan Korte [DIE LINKE]: So was habe ich schon lange nicht gehört! Das ist ja unfassbar!)


Der Bund nimmt seine Verantwortung wahr. Dieser
werden wir aber nur vollends gerecht werden, wenn wir
die gesetzgeberischen Maßnahmen in der gebotenen
Priorität umsetzen. Maßstab dafür ist die Freiheit und die
Verletzung der Menschenwürde. Darauf kommt es bei
rechtsstaatlichem Handeln an.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806808600

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 07 – Bundesministerium der Justiz und für Verbrau-
cherschutz – in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den





Vizepräsidentin Petra Pau


(A) (C)



(D)(B)

wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsan-
trag auf Drucksache 18/3271? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wir stimmen nun über den Einzelplan 07 in der Aus-
schussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 07 ist mit
den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-
Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 19 – Bundesverfassungsgericht – in der Ausschuss-
fassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Wer enthält sich? – Der Einzelplan 19 ist einstimmig an-
genommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.7 auf:

Einzelplan 06
Bundesministerium des Innern

Drucksachen 18/2806, 18/2823

Die Berichterstattung haben die Abgeordneten
Dr. Reinhard Brandl, Norbert Barthle, Martin Gerster,
Dr. Dietmar Bartsch und Anja Hajduk.

Hierzu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion
Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen vor. Über diese werden wir am
Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre kei-
nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Wenn in den Koalitionsfraktionen die notwendigen
Umgruppierungen abgeschlossen wären, könnte ich die
Aussprache eröffnen. – Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen, ich bitte, auch die interfraktionellen Gespräche auf
der linken Seite des Hauses aus dem Plenarsaal zu verla-
gern. Auch in der Union gibt es offensichtlich noch Be-
ratungsbedarf. Das Präsidium hat viel Zeit. Wir werden
für jeden Redner und jede Rednerin entsprechend unse-
ren Regeln auf die Würde des Hauses achten. Ich werde
das auch für die Redner der Unionsfraktion durchsetzen,
wenn die Fraktion noch Abstimmungsbedarf hat.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Dr. Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Dietmar Bartsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806808700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Bundesminister, wir sind uns sicherlich einig, dass unser
Land und die Innenpolitik unseres Landes bzw. die in-
nere Sicherheit Deutschlands vor enormen Herausforde-
rungen stehen. Selbst seit der Einbringung des Etats hat
sich sehr viel verändert. Es gibt den Terror des ISIS und
550 Islamisten, die aus Deutschland nach Syrien und in
den Irak gegangen sind und jetzt teilweise anschlagsbe-
reit zurückkommen. Wir haben das Problem der Salafis-
ten, Hooligan-Probleme, Gewalt in Stadien und die
große Herausforderung der Flüchtlinge, die nach Europa
und nach Deutschland kommen. Nicht bewältigt sind die
Aufgaben, die mit NSU und NSA in Zusammenhang ste-
hen.


(Beifall des Abg. Alexander Ulrich [DIE LINKE])


Es waren in den Haushaltsberatungen diverse Ände-
rungen nötig. Wir haben sehr viele Berichterstatterge-
spräche geführt: zur Bundespolizei, zum THW, zu den
Stiftungen, zu Netzen des Bundes und vielem mehr. Ich
muss sagen, dass viele der Gespräche durchaus erfolg-
reich waren. Ich kann auch sagen, dass Opposition dort
wirkt und dass wir – auch mit den Haushältern von
CDU/CSU und SPD – in den Beratungen einiges durch-
setzen konnten. Es bleibt aber generell eines festzustel-
len: Indem Sie, Herr de Maizière, den Kurs von Herrn
Schäuble bedingungslos mittragen, machen Sie die in-
nere Sicherheit und die Sicherheitspolitik zu Resultanten
aus dem Ziel der schwarzen Null. Das ist unverantwort-
lich, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine schwarze Null zulasten der Sicherheit der Men-
schen geht gar nicht. Das sagt ein Linker Ihnen als Kon-
servativen.

Die Linke kritisiert aus drei Gründen diesen Etat:

Erstens. Der Kurs der Koalition zur vermeintlichen
Haushaltssanierung und -konsolidierung ist sicherheits-
politisch verhängnisvoll. Die Personalräte Ihres Hauses
haben festgestellt: Das Top-down-Verfahren führt dazu,
dass das BMI ein abgeschlossenes Budget zugewiesen
bekommt, noch bevor über Haushaltsnotwendigkeiten
der Sicherheitsbehörden überhaupt geredet wird. Das
mag beim Verkehrsetat oder beim Bauetat gehen. In der
Sicherheitspolitik geht das meines Erachtens überhaupt
nicht; denn am Ende trifft das Präventionsprojekte, För-
derstrukturen und den Datenschutz. Das ist das Ergebnis
Ihrer Politik.


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens kritisieren wir Ihren Haushalt, weil er dafür
steht, dass die Bundesregierung nicht bereit ist, aus dem
Versagen der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen
Rechtsextremismus – Stichwort „NSU“ – substanzielle
Schlussfolgerungen zu ziehen.

Drittens. Der Bundesregierung fällt zum Stichwort
„Schutz der Rechte der Bürgerinnen und Bürger vor ille-
galen und unverhältnismäßigen Eingriffen durch deut-
sche und ausländische Nachrichtendienste, kommerziel-
len Datenmissbrauch und staatliche IT-Projekte“ kaum
etwas anderes ein als ein Weiter-so, nur mit mehr Mit-
teln, und das, obwohl namhafte Juristen und Sachver-
ständige Bedenken gegen diese Vorgehensweise äußern.

Ich will zu einigen Einzelpunkten im Etat etwas sa-
gen. Das Thema „Integration und Migration“ ist – das
habe ich vorhin erwähnt – die größte Herausforderung,
vor der wir stehen. Es ist gut, dass es beim BAMF einen
Stellenaufwuchs gibt; das ist völlig richtig. Wir müssen





Dr. Dietmar Bartsch


(A) (C)



(D)(B)

dafür sorgen, dass die Mitarbeiter dort entsprechend
qualifiziert werden. Es muss aber die Offenheit geben,
dass dann, wenn der bisherige Stellenaufwuchs nicht
ausreicht, weitere Stellen geschaffen werden. In Ihrem
Koalitionsvertrag steht schließlich, dass die Bearbei-
tungszeit drei Monate betragen soll. Momentan liegt sie
bei 7,6 Monaten. Dieser Zustand ist nicht zu akzeptieren.
Wir werden Sie immer wieder an dieses Versprechen aus
Ihrem Koalitionsvertrag erinnern.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir brauchen daher qualifizierte und gegebenenfalls
noch mehr Mitarbeiter.

Es ist sicherlich vernünftig, dass für Maßnahmen zur
Migrationsberatung zusätzlich 5 Millionen Euro einge-
stellt wurden. Es ist allerdings zu befürchten, dass auch
diese Mittel nicht ausreichen werden. Es ist auf jeden
Fall eine Fehlentscheidung, dass die Mittel für die Inte-
grationskurse trotz Ihrer Erkenntnis, Herr de Maizière,
dass Deutschland nun ein Einwanderungsland geworden
ist – das ist immerhin ein großer Erkenntnisfortschritt –,
nicht zur Verfügung stehen. Flüchtlinge sind Botschafter
des Unrechts und der Kriege dieser Welt.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir müssen natürlich zuallererst die Ursachen beseiti-
gen. Das machen wir sicherlich nicht über den Etat. Aber
wir brauchen für eine Willkommenskultur mehr finan-
zielle Mittel. Man braucht natürlich auch Courage, um
sich schützend vor Flüchtlingsheime zu stellen. Wir als
Linke werden – ich hoffe, zusammen mit allen Fraktio-
nen dieses Hauses – immer dabei sein, wenn es darum
geht, Rassismus zu bekämpfen und Flüchtlinge in unse-
rem Land zu verteidigen.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Dr. Eva Högl [SPD] und Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich will kurz auf das THW zu sprechen kommen. Hier
sind wichtige Haushaltskorrekturen erreicht worden. Die
Haushälter haben hier parteiübergreifend erfolgreich ge-
arbeitet. Das ist mit Blick auf die wachsenden Heraus-
forderungen und Aufgaben des THW eine gute Bot-
schaft für die vielen Helferinnen und Helfer des THW.
Die zusätzlichen 5 Millionen Euro für Investitionen in
den Fahrzeugbestand sind aber nur ein Tropfen auf den
heißen Stein. Aktuell fehlen infolge von Stilllegungen
rund 130 Feuerwehren. 60 Prozent des Fahrzeugbe-
stands sind älter als 24 Jahre. Hier muss mehr gesche-
hen. Beim THW fehlt außerdem mindestens 1 Million
Euro für Aus- und Fortbildung, Stichwort „Nutzung mo-
derner Kommunikationsmittel“.

Im internen Verteilungskampf der verschiedenen Si-
cherheitsbehörden Ihres Hauses fährt – je nach Lobby-
und Durchsetzungsvermögen – die eine Sicherheitsbe-
hörde im Haushaltspaternoster hoch, während die andere
Sicherheitsbehörde hinunterfährt.

Gestatten Sie mir eine Bemerkung zum großen
Thema „Netze des Bundes“. Hierüber haben wir sehr
umfangreich debattiert. Das ist technisch und politisch
eine riesige Herausforderung, die weit über diese Legis-
laturperiode hinausreicht. Aber Sie, Herr Minister de
Maizière, müssen sich im Kabinett durchsetzen. Offen-
bar ist jeder Minister der Meinung, Seins machen zu
können. Bei den Netzen des Bundes muss aber gehandelt
werden, Herr de Maizière. Nehmen Sie das Heft in die
Hand! Dann haben Sie auch die Unterstützung des ge-
samten Hauses. Angesichts dessen, was bisher gelaufen
ist, besteht die große Gefahr, dass wir weiterhin finan-
zielle Mittel versenken. Das darf angesichts der großen
Herausforderung, vor der wir hier stehen, nicht sein.

Ich will eine kurze Bemerkung zu den politischen
Stiftungen machen. Auch hier haben wir gemeinsam Er-
folge erzielt. Ich finde, dass es die Aufgabe des ganzen
Hauses ist, für alle Stiftungen – von der Hanns-Seidel-
Stiftung bis hin zur Rosa-Luxemburg-Stiftung – eine
Lanze zu brechen, selbst wenn irgendwelche Medien
versuchen, die Stiftungen als reine Parteiinstrumente
darzustellen. Es ist unsere Aufgabe, engagiert vorzutra-
gen, dass die Stiftungen durch die Bank eine hervorra-
gende Arbeit im In- und Ausland leisten. Das sollte
unser gemeinsames Anliegen sein. Wir können in
Deutschland stolz darauf sein, dass es solche Stiftungen
gibt.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine letzte Bemerkung zur Bundespolizei. Auch sie
hat etwas mit dem eben zitierten Haushaltspaternoster zu
tun. Es ist richtig, dass einiges in personeller Hinsicht
getan worden ist. Aber es bleibt dabei, dass Schutzwes-
ten teilweise 24 Stunden getragen und nicht gereinigt
werden. Man kann dann ein Quiz veranstalten und fra-
gen, ob man am Geruch den vorherigen Nutzer erkennt.
Das ist die reale Situation. Ein nicht unerheblicher Teil
des Fahrzeugsparks ist längst überaltert. Von manchen
Fahrzeugen wird berichtet, dass man sie nur noch im
Sommer und bei Trockenheit benutzen kann und dass
schon eine Neulackierung den aktuellen Kfz-Wert über-
steigen würde. Hier müssen wir deutlich mehr tun. Ich
sage noch einmal, dass bei den Personalentscheidungen
Positives erreicht worden ist, aber auch das kann nicht
das Ende der Fahnenstange sein.

Zum Schluss: Es sind wichtige Korrekturen durchge-
setzt worden, aber am Ende des Tages ist das ein unter-
finanzierter Etat. Weil es ein unterfinanzierter Etat ist,
werden wir ihm nicht zustimmen. Niemand kann damit
verantwortungsvolle und wirkungsvolle Sicherheitspoli-
tik in Deutschland betreiben.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806808800

Der Kollege Dr. Reinhard Brandl hat für die CDU/

CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)







(A) (C)



(D)(B)


Dr. Reinhard Brandl (CSU):
Rede ID: ID1806808900

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

gen! Wir werden gleich im Anschluss an die Debatte
über den Haushalt des Bundesinnenministeriums abstim-
men. Dieser Haushalt wird in weiten Teilen durch zwei
Aufgabenbereiche bestimmt: Sicherheit und Verwaltung.
Es ist die Grunderwartung der Bürger an den Staat, dass
er Sicherheit bietet und dass die Verwaltung funktioniert.
So fallen diese Bereiche meistens erst auf, wenn etwas
nicht funktioniert, wenn Sicherheit nicht gegeben ist
oder es zu Problemen in der Verwaltung kommt. Verant-
wortungsbewusstes staatliches Handeln in diesen Berei-
chen heißt deshalb vor allem, Vorsorge zu treffen. Aller-
dings müssen wir feststellen, gerade in der jetzigen Zeit,
dass nicht alles vorhersehbar ist. Gerade im Moment er-
leben wir, wie sich die Herausforderungen im Bereich
der inneren Sicherheit, aber auch bei den Themen Mi-
gration und Integration in einer geradezu atemberauben-
den Geschwindigkeit entwickeln. Wir haben deswegen
in den Beratungen darauf reagiert und umfangreiche
Veränderungen vorgenommen.

Bevor ich im Einzelnen darauf zu sprechen komme,
möchte ich der ganzen Mannschaft und den Mitbericht-
erstattern danken, mit denen das gemeinsam erreicht
worden ist. Das ist in allererster Linie der Kollege von
der Koalition, Martin Gerster von der SPD; aber das sind
auch Frau Anja Hajduk von den Grünen und Herr
Bartsch von den Linken. Das war eine sehr konstruktive
Zusammenarbeit. Es gibt natürlich im Verhältnis zur Op-
position unterschiedliche politische Schwerpunktsetzun-
gen;


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Schwarze Null!)


aber in den wesentlichen Fragen waren wir doch von ei-
nem Grundkonsens getragen. Wer die Rede von Herrn
Bartsch gerade verfolgt hat, wird feststellen, dass sich
dieser Grundkonsens auch in seinen Worten widerge-
spiegelt hat.

Dazu beigetragen hat aber auch ganz wesentlich unser
Bundesminister Dr. Thomas de Maizière. Er hat in seiner
sehr seriösen Art und Weise, ohne Übertreibung und me-
diale Begleitmusik


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie andere Minister! Das stimmt!)


die Anliegen seines Hauses dargestellt und über seinen
Geschäftsbereich informiert. Jeder kann heute in der De-
batte feststellen, dass sein Umgang mit dem Haushalts-
ausschuss der erfolgreiche Umgang mit dem Haushalts-
ausschuss war.

Ich möchte als Hauptberichterstatter auch den ande-
ren Kollegen der Koalitionsfraktionen danken, nament-
lich Norbert Barthle, der den Bereich Sport für uns mit-
verantwortet, aber auch Johannes Kahrs. Wir haben viel
für den Bereich Inneres erreicht. Wir haben die schwarze
Null gehalten. Das heißt, für jedes Anliegen, das im Be-
reich Inneres erfüllt werden konnte, ist ein Anliegen aus
einem anderen Geschäftsbereich nicht erfüllt worden.
Dennoch haben wir darüber in unseren Arbeitsgruppen
großen Konsens erreicht, und ich möchte allen Kollegin-
nen und Kollegen für deren Solidarität und Unterstüt-
zung danken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja wie bei der Bambi-Verleihung hier!)


Lieber Kollege von Notz, ich komme nun zu den Er-
gebnissen der Beratungen, die Sie bestimmt in weiten
Teilen zustimmend zur Kenntnis nehmen werden.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht so!)


Ich habe am Anfang den Bereich der Migration er-
wähnt. Als die Regierung Anfang des Jahres mit der
Haushaltsaufstellung begonnen hatte, lag die Zahl der
Asylbewerber – das ist die Istzahl aus dem Jahr 2013 –
bei 127 000. Wir wissen heute, dass wir im Jahr 2014 an
die 200 000 Asylbewerber haben werden, und wir wis-
sen auch, dass sich dieser Trend in Zukunft eher verstär-
ken wird, das heißt, dass wir in Zukunft mit noch mehr
Asylbewerbern rechnen müssen. Wir haben darauf schon
in den Haushaltsberatungen 2014 reagiert, indem wir
dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 300 neue
Stellen gegeben haben. Diese Stellen, die wir für 2014
bewilligt haben, sind bereits vollständig besetzt. Auch
das ist eine besondere Leistung der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


– Da kann man ruhig einmal klatschen. – Weil wir ge-
merkt haben, dass das noch nicht reicht, da der Trend an-
hält, haben wir für diesen Haushalt, Herr Bartsch, zu-
sätzlich 300 Stellen bewilligt. Dazu kommen 50 Stellen,
die die Regierung eh schon vorgesehen hat. Das heißt,
wir haben allein in diesem Bereich 650 neue Stellen mit
aufgebaut. Zusätzlich sind wir dem steigenden Bedarf
nach Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer
nachgekommen, einem Anliegen vieler Wohlfahrtsver-
bände, aber auch des Bundes der Vertriebenen. Wir ha-
ben den entsprechenden Ansatz um 8 Millionen Euro er-
höht. Ich kann aus meinem Wahlkreis berichten, dass das
wirklich ein Segen für die Menschen ist.

Meine Damen und Herren, die zweite schnell wach-
sende Herausforderung, der wir im Bereich der Innen-
politik gegenüberstehen, ist die Wahrung der inneren Si-
cherheit. Man muss sich nur einmal vor Augen führen,
dass zu dem Zeitpunkt, als mit der Haushaltsaufstellung
begonnen wurde, die Organisation „Islamischer Staat“
nur wenigen Spezialisten überhaupt ein Begriff war. Wir
erleben heute, dass diese Organisation in einer noch nie
dagewesenen Professionalität – mit Internetauftritten,
sogar mit eigenen Zeitungen – junge Menschen, vor-
nehmlich Männer, auch bei uns anspricht, versucht, sie
zu radikalisieren und für den Dschihad zu gewinnen.
Das ist nicht nur ein Problem im Irak und in Syrien. So-
wohl die Rückkehrer als auch diejenigen, die zu Hause
bleiben und sich hier im Stillen radikalisieren, stellen
eine Bedrohung für die innere Sicherheit in Deutschland
dar. Wir haben vorhin von Vorsorge gesprochen. Wir





Dr. Reinhard Brandl


(A) (C)



(D)(B)

dürfen nicht so lange warten, bis etwas passiert. Wir ha-
ben deswegen in diesem Haushalt das Bundesamt für
Verfassungsschutz, das für die Abwehr dieser Gefahren
zuständig ist, verstärkt.

Ein weiterer Schwerpunkt der Veränderungen im Be-
reich der inneren Sicherheit lag auf der Bundespolizei.
Die Bundespolizei ist mittlerweile an der Grenze ihrer
Belastungsfähigkeit angekommen. Die Angehörigen der
Bundespolizei müssen fast täglich ihren Kopf für uns
hinhalten. Um das zu sehen, brauchen Sie nur die
Medien zu verfolgen. Ich erinnere an die großen Auf-
märsche von Hooligans und Extremisten in den letzten
Wochen, die Zunahme der illegalen Migration, die
Schleuserkriminalität, die regelmäßigen Gewaltexzesse
bei Fußballspielen am Wochenende, den wachsenden
Bedarf des Schutzes unserer Auslandsvertretungen in
verschiedenen Krisengebieten, aber auch an den G-7-
Gipfel im nächsten Jahr. Ich könnte diese Liste fortfüh-
ren. Hinzu kommt mit der Bewachung der Goldreserven
der Bundesbank eine weitere Aufgabe.

Damit die Bundespolizei in der Lage ist, all dies zu
bewältigen, haben wir insgesamt 406 neue Stellen für
Polizeivollzugsbeamte geschaffen und zusätzlich die
Bundespolizei umfangreich mit Personal und Sachmit-
teln ausgerüstet. Wir haben dabei sehr bewusst einen
Schwerpunkt auf den Bereich „Einsatz- und Schutzbe-
kleidung“ gesetzt. Es ist angesichts der zunehmenden
Gewalt gegen Polizisten einfach nicht hinnehmbar, dass
immer noch über Mängel und Engpässe bei der Körper-
schutzausstattung geklagt wird. Deswegen haben wir
darauf in den Haushaltsberatungen sehr bewusst einen
Akzent gesetzt. Dazu kommen insgesamt 356 Stellenhe-
bungen in den verschiedenen Laufbahngruppen, die die
höheren Anforderungen widerspiegeln und auch den
Dienst bei der Bundespolizei attraktiver machen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, am besten
wäre es doch, wenn es gar nicht so weit käme, dass Fa-
natiker oder Extremisten auf unsere Polizisten einprü-
geln. Auch hier gilt der Gedanke der Vorsorge. Wir ha-
ben deswegen den Bereich der politischen Bildung mit
einem Schwerpunkt auf die Bekämpfung von politi-
schem und religiösem Extremismus sowie Radikalisie-
rung verstärkt.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nachdem Sie es im Innenausschuss noch abgelehnt hatten!)


Ein weiteres Aufgabenfeld des Bundesinnenministe-
riums ist der Zivilschutz, also der Schutz der Bevölke-
rung im Verteidigungsfall. Das wird seit dem Ende des
Kalten Krieges oft als unwahrscheinliches Szenario ab-
getan. Beim Thema Verteidigungsfall denkt man auch
immer zuerst an die Bundeswehr. Ich halte das für eine
Fehleinschätzung. Sollte heute in Deutschland tatsäch-
lich ein Terrorangriff stattfinden, dann würden die
Menschen in allererster Linie durch die zivilen Katastro-
phenschutzorganisationen geschützt werden. Der Bund
unterstützt die Feuerwehren und Rettungsorganisationen
der Länder durch die Finanzierung von zusätzlichen
Fahrzeugen und Gerätschaften genau für diesen Fall.
Wir stehen zu dieser Aufgabe und haben den Ansatz bei
diesem Titel deswegen angehoben.

Meine Damen und Herren, wenn wir diese Verant-
wortung ernst nehmen – und wir wollen sie ernst neh-
men, um einen wirksamen Schutz für die Bevölkerung
zu gewährleisten –, dann kann es nicht sein, dass die
Länder das Geld und die Fahrzeuge zwar dankend an-
nehmen, aber der Bund nicht überprüfen kann, wie diese
Aufgabe wahrgenommen wird, sprich: wie der Katastro-
phen- und damit der Zivilschutz vor Ort aufgestellt ist.
Das geht ja so weit, dass überörtliche Einsätze und
Übungen mit diesem Gerät kaum stattfinden. Selbst Feu-
erwehren vor Ort, deren Fahrzeug vom Bund finanziert
worden ist, wissen zum Teil gar nicht, dass sie damit ei-
nen Bundesauftrag ausführen. Meine Damen und Her-
ren, ich begrüße daher sehr, dass Bundesinnenminister
de Maizière eine Staatssekretärsrunde einberufen hat,
um mit den Ländern über die Neuorganisation dieses er-
gänzenden Katastrophenschutzes zu sprechen.

Der Zivilschutz war übrigens der Grund für die Grün-
dung des Technischen Hilfswerks. Heute sind dort über
80 000 ehrenamtliche Helfer im Einsatz, die hervorra-
gende Arbeit im In- und Ausland leisten. Um dieses
hohe ehrenamtliche Engagement aufrechtzuerhalten, ist
neben einer guten Ausrüstung und Ausbildung auch eine
gute Unterbringung der Ortsverbände notwendig.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir haben im Haushalt 2014 einen Schwerpunkt auf die
Fahrzeugbeschaffung und die Führerscheinausbildung
gesetzt. Wir setzen jetzt im Haushalt 2015 einen Schwer-
punkt auf die Liegenschaften und beschließen heute ein
mehrjähriges Sonderprogramm „Liegenschaften für das
Technische Hilfswerk“. Das THW erhält dazu in 2015
zusätzlich 4 Millionen Euro. Darüber hinaus gibt es bis
2018 Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von wei-
teren 23 Millionen Euro. Damit soll der aufgelaufene
Bedarf an Neubauten bzw. an dringend notwendiger
Renovierung abgearbeitet werden und sollen die Orts-
verbände besser untergebracht werden. Das ist eine be-
sondere Wertschätzung, die wir damit dem THW entge-
genbringen. Das THW liegt gerade uns Abgeordneten
im Deutschen Bundestag sehr am Herzen. Das wollen
wir damit auch zum Ausdruck bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Verehrte Kolleginnen und Kollegen, mit diesem
Haushalt geben wir auch den Startschuss für das Projekt
„Netze des Bundes“; Kollege Bartsch hat es angespro-
chen. Mit dem Projekt sollen die unterschiedlichen Weit-
verkehrsnetze der Verwaltung zusammengefasst werden.
Die IT-Sicherheit wird dadurch deutlich erhöht. Der Bür-
ger hat erst einmal nichts davon, wenn die Regierung
plötzlich über verschlüsselte Leitungen kommuniziert.
Aber die NSA-Affäre hat uns gezeigt, dass, wenn sie es
nicht tut, eine deutliche Einschränkung der Souveränität
unseres Landes damit einhergeht. Es ist ein Projekt, das
uns über Legislaturperioden hinweg begleiten wird. Ich
freue mich deswegen besonders darüber, dass der Antrag





Dr. Reinhard Brandl


(A) (C)



(D)(B)

für dieses Projekt vom Haushaltsausschuss einstimmig
beschlossen worden ist – und das, obwohl es bei einem
solchen Vorhaben wie bei jedem großen IT-Projekt auch
Risiken gibt. Das ist Ausdruck einer gemeinsamen Ver-
antwortung für unser Land. In diesem Sinne bedanke ich
mich bei Ihnen für die gute Zusammenarbeit bei den
Haushaltsberatungen.

Den Zuhörerinnen und Zuhörern sage ich: Herzlichen
Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806809000

Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk für die Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen.


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806809100

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! In der Tat: Wir haben erst im Sommer, vor fünf
Monaten, den Haushalt 2014 verabschiedet. Seither hat
sich die damals schon angespannte geopolitische Lage
noch mehr verschärft. Ich sage das natürlich mit Blick
auf die Situation im Irak, in Syrien, der Ukraine. Auch
die Bedrohungslage durch IS ist sicherlich nicht nur für
die Außenpolitik relevant. All diese Punkte müssen sich
auch im Etat des Innern deutlich widerspiegeln.

Wenn ich so einführe, dann ist Ihnen schon klar: Mein
erster Blick richtet sich auf das Thema „Flüchtlinge und
Integration“. Schauen wir uns einmal an, wie die Mittel-
ausstattung hier aussieht. Ich habe natürlich registriert,
dass Sie an manchen Stellen etwas getan haben. Aber
insgesamt muss man doch deutlich festhalten: Dieser
Etat wird der Realität und den Herausforderungen defi-
nitiv noch nicht gerecht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es ist schon ein bisschen witzig, dass heute in der
Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, dass Herr Gabriel
1 Milliarde Euro für Flüchtlinge fordert. Wir sind ganz
erfreut. Ich gehe davon aus, dass – heute Abend ist Ko-
alitionsrunde – Herr Gabriel das vielleicht in weiser
Voraussicht getan hat, weil er mit Blick auf die Be-
schlusslage der Grünen-Fraktion von dem geschnürten
1-Milliarden-Paket zur Unterstützung der Asylbewerber
und Flüchtlinge, gerade auch mit Blick auf die Kommu-
nen, weiß. Da kann ich nur sagen: Herr Gabriel, es ist
gut, dass Sie die Koalition heute Abend darauf vorberei-
ten. Dieser Antrag steht am Freitag hier zur Abstim-
mung, und dann möchte ich, dass Nägel mit Köpfen ge-
macht werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht nur reden!)


Aber ich möchte hier natürlich nicht Herrn Gabriel
ansprechen. Ich möchte Minister de Maizière anspre-
chen. Ich glaube, wenn man ehrlich ist, dann sind wir
uns doch einig. Herr Minister, Sie haben ein Interview
gegeben, das am 23. November im Tagesspiegel zu lesen
war. Sie führen dort aus – wir teilen das –, es sei gut,
dass wir heute davon ausgehen dürfen, dass es eine
große Unterstützungsbereitschaft in unserer Bevölke-
rung gibt, Flüchtlinge aufzunehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Da sind wir froh. Sie stellen auch fest und bereiten die
Öffentlichkeit zu Recht darauf vor: Wir müssen uns auf
Jahre hinaus auf hohe Asylbewerber- und Flüchtlings-
zahlen einstellen. – Aber ich bitte Sie: Dann müssen Sie
sich doch jetzt und nicht erst in ferner Zukunft einen
Ruck geben, um die Integration voranzubringen und die
Zeit, in der die Flüchtlinge hier sind, positiv zu gestalten,
damit die Menschen in unserer Gesellschaft diese
Flüchtlinge weiter als Bereicherung erleben können.

Das heißt, Sie müssen den Flüchtlingen Zugang zu In-
tegrationsleistungen wie Sprache, Arbeitsmarkt und Be-
ratung geben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Genau dies ist doch nicht schwer zu entwickeln. Ich
komme da noch einmal auf unseren Antrag zurück. Wir
müssen bei den Integrationskursen endlich eine Öffnung
für die Asylbewerber erreichen, deren Zahl so unglaub-
lich stark angestiegen ist. Wir sprechen hier von einem
Anstieg – Sie haben die Zahlen gerade genannt – im Ver-
gleich zum Vorjahr um 56 Prozent; im Vergleich zu von
vor zwei Jahren handelt es sich um eine Verdoppelung.
Wir müssen das schaffen – Zugang zu den Sprachkursen,
Zugang und Öffnung auch der Migrationsberatung für
Asylbewerberinnen und Asylbewerber, Zugang zu einer
guten Gesundheitsversorgung, aber auch Beratung durch
Jobcenter und Arbeitsagenturen –, damit Integration ge-
lingt. Wir haben Ihnen unsere Vorstellungen vorgelegt.
Das kostet Geld, und zwar nicht wenig. Aber das ist
auch keine Summe, die wir nicht aufbringen können.
Wir werden Sie von der SPD, aber auch Sie von der
CDU/CSU am Ende der Woche daran messen, ob Sie
imstande sind, diesem Paket zuzustimmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ein weiterer Punkt – beim Etat des Innern geht es
nicht nur um die Integration – ist natürlich die Sicher-
heitspolitik. Wir wollen durchaus anerkennen, dass Sie
auch Programme zur Präventionsarbeit gegen die Radi-
kalisierung von Jugendlichen auflegen. Wir werden eine
Menge zu tun haben mit IS-Kämpfern, die aus Deutsch-
land kommen, auch mit solchen, die zurückkommen. Es
bleibt aber dabei, dass dieses Ausmaß an Prävention von
uns nicht für ausreichend gehalten wird. Wir denken, da
ist eine Verdoppelung der Mittel nötig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das große Projekt, das in Zukunft für den Haushalt
des Innenministers wichtig ist – ich möchte dies kurz er-
wähnen –, ist die Konsolidierung der Netze und der IT.
Wir werden Sie da konstruktiv, aber auch kritisch beglei-
ten. Wir wollen nicht, dass das riesige IT-Projekt ein
Fass ohne Boden wird. Beim Digitalfunk haben wir
schon entsprechende negative Erfahrungen gemacht.
Wir werden darauf drängen, dass sich nicht Ressort-





Anja Hajduk


(A) (C)



(D)(B)

egoismen in der Regierung durchsetzen, sondern dass es
eine vernünftige, zentrale Konsolidierungsstrategie gibt,
die durch Sie, Herr Minister, federführend umgesetzt
wird.

Mein letzter Punkt behandelt die Haushaltskontrolle
der Geheimdienste. Das betrifft nicht nur Ihren Etat,
Herr Minister. Dieser Punkt ist mir besonders wichtig;
wir haben schon vor einigen Sitzungswochen darüber
gesprochen. Wir haben, was die Kontrolle der Nachrich-
tendienste angeht, die Situation, dass es in der Bevölke-
rung einen immensen Vertrauensverlust


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zu Recht!)


und Skepsis darüber gibt, ob wir unserer Kontrollauf-
gabe überhaupt vernünftig nachkommen. Da spreche ich
in erster Linie die Fraktionen an und nicht so sehr den
Minister.

Ich verstehe nicht, warum es nicht eine engere Ko-
operation zwischen Vertrauensgremium und Parlamenta-
rischem Kontrollgremium gibt. Ich verstehe auch nicht,
warum Sie bei der auch in der Öffentlichkeit diskutierten
Ausstattung der Nachrichtendienste mit neuen Technolo-
gien unsere Beratungsmöglichkeiten nicht optimieren
wollen, zum Beispiel durch die systematische Einbin-
dung der Bundesbeauftragten für den Datenschutz. Wir
werden Sie damit nicht durchkommen lassen, dass un-
sere vorhandenen parlamentarischen Möglichkeiten zur
Kontrolle der Geheimdienste nicht besser genutzt wer-
den. Das hat auch mit den Geschehnissen um den NSU
und um die NSA zu tun.

In diesem Sinne werden wir sehr kritische Begleiter
sein. Wir sind mit Ihrer Arbeit und auch mit der Arbeit
der Koalitionsfraktionen nicht zufrieden.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806809200

Danke, Frau Kollegin. – Schönen guten Tag Ihnen,

liebe Kolleginnen und Kollegen, und den Gästen auf der
Tribüne. – Nächster Redner in der Debatte ist Martin
Gerster für die SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1806809300

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Ist das nötige Geld vorhanden, ist das Ende meis-
tens gut.

So heißt es in der filmischen Umsetzung der Drei-
groschenoper von Bertolt Brecht. Im Bundeshaushalt
geht es natürlich nicht nur um drei Groschen, sondern
um fast 300 Milliarden Euro. Ich bin natürlich auch nicht
Mackie Messer, sondern der Haushälter der SPD für den
Geschäftsbereich des Innenministeriums.

Ich will an dieser Stelle eines vorwegschicken: Ich
bin froh, dass wir in der Großen Koalition gemeinsam
die Kraft hatten – das ist doch ein tolles Zeichen –, im
Haushaltsausschuss diesen Etat über die Marke von
6 Milliarden Euro zu heben und damit wichtige Verände-
rungen am Haushaltsentwurf zu erreichen. Dazu möchte
ich feststellen: Das Ende unserer Haushaltsberatung ist
aus Sicht der SPD-Fraktion und der Großen Koalition
nicht nur gut, sondern richtig gut. Das ist heute eine ganz
wichtige Botschaft.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Viele Anliegen und politische Schwerpunkte der
SPD-Fraktion konnten wir noch einbringen. Ich glaube,
das geschah nicht gegen den Willen des Innenministers,
sondern er wird es gutheißen, dass sein Etat an der einen
oder anderen Stelle ausgebaut werden konnte.

Aber der Reihe nach. In unruhigen Zeiten ist es not-
wendig, die Sicherheit zu stärken. Ich will an dieser
Stelle einen Dank vorausschicken, einen Dank an die
Männer und Frauen, die für unsere Sicherheit im Einsatz
sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zehntausende sind täglich im Einsatz und sorgen dafür,
dass wir uns in unserem Land sicher bewegen können.
Ich nenne beispielsweise die Angehörigen der Bundes-
polizei, die an Flughäfen, auf Bahnhöfen und beim Fuß-
ball im Einsatz sind.

Wir haben ganz klar gesagt: Wir müssen diesen Be-
reich stärken. Deswegen haben wir zusammen mit unse-
rem Koalitionspartner durchgesetzt, dass wir insbeson-
dere die Bereiche stärken, von denen die Beamtinnen
und Beamten im Einsatz direkt profitieren: 15 Millionen
Euro mehr für Körperschutz und neue Bekleidung,
5 Millionen Euro mehr für neue Fahrzeuge, was unge-
fähr 120 neuen Fahrzeugen entspricht. Jedenfalls ist das
ein richtig gutes Signal an die Beamtinnen und Beamten,
an all diejenigen, die für die Bundespolizei in unserem
Land unterwegs sind.

Damit aber nicht genug: Wir haben über 400 zusätzli-
che Stellen geschaffen. Wir haben natürlich auch die
Wünsche und Anregungen aus dem Personalrat der Bun-
despolizei und der Gewerkschaft der Polizei berücksich-
tigt. Wir finden es richtig, dass unsere Leute bei der
Bundespolizei mehr berufliche Perspektiven brauchen,
und zwar im Vollzug, in der Verwaltung, aber auch bei
den Tarifbeschäftigten. Deswegen haben wir das ohne-
hin schon aufgelegte Hebungsprogramm bei der Bundes-
polizei aufgestockt – es hat eine Laufzeit von vier Jahren –,
und zwar um 181 Möglichkeiten der Beförderung von
der Besoldungsgruppe A 8 zur Gruppe A 9. Jetzt haben
wir in diesem Bereich 1 500 Beförderungsmöglichkei-
ten. Ich glaube, das ist gut, weil in diesem Bereich der
größte Beförderungsstau herrscht. Es ist gut, dass sich da
jetzt mehr tut, als sich ursprünglich abgezeichnet hat.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben darüber hinaus Hebungen bei den 75 In-
spektionsleitungen und weitere 100 Hebungen vom ein-





Martin Gerster


(A) (C)



(D)(B)

fachen in den mittleren Dienst auf den Weg gebracht.
Das ist eine richtig gute Sache für unsere Leute in der
Bundespolizei, die jede Woche, jeden Tag, jede Stunde
für uns im Einsatz sind. Ich will für unsere Fraktion die
Botschaft aussenden: Wir lassen euch nicht hängen; wir
von der SPD-Fraktion und in der Großen Koalition ins-
gesamt kämpfen für euch.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer
Schwerpunkt war der Katastrophen- und Bevölkerungs-
schutz, insbesondere natürlich das THW. Ich war – wie
viele Kolleginnen und Kollegen – in den letzten Wochen
und Monaten an vielen THW-Standorten. Was man da
sieht, ist zum Teil jämmerlich. Es ist der vielen Helferin-
nen und Helfer beim THW, insgesamt etwa 80 000,
wirklich nicht würdig. Ich konnte bei mir im Wahlkreis
den Standort Riedlingen besuchen. Da ist eine Fahrzeug-
halle wegen Einsturzgefahr nicht mehr betretbar. Ne-
benan, in Ehingen, sind Risse in den Gebäudemauern,
und es gibt viel zu wenig Platz. Wir haben in der Großen
Koalition gesagt: So kann es nicht mehr weitergehen. –
Wir werden mit diesem Haushalt ein großes Baupro-
gramm auf den Weg bringen, sodass in den nächsten
Jahren Dutzende von THW-Unterkünften und -Liegen-
schaften instand gesetzt oder neu gebaut werden können.
Ich glaube, das ist das Mindeste, was wir für die vielen
Helferinnen und Helfer beim THW tun können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hinzu kommen 5 Millionen Euro, die wir beim Katastro-
phenschutz der Länder draufgepackt haben. Davon wer-
den vor allem auch die Feuerwehren profitieren. Ich
glaube, das ist eine ganz gute Sache.

Ein wichtiger Punkt war für uns natürlich auch das
Thema Integration und Migration. Hier geht es um Mil-
lionen von Menschen, die Leidtragende von Verfolgung,
Terror, kriegerischen Auseinandersetzungen und ande-
ren Gräueltaten sind. Wir finden es unerträglich, wie
rechte Hetzer jetzt versuchen, Not und Elend der Flücht-
linge und der Asylsuchenden für ihre Zwecke auszunut-
zen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir senden vom Deutschen Bundestag ein klares Signal
aus – auch mit den Beschlüssen des Haushaltsausschus-
ses –: Wir unterstützen die Einwanderer, die Flüchtlinge,
die Asylsuchenden und stellen mehr Geld für die Bera-
tung von Einwanderern bereit, wir halten die Mittel für
Integrationskurse auf hohem Niveau, und in den Jahren
2014 und 2015 schaffen wir 650 Stellen beim BAMF.
Ich glaube, das ist insgesamt eine richtig gute Ge-
schichte.

An dieser Stelle ein Dankeschön an die vielen Ehren-
amtlichen, die sich für die Flüchtlinge engagieren und in
der Tat für ein gutes Klima des Willkommenheißens in
unserem Land sorgen. Ich glaube, das ist in der aktuellen
Situation unverzichtbar.


(Beifall bei der SPD)

Wir müssen natürlich auch politisch dafür kämpfen,
dass die Akzeptanz für Integration, Demokratie, Rechts-
staatlichkeit und friedliches Miteinander weiterhin hoch
bleibt. Deswegen haben wir ganz bewusst gesagt: Die
Mittel der Bundeszentrale für politische Bildung werden
aufgestockt, die politischen Stiftungen erhalten 14 Mil-
lionen Euro mehr, und im Haushalt von Manuela
Schwesig stellen wir 10 Millionen Euro mehr für den
Kampf gegen Rechtsextremismus und andere Extremis-
men, die wir unbedingt bekämpfen wollen, bereit.

Dann haben wir noch das Thema Sport.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806809400

Aber kurz, bitte.


Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1806809500

Ja, danke schön, ich denke daran. – Kollege Barthle

und ich, wir haben ein 15-Millionen-Euro-Programm für
den Sport auf den Weg gebracht.


(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das war der Ausschuss!)


Ich glaube, das ist eine richtig gute Geschichte. Davon
geht ein gutes Signal an unsere Gesellschaft aus.

So kann ich an dieser Stelle sagen: lauter gute Nach-
richten aus dem Haushaltsausschuss für den Bereich des
Bundesinnenministeriums. Ich danke den Kollegen
Brandl und Barthle, aber auch den Kollegen der Opposi-
tion. Unsere Änderungsanträge im Haushaltsausschuss
bekamen viele Jastimmen. Deswegen gilt mein herzli-
cher Dank den Kollegen Bartsch und Hajduk. Ich wün-
sche allen weiterhin eine gute Debatte.

Danke schön.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806809600

Vielen Dank, Herr Kollege Gerster. – Ja, der Herr

Barthle brauchte halt jetzt noch Schnee.


(Zuruf von der CDU/CSU)


– Nein, Sie waren nicht Mackie Messer. Es fragt sich
nur, wer der Haifisch ist. Das ist jetzt aber keine Überlei-
tung zum Bundesminister.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Thomas de Maizière, Sie haben das Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister des In-
nern:

Frau Präsidentin, wie soll ich denn das verstehen?


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie tragen die Zähne im Gesicht!)






Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Sie sehen einen fröhlichen und
dankbaren Innenminister vor sich.


(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Fröhlich?)


– Ja, das ist so.

Die Regierung hatte im Regierungsentwurf schon et-
liche Verbesserungen vorgenommen. Der Haushaltsaus-
schuss hat nun in engem Kontakt mit dem Finanzminis-
terium und mit uns und mit Unterstützung der
Hauptberichterstatter, aber auch vieler anderer, an den
richtigen Stellen noch viel draufgepackt. Das ist wirklich
gut.

Ich möchte das vor allen Dingen betonen, weil ich
hier, gerade im Bereich der Sicherheit, der sonst zu den
umstrittensten gehört, etwas Seltenes erlebt habe. Viele
der Vorhaben und Projekte haben, auch in den Einzelab-
stimmungen, die ausdrückliche Zustimmung aller Frak-
tionen gefunden. Unverständlicherweise hat die Opposi-
tion den Haushalt insgesamt dennoch abgelehnt.


(Heiterkeit des Abg. Norbert Barthle [CDU/ CSU])


Ich verstehe das als große Unterstützung für mein
Haus, aber vor allem für die Mitarbeiterinnen und Mitar-
beiter, für die Polizisten, für die Mitarbeiter des BAMF
und der Sicherheitsbehörden. Sie gewährleisten Freiheit
und Sicherheit in unserem Land, und dafür ein herzli-
ches Dankeschön.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zukunftsweisend ist auch der Beschluss der Finanzie-
rung der „Netze des Bundes“. Hier geht es um ziemlich
viel Geld: 450 Millionen Euro in drei Jahren. Das ist ein
ehrgeiziges Projekt. Einige haben dazu gesprochen. Es
muss stärker koordiniert werden, Herr Bartsch, das
stimmt. Das ist nicht alleine, aber auch eine Antwort auf
das Thema NSA. Wir werden die Realisierung der Emp-
fehlungen des Ausschusses zügig in Angriff nehmen.

Das führt mich zu einer grundsätzlichen Bemerkung,
die ich gerne machen möchte, weil sehr viel von Investi-
tionen die Rede ist. Uns fällt ziemlich viel ein, wie wir
den Ländern im Bereich Bildung, Autobahnen, vor allem
im Bereich Energieeffizienz durch Investitionen helfen
können. Das ist alles gut und schön. Aber wir können
auch mal an uns denken. Wir haben das bei den Kon-
junkturprogrammen gemacht. Wir haben für Investitio-
nen in Bundesliegenschaften eine Vorabquote einge-
führt. Wir haben es bei der Flut gemacht. Wir haben
gesagt: Von den 8 Milliarden Euro geht ein gewisser An-
teil in die eigene Infrastruktur des Bundes, Schleusen
usw.

Wenn es jetzt um die Verteilung der Investitionen
geht, dann fallen mir und uns allen ganz viele Bereiche
ein, in die wir – ich sage das als Minister für innere An-
gelegenheiten – investieren können, zum Beispiel in die
Erneuerung unserer IT-Strukturen oder in die Liegen-
schaften des Bundes. Wir können viel gutes Geld für die
eigenen Belange des Bundes in die Hand nehmen und
nicht nur für noch so berechtigte Belange Dritter. Das
wollte ich gerne an dieser Stelle einmal sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Sicherheit und der Schutz der Freiheit haben eine
herausragende Bedeutung für unser Land. Es gibt einen
großen gesellschaftlichen und politischen Konsens, das
zu erkennen, zu erhalten und die dafür notwendigen
Schritte zu tun. Auch dafür, dass das deutlich geworden
ist, möchte ich mich beim Haushaltsausschuss ausdrück-
lich bedanken.

Mein wichtigstes Anliegen als Bundesminister des In-
nern ist, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutsch-
land sicher leben können. Einen wesentlichen Anteil da-
ran haben nicht nur Gesetze und die internationale
Zusammenarbeit und vieles andere mehr, sondern unsere
Polizistinnen und Polizisten und die Mitarbeiter in den
Sicherheitsbehörden. Sie üben Tag und Nacht gewissen-
haft und gerne ihren Beruf aus. Sie genießen in der Be-
völkerung ein hohes Ansehen. Die Polizei liegt bei über
80 Prozent, die Bundeskanzlerin bei 65 Prozent und der
Papst bei 55 Prozent, die Parteien liegen ziemlich weit
hinten.

Wir müssen dafür sorgen, dass der Polizeiberuf at-
traktiv bleibt. Auch dafür leisten wir mit dem Haushalt
2015 einen Beitrag. Die Zahlen wurden genannt: 406
neue Stellen für die Bundespolizei, Schutzausrüstung,
Kfz, Hebungen gerade im unteren und mittleren Bereich.

Unsere Polizistinnen und Polizisten müssen auf der
Straße immer wieder buchstäblich den Kopf hinhalten,
auch und gerade, wenn es brenzlig wird. Leider verliert
eine Reihe von Bürgern immer mehr den Respekt vor
staatlichen Funktionsträgern insgesamt. Verbale und
körperliche Angriffe nehmen zu. In Bremen wird jetzt
gerade eine Spuckhaube eingeführt, die diejenigen über
den Kopf bekommen, die regelmäßig Polizisten im Kfz
usw. anspucken. Auch dagegen, dass es diese Spuckhau-
ben gibt, gibt es jetzt Protest. Ich finde es gut bzw. nur
recht und billig, dass man dafür sorgt, dass Polizisten
nicht angespuckt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Bei links- und rechtsextremistischen Gruppen ebenso
wie bei alkoholisierten Fußballanhängern bis hin zu ein-
zelnen Gruppen scheinen die gewalttätigen Auseinan-
dersetzungen mit der Polizei eine Art Eventcharakter
zu haben. Wir haben insgesamt einen Rückgang der Ge-
waltkriminalität, auch der Jugendgewaltkriminalität
– das ist gut –, verzeichnen aber einen Anstieg der Inten-
sität von Gewaltausübung, und zwar nicht nur gegenüber
Polizisten, sondern auch gegenüber Rettungskräften und
Repräsentanten des Staates. Die Polizistinnen und Poli-
zisten im Bund und in den Ländern tragen Verantwor-
tung für unsere Sicherheit. Also tragen wir Verantwor-
tung dafür, dass sie bei ihrer Arbeit sicher sind. Der
Haushalt leistet auch einen Beitrag hierfür.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zum Katastrophenschutz ist hier viel gesagt worden.
Ich unterstütze das natürlich ausdrücklich, insbesondere





Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)

was zur liegenschaftlichen Situation gesagt worden ist.
Das hilft auch den Helfern vor Ort.

Ich will nur einmal auf Folgendes hinweisen – Herr
Brandl hat das auch gemacht –: Während wir hier debat-
tieren, sind THW-Helfer in Afrika und kämpfen gegen
die Ausbreitung von Ebola, sind THW-Helfer in Jorda-
nien und im Nordirak und helfen dort in den Flüchtlings-
lagern. Wir denken gern an unsere Ortsverbände, aber
ich finde, eine solche Debatte bietet auch Anlass, diesen
Menschen im Ausland und ihren Angehörigen sowie den
Arbeitgebern, die sie freistellen, einmal ein herzliches
lautes Dankeschön zu sagen.


(Beifall im ganzen Hause)


Meine Damen und Herren, es ist heute nicht die Zeit,
umfassend über die Sicherheitslage zu sprechen. Aber
Sie wissen, die Sicherheitslage ist ernst. Die Terrororga-
nisation, die sich selbst „Islamischer Staat“ nennt – und
die wir nicht „Islamischer Staat“ nennen sollten –, zeigt
eine archaische Brutalität. Menschen werden enthauptet,
Frauen vergewaltigt, versklavt, Grenzen, die seit über
100 Jahren bestehen, ignoriert – und mit all dem brüstet
sich die IS öffentlich.

Männer und einige Frauen bringen aus Deutschland,
bringen aus Europa den Krieg in diese Gegend; sie ex-
portieren Gewalt und Terror. Mitte September habe ich
ein Betätigungsverbot gegen die Organisation IS ausge-
sprochen. Wir sehen hier Erfolge; es gibt viele Festnah-
men und Ermittlungen. Diensteanbieter in den sozialen
Medien nehmen zunehmend Profile vom Netz. Alles,
was sich dort an Sympathiewerbung für die IS findet,
Herr Abgeordneter Beck, ist durch dieses Betätigungs-
verbot strafbar geworden. Das ist gut so. Das Betäti-
gungsverbot fügt sich in eine Reihe von anderen Maß-
nahmen ein, sowohl von mir, die wir demnächst
diskutieren, Stichwort „Personalausweis“, als auch vom
Justizminister, Stichwort „Reisen“ und anderes; es ist
heute nicht die Zeit, im Einzelnen darauf einzugehen.
Wir wollen verhindern, dass der Terrorismus von
Deutschland aus exportiert wird. Wir wollen erst recht
verhindern, dass geschulte Terroristen – zumal wenn sie
aus Deutschland gekommen sind – nach Deutschland zu-
rückkehren und hier Anschläge verüben. Dazu brauchen
unsere Sicherheitsbehörden Unterstützung. Dafür brau-
chen wir internationale Zusammenarbeit. Dazu brauchen
wir auch eine Stärkung des Bundesamts für Verfassungs-
schutz; davon ist gesprochen worden.

Wir können damit keine vollständige Sicherheit her-
stellen. Niemand kann eine Garantie dafür geben, dass es
in Deutschland nicht zu einem Anschlag kommt. Aber
wir sind entschlossen, das uns Mögliche zu tun, damit es
nicht passiert.

Meine Damen und Herren, ein Wort zum Thema
Flüchtlinge. Frau Hajduk, Sie haben darüber gespro-
chen, und es ist über die zusätzlichen Stellen gesprochen
worden; das ist alles richtig. In der Tat: Ich halte es für
falsch, der Bevölkerung zu sagen: Das ist jetzt mal ein
Jahr, nächstes Jahr wird alles wieder gut. – Das wird
wohl nicht der Fall sein. Trotzdem verlangt dies ange-
sichts der Flüchtlingsströme, angesichts der Bürger-
kriege in Syrien und im Irak und all dessen, was dort
passiert ist, natürlich eine Strategie, die darüber hinaus-
geht, einfach alle aufzunehmen. Auch darüber zu spre-
chen, ist heute nicht die Zeit.

Das hat etwas mit der Arbeit vor Ort zu tun, das hat
etwas mit der Arbeit in den Transitländern zu tun, das
hat mit dem Dubliner Übereinkommen zu tun – alle
Staaten müssen ihre Verpflichtungen aus diesem Über-
einkommen erfüllen –, das hat etwas mit europäischer
Solidarität und mit vielem anderen mehr zu tun. Darüber
sind wir uns möglicherweise einig. In einem Punkt sind
wir uns vielleicht nicht einig – ich will nicht, dass hier zu
viel Harmonie verbreitet wird –:


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt säen Sie doch keine Zwietracht!)


Ja, wir sind dafür, dass im BAMF schnell entschieden
wird – auch mithilfe zusätzlicher Stellen –, wer politisch
verfolgt wird, wer Asyl verdient. Diese Personen müssen
integriert werden, und zwar so schnell wie irgend mög-
lich.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oder Flüchtlingsschutz nach der GFK bekommt!)


– Oder als Flüchtling anerkannt wird, Herr Beck. Das ist
jetzt gar nicht mein Punkt.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht immer so verkürzen!)


Ich möchte auf etwas anderes hinaus: Wir wollen auch,
dass die Anträge derjenigen, die aus sicheren Herkunfts-
ländern kommen, genauso schnell geprüft werden,


(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)


damit sie nicht integriert werden und unser Land schnell
wieder verlassen, damit die Aufnahmebereitschaft der
Bevölkerung erhalten bleibt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn sie nicht verfolgt werden!)


Nun ein Wort zu Herrn Gabriel. Wir sind in Gesprä-
chen mit den Ländern über die Frage, ob, in welcher
Weise und in welchem Umfang wir den Ländern und,
ehrlich gesagt, vor allem den Kommunen in allen anste-
henden Punkten, von der Unterbringung bis zum Thema
Gesundheit, helfen können und müssen. Das ist schwie-
rig. Die Länder verhalten sich gegenüber den Kommu-
nen sehr unterschiedlich. Das Spektrum der Kosten-
erstattung durch die Länder reicht von 20, 30 Prozent der
Kosten der Kommunen bis zu 90, 100 Prozent. Ich
möchte alle, die hier große Töne spucken, man sollte den
Kommunen helfen, bitten, erst einmal in den jeweiligen
Ländern dafür zu sorgen, dass diese den Kommunen hel-
fen. Das wäre auch einmal etwas.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)






Bundesminister Dr. Thomas de Maizière


(A) (C)



(D)(B)

Aber wir überlegen uns etwas. Das läuft auf ein Ge-
spräch der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten
der Länder hinaus. Es könnte ja sein, Frau Hajduk, dass
Herr Gabriel das, was er gesagt hat, gar nicht erfunden
hat. Es könnte ja sein, dass er es nur als Erster öffentlich
gemacht hat und es die Gespräche schon seit längerem
gibt. Wir sind der Meinung, dass wir erst am Ende der
Debatte etwas verkünden sollten und nicht am Anfang
der Debatte. Also seien Sie nicht so stolz auf Ihren dies-
bezüglichen Antrag auf dem Parteitag der Grünen.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben den Haushalt 2015! Wir haben diese Woche Anträge zu stellen, und dem müssen Sie sich stellen!)


– Das verstehe ich; aber vertrauen Sie doch einmal ein
bisschen darauf, dass es auch andere Möglichkeiten gibt,
den Kommunen und den Ländern zu helfen, ohne den
Haushalt noch einmal anfassen zu müssen. Norbert
Barthle, ich glaube, auch das ist ein wichtiger Punkt.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind sozusagen schon im Nachtragshaushaltsmodus, bevor wir ihn verabschiedet haben!)


Ich will nur sagen: Wir haben das im Blick. Wir machen
das verantwortungsvoll, und das ist richtig so.

Eine letzte Bemerkung zum Sport – Herr Barthle hat
heute Morgen einiges dazu gesagt –: Wir hatten gegen-
über der ursprünglichen Veranschlagung schon 8 Mil-
lionen Euro draufgelegt. Jetzt kommen noch einmal
15 Millionen Euro hinzu. Auch die NADA-Finanzierung
ist gesichert. Ich füge hinzu – das hat Norbert Barthle
heute Morgen gesagt, sicher auch im Namen von Herrn
Gerster –: Dieses Geld kommt nicht einfach obendrauf
und wird nicht nach dem Gießkannenprinzip verteilt,
sondern wir verbinden damit die Erwartung, dass damit
der Einstieg in eine Strukturveränderung, in eine Effekti-
vierung der Spitzensportförderung verbunden ist – hof-
fentlich auf dem Weg zu Olympischen Spielen in
Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn wir das in Berlin wollen, sollten wir vorher einen Flughafen haben!)


Daran werden wir erinnern, und ich hoffe, dass wir das
gemeinsam tun werden.

Ich habe meine Rede begonnen mit dem Satz: Sie se-
hen einen fröhlichen, zufriedenen und dankbaren Innen-
minister. – Das ist so. Noch mehr würde ich mich freuen,
wenn nicht nur die Koalition, sondern nach all den schö-
nen Reden auch die Opposition sagen würde: Verdammt
noch mal, das war eine gute Sache. Dieses Mal stimmen
wir zu.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806809700

Vielen Dank, Herr Dr. de Maizière. – Das kann Herr

Dr. André Hahn als nächster Redner für die Linke gleich
beantworten.

(Beifall bei der LINKEN – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Wollen wir mal sehen, ob er Größe hat!)



Dr. André Hahn (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1806809800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr

Minister, ich sage es gleich vorab: Wir finden zur Fröh-
lichkeit in Ihrem Haushalt nur wenig Anlass.


(Beifall der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] – Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


Ich möchte gerne über das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz und die Geheimdienste allgemein sprechen
und auch zum Sport etwas sagen.

Im Zusammenhang mit dem Thema Geheimdienste
hat SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dieser Tage
dem Spiegel ein sehr aufschlussreiches Interview gege-
ben.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: Da habt ihr die meiste Erfahrung mit Geheimdiensten!)


Darin heißt es unter anderem:

Wenn die Dienste die Informationen über den NSU
richtig verarbeitet und ausgetauscht hätten, hätte
eine in der deutschen Nachkriegszeit beispiellose
Verbrechensserie wohl verhindert werden können.
Das ist eine der größten Niederlagen der deutschen
Sicherheitsbehörden überhaupt. Die Verfassungs-
schutzämter von Bund und Ländern haben kollektiv
versagt.


(Beifall bei der LINKEN)


Wir Linke teilen diese Auffassung.

An anderer Stelle heißt es – wieder Zitat Oppermann –:

Leider wurde der Rechtsextremismus über viele
Jahre systematisch unterschätzt. … Die Behörden
haben den brisanten Moment, als der Rechtsextre-
mismus von der offenen Gewalt gegen Ausländer
und Flüchtlinge über national befreite Zonen in den
terroristischen Untergrund gegangen ist, schlicht
verpasst.

Ja, auch das ist leider zutreffend. Der SPD-Fraktions-
chef zieht verbal durchaus die richtigen Schlussfolgerun-
gen,


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum spielt er denn bei Ihnen so eine Rolle? Er ist doch gar nicht da!)


wenn er darauf drängt, dass die Rechtsgrundlagen der
Dienste grundlegend revidiert werden. Wir als Linke ge-
hen da noch einen deutlichen Schritt weiter. Wir stellen
nicht zuletzt nach dem Versagen in Sachen NSU und bei
der Spionageabwehr beim NSA-Skandal die Existenzbe-
rechtigung von Geheimdiensten grundsätzlich infrage.


(Beifall bei der LINKEN)


So weit geht Herr Oppermann nicht. Er fordert aber im-
merhin eine generelle Überarbeitung des BND-Gesetzes





Dr. André Hahn


(A) (C)



(D)(B)

und des G-10-Gesetzes sowie eine spürbare Verbesse-
rung der parlamentarischen Kontrolle.

Doch Ankündigungen sind das eine. Die Realität sieht
leider anders aus.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh ja!)


Deshalb frage ich die Koalitionäre von Union und SPD
– drei Jahre nach der Aufdeckung der NSU-Verbrechen
und fast eineinhalb Jahre nach den Enthüllungen Edward
Snowdens zur massenhaften Überwachung der NSA
auch bei uns in Deutschland –: Wo ist denn der Entwurf
eines neuen BND- oder G-10-Gesetzes? Wo ist der Ent-
wurf einer Novellierung des Gesetzes zur Arbeit des
Parlamentarischen Kontrollgremiums? Wo sind die Kon-
sequenzen der Bundesregierung aus den Aussagen hoch-
karätiger Verfassungsrechtler vor dem NSA-Untersu-
chungsausschuss, nach denen zumindest ein Teil der
Tätigkeit des BND ohne jegliche Rechtsgrundlage statt-
findet?


(Zuruf von der CDU/CSU): Stimmt doch gar

nicht!)

Überall Fehlanzeige. Doch daran werden Sie gemessen
und nicht an Absichtserklärungen.


(Beifall bei der LINKEN)


Statt mit einer grundlegenden Reform auch nur zu be-
ginnen, machen Sie im vorliegenden Haushaltsplan et-
was ganz anderes: Sie schanzen den Diensten erst einmal
über Jahre hinweg weitere Mittel in dreistelliger Millio-
nenhöhe zu, ohne dass sich an der Arbeitsweise der
Dienste auch nur irgendetwas geändert hätte. Es ist doch
geradezu absurd, dass die Geheimdienste für ihr Versa-
gen bei NSU und NSA de facto noch mit zusätzlichen
Steuergeldern belohnt werden. Für uns Linke ist das in-
akzeptabel.


(Beifall bei der LINKEN)


BND und Verfassungsschutz sollen weiter aufgerüstet
werden, um mit den Überwachungstechniken der Ameri-
kaner künftig halbwegs mithalten zu können. Das ist
doch der völlig falsche Weg. Wo ist eigentlich, frage ich
Sie, das millionenschwere Programm zum Schutz der
Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen hier in
Deutschland vor Ausspähung und Spionage? Davon fin-
det sich im vorliegenden Plan für 2015 nichts. Auch des-
halb wird die Linke diesen Haushalt ablehnen.


(Beifall bei der LINKEN)


Einige Anmerkungen zum Sportetat. Der Haushalts-
ausschuss ist über den ursprünglichen Ansatz für 2015
hinausgegangen; er hat die Mittel um 15 Millionen Euro
aufgestockt. Das begrüßen wir; das ist positiv.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Korrekt!)


Ohne diese Anhebung hätte tatsächlich die Gefahr be-
standen, dass der deutsche Spitzensport noch weiter in
die Mittelmäßigkeit abrutscht, wie es der DOSB in sei-
ner Presseerklärung ja selbst formuliert hat.
Wir verstehen die jetzige Entscheidung so, dass es,
anders als beispielsweise in Großbritannien, bei uns wei-
terhin eine umfassende Spitzensportförderung geben
soll, die sich nicht allein an medaillenträchtigen Sportar-
ten ausrichtet. Auch die Verstetigung der Mittelzuwei-
sungen für das Programm „Integration durch Sport“ bis
2017 ist richtig und sinnvoll. Allerdings gibt es leider
auch im Sporthaushalt durchaus Defizite.

Über künftige deutsche Olympiabewerbungen kann
man trefflich streiten, Herr de Maizière – ich persönlich
bin für überzeugende Konzepte durchaus offen –, aber
man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es zum Bei-
spiel allein in Berlin über 1 000 sanierungsbedürftige
Sportstätten gibt.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Dafür ist aber Berlin zuständig! Dafür ist das Land zuständig!)


Einen derartigen Investitionsstau können die Länder al-
lein kaum bewältigen. Deshalb bleiben wir Linke bei un-
serer Forderung nach einem entsprechenden Förderpro-
gramm des Bundes.


(Beifall bei der LINKEN – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Es gibt doch schon jedes Jahr über 3 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich allein aus Bayern!)


Da Sie jetzt so schimpfen,


(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Wir schimpfen nicht! Wir sagen nur die Wahrheit!)


darf ich Ihnen sagen, dass sich die Sportpolitiker der
unionsregierten Länder im März dieses Jahres getroffen
und einstimmig ein solches Förderprogramm des Bundes
gefordert haben.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja, ja! Die Länder sind sich immer schnell einig! Das ist ja auch ein Geschäft zulasten Dritter! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Ein Geschäft zulasten Dritter lässt sich immer schnell vereinbaren!)


Sie haben es aber in beiden Ausschüssen abgelehnt.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Wir ver-
kennen nicht, dass es im Zuge der Beratungen zum In-
nenetat einige vernünftige Korrekturen gegeben hat, so
beispielsweise bei der Verbesserung der Finanzierung
der Nationalen Anti Doping Agentur oder auch bei der
Migrationsberatung für Erwachsene, die gerade wir
Linke immer unterstützt haben. Das ändert jedoch nichts
an unserer grundsätzlichen Kritik an den falschen Wei-
chenstellungen im Einzelplan 06. Deshalb werden wir
mit Nein votieren.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806809900

Vielen Dank, Kollege Dr. Hahn. – Nächster Redner in

der Debatte: Rüdiger Veit für die SPD.


(Beifall bei der SPD)







(C)



(D)(B)


Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1806810000

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich kann mich jetzt nicht auf den Beitrag des Kollegen
Hahn beziehen, weil ich mich in meiner Rede zu diesem
Bundeshaushalt nach unserer Aufgabenverteilung mit
Überlegungen zu Flüchtlingen und Integrationsaufgaben
auseinanderzusetzen habe, was ich gerne tue.

Um den Überraschungseffekt am Anfang auszunut-
zen: Frau Hajduk, Sie haben in einem recht: Man kann
sich bei ganz vielen Dingen, die gut gemeint sind und
hoffentlich auch gut gemacht werden, vorstellen, dass
noch mehr getan wird und dass man noch mehr Geld da-
für ausgibt.


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um eine andere Qualität!)


Das ist zwischen uns völlig unstreitig. Wenn man aber
eben nicht so viel Geld hat, wie das vielleicht Ihren und
vielleicht auch meinen Wunschvorstellungen entspräche,
kann man nicht den Umkehrschluss daraus ziehen und
sagen: Wenn ich nicht 100 Prozent bekomme, dann bin
ich auch dagegen, dass es mindestens 50, 60 oder
70 Prozent sind.

Deswegen will ich Ihnen im Einzelnen noch einmal
aufzählen, warum sich der Einzelplan 06 durchaus sehen
lassen kann. Natürlich wird man einwenden, dass man
das schon einmal gehört hat. Erinnern Sie sich aber bitte
– wer von Ihnen Lehrer ist, der hat das einmal so gelernt –:
Die Wiederholung ist in der Pädagogik ein ganz wesent-
liches Element der Vertiefung. Deswegen will ich das
gerne noch einmal tun.

Erstens. Im Bundeshaushalt sind wiederum – auch im
letzten Jahr war das so – 9 Millionen Euro für die Auf-
nahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen ent-
halten. Das ist gut so.

Zweitens. Es gibt – darauf ist hingewiesen worden –
eine durchaus beachtliche Steigerung im Bereich der Mi-
grationsberatung für Erwachsene in Höhe von immerhin
8 Millionen Euro. Wenn ich mir die Zahlen richtig
notiert und gemerkt habe, dann wurden die Mittel von
26 auf jetzt 34 Millionen Euro erhöht.

Drittens – und das ist eigentlich noch wichtiger – ha-
ben wir in einer Zeit, in der es eine große Anzahl zusätz-
licher Zuwanderer und Flüchtlinge gibt, eine erhebliche
Steigerung des Stellenbestandes beim Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge erreicht. 300 Stellen mehr
waren es im letzten Jahr – soweit ich weiß, sind mittler-
weile alle besetzt –, und mit diesem Haushalt schaffen
wir für 2015 weitere 350 Stellen.

Ich kann mich noch gut an die Zeit erinnern, als die-
ses Amt in Nürnberg, diese nachgeordnete Bundesbe-
hörde, noch den Namen „Bundesamt für die Anerken-
nung ausländischer Flüchtlinge“ hatte. Alle, die damals
schon im Bereich der Flüchtlingsbewegung tätig waren,
werden mir zustimmen: Wir, die wir guten Wollens und
guten Willens im Sinne der Belange der Flüchtlinge tätig
waren, haben die Abkürzung BAFl eher so ausgeschrie-
ben: Bundesamt für die Ablehnung von Flüchtlingen.
Man kann das so sagen. Das war sozusagen unser nicht
immer emotionsfrei besetzter Angstgegner. Das hat sich
seit dem Jahre 2001 aber gründlich geändert.

Ich will diese Gelegenheit nutzen, um dem vormali-
gen Präsidenten, Herrn Dr. Albert Schmid, und dem jet-
zigen Präsidenten, Herrn Dr. Manfred Schmidt, ganz
herzlich dafür zu danken, dass sie diese Behörde ganz
erheblich und nachhaltig zu einer Dienstleistungsbe-
hörde umgebaut haben, mit der wir häufig und intensiv
Kontakt haben – auch und gerade im Sinne der Men-
schen, die bei uns Zuflucht suchen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dort wird überwiegend eine hervorragende Arbeit ge-
leistet. Denken Sie einmal daran, wie hoch die Zahl der
Flüchtlinge in den vergangenen Jahren war. Heute müs-
sen wir davon ausgehen, dass sich diese Zahl praktisch
verzehnfacht hat. Umso größer ist die Notwendigkeit,
hier eine entsprechende Arbeit zu leisten. Dabei ist uns
aus Sicht der SPD nicht nur eine zügige, sondern auch
eine sorgfältige und rechtsstaatlich fundierte Bearbei-
tung von Asylanträgen wichtig. Auch deswegen haben
wir diesem Personalaufwuchs in der Koalitionsvereinba-
rung zugestimmt und sehen wir das jetzt mit Freude auch
in diesem Haushalt.

Viertens. Nun komme ich zum Komplex Integrations-
kurse, wofür 40 Millionen Euro mehr zur Verfügung ste-
hen. Das ist aufgrund der gestiegenen Fallzahlen der
gleiche Zuwachs wie im letzten Jahr.

Ich will nicht verhehlen, dass in diesem Bereich noch
einige Wünsche offen bleiben. Die Mindestvergütung ist
noch heute nur so hoch, dass die Lehrkräfte selbst bei
Vollzeit mit lediglich knapp 1 000 Euro netto über die
Runden kommen müssen. Es wäre wünschenswert, dass
sie ein vernünftiges Einkommen haben, um wenigstens
der jetzigen Armut, der notwendigen Aufstockung durch
staatliche Zusatzleistungen und auch der Armut im Alter
zu entgehen.

Das muss auch unser Interesse sein; denn ein hoher
Erfolg von Integrationskursen setzt guten Unterricht vo-
raus, und guter Unterricht setzt gute Lehrkräfte voraus.
Voraussetzung für gute Lehrkräfte ist wiederum, dass
man sie halbwegs anständig bezahlt, sodass sie von die-
ser Arbeit leben können und nicht, was man verstehen
kann, bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen neuen
Job annehmen, weil das der Kontinuität der Arbeit nicht
guttut.

Wir werden uns daher weiterhin dafür einsetzen, dass
durch einen entsprechenden Mittelaufwuchs in Zukunft
auch eine angemessene Vergütung der Lehrkräfte und
bei dem einen oder anderen Träger hoffentlich auch eine
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung oder sogar,
wie ich hoffe, auch eine dauerhafte Anstellung ermög-
licht werden. Das jedenfalls wäre auch weiterhin unser
Ziel. Im Rahmen des Möglichen sind wir jedoch durch-
aus zufrieden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(A)






Rüdiger Veit


(A) (C)



(D)(B)

Ich komme zum letzten Punkt: Perspektiven für die
Zukunft. Es ist schon die Rede davon gewesen, Herr
Minister – das müssen wir laut und deutlich sagen und
dann die notwendigen Schlüsse ziehen –, dass es nicht
sein kann, dass wir heute zwar eine weit verbreitete, be-
grüßenswerte Akzeptanz und Sensibilität in unserer Be-
völkerung dafür haben, dass schutzsuchende Menschen
aus vielen Teilen dieser Welt zu uns kommen und hier
Zuflucht finden, dass wir aber diejenigen, die vor Ort
Integrationsarbeit zu leisten haben, nämlich die Kommu-
nen, mit dieser Aufgabe, jedenfalls in weiten Teilen die-
ser Republik, finanziell alleine lassen; denn Flüchtlings-
angelegenheiten und deren Versorgung muss zwar vor
Ort in den Kommunen geleistet werden, aber der Staat,
also Bund oder Länder, muss es bezahlen. Daran müssen
wir gemeinsam arbeiten.


(Beifall der Abg. Ulla Jelpke [DIE LINKE])


Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin, und bitte
um Nachsicht. Einen Punkt will ich uns allen mit auf den
Weg geben. Wenn wir über die Frage reden: „Wie kön-
nen wir den Kommunen nachhaltig helfen?“, dann will
ich Sie darüber informieren, dass der Parteivorstand der
SPD gestern in einem Papier beschlossen hat: Wir soll-
ten dafür sorgen, dass die Kosten für die Gesundheitsfür-
sorge der Asylbewerber und Flüchtlinge nicht mehr von
den Kommunen oder teilweise den Ländern getragen
werden, sondern wir sollten dafür sorgen, dass die
Flüchtlinge im Rahmen der gesetzlichen Krankenversi-
cherung eine Gesundheitsfürsorge erhalten und der Bund
dafür die Kosten übernimmt;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


übrigens ein Element aus Ihrem Antrag, das ich in der
Sache für richtig halte.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Einseitiges Vorpreschen!)


Ich möchte mich, offen gestanden, am liebsten auf
dieses Instrument konzentrieren. In dem Augenblick, in
dem wir die Kommunen bei den Kosten für die Gesund-
heitsfürsorge entlasten, tun wir auch unmittelbar etwas
für die Kommunen. Bei jedem anderen Finanzierungs-
weg könnte es sein, dass Finanzierungsmittel des Bun-
des möglicherweise in Länderhaushalten – ich sage es
einmal so – verschwinden.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806810100

Herr Kollege.


Rüdiger Veit (SPD):
Rede ID: ID1806810200

Daher möchte ich uns herzlich bitten, zu überlegen,

ob das nicht die schnellste, wichtigste und richtigste
Maßnahme wäre, um aktuell die Kommunen zu entlas-
ten und bei den Flüchtlingen für eine angemessene Ge-
sundheitsfürsorge zu sorgen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806810300

Danke, Kollege Rüdiger Veit. – Nächster Redner in

der Debatte ist Volker Beck für Bündnis 90/Die Grünen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806810400

Hochverehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen, zum
einen zum Thema Sicherheit und zum anderen zum
Thema, wie wir die Situation der Flüchtlinge humanitär
bewältigen.

Herr Minister, ich war schon erstaunt, dass in Ihrer
Rede – das spiegelt ein bisschen die Situation im Haus-
halt wider – das Thema Cybersicherheit überhaupt nicht
vorkam. Das ist jedoch eine zentrale Frage für den Wirt-
schaftsstandort Deutschland.


(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Netze des Bundes!)


Es ist auch eine zentrale Frage für das Haus in der Bun-
desregierung, das für Sicherheit und Freiheit in diesem
Land hohe Verantwortung trägt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben zu Recht das Thema angesprochen – da ha-
ben wir große Aufgaben zu bewältigen –: Was machen
wir gegen den Terrorismus vom IS? Wir als Bundesrepu-
blik Deutschland haben die Verantwortung, dafür zu sor-
gen, dass dem IS keine weiteren Kämpfer aus Deutsch-
land, aus Europa mehr zulaufen. Da tragen wir eine
große Verantwortung.

Wir haben im Innenausschuss erheblichen Nachbes-
serungsbedarf festgestellt, was die Exekution der gesetz-
lich geregelten Sicherheitsmaßnahmen angeht. Auch
beim Schengener Informationssystem läuft vieles nicht
rund. Da müssen wir besser werden. Ich war erstaunt,
dass das in den Innenministerien von Bund und Ländern
so lange liegen geblieben ist. Also: Nachbessern!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber Repressionen alleine, die in diesem Bereich not-
wendig sind, können es nicht richten. Wir brauchen auch
Prävention. Wir müssen um die Köpfe und Herzen der
Menschen kämpfen, die sich von der IS-Propaganda an-
gesprochen fühlen. Wir hatten im Innenausschuss Mittel
für ein Deradikalisierungsprogramm in Höhe von
10 Millionen Euro beantragt. Sie haben das abgelehnt.
Gut, dass Sie sich bis zur Bereinigungssitzung immerhin
auf einen ersten zaghaften Schritt verständigen konnten
und für diesen Bereich 5 Millionen Euro eingestellt ha-
ben.

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in diesem Zusammen-
hang zivilgesellschaftliche Akteure suchen und stärken,
die in diesem Bereich arbeiten wollen. Weisen Sie, Herr
Innenminister, deshalb nicht die ausgestreckte Hand des
Zentralrats der Muslime zurück, der gesagt hat: Wir wol-
len unsere Imame so ausbilden, dass in unseren Gemein-
den keiner mehr auf solche terroristischen Rattenfänger
hereinfällt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)






Volker Beck (Köln)



(A) (C)



(D)(B)

Lassen Sie mich zum Thema Flüchtlinge kommen.
Rüdiger Veit – meine Kollegin Hajduk hat es vorhin
auch schon gesagt –, deine Vorstellungen werden wahr,
indem du dem Antrag unserer Fraktion am Freitag zu-
stimmst. Ich halte es auch für einen zentralen Punkt im
Umgang mit den Flüchtlingen, dass wir begreifen: Es
liegt eine doppelte Aufgabe vor uns, nämlich einerseits
die Menschenwürde und den Schutz der Flüchtlinge in
den Mittelpunkt zu stellen, anderseits aber auch zu er-
kennen, dass damit ein Potenzial an Menschen auf uns
zukommt, die etwas beitragen können, und dass wir die
Verantwortung haben, die Rahmenbedingungen so zu
gestalten, dass sie ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft
leisten können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das deklinieren wir in unserem Antrag durch. Das
heißt, dass wir den Menschen, die hierherkommen, von
Anfang an die Möglichkeit geben, sich durch Integra-
tionskurse für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu ma-
chen, vor allem nachdem sie in Zukunft nach drei Mona-
ten die Arbeitserlaubnis erhalten sollen und später die
Vorrangprüfung ganz wegfällt. Das ist entscheidend, da-
mit sie die Qualifikation, die sie mitbringen, in Deutsch-
land verwerten können.

Im Zusammenhang mit der Novellierung des Asylbe-
werberleistungsgesetzes regt mich eines wirklich auf.
Das hat Rüdiger Veit zu Recht angesprochen. Es gibt
eine Möglichkeit, die Kommunen enorm zu entlasten,
die das dringend brauchen, und der Menschenwürde der
Flüchtlinge gerecht zu werden. Das Bundesverfassungs-
gericht hatte bei seiner Entscheidung zum Asylbewer-
berleistungsgesetz nur über das Existenzminimum zu be-
finden. Aber es hat einen Satz gesagt, den man auf das
ganze Gesetz anwenden muss: „Die in Artikel 1 Absatz 1
Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrations-
politisch nicht zu relativieren.“

Asylbewerbern steht heute als Gesundheitsfürsorge
nur akute Nothilfe und Schmerzbehandlung zu. Mehr
gewährleistet das Asylbewerberleistungsgesetz nicht.
Ich meine, dass die Behandlung einer Krankheit in ei-
nem Sozialstaat wie der Bundesrepublik Deutschland
zur Menschenwürde gehört. Deshalb müssen wir die
Flüchtlinge endlich krankenversichern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das ist ein Gebot der Humanität, und es ist klug, die
Kommunen so zu entlasten. Das kostet etwas. Ein Kol-
lege von der CDU/CSU fragte gerade, ob das die Bei-
tragszahler bezahlen sollen. Nein, natürlich muss die öf-
fentliche Hand die Beiträge für die Flüchtlinge zahlen.
Das können wir nicht den Beitragszahlern aufbürden.
Aber das sollten wir schultern.

Wenn wir akzeptieren, dass die Menschen, die zu uns
kommen, Grundbedürfnisse haben, und wir sie ernst
nehmen, dann ist die Gesundheitsversorgung ein erster
Schritt, um sie mitten in unsere Gesellschaft zu holen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Herr Minister, Sie haben vorhin die Frage der siche-
ren Herkunftsstaaten und der Roma angesprochen. Ich
war zufälligerweise, weil in Belgrad der Gay Pride statt-
gefunden hat, eine Woche nach der Entscheidung des
Bundesrates selbst in Serbien, und ich habe dort Roma-
siedlungen besucht. Die Menschen dort sind übrigens
zum Teil aus Deutschland in den Kosovo abgeschoben
worden und dann ohne Papiere in Serbien in einer wil-
den Siedlung aufgetaucht. Sie leben dort ohne Wasser-
versorgung, ohne Behausung und ohne Zugang zu ir-
gendwelchen Sozialleistungen, weil sie für die serbische
Regierung nicht existent sind. Es gibt einige Hundert
solcher Siedlungen.

Meines Erachtens ist die entscheidende Frage nicht,
ob es sich um einen sicheren Herkunftsstaat handelt oder
nicht, sondern wie wir in unserem Flüchtlingsrecht da-
mit umgehen, wenn Menschen durch Diskriminierung
systematisch der Zugang zu den essenziellen Menschen-
rechten Nahrung, Wasser, Kleidung und Schutz vor ge-
walttätigen Übergriffen verwehrt ist. Das betrifft Serbien
genauso wie Bulgarien und Rumänien, die sogar Mit-
gliedstaaten der Europäischen Union sind. Sie haben
deshalb als deutscher Innenminister im Kreis Ihrer euro-
päischen Kollegen eine enorme Verantwortung. Ich
finde, der kommen wir in der Bundesrepublik wie auch
in den anderen Staaten der Europäischen Union nicht
hinreichend nach.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806810500

Herr Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806810600

Sie haben dafür plädiert, diesen Staaten ein Label aus-

zustellen. Das geht mit der Verantwortung einher, nun
dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Menschen-
rechte dieser Menschen tatsächlich gesichert ist. Sie ist
es noch nicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806810700

Danke, Herr Kollege Beck. – Nächster Redner ist

Stephan Mayer für die CSU-CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1806810800

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolle-

ginnen! Sehr geehrte Kollegen! Wir leben aus meiner
Sicht seit langem wieder einmal in einer Zeit, in der in-
nenpolitische Themen ganz oben auf der politischen
Agenda stehen. Eine solche Zeit gab es lange nicht mehr.
Man kann mit Fug und Recht behaupten: Der Haushalt
des Innenministeriums, den wir heute verabschieden,
wird den gestiegenen und großen Herausforderungen
vollumfänglich gerecht. Das wurde aber erst dadurch er-
reicht – das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sa-
gen –, dass in der Bereinigungssitzung des Haushalts-





Stephan Mayer (Altötting)



(A) (C)



(D)(B)

ausschusses ein deutlicher Aufwuchs im Einzelplan 06
ermöglicht wurde. Ich muss ehrlich sagen: Ich persön-
lich hätte es für nicht möglich gehalten, dass sich ein
derartiger Aufwuchs darstellen lässt. Deswegen möchte
ich nicht hintanstehen, den Haushältern, insbesondere
den Mitgliedern des Haushaltsausschusses, die diesem
Aufwuchs zugestimmt haben, ausdrücklich zu danken.

Das kann sich sehen lassen. Allein 113 Millionen
Euro zusätzlich werden für die Bundespolizei ein-
gestellt. Ich kann mir gut vorstellen, dass es durchaus
attraktivere Bereiche gibt, denen man sich im Haus-
haltsauschuss zuwenden könnte, zum Beispiel mehr
Geld für Verkehrsinfrastruktur, mehr Geld für soziale
Wohltaten oder mehr Geld für Forschung und Bildung.
Aber dass hier ein deutliches Signal für die innere Si-
cherheit und die Bedeutung der Innenpolitik gesetzt
wurde, verdient großen Respekt. Deswegen von meiner
Seite aus ein herzliches Dankeschön an die Adresse der
Haushälter!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insbesondere der Aufwuchs der Mittel für die Bun-
despolizei ist ein klares Signal dafür, dass wir verstanden
haben, dass die Bundespolizei vor gestiegenen Heraus-
forderungen, vor einem Aufwuchs an Aufgaben steht
und dass wir diesen Herausforderungen gerecht werden
müssen. 406 zusätzliche Stellen können sich genauso se-
hen lassen wie 356 zusätzliche Stellenhebungen. Ich
möchte gar nicht behaupten, dass damit alles getan ist.
Hier gilt der gleiche Grundsatz wie im Fußball: Nach
dem Haushalt ist vor dem Haushalt. Natürlich wird es
auch in Zukunft darum gehen, die Bundespolizei sowohl
personell als auch sächlich besser auszustatten. Aber
das, was in der Bereinigungssitzung des Haushaltsaus-
schusses erreicht wurde, kann sich wirklich sehen lassen.

Ich würde mich freuen, wenn sich die Länder stärker
an der Bundespolizei orientieren würden. Bei der Bun-
despolizei gab es in den letzten zehn Jahren einen Auf-
wuchs an Stellen. Wenn man sich aber die Gesamtstruk-
tur der Polizeien des Bundes und der Länder anschaut,
dann stellt man bedauerlicherweise fest, dass es heute
über 10 000 Vollzugsbeamte weniger gibt als vor zehn
Jahren. Das stellt eine klare Hausaufgabe für die Länder
dar.

Wir sollten trotz der aktuellen Themen wie der Bedro-
hung durch den sogenannten „Islamischen Staat“ und die
deutliche Zunahme der Zahl der Asylbewerber nicht ver-
gessen, was die Bevölkerung unmittelbarer betrifft und
stärker besorgt: die Alltagskriminalität und die deutliche
Zunahme im Bereich der organisierten Kriminalität.
Man sollte nicht vergessen, dass in Deutschland alle
dreieinhalb Minuten ein Wohnungseinbruchsdiebstahl
stattfindet. Solche Themen berühren das subjektive Si-
cherheitsempfinden der Bevölkerung. Wir sollten uns in
der Innenpolitik verstärkt solchen Themen zuwenden. Es
geht vor allem darum, den internationalen Austausch
von Informationen zu verbessern. In diesem Zusammen-
hang ist es als ein großer Erfolg anzusehen, dass erst-
mals in der Geschichte von Interpol – der Dank und die
Gratulation gehen an die Adresse des Bundesinnen-
ministers – mit Herrn Dr. Stock, dem bisherigen Vize-
präsidenten des BKA, ein deutscher Beamter Generalse-
kretär wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das kann sich ebenfalls sehen lassen und macht deutlich,
dass unsere Sicherheitsbehörden über hervorragendes
Personal verfügen.

Genauso wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir sinn-
volle Präventionsmaßnahmen unterstützen, damit sich
die Bürgerinnen und Bürger persönlich gegen Woh-
nungseinbruchsdiebstähle besser schützen können. In
vielen Städten und Gemeinden nimmt die Verunsiche-
rung zu, weil ein deutlicher Zuwachs an Einbruchsdieb-
stählen bei Gewerbeansiedlungen und Wohnungen zu
verzeichnen ist.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, eine
große Bedrohung stellt mit Sicherheit der internationale
Terrorismus dar. Es ist eine außerordentlich besorgniser-
regende Entwicklung, dass mittlerweile 500 Dschihadis-
ten Deutschland verlassen haben und auf dem Weg nach
Syrien und in den Nordirak sind. Aber wir sollten uns
gar nicht nur auf die Zahl der aus Deutschland Ausge-
reisten kaprizieren: Insgesamt sind allein aus Westeu-
ropa mittlerweile über 3 000 Dschihadisten nach Syrien
und in den Nordirak gereist.

Nach Deutschland sind zumindest nach offiziellen
Angaben 180 wieder zurückgekehrt. Diese Rückkehrer
werden die Sicherheitsbehörden in Zukunft vor noch
größere Herausforderungen stellen. Ich bin Ihnen, Herr
Bundesminister, sehr dankbar, dass Sie sehr konsequent
und schnell mit der Verbotsverfügung gegenüber dem
sogenannten „Islamischen Staat“ gehandelt haben. Das
war ein klares Zeichen. Sie haben erwähnt, dass es schon
erste Ermittlungsverfahren wegen dieses Betätigungs-
verbotes gibt. Ich sage aber auch ganz offen: Das wird
aus meiner Sicht nicht reichen, weil es nach wie vor
heute noch zulässig ist, für Boko Haram, für al-Nusra
und für al-Schabab Werbung zu machen.

Deswegen bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass
wir auch die Debatte führen müssen, ob es nicht richtig
ist – ich bin der Meinung, es wäre richtig –, die Sympa-
thiebekundung für ausländische terroristische Organisa-
tionen wieder unter Strafe zu stellen, wie es schon vor
2002 der Fall war.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ausdrückliche Unterstützung bekommen Sie, sehr ge-
ehrter Herr Bundesminister, bei Ihrem Vorhaben, das
Personalausweisgesetz dahin gehend zu novellieren,
dass in Zukunft, wie es schon jetzt beim Reisepass mög-
lich ist, ausreisewilligen Dschihadisten auch der Perso-
nalausweis entzogen werden kann.

Ich denke, dass wir uns auch intensiv damit beschäfti-
gen sollten, ob wir nicht unser Staatsangehörigkeitsge-
setz ändern müssen. Es kann nicht sein, dass Personen,
die zwei Staatsangehörigkeiten haben, die deutsche und
noch eine, sich offenkundig gegen unsere Werte und ge-
gen die freiheitlich-demokratische Grundordnung wen-





Stephan Mayer (Altötting)



(A) (C)



(D)(B)

den. Deswegen halte ich es für richtig, dass wir, wie
auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritan-
nien, die gesetzliche Möglichkeit im Staatsangehörig-
keitsgesetz schaffen, dass bei Doppelstaatlern die deut-
sche Staatsangehörigkeit entzogen werden kann, um zu
verhindern, dass diese Personen wieder nach Deutsch-
land einreisen.


(Widerspruch der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])


Denn gibt es ein deutlicheres Zeichen dafür, dass man
sich von Deutschland und von unserer freiheitlich-demo-
kratischen Grundordnung abgewandt hat, als sich dem
sogenannten „Islamischen Staat“ anzuschließen?


(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gucken Sie mal ins Grundgesetz!)


In diesem Zusammenhang ist es aus meiner Sicht
auch wichtig, ein klares Bekenntnis zum Verfassungs-
schutz abzugeben. Ich bin dem Haushaltsausschuss
dankbar, dass es möglich war, im Haushalt 2015 das
Bundesamt für Verfassungsschutz sowohl personell als
auch mit Sachmitteln besser auszustatten. Wenn man
sich vor Augen führt, dass allein 24 Mitarbeiter des Ver-
fassungsschutzes notwendig sind, um nur einen Dschi-
hadisten in Deutschland rund um die Uhr, also 24 Stun-
den lang, zu beobachten, dann muss es doch jedem
einleuchten, dass wir im Bundesamt für Verfassungs-
schutz mehr Personal benötigen. Deshalb ein herzliches
Dankeschön an die Adresse der Haushälter, dass es zu
einem Personalaufwuchs auch beim Bundesamt für Ver-
fassungsschutz kommt.

Ich persönlich bin der festen Überzeugung: Wenn
man die Sicherheitsbehörden in Deutschland miteinan-
der vergleicht, dann stellt man fest, dass das Bundesamt
für Verfassungsschutz die am schlechtesten ausgestattete
Behörde ist, sowohl was das Personal als auch was die
Sachausstattung anbelangt. Hier gilt es auch weiterhin
deutlich nachzubessern.

Natürlich haben Maßnahmen zur Bewältigung der
deutlichen Zunahme der Flüchtlinge und Asylbewerber
eine hohe Priorität. Es ist schon erwähnt worden:
650 zusätzliche Stellen sind in zwei Haushaltsjahren al-
lein für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
geschaffen worden. Das wird ermöglichen, dass die Ver-
fahrensdauer deutlich reduziert wird. Es ist auch völlig
richtig, dass der Schwerpunkt auf die Bürger gelegt
wird, die aus den sicheren Herkunftsstaaten kommen.

Es muss erreicht werden, dass die Verfahren der Per-
sonen aus den sicheren Herkunftsstaaten schon ab-
geschlossen werden, solange die sich noch in der Erst-
aufnahmeeinrichtung aufhalten, um dann eine
schnellstmögliche Rückführung in das Heimatland zu
gewährleisten. Auf der anderen Seite ist es genauso rich-
tig, dass die Verfahren der Bürger, die aus Syrien, aus
dem Nordirak und aus Afghanistan kommen, ebenso
schnell abgewickelt werden, weil zu fast 100 Prozent da-
von auszugehen ist, dass diese Menschen über Jahre hin-
weg, vielleicht sogar für immer, in Deutschland bleiben
werden. Deswegen unterstützen wir nachdrücklich die
Bemühungen, dass auf diese beiden Personenkreise eine
hohe Priorität gesetzt wird, was die Verfahrensdauer an-
belangt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein großer Erfolg ist, dass es möglich war, das Gesetz
zur Einstufung weiterer Staaten als sichere Herkunfts-
staaten zu verabschieden. Das wird mit Sicherheit – da-
von bin ich fest überzeugt – eine klare Signalwirkung
entfalten. Ich glaube schon, dass es unsere gemeinsame
Aufgabe in den nächsten Monaten und vielleicht sogar
Jahren sein wird, dass wir den momentan noch vorhan-
denen – ich hoffe, es bleibt auch so – gesellschaftlichen
Konsens in unserer Bevölkerung erhalten, dass wir zu je-
der Zeit denen gegenüber offen sind, die politisch ver-
folgt sind, denen Gefahr für Leib und Leben droht. Es
darf auch durch keine Quote und durch kein Kontingent
jemals verhindert werden, dass jemand, der aus welchen
Gründen auch immer verfolgt ist, der flüchtet, der gede-
mütigt wurde, der malträtiert wurde, in Deutschland Un-
terschlupf finden kann.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806810900

Herr Kollege.


Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1806811000

Um dies zu erreichen, müssen wir auf der anderen

Seite konsequenter sein, wenn es um die Abschiebung
derjenigen geht, die nicht asylberechtigt sind.


(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)


Es kann nicht sein, dass der Grundsatz gilt: Wer asylbe-
rechtigt ist, der darf in Deutschland bleiben, und wer
nicht asylberechtigt ist, der darf auch in Deutschland
bleiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieser Grundsatz darf eben nicht gelten. Da geht der Ap-
pell vor allem in Richtung der Länder, konsequenter ab-
zuschieben.


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806811100

Herr Kollege, denken Sie an Ihre Redezeit; sonst

muss ich bei einem anderen Mitglied Ihrer Fraktion Re-
dezeit abziehen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Abschiebung steht kurz bevor!)



Stephan Mayer (CSU):
Rede ID: ID1806811200

Ich komme sehr gerne zum Schluss.

Ich darf mich abschließend wirklich ganz herzlich be-
danken. Wie so häufig hat der Erfolg viele Väter. Ich
möchte aber nicht verhehlen, dass es vor allem die CDU/
CSU-Bundestagsfraktion und insbesondere die Fachpo-
litiker in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion waren, die
nachdrücklich immer wieder darauf hingewiesen haben,
dass der Einzelplan 06, vor allem was die Sicherheitsbe-
hörden anbelangt, nicht auskömmlich ausgestattet ist. In-
sofern noch einmal ein herzliches Dankeschön für dieses
gute Ringen um den richtigen Weg. Ich glaube, das ist





Stephan Mayer (Altötting)



(A) (C)



(D)(B)

wirklich ein Erfolg, der sich sehen lassen kann. Dieser
Erfolg verdient auf jeden Fall die Zustimmung des ge-
samten Hohen Hauses.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806811300

Danke, Herr Kollege Mayer. – Frau Dr. Eva Högl von

der SPD ist die nächste Rednerin.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Eva Högl (SPD):
Rede ID: ID1806811400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Unsere Sicherheitsbehörden leisten eine
hervorragende Arbeit. Ich finde, es ist eine gute Gele-
genheit, in der Haushaltsdebatte zum Innenhaushalt dies
noch einmal ausdrücklich zu betonen.

Dass wir hier alle sicher leben, dass wir vor Straftaten
geschützt werden, dass Straftaten aufgeklärt werden, das
haben wir – das ist heute schon ein paarmal gesagt wor-
den; ich betone es aber noch einmal – den Mitarbeiterin-
nen und Mitarbeitern der Polizei – wir sprechen hier ins-
besondere über die Bundespolizei –, des Bundesamtes
für Verfassungsschutz und des Bundeskriminalamtes zu
verdanken. Diese leisten einen wichtigen Beitrag für un-
sere Sicherheit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme zum Thema Kritik. Es ist richtig und
wichtig, dass wir dort, wo es angebracht ist, Kritik üben.
Wir haben in der letzten Sitzungswoche über die NSU-
Mordserie gesprochen. Wir haben im Untersuchungsaus-
schuss im Zusammenhang mit dieser Mordserie nicht
nur Fehler und Versäumnisse, sondern ein echtes Versa-
gen aufdecken müssen. Insofern ist es richtig, dass wir
das hier nicht nur ansprechen und aufgreifen, sondern
auch – das ist für uns entscheidend – zum Ausgangs-
punkt für zahlreiche Reformen nehmen.

Ich möchte die Reformen beim Verfassungsschutz an-
sprechen, die wir vor uns haben. Herr Minister, wir ha-
ben uns diese Reformen für das nächste Jahr vorgenom-
men. Wir wollen den Verfassungsschutz grundlegend
reformieren. Einige Bundesländer haben das schon ge-
macht, und auch wir müssen das für den Bund auf jeden
Fall in Angriff nehmen. Wir müssen die Analysefähig-
keit des Verfassungsschutzes verbessern. Wir haben es
beim NSU-Untersuchungsausschuss gesehen: Rechts-
extremismus wurde über viele Jahre – man kann sagen:
Jahrzehnte – verharmlost, und Rechtsextremismus
wurde nicht als Gefahr für unsere Gesellschaft gesehen.
Das müssen wir ändern. Da ist der Verfassungsschutz
gefragt, ganz frühzeitig Entwicklungen zu registrieren
und dann gut im Blick zu behalten.

Wir haben es jüngst beim Thema HoGeSa in Köln ge-
sehen, dass ganz offensichtlich die Einschätzung falsch
war, dass Rechtsextreme nicht in der Lage sind, ganz
kurzfristig mehrere Tausend Menschen nach Köln zu
mobilisieren und dort nicht nur die Polizei, Bürgerinnen
und Bürger, sondern auch unsere Sicherheit insgesamt
zu bedrohen und Stimmung zu machen. Deswegen ist es
wichtig, dass wir den Verfassungsschutz gut reformieren
und gut aufstellen.

Es gibt ein paar Punkte, die wir uns dabei vorgenom-
men haben; sie betreffen die Zusammenarbeit zwischen
Bund und Ländern. Wir wollen hier im Deutschen Bun-
destag dafür werben, dass das Bundesamt für Verfas-
sungsschutz eine Zentralstelle wird. Das wäre richtig
und wichtig. Nicht für alles ist eine Zentrale die richtige
Stelle. Wir wollen den Föderalismus natürlich beibehal-
ten und, wie wir betonen, auch im Innenbereich; aber
manche Dinge sind in der Zentralstelle doch besser auf-
gehoben. Deswegen müssen wir das BfV an dieser Stelle
stärken.

Wir wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen, den ge-
samten Bereich der V-Leute neu regeln. Wir sind der
Auffassung: Wir brauchen V-Leute. Aber wir haben fest-
stellen müssen, dass ihr Einsatz, ihre Führung, ihre Be-
zahlung und auch ihre Kontrolle nicht ansatzweise dem
genügen, was wir für erforderlich halten, damit sie wert-
volle Informationen geben können und uns bei der Beur-
teilung der Lage helfen können.

Ich werbe an dieser Stelle noch einmal dafür, dass wir
die G-10-Kommission ins Boot holen und die Kontrolle
über den Einsatz der V-Leute auf die G-10-Kommission
verlagern. Es ist nichts, was nur parlamentarische Auf-
gabe ist; aber es ist auch nichts, was allein in der Be-
hörde bleiben kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen in den
Sicherheitsbehörden exzellente Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter. Wir haben da schon viele; aber nichts ist so
gut, dass es nicht noch besser werden kann. Wir verlan-
gen viel von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der
Sicherheitsbehörden; unsere Erwartungen sind hoch.
Deswegen ist es auch richtig und gut – das ist heute
schon ein paarmal betont worden; ich betone es noch
einmal und danke auch hier den Haushälterinnen und
Haushältern –, dass wir die Sicherheitsbehörden gut aus-
statten sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gut
bezahlen.


(Beifall bei der SPD)


Es kann nicht sein, dass Beamte der Bundespolizei
Teile ihrer Ausrüstung selbst bezahlen müssen, dass sie
Knieschützer oder Anoraks selbst kaufen müssen. Es
kann auch nicht sein, dass beim Verfassungsschutz be-
stimmte Entwicklungen nicht in den Blick genommen
werden, weil nicht genügend Personal da ist. Deswegen
ist es gut, dass wir 20 Millionen Euro zusätzlich für Aus-
rüstung und Fahrzeuge bei der Bundespolizei sowie
400 Stellen zusätzlich bereitstellen und außerdem – das
möchte ich auch noch einmal betonen – auf 250 Stellen
bei der Bundespolizei Beförderungen möglich machen.
Es ist nämlich wichtig, dass wir gute Arbeit gut beloh-
nen und auch Anreize schaffen.


(Beifall bei der SPD)






Dr. Eva Högl


(A) (C)



(D)(B)

Ich unterstütze ausdrücklich, dass wir die Mittel für
das Bundesamt für Verfassungsschutz aufstocken, dass
wir 10 Prozent – rund 21 Millionen Euro – mehr dafür
bereitstellen; denn – ich habe es eben schon gesagt –
auch der Verfassungsschutz leistet eine wichtige Arbeit
und muss entsprechend unterstützt werden.


(Beifall des Abg. Dr. Reinhard Brandl [CDU/ CSU])


Wir werden bei künftigen Haushaltsberatungen, liebe
Kolleginnen und Kollegen, noch einmal über Cyber-
kriminalität, über das Thema Kinderpornografie und das
Thema „Ausstattung des Bundeskriminalamts“ sprechen
müssen. Wir sehen im Untersuchungsausschuss gerade,
was für eine exzellente Arbeit die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter des Bundeskriminalamts, die sich mit dem
schwierigen Thema Kinderpornografie befassen, dabei
leisten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich möchte das nicht den ganzen Tag machen. Deswegen
auch an dieser Stelle ein Dankeschön dafür! Ich glaube,
dass wir da auch noch Nachholbedarf haben. Wenn wir
wollen, dass Kinderpornografie besser und wirksamer
bekämpft wird, müssen wir das Bundeskriminalamt und
die anderen Stellen besser ausstatten.

Ich habe über Sicherheit gesprochen; jetzt noch ein
Wort zur Demokratieförderung. Wir setzen auch beim
Kampf gegen Rechtsextremismus gute Akzente. Wir ha-
ben im Einzelplan 06 das Programm „Zusammenhalt
durch Teilhabe“. Ich sage es ganz offen: Die SPD-Bun-
destagsfraktion hätte dieses Programm sehr gern weiter
aufgestockt. Wir haben dafür 6 Millionen Euro vorgese-
hen. Wir hätten es gern auf Westdeutschland ausgedehnt,
damit wir auch Vereine und Verbände in Westdeutsch-
land hinsichtlich Fortbildungs- und Qualifikationsmaß-
nahmen besser ausstatten können.


(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird auf Westdeutschland ausgedehnt! Aber ohne mehr Geld!)


Das war leider nicht möglich; das hätte ich aber gut ge-
funden.

Was aber möglich war – das betrifft jetzt nicht den
Einzelplan 06, aber ich möchte es an dieser Stelle her-
vorheben –: Wir haben erreicht, dass 10 Millionen Euro
mehr für das Programm „Demokratie leben! Aktiv gegen
Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlich-
keit“ bereitgestellt werden, und das ist ein riesengroßer
Erfolg, liebe Kolleginnen und Kollegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben jetzt 40 Millionen Euro für dieses wichtige
Programm. Wir reden nicht nur, sondern wir handeln.
Wenn man das mit dem zusammenzählt, was die Bun-
deszentrale für politische Bildung erhält – das sind wei-
tere 5 Millionen Euro –, dann kommen wir sogar auf die
50 Millionen Euro, die wir im NSU-Untersuchungsaus-
schuss immer gefordert haben und die wir brauchen, um
uns in der Demokratie wirksam gegen Rechtsextremis-
mus und andere Formen der Menschenfeindlichkeit zu
engagieren. Das, denke ich, ist ein großer Erfolg.

Den eingeschlagenen Weg gehen wir weiter. Ich
danke allen, die dafür geworben und gekämpft haben
und sich daran beteiligt haben, und freue mich auf wei-
tere innenpolitische Debatten zum Thema Haushalt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806811500

Vielen Dank, Eva Högl. – Nächster Redner in der De-

batte: Dr. André Berghegger für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. André Berghegger (CDU):
Rede ID: ID1806811600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Die solide Finanz-
politik der Bundesregierung erfährt, glaube ich, eine im-
mer breitere Zustimmung in der Bevölkerung und auch
bei den Wissenschaftlern in unserem Land.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine lustige Wahrnehmung!)


Die schwarze Null war, ist und bleibt dabei, denke ich,
ein Kernanliegen der Union. Mit dem anstehenden Be-
schluss über den Haushaltsplan 2015 halten wir Wort.
Das schafft Vertrauen, und – wie hat unser Bundes-
finanzminister heute Morgen gesagt? – das ist auch sehr
wichtig in der fragilen Situation der Wirtschaft in Eu-
ropa.

Lieber Stephan Mayer, ich nehme dein Zitat gerne
auf, nur in etwas anderer Weise. Die Fußballweisheit
„Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ gilt auch hier; denn
wir können uns kurz über diesen ausgeglichenen Haus-
halt freuen. Aber entscheidend ist, dass wir das nachhal-
tig angehen, dass wir dauerhaft ausgeglichene Haushalte
ohne Neuaufnahme von Krediten beschließen.


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da wird es dann eher traurig!)


Das erfordert natürlich Ausgabendisziplin. Ich glaube,
wir tun gut daran, an dieser Stelle erst einmal das zu be-
schließen, was wir zwingend vereinbart haben – das ist
schwierig genug –, bevor wir uns neuen Projekten zu-
wenden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein Haushalt ohne neue Schulden ist ja kein Selbst-
zweck, sondern er soll schlicht und ergreifend die Zu-
kunftsfähigkeit unseres Landes sichern. Konsolidieren
und Wachsen gehen zusammen. Das haben wir, glaube
ich, an den Wachstumsraten in Deutschland in den letz-
ten Jahren feststellen können. Außerdem wird dadurch
Beschäftigung geschaffen. Das ist generationengerecht,
und eine solche Politik schafft Spielräume für die Zu-
kunft und auch für diesen Einzelplan.





Dr. André Berghegger


(A) (C)



(D)(B)

Ich denke, ein Haushalt muss Antworten auf gesell-
schaftspolitische Fragen liefern. Auf diese gesellschafts-
politischen Fragen liefert zum Teil auch dieser Einzel-
plan 06 Antworten. Wir hatten einen guten Entwurf der
Bundesregierung. Den haben wir in den Beratungen aber
Stück für Stück noch spürbar verbessert mit einem
Schwerpunkt im Bereich der inneren Sicherheit. Ich
glaube, dafür gab es im Haushaltsausschuss große
Rückendeckung über alle Fraktionen hinweg. Aber
– auch das wurde in dieser Debatte mehrfach deutlich –
im Einzelplan 06 geht es nicht darum, den Status quo zu
bewahren, sondern es ist ein Anfang gemacht, und wir
müssen schauen, wo wir weitermachen können, wenn
wir Spielräume erarbeiten.

Der Einzelplan wächst um 350 Millionen Euro im
Vergleich zum Regierungsentwurf. Das ist ein beachtli-
cher Wert. Herr Bartsch, Sie haben dazu am Anfang der
Debatte, glaube ich, gesagt: Dies ist aus meiner Sicht
keine Resultante der schwarzen Null – so haben Sie es,
glaube ich, formuliert –, sondern das ist eine bewusste
politische Schwerpunktsetzung im Laufe des parlamen-
tarischen Verfahrens hin zum Bereich innere Sicherheit. –
Auch ich glaube, das ist sehr gut so.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Nachrichten in den letzten Monaten sind geprägt
von den Stichworten: Krisen, Terror, Ausbreitung von
Seuchen. Meldungen und Bilder davon sehen wir jeden
Tag, und sie erschüttern uns. Insbesondere meine ich da-
mit natürlich die Krise in der Ukraine, wo nach wie vor
jeden Tag Leute umkommen, das Terrorregime des soge-
nannten „Islamischen Staats“ und die Ausbreitung der
Ebolaseuche in Westafrika. Das scheint alles sehr weit
weg von uns zu sein. Aber in Wirklichkeit ist es uns ganz
nah. Wer einmal interessehalber die Entfernungen von
Berlin nach Kiew bzw. bis zur Krim heraussucht, wird
feststellen, dass das alles viel näher ist als teilweise uns
sehr bekannte Urlaubsziele. Deswegen ist es sehr wich-
tig, dass wir uns damit intensiv beschäftigen und dass
wir Hilfe in dem Umfang gewähren, wie wir das können.
Ich glaube, Deutschland leistet einen sehr guten Beitrag
im Rahmen der internationalen Gemeinschaft; denn nur
durch gemeinsame Anstrengungen können wir wir-
kungsvolle Unterstützung liefern.

Natürlich haben die angesprochenen Themen auch
Auswirkungen auf die Innenpolitik und insbesondere auf
den Geschäftsbereich des Innenministeriums. Einige
Stichworte wurden schon angesprochen. Ich möchte sie
aber – sehen Sie es mir nach – gerne wiederholen.

Ich beginne als Erstes mit der Bundespolizei. Der
Aufgabenbereich hier ist stetig gewachsen. Die Stich-
worte sind gefallen: Sicherung von Flughäfen und Bahn-
höfen, Überwachung der Grenzen gegen Schmuggel und
natürlich in letzter Zeit vermehrt gegen illegale Migra-
tion, Aufgaben bei Fußballspielen und Bekämpfung der
organisierten Kriminalität.

Vor kurzem konnte ich mir mit Kolleginnen und Kol-
legen einmal wieder persönlich ein Bild von der Arbeit
der Bundespolizei machen. Wir durften teilnehmen an
einer grenzübergreifenden Großkontrolle von deutschen
und niederländischen Polizeibeamten an der A 30. Mit
Händen war dort zu greifen, dass die Beamtinnen und
Beamten bis an ihre Belastungsgrenze gehen, sowohl in
personeller als auch sachlicher Hinsicht. Ihre Arbeit ist
für uns von unschätzbarer Bedeutung. Wir haben
schlicht und ergreifend die Aufgabe, die Voraussetzun-
gen dafür zu schaffen, dass sie ihre Arbeit weiterhin gut
leisten können. Ich denke, da sind wir auf einem ver-
nünftigen Weg. An dieser Stelle möchte ich mich gerne
dem Dank an die Beamtinnen und Beamten anschließen:
Vielen Dank für ihren unermüdlichen Einsatz zum Wohl
unserer Gesellschaft!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Entsprechende Weichenstellungen im Haushalt sind
vorgenommen worden:

Die Aufstockung der Mittel und ebenso die neu ge-
schaffenen Stellen aufgrund von Stellenanhebungen
– neben dem bereits existierenden Stellenhebungspro-
gramm – wurden bereits angesprochen. Dies ist, wie ich
glaube, eine gute Voraussetzung für die zukünftige Ar-
beit.

Ebenso erwähnen möchte ich die Mittel für die An-
schaffung moderner Schutzbekleidung und neuer Ein-
satzfahrzeuge. Dadurch haben wir gute Voraussetzungen
zur Entwicklung mithilfe dieses Einzelplans geschaffen.

Ich fühle mich bestätigt durch ein Schreiben vom
Hauptpersonalrat des Bundesinnenministeriums, das
nicht nur ich, sondern auch die anderen Mitglieder des
Innen- und Haushaltsausschusses bekommen haben. Da-
rin bedankt er sich für unser Engagement hinsichtlich
der Schwerpunktsetzung dieses Einzelplans. Dieses
Schreiben traf nach der Beschlussfassung ein. Es handelt
sich also um ein Dankesschreiben und nicht um ein
Schreiben mit Wünschen und Forderungen im Vorfeld.
Ich glaube, auch das zeigt, dass wir auf einem richtigen
Weg sind.

Der zweite Punkt – wahrscheinlich zählt dieser Punkt
zu den größten Herausforderungen, die vor uns stehen –
umfasst die Migration und Integration. Die Integrations-
arbeit ist für unsere Gesellschaft wichtig, für die Zukunft
wahrscheinlich existenziell wichtig. In verschiedenen
Facetten haben wir diesen Bereich aufgewertet: Zu-
schüsse für die Minderheitengremien und für die Migra-
tionsberatung von erwachsenen Zuwanderern und mehr.

Ein Ziel für uns muss es aber sein, eine deutliche Be-
schleunigung der Asylverfahren zu erreichen. Dafür lie-
ferte natürlich die neue Einstufung in sichere Herkunfts-
länder einen Beitrag. Das bietet die Grundlage für die
Ablehnung von offensichtlich unbegründeten Anträgen
von Personen aus diesen Ländern. Unbeschadet dieser
Möglichkeit können die Betroffenen natürlich individu-
ell immer wieder versuchen, nachzuweisen, dass sie
politisch verfolgt werden.

Wir müssen auf die dynamische Entwicklung in die-
sem Bereich reagieren. Die Zahl der Asylbewerber auf-
grund von Flucht und Vertreibung, insbesondere aus
dem syrischen Raum, nimmt deutlich zu. Aktuell liegen





Dr. André Berghegger


(A)



(D)(B)

noch 150 000 Anträge vor, über die noch nicht entschie-
den worden ist. Die 650 bereitgestellten Stellen dienen
auch dazu, diese Anträge abarbeiten zu können. Es ist
eine riesige Herausforderung, der wir uns alle – Bund,
Länder und Kommunen – stellen müssen,


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Ja! Bund, Länder und Kommunen!)


um dieser Herausforderung Herr zu werden und eine
gute Entwicklung zu ermöglichen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Als dritter Punkt muss an dieser Stelle die Arbeit der
Stiftungen und der Bundeszentrale für politische
Bildung ebenfalls hervorgehoben werden. Sie spielen in-
sofern eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Terro-
rismus, als von den politischen Stiftungen Aufklärungs-
arbeit hier im Land, aber auch im Ausland geleistet
werden kann. Sie tragen dazu bei, dass in Krisenregio-
nen demokratische Strukturen aufgebaut und die Zivil-
gesellschaften gestärkt werden. Auch hier haben wir
eine deutliche Aufwertung erzielen können. Da schon
meine Vorredner Details genannt haben, muss ich sie
nicht wiederholen.

Ich möchte als vierten Punkt noch den Katastrophen-
schutz ansprechen. Humanitäre Katastrophen erfordern
eine schnelle und effiziente Hilfe. Dies geschieht im In-
wie im Ausland. Diese Hilfe ist sowohl im Ausland bei
einer Epidemie wie Ebola wie auch im Inland bei den
leider immer wiederkehrenden Flutkatastrophen zu leis-
ten. Wir tun gut daran, die entsprechenden Mittel deut-
lich aufzustocken. Das ist gut angelegtes Geld. Wir ver-
suchen natürlich, eine Verstetigung der Mittel auf hohem
Niveau zu erreichen. Dadurch wird sichergestellt, dass
beispielsweise das THW seine hervorragende Arbeit
auch in Zukunft leisten kann. Wir sorgen dafür, dass die
Voraussetzungen dafür vorhanden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch ei-
nen kleinen Punkt ansprechen, der heute noch gar nicht
erwähnt worden ist und für den sich Erika Steinbach, die
hier anwesend ist, über viele Jahre eingesetzt hat. Ich
freue mich, dass wir einen kleinen Titel im Haushalt be-
schlossen haben, in dem Geld für den Festakt zum An-
lass des Gedenktages für die Opfer von Flucht und Ver-
treibung, der ab 2015 jährlich am 20. Juni abgehalten
werden soll, eingestellt ist. Mich freut es, dass wir diesen
Schritt endlich gehen konnten.

Jetzt bleibt mir nur noch übrig, Dank all denjenigen
zu sagen, die sich konstruktiv an den Beratungen betei-
ligt haben. Ich glaube, dieser Einzelplan bietet eine gute
Grundlage für die Arbeit im kommenden Jahr.

Herzlichen Dank fürs freundliche Zuhören.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806811700

Danke, Kollege Berghegger. – Nächste Rednerin:

Susanne Mittag für die SPD.


(Beifall bei der SPD)



Susanne Mittag (SPD):
Rede ID: ID1806811800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Es kommt ja nicht so oft vor, dass wir Politi-
ker nach der Bereinigungssitzung des Haushaltsaus-
schusses Lob von Gewerkschaften erhalten. Das Lob der
Gewerkschaft der Polizei für den Bereich Bundespolizei
freut mich und uns deswegen natürlich besonders. Ande-
rerseits wirft es eben auch ein Schlaglicht darauf, wie die
Situation bei den Sicherheitsbehörden vorher aussah.
Denn Polizisten beklagen sich erst einmal nicht; sie er-
tragen sehr lange eigentlich nicht mehr hinnehmbare Si-
tuationen, versuchen alles, um doch noch ihren Dienst
für die Sicherheit in unserem Land zu leisten. Deshalb
braucht es sehr lange, bis Polizisten eine Demo für eine
Verbesserung ihrer Personalsituation und Ausstattung
veranstalten. Diese Demonstration fand im November
hier in Berlin statt. Wir haben die Forderungen mitge-
nommen, und ich freue mich sehr, dass zumindest für ei-
nige Punkte im Haushalt Verbesserungen erreicht wer-
den konnten.

Es ist schon ein Erfolg der Großen Koalition, dass
205 Stellen zur Bewachung der schon erwähnten Gold-
reserven der Deutschen Bundesbank neu geschaffen
werden. Es ist auch ein Erfolg, dass es 140 neue Stellen
für die Bundespolizei zum Schutz des zivilen Luftver-
kehrs an Flughäfen gibt. Es ist des Weiteren ein Erfolg,
dass es 60 neue Stellen für den Personenschutz im Aus-
land, also an den deutschen Botschaften, gibt. Es ist zu-
dem ein Erfolg – das ist schon erwähnt worden –, dass
das Stellenhebungsprogramm fortgesetzt und ausgewei-
tet wird.

Es ist weder zumutbar, noch können polizeiliche Auf-
gaben erfüllt werden, wenn Bundespolizisten in Fahr-
zeugen, die teilweise deutlich älter sind als sie selber, in
den Einsatz fahren und dann auch noch eine bröckelnde,
schwere Schutzweste mit ihrem Kollegen teilen müssen.


(Beifall bei der SPD)


Daher ist die Bereitstellung von zusätzlichen 20 Millio-
nen Euro für Ausrüstung und Fahrzeuge unbedingt not-
wendig; auch das ist ein Erfolg der Haushaltsberatungen.

Ich gebe aber auch zu, dass ich mir in einigen Berei-
chen des Haushaltes doch ein bisschen mehr erhofft
hätte. Das BKA zum Beispiel hat nur 20 neue Stellen
plus 6 weitere sogenannte Verfügungsstellen erhalten.
Das freut mich grundsätzlich schon. Aber insbesondere
im Hinblick auf die Bekämpfung der organisierten Kri-
minalität hätte ich mir da ein bisschen mehr gewünscht.

In der vergangenen Woche war die Herbsttagung des
BKA in Mainz. Dort wurde der langjährige Präsident
Jörg Ziercke in den Ruhestand verabschiedet. Ihm
möchte ich an dieser Stelle explizit im Namen der SPD-
Bundestagsfraktion für seine Arbeit an der Spitze des
BKA danken. Auch wenn Herr Ziercke ab und an ein

(C)






Susanne Mittag


(A) (C)



(D)(B)

streitbarer Geist war und auch bleibt: Seine Fachkompe-
tenz ist hier im Hause und auch in seiner Behörde hoch-
geschätzt und anerkannt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das Thema der Herbsttagung in Mainz war die organi-
sierte Kriminalität. Wer erfahren will, welche Bedrohung
die organisierte Kriminalität – abgesehen vom auch im-
mensen wirtschaftlichen Schaden – für das subjektive
Sicherheitsgefühl in unserer Gesellschaft darstellt, muss
bloß einmal mit Opfern eines Einbruchsdiebstahls, eines
Schockanrufes oder eines Enkeltricks sprechen. Diese
Taten werden häufig von international agierenden Ban-
den durchgeführt und hinterlassen fast in jedem Falle
traumatisierte Opfer. Und die Fallzahlen steigen hier seit
Jahren. Genau deshalb müssen wir das BKA weiter stär-
ken; denn es hat in der Ermittlungsarbeit zwischen den
Bundesländern und den europäischen Institutionen eine
verbindende Funktion. Wenn wir – so habe ich Ihre Aus-
führungen, Herr Minister de Maizière, in Mainz verstan-
den – die Bekämpfung der organisierten Kriminalität
sehr ernst nehmen, müssen wir hier auch mehr investie-
ren. Ich bin da zuversichtlich im Hinblick auf den Haus-
halt 2016.

Wir als SPD-Bundestagsfraktion stehen klar zu dem
Ziel, den nachkommenden Generationen keinen Schul-
denberg zu hinterlassen; das ist hier schon mehrfach ge-
sagt worden. Allerdings ist für uns dabei nicht nur ein
ausgeglichener Haushalt entscheidend, sondern auch,
dass die Infrastrukturen und Einrichtungen, die wir für
ein sicheres Zusammenleben in unserem Land brauchen,
zukunftssicher sind. Wir brauchen Feuerwehren, Ret-
tungsdienste und das THW, die gut ausgerüstet sind, um
helfen zu können.

Wer oftmals in seiner Freizeit Dienst für unsere Ge-
sellschaft leistet, sollte nicht mit marodem Material aus
sanierungsbedürftigen Dienststellen in den Einsatz fah-
ren müssen. Wir haben die Mittel für das THW im lau-
fenden Haushaltsjahr 2014 zu Recht um 10 Millionen
Euro erhöht. Das war im Haushalt 2015 leider nicht
möglich. Aber wir haben den Regierungsentwurf deut-
lich verbessert: 4 Millionen Euro zusätzlich und eine
Verpflichtungsermächtigung über 23 Millionen Euro bis
2018, um endlich die vielerorts maroden THW-Unter-
künftige und -Liegenschaften zu sanieren. Viele Länder
beneiden uns um unsere freiwilligen Feuerwehren und
um die ehrenamtlichen Helfer des THW und der Ret-
tungsdienste. Wir dürfen durch das Sparen nicht deren
Existenz und Zukunftsfähigkeit verspielen.

Sicherheit – auch das ist Infrastruktur, die wir erhal-
ten müssen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit nachfol-
genden Generationen gegenüber und auch der sozialen
Gerechtigkeit. Es darf nicht sein, dass die Sicherheit des
Einzelnen vom eigenen Geldbeutel abhängt.

Mit dem vorliegenden Haushalt haben wir von CDU/
CSU und SPD bewiesen, dass wir bereit sind, für die in-
nere Sicherheit Geld in die Hand zu nehmen. Wenn neue
Aufgaben, die BKA, Bundespolizei, BSI, THW und an-
dere Behörden übernehmen sollen, in den Haushaltsbe-
ratungen in den kommenden Jahren berücksichtigt und
Versäumnisse der Vergangenheit aufgearbeitet werden,
können wir froh sein; denn Sicherheit gibt es nicht zum
Nulltarif. Aber ich denke, wir sind auf einem guten Weg.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806811900

Vielen Dank, Frau Kollegin Mittag. – Die letzte Red-

nerin in dieser Debatte: Michaela Engelmeier für die
SPD.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Michaela Engelmeier (SPD):
Rede ID: ID1806812000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Her-
ren! Was gibt es Schöneres, als als letzte Rednerin des
Tages zu einem Superthema zu sprechen?


(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf der Bambi-Verleihung sprechen zu dürfen!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806812100

Da fällt mir schon was ein.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CDU/CSU)



Michaela Engelmeier (SPD):
Rede ID: ID1806812200

Drei Minuten für den Sport; das ist, finde ich, eigent-

lich ganz gut.

Seit die SPD in der Regierung ist, geht es wieder rich-
tig aufwärts mit dem Sport.


(Beifall bei der SPD – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dass das immer noch steigerbar ist! Wahnsinn!)


Bereits zum Abschluss des letzten Haushalts stand ich an
dieser Stelle und habe für Kontinuität im Sporthaushalt
geworben. Nun stehe ich ein knappes halbes Jahr später
wieder hier, und es sind zwei Aufträge, die wir formu-
liert hatten, in Erfüllung gegangen: Zum einen hat un-
sere Fußballnationalmannschaft die WM gewonnen und
den Titel nach Hause gebracht – herzlichen Glück-
wunsch! –,


(Reinhard Grindel [CDU/CSU]: Das liegt aber nicht nur an der SPD, Frau Engelmeier!)


und zum anderen stellen wir durch effektive Verhandlun-
gen in den Haushaltsberatungen einen hohen Zuschlag
für den Sport bereit.

Gemeinsam mit den Fachpolitikerinnen und Fach-
politikern sowie den Haushältern der Koalition ist es uns
gelungen, stolze 15 Millionen Euro extra für die Sport-
förderung in Deutschland freizugeben. Ein sportlicher
Einsatz!





Michaela Engelmeier


(A) (C)



(D)(B)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Dr. Reinhard Brandl [CDU/ CSU]: Auch dank der CDU/CSU-Fraktion!)


– Entschuldigung, Sie waren natürlich auch daran betei-
ligt.

Mit der Sportförderung unterstützen wir die Vielfalt
unserer Gesellschaft und die Freude am Wettkampf. Wir
stärken Integration und Inklusion und haben – hören Sie
gut zu! – die Kürzungen beim Behindertensport abge-
wandt.


(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch dieses!)


Im Kampf gegen Doping haben wir den Bundeszu-
schuss für die Nationale Anti Doping Agentur, NADA,
nochmals deutlich erhöht. Die Finanzierung teilen sich
Staat und Sport übrigens zur Hälfte. Der Bund hat seinen
Beitrag erfüllt, jetzt ist der organisierte Sport am Zuge.
Durch diese kräftige Finanzspritze geben wir den Weg
frei für die Vorbereitung von Olympia und der Paralym-
pics in Rio 2016. Das bedeutet: deutlich mehr Mittel für
die olympischen Sportverbände, für das olympische
Top-Team, die Trainerinnen und Trainer und das Perso-
nal im Leistungssport sowie die Projektförderung der In-
stitute IAT und FES. Wir finden: Gute Arbeit muss gut
bezahlt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Norbert Barthle [CDU/CSU]: Auch das ist wahr! Jawohl!)


Der Weg an die Weltspitze ist hart und das Ergebnis
sorgfältiger Vorbereitung: vom Nachwuchstraining bis
zum Wettkampfhöhepunkt. Der Bundestag leistet nun
seinen Teil, damit der autonome Sport die Sportlerinnen
und Sportler angemessen fördern kann. Im Klartext: Wir
haben geliefert, der Ball liegt nun beim organisierten
Sport.

Ich appelliere an den Deutschen Olympischen Sport-
bund: Halten Sie Ihr Wort, und setzen Sie mit der seit
langem überfälligen Reform der Spitzensportsystematik
richtige Akzente! Bündeln Sie unsere Steuergelder, ver-
teilen Sie sie gerecht und nachhaltig! Lassen Sie intrans-
parente Verfahren sein, und gestalten Sie die Sportför-
derung offen und effektiv! Nehmen Sie Kritik und
Anregungen auf, und präsentieren Sie eine schlagkräf-
tige Organisation des deutschen Spitzensports! – Die
Abstimmung mit dem Parlament ist noch ausbaufähig.
Ich lade Sie gerne zu weiteren Gesprächen in den Bun-
destag ein. Die SPD im Bundestag steht jederzeit zur
Verfügung, um Rahmenbedingungen für einen fairen
und integren Sport mitzuentwickeln.

Noch kurz ein Wort zum Referentenentwurf des
neuen Anti-Doping-Gesetzes. Sie können sicher sein
– und das ist eine Botschaft von mir –: Wir kämpfen für
einen fairen und sauberen Sport, gegen Doping und Ma-
nipulation.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1806812300

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Als bekennender Fuß-

ballfan sage ich: Es würde sich anbieten, den Wissen-
schaftlichen Dienst zu befragen, ob es tatsächlich die
SPD war, die für den Erfolg bei der Weltmeisterschaft
zuständig war. Ich sehe Nicken bei Kollegen Grindel.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 06 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzel-
plan 06 ist angenommen mit den Stimmen von CDU/
CSU und SPD bei Ablehnung von Bündnis 90/Die Grü-
nen und der Linken.

Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Mittwoch, den 26. November
2014, 9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen einen
schönen Abend.