Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich. Ich wünsche uns einen guten Morgen und gute
Beratungen.
Wir setzen heute die Haushaltsberatungen – Tages-
ordnungspunkte 1 a und b – fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2009
– Drucksache 16/9900 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Finanzplan des Bundes 2008 bis 2012
– Drucksache 16/9901 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Wir haben gestern für die heutige Aussprache eine
Redezeit von insgesamt acht Stunden beschlossen. Wir
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beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit dem Ge-
schäftsbereich des Bundeskanzleramtes, Einzel-
plan 04.
Das Wort erhält als Erster der Kollege Rainer
Brüderle für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Som-merpause ist in jeder Hinsicht vorbei. Die Temperaturensinken. Der Konjunkturhimmel hat sich mehr als be-wölkt. Professor Walter von der Deutschen Bank sprichtdavon, eine Rezession sei nicht mehr vermgehe nicht ganz so weit. Aber der AbschwuWirtschaft erfasst. Selbst der Finanzminister htern eingeräumt. Es genügt daher nicht, im
r gibt den politischen Takt vor. Die historische Schuldn dieser Entwicklung trägt diese wankelmütige Regie-ung, der eine Orientierung fehlt.
eutschland ist immer gut gefahren, wenn nicht dieänder, die Extreme die Politik bestimmt haben, son-ern die Mitte. Wir stehen für eine Politik der Mitte ineutschland.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben versprochen,eutschland zu reformieren. Sie wollten es für den Welt-andel öffnen, das Arbeitsrecht weiter reformieren, diearifautonomie zur Flexibilisierung nutzen, die Lohnne-enkosten dauerhaft unter 40 Prozent senken und denextHaushalt konsolidieren. Tatsächlich haben Sie bei jedemHaushalt die Ausgaben erhöht. Was ist geblieben? Siekönnen doch mit Reformieren nicht allen Ernstes Steuer-erhöhungen, Mindestlöhne und Zwangsgesundheits-fonds gemeint haben. Das ist keine Reform fürDeutschland.
Ich kann dazu nur sagen: versprochen, gebrochen. Wel-che auch immer Ihre Lieblingskoalition für 2009 seinmag, mit der FDP kann es keine Fortsetzung dieser fal-schen Politik geben.
ering und Herr Steinmeier, Sie machenen. Aber das ist für mich ein durchsichti-ur Ablenkung von Ihrem Linkskurs. Ineidbar. Ichng hat dieat das ges- AuslandHerr Müntefuns nette Avancges Manöver z
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Rainer BrüderleHessen wollen Sie mit Frau Ypsilanti Rot-Rot-Gründurchsetzen. Sie träumen von der „Ampel“. Ich kann Ih-nen nur sagen: Wenn Deutschland links fährt, wird eszum Geisterfahrer. Das kann nicht gut gehen.
Der weise ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt,von Herrn Steinbrück gestern oft zitiert, hat in diesen Ta-gen wieder bemerkenswerte Vorschläge zur Reform derArbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik gemacht. HerrSteinmeier, mit einer Helmut-Schmidt-SPD können sichdie Liberalen wahrscheinlich auf gemeinsame Ziele ver-ständigen. Aber die heutige SPD ist nicht regierungsfä-hig.
Wir lassen uns auch nicht für taktische Spielchen inAnspruch nehmen. Sie wollen weiterregieren, obwohlSie längst einen Dauerwahlkampf eingeleitet haben.Statt kraftvollen Regierens Dauerwahlkampf – das istdas Letzte, was Deutschland gebrauchen kann. Neuwahlwäre die sauberste Lösung, aber dazu geben Sie den Wegnicht frei.
Ich habe den Verdacht, Frau Merkel und HerrSteinmeier, dass Sie am liebsten Ihre Kuschelkoalitionfortführen würden.
Die Auswirkungen der Finanzmärkte, die Rückkehr derInflation, steigende Energiepreise – alles dies müsste dieRegierung zum Handeln veranlassen. Wir marschierenauf eine Versorgungslücke im Energiesektor zu. Es gibtkein nationales Energiekonzept; nichts geschieht in die-sem Sektor. Alle Kernkraftwerke zu schließen, neue undeffiziente Kohlekraftwerke zu verhindern, beim Gas ein-seitig auf Russland zu setzen und zu meinen, mit einpaar Windrädern über die Runden zu kommen – das istkein Energiekonzept für Deutschland.
Das Kerndilemma dieser Regierung ist, dass sie eineReihe relativ guter Jahre, in denen Gewaltiges in derWirtschaft geleistet wurde, in denen die ArbeitnehmerNeustrukturierungen möglich gemacht haben und in de-nen sich der Mittelstand neu aufgestellt hat, ungenutzthat verstreichen lassen. Die gute Stimmung und die rela-tiv gute wirtschaftliche Situation, die es gab, hätten Sienutzen müssen, um Deutschland fit zu machen für das,was bevorsteht. Man weiß schon aus der Bibel, dassnach sieben fetten Jahren sieben magere Jahre kommen.Sie haben die Zeit verstreichen lassen. Das ist die Tragikder schwarz-roten Politik.
Statt für ein weltoffenes Deutschland einzutreten,schrecken Sie ausländische Investoren und hochqualifi-zierte Arbeitnehmer ab. Das Trauerspiel dieser Koalitionhat seinen Höhepunkt erreicht. Die SPD irrt orientie-rungslos umher, und die Union hat inhaltliche FragennWBsnhgsEzuszSlsweiDDTdrmadmdmbregmwBaad
Wenn Sie wollen, können Sie schnell handeln. Dastabilitäts- und Wachstumsgesetz gibt Ihnen die Mög-ichkeit, sogar ohne das Parlament Steuern schnell zuenken. Sie können Steuerschecks, die in Amerika sehrohl gewirkt haben, in Betracht ziehen. Aber Sie lassens treiben. Sie starren auf Lafontaine und wollen weitern Ihren Sesseln sitzen. Sie vergeuden die Zeit, undeutschland leidet. Das ist eine traurige Situation.
Das Wort hat nun die Bundeskanzlerin Frau
r. Merkel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesenagen, während wir hier im Parlament unsere Haushalts-ebatte führen, verfolgen wir natürlich alle die Nach-ichten vom amerikanischen Finanzmarkt. Es hatassive Stützungsmaßnahmen und Hilfsmaßnahmen dermerikanischen Regierung gegeben, gerade wieder inieser Nacht in Bezug auf ein Versicherungsunterneh-en. Es hat Übernahmen im Privatsektor gegeben unden Konkurs einer bedeutenden amerikanischen Invest-entbank. Die Börsen und natürlich auch der DAX ha-en mit erheblichen Kursschwankungen und Kurskor-ekturen reagiert. Wichtige internationale Banken habeninen Stützungsfonds aufgelegt.Die Bundesregierung verfolgt diese Entwicklung mitroßer Aufmerksamkeit. Wir stehen in engem Austauschit den Spitzen der deutschen Kreditwirtschaft ebensoie mit anderen Regierungen. Als ein Ergebnis habenundesbank, Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-ufsicht und das Bundesministerium der Finanzen schonm Montag erklären können, dass sich im Fall des Kre-itinstituts Lehman Brothers das Engagement deutscher
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelKreditinstitute glücklicherweise in einem überschauba-ren Rahmen hält.Aber wir spüren alle, dass die Dynamik der Weltwirt-schaft beeinflusst wird. Wir können froh sein, dass inden letzten Jahren neben dem amerikanischen Kraftzen-trum andere Kraftzentren in Asien, in Lateinamerika undim vereinten Europa erwachsen sind, sodass heute dieinternationale Konjunktur auf sehr viel breiteren Beinensteht, als das noch vor Jahrzehnten der Fall war. Deshalbsind die Auswirkungen auf die übrige Wirtschaft inDeutschland bislang moderat, und die Unternehmens-kredite wurden in Deutschland im Gegensatz zur übrigenEU erneut deutlich ausgeweitet.Dennoch wird eine offene Volkswirtschaft wie diedeutsche, die von der Globalisierung im Übrigen mehrals andere profitiert, nicht völlig unberührt bleiben kön-nen. Wir spüren das auch an den Prognosen, die uns je-den Tag erreichen. In einer solchen Situation werden dieRufe nach Konsequenzen natürlich wieder lauter. Ichwill deshalb noch einmal auf die zwei grundsätzlichenMöglichkeiten hinweisen, die wir haben, um auf einesolche Situation zu reagieren. Die eine wäre, sich so weitwie möglich von internationalen Einflüssen abzuschot-ten; die andere ist: Wir begreifen die internationale Ver-flechtung als Wesenszug des 21. Jahrhunderts. Dann al-lerdings muss Politik einen klugen Ordnungsrahmenschaffen, der die Chancen nutzt und der die Risiken be-grenzt. Das heißt: Politik muss gestalten.
Die Bundesregierung hat sich entschieden, und zwarvon Beginn dieser Koalition an: Deutschland wird einoffenes Land bleiben, ein Land, das sich der Welt zu-wendet, ein Land, das seine Chancen nutzt. Die Bundes-regierung wird von diesem Kurs auch in der jetzigen Si-tuation nicht ablassen; ich finde, aus überragendenGründen. Deutschland lebt im Wesentlichen von Aus-landsinvestitionen. Es sind etwa 600 Milliarden Euro,die von ausländischen Unternehmen in Deutschlandjährlich investiert werden. Das ist doppelt so viel, wieder Bundeshaushalt ausmacht. Deutschland lebt davon,dass 700 Milliarden Euro von deutschen Firmen im Aus-land investiert wurden. Das sichert uns Wohlstand, For-schung, Innovation und neue Produkte.Aber eines zeigt die Entwicklung natürlich: Wir brau-chen dringend einen besseren Ordnungsrahmen, undwir – wenn ich das sage, meine ich vor allen Dingenauch den Bundesfinanzminister – fühlen uns in dem be-stätigt, was wir sehr früh begonnen haben. Wir habennämlich bereits während unserer G-8-Präsidentschafteine Transparenzinitiative begonnen, die damals nochbelächelt und von vielen gleich wieder als Regulierungabgetan wurde. Wir haben im September 2007 mit demfranzösischen Präsidenten eine gemeinsame Erklärungabgegeben, der sich dann Großbritannien, Italien und dieKommission angeschlossen haben. Im April hat es end-lich ein sehr bemerkenswertes Forum für Finanzmarkt-stabilität gegeben, auf dem eine Reihe von Vorschlägengemacht wurden, die auf den Vorschlägen des G-8-Gip-fels aufbauten. Man kann glücklicherweise jetzt schonsagen, dass einiges in Gang gekommen ist. Es sind nichtnvuDaf2däWtddz–rghmzsDrNwDad–UShe
Ich kann Ihre Freude gut verstehen; denn die Bundes-egierung schafft mit diesem Haushalt die Voraussetzun-en zum Erreichen eines Kernziels, das wir fest im Blickaben, nämlich im Jahre 2011 zum ersten Mal nichtehr auf Pump zu leben und keine neuen Schulden mehru machen.
Ihr höhnisches Gelächter verdeckt doch bloß Ihrchlechtes Gewissen.
enken Sie einmal daran, wie Sie 2005 aus der Regie-ung herausgegangen sind: Über 30 Milliarden Euroeuverschuldung, das war die Bilanz der Grünen. Ichürde heute hier ganz still sein.
ie FDP sollte sich daran erinnern, dass 1998 auch nichtlles vom Allerbesten war.
Ich finde, wir können ein Stück selbstbewusster iniese Debatte gehen.
Ich habe von 1998 gesprochen und damit auch dienion einbezogen.
chauen Sie: Wir haben aus diesen Dingen gelernt. Wiraben heute Regierungsverantwortung, und wir machens anders. Das ist der Punkt.
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Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelIch möchte all denen, die daran mitwirken, meinenKolleginnen und Kollegen im Kabinett und ganz beson-ders dem Bundesfinanzminister, ein herzliches Danke-schön sagen.
Genauso möchte ich den Koalitionsfraktionen quasi imVoraus im Hinblick auf die anstehenden Beratungen einDankeschön sagen, weil ich weiß, dass wir uns gemein-sam diesem Ziel verpflichtet fühlen.
Wir legen diesen Haushalt nicht vor, weil er einSelbstzweck ist. Es ist nicht so, dass wir das Thema„ausgeglichener Haushalt“ sozusagen wie eine Mon-stranz vor uns hertragen, sondern wir tun dies deshalb,weil es darum geht, dass wir in den Zeiten der Globali-sierung, die wir nun so sehr spüren, die Voraussetzungendafür schaffen, dass das zentrale Versprechen der so-zialen Marktwirtschaft, nicht auf Kosten der nächstenGeneration zu leben, sondern jedem Einzelnen den Ein-stieg in Arbeit und den Aufstieg durch Arbeit zu ermög-lichen, auch heute erfüllt werden kann.
Auf eine Formel gebracht, hieß dieses Versprechender sozialen Marktwirtschaft zu Beginn der Bundesrepu-blik Deutschland: Wohlstand für alle. Heute gehen wir inZeiten internationaler Verflechtungen, die wir mit demWort „Globalisierung“ beschreiben, noch einen Schrittweiter. „Wohlstand für alle“ heißt heute: Bildung füralle. Dabei geht es wie bei den soliden Finanzen nichteinfach um ein sektorales Politikfeld, das als Selbst-zweck daherkommt. Das wäre ein grobes Missverständ-nis. Nein, meine Damen und Herren, es geht um vielmehr: Es geht um die Zukunft der Menschen in unseremLand; denn Bildung für alle ist die entscheidende Vo-raussetzung für Einstieg in Arbeit und Aufstieg durchArbeit, und zwar für jeden, der in diesem Land lebt, egalaus welchem Elternhaus er kommt.
Ich bin zutiefst überzeugt: Es ist gerade dieses zen-trale Aufstiegsversprechen, das die Menschen an dieKraft der sozialen Marktwirtschaft glauben lässt oder– wo sie es im Augenblick nicht tun – wieder glaubenlässt. Es ist dieses zentrale Aufstiegsversprechen, daswir gemeinsam im Blick haben müssen, Bund, Länder,Kommunen. Es ist dieses zentrale Aufstiegsversprechen,das uns zu der Aufgabe führt, die BildungsrepublikDeutschland zu gestalten. Einfach mehr Geld umzuver-teilen, schafft nämlich Abhängigkeit vom Staat und ze-mentiert die Menschen in ihrer Situation, die heute nichtdas schaffen können, was sie wollen. Bildung für alle er-möglicht es dagegen allen, sich eigenen Wohlstand zuerarbeiten. Daraus folgt, in einem Satz gesagt: Die Bil-dungsrepublik ist der beste Sozialstaat.
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ir haben 100 000 abgeschlossene Ausbildungsverträgeehr als zu unserem Amtsbeginn. Die Eigenkapital-uote der Betriebe ist wieder angestiegen, und damiterden Betriebe auch wieder ein Stück robuster. Dazuaben viele beigetragen, aber die Politik der Großen Ko-lition eben auch.
Wir haben die Neuverschuldung schrittweise gesenkt.rstmals seit Ende der 80er-Jahre ist der gesamtstaatli-he Haushalt wieder ungefähr ausgeglichen. Wir habenie paritätisch finanzierten Lohnzusatzkosten deutlichnter 40 Prozent gesenkt. Wir werden dabei bleiben: Wiraben Freiräume für Menschen und Betriebe geschaffen.enn wir uns einmal die Staatsquote anschauen, erken-en wir: Sie ist auf dem niedrigsten Stand seit 18 Jahren.Die Bundesregierung hat diesen Kurs nicht nur des-alb eingeschlagen, weil es die Vernunft gebietet, son-ern auch deshalb, weil ich der Meinung bin, dass diesine zutiefst moralische Aufgabe ist. Das ist die Basisafür, dass Vertrauen zwischen den Generationen wach-en kann und dass wir nicht auf Kosten der zukünftigenenerationen leben. Trotz schwächer werdenden Wachs-ums werden wir auch im kommenden Jahr diesen Kursortsetzen; dazu sind wir entschlossen.Das heißt, es sind zwei Seiten einer Medaille, auf derinen Seite den Konsolidierungskurs fortzusetzen unduf der anderen Seite die Arbeitslosenversicherungsbei-räge weiter zu senken, Familien stärker zu entlasten,ntwicklungs- und Forschungsausgaben genauso zu er-öhen wie die Mittel für die Verkehrsinfrastruktur oderie Investitionen in Kultur. Beides trägt dazu bei, dassir für die Zukunft stärker gerüstet sind.
Wir sind überzeugt – ich glaube, in den letzten Jahrenst diese Überzeugung noch gewachsen –: Die Bedeu-ung von Politik nimmt in Zeiten der Globalisierungicht etwa ab, sondern die Bedeutung von Politik nimmtu und verlangt uns viel neues Denken ab.
ür mich ist das allerdings kein Bruch und kein Neustart,ondern es ist eine Weiterentwicklung; denn sozialearktwirtschaft ist immer davon ausgegangen, dass Po-itik gestalten muss. Ich erinnere nur an die Kämpfe, dieudwig Erhard hatte, als er das Kartellrecht durchsetzte –egen den erbitterten Widerstand des Bundesverbandeser Deutschen Industrie. Aber hinzugekommen ist einenternationale Dimension des Erfolgsmodells Bundesre-
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelpublik Deutschland, der sozialen Marktwirtschaft. So-ziale Marktwirtschaft hat immer gestaltend eingegriffen,aber jetzt geht es darum, dass wir die internationaleDimension ausarbeiten.Es geht um eine Grundfrage. Soziale Marktwirtschafthat sich immer als ein Bündnis der Stärkeren mit denSchwächeren in der Gesellschaft verstanden. Wer versu-chen will, die Schwächeren in der Gesellschaft zusam-menzunehmen und gegen die Stärkeren in der Gesell-schaft aufzuhetzen,
der wird in der internationalen Dimension der sozialenMarktwirtschaft scheitern. Es geht um das Bündnis derStärkeren mit den Schwächeren.
Es geht also um ein glaubwürdiges Wohlstandsver-sprechen. Deshalb muss Deutschland den Weg zur Bil-dungsrepublik gehen. Was heißt das? Das heißt, dasswir uns die vielen guten Beispiele, die ich jetzt auf mei-ner Bildungsreise gesehen habe, einmal vor Augen füh-ren sollten: Kindergärten – –
– Es hat eigentlich sowieso keinen Sinn, aber ich will esnoch einmal ganz ruhig versuchen: Wir leben in einerWelt, in der viele Menschen darum ringen, ihren Platz zufinden, um in Wohlstand zu leben. Wir sind in einemLand, in dem vieles sehr gut gelungen ist und in demMillionen von Menschen jeden Tag ihren Beitrag dazuleisten. Dazu gehören die Erzieherinnen in den Kinder-gärten,
die eine gute Arbeit leisten, auch wenn vielleicht70 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund ha-ben. Dazu gehören die Lehrer. Dazu gehören die For-scher.
Dazu gehören die vielen Ehrenamtlichen. Ich möchtediesen Menschen meine Anerkennung geben. Deshalbbesuche ich sie, und ich glaube, das ist richtig, meineDamen und Herren.
Es geht um ein umfassendes Selbstverständnis unse-res Landes. Dafür müssen wir drei Leitlinien einhalten,die sich genau auch in der Politik der Bundesregierungwiderspiegeln: Nachhaltigkeit und Langfristigkeit alsErstes, Eigenverantwortung und Ermutigung als Zwei-tes, Durchlässigkeit und ein festes Wertefundament alsDrittes.Nachhaltigkeit und Langfristigkeit. Es geht nichtum Strohfeuer, sondern es geht um nachhaltigen Erfolg,nDd2RGwKmIEmdekHahWaazSdwd1aIesdrfzsdldIeirnsuedmws–
Niemand wird bestreiten, dass Familien im Zentrumer Politik der Großen Koalition stehen. Das ist eineichtige Schwerpunktsetzung. Nachhaltigkeit und Lang-ristigkeit bedeuten auch, in die Bildungspolitik an sichu investieren. Aus den internationalen Vergleichen wis-en wir, dass wir nicht überall Spitze sind. Ich bitte aberarum, diese Studien einmal genau zu lesen und nicht al-es immer in Grund und Boden zu reden, sondern auchas Positive zu sehen.
m Bereich der abgeschlossenen Berufsausbildung gibts bei uns zum Beispiel hervorragende Leistungen. Auchn der Frage des Abiturs oder der Postgraduiertenförde-ung gibt es sehr gute Dinge, an die wir anknüpfen kön-en. Wahr ist aber auch, dass andere aufholen. Deshalbind wir gefragt. Deshalb ist es auch wichtig, dass Bundnd Länder in diesem Jahr am 22. Oktober in Dresdeninen Bildungsgipfel durchführen. Hierbei geht es aus-rücklich nicht um eine Kompetenzverschiebung. Viel-ehr geht es bei diesem Bildungsgipfel um die Frage,ie wir in unserem Land Politik für die Menschen ge-talten. Hier müssen wir den Blickwinkel der Menschen der Eltern und der Kinder – einnehmen. Diejenigen,
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkeldie mit Bildungspolitik konfrontiert werden, überlegennicht ständig, ob der Bund, das Land oder die Kommunefür sie verantwortlich ist. Sie wollen Politik aus einemGuss.
Deshalb müssen die verschiedenen politischen Ebenenin ihrer Verantwortlichkeit so zusammenarbeiten, dassfür das einzelne Kind das Beste erreicht wird und dassEltern ihre Kinder optimal fördern können.
In diesem Zusammenhang müssen die Schulabbrecher-quoten gesenkt werden. Es müssen Schulabschlüsse er-möglicht werden, und Hochschulen müssen sich zumBeispiel auch für Meister und ähnliche Qualifizierungenöffnen. Wir müssen Ausbildungsbausteine so gestalten,dass sie sich zu einem Ganzen zusammenfügen. ImGrunde geht es nicht um Strukturdebatten, sondern umdie Frage des Erfolgs eines jeden Einzelnen mit seinenFähigkeiten und Fertigkeiten.In diesem Zusammenhang wird auch deutlich, wierichtig die Entscheidung der Bundesregierung war, Inte-grationspolitik zu einer Querschnittsaufgabe zu ma-chen. Wenn Sie sich den Bildungsbericht für Deutsch-land anschauen, dann sehen Sie, dass der Anteil derjungen Menschen unter 25 mit Migrationshintergrund inden Regionen mit industrieller Struktur – im Ruhrgebiet,im Bereich der Rhein-Main-Schiene, in Stuttgart, inMünchen und in der Region um Nürnberg – zwischen 40und 50 Prozent liegt. Die Zukunft unseres Landes hängtdavon ab, ob auch diese jungen Leute, und zwar jederEinzelne von ihnen, eine Chance auf einen Aufstieg inunserem Land haben. Ansonsten werden nicht nur diesejungen Leute leiden, sondern unser ganzes Land.
Wir haben in Forschung und Entwicklung investiertund streben dort einen Anteil von 3 Prozent am Brutto-inlandsprodukt an. Gegenwärtig sind wir bei 2,8 Prozentangelangt, wir haben noch einen Weg vor uns. Das istaber zu schaffen. Die Exzellenzinitiative hat sich be-währt. Wir haben die Freiräume der Unternehmen ge-stärkt. Wir haben die Wissenschaftsallianz, und wir ha-ben viele neue Wege beschritten, bei denen Leistungganz ausdrücklich prämiert wird. Das ist richtig.Natürlich hängt Nachhaltigkeit auch mit der Ressour-cennutzung zusammen. Wir wissen, dass eines der drän-gendsten Probleme für die Menschen der Anstieg derEnergiepreise und daraus folgend die Inflation ist. Wirstehen natürlich vor der Frage, was wir da tun sollen.Hier ist politische Gestaltung gefragt. Es ist sehr einfach,das Falsche zu tun, indem man sich auf den Standpunktstellt, dass Energiepreise nicht nachhaltig steigen kön-nen. Genau das machen wir nicht. Der Bundesfinanzmi-nister hat es gestern noch dargestellt. Wir eröffnen viel-mehr Wege zum effizienteren Umgang mit Energie, umdie Menschen in die Lage zu versetzen, weniger Energiezu verbrauchen und damit mit den steigenden Kostenklarzukommen. Ich glaube, die Förderung von Gebäude-srrKigUfs–rIEgknnwwDreWSmw–zBSrK
Ich wiederhole es gerne noch einmal: Die Bundes-egierung steht ausdrücklich zu diesen Zielen.
m Gegensatz zu vielen anderen Mitgliedstaaten deruropäischen Union werden wir die Kioto-Verpflichtun-en einhalten. Andere werden das nicht tun. Vielleichtönnten wir einmal gemeinsam diese kritisieren undicht immer nur uns selber schlechtmachen.
Deutschland ist aber auch das Land in Europa, das ei-es der breitesten industriellen Fundamente hat, und dieirtschaftliche Entwicklung Europas hängt auch von derirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands ab.
eshalb werden wir strittige Diskussionen darüber füh-en müssen – ich sage das hier ganz offen –, wie wir mitnergieintensiven Branchen umgehen. Es ist für daseltklima nichts gewonnen, wenn die Aluminium-,tahl- oder Chemieindustrie bei uns verschwindet undit schlechteren Standards außerhalb Europas ausgebautird. Das werden wir nicht zulassen.
Ich hoffe, auch den Klimaschutzzielen stimmt die FDPu.
eides zusammenzubringen, macht nämlich gerade diechwierigkeit des Themas aus, meine Damen und Her-en. Das können nicht alle, das kann nur die Großeoalition.
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– Viel Heiterkeit heute Morgen hier.Zu den Zukunftsinvestitionen zählen natürlich auchEntwicklungshilfe und Einsatz für gutes Regieren.Zu Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit gehört natür-lich auch die Stabilisierung unserer sozialen Siche-rungssysteme. Die Rentenfinanzen befinden sich in ei-ner weit besseren Lage als vor Jahren. Wir habenzusätzlich die Eigenheimrente verabschiedet – ein wich-tiges Projekt. Bis heute wurden 11 Millionen Riester-Renten abgeschlossen, aber angesichts von 27 MillionenArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bleibt immernoch viel zu tun. Dennoch wurde in diesem Bereich eingewaltiger Schritt nach vorn gemacht. Die Rente mit 67war eine notwendige Maßnahme. Daran muss auch fest-gehalten werden, weil uns die demografische Entwick-lung keine andere Möglichkeit lässt.Es zeigen sich nun die Erfolge, meine Damen undHerren: Die Arbeitslosigkeit bei den über 55-Jährigen istdeutlich zurückgegangen – seit 2005 um circa ein Vier-tel. Das lässt sich sehen. Wir haben die Leistungen derPflegeversicherung ausgeweitet.
– Wir haben für Demenzkranke die Pflegezeit eingeführtund sind weitere wichtige Schritte gegangen. – Wir ha-ben außerdem in die Gesundheitsversorgung investiert.Ich will an dieser Stelle sehr deutlich sagen: Es wird inZukunft mehr Wettbewerb und mehr Auswahlmöglich-keiten geben. Wir haben uns aber auch sehr bewusst ent-schieden, etwas für die Ärzte in Krankenhäusern, dieniedergelassenen Ärzte und für das Pflegepersonal zutun. Hier wird noch an den Feinheiten gearbeitet.Wer aber den Eindruck erweckt, hervorragende Ge-sundheitsversorgung sei sozusagen zum Nulltarif zu be-kommen und Gehaltssteigerungen für die im medizini-schen Bereich Beschäftigten seien möglich, ohne dasssich das in irgendeiner Weise in den Beiträgen nieder-schlägt, der trägt dazu bei, dass wir eines Tages nichtmehr genug Ärzte bei uns haben – diese sind dann inNorwegen oder sonst wo – und dass die Pflegekräfte ihreArbeit nicht mehr schaffen. Deshalb sage ich: Es ist rich-tig, in ein gutes Gesundheitssystem zu investieren. Es istvielleicht die komplizierteste Aufgabe eines modernenIndustrielandes, das zugleich demografische Verände-rungen zu bewältigen hat, für jeden eine gute Gesund-heitsversorgung bereitzustellen. Wir fühlen uns aus tie-fer Überzeugung bezüglich der Menschlichkeit unseresLandes diesem Ziel verpflichtet.
Die Bildungsrepublik gründet auf dem Willen – dasist die Voraussetzung –, dass der, der immer es kann, daseigene Leben in die Hand nimmt. Er soll natürlich, wenner scheitert, eine zweite Chance, vielleicht auch einedritte und vierte bekommen; aber es muss die innere Be-reitschaft geben. Deshalb sind Eigenverantwortungund Ermutigung das zweite wichtige Leitmotiv unsererArbeit. Das muss sich in der Arbeitsmarktpolitik wider-sxumdatASGdrMmsdLcwKgwgalGddrdnslMiusdeDVwdlisdtmr
Wir haben einen wichtigen Schritt gemacht, um dieitarbeiterbeteiligung zu fördern. Das wird in der allge-einen Diskussion oft unterschätzt. Aber schauen Sieich einmal die Vermögenssituationen an: Angesichtsessen, wie sich auf der einen Seite Einkommen undöhne und auf der anderen Seite Kapitalerträge entwi-keln, kann ich nur sagen, dass es langfristig gesehenichtig ist, dass wir jedem auch eine Beteiligung an denapitalerträgen ermöglichen. Ansonsten werden die Un-erechtigkeiten in unserem Land zunehmen. Hier sindir einen wichtigen Schritt miteinander gegangen; ichlaube, das sollte man an dieser Stelle sagen.
Wenn wir uns die Dinge anschauen, dann sehen wiruch, dass Arbeitsmarkt- und Vermögenspolitik natür-ich die Chancen in der Globalisierung verbessert haben.estern ist eine Studie des DIW veröffentlicht worden,ie mit aktuellen Zahlen arbeitet und aus der hervorgeht,ass zwischen 2005 und 2006 – nur über diesen Zeit-aum geht die Studie – über 1 Million Menschen ausem Armutsrisiko herausgekommen ist. Das zeigt dochichts anderes, als dass Reformen sich vielleicht nichtofort, aber über eine bestimmte Zeitspanne gesehenohnen. Das ist doch das Ziel aller Veränderungen: mehrenschen eine Chance zu geben und weniger Menschenn ein Risiko hineinfallen zu lassen.
Wir brauchen als drittes Leitmotiv Durchlässigkeitnd ein festes Wertefundament, eine Offenheit der Ge-ellschaft, einen Ansporn für die, die viel leisten können,ie Eliten unseres Landes, damit wir dann auch mit-inander Solidarität üben können. Wir brauchen eineutschland, das sich nicht abschottet, sondern seinererantwortung in der Welt gerecht wird. Deshalb wollenir auf der einen Seite offen sein, was wir zum Beispieladurch zeigen, dass wir die Zuwanderung für Hochqua-ifizierte in unser Land geöffnet haben. Angesichts vonmmer noch 3 Millionen Arbeitslosen sind die Diskus-ion und die Entscheidung darüber, wer zu uns kommenarf und wer nicht, gar nicht einfach. Das ist eine quali-ativ ganz andere Debatte, als wir sie in den Asylfrageniteinander geführt haben. Wir haben immer auf kultu-elle Toleranz gesetzt, um diese Offenheit voranzutrei-
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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelben. Ein Zeichen dafür ist, dass unser Kulturhaushalt,der Haushalt des Staatsministers für Kultur, in den letz-ten Jahren um 7,8 Prozent gewachsen ist, genauso wiedie auswärtige Kulturpolitik an Bedeutung gewonnenhat, zwei wichtige Bereiche, in denen wir unsere Offen-heit zeigen. Wir sind auch stolz auf unsere Kultur, undwir wollen sie in der Welt bekannt machen. Das sind un-sere Ansprüche.
Weil die Länder miteinander verflochten sind, ist eswichtig, in Bündnissen zu arbeiten. Ein solches Bündnisist die Europäische Union. Da haben wir vieles vor uns,wenn wir daran denken, dass Irland mit Nein gestimmthat; aber der Lissabon-Vertrag ist und bleibt die richtigeGrundlage für die Politik in der Europäischen Union.
Wir haben in diesem Sommer erlebt, wie wichtigEuropa ist und was Europa in dem Konflikt zwischenGeorgien und Russland im Falle von Südossetien undAbchasien erreicht hat. Hier ist es gelungen – der Au-ßenminister und ich waren natürlich sehr beschäftigt mitdieser Frage –, Europa zu einer einheitlichen Position zubringen – das war nicht immer einfach angesichts derunterschiedlichen Interessenslagen – und es gleichzeitighandlungsfähig erscheinen zu lassen. Ohne die Europäi-sche Union hätten wir heute weder einen Sechspunkte-plan, mit dem wir arbeiten könnten, noch Fortschritte indieser gesamten Frage.Deshalb kann ich nur sagen: Bei aller Mühe – wirwissen ja, wie schwer es schon in diesem Parlament ist,sich zu verständigen; wie soll es da zwischen 27 Staateneinfach sein – hat sich die Europäische Union in diesemSommer in einer entscheidenden Frage als handlungsfä-hig erklärt, und zwar auf einer vernünftigen Basis. Mitkeinem sind die Gesprächskontakte abgebrochen. Wirhaben gesagt: Reden gerade in schwierigen Zeiten ist dierichtige Antwort. Deshalb werden wir das auch am2. Oktober bei den deutsch-russischen Konsultationenwieder unter Beweis stellen.
Wir haben im Zusammenhang mit dem Kampf gegenden Terrorismus unsere Aufgaben zu leisten. Hier sindwir nach innen besser gerüstet; es finden gerade die Be-ratungen zum BKA-Gesetz statt. Ich bin optimistisch,dass wir sie erfolgreich abschließen. Wir haben eine bes-ser ausgerichtete Bundespolizei.Wir müssen auch außen unsere Aufgaben erfüllen.Wir haben bittere Erfahrungen mit dem Tod von Solda-ten machen müssen – gerade kürzlich mit dem Tod einesjungen Soldaten der Bundeswehr. Wir haben zivile Op-fer, Verletzte. Deshalb möchte ich in dieser Stunde einenherzlichen Dank an unsere Soldatinnen und Soldaten ge-nauso wie an die Polizisten und die zivilen Aufbauhelferrichten. Sie haben die Solidarität dieses Parlaments;denn wir wissen um die Schwere, aber auch um die Not-wendigkeit der Aufgabe.ndrdwfvndmvz–ntDSzzAgrDdrtLesseuevzWBdD
Wir spüren alle, dass die Situation in Afghanistanicht einfach ist, dass die Sicherheitslage auch im Nor-en komplizierter wird. Aber wir wissen auch um unse-en Auftrag. Ich glaube, dass die Bundesregierung mitem Konzept der vernetzten Sicherheit die richtige Ant-ort gefunden hat, um das Engagement in Afghanistanortzusetzen. Das heißt nicht, dass dieses Konzept derernetzten Sicherheit bereits in allen Fragen so funktio-iert, wie wir uns das vorstellen können. Es ist ja so,ass Afghanistan nun einmal eine Regierung, ein Parla-ent hat. Wir haben die demokratischen Prozesse dortorangebracht. Wir müssen schauen, dass dieses Kon-ept der vernetzten Sicherheit auch von allen Akteurenvon denen, die aus dem Ausland helfen kommen, ge-auso wie von denen, die in Afghanistan Verantwortungragen – umgesetzt wird.
iese Aufgabe ist nicht beendet. Es hat aber keineninn, bei jedem schrecklichen Vorgang sofort das Kon-ept infrage zu stellen. Deshalb sage ich hier: Das Kon-ept der vernetzten Sicherheit ist nach meiner festenuffassung ohne jede Alternative.
Wir werden im Oktober über die Fortsetzung des Af-hanistan-Einsatzes in den nächsten Monaten debattie-en müssen, genauso wie wir das heute für UNIFIL tun.eutschland wird jedenfalls seiner Verantwortung füren Kampf gegen den Terrorismus gerecht werden.Meine Damen und Herren, für mich ist diese Bundes-epublik als Bildungsrepublik ein Land, in dem die Poli-ik verlässlich, langfristig und nachhaltig agiert; einand, das den Menschen in den Mittelpunkt rückt, ihnrmutigt, seine Eigenverantwortung fordert, seine An-trengungen belohnt in einer Gesellschaft, die durchläs-ig ist und unvoreingenommen jedem seine Chance gibt;in Land, das offen ist, neugierig, der Welt zugewandtnd dabei zugleich selbstbewusst auf dem Boden seinerigenen Erfolge und Werte steht.Ich glaube, auf diesem Weg ist unser Land ein Stückorangekommen. Jetzt kommt es darauf an, nicht stehenu bleiben, sondern mit Geduld und Ausdauer dieseneg fortzusetzen. Diese Bundesregierung hat wichtigeeiträge dazu geleistet. Sie wird auch in den kommen-en Monaten weiter wichtige Beiträge leisten.Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Nächster Redner ist Dr. Gregor Gysi für die Fraktionie Linke.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Frau Bundeskanzlerin, Sie haben fast allen inunserer Gesellschaft gedankt, nur die Linken haben Sievergessen. Aber das macht nichts, wir kennen ja unserenEinfluss. Auf den ist von der FDP schon hingewiesenworden.
Lassen Sie mich mit einem außenpolitischen Themabeginnen: mit Georgien. Die Situation war ja so: DerPräsident von Georgien hat sich entschieden, kriegerischin Südossetien einzufallen. Niemand in diesem Hausglaubt, dass er das ohne Genehmigung des amerikani-schen Präsidenten gemacht hat.
Nun hört und liest man, ihm sei es wichtig gewesen, imWahlkampf seinen eigenen Kandidaten voranzubringen.Wenn das stimmt, wenn jetzt schon Kriege wegen einesWahlkampfes geführt werden, dann ist die Politik dies-bezüglich vollständig verrottet. Das ist die Wahrheit.
Russland handelte zunächst noch völkerrechtsgemäß,als es Südossetien befreite. Es verletzte das Völkerrechtaber grob, als es Tiflis bombardierte und sich in Kernge-orgien festsetzte. Russland verletzte das Völkerrechtauch, als es die Unabhängigkeit, die territoriale Abspal-tung von Südossetien und Abchasien anerkannte.
Es verletzte das Völkerrecht genauso wie die USA,Großbritannien, Frankreich und Deutschland, als sieBelgrad bombardierten, und genauso wie diese Länder,als diese die territoriale Abspaltung des Kosovo entge-gen einem Beschluss des Sicherheitsrates der VereintenNationen beschlossen haben.
Und nun passiert Folgendes: Vier Völkerrechtsverletzerstehen da und werfen dem fünften Völkerrechtsverletzervor, dass er das Völkerrecht verletzt. Da kommt nichtviel bei heraus. Das ist die Wahrheit.
Lassen Sie mich noch einen Satz dazu sagen: Richardvon Weizsäcker hat völlig recht, wenn er davor warnt,die NATO bis an die Grenzen Russlands zu treiben. Wassollen denn diese Provokationen? Man muss doch wis-sPudddItfWgmpadPhiswm8gt9zjwe1hzaadbSnADzGk
ch erkenne durchaus an, dass Sie in Europa einen Bei-rag zur Deeskalation geleistet haben, der dringend er-orderlich war.Jetzt haben wir eine Finanzkrise in den USA.
ir haben eine weltweite Finanzkrise. Ich kann nur sa-en: Ich bin ziemlich entsetzt, was in diesem Zusam-enhang alles passiert. Jetzt ist die nächste Großbankleite, und alle tun so, als ob es Deutschland fast nichtsnginge. Heute früh habe ich in den Nachrichten gehört,ass die Kreditanstalt für Wiederaufbau kurz vor derleite der Bank noch einmal 300 Millionen überwiesenat. Futsch sind sie! Tolle Experten, die da sitzen, kannch dazu nur sagen.Folgendes ist passiert: Die größte amerikanische Ver-icherung stand kurz vor der Pleite. Die Notenbank ge-ährte einen Kredit von 85 Milliarden Dollar – das mussan sich einmal überlegen –, übernimmt dafür aber0 Prozent des Eigentums. Was macht unsere Bundesre-ierung bei der Industriekreditbank? Sie übernimmt na-ürlich auch die Schulden dieser Privatbank in Höhe von,2 Milliarden Euro, aber ihr gehört hinterher kein Pro-entpünktchen mehr. Ich weiß gar nicht, ob wir das Gelde wiederbekommen oder ob das einfach so verschenkturde. Der Bundesfinanzminister stellt sich hier hin undrklärt stolz, es gebe eine Neuverschuldung von nur0 Milliarden Euro, und sagt ganz nebenbei: Wir haftenier mit 9,2 Milliarden Euro mit.Übrigens hat nicht nur die Industriekreditbank diesbe-üglich Probleme – auch das muss ich sagen –, sondernuch die Sächsische Landesbank und, ja, Herr Huber,uch die Bayerische Landesbank. Herr Huber, Sie warener verantwortliche Finanzminister. Der Schaden liegtei 4,5 Milliarden Euro. Andere würden zurücktreten.ie hingegen streben nach höheren Ämtern. Ich sage dasur mal so.
ll das müssen die Bürgerinnen und Bürger bezahlen.Lassen Sie mich noch ein Wort zur Finanzkrise sagen:er tiefe Konflikt zwischen Schröder und Lafontaine be-og sich auf genau diese Frage. Als Rot-Grün, SPD undrüne die Wahlen gewannen, da hat Schröder noch er-lärt, er wolle die Finanzmärkte regulieren. In Abspra-
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Dr. Gregor Gysiche mit Blair ist er aber völlig davon abgekommen undwollte plötzlich die liberalisierten, freien Finanzmärkte.
Lafontaine wollte den Finanzmarkt regulieren. Das warder Zwist.
Jetzt stellen Sie sich als SPD doch einmal hier hin undsagen: In dieser entscheidenden Frage hatte Lafontainerecht und Schröder unrecht. So einfach ist das nämlich.
Die Zeche bezahlen wir jetzt alle.
Heiner Geißler, zu früheren Zeiten Generalsekretärder CDU, hat jetzt geschrieben: Die Politiker, die Profes-soren, die Journalisten, die immer von der Freiheit derFinanzmärkte gesprochen haben, können leider nicht zurVerantwortung gezogen werden, obwohl sie eine Mitver-antwortung für die gesamte Krise haben.
Wenn wir uns die Situation in Deutschland ansehen,erkennen wir, dass es Momente gibt, die Sie hier ausge-lassen haben, Frau Bundeskanzlerin. In den letzten zehnJahren bis 2006 – die Zahlen liegen vor – sind die Real-einkommen in Deutschland um 6 Prozent gesunken.Das trifft nicht nur die Menschen, sondern auch die klei-nen und mittleren Unternehmen, die auf den Binnen-markt angewiesen sind. Denn wenn die Kaufkraft zu-rückgeht, werden bei ihnen weniger Waren gekauft undweniger Dienstleistungen in Anspruch genommen. Dasalles hat Folgen.In derselben Zeit – das ist spannend, weil Sie immersagen, es sei ein internationaler Trend – sind die Real-löhne in Frankreich, den USA, Großbritannien undSchweden zwischen 10 und 29 Prozent gestiegen. InDeutschland sind sie um 6 Prozent gesunken. Auch unterSchröder und unter Merkel hat sich nichts daran geän-dert. Jetzt gibt es eine Studie, die das genauer analysiert.Auch das ist immer spannend. Das Ergebnis der Studielautet: In den letzten zehn Jahren sind bei den Geringver-dienern die Realeinkommen um 10 Prozent gesunken,bei Minijobbern und Teilzeitbeschäftigten sind sie um14 Prozent gesunken und beim obersten Viertel, bei denBestverdienenden, sind sie um 4 Prozent gestiegen.Wenn man das alles miteinander verrechnet, kommt ins-gesamt ein Minus von 6 Prozent heraus. Aber man musswissen, dass unten viel mehr verloren wurde und obendie Realeinkommen sogar gestiegen sind.Wenn man sich dann noch die Unternehmens- undVermögenseinkommen ansieht, dann schlackern einemdie Ohren. Denn sie sind um 42 Prozent, um1LRuatiJBldSPüacIgRenmuP–bDugADwgHng
Es gibt immer das folgende Argument – das hat michuch beschäftigt –: Wir hatten zu hohe Löhne und muss-en mit den Realeinkünften herunter, weil Deutschlandm internationalen Vergleich nicht mithalten konnte.etzt haben wir uns das einmal angesehen. Die Deutscheank Research – Sie werden zugeben, dass dies keineinke Einrichtung ist – hat das Pro-Kopf-Einkommen inen alten 15 EU-Mitgliedsländern festgestellt. Wissenie, Herr Huber, auf welchem Platz wir liegen? Auflatz zwölf. Ich bitte Sie! Spanien hat uns im letzten Jahrberholt; da waren wir noch auf Platz elf. Jetzt sind wiruf Platz zwölf. Hinter uns liegen nur noch Italien, Grie-henland und Portugal; aber die geben sich Mühe.
ch kann also nur sagen: Auf das Ergebnis, das Sie vorle-en, können Sie nicht stolz sein.
Ich möchte auch erwähnen, dass die 20 Millionenentnerinnen und Rentner seit Jahren nur Minusrundenrleben. Denn auch das kleine Plus ist immer eine Mi-usrunde, wenn Sie es mit der Mehrwertsteuererhöhung,it der Inflationsrate und anderen Dingen verrechnen.Nun sagen Sie: Die Linken kritisieren immer allesnd versprechen das Blaue vom Himmel. Das alles sindopulisten, die nichts einhalten können.
Ich wusste es doch.
Verstehen Sie, diese billige Argumentation ist selbstis zu mir schon vorgedrungen. Aber sie ist falsch.
enn wir müssen einmal einen Vergleich der Steuer-nd Abgabenquoten wiederum in den 15 alten EU-Mit-liedsländern machen. Im Schnitt liegt die Steuer- undbgabenquote in diesen 15 Ländern bei 40 Prozent. Ineutschland liegt sie bei 36 Prozent. Das sind 4 Prozenteniger. Hätten wir den Durchschnitt der alten EU-Mit-liedsländer, hätten wir jährlich eine Mehreinnahme inöhe von 100 Milliarden Euro. Damit ließe sich alles fi-anzieren, was die Linke hier im Bundestag vorgeschla-en hat.
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Dr. Gregor GysiWas haben Sie stattdessen gemacht? Sie sind derDeutschen Bank entgegengekommen. Sie haben dieKörperschaftsteuer von 45 auf 15 Prozent gesenkt. Siesind den Spitzenverdienern entgegengekommen. Sie ha-ben den Spitzensteuersatz der Einkommensteuer von 53auf 42 Prozent gesenkt. Das kostet den Staat übrigensjährlich 11 Milliarden Euro, die einfach weg sind, weilSie dieses Geschenk verteilt haben. Was müssten wirmachen, um an den Durchschnitt heranzukommen? Mansollte nicht die Mehrwertsteuer erhöhen. Welchen Wegkönnte man gehen?
Wir wollen wieder eine paritätische Beteiligung der Un-ternehmen an der Rentenversicherung. Die Riester-Rente ist doch nichts anderes als eine Entlastung der Un-ternehmen.
Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Staatmüssen das allein bezahlen.Die Allianz macht mit der Riester-Rente ein tollesGeschäft. Deshalb überweist sie jedes Jahr an die CSU,an die CDU, an die FDP, an die SPD und auch an dieGrünen 60 001 Euro. Die einzige Partei, die nichts be-kommt, sind wir.
Aber ich sage einmal: Ich bin relativ stolz darauf, dass esnoch eine nicht allianzgesponserte Partei im DeutschenBundestag gibt.
Wir schlagen Ihnen eine Börsenumsatzsteuer vor.Hätten wir eine Börsenumsatzsteuer von 1 Prozent, hät-ten wir jährlich eine Mehreinnahme in Höhe von70 Milliarden Euro. Das lässt sich doch machen; auchandere Länder haben Börsenumsatzsteuern.
– Ach, Quatsch. Wir sollten vor allen Dingen auch dieSpekulationen ein bisschen reduzieren, die auf unseremErdball maßlos geworden sind.Wir schlagen eine angemessene Vermögensteuer vor.Wir haben in Deutschland Milliardäre. Ich bitte Sie! Sofleißig kann gar kein Einzelner sein, um sich eine Mil-liarde legal zu erwirtschaften. Wie dem auch sei: AlleMilliardäre sind doch Verfassungspatrioten und wissen,dass das Eigentum auch dem Allgemeinwohl dienensoll. Wir kommen ihnen solidarisch entgegen, nehmenihnen einen Teil ihres Geldes weg und verteilen es im In-teresse des Allgemeinwohls. Das ist doch nachvollzieh-bar.WftbAaDkhnrdTf27s1sAVdssl7bsatm8eSE88dsg
ir wollen, dass der Spitzensatz der Einkommensteuerür Einkommen über 80 000 Euro im Jahr 50 Prozent be-rägt. Das ist doch nicht unangemessen!Sie behaupten, Sie hätten die Arbeitslosigkeit abge-aut. Die SPD behauptet sogar, das liege an dergenda 2010. Das hat zwar nichts miteinander zu tun;ber Sie können ja erzählen, was Sie wollen.
er Aufschwung, der von Ihnen gepriesen worden ist,am bei 16 Prozent der Leute an. 84 Prozent der Leuteaben von diesem Aufschwung nichts, aber auch garichts mitbekommen.Das Statistische Bundesamt – auch keine linke Ein-ichtung – hat eine wunderbare Analyse vorgelegt undarin Folgendes festgestellt: Die Zahl der Menschen ineilzeitjobs, Leiharbeitsstellen, 400-Euro-Jobs und be-risteten Arbeitsverhältnissen ist von 1997 bis 2007 um,6 Millionen gestiegen. Jetzt liegt diese Zahl bei,68 Millionen. In denselben zehn Jahren ist die Zahl derozialversicherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigten um,53 Millionen gesunken. Sie haben also keinen Grund,tolz zu sein.
bbau der Arbeitslosigkeit durch Verschiebung vonollzeitbeschäftigung in prekäre Arbeitsverhältnisse –as ist bei Ihrer Politik herausgekommen.Herr Huber, Frau Merkel und Herr Steinmeier, ichage Ihnen: CSU, CDU und SPD haben keinen Grund,tolz zu sein auf 2,5 Millionen arme Kinder in Deutsch-and. Sie haben keinen Grund, stolz zu sein auf,4 Millionen Menschen, die von Hartz IV leben. Sie ha-en keinen Grund, stolz zu sein auf 6,6 Millionen Men-chen, die in Minijobs für ein Einkommen von 400 Eurorbeiten. Sie haben keinen Grund, stolz zu sein auf wei-ere 6,5 Millionen Menschen mit niedrigsten Einkom-en. Sie haben keinen Grund, stolz zu sein auf00 000 Menschen, die in Leiharbeit beschäftigt sind, ininer modernen Form der Sklaverei.
ie haben keinen Grund, stolz darauf zu sein, dass dienergiepreise um 14 Prozent gestiegen sind, dass bereits00 000 Haushalten in Deutschland – ich wiederhole:00 000 Haushalten! – der Strom abgestellt wurde undass die Nahrungsmittel um 8 Prozent teurer gewordenind.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben viel über Bildungeredet. Ich stimme Ihnen zu: Bildung ist ein zentrales
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Dr. Gregor GysiThema; denn Chancengleichheit kann nur über Bildungerreicht werden. Sie haben aber nicht erwähnt, dass un-ser Bildungsniveau im Vergleich in Europa mittlerweileunterdurchschnittlich ist. Es geht nicht um Besuche, son-dern um Investitionen. Die brauchen wir im Bildungsbe-reich.
Frau von der Leyen, gelegentlich schätze ich, was Siesagen. Aber Ihre Elterngeldregelung ist ein starkesStück. Für die Hälfte der Bezieherinnen und Bezieher,und zwar für die ärmere Hälfte der Bevölkerung, habenSie die Bezugsdauer des Elterngeldes um die Hälfte ge-kürzt und den Bestverdienenden eine Erhöhung des El-terngeldes zugebilligt. Eine so direkte Umverteilung vonunten nach oben, wie Sie sie an dieser Stelle organisierthaben, habe ich in dieser Gesellschaft bisher selten er-lebt. Das ist nicht hinnehmbar.
Wo blieb eigentlich der Protest der SPD? Warum habenSie das zugelassen?Frau Bundeskanzlerin, nun komme ich auf Ost-deutschland zu sprechen. Nur ein Beispiel: Wir habenvor einem Jahr 17 Anträge gestellt, um Überführungs-lücken und -ungerechtigkeiten sowie Ungleichbehand-lungen bei der Rente zu überwinden.
Ihr Kanzleramtsminister hat uns seinerzeit mitgeteilt, esgebe noch Beratungsbedarf.
Also haben wir gewartet. Im Mai hat er uns dann mitge-teilt, dass es immer noch Beratungsbedarf gibt. Wir ha-ben wieder gewartet. Später haben wir das zwar in ersterLesung im Plenum behandelt, aber noch nicht in denAusschüssen. Das Kanzleramt teilte uns nämlich mit,dass es immer noch Beratungsbedarf gibt.
– Herr Kauder, quatschen Sie doch nicht über etwas, vondem Sie keine Ahnung haben! Lesen Sie lieber erst ein-mal unsere 17 Anträge, bevor Sie sich leichtfertig dazuäußern.
Wir werden darauf drängen, dass dieses Thema jetztauch in den Ausschüssen behandelt wird, damit unserGesetzentwurf bald im Plenum des Bundestages in zwei-ter Lesung beraten werden kann. Seit 1990 sind dieseProbleme bekannt. Noch länger kann Ihr Kanzleramtnicht beraten. Jetzt müssen Sie dazu endlich einmal Jaoder Nein sagen.
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ines geht aber nicht, Herr Huber: Sie können nicht inayern immer so tun, als wären Sie in Berlin in derpposition. Denn hier in Berlin sind Sie an der Regie-ung beteiligt; das müssen wir allen Bürgerinnen undürgern sagen. Die Mehrheit des Bundestages hat seit005 keinen Beschluss gefasst, der nicht auch Ihre Zu-timmung gefunden hat, einschließlich der dramatischennd unverantwortlichen Kürzung der Pendlerpauschale.as ist die Wahrheit.
Der Bundesfinanzhof, der seinen Sitz in Münchenat, hält die Kürzung der Pendlerpauschale für grundge-etzwidrig.Daraufhin haben wir gesagt: Lasst uns doch selbstolitik machen! Lasst uns diese Schwachsinnsregelungurücknehmen! Wir müssen doch nicht warten, bis dasundesverfassungsgericht wieder ersatzweise für denundestag Politik macht. – Dann haben wir eine na-entliche Abstimmung durchgeführt. Herr Huber, ichuss es Ihnen sagen: Alle CSU-Abgeordneten haben imovember 2007 dafür gestimmt, dass die Kürzung derendlerpauschale erhalten bleibt. Das ist die Wahrheit.
Nun haben wir festgestellt, dass Sie jetzt eine andereuffassung vertreten. Deshalb haben wir es wieder inen Bundestag eingebracht. Am Donnerstag vor derandtagswahl in Bayern können wir namentlich darüberbstimmen. Mal sehen, wie Ihre Abgeordneten dann ent-cheiden. Darauf dürfen wir gespannt sein.
Ich finde es toll, dass Sie plötzlich dafür sind, denteuerfreibetrag bei der Einkommensteuer von800 Euro auf 8 000 Euro zu erhöhen, dass Sie dafürind, den Steuerbauch bei der Einkommensteuer zueseitigen. Damit haben Sie völlig recht. Wenn manben bei den Bestverdienenden in der Steuer nachlässt,ann muss das einer bezahlen. Das sind bei uns dieurchschnittsverdiener. Deshalb haben wir diesen Steu-rbauch, der nicht gerechtfertigt ist. Herr Huber, Sieüssen aber erwähnen, wer den Steuerbauch erfundenat. Das war Theo Waigel unter Kanzler Kohl. Er warudem Vorsitzender der CSU. Ich finde, darauf mussan doch wenigstens hinweisen.
Sie erwähnen auch nicht, dass wir im April 2008 imundestag eine Debatte über die Erhöhung des Steuer-
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Dr. Gregor Gysifreibetrags und über die Beseitigung des Steuerbauchesgeführt haben und die CSU dagegen polemisiert und da-gegen gestimmt hat. Einen Monat später fällt Ihnen ein,dass Sie eine andere Auffassung vertreten. Diese Art desWahlkampfes ist zu billig.Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zur SPD sa-gen. Ich habe Ihre Personalentscheidung – zurück zuSchröder – mitbekommen. Hierzu möchte ich Ihnen dreiDinge sagen. Sie haben beschlossen, für einen gesetzli-chen flächendeckenden Mindestlohn einzutreten. Siehaben ferner beschlossen, dass Sie für eine Bürgerver-sicherung sind. Irgendwann einmal haben Sie auch be-schlossen, dass Sie die Vermögensteuer erheben wol-len. Nun sagt Herr Müntefering, dass er unbedingt eineKoalition mit der FDP eingehen möchte. Das heißt, esgibt keinen Mindestlohn, es gibt keine Bürgerversiche-rung, und es gibt keine Vermögensteuer. Ich nehme an,diesbezüglich ist Verlass auf die FDP.
Wenn das so ist, dann sage ich Ihnen: Wenn Sie wiederim Wahlkampf für einen gesetzlichen Mindestlohn ein-treten und gleichzeitig sagen, dass Sie mit der FDP zu-sammengehen wollen, dann bereiten Sie den nächstenBetrug der Wählerinnen und Wähler vor. Das werdenwir versuchen deutlich zu entlarven.
Das Wort erhält nun Dr. Peter Struck für die SPD-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Herr Kollege Gysi, Sie haben sichdarüber beklagt, dass Sie keine Spende von der Allianzbekommen haben. Diese brauchen Sie auch nicht; dennSie haben noch irgendwo altes SED-Vermögen ver-steckt. Das wissen wir doch ganz genau.
Sie sind offenbar der Meinung, die Koalition machedie Energiepreise und die Löhne.
– So haben Sie es gesagt. – Da liegen Sie falsch, HerrKollege Gysi. Diese machen andere, aber nicht dieseKoalition.
Sie müssen bei der Wahrheit bleiben, wenn Sie sichhierzu äußern.vgdiInakIEnUuaekSlS2trtKDizn–KdEAwnm
Meine Damen und Herren, die Bilder und Berichteon der Wall Street haben die Finanzmärkte in den ver-angenen Tagen sehr beunruhigt. In unseren und in an-eren Medien sind wegen der allgemeinen Finanzkrisen Amerika Katastrophenszenarien entwickelt worden.n dieser allgemeinen Verunsicherung hat uns gestern Fi-anzminister Peer Steinbrück eine solide Einschätzungn die Hand gegeben,
eine Verharmlosung, sondern eine sehr seriöse Analyse.ch bin ihm sehr dankbar dafür.
r hat uns in dem Wissen bestätigt, dass wir mit ihm ei-en Chef des Finanzressorts haben, der die Tiefen undntiefen der weltweiten Finanzmärkte kennt
nd bei seinen Kollegen in Europa und vor allen Dingenuch bei seinen Kollegen in der G-8-Gruppe höchste An-rkennung genießt. Das respektieren wir, und dafür dan-en wir ihm.
Die Große Koalition braucht ihr Licht nicht unter dencheffel zu stellen. Wir haben bei der Haushaltskonso-idierung, der Stabilisierung der Wirtschaft und derchaffung neuer Arbeitsplätze mehr erreicht, als wir005 realistisch erwarten durften und als uns die Opposi-ionsfraktionen mit ihren düsteren Prophezeiungen vo-ausgesagt haben. Wir sind stolz auf das, was wir geleis-et haben. Deutschland ist vorangekommen. Dieseoalition hat gute Arbeit geleistet.
amit auch nicht der kleinste Zweifel aufkommt: Auchm letzten Jahr ihrer Regierungszeit wird sie weiter gutusammenarbeiten und in ihren Anstrengungen nichtachlassen.
Ja, ich habe auch erwartet, dass Beifall kommt. Dieolleginnen und Kollegen müssen noch darüber nach-enken.Wir alle haben es aber versäumt, für die gemeinsamenrfolge auch offensiv zu werben. Wir haben unsere guterbeit unter Wert verkauft. Ich bin jedenfalls dafür, dassir die Zeitspanne bis zum beginnenden Wahlkampf imächsten Frühsommer dafür nutzen, unsere gemeinsa-en Erfolge deutlich herauszustellen.
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Dr. Peter StruckWir sollten damit in dieser Haushaltswoche beginnenund Finanzminister Peer Steinbrück für eine solide undvorausschauende Konsolidierungspolitik danken. Esstimmt, dass die Risiken eines Abwärtstrends der Welt-wirtschaft näher gerückt sind und dass es keinen Anlasszu leichtfertigem Optimismus gibt. Genauso gilt aber,dass die Wachstumserwartungen in Deutschland dank ei-ner einsichtigen Politik immer noch doppelt so hoch sindwie in Frankreich und England. Deutschland ist undbleibt die Konjunkturlokomotive in der EuropäischenUnion; darauf sind wir stolz. Ist das nichts?
Wenn wir über die Beschäftigungssituation inDeutschland reden, dann müssen wir wissen, dass alleinim letzten Jahr über 600 000 Menschen eine reguläre so-zialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden ha-ben. Es besteht die Chance, dass die Zahl der Arbeitslo-sen im Herbst unter 3 Millionen sinkt. Erstmals seitBeginn der 90er-Jahre ist die Erreichung der ZielmarkeVollbeschäftigung keine Utopie mehr. Ist das nichts?
Sollen wir uns diese Erfolge kaputtreden lassen, nur weilwir uns über den weiteren Weg hin zu guter Arbeit nichteinig sind? Sollten wir nicht endlich dem Unsinn derLinkspartei lauter widersprechen, die neuen Arbeits-plätze ließen sich auf 1-Euro-Jobs reduzieren? Das istwieder eine dieser Propagandalügen, mit denen dieLinkspartei Unsicherheit schürt.
Die Wahrheit ist: Die Zahl der Arbeitslosen ist seit 2005um fast 2 Millionen zurückgegangen, während die Zahlder 1-Euro-Jobber konstant bei 300 000 geblieben ist.Wir haben es geschafft, die Sozialversicherungsbei-träge seit 2006 radikal zu senken. Die Beiträge zurArbeitslosenversicherung sind von 6,5 Prozent imJahre 2005 bis zum Jahresende 2008 mehr als halbiertworden. Ist das nichts?
Müssen wir diesen Erfolg durch eine Debatte darüberzerreden, ob wir sie jetzt nicht noch weiter senken kön-nen?Wir sollten die Warnungen der Bundesagentur für Ar-beit und ihres Präsidenten nicht einfach in den Windschlagen. Generell steht außer Frage, dass alle in dieserKoalition bemüht sind, die Lohnnebenkosten zu senken.Für uns Sozialdemokraten ist klar, dass gerade die Nor-malverdiener weit mehr davon profitieren als von weite-ren Steuersenkungen, die erst bei Empfängern höhererGehälter zu Buche schlagen. Deshalb wollen wir dieLohnnebenkosten, auch den Arbeitslosenversicherungs-beitrag senken.haPmtGsqnVbsDbZssSFPshrAtfEstJdb6gdihnfdl
Diese Koalition hat sich viel vorgenommen, und sieat viel erreicht – mehr als uns die professionellen Beob-chter zugetraut haben –: Unternehmensteuerreform,flegereform, Teilprivatisierung der Bahn, Föderalis-usreform, Haushaltskonsolidierung. Selbst mit der un-er den Koalitionspartnern besonders umstrittenenesundheitsreform haben wir die Grundlage dafür ge-chaffen, dass auch in Zukunft für alle Menschen eineualitativ hochwertige Versorgung garantiert ist. Ist dasichts?
iele von uns sind im Ausland unterwegs und lernen da-ei eines: Kein Land auf der Welt hat ein solches Ge-undheitssystem wie die Bundesrepublik Deutschland.ass wir darauf stolz sein können und dass wir das auchezahlen müssen, steht außer Frage.
Bei jedem dieser Projekte hat es massive öffentlicheweifel darüber gegeben, ob wir das schaffen und obich die Koalition zusammenraufen kann. Sie hat es ge-chafft; sie hat sich zusammengerauft. Ich will an diesertelle den vielen Experten und Fachleuten der beidenraktionen, die maßgeblich zum Gelingen dieser vielenrojekte beigetragen haben, danken. Das ist einechwere, aber auch eine gute Arbeit gewesen.
Diese Koalition – darauf muss ich als Sozialdemokratinweisen – hat auf vielem aufbauen können, was dieot-grüne Vorgängerregierung angestoßen hat.
ls Beispiel nenne ich die Familien- und Bildungspoli-ik. Wir haben seinerzeit im Rahmen der Agenda 2010ür die Ganztagsbetreuung von Kindern 4 Milliardenuro zur Verfügung gestellt, und zwar gegen den Wider-tand mancher christdemokratischer Ministerpräsiden-en.
etzt ist dieser Schritt von allen als richtig erkannt wor-en. Alle sind dankbar dafür, dass wir das gemacht ha-en.
400 Schulen sind inzwischen als Ganztagsschulen ein-erichtet. Das hat dazu geführt, dass sich diese Koalitionarauf geeinigt hat, auch den Ausbau der Krippenplätzentensiv zu fördern, deren Zahl bis 2013 auf 750 000 er-öht werden soll. Zudem soll ein Rechtsanspruch auf ei-en Krippenplatz eingeführt werden. Damit sorgen wirür gleiche und damit bessere Bildungschancen von Kin-ern vor allen Dingen aus sozial benachteiligten Fami-ien.
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Dr. Peter StruckBei dieser Aufgabe lassen wir die Kommunen nicht al-lein, sondern wir garantieren eine dauerhafte Beteiligungdes Bundes an den Betriebskosten der Kindertagesstät-ten.In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen,dass die Kommunen wissen, dass sie mit der Sozialde-mokratie einen starken Partner in der Regierung haben.Wir haben ihnen versprochen, dass mit uns an der Ge-werbesteuer nicht zu rütteln ist. Das Versprechen habenwir im Zuge der Unternehmensteuerreform eingehal-ten.
Das bedeutet für die Kommunen in Deutschland: Es istwieder Geld da für den Ausbau der Straßen, für den Bauvon Schulen und für öffentliche Aufgaben vor Ort. Dasist praktische und realistische Politik für die Menschen.Wir haben in der Bildungspolitik durch eine Erhö-hung des BAföG von diesem Wintersemester an ein Zei-chen gesetzt, dass das Studium kein Privileg für diejeni-gen sein darf, die es sich finanziell leisten können. Wirwollen, dass jeder nach seinen Fähigkeiten studierenkann, nicht nach dem Geldbeutel der Eltern.
Ich finde es übrigens gut, Frau Bundeskanzlerin, dassSie das Thema Bildung – Sie haben eben lange darübergesprochen – zur Chefsache gemacht haben. Allerdingsbin ich gespannt, ob Ihre Ministerpräsidenten all das,was Sie hier vorgetragen haben, so akzeptieren werden.Ich wünsche Ihnen Erfolg. Wir wollen dabei helfen.
BAföG-Erhöhung, Wiedereinführung des Meister-BAföG – wir machen keine leeren Versprechungen, son-dern wir halten, was wir sagen. Das ist der Unterschiedzur Linkspartei. Mit seriöser Politik hat sie nichts zu tun.
Selbst Teilen der Linkspartei geht das Gefasel von Gysiund Lafontaine allmählich gegen den Strich. „Luft-schlösser“, mosert der sachsen-anhaltinische Landesvor-sitzende Matthias Höhn, Die Linke. „Zutiefst unseriös“,so warnen Finanzpolitiker der Linkspartei vor immerneuen Milliardenversprechungen. Zu Recht: Von Sep-tember 2007 bis Juni 2008 hat die Linkspartei über120 Anträge und Gesetzentwürfe in den Deutschen Bun-destag eingebracht, die ungedeckte Mehrkosten von gut100 Milliarden Euro mit sich bringen würden.
Rechnet man hoch, was die Linkspartei über die gesamteLegislaturperiode an Forderungen gestellt hat, so müss-ten jährlich 255 Milliarden Euro zusätzlich her. Dannmuss man aber auch sagen, woher das Geld kommensoll, Herr Kollege Lafontaine, Sie größter Finanzpoliti-ker der Welt.
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Ich rede erst einmal über den Herrn. – Ein kenntnisrei-her Journalist hat am Montag in einem Nachrichtenma-azin die finanzpolitischen Ungereimtheiten, Verfäl-chungen und Lügen treffend beschrieben. Nur der TitelDie ökonomischen Märchen des Oskar Lafontaine“ istrreführend; denn im Märchen siegt am Ende immer dasute. Aber mit Ihren ökonomischen Giftrezepturen wirds nur ein ganz böses Erwachen geben, Herr Kollegeafontaine.Lassen Sie mich eine persönliche Anmerkung zu demmgang von Lafontaine mit der Wahrheit machen. Erat vor kurzem über die Zwangsvereinigung von KPDnd SPD gesagt, dass es sie nie gegeben habe und dassie SPD freiwillig mitgemacht habe.
as ist eine geschichtliche Dreistigkeit und eine Beleidi-ung eines jeden Sozialdemokraten, der dafür ins Ge-ängnis musste.
Sie sind ein Lügner, und Sie sollten sich schämen.icht einmal diesen Rest Anstand, diesen Rest Moralnd diesen Rest Respekt vor den DDR-Opfern hat sichieser Mann bewahren können. Sie halten Populismusür eine Primärtugend, Herr Kollege.
Gestatten Sie mir einige Worte zur Außenpolitik.aus aus der NATO, raus aus dem Kosovo, raus ausfghanistan – mit diesem Weg in die internationale Iso-ation kann man für Deutschland keine Politik machen.nsere Partner und Freunde beobachten genau, was wiruf internationaler Ebene tun und lassen.In den nächsten Wochen werden wir vermutlich eineeue Entscheidung über die Verlängerung des ISAF-andats in Afghanistan treffen. Ich weiß – auch ausielen Veranstaltungen –, dass dieser Einsatz in der Be-ölkerung sehr umstritten ist. Ich weiß aber auch, dass eseine Alternative dazu gibt, wenn der Wiederaufbau desandes vorangehen soll. Würde Deutschland sich zu-ückziehen, dann hätte das einen Dominoeffekt für dieräsenz anderer Länder.
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18652 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Dr. Peter StruckSicher reicht das nicht als Begründung für eine Ver-längerung aus; denn schließlich müssen wir verantwor-ten, ob wir unseren Soldaten den gefährlichen Einsatzweiter zumuten können. Wir sollten uns deshalb immerwieder in Erinnerung rufen, warum wir in Afghanistansind. Vor wenigen Tagen, am 11. September, hatten wirAnlass dazu. Bei den Anschlägen in New York und Wa-shington 2001 sind über 3 000 Menschen ums Leben ge-kommen. Diese Anschläge waren das Werk islamisti-scher Terroristen. Die Taliban in Afghanistan habendiesen Terrorismus geduldet und gefördert. Deshalb wares nicht nur im amerikanischen Interesse, dieses Regimezu beseitigen.Wir müssen heute verhindern, dass die Taliban weitererstarken und in Afghanistan an die Macht zurückkeh-ren. Wir dürfen nicht sehenden Auges zulassen, dasssich Afghanistan zu einem Exportland für Terrorismuszurückentwickelt.
Wir dürfen auch nicht ausblenden, wer hierzulande vorGericht des Terrorismus beschuldigt wird und seinHandwerk in Afghanistan gelernt hat. Sind die beidenTäter, die in Bahnhöfen Kofferbomben deponiert haben,durch die Menschen getötet werden sollten, vergessen?Deshalb arbeiten wir mit 40 anderen Staaten der Weltzusammen an einer besseren Zukunft in und für Afgha-nistan. Denn nur dann, wenn das Land wieder auf dieBeine kommt und die Menschen wieder eine Lebensper-spektive haben, werden sie den Drohungen und haltlosenVersprechungen der Islamisten widerstehen können. Derzivile Aufbau muss dabei im Mittelpunkt stehen. Da-rüber gibt es keine Diskussion und keinen Zweifel. Aberohne die Absicherung durch das Militär ist er nicht mög-lich. Das wird jeder von uns bestätigen, der selbst vorOrt war. Ohne das Militär geht es nicht.Wir führen keinen Krieg gegen das afghanische Volk.Wer das behauptet, redet blanken Unsinn. Aber es gibterstarkende Kräfte in Afghanistan, die den Wiederauf-bau verhindern wollen, weil sie ihn zu Recht als Gefahrfür die eigene Daseinsberechtigung sehen. Denn wennwir zusammen mit Präsident Karzai und der Regierungin Afghanistan erfolgreich sind, dann werden Terror undIslamismus bei der afghanischen Bevölkerung keinenRückhalt mehr finden.Ich bin deshalb der festen Überzeugung, dass wir un-ser Engagement in Afghanistan in der ganzen Breite– zivil und militärisch – fortsetzen müssen. Auch müs-sen wir unseren Soldaten alle verfügbaren Mittel an dieHand geben, um diesen Auftrag optimal erfüllen zu kön-nen.
Das sollten wir übrigens auch bedenken, wenn wir inden nächsten Tagen und Wochen im Bundestag über denEinsatz von AWACS-Flugzeugen zu entscheiden habensollten.SdslBgVizmbuWTttKwKvEadwBFJjfZmgfdawlEdse
ielleicht können Sie dem einen oder anderen Kollegenn Ihrer Fraktion erklären, dass es an dieser Politik nichtsu mäkeln gibt.Wir Sozialdemokraten sind jedenfalls froh, dass wirit Frank-Walter Steinmeier einen Außenminister ha-en, der die Interessen Deutschlands mit Beharrlichkeitnd Augenmaß vertritt.
ir sind stolz darauf, dass dieser Außenminister in derradition des letzten sozialdemokratischen Außenminis-ers Willy Brandt Deutschlands Ansehen als Volk der gu-en Nachbarn gestärkt hat.
Nach der Ernennung Frank-Walter Steinmeiers zumanzlerkandidaten der SPD – nun komme ich zu dem,as Sie hören wollen – gab es aus den Reihen unseresoalitionspartners – zum Glück nur ein paar einzelne –erwirrte und verirrte Stimmen.
s hieß, der Außenminister müsse sich zu 100 Prozentuf das Auswärtige Amt konzentrieren. Seien Sie sicher,ass der Vizekanzler die Regierungsgeschäfte genausoenig vernachlässigen wird wie die Bundeskanzlerin derundesrepublik Deutschland!
ür beide gilt, was für alle in der Koalition gelten sollte:etzt ist Arbeit angesagt. Wahlkampf ist später, nichtetzt. Bis dahin gibt es noch viel zu tun.Wir haben uns in der letzten Woche intensiv damit be-asst, wie wir uns wirkungsvoll gegen die zunehmendeahl von Spekulationsgeschäften am Öl- und Gas-arkt wappnen können; auch die Kanzlerin hat davonesprochen. Die augenblickliche Entwarnung beim Preisür ein Barrel Öl darf nicht darüber hinwegtäuschen,ass der zunehmende Energiehunger Chinas und Indiensuf Dauer die Preise bestimmen und nach oben treibenird. Man kann es drehen und wenden, wie man will,etztlich bleibt uns nur eine Option: Wir müssen unserennergieverbrauch verringern. Das kostengünstige Öl istas Öl, das wir erst gar nicht verbrauchen. Energieein-parungen und höhere Energieeffizienz sind neben denrneuerbaren Energien
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Dr. Peter Struck
unsere besten heimischen Energiequellen.
Eine höhere Effizienz nutzt außerdem der Umwelt unddem Klimaschutz.Wir haben intensiv geprüft – das gilt auch für dieUnionsfraktion –, ob wir den Bürgerinnen und Bürgernmit verbilligten Grund- und Sozialtarifen helfen können.Diesen Weg haben wir verworfen, weil er entwederdurch bürokratischen Aufwand unattraktiv oder durcherhebliche Mitnahmeeffekte unbezahlbar würde. Wirwerden in den nächsten Wochen unsere Arbeitsergeb-nisse vorlegen. Aber schon jetzt sind wir der Meinung,dass es mittelfristig am sinnvollsten ist, unsere Energie-effizienz zu erhöhen sowie die Mittel für das erfolgrei-che CO2-Gebäudesanierungsprogramm weiter aufzusto-cken und bis mindestens 2015 zu verstetigen.
Außerdem schlagen wir vor, in den nächsten JahrenGroßraumsiedlungen in Berlin, Hamburg und anderengroßen Städten Deutschlands in großem Stil energetischzu sanieren. Kurzfristig können wir GeringverdienernEntlastung verschaffen, indem wir die beschlosseneWohngelderhöhung auf Beginn der kommenden Heiz-periode vorziehen. Ich höre, dass die KoalitionsfraktionCDU/CSU diesem Vorschlag wohl folgen wird.
Ich weiß, dass sich die Union intensiv mit Fragen derEnergieeinsparung befasst; das ist gut. Aber ich ratedringend dazu, das nicht mit dem im Koalitionsvertragfestgeschriebenen Ausstieg aus der Kernenergie zu ver-mischen und diesen nicht zu verwässern. Wir bleiben beidem Ausstieg aus der Kernenergie. Er ist für uns nichtverhandelbar.
Die Kanzlerin hat die Föderalismusreform II ange-sprochen. Auch ich will einige Worte dazu sagen. Mitdem Eckpunktepapier, das ich zusammen mit dem ba-den-württembergischen Ministerpräsidenten GüntherOettinger im Juni erarbeitet habe, ist die Arbeit derKommission in die Schlussphase gekommen. Ichmöchte gemeinsam mit Herrn Oettinger, dass es eineZielgerade wird. Es geht um eine komplizierte und sen-sible Neugestaltung der Finanzbeziehungen. Dafür gibtes keine günstigere Koalition als diese Große Koalition,mit der die FDP-Kolleginnen und Kollegen und sogarFritz Kuhn von den Grünen in der Frage der Schuldenre-gelung durchaus bereit sind zusammenzuarbeiten. Wirbrauchen für fast jeden Eckpunkt unserer Reform eineverfassungsändernde Mehrheit im Parlament; das mussjeder wissen. Also brauchen wir die Kollegen von derFDP, die in manchen Bundesländern mitzuentscheidenhaben.edfeVbrstbsukfWesOlfsVdswlZIrirEtlnaSckmdds
ir müssen für die uns nachfolgenden Generationenine Regelung finden.Wir haben noch genug zu tun. Die Erbschaftsteuerei als Beispiel genannt. Ich gehe davon aus, dass wir imktober den Knoten durchschlagen werden und ins par-amentarische Verfahren gehen können.Wir müssen im Blick haben, dass uns das Bundesver-assungsgericht eine Neuregelung der Pendlerpau-chale auferlegt. Es war richtig, dass wir uns auf daserfahren geeinigt haben, nicht vorschnell aktiv zu wer-en, auf die Gefahr hin, auf das Urteil reagieren zu müs-en.
Da ich gerade beim Bundesverfassungsgericht bin,ill ich noch auf ein Thema eingehen, das mir persön-ich sehr am Herzen liegt. Ich weiß, dass ich da keineustimmung bei der CDU/CSU-Fraktion finden werde.ch will nicht verstehen, dass wir das gesammelte Mate-ial zur NPD nicht nutzen, um noch einmal ernsthaft undntensiv die Möglichkeit eines erneuten Verbotsverfah-ens zu prüfen. Das kann ich nicht verstehen.
inige Landesinnenminister haben gute Vorarbeit geleis-et, vor allem auch der CDU-Innenminister aus Meck-enburg-Vorpommern. Aus meiner Sicht dürfen wirichts unversucht lassen, um diesen Neonazis politisch,ber auch rechtlich endgültig das Handwerk zu legen.
onst besteht die Gefahr, dass sie in einigen Landstri-hen die Oberhand gewinnen und die Arbeit aller demo-ratischen Parteien erschweren oder sogar unmöglichachen. Ich will mich jedenfalls nicht damit abfinden,ass wir aus Steuermitteln eine Partei finanzieren, dieie demokratische Grundordnung überwinden und zer-tören will. Das kann nicht in unserem Interesse sein.
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Dr. Peter StruckAuf unserem Arbeitsplan stehen noch das Arbeitneh-mer-Entsendegesetz und das Mindestarbeitsbedingun-gengesetz. Darüber werden wir in Kürze auf der Frak-tionsarbeitsebene zu beraten und zu entscheiden haben.Wir müssen diesen Weg gehen, weil branchenübergrei-fende Mindestlöhne mit unserem Koalitionspartner be-kanntlich nicht zu machen sind. Das ändert allerdingsnichts daran, dass wir Sozialdemokraten über dieseWahlperiode hinaus am Ziel eines flächendeckendenMindestlohnes, wie es ihn in den meisten europäischenLändern gibt, festhalten und dafür werben werden.
Wir sind darin bestärkt worden durch einen Gast inunserer letzten Fraktionssitzung, nämlich durch den ehe-maligen Partei- und Fraktionsvorsitzenden Hans-JochenVogel. Er hat sich beim Thema Mindestlohn nicht nurauf die eigene Autorität verlassen, sondern uns als gläu-biger Katholik die Argumentationskraft dreier Päpste fürden Mindestlohn als Gastgeschenk mitgebracht.Leo XIII., Johannes XXIII. und Benedikt XVI., der aktu-elle Papst, haben fast gleichlautend gerechten Lohn ge-fordert. Einen gerechten Lohn beschreibt JohannesXXIII. in seiner Enzyklika Pacem in terris als einenLohn, der dem Arbeiter und seiner Familie eine men-schenwürdige Lebenshaltung gestattet. Lassen Sie unsdoch den Päpsten folgen und überwinden Sie Ihre christ-lichen Bedenken dagegen.
Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass sich zwei christli-che Parteien solch gewichtigen Befürwortern sozialerPolitik noch anschließen werden.
Sie sehen, dass die Unterschiede zwischen den Volks-parteien noch nicht aufgebraucht sind. Niemand muss imnächsten Sommer einen langweiligen Wahlkampf fürch-ten. Jenseits des Trennenden haben wir in den letztendrei Jahren viel Gemeinsames auf den Weg gebracht, ge-treu dem Versprechen, das wir den Bürgerinnen undBürgern in unserem Koalitionsvertrag gegeben haben. Indessen Präambel heißt es:In gemeinsamer Verantwortung wollen wir dasLand voranbringen.Das haben wir getan, und das werden wir in der nochverbleibenden Zeit dieser Legislaturperiode weiterhintun.Von da an gilt Kapitel 3, Buch der Prediger, als Weg-weiser: Alles hat seine Zeit, Weinen und Lachen, Weh-klagen und Feiern, sich Umarmen hat seine Zeit und sichaus der Umarmung lösen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
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Meine Antwort ist: Wer sich die Zahlen anschaut, in-lusive die der mittelfristigen Finanzplanung bis 2011,er muss – trotz allem, was der Finanzminister gesternortreich dargestellt hat – feststellen: Sie haben diesesiel der Konsolidierung bis zum Jahr 2011 nicht seriösrreicht,
nd zwar aus folgendem Grund: Wer in den Jahren 2005is 2009 zusätzliche Steuern in Höhe von insgesamt9 Milliarden Euro einnimmt und die Nettoneuverschul-ung nur um 21 Milliarden Euro zurückfährt, der kannicht sagen, dass er den Haushalt wirklich konsolidiertabe.
bwohl Sie, Frau Merkel, in einer guten Konjunktur ge-tartet sind, obwohl Sie die Mehrwertsteuer massivrhöht haben und obwohl Sie massive Privatisierungs-rlöse in diesen Jahren im Haushalt und in der mittelfris-igen Finanzplanung haben, haben Sie es nicht geschafft,en Haushalt zu konsolidieren. Sie haben nichts für diechwierigen Zeiten angelegt.
Unser Vorwurf heißt: Herr Struck, Ihnen ist es nichtelungen, die Maßnahmen umzusetzen, über die wir iner Föderalismuskommission diskutiert haben, näm-ich die Verschuldung zu bremsen und in guten Jahrenür die schlechten Jahre vorzusorgen. Sie alle wissen,ass bei einer Neuverschuldung von null für dasahr 2011, die Sie in der mittelfristigen Finanzplanungtatisiert haben, eine Vielzahl von Haushaltsrisikenteckt, für die Sie nicht im Ansatz Vorsorge getroffen ha-en.
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Fritz KuhnIch nenne die globalen Minderausgaben im Arbeits-ministerium, die Sie nur zulasten der kleinen Leute reali-sieren können, nämlich beim Arbeitslosengeld II, bei derGrundsicherung. Ich nenne die Pendlerpauschale mitden Risiken in Karlsruhe. Ich nenne das Kindergeld, vondessen Erhöhung Sie reden, die Sie aber nicht etatisierthaben.
Ich rede von den Konjunkturrisiken, die Sie nicht etati-siert haben; denn Sie gehen von einem Wachstum von1,2 bzw. 1,5 Prozent über die Jahre aus. Ich nenne auchdas Urteil aus Karlsruhe über die steuerliche Absetzbar-keit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversiche-rung.Das heißt im Klartext: Trotz massiver Haushaltsrisi-ken und trotz eines möglichen Abschwungs der Kon-junktur – man braucht gar nicht von Rezession zu reden –setzen Sie für das Jahr 2011 eine Neuverschuldung vonnull an, obwohl alle wissen, dass Sie dieses Ziel nichteinhalten können. Frau Merkel, es tut mir leid: Wir kön-nen gern über Schwierigkeiten auf dem Weg reden, aberSie können eines nicht machen: dass Sie sich erst einmalden Beifall als Konsolidierer abholen, hinterher aber dasKonsolidierungsziel nicht erreichen. Das funktioniert beieiner wachen Öffentlichkeit nicht, egal wie Steinbrückhier an diesem Pult redet.
Ich finde, wir müssen anders über Einsparungen re-den, und wir müssen darüber reden, welche steuerlichenPrivilegien Sie eigentlich in den letzten Jahren nicht an-getastet haben. Ich will ein Beispiel nennen. Es gibtzahlreiche Ausnahmen bei der Ökosteuer in der Wirt-schaft. Die Ökosteuer ist eine reine Verbraucherinnen-und Verbrauchersteuer geworden. Sie sind nicht bereit,diese Ausnahmen anzugreifen, obwohl dem Staat da-durch jährlich Milliardenbeträge entgehen.Ein zweites Beispiel: die Steuerprivilegien bei derNutzung von Dienstwagen. Bund und Länder geben da-für zusammen jährlich rund 6 Milliarden Euro aus. Da-rüber schweigt die Regierung trotz Klimaschutzanforde-rungen. Ich erläutere das einmal, weil ich weiß, dassviele über die Dimensionen nicht Bescheid wissen: EinPorsche Cayenne Turbo – um einmal ein größeres Fahr-zeug zu nehmen –, der pro Kilometer 358 Gramm CO2ausstößt und dabei 15 Liter Treibstoff verbraucht, hat ei-nen Ladenpreis von 110 000 Euro. Ein Großbetrieb miteinem entsprechenden Grenzsteuersatz, der dieses Autoeinem seiner Mitarbeiter zur Verfügung stellt, kann ihnsechs Jahre lang abschreiben und hat dadurch einenSteuervorteil von jährlich maximal 5 500 Euro, das heißtinsgesamt von etwas mehr als 33 000 Euro. Ein mittel-ständischer Betrieb, der einen höheren Grenzsteuersatzhat, hat in diesem Sechsjahreszeitraum einen Steuervor-teil von 44 000 Euro. Da frage ich Sie alle zusammen:Was sind wir eigentlich für ein Staat, der es für zumutbarund akzeptabel hält, dass die Nutzung dieser Dreck-schleudern, was den CO2-Ausstoß angeht, durch einenSteuervorteil von maximal 44 000 Euro begünstigt wird?Wo sind Sie denn da?mcdsssKrkRssEhwzEtMüDinwbSLikSiIaGRsrMsRGdgsr
Dennoch sagte Herr Steinbrück gestern: Nennen Sieir Sparvorschläge! Wir können eine ganze Reihe sol-her Sparvorschläge nennen. Wir müssen natürlich überie Fragen reden: „Stimmt die steuerliche Basis, oderind wir da zu großzügig? Subventionieren wir das Fal-che?“ Frau Merkel, diese Sache müssen Sie sich an-chauen, wenn Sie den Anspruch erheben, eine Großeoalition wirklich im Sinne von Haushaltskonsolidie-ung geführt zu haben.
Dann kommen die Bayern ins Spiel. Herr Huber, ichann nur sagen – Sie wollen nachher in der drittenunde reden –: Was Sie gegenwärtig steuerpolitisch vor-chlagen – Ihr Entlastungspaket bei der Einkommen-teuer, 23 Milliarden Euro; die Wiedereinführung dernfernungspauschale; das, wogegen Sie jetzt kämpfen,aben Sie mit beschlossen, wovon Sie jetzt nichts wissenollen –, ist nicht finanzierbar. Sie verweisen immer aufusätzliche Steuereinnahmen in Höhe von 60 Milliardenuro. Aber Sie sehen doch, dass die von Ihnen mitgestal-ete und mitgetragene Große Koalition trotz dieserehreinnahmen bei den Steuern aus diesem Jahr mitber 10 Milliarden neuen Schulden herausgehen wird.as Geld, das Sie fordern, ist nicht vorhanden. Was Sien Bayern veranstalten, ist ein Wahlkampftheater. Ichenne die Forderungen, die Sie aufstellen, und die Art,ie Sie arbeiten, Panikpopulismus. Weil Sie Angst ha-en, dass Sie die absolute Mehrheit verlieren, verkündenie jeden Unsinn – und wissen genau, dass es nicht geht.
Übrigens, an dieser Stelle sind der Politikstil derinkspartei und der der CSU in Bayern einander nah. Esst Ihnen völlig egal, wie man die Dinge realisierenann; dennoch stellen Sie erst einmal Forderungen, weilie denken, es komme irgendwie gut an.
Die CSU ist in einem komischen Zustand; Sie fordertn Bayern etwas ganz anderes, als sie hier in Berlin tut.ch will dafür ein weiteres Beispiel nennen, und zwarus dem Bereich der Gentechnik; ich denke an dierüne Gentechnik in der Landwirtschaft. Auf deramsauer-Homepage – jetzt in Bayern – habe ich gele-en: „Wir lehnen den Einsatz der … Gentechnik in unse-er Heimat ab.“ Tatsächlich hat ihn zunächst der CSU-inister Seehofer als Gesundheitsminister 1998 in Brüs-el genehmigt, als er die genrechtliche Genehmigung imahmen der EU mit unterstützt hat. Die sortenrechtlicheenehmigung, die man bei der Aussaat braucht, hat erann im Jahr 2005 als eine seiner ersten Amtshandlun-en erteilt, nachdem Renate Künast dieses Verfahren ge-toppt hatte. Da fragt sich doch die aufgeklärte Bevölke-ung in Deutschland und in Bayern: Was gilt nun?
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Fritz KuhnGentechnik in der Heimat lehnt man ab, und in Berlinpusht man sie mit Unterstützung der Kanzlerin.
Ich glaube, dass man so nicht vorgehen kann.Im Übrigen, Herr Steinbrück, Stichwort „Sparen inDeutschland, Gentechnik“: Im Rahmen der Hightech-Strategie werden – das ist ein kleinerer Beitrag –279 549 Euro dafür ausgegeben, dass gentechnisch ver-änderte, kälteresistente Weihnachtssterne erprobt wer-den. So etwas wird zur Förderung der Gentechnik überden Bundeshaushalt finanziert. Ich würde einmal sagen:Wenn Sie über Haushaltskonsolidierung reden, dannschauen Sie noch einmal nach, ob Sie solche Beiträgenicht einsammeln können! Es ist doch blanker Unsinn,sich als Sparkommissar hinzustellen und insgesamt ei-nen solchen Mist zu machen.
Ich möchte Frau Merkel als Kanzlerin und Chefin derGroßen Koalition zweitens fragen, ob eigentlich diesozialen Sicherungssysteme gerechter und zukunftsfä-higer geworden sind. Auch das ist eine Frage, die dieGroße Koalition beantworten muss.Meine Antwort ist: In vielem sind die sozialen Siche-rungssysteme nicht gerechter geworden. Wenn ich aufdas Gesundheitssystem schaue, dann stelle ich fest,dass wir in Deutschland doch eine Zweiklassenmedizinhaben. Zu denken ist an die Wartezeiten, an die Leis-tungskataloge für Kassenpatienten oder an die Überver-sorgung von Privatpatienten. Weil die Praxen über beideSysteme finanziert werden, laufen Privatpatienten jaauch immer Gefahr, dass bei ihnen zu viel gemacht wird,also auch etwas gemacht wird, was medizinisch garnicht notwendig ist. Wenn ich mir all dies anschaue,dann kann ich aufgrund der Spaltung zwischen gesetzli-cher und privater Versicherung nicht sagen: Unser Ge-sundheitssystem hat nicht den Charakter einer Zweiklas-senmedizin. Es besteht ein unterschiedliches Angebot, jenachdem, um wen es sich handelt und wo er sich befin-det. Daran hat die Große Koalition nichts verändert.
Sie haben sich um die Finanzierung gekümmert, aber inder Frage der Gerechtigkeit in der Krankenversicherungsind Sie als Große Koalition keinen Schritt weiterge-kommen.
Frau Merkel sagt, es sei kompliziert, aber es hat sie nichtinteressiert, etwas zu verändern und mehr Gerechtigkeitin die gesetzliche Krankenversicherung zu bringen.Zur Frage der stabilisierten Finanzierung der sozia-len Sicherungssysteme: Unter die Grenze von 40 Prozentzu kommen, das erreichen Sie nicht. Herr Kauder, FrauMerkel, Sie haben dies nicht wirklich erreicht. Ich nenneIhnen die Zahlen. Am 1. Juli 2008 betrug der Gesamt-satz für die sozialen Sicherungssysteme 40,3 Prozent.Am 1. Januar 2009 wird er, weil der Gesundheitsfondsnatürlich viel kosten wird, über 40,7 Prozent betragen.ImdzdovvsencKBmlFiKshWiURnawndnskdwkKDEgwdbaVhfNJD
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Ich komme zum Thema Verkehrspolitik. FrauMerkel, 25 Prozent der weltweiten CO2-Emmissionenentstehen durch den Verkehr. Sie aber haben so gut wiekeine Verkehrspolitik, die darauf auch nur irgendeineAntwort gibt. Mit der Kfz-Steuerreform kommen Sienicht weiter, obwohl viele Leute darauf warten. Sie wür-den ein sparsameres Auto kaufen, wenn sie wüssten, wasda geschieht. Ich sage Ihnen: Ein vernünftiges Auto miteinem Spritverbrauch von 4 Litern muss Kfz-steuerfreisein. Das müssen Sie endlich machen, dann lösen Sieauch einen Anreiz zum Kauf einer besseren Verkehrs-technik aus. Das scheint Ihnen aber weitgehend egal zusein. Themen wie Tempolimit oder Dienstwagenbesteue-rung scheinen Sie zu ignorieren. Das ist eine gute Dauer-subvention, die Sie gern beibehalten wollen. Zu denFßskAnfHKdgzInRngildBddBkSaiwgBdBgKQwagS–fsKkLKH
ch frage mich auch, wann Herr Tiefensee endlich mit ei-er Verkehrspolitik beginnt, die wirklich unter demubrum „Klimaschutz“ steht. Ich frage mich, wann ericht mehr diesen Mist macht, den wir aus diesem Hauseewohnt sind. Frau Merkel, ich sage dies deswegen, weilch finde, eine Kanzlerin darf diese Fragen nicht so aus-assen. Sie muss sich zentral mit diesen Fragen auseinan-ersetzen.Die nächste Frage, die ich ansprechen möchte, ist dieildungspolitik. Es ist schön, dass Sie jetzt eine Bil-ungsreise machen. Ich will mich ausdrücklich nichtarüber lustig machen, denn es ist richtig, sich um dieildungsinstitutionen zu kümmern. Die Lage ist ganzlar: Deutschland ist als Bildungsland nicht an vorderertelle. Im OECD-Vergleich schneiden wir sehr kritischb. Wir geben sehr viel weniger Geld aus, als die Länderm Durchschnitt ausgeben. Wir geben erst recht sehr vieleniger Geld aus als die Topländer. Dabei will ich sa-en, dass es nicht allein ums Geld geht. In der Frage derildung geht es immer auch um die Struktur von Bil-ung, also um die Qualität, die aus dem folgt, wie wirildung organisieren.
Wenn ich mir unser Land im internationalen Ver-leich anschaue, dann stelle ich fest, wir haben zu weniginderbetreuung für die unter Dreijährigen, wir habenualitätsdefizite in der Kinderbetreuung, wir haben zuenig sprachliche und soziale Integration. Sie haben dasngesprochen. Ich glaube, man muss diese Anstrengun-en in der Vorschule und in den ersten Klassen derchule verstärken. Wir haben in unserem Schulsystemda wären Sie auch als CDU-Vorsitzende einmal ge-ragt; Sie sind ja nicht nur Kanzlerin, sondern auch Vor-itzende dieser Volkspartei – eine zu frühe Selektion derinder nach der vierten Klasse mit negativen Auswir-ungen auf das Lernklima ab der ersten Klasse. Dereistungsdruck geht ja gleich nach der Einschulung derinder los.
Wir haben eine lausig schlechte Situation an denochschulen, sowohl was die Lehre als auch was die
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Fritz KuhnForschung angeht. Keine deutsche Hochschule steht iminternationalen Ranking an vorderer Stelle. Der Hoch-schulpakt funktioniert einfach nicht, Frau Schavan. Ichmöchte nur einmal etwas zur Anzahl der Studienplätzesagen: Für 2007 war vereinbart, 13 000 neue Studien-plätze zu schaffen. Tatsächlich geschaffen wurden 3 400.Sie müssen sich doch eingestehen, dass dies nicht sofunktioniert, wie es geplant war, und sich darum küm-mern.Frau Merkel, ich kann es Ihnen nicht ersparen: DasErgebnis der Föderalismusreform I, dass der Bund aufwesentliche Punkte seiner ohnehin schwachen Kompe-tenzen im Bildungsbereich verzichtet hat, war ein großerFehler. Dies war ein Fehler, den die Große Koalition ge-macht hat und den Sie zusammen mit Herrn Münteferingzu verantworten haben.
Wir stellen jetzt die Forderung an Sie, dass der Bil-dungsgipfel, den Sie als Bund-Länder-Bildungsgipfelfür Oktober angesetzt haben, zu einem Ergebnisgipfelwerden muss. Er darf nicht zu einem Problemanalyse-gipfel werden; davon haben Sie ja schon viele durchge-führt. Wir wollen jetzt vielmehr konkrete Ergebnisse se-hen, wie unser Bildungssystem verbessert werden soll,wer dabei welche Aufgabe erhält und wie die Finanzie-rung zwischen Bund und Ländern hier geregelt werdensoll. Es wird also zu prüfen sein, ob es sich um einen Er-gebnisgipfel gehandelt hat oder ob man nur schön da-rüber gesprochen hat, wie es eigentlich sein sollte.
Damit komme ich zu einem wichtigen Punkt, den Siein Ihrer Rede, Frau Merkel, völlig ausgelassen haben.Wir wissen, dass neben den Strukturreformen im Bil-dungssystem die Fragestellung, wie wir all das finan-zieren wollen, zentral und wichtig ist. Laut OECD-Zahlen haben wir in der gesamten Bildungskette vomKindergarten bis zur beruflichen Weiterbildung und derUniversität in Deutschland eine Unterdeckung bezüglichder eigentlich notwendigen Ausgaben in Höhe von30 bis 40 Milliarden Euro, je nachdem, was man allesdazunimmt. Sie müssen jetzt endlich einmal sagen, auswelchem der noch nicht konsolidierten Haushalte undmit welcher Methode Sie diese Lücke schließen wollen.Wir als Grüne haben vor diesem Hintergrund gesagt, wirhören damit auf, sonntags von mehr Bildung zu redenund bei Finanzierungsfragen verträumt zum Himmelüber dem Reichstag oder sonst wohin zu schauen. Viel-mehr schlagen wir vor, Mittel aus dem Soli, der ein Fi-nanzvolumen von 50 Milliarden Euro umfasst und des-sen Zweckbindung zur Verwendung in den neuenLändern von 2010 bis 2019 nach und nach ausläuft, dazuzu verwenden, um die große Aufgabe zu stemmen, dieInfrastruktur unseres Bildungssystems endlich zu stär-ken. Auf diese Weise könnten wir das, was wir machenwollen, endlich auch finanzieren.
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Wenn wir dann lesen – ich verweise auf eine Bericht-erstattung letzte Woche in der Neuen Zürcher Zeitung,die eine hohe Objektivität in diesen Fragen hat –, dassUS-Präsident Bush beschlossen und den Befehl erteilthaben soll, dass künftig auch in Pakistan mit Boden-truppen angegriffen wird, ohne die pakistanische Regie-rung um Erlaubnis zu fragen, dann kann ich nur sagen:Ich will von einer Kanzlerin, die diesen Laden hier führt,wissen, wie sie dazu steht, ob sie glaubt, dass dasstimmt, und was sie gegenüber der US-Administrationgetan hat, um Aufschluss darüber zu erhalten, wie dieDinge laufen, und ob wir eigentlich mit Zustimmung zuISAF und OEF diesen völkerrechtswidrigen Befehl,wenn er denn erteilt worden ist, unterstützen wollen odernicht.Solche Fragen haben wir Abgeordneten, und zwar inallen Fraktionen, wenn wir über dieses Thema diskutie-ren. Ich verstehe Ihren Dank an die Angehörigen derBundeswehr. Aber als einziges wesentliches Element inIhrer Rede war das wirklich zu wenig. An dieser Stellehätte ich mir mehr Führung, mehr Aufklärung, mehr In-formation gewünscht.
Ich komme zum Schluss.
Herr Kollege, Sie denken bitte an die Redezeit.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wenn ich
ein Resümee ziehe, finde ich, dass Sie, Frau Merkel, das
Land in wesentlichen Fragen nicht ausreichend führen,
dass Sie sich zurückhalten, dass Sie warten, wie die
Streits ausgehen. Ich will am Rande hinzufügen: Manch-
mal habe ich bei Ihrem Regierungsstil den Eindruck, als
hätten wir nicht einen Bundespräsidenten, sondern eher
zwei. Für die Führung einer Kanzlerin ist das zu wenig.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Volker Kauder,
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Mit der Vorlage dieses Haushaltes für das Jahr2009 verfolgt die Große Koalition konsequent das wei-ter, was sie sich zum Start vorgenommen hat: sanieren,reformieren, investieren.
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Mit dieser Großen Koalition hat sich schon einigeserändert. Es ist bereits mehrfach gesagt worden: Nebenem, was wir als knallharte Fakten sehen – dass wir nachiner Neuverschuldung von 30, 40, 50 Milliarden Euroedes Jahr jetzt auf eine Neuverschuldung von etwasehr als 10 Milliarden Euro kommen und dass wir imaushalt 2010, der noch vor der Bundestagswahl im Jahr009 beraten wird, auf 6 Milliarden Euro kommen –, istie klare Aussage und Botschaft: Wir werden es nach0 Jahren zum ersten Mal schaffen, keine neuen Schul-en zu machen, um unsere Aufgaben leisten zu können.ir schaffen einen ausgeglichenen Haushalt. Wir sorgenafür, dass keine neuen Schulden und keine neuen Zins-asten entstehen und es neue Chancen für die junge Ge-eration gibt.
Dieser Weg war nicht einfach; er war anstrengend.uch in beiden Koalitionsparteien, sehr geehrter Herrollege Struck, war es nicht einfach, weil natürlich ineiden Parteien
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18660 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Volker Kauder– in drei Parteien, auch in der CSU – befürchtet wurde,dass wir zu viel von dem, was uns wichtig ist, nicht um-setzen können.Aber was ist in den letzten drei Jahren wirklich wich-tig gewesen? Was neben der Haushaltskonsolidierungwirklich wichtig war, wird uns heute in allen Tageszei-tungen auf Seite eins bescheinigt.
Vom DIW wird bescheinigt: Die erfolgreiche Bekämp-fung der Arbeitslosigkeit ist der einzige Weg, um so-ziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen.
Professor Zimmermann sagt heute in allen Zeitungen: Esmag ja sein, dass nicht bei jedem etwas angekommen istvon dem, was gemacht worden ist. Aber er sagt auch:Bei denjenigen 2 Millionen Menschen und deren Fami-lien, die aus der Arbeitslosigkeit herausgekommen sindund neue Chancen in ihrem Leben haben, ist enorm vielangekommen. Bei ihnen ist der Aufschwung angekom-men.
Deswegen gilt es, diesen Weg weiterzugehen.Mancher auch in unserem Land meint: Wenn wir überdie Erfolge, die zweifelsohne da sind, reden, dann wür-den wir uns zurücklehnen. Überhaupt nicht! Die Erfolge,die wir erreicht haben, dienen vielmehr als Beweis dafür,dass es sich lohnt, sich anzustrengen, dass es sich lohnt,das, was man als richtig erkannt hat, konsequent weiter-zuführen. Wir werden uns nicht ausruhen, sondern denMenschen Antworten auf die Fragen geben, die sie stel-len.Es sind natürlich bewegte Zeiten, in denen die Men-schen uns schreiben. E-Mail-Eingang heute Morgen:Herr Kauder, sagen Sie uns einmal: Sind unsere Sparein-lagen noch sicher? Welcher Bank können wir noch ver-trauen?
Die Antworten, die der Finanzminister und die Bundes-kanzlerin gegeben haben, sind völlig richtig. Sie sagen:Wir müssen dafür sorgen, dass es entsprechende Richt-linien und Regeln gibt, damit das, was jetzt passiert ist,nicht noch einmal passieren kann. Daran müssen wir ar-beiten.
Es ist richtig, wenn der Bundesfinanzminister erklärt: Essind Dinge passiert, die natürlich nicht hätten passierendürfen; aber es besteht überhaupt kein Grund, den Men-schen einzureden, dass wir diese Situation nicht beherr-schen können.Eines ist aber auch klar: All diejenigen, die uns nochvor wenigen Monaten gesagt haben, Kontrollen und Re-gwDjlgRBsTmBItkcgsWcJgbMpddDSnDws–eskjd
In diesen Tagen werden wir in allen Interviews zumhema Koalitionen befragt. Meine sehr verehrten Da-en und Herren hier im Plenum und draußen an denildschirmen, wir wollen diese Diskussion nicht führen.ch rate uns allen, sich an dieser Diskussion nicht zu be-eiligen. Es geht doch jetzt nicht um uns. Wir macheneinen Wahlkampf. Wir müssen jetzt unsere Arbeit ma-hen.
Deswegen rate ich allen, auch wenn sie vor Kamerasefragt werden, sich nicht auf diese Diskussion einzulas-en, sondern deutlich zu machen, was in den nächstenochen und Monaten noch vor uns liegt, was wir ma-hen müssen, um dieses Land voranzubringen.
etzt konkret: Diese Große Koalition hat ihre Rechtferti-ung darin, dass sie Aufgaben anpackt und sie löst. Da-ei geht es um Themen, die für unser Land, für vieleenschen, für uns alle von besonderer Bedeutung sind.
Das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, der Arbeits-latzschaffer Nummer eins, derjenige, der die Ausbil-ungsplätze für unsere Kinder zur Verfügung stellt, ister Mittelstand in Deutschland.
as sind vor allem unsere Familienunternehmen, die amtandort bleiben und sich nicht wie jedes DAX-Unter-ehmen in der ganzen Welt tummeln.
iese Familienunternehmen müssen entlastet und nicht,ie Herr Lafontaine meint, enteignet werden. Das ist ab-oluter Unsinn, was da erzählt wird!
Deswegen haben wir bei der Erbschaftsteuerreform Herr Kollege Struck, Sie haben das angesprochen –ine riesengroße Verantwortung. Das Bundesverfas-ungsgericht hat uns vor ein Problem gestellt. Jetztommt es darauf an, dass wir es lösen. Ich sage schonetzt ganz klar – da sind wir uns Gott sei Dank einig –,ass das, was als Gesetzentwurf vorliegt, in einigen ent-
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Volker Kauderscheidenden Punkten verändert und verbessert werdenmuss. Da sind wir uns einig.
In den nächsten Tagen werden wir uns zusammenset-zen. Schon jetzt sage ich:Erstens. Familienunternehmen müssen auch nach ei-ner Erbschaftsteuerreform in der Lage sein, ihr Fami-lienunternehmen ertragreich im Interesse von uns allenfortzuführen.
Zweitens. Arbeitsplatzschaffende Maßnahmen dür-fen nicht mit einer Erbschaftsteuer belegt werden. Des-wegen bleibt es dabei, dass wir die Erbschaftsteuer ab-schmelzen.Drittens. Wir wollen, dass das Eigentum derjenigen,die in ihrem Leben etwas geleistet haben, die ihr Geldzusammengehalten haben, die es nicht hinausgeworfenhaben, sondern ein kleines Eigentum für die Familie ge-schaffen haben, in die nächste Generation übertragenwerden kann.
Ich bin sicher, dass wir nach intensiven Verhandlun-gen und Gesprächen zu guten Ergebnissen kommen kön-nen. In dieser Großen Koalition und auch in den Bundes-ländern, die wir dazu brauchen, weil es letztlich ihreSteuer ist und nicht eine des Bundes, die nur wir regelnmüssen, ist die Bereitschaft dazu vorhanden.Wir haben in diesen Tagen natürlich auch mit dem ei-nen Thema zu tun, das die Menschen in besondererWeise beschäftigt.
– Genau das nicht. Sie haben von dem, was ich gesagthabe, überhaupt nichts verstanden.
Wir müssen arbeiten und nicht immer an die eigenenMöglichkeiten der Macht denken. Kapieren Sie das end-lich einmal!
Die Menschen bewegt nicht die Frage, wann Sie ineine Regierung eintreten wollen, sondern die Tatsache,dass das Leben für sie immer teurer geworden ist.
Für diese Frage haben wir Verständnis. Aber die Ant-worten, die gegeben werden, sind vielfach die falschen.
Wir können auf die gestiegenen Energiepreise nichtmit hohen staatlichen Subventionen antworten. Denn dasmdgnegDwntVbAIldiKSSvcmElj4vnEDlzMdIDIwestA
ch fordere die Automobilindustrie auf: Macht jetzt end-ich ernst mit dem Elektromotor als Zusatzaggregat aufem Weg zum Elektroantrieb auf deutschen Straßen. Dasst der richtige Weg. Aber wenn man das macht, Herruhn, ist auch klar: Elektroautos fahren nicht durchchieben, sondern durch Strom. Also brauchen wir danntrom. Deswegen kann ich nur sagen: Es ist völlig un-erantwortlich – nicht das, was Sie gesagt haben –, si-her laufende Kernkraftwerke einfach vom Netz zu neh-en. Das ist Vernichtung von volkswirtschaftlichemigentum!
Die Zahlen, die wir genannt haben, sind Ihnen natür-ich nicht recht; das ist mir völlig klar. Denn wir habenetzt zum ersten Mal gesagt: Wir können den Menschen0 Milliarden Euro zurückgeben. Da hat ein Sprecheron RWE etwas erklärt, was kurze Zeit später zurückge-ommen wurde. Ich sage Ihnen: Die Zahl 40 Milliardenuro ist realistisch.
amit die 40 Milliarden Euro nicht verloren gehen, sol-en sie in einen Fonds gezahlt und dann den Menschenurückgeben werden. Das passt Ihnen nicht, weil Sie denenschen die Unwahrheit sagen. Politik beginnt mitem Betrachten der Wirklichkeit und nicht mit grünerdeologie.
as Problem bei der Energiefrage ist, dass Sie mehrdeologie als Realität in den Vordergrund stellen. Wirollen den Energiemix, weil wir den Menschen damitine breit gefächerte Energieversorgung zur Verfügungtellen können.Wir haben darüber hinaus gesagt: Wir werden das Ur-eil des Bundesverfassungsgerichtes, das eine besserenrechenbarkeit der Krankenversicherungsbeiträge bei
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Volker Kauderder Steuer vorschreibt, umsetzen. Das wird zu einer Ent-lastung führen.Wir haben auch gesagt: Wir wollen eine deutlicheSenkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.Wir können uns eine Senkung um 0,5 Prozentpunktevorstellen. Dies ist gerechnet. Der Vorstandsvorsitzendeder Bundesagentur für Arbeit hat erklärt, dass dies mög-lich ist. Im Übrigen will ich an dieser Stelle sagen: Ichbin dem Chef der Bundesagentur dankbar. Denn nichtnur wir und die Wirtschaft, sondern auch er hat durch dieReformierung seiner Agentur einen Beitrag dazu geleis-tet, dass die Senkung jetzt möglich geworden ist.
Ich sage: Die Bundesagentur ist keine Sparkasse. Das,was nicht unmittelbar für die Aufgaben und eineSchwankungsreserve gebraucht wird, wird an die Bei-tragszahler zurückgegeben. Daher ist nach unserenRechnungen eine Beitragssenkung auf 2,8 Prozent mög-lich.
Dieses Entlastungspaket ist ein Angebot, den Menschenzu helfen.Die Große Koalition hat noch einige Zeit vor sich, umArbeit für unser Land zu leisten. Diese Zeit wollen wirnutzen. Im nächsten Jahr wird der Wahlkampf beginnen.Wahlkampf gehört zur Demokratie. Wir sollten denWahlkampf aber auf die unbedingt notwendige Dauer re-duzieren.
– Wenn auch Sie Ihren Beitrag dazu leisten, wird uns dasgelingen. – Bis dahin werden wir weiterarbeiten.Dass die Große Koalition einiges verändert hat, undzwar nicht nur im Hinblick auf die faktischen Chancender Menschen, kann man an zwei Einlassungen des Kol-legen Struck erkennen:Die Große Koalition hat zur Folge, dass der KollegeStruck, wenn ich mich richtig erinnere, zum ersten Malaus der Heiligen Schrift zitiert hat.
Das ist gut! Weiter so, Herr Kollege Struck!Außerdem, Herr Kollege Struck, haben Sie recht: Un-ter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkelkann man gute Außenpolitik machen.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Guido Westerwelle
für die FDP-Fraktion.
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Das sind die Entwicklungen, die in den letzten dreiahren stattgefunden haben. In diesen drei guten Jahrenaren Sie allerdings damit beschäftigt, die Frage zu klä-en, ob der Aufschwung ein Merkel-Aufschwung oderin Schröder-Aufschwung war.
ch sage Ihnen: Der Aufschwung hat weder etwas mitrau Merkel noch mit Herrn Schröder zu tun.
r hat übrigens auch nichts mit Herrn Kauder oder mitir zu tun,
ondern er hat etwas mit der Weltwirtschaft zu tun.Worüber Sie allerdings nicht gesprochen haben, istie Verantwortung für den Abschwung, in dem wir unsetzt befinden. Wenn der Aufschwung das Ergebnis Ihrerrbeit war, wieso bekennen Sie sich dann nicht auch zuhrer Verantwortung für den Abschwung, den wir geraderleben?
Frau Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren voner Bundesregierung, wir, die Opposition, werfen Ihnenicht vor, dass wir einen Abschwung erleben; wir wis-en, dass Aufschwung und Abschwung viel mit dereltkonjunktur zu tun haben. Was wir Ihnen aber vor-erfen, ist, dass Sie die guten Jahre nicht genutzt haben,m für schlechte Jahre vorzusorgen.
ie haben Ihre Zeit in dieser Koalition verplempert. Be-auerlicherweise wird von dieser Regierung der Ein-ruck übrig bleiben: Es waren versäumte Jahre.Wenn Sie es nicht einmal schaffen, die Kornkammern den berühmten fetten Jahren zu füllen, wie soll Ihnenas dann in den mageren Jahren gelingen? Wie wollenie denn bei schlechter Konjunktur einen Haushalt ohnechulden zustande bringen, wenn Sie einen Haushalthne Schulden nicht einmal bei guter Konjunktur zu-tande gebracht haben?
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Dr. Guido WesterwelleSie haben die Bürgerinnen und Bürger um die Früchtedes Aufschwungs gebracht, und zwar mit der größtenSteuer- und Abgabenerhöhung, die jemals eine Regie-rung im Deutschen Bundestag durchgesetzt hat. CDU,CSU und SPD sind verantwortlich dafür, dass das Lebender Bürgerinnen und Bürger in den letzten drei Jahrenimmer teurer, aber nicht besser geworden ist. Sie habenalles verteuert, aber nichts verbessert. Sie reden über diePreistreiber in der Wirtschaft. Aber die wahren Preistrei-ber haben Steuererhöhungen beschlossen und sitzen aufder Regierungsbank.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben eine Rede gehalten,der ich in weiten Teilen zustimmen konnte; ich glaube,das gilt über die Grenzen der Koalitionsfraktionen hin-weg sogar für einen großen Teil dieses Hauses. Natürlichist es gut, dass Sie die Bildungspolitik in den Mittel-punkt Ihrer Politik rücken. Es muss aber doch einem Be-obachter auffallen: Frau Bundeskanzlerin, Sie haben ammeisten über das Thema gesprochen, zu dem Sie poli-tisch am wenigsten zu sagen haben, nämlich über dieBildungspolitik. Da sind Sie natürlich mit unverbindli-chen Reden schnell dabei.
In Wahrheit ist es doch nicht so, als würde Ihre Bil-dungsreise irgendeinen Kindergarten oder irgendeineSchule verbessern. Diese Bildungsreise findet statt fürdie Damen und Herren, die da oben in der ersten Reihestehen, nämlich für die Fotografen. Sie wollen auch le-ben; das kann ich ja verstehen. Nur, mit Verlaub gesagt:Bildungspolitik hätte bedeutet, dass man bei der Födera-lismusreform mit den entsprechenden Mehrheiten dieseZersplitterung nicht auch noch durchgesetzt hätte.
Wir haben eine Bundesregierung, die heute Morgeneinen auf Rosamunde Pilcher gemacht hat. Heute Nach-mittag geht beim Wahlkampf das Kettensägenmassakerweiter. Das ist ein außerordentlich bemerkenswerter Vor-gang. Herr Kollege Kauder sagt: Wir machen keinenWahlkampf. – Das ist vermutlich genau der Grund, wes-halb CSU-Chef Huber gleich hier sprechen wird.
Das wird er uns an dieser Stelle noch erklären. MitVerlaub gesagt: Was der CSU-Chef als bayerischer Fi-nanzminister in der Debatte über den Bundeshaushalt zusuchen hat, das wird er uns zweifelsohne noch erklären.Ich weiß, dass ein CSU-Chef gern hier sprechen möchte.Er hat hier aber gar kein Rederecht. Rederecht hat dieBayerische Staatsregierung. Diese ist beim Bundeshaus-halt aber wirklich nicht gefragt, meine sehr geehrten Da-men und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Der Zustand dieser Regierung ist bemerkenswert. Daird alles fröhlich verkleistert. Das ist alles menschlichachvollziehbar. Aber, Frau Bundeskanzlerin, wir wol-en Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen, was Sieber Ihren Vizekanzler und die SPD alles gesagt haben.enn niemand mehr sagt, was vor vier Tagen gespro-hen wurde, dann ist es die Aufgabe der fröhlichen, opti-istischen und lebensbejahenden Opposition, dies ein-ubringen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat vor vieragen auf dem Parteitag der CDU in Rheinland-Pfalzesagt: Mit den Sozialdemokraten ist kein Staat zu ma-hen. – Bundeskanzlerin Angela Merkel: Wir haben esit einem Koalitionspartner zu tun, der zunehmend un-uverlässig wird.Wenn mit den Sozialdemokraten kein Staat zu ma-hen ist, dann verstehe ich nicht, wie ihr euch hier heuteormittag küsst, herzt und schmust, meine sehr geehrtenamen und Herren.
err Kollege Struck, ich bitte, das bildlich zu nehmen,amit das auch gleich klargestellt ist.Die Töne der Sozialdemokraten über ihren Regie-ungspartner Union sind kein bisschen anders. Der desi-nierte SPD-Vorsitzende, auf den ich mich persönlichurchaus freue, weil ich glaube, dass sehr klar gespro-hen wird, wenn er in Debatten eingreift, sagte zu dernion: Die Union stellt zwar die Kanzlerin, aber sie haticht die Meinungsführerschaft. Frau Merkel hat nichtie Führung.
Der Generalsekretär der SPD klatscht pflichtbewusst.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gegen dieseoalition waren Kain und Abel eine friedliche Gesell-chaft. Es ist abenteuerlich, was hier für ein Schauspieleranstaltet wird. Die Bürger sind aber viel zu klug, umas durchgehen zu lassen.
Frau Bundeskanzlerin, Sie haben gesagt: Das könnenicht alle, das kann nur die Große Koalition. – Das istür mich, wie man so schön sagt, das Wort des Tages ge-esen. Morgens machen Union und SPD in den Sitzun-en einen auf Miteinander, und ab Mittag machen sieinen auf Gegeneinander. Das kann nur die Große Koali-ion.Deutschland hat aber mehr verdient als eine Halbtags-egierung, die uns ein Jahr lang in dieser Republik mitauerwahlkampf lähmt.
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Dr. Guido WesterwelleDie Opposition wirft Ihnen nicht vor, dass sich dieWelt so oder so entwickelt. Es bestreitet niemand, dassdie Regierung und die Koalition – auch in den Jahren zu-vor – natürlich auch Positives bewirkt haben; es ist garnicht möglich, dass man drei Jahre lang regiert und allesschlecht war. Das wird ausdrücklich anerkannt. Insbe-sondere bei der Außenpolitik haben wir immer wiedergesagt: Das erkennen wir an. Das große Problem istaber, dass diese Koalition die riesengroße Mehrheit, diesie in diesem Hohen Hause und im Bundesrat hatte, niegenutzt hat, um das Land wirklich zu erneuern und aufschwächere Phasen vorzubereiten.In den letzten drei Jahren war die wirtschaftlicheWeltlage für Sie als Koalition unglaublich gut, aber Siehaben all das versäumt, was Sie im Hinblick auf schlech-tere Zeiten zu tun gehabt hätten.
– Herr Kollege Poß sagt: „Das ist doch schlichtwegfalsch!“
– Dass Sie das jetzt sagen, Herr Kauder, ist mir völligklar. Das ist eine ganze tiefe Freundschaft zwischen Ih-nen; das weiß ja auch jeder.
Man muss es an dieser Stelle doch einmal auf denPunkt bringen: In der Zeit der alten Kanzlerschaft, zu derich in heftiger Opposition stand, haben wir wenigstensden Versuch erlebt, mit der Agenda 2010 ein paar struk-turelle Reformen auch für magere Zeiten durchzuset-zen. Sie haben diese Reformen nicht nur nicht fortentwi-ckelt, Sie haben sie sogar noch rückabgewickelt.
Sie haben die strukturelle Lage in Deutschland mit IhrenSteuer- und Abgabenerhöhungsorgien verschlechtert unddie Mittelschicht um die Früchte ihrer Leistung ge-bracht.
Das vergisst Ihnen die Mittelschicht auch nicht.Erst haben Sie den Bürgerinnen und Bürgern nichtsvom Aufschwung abgegeben, jetzt lassen Sie sie mitdem Abschwung alleine.
Das ist in Wahrheit der Ausdruck des wachsenden Miss-trauens bei Ihnen.Sie sagen, dass diese Bundesregierung bei der Erstel-lung des Bundeshaushalts Entscheidungen getroffen hat.Herr Bundesfinanzminister, ich habe Ihre Rede von ges-tern gehört und aufmerksam verfolgt. Damit wir unsnicht missverstehen: Es ist Ihres Amtes, dafür zu sorgen,dass Panik nicht um sich greift. Es ist Ihres Amtes, dafürzEdhildlkuvwbbzndWwwgtsBtswGrdtjnSresuSvESfllgMv
In der Öffentlichkeit verbreiten Sie den Eindruck, dasei ein solider Haushalt, weil weniger Schulden gemachterden. Das kann jeder auf den ersten Blick mit denrundrechenarten widerlegen. Die jetzige Bundesregie-ung, die bei der Regierungsübernahme rund 30 Milliar-en Euro an neuen Schulden vorgefunden hat, gleichzei-ig aber durch ihre Steuererhöhungen 60 Milliarden Euroährlich an zusätzlichen Steuern in ihre Staatskasse ein-immt und immer noch – in diesem Jahr wieder – hohechulden macht, handelt nicht solide. Sie würden spa-en, wenn Sie die Ausgaben senken würden. Sie nennens sparen, wenn Sie sich etwas weniger heftig neu ver-chulden. Das ist eine babylonische Sprachverwirrung.Noch niemals hat eine Regierung den Bürgerinnennd Bürgern so viel abgenommen wie diese Regierung.chlimmer ist aber: Noch niemals hat eine Regierung soiel ausgegeben wie diese Regierung. Wir haben keininnahmeproblem, wir haben ein Ausgabeproblem destaates. Hier ist eine Kehrtwende der deutschen Politikällig. Sie können nicht immer die Kuh schlachten wol-en, die Sie für den Staat melken möchten. All die sozia-en Wohltaten hängen davon ab, dass es noch Menschenibt, die anpacken und das alles erwirtschaften – dieittelschicht –, um eine Zukunft zu haben. Das genauerhindern Sie mit Ihrer Abkassiererei.
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Dr. Guido Westerwelle19 Steuererhöhungen haben Sie beschlossen: Daswar die insgesamt größte Steuererhöhung in der Ge-schichte der Republik. Die Mehrwertsteuererhöhung istdavon nur ein Teil. Die Kürzung der Pendlerpauschaleist in aller Munde. Weitere Stichworte sind die Strei-chung der Eigenheimzulage und der Sparerfreibetrag.
Ich erinnere noch einmal an das, was im Bereich der so-zialen Sicherungssysteme beschlossen worden ist: DieBeiträge für die Kranken- und für die Pflegeversiche-rung werden erhöht. Wir erleben, dass die Rentenbei-träge steigen. Darüber hinaus sind Sie bei dem Versuch,die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu senken, somutlos, dass das, was auf der einen Seite erhöht wordenist, auf der anderen Seite wenigstens wieder ausgegli-chen werden könnte.Das ist leider die Realität. Sie haben die Steuern er-höht wie noch keine Regierung zuvor.
Trotzdem machen Sie Schulden. Das ist keine seriösePolitik.
Nun hat uns Herr Kollege Kauder gesagt: Das Bestekommt noch. Das habe ich mehr als Drohung denn alsVersprechen empfunden. Wenn Sie bei der Erbschaft-steuer, meine Damen und Herren von den Regierungs-parteien, wirklich etwas Gutes im Sinne hätten, dann istdoch gar nicht erklärbar, warum Sie mit diesen angeblichso guten Nachrichten für unser Volk nicht schon vor derbayerischen Landtagswahl herauskommen.
Jeder weiß, dass Sie die Bürger nach der bayerischenLandtagswahl wieder hinter die Fichte führen wollen.
Das wird so ablaufen, dass Sie genau die Wahlkampffor-derungen, die die CSU im Augenblick durch die Bier-zelte trägt, nach der bayerischen Landtagswahl wiederbeerdigen werden.Im bayerischen Wahlkampf gab es eine Diskussion,die mich fasziniert hat, Herr Kollege Huber. Es ist wirk-lich bemerkenswert: Seitdem Sie merken, dass Ihnen einbestimmtes Körperteil auf Grundeis geht, seitdem Siemerken, wie eng es für die CSU wird, fangen Sie mit ei-nem Kreuzzug gegen die Linken an.
– Es ist immer richtig, gegen die Linken zu sein, da ha-ben Sie völlig recht.
Wenn das euer kleinster gemeinsamer Nenner ist: Bitteschön!meDlHDmBRMuSs7–rNnzdWktsvmIvfglßmSn
as ist zu viel, das können wir nicht durchgehen lassen.
Wir haben tolle Nachrichten gehört, die mir persön-ich sehr viel Freude bereitet haben: Herr Beckstein underr Huber bezeichnen die FDP als Sicherheitsrisiko.
as sagt der Ministerpräsident, der soeben erklärt hat,an könne sich an einem Nachmittag nach zwei Liternier noch ans Steuer setzen. Nehmen wir das einmal alsealität; der Mann bewirbt sich schließlich gerade alsinisterpräsident. Herr Huber spricht hier gleich noch,nd ich möchte gerne die Meinung der bayerischentaatsregierung dazu hören. Nehmen wir einmal ein ge-tandenes Mannsbild: Herrn Huber.
Nehmen wir als Alter 62 Jahre und als Gewicht circa2 Kilogramm an.
Ich weiß, wie man mit geringem Aufwand Freude be-eiten kann. –
un möchte ich das einmal umrechnen. Wenn man alsoachmittags um drei Uhr auf dem Oktoberfest anfängt,wei Liter Bier zu trinken, und um 21 Uhr damit aufhört,ann hat man knapp 0,8 Promille im Blut.
enn wir als FDP ein Sicherheitsrisiko sein sollen, dannann ich dazu nur eines sagen: Jemand, der die Leute be-runken hinters Steuer lassen will, ist ein Sicherheitsri-iko in diesem Land.
Nun haben wir von Ihnen, lieber Herr Kollege Struck,iel gehört. Ich höre Ihnen immer sehr gerne zu; dasacht viel Freude. Was ich auch immer genieße, sindhre kleinen Sticheleien. Ich fand es herrlich, als Sie da-on sprachen, dass Angela Merkel den Steigbügelhalterür Frank-Walter Steinmeier macht. Das hat große Be-eisterung bei den Damen und Herren der Union ausge-öst. Sie haben sich hier sehr lange und ausführlich geäu-ert. Das müssen Sie auch, das gehört dazu. Schließlichachen wir hier keinen Wahlkampf, Herr Kollegetruck und Herr Kollege Kauder, um das an dieser Stelleoch einmal klarzustellen.
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Dr. Guido WesterwelleNichts von Ihnen, Herr Kollege Kuhn? Das Bodentur-nen war wirklich großartig.An dieser Stelle rechnet der Kollege Struck mit derLinkspartei ab. Ich bin zwar als Liberaler sowieso dergrößte Gegner der Idee der Unfreiheit durch Sozialismusund Kommunismus, aber eines habe ich nicht verstan-den. Wenn Sie die Repräsentanten der Linkspartei sozu-sagen als gerade frisch der Hölle entsprungen darstellen,dann verstehe ich nicht, warum Sie in einem Bundeslandnach dem anderen genau mit diesen Kommunisten zu-sammen regieren wollen. Insofern sollten Sie einenneuen Kurs finden, meine Damen und Herren Sozialde-mokraten.
Ein Land nach dem anderen: Berlin, Hessen, Thürin-gen, das Saarland und Nordrhein-Westfalen. Schleswig-Holstein wird angekündigt. Ich habe eine traurige Nach-richt für Sie: Dazu wird es nicht kommen.
Es ist aber ein Widerspruch in der Debatte.Ich rate dazu, dass wir uns weniger mit den politi-schen Persönlichkeiten auseinandersetzen. Ich habemeine Zweifel, ob Nazivergleiche ein geeigneter Diskus-sionsbeitrag sind. Aber wir sollten über etwas anderesdebattieren. Worum es in der Debatte eigentlich gehenmuss – meinetwegen auch gerne im Wahlkampf, abererst recht hier –, ist nicht die Beschimpfung von einzel-nen Repräsentanten einer Linksaußenpartei; vielmehrgeht es darum, klarzumachen, dass wir bei aller Kritik,die wir an unserem System der sozialen Marktwirtschaftäußern, und bei allem, was wir besser machen wollen,gemeinsam erkannt haben, dass es immer noch das besteSystem ist, das es jemals auf deutschem Boden gegebenhat. Die soziale Marktwirtschaft hat ihre Fehler, abersie ist zehnmal besser als eine bürokratische Staatswirt-schaft und erst recht die Planwirtschaft.
Darüber muss die Debatte eigentlich geführt werden.Es ist auch Ihre Aufgabe, die geistige und politischeMeinungsführerschaft auszuüben. Ich habe es wirklichbedauert, meine Damen und Herren von der Bundesre-gierung. Sie haben einen riesigen Etat für Öffentlich-keitsarbeit. Er umfasst Millionen über Millionen Euround wird immer weiter aufgestockt. Sie beschließen, im-mer mehr Geld für Propaganda auszugeben. Wofür ver-wenden Sie dieses Geld? Warum nutzen Sie es nicht bei-spielsweise für Wertedebatten? Warum gehen Sie nichtmit dem Thema soziale Marktwirtschaft oder mit Infor-mationen über die Zeit vor der deutschen Einheit in dieSchulen?
Wie kann man von einem 18-, 19- oder 20-Jährigenerwarten, dass er das alles im Kopf hat? Diese geschicht-lichen Lehren sind eine Bringschuld für uns, die wir dasaD6lgsdtwMßzfnInsSSGnbdiwzDaFmSrslbddKpwwO
Sie haben in der Außenpolitik, um die es heute auchoch gehen wird, zweifelsohne vieles richtig gemacht.ch kritisiere erneut – aus Zeitgründen kann ich es aberur streifen –, dass eigene Abrüstungsinitiativen Ihrer-eits leider ausgeblieben sind. Ich halte übrigens denatz, dass Außenpolitik kein Abenteuerspielplatz ist, denie, Herr Minister Steinmeier, von Hans-Dietrichenscher übernommen haben, für völlig richtig.Wir unterstützen die Regierung Merkel/Steinmeierachdrücklich darin, auf der Fortsetzung des Dialogs zuestehen und den Gesprächsfaden nicht zu durchschnei-en. Wer nicht miteinander redet, kommt viel zu schnelln die Gefahr, eines Tages aufeinander zu schießen. Des-egen ist es völlig richtig, dass Sie die Verpflichtungum Dialog als Ihre große Verantwortung anerkennen.
as wird Ihnen niemand nehmen, und das ist von unsuch nie kritisiert worden. Das steht für mich außerrage, und es ist mir offen gestanden auch gleich, ob esehr die Handschrift von Frau Merkel oder von Herrnteinmeier trägt. Es ist einfach deutsche Staatsräson. Da-an wird sich auch nichts ändern.Wir blicken auf drei Jahre zurück, in denen eine rie-ige Mehrheit und eine sehr starke Konjunktur alle Mög-ichkeiten geboten haben. Von anderen Regierungenleiben das Wirtschaftswunder, die neue Ostpolitik undie deutsche Einheit übrig. Von dieser Regierung bleibtie Steueridentifikationsnummer übrig. Das ist Klein-lein. Aber das ist zu wenig für unser Land. Geistig-olitische Führung wäre gefragt. Dieses Land brauchtieder eine Richtung mit klaren Verhältnissen. Das Ge-urstel muss ein Ende haben.Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion hat nun der Kollege Thomasppermann das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LieberHerr Westerwelle, ich räume ein, dass Ihre darstelleri-schen Fähigkeiten immer besser werden. Aber vielleichthat das auch damit etwas zu tun, dass Sie nun schon län-gere Zeit keine Gelegenheit hatten, das, was Sie hier Jahrfür Jahr vortragen, in die Tat umzusetzen.
Deshalb müssen wir daran erinnern, wie es war, als Siedie letzte Gelegenheit hatten. Das Jahr 1998 erscheint inIhrer Betrachtung der Gegenwart als das absolute Kri-senjahr in Deutschland. Als Sie 1998 die Regierung ab-gegeben haben, hatten wir eine höhere Nettokreditauf-nahme, eine deutlich höhere Staatsquote, höhereLohnzusatzkosten und eine höhere Arbeitslosigkeit.
– Die deutsche Einheit haben wir noch immer.Sie sagen, wir hätten heute fette Jahre, und alles sei soeinfach. Können Sie sich vielleicht noch daran erinnern,wie hoch der Ölpreis im Jahr 1998 war? Ich habe ebennachgeschaut: 9,3 Dollar pro Barrel. Aus der damaligenwirtschaftlichen Situation hätten Sie mehr machen kön-nen.
Es gibt durchaus viele Gemeinsamkeiten mit Ihnen,zum Beispiel in der Außenpolitik. Aber Sie können aufden übrigen Feldern im Ernst nicht den Eindruck erwe-cken, als ob Sie den ganz großen Entwurf für Deutsch-land in der Schublade hätten. Das glauben Sie nicht ein-mal selber.Ich möchte dem Bundesfinanzminister und der Bun-deskanzlerin dafür danken, dass sie den in einer Situa-tion der politischen Verzweiflung geborenen Versuch derCSU abgelehnt haben, uns eine Steuerentlastung inHöhe von 28 Milliarden Euro einzureden. Ich finde, daswäre falsch gewesen; denn solange wir eine Nettokredit-aufnahme haben, ist eine Steuersenkung eine Steuersen-kung auf Pump. Wir wollen einen handlungsfähigen,nicht unterfinanzierten Staat und eine leistungsfähigeWirtschaft. Deshalb ist es gut, dass sich die CSU nichtdurchgesetzt hat.
Im Übrigen, Herr Huber – ich meine das durchausfreundschaftlich; auch ich war einmal Landespolitiker –,hilft es in Landtagswahlkämpfen gar nichts, wenn mannur auf bundespolitische Themen wie die Pendlerpau-schale, die Einkommensteuer oder den Blutalkoholge-halt setzt. Die Menschen merken natürlich, dass Sie ab-lenken wollen, und glauben, dass Sie Ihre politischenHausaufgaben in Bayern nicht gemacht haben.
So war es auch in Hessen. Sie setzen zwar nicht auf die-selben Themen wie Roland Koch, machen aber die glei-chen Fehler.gtswGuwwtusJbEsw2zsnWtscdddzn1nsernfwAiMronDdftzv
Deshalb ist es wichtig, dass der Bildungsgipfel, denie Bundeskanzlerin für Oktober einberufen hat, ein Er-olg wird. Denn wir brauchen nicht nur mehr Abiturien-en, wir haben auch zu wenige gut ausgebildete Lehrer,u viel Unterrichtsausfall, zu große Schulklassen, zuiele Schulabbrecher, zu wenige Studienplätze und zu
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Thomas Oppermannwenige Studenten, insbesondere in den Natur- und Tech-nikwissenschaften.Wir wollen, dass auf dem Bildungsgipfel konkrete,verbindliche Verabredungen getroffen werden. Dabeisollte kein unproduktiver Streit über Zuständigkeiten ge-führt werden. Aber es muss schon klargestellt werden,dass Bund, Länder und Kommunen ihre jeweiligen Zu-ständigkeiten kraftvoll ausschöpfen müssen. Wenn derBund mit Milliardensummen Krippen- und Studien-plätze mitfinanziert, dann dürfen wir auch erwarten, dassdie in den Ländern aufgrund sinkender Schülerzahlenfrei werdenden Mittel in den Schulen bleiben und nichtabgezogen werden.
Es darf am Ende nicht heißen, der Bildungsgipfel kreißteund gebar eine Maus.Der kürzeste Weg von der Schule in die Arbeitslosig-keit ist eine abgebrochene Schulausbildung. Ich bin demBundesarbeitsminister Olaf Scholz sehr dankbar, dass erdiesen Zusammenhang deutlich in Erinnerung gerufenhat. Dass 500 000 Menschen ohne Schulabschluss ar-beitslos sind, ist ein Zustand, mit dem sich niemand indiesem Lande abfinden kann.
Wir sind für den Rechtsanspruch auf das Nachholen ei-nes Schulabschlusses; dieser ist für uns unverzichtbar.In keinem anderen industrialisierten Land der Welt istder Bildungserfolg von Schülerinnen und Schülern sostark von ihrer sozialen Herkunft abhängig wie inDeutschland. Bei gleichen Kompetenzwerten haben dieKinder aus der sozialen Oberschicht eine fünfmal höhereChance, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, alsKinder von un- und angelernten Arbeitern.Das setzt sich an der Hochschule fort. Von 100 Aka-demikerkindern landen 83 an der Hochschule, von100 Kindern von Nichtakademikern sind es ganze 23.Die Bildung wird in Deutschland gleichsam vererbt. Dashat vor allem damit zu tun, dass wir unser Bildungssys-tem dort am schwächsten ausgestattet haben, wo amstärksten über die Chancen entschieden wird, nämlich inden ersten zehn, insbesondere in den ersten fünf Lebens-jahren. Was in dieser Zeit bei der Entwicklung von Spra-che, Intelligenz und Kreativität versäumt wird, lässt sichspäter nur sehr schwer aufarbeiten. Dazu hat der US-Ökonom und Nobelpreisträger James Heckman gesagt,es sei die größte Ungerechtigkeit der praktizierendenMarktwirtschaften, dass Kinder aus armen, bildungsfer-nen Familien sich noch so anstrengen könnten, sie kä-men nicht nach oben.
Wenn Kinder nichtakademischer Eltern von höhererBildung ausgeschlossen werden, dann erschüttert dasnicht nur, wie die Bundeskanzlerin zu Recht gesagt hat,den Glauben an die soziale Marktwirtschaft, sondern dasist am Ende auch eine Gefahr für die Demokratie. Eindemokratisches System wird auf Dauer nur dann akzep-tShzkwgümtRWddkWCBuuOHndtAwCzfKSWdEief
Unser Kollege Otto Schily hat hier einmal den denk-ürdigen Satz gesagt: Wer Musikschulen schließt,efährdet die innere Sicherheit. Das lässt sich leichtbertragen: Wer es unterlässt, sozialen Aufstieg zu er-öglichen, gefährdet die pluralistische Demokratie.
Als wir schon einmal eine Bildungskatastrophe hat-en, nämlich in den 60er-Jahren, hat die sozialliberaleegierung die richtige Antwort gefunden, Herresterwelle. Es kam zur größten Bildungsexpansion,ie Deutschland jemals gesehen hatte. Viele von denen,ie heute hier sitzen, haben davon profitiert und verdan-en dieser Bildungsexpansion ihren eigenen Aufstieg.ir wollen, dass Deutschland wieder zu einem Land derhancen wird. Wir wollen, dass sozialer Aufstieg durchildung und Anstrengung wieder so selbstverständlichnd so machbar wird, wie es zu Zeiten von Willy Brandtnd Walter Scheel der Fall war.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion Die Linke spricht nun der Kollege
skar Lafontaine.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich will mich in der verbleibenden Zeit auf we-ige Themen konzentrieren, nämlich auf das Thema Bil-ung und das Thema Haushalt.Der Vorredner hat gerade ausgeführt, wie sich die Si-uation im Bildungswesen entwickelt hat. Ich kann allenusführungen zustimmen. Es ist eine bedauerliche Ent-icklung, wenn immer weniger junge Menschen diehance haben, einen entsprechenden Bildungsabschlussu erreichen, und wenn internationale Organisationeneststellen müssen, dass in Deutschland immer mehrinder aus ärmeren Schichten ausgegrenzt werden.olange das der Fall ist, verehrter Herr Kollegeesterwelle, können wir als Linke nicht in das Loblieder sozialen Marktwirtschaft einstimmen.
ine Wirtschaft, die Kinder bei der Bildung ausgrenzt,st nach unserer Definition nicht sozial. Das will ich hierinmal anmerken. Es mag sein, dass Sie eine andere De-inition haben.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18669
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Oskar LafontaineNun hat die Bundeskanzlerin eben in ihrer Rede vielüber Bereiche geredet, bei denen sie wenige Kompeten-zen hat. Aber nehmen wir doch einmal das Thema ernst.Sie hat gesagt, dass sie neben der Verbesserung der Bil-dungssituation den Haushalt konsolidieren wolle. JederPraktiker in den Gemeinden und in den Ländern stelltsich die Frage, wie sie das denn machen will: Haus-haltskonsolidierung auf der einen Seite und ein deutlichbesseres Bildungsangebot auf der anderen Seite. Ichkann Ihnen so viel verraten: In den Ländern und in denGemeinden wird so ohne Weiteres nicht verstanden, wasdamit eigentlich gemeint ist.Damit komme ich zu einer Kernausführung des Bun-desfinanzministers, der in der ihm eigenen Klarheit ebendeutlich gemacht hat, dass der Zug der Politik seit eini-gen Jahren in die völlig falsche Richtung fährt und dassdie Sozialdemokratische Partei Deutschlands heute Auf-fassungen vertritt, die vor zehn Jahren noch von nieman-dem vertreten worden wären.
Der Bundesfinanzminister hat dargestellt, dass dieStaatsquote gefallen ist. Das ist richtig; jeder kann dasüberprüfen. Die Staatsquote ist von 48 Prozent imJahre 1999 auf 43,5 Prozent gesunken. Das kann man fürrichtig oder für falsch halten. Nur, es hat natürlich erheb-liche Konsequenzen, auch für das Bildungssystem inDeutschland. Die Tatsache, dass wir im Vergleich zumDurchschnitt der anderen OECD-Staaten, bezogen aufdas Sozialprodukt, 1 Prozent, also 25 Milliarden Euro,weniger für Bildung ausgeben, hat etwas mit diesemCredo zu tun, das Herr Steinbrück hier wieder vorgebetethat.
Das heißt, wir haben hier von der fachlichen Seite herdie merkwürdige Situation, dass die Kanzlerin sagt, wirmüssen mehr für die Bildung tun, während ihr Finanz-minister sagt: Aber ich werde eine Finanzpolitik durch-setzen, die das völlig unmöglich macht. Da müssen Sieirgendwann einmal wirklich wieder auf den Boden derTatsachen zurückkommen. Mit dem ständigen Absenkender Staatsquote werden Sie in Deutschland niemals einverbessertes Bildungssystem durchsetzen können.
Ich will Ihnen Zahlen nennen – ich zitiere die Bun-desregierung und nicht uns –: Durch die Absenkung derStaatsquote von 48 Prozent auf 43,5 Prozent sind diejährlichen Ausgaben heute um 114 Milliarden Euro ge-ringer. Das kann man für richtig oder auch für falsch hal-ten. Nur, es hat Auswirkungen auf Rentnerinnen undRentner. Es hat Auswirkungen auf Hartz-IV-Empfänger.Es hat Auswirkungen auf die Kinder, die in die Schulengehen müssen. Letztendlich hat es auch auf diejenigenAuswirkungen, die Lohnempfänger usw. sind.Sie haben in den letzten Jahren die EntstaatlichungDeutschlands – so hat es Bofinger genannt – in dieserGrößenordnung – Senkung der Staatsquote um 114 Mil-liarden Euro – durchgesetzt, und Sie erklären mit diesemHaushalt, dass Sie diese Entstaatlichung weiterführenwSJhgHngledzsjsnsdvdwsrhbmWswgSwed–dvwshnMgi2DgodnS
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Dennoch sagen Sie gleichzeitig: Hamburg gilt.Demnächst werden Sie sich herausreden, indem Siesagen, dass Sie mit der sinkenden Konjunktur eigentlichnichts zu tun hätten, denn dafür seien die internationalenFinanzmärkte verantwortlich. Das ist natürlich ein gro-ßer Irrtum. Wir haben seit Jahren eine gespaltene Kon-junktur. Wenn der Export läuft, läuft letztendlich, alsoim Saldo, auch unsere Wirtschaft. Aber wir haben imBinnenmarkt überhaupt nichts dafür getan, dass dieWirtschaft läuft. Wenn der Export jetzt abschmiert undSie im Binnenmarkt nicht gegensteuern, dann werdenSie die Ergebnisse haben, die Sie immer hatten.Nun will ich Ihnen sagen, was das im Binnenmarktheißt. Das heißt im Binnenmarkt: Wir haben sinkendeLöhne, immer noch. Auch in den neuerlichen Expertisender wirtschaftswissenschaftlichen Institute wird pro-gnostiziert, dass das real so weitergeht. Wir haben sin-kende Renten, immer noch, und das wird nach den Pla-nungen, die bisher vorliegen, auch so weitergehen. Wirhaben sinkende soziale Leistungen. Wir haben nur – dassteht in jedem Jahreswirtschaftsbericht – einen Anstiegder Vermögenseinkommen und einen Anstieg der Ge-winneinkommen. Solange das so ist, können wir niemalsvon sozialer Marktwirtschaft reden,
sondern müssen von einer Umverteilung von unten nachoben reden; das hat in den letzten Jahren permanentstattgefunden. Deshalb misstrauen so viele Menschen inDeutschland – ihre Zahl nimmt zu – nicht nur der sozia-len Marktwirtschaft, sondern auch unserer staatlichenOrdnung. Sie glauben, es geht nicht mehr gerecht zu.Es ist ja fast zum Lachen: Wenn in der Wall Streetjetzt mehr und mehr Banken verstaatlicht werden, wassagen Sie denn da? Wenn der letzte Ausweg des Finanz-kapitalismus die Verstaatlichung ist, was sagen Sie dennda? Ich kann an eine bestimmte Adresse nur sagen:Wenn die Wall Street rot wird, dann wird Deutschland inden nächsten Jahren mit Sicherheit nicht schwärzer odergelber werden.
Das Wort hat der Bayerische Staatsminister der Fi-
nanzen, Erwin Huber.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
m Übrigen: Wenn Ihre Partei am nächsten Samstag inünchen zusammen mit Linken und mit der DKP gegenie Sicherheitspolitik in Bayern demonstriert, dannollten Sie sich um Ihre eigene Partei Sorgen machen.igentlich gehören Sie nicht in die Nachbarschaft voninken und DKP.
Wenn die Gewalttäter von Weihnachten in der Münch-er U-Bahn, die wegen Mordversuchs zu acht und zwölfahren Gefängnis verurteilt worden sind, von der FDP-andesvorsitzenden verharmlosend als „Münchnerindl“ dargestellt werden, dann haben Sie ein eklatantesefizit in all den Fragen der inneren Sicherheit.
Deutschland steht im Sommer 2008 deutlich bessera als im Sommer 2005. Wir haben wieder Wirtschafts-achstum. Wir haben fast 2 Millionen Arbeitsplätzeehr. Wir haben viele Arbeitsplätze für Jugendliche.ir haben viele Lehrstellen. Wir haben gesicherte Siche-ungssysteme in den Bereichen Rente, Gesundheit
nd Arbeitslosigkeit. Das heißt, Deutschland ist in die-en drei Jahren deutlich nach vorn gekommen.
Das ist nicht einheitlich in allen Ländern Deutsch-ands. Ich kann für das Land reden, das die geringste Ar-eitslosigkeit hat, das die geringste Jugendarbeitslosig-eit und damit die besten Chancen für die jungeeneration hat. Der Redner vor mir vertritt eine Partei,ie hier in Berlin in der Verantwortung ist. Berlin ist dieauptstadt der Arbeitslosigkeit. Berlin ist die Hauptstadton Hartz IV. Berlin ist die Hauptstadt von Kinderarmut.roße Sprüche machen, aber in der Praxis versagen, dasst linke Politik.
Sie verwenden, was Armut angeht, immer die Zahlenus dem Armutsbericht, die Zahlen von 2004 und 2005.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18671
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Staatsminister Erwin Huber
In den Jahren vorher waren wir nicht in der Regierungs-verantwortung. Für die rot-grüne Armut in Deutschlandlassen wir uns nicht verantwortlich machen.
Heute sind eine Million Menschen weniger von Ar-mut bedroht als vor drei Jahren. Das ist auch ein gutesErgebnis dieser Koalition und der Regierung Merkel.
Da Herr Struck schon die Bibel zitiert hat, muss auch ichsagen: An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen.
Berlin hat mit das größte Schuldenloch aller 16 Länder.Die Situation hat sich in Berlin mit der Regierungsbetei-ligung von Links dramatisch verschlechtert.
Das ist das, was wir den Menschen auch vor der Land-tagswahl in Bayern sagen: Links wählen heißt imGrunde mehr Steuern, mehr Schulden und weniger Zu-kunft.
Es ist richtig, dass dieser Bundeshaushalt unter demMotto der Konsolidierung steht. Natürlich wäre esvolkswirtschaftlich völlig falsch, die Konsolidierung in-nerhalb eines Jahres herbeizuführen, denn das würdedem wirtschaftlichen Kreislauf viel zu viel Geld entzie-hen. Man muss hier einen längeren, verlässlichen undstetigen Weg gehen. Diese Regierung hat 2005 eine hoheErblast mit einem strukturellen Defizit im Bundeshaus-halt von 60 Milliarden Euro übernommen. Das ist jetztauf 10 Milliarden Euro zurückgeführt worden. Das istder richtige Weg.
Der Kollege Kauder hat gesagt, dass damit die Chancebesteht, nach 40 Jahren einen ausgeglichenen Haushaltund möglicherweise auch Überschüsse zu erreichen. Dasführt mich dazu, daran zu erinnern, dass vor 40 JahrenFranz Josef Strauß Bundesfinanzminister war. Er hat imJahr 1969 einen Haushalt mit Überschuss übergeben.Dann ging der Marsch in den Schuldenstaat unter Regie-rungsbeteiligung der FDP los.
Deutschland hatte 20 Jahre lang eine solide Finanzpoli-tik. Der Dammbruch bei den Schulden begann seinerzeitin der sozialliberalen Koalition.
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ch darf daran erinnern, mein Vorgänger, Herr Faltlhauser,nd Herr Eichel haben zur gleichen Zeit angekündigt,ass 2006 die Marke für einen ausgeglichenen Haushaltein soll. Herr Eichel ist nicht mehr im Amt, und er hatinen Haushalt mit dem größten Defizit in der Ge-chichte der Bundesrepublik übergeben. Bayern hat006 den ausgeglichenen Haushalt erreicht.
ir haben in den Jahren 2007 und 2008 500 Millionenuro an Schulden zurückgezahlt. Ich werde dem Bayeri-chen Landtag in diesem Jahr einen Haushaltsentwurf009/2010 mit einer Neuverschuldung von ebenfallsull und 200 Millionen Euro Schuldentilgung pro Jahrorlegen. Wir werden dann fünf Jahre lang einen ausge-lichenen, schuldenfreien Haushalt haben. Das ist inanz Deutschland vorbildlich.
rau Bundeskanzlerin, deshalb stimmt, was Sie auf demarteitag der CSU in Nürnberg gesagt haben: Der Bundoll dorthin kommen, wo Bayern heute schon ist.
as Kunststück besteht nicht darin, einfach nur zu spa-en und zu kürzen. Das Kunststück besteht darin, zu-leich zu investieren und für die Zukunft vorzusorgen.ir haben gesagt: Wir konsolidieren, wir reformierennd wir investieren.
ir werden allein in diesem Jahr – in einem Land – dienvestitionen gegenüber dem Vorjahr um fast eine Mil-iarde Euro erhöhen. Wir werden diesen Weg fortsetzen.eshalb ist es auch Aufgabe des Bundes, für das Wohler Menschen in ganz Deutschland, aber auch für dasohl und die Entwicklung der Menschen in allen Län-ern, neben der Konsolidierung auch Innovationen zuetreiben.Ich begrüße es sehr, dass die Forschungsausgaben iniesem Bundeshaushalt ausgebaut werden und man zu-leich die Entlastung der Bürger betreibt. Dieser Drei-lang „Konsolidierung – Innovation – Entlastung“ istichtig für die Zukunft des Landes; denn nur so sind wiren Risiken der Globalisierung gewachsen. Es reichticht aus, zu sagen, Globalisierung ist unsere Chancend unser Schicksal. Wir müssen vielmehr dafür sorgen,ass Leute, die die Gefahren und Risiken der Globalisie-ung besonders zu tragen haben, von uns unterstützt undefördert werden. Deshalb ist es richtig, dass der Bundes-irtschaftsminister Michael Glos eine Politik betreibt,ie vor diesem Hintergrund darauf abzielt, den Mittel-tand zu entlasten und Bürokratie abzubauen. Damit
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18672 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Staatsminister Erwin Huber
wird die Position von kleinen und mittleren Unterneh-men im Wettbewerb gefestigt.
Es war richtig, dass die Koalition zum 1. Januar 2008die Unternehmensteuerreform in Kraft gesetzt hat.Herr Westerwelle, es entspricht nicht der ganzen Wahr-heit, wenn Sie die dazu notwendige Gegenfinanzierunghier einfach nur als Steuererhöhung abtun. Es wäre ohneGegenfinanzierung nämlich nie möglich gewesen, dendurchschnittlichen Körperschaftsteuersatz auf unter30 Prozent zu senken. Sie lassen sich gerne für Steuer-senkungen loben, verschweigen dabei aber, dass dieseMaßnahmen auch bestimmte Gegenfinanzierungen er-forderten. Der Weg, den wir gegangen sind, war richtig,um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhöhen.
Ich begrüße es sehr – dafür bedanke ich mich auch beider CDU/CSU-Bundestagsfraktion –, dass mit dem inMünchen, also am richtigen Ort, geschnürten Entlas-tungspaket ein Weg eingeschlagen wurde, der diese Poli-tik auch in Zukunft fortsetzt. Zum 1. Januar 2009 werdendie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 2,8 Pro-zent reduziert. Dies entlastet Arbeitnehmer und Arbeit-geber. Damit werden die Beitragszahler, die Arbeitgeberund die Arbeitnehmer, im Vergleich zum früheren Satzvon 6,5 Prozent um 25 Milliarden Euro im Jahr entlastet.Das ist die richtige Politik, meine Damen und Herren.
Ich begrüße es auch, dass wir zum 1. Januar 2009 dasKindergeld erhöhen. Frau Bundeskanzlerin, Sie habenden Betrag von 10 Euro genannt. Das ist wichtig undwar notwendig, da es lange Zeit nicht erhöht wurde. DerForderung von Teilen der SPD, stattdessen doch lieber25 000 Kindergärtnerinnen einzustellen, entgegne ich:Es kann nicht sein, Familieninteressen in dieser Formgegeneinander auszuspielen, meine Damen und Herren.
Für uns ist es gleichermaßen notwendig, Möglichkeitenzur Kinderbetreuung zu schaffen und Familien zu entlas-ten. Man kann nicht einer alleinerziehenden Mutter mitzwei Kindern, die jetzt unter den hohen Energiepreisenzu leiden hat, die ja nicht um 3, sondern um 10 bis30 Prozent gestiegen sind, damit kommen, dass in ihrerNachbarschaft ein Kindergarten gebaut wird. Diese Fraumuss unmittelbar entlastet werden. Das ist wichtiger Be-standteil einer familienfreundlichen Politik.
Wir werden mit den Verbesserungen im Bereich desWohngeldes die Bezieher von niedrigen Einkommenvon den höheren Ausgaben aufgrund der steigendenEnergiepreise zumindest teilweise entlasten. Das ist rich-tig. Wir können selbstverständlich nicht den Preisbil-dungsprozess beeinflussen. Hier ist der Staat im Grundeohnmächtig.–sWsfpDmttrdwbDBhtedü–udDummdLnlsds
Dazu komme ich gleich. – Wir müssen vielmehr dafürorgen, dass das Energieangebot nicht reduziert wird.er in einer Zeit von zurückgehenden Ressourcen undteigenden Preisen am Ausstieg aus der Kernenergieesthält, der verknappt das Angebot, treibt die Energie-reise in die Höhe und macht uns abhängig.
as ist falsch. Dieser Beschluss muss korrigiert werden,eine Damen und Herren.
Wenn wir die Bezieher niedriger Einkommen entlas-en wollen, sollten wir, so meine ich, die Pendler entlas-en. Es sind nicht ein Siebtel der Arbeitnehmer, sondernund ein Drittel, nämlich 11 Millionen, die von der Wie-ereinführung der alten Pendlerpauschale profitierenürden. Ich mache mich in Bezug auf das, was wir 2006eschlossen haben, gar nicht aus dem Staub.
as war notwendig, weil sonst eine Konsolidierung derundesfinanzen nicht möglich gewesen wäre. Da es abereute eine verbesserte Situation gibt und da die Spritkos-en stark gestiegen sind, sind wir der Meinung, dass diexistenzsichernde Fahrt zum Arbeitsplatz steuermin-ernd geltend gemacht werden muss.
Ich habe für die CSU ein Steuerentlastungskonzeptber 28 Milliarden Euro vorgelegt.
Das nervt Sie; das freut mich. Da unterscheiden wirns. Die Grünen wollen die Energiesteuern erhöhen undamit die Menschen belasten.
ie SPD-Linke will die Erbschaftsteuer verdreifachennd die Vermögensteuer neu einführen, und die Linke istit Steuerbelastungen von 100 Milliarden Euro undehr sowieso jenseits aller wirtschaftlichen Vernunft;as würde den wirtschaftlichen Zusammenbruch desandes herbeiführen.
Wir haben gesagt, das Konzept ist notwendig für ei-en mittelfristigen Pfad. Das Konzept ist nicht eine Ent-astung für ein Jahr,
ondern für 2009, 2010 und 2012. Denn wir wollen, dassie heimlichen Steuererhöhungen über die kalte Progres-ion eingegrenzt werden. Es kann nicht sein, dass die
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18673
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Staatsminister Erwin Huber
Mittelschicht immer mehr belastet wird, weil sich infla-tionsbedingt beispielsweise ihr Bruttoeinkommen erhöhtund damit der Grenzsteuersatz immer mehr steigt.
Wir müssen gerade in einer Situation, in der die kon-junkturelle Lage schwieriger wird, die arbeitenden Men-schen, die Leistungsträger, den Mittelstand, die Hand-werker, die Arbeitnehmer, mittelfristig entlasten, damitvon ihnen ein positiver Beitrag für die Konjunktur aus-geht.
Das ist – das möchte ich ausdrücklich unterstreichen –ein wichtiger Beitrag auch im Zusammenhang mit derErbschaftsteuer. Wer jetzt eine so gewaltige Erhöhungder Erbschaftsteuer politisch in den Raum stellt wie dieSPD,
der verschreckt den Mittelstand.
Herr Staatsminister, darf ich Sie darauf aufmerksam
machen, dass das Licht vor Ihnen das Ende der Redezeit
signalisiert?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich trage noch zwei Gedanken vor: Erstens. Wir müs-
sen dafür sorgen, dass im Mittelstand, der sein Leben
lang arbeitet, spart und investiert, kein einziger Betrieb
und kein einziger Arbeitsplatz durch die Erbschaftsteuer
gefährdet wird.
Zweitens begrüße ich, Frau Bundeskanzlerin, die Bil-
dungsrepublik Deutschland. Wir werden aus Bayern un-
seren Beitrag dazu leisten, dass jedes Kind eine gute
Chance hat. Die Qualifikation der Menschen ist das
Beste für die wirtschaftliche Zukunft. Deshalb gehen wir
mit Mut und Kraft entschlossen in die Zukunft.
Ich danke Ihnen.
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Herr Huber, Sie hören, die Begeisterung ist nicht ganz
o groß wie bei Ihnen; aber den Beifall nach Ihrer Rede
and ich unverdient.
Lieber Kreuzritter Huber, bei Ihrem Kreuzzug gegen
ie Linke sind Sie, als Sie auf Berlin und bestimmte
ahlen verwiesen, in Ihre eigene Grube gefallen. Sie ha-
en es verabsäumt, darauf hinzuweisen, dass wir nur
eshalb in die Regierung gekommen sind, weil es vor-
er, verursacht von der CDU, die größte Bankenkrise in
er Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gege-
en hat.
ie Stadt war so etwas von pleite, dass es gar keinen an-
eren Weg mehr gab, als uns zu wählen und mit in die
egierung zu nehmen. Schritt für Schritt befreien wir die
tadt daraus.
So wie die CDU in Berlin bewiesen hat, von Geld
ichts zu verstehen, haben auch Sie in Bayern mit Ihrer
andesbank bewiesen, nichts von Geld zu verstehen.
as ist das ganze Problem.
Danke schön.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
rauche nur auf ein Faktum hinzuweisen: Bei der letzten
ahl in Berlin hat die Linke gewaltig verloren. Das ist
er richtige Weg.
Zu einer weiteren Kurzintervention hat der Kollegeauder das Wort.
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18674 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Herr Kollege Gysi, Fakten des heutigen Tages haben
mich nach dem, was Sie hier gesagt haben, herausgefor-
dert, Sie im Deutschen Bundestag mit etwas zu konfron-
tieren, was eine Ungeheuerlichkeit ist. Wir haben dafür
gesorgt, dass für Hunderttausende von Menschen das
Wohngeld erhöht wird. Wir wollen, dass dieses Geld
auch ankommt. Der Berliner Senat, in dem Ihre Partei
mitregiert, sorgt dafür, dass noch 23 000 Menschen auf
die Erhöhung des Wohngeldes in diesem Jahr warten.
Kümmern Sie sich einmal darum! Es ist unsozial, Herr
Gysi, was Sie da machen.
Dort, wo Ihre Partei wie hier in Berlin an einer Regie-
rung beteiligt ist, bekommen die Menschen das Geld
nicht, das ihnen zusteht, das wir beschlossen haben. Das
ist unsozial. Dafür sind Sie verantwortlich.
Das Wort hat jetzt erst einmal wieder die Präsidentin,
welche einen Fehler gemacht hat. Da Herr Kauder nicht
direkt angegriffen und angesprochen wurde,
hätte ich an dieser Stelle keine Kurzintervention zulas-
sen dürfen. Das ist richtig.
– Jetzt wird die Präsidentin diesen Fehler nicht fortset-
zen. Deshalb werden jetzt keine weiteren Kurzinterven-
tionen und Antworten mehr zugelassen.
Wir setzen jetzt mit der Rednerliste fort, auch wenn das
der eine oder die andere bedauert.
Das Wort hat der Kollege Ludwig Stiegler für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DerCSU-Vorsitzende hat hinter der Maske des bayerischenFinanzministers eine etwas angeberische Rede gehalten.
Ich erinnere: Der letzte CSU-Vorsitzende hat zu uns inder Maske des Ministerpräsidenten geredet und immergesagt: Die Bayern sind die Besten, die Größten und dieSchönsten. – Es hat ihm nichts geholfen. Huber undBeckstein haben ihn von hinten erdolcht. Wenn ich sehe,wEDMdhZNsBDaaztwWokdAiDafgSdgsDaCmcsgsDeS
a hilft alles nichts, da kann man ein noch so großesaulheldentum hier betreiben.Als Bayer sollte man, gerade weil es uns momentanurchaus nicht schlecht geht, eher ein Stück Bescheiden-eit haben. Wir hatten in der Geschichte unseres Landeseiten, da haben uns andere Länder geholfen, vor allemordrhein-Westfalen. Wehe dem, der dann, wenn ihmelber geholfen ist, auf die anderen mit Arroganz undesserwisserei antwortet!
as ist kein Stil. Dies wird sich rächen.Auch wir in Bayern befinden uns darüber hinaus nichtuf der Insel der Seligen. Ich möchte nicht wissen, wasuf Finanzminister Huber angesichts der von ihm so vor-üglich verwalteten und so vorzüglich mit Kreditgaran-ien versehenen Landesbank zukommt. Ich möchte nichtissen, was bei den Lehman Brothers alles gelaufen ist.er so tut, als würde bei uns Manna vom Himmel fallender als würde es wie bei Frau Holle Gold regnen – Ki-eriki! Unsere goldene Jungfrau ist wieder hie! –, der tutem Land keinen Gefallen.
Ich höre immer wieder: Wir sind schuldenfrei. –ngeberei! In der Buchhaltung vielleicht schon, wennch aber durch die Städte und Gemeinden und über dieörfer ziehe, höre ich, wie viele Städte und Gemeindenuf Zuschüsse warten, und zwar so lange, bis die Kostenür die Zwischenfinanzierung den Zuschusswert fast auf-efressen haben. Daher sage ich: Herr Huber, machenie sich erst schuldenfrei gegenüber Städten, Gemein-en, Vereinen und allen anderen Zuwendungsempfän-ern. Dann können Sie hierherkommen, den Auf-chwung markieren und angeben.
aheim heimlich Schulden zu haben, aber mit Arroganzndere zu belehren, das haut nicht hin.Wir hören vom Marsch in den Schuldenstaat. DieSU hat schon immer gesagt: Nur wenn wir Schuldenachen, sind es gute Schulden; wenn andere das ma-hen, ist das der blanke Sozialismus. Der frühere bayeri-che Wirtschaftsminister August Lang hat mir einmalesagt: Alles, was wir machen, ist soziale Marktwirt-chaft. Was ihr macht, ist kruder Kommunismus.
as ist das Weltbild der CSU. Sie können die Dingeben doppelt sehen. Sie sehen sich in ihrer vollencheinheiligkeit.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18675
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Ludwig StieglerSie sehen den Splitter im Auge des anderen, aber nichtden Balken im eigenen Auge. Wer behauptet, nach zweiMaß Bier noch nüchtern zu sein, dem kann so etwasschon einmal passieren.
Wir werden den Kernenergiefetischismus in Bayernnicht mitmachen.
Wenn die Kernenergie wirklich so günstig wäre, müss-ten die Stromkosten in Bayern halb so hoch sein. Wenndie Kernenergie so vorteilhaft wäre, müsste das so sein.Ich sage Ihnen auch: Was ist das für eine Nachbarschaft,wenn der eine den Mist aus seinem eigenen Garten imGarten des anderen entsorgt? Wer seinen Mist nichtselbst entsorgen kann, kann nicht sagen: Die Nieder-sachsen sollen ihn nehmen; wir wollen ihn bei uns nichthaben. Das geht nicht. Das ist unanständig.
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Jetzt, wo die Ener-gieunternehmen die erneuerbaren Energien für sich ent-decken und bereit sind, zu investieren, sollten wir dieChance nutzen, uns von fossilen Energien und der Kern-energie unabhängig zu machen und das Land zu entwi-ckeln. Die erneuerbaren Energien sollen durch die Nut-zung intelligenter Netze grundlastfähig werden. MichaelGlos hat einen Förderbescheid vergeben. Wir solltendiese Chance nutzen, und zwar jetzt. Je früher, desto bes-ser. Man sollte nicht warten und die veraltete Kernener-gie finanzieren.
Es ist erstaunlich, wie „konsequent“ die CSU ist. Alsdie Tschechen in Temelin mit westlicher Technik einKernkraftwerk gebaut haben, da hat sie sich verhaltenwie die Laus am Strick. Sie hat so getan, als ob ganzNiederbayern gefährdet wäre. Die Kraftwerke in Ohusind aber ein Wunderwerk der Technik! So etwas kannman als schizophren bezeichnen, aber nicht als moderneEntwicklungspolitik.
Herr Huber kommt mit Steuervorschlägen und ande-ren Ideen. Er ist ein Abstauber.
– Ein Abstauber. Zu einer Sache, die von der GroßenKoalition ohnehin aus gesetzlichen Gründen beschlossenwerden muss, möchte er sagen: Ich habe das Tor ge-schossen! Ich habe das gefordert!Wir alle wissen: Der Existenzminimumsberichtkommt. Wir alle wissen, dass daraus Folgerungen zu zie-hen sind. Wir als Koalition – im Übrigen auch die Kolle-gen von der CDU – sind diszipliniert genug, zu sagen:Wir warten auf den gemeinsamen Erfolg. Aber dieserKerl kommt daher und sagt: Ich habe das Tor geschos-ssEnklkShdKdstBWmsdpÜdzudhaDcCbDP–gedusmWsBsi
s werden immer Dinge versprochen, die nicht in Ord-ung sind. Dabei weiß man: Die CSU rennt immer Papp-ameraden ein.Nehmen wir den Gesundheitsfonds. Da erzählen Sieange, die Welt gehe unter, wenn der Gesundheitsfondsommt, obwohl alles verabredet ist. Am Ende müssenie dann klein beigeben; dann ist es vorbei. Sie wollenalt die Landtagswahlen überstehen. Sie wollen den Ein-ruck erwecken: Wir sind die Größten. Schon bei derommunalwahl war es so. Da wollten Sie die Krise beier Landesbank nicht offenbar werden lassen. Es waraudumm, dass es dieses Versehen bei der Kommunika-ion gab. Jetzt werden Pappkameraden aufgebaut. Das istetrug an den bayerischen Wählerinnen und Wählern.ir müssen ihnen die Wahrheit sagen.
Wir sagen ihnen die Wahrheit, zum Beispiel dass wirit der Erbschaftsteuer niemanden überfordern. Estand sogar in den Wahlprogrammen beider Parteien,ass wir stunden wollen und dass wir denen, die Arbeits-lätze schaffen, im Gegensatz zu allen anderen denbergang erleichtern wollen. Dazu, dass manche vonenen glauben, sie müssten überhaupt keine Steuernahlen und das sollten nur die Arbeiter, die Angestelltennd die Beamten, hat uns das Bundesverfassungsgerichteutlich gemacht: Das geht nicht. Das soll auch nicht ge-en, weil es nicht gerecht wäre. Kein Arbeitsplatz wirdufgrund der Erbschaftsteuerreform scheitern.
arauf können sich die Menschen verlassen. Sie brau-hen dazu keine schwarzen Zusagen.
Ähnlich verhält es sich mit den Pendlern. Da hat dieSU ja Pirouetten gedreht; eine Achterbahn am Okto-erfest ist ein Dreck dagegen.
enn schon Theo Waigel hatte damit begonnen, dieendlerpauschale abschaffen zu wollen. Das warenStichwort Professor Bareis – die berühmten Petersber-er Beschlüsse. Dazu gab es schon einmal einen Gesetz-ntwurf. Dann hat man sie wieder eingeführt, dann wie-er abgeschafft. Es war also ständig ein Zick und Zacknd Zack und Zick. Immer vor den Wahlen hat man ge-agt: Da hat man einen wunderbaren Lockvogel, den hältan hin, dann kriegt man einen Gelust, und nach denahlen hat man es wieder vergessen. Wer da auf die Zu-agen baut, hat auf Sand gebaut. Ich baue da auf dasundesverfassungsgericht, das eine steuergerechte Ent-cheidung treffen wird. Wer sich auf die CSU verlässt,st verlassen, wie er bisher verlassen war.
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18676 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Ludwig StieglerWir in der Großen Koalition sollten zum gemeinsa-men Erfolg stehen.
Wer immer nur selber glänzen will, ist kein Mann-schaftsspieler. Ich denke, gerade mit den Koalitionsfrak-tionen machen wir es richtig. Deshalb kann es nicht imInteresse unserer CSU-Kollegen sein, dass da so ein An-geber aus München kommt, Brotzeit daherredet
und so tut, als ob er die Welt einreißen könnte.
Wir haben schon erlebt, dass Edmund Stoiber so geredethat. Alle Angeberei hat ihm nicht geholfen. Erwin Huberwird es auch nicht retten. Das nächste Mal werden wireinen anderen Angeber erleben. Aber wir sind Kummergewohnt.
Das Wort hat der Kollege Hubertus Heil aus der SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichmöchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass wir ei-gentlich über den Kanzleretat und die Rede der Kanzle-rin sprechen.
– Das gilt auch für Sie, Herr Westerwelle.
Frau Merkel hat sehr viel über Bildung gesprochen.Als Sozialdemokrat freue ich mich natürlich, wenn sichChristdemokraten der sozialdemokratischen Program-matik verbal anpassen. Das ist eine gute Sache, sowohlin der Familien- als auch in der Bildungspolitik.
Ich sage aber sehr deutlich: Die Tatsache, dass derBildungsgipfel in Dresden stattfindet, sollte uns an einenSchriftsteller erinnern, der in Dresden geboren wurde,später in Berlin gelebt und auch in München gewirkt hat;dort ist er auch gestorben. Die Rede ist von ErichKästner. Er hat den schönen Satz geprägt: „Es gibt nichtsGutes, außer man tut es.“
PpdddfhEaKwnKvFiLSEdWkuiBwznheddhts
Frau Merkel hat zu Recht davon gesprochen, dass wirie frühe und individuelle Förderung von Kindern inen Mittelpunkt rücken müssen. Als wir das in Bayernrüher gefordert haben, haben Sie uns diffamiert und be-auptet, wir wollten die Kinder verstaatlichen.
ine frühe und individuelle Förderung von Kindern istber nur dann möglich, wenn es ein gutes Angebot anrippenplätzen und Kindergärten gibt und wenn man,ie es in den sozialdemokratisch geführten Ländernach und nach getan wurde, auch dafür sorgt, dass dieindergärten beitragsfrei gestellt werden. Hier haben Sieollständig versagt.
Ich gehe in der Bildungskette einen Schritt weiter.rau Merkel hat davon gesprochen, dass alle Menschenm Leben eine Chance brauchen. In Bayern gibt esandkreise, in denen 23 Prozent eines Jahrgangs keinenchulabschluss haben.
s gibt in Bayern Landkreise, in denen es nicht einmalas Angebot einer gymnasialen Oberstufe gibt.
enn wir wirklich wollen, dass nicht die soziale Her-unft bzw. der Geldbeutel der Eltern über die Bildungs-nd Lebenschancen der Kinder entscheidet, dann gilt es,n Bayern eine andere Politik zu machen; denn in derildungspolitik haben Sie komplett versagt.
Erreichen dann aber einige Schulabgänger in Bayern,enn auch im Vergleich zu anderen Bundesländern vielu wenige – die Abiturientenquote ist in Bayern amiedrigsten –, hohe oder sogar höchste Abschlüsse,
aben Sie für diesen Personenkreis zusätzliche Hürdenrrichtet. Denn Sie verlangen in Ihrem Bundesland Stu-iengebühren in Höhe von 500 Euro pro Semester, undas, ohne zumindest ein Stipendienwesen aufgebaut zuaben; das wäre eigentlich das Mindeste, was Sie hättenun müssen, wenn Sie schon diesen falschen Weg ein-chlagen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18677
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Hubertus HeilIch nenne diese Fakten, weil sie ein frappierendesLicht darauf werfen, wie bei Ihnen Reden und Handelnauseinander klaffen.
Man kann nicht in Berlin mit schönen Worten über dasThema Bildung reden, aber dort, wo man Verantwortungträgt – die CSU also im Freistaat Bayern –, in dieserForm versagen.Herr Staatsminister, man kann auch das, was die Bun-deskanzlerin in ihrer Rede zum Thema Mindestlöhnegesagt hat, nicht befürworten, dass wir Mindestlöhnenämlich wie verabredet durchsetzen werden – uns hatdas natürlich gefreut –, und Mindestlöhne in Bayern alssozialistischen Unsinn bezeichnen.
Ich habe einmal in der Bayerischen Landesverfassunggeblättert.
In Art. 123 geht es um ein Thema, das uns sehr wohl be-kannt ist – ich zitiere wörtlich –:Die Erbschaftsteuer dient auch dem Zweck, die An-sammlung von Riesenvermögen in den HändenEinzelner zu verhindern. Sie ist nach dem Ver-wandtschaftsverhältnis zu staffeln.Das steht in der Landesverfassung, Herr Staatsminister,auf die Sie einen Eid geleistet haben
Ich bin wie Frau Merkel der Meinung: Wenn in Bay-ern etwas gut ist, dann kann man auch in Berlin darauslernen. Daher möchte ich einen weiteren Artikel derBayerischen Landesverfassung zitieren.
In Art. 169 Abs. 1 steht:Für jeden Berufszweig können Mindestlöhne fest-gesetzt werden, die dem Arbeitnehmer eine den je-weiligen kulturellen Verhältnissen entsprechendeMindestlebenshaltung für sich und seine Familie er-möglichen.Das ist großartig!
Herr Huber, ich will Ihnen nicht unterstellen, dass dieCSU verfassungsfeindlich ist.AGvdmv–DedGBSDLeItWdoSIzPnDwn–ribtCdv
llerdings muss ich Ihnen sagen: Sie haben sich vomeist der Bayerischen Verfassung, die nach dem Kriegon Christdemokraten, Christlich-Sozialen und Sozial-emokraten zur Grundlage unserer wirtschaftlichen, de-okratischen und sozialen Ordnung gemacht wurde,on der Geschichte und vom „S“ im Namen Ihrer Partei sie heißt ja nach wie vor CSU – sehr stark distanziert.as ist keine gute Idee. Das können wir momentan daranrkennen, dass Ihnen – hier hat Herr Westerwelle recht;as hat er schön formuliert – bestimmte Körperteile aufrundeis gehen. Daher glauben Sie, Ihre Muskeln hier inerlin spielen lassen zu müssen.
Die Wahrheit aber ist: Sie setzen sich mit dem, wasie sagen, gar nicht durch. Das wäre auch nicht gut.ass Sie Frau Merkel auf Ihrem CSU-Parteitag auf deneim gegangen sind und das sogar noch gut finden, isti
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Mit Edmund Stoiber war es wenigstens lus-ig.
ir erleben jetzt, dass Sie als die bajuwarische Ausgabeer Kaczynski-Brothers, nämlich Beckstein und Huber,
ffensichtlich nicht mehr die Autorität haben, die frühertaatsparteien hatten. Das kennen andere Parteien auch.m Herbst 1989 begannen die Leute, sich darüber lustigu machen, was da so ist.Ich sage Ihnen: Dieser Freistaat Bayern gehört keinerartei, auch nicht Ihrer Partei, er gehört auch nicht mei-er Partei, er gehört den Menschen.
iese werden darüber entscheiden, wie es in Bayerneitergeht. Die Zeit Ihrer absoluten Mehrheit wird in ei-igen Tagen vorbei sein. Das ist gut für Bayern.
Herr Hinsken, Sie sind doch eigentlich ein Lieber. Be-uhigen Sie sich wieder.Wir wollen und wir werden in dieser Verantwortung,n der wir stehen, in dieser Bundesregierung weiter ar-eiten. Das ist nicht immer leicht bei einer Drei-Par-eien-Konstellation, Herr Westerwelle. CDU, SPD undSU sind nun einmal drei Parteien. Trotzdem sage ich,ass wir zu dem stehen, was wir im Koalitionsvertragereinbart haben. Es gibt eine Fülle von Aufgaben, die
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18678 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Hubertus Heilnach der bayerischen Landtagswahl anzugehen sind,nämlich die Umsetzung von Mindestlöhnen, die Frageder Krankenhausfinanzierung, die Diskussion um dieUmsetzung der Erbschaftsteuer usw. Was vereinbartworden ist, muss genauso gelten wie das, was das Ver-fassungsgericht uns ins Stammbuch geschrieben hat.Es gibt eine Fülle von Dingen zu tun. Auch in diesemZusammenhang gilt: Es gibt nichts Gutes, außer man tutes. Wir dürfen uns nur nicht von der schwierigen Situa-tion, in der die CSU am Tag nach der bayerischen Land-tagswahl sein wird, aus dem Tritt bringen lassen, wennjemand anders Verantwortung trägt. Das ist klar. Deshalberkläre ich, dass wir zu dieser Koalition stehen.Ich sage das sehr deutlich, weil die Menschen von unserwarten, dass dieses Land gut durch die möglicherweiseanstehenden Krisen aufgrund des rauen Wetters geführtwird. Dass wir die Chance haben, die Schwierigkeiten zubewältigen, hat Peer Steinbrück gestern deutlich ge-macht.Wir haben uns nicht von der Industrie verabschiedet,wie es uns einige vor einigen Jahren geraten haben. Wirsind nicht dem Rat auf den Leim gegangen, eine reineDienstleistungs- und Finanzdienstleistungsgesellschaftzu werden.In den USA ist das anders gelaufen. In den 80er-Jah-ren waren 18 Prozent der Wirtschaft von Finanzdienst-leistungen abhängig. Heute sind es 40 Prozent. Deutsch-land hat sich damals – viel verspottet – daran gemacht,seine industrielle Basis zu erhalten und zu modernisie-ren. Deshalb sind wir an diesem Punkt besser aufgestellt.Wenn wir weiter so an dieser ökonomischen Basis ar-beiten, wenn wir begreifen, dass soziale Gerechtigkeitund wirtschaftliche Dynamik keine Gegensätze sind,wie es einige erzählen wollen, sondern wechselseitigeBedingungen, wenn wir begreifen, dass jedes Kind, je-der Jugendliche und jeder Mensch in diesem Land ge-braucht wird und deshalb die Ausgrenzung durch feh-lende Bildungschancen nicht nur ungerecht ist, sondernauch ökonomisch ein Problem wird, wenn wir diesenWeg gehen, wenn wir sozialen Aufstieg und Gerechtig-keit in dieser Gesellschaft ermöglichen, dann ist mirnicht bange um unsere Republik.Das gilt für Bayern, das gilt für Deutschland, und dasgilt speziell für die Arbeit dieser Großen Koalition. Wirwerden weiterarbeiten. Im nächsten Jahr steht ein Wahl-kampf auf Bundesebene an. Dann geht es um die Frage,wie es in Deutschland nach der Bundestagswahl weiter-geht. Dann sehen wir uns wieder.Herzlichen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Monika Griefahn für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Mir juckt es in den Fingern, an der StellewhiLDsKslaTBAnsewsfvnkwuVeHpBl7uswMgGKADKtHWzrbmu
Klar ist: Bürokratische Hemmnisse müssen abgebauterden. Das Bundesministerium für Arbeit und Sozialesnd die im Beirat der Künstlersozialkasse vertretenenerbände sind gerade dabei, gemeinsame Lösungen zurarbeiten. Das nehmen wir ernst. Das und nicht dieolzhammermethode ist die richtige Art und Weise, hierositiv etwas zu bewegen und nicht alle zu verunsichern.Die Förderung von Kultur und Medien durch denund, der sich hier mit mehr als 1 Milliarde Euro im In-and beteiligt, ist sinnvoll. Hinzu kommen noch einmal00 Millionen Euro im Rahmen der auswärtigen Kultur-nd Bildungspolitik. Das ist auch wichtig. Man mussich anschauen, wie das weitergeht. Hier wird ja immerieder von der Kulturhoheit der Länder gesprochen.an muss einfach sehen: Diese senken ihre Kulturaus-aben ständig. Der Bund ist der Einzige, der sie erhöht:egenüber 2008 beträgt der Aufwuchs im Haushalt desulturstaatsministers 1,51 Prozent. Im Haushalt desußenministers beträgt der Anstieg sogar 7,5 Prozent.amit machen wir deutlich, welche Bedeutung wir derultur und den Medien im In- und Ausland beimessen.Ich wünsche mir sehr, dass sich die Ministerpräsiden-en – insbesondere Peter Müller im Saarland, Peterarry Carstensen in Schleswig-Holstein und Christianulff in Niedersachsen – einmal fragen, ob die finan-iellen Mittel für die Kultur in ihren Ländern noch aus-eichen, wenn sie schon immer auf ihrer Kulturhoheiteharren und sagen, dass der Bund irgendetwas nichtachen soll. Dann aber bitte auch Butter bei die Fischend Geld in den Etat!
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Monika Griefahn– Er ist da relativ gut aufgestellt. Das kann ich Ihnengleich raussuchen.
Was tun wir im nächsten Jahr? Wir entwickeln dasKonzept zur Gedenkstättenförderung weiter. Als SPDwar uns dabei die Aufnahme der institutionellen Förde-rung in den alten Bundesländern besonders wichtig, da-mit zum Beispiel die Zahl der Führungen mit Schulklas-sen in den Gedenkstätten erhöht werden kann. Soerhalten diese dann auch Planungssicherheit für ihre Ar-beit.Wir wissen, wie wichtig gerade bei der historisch-politischen Bildung die Besichtigung authentischerOrte ist, da wir ansonsten weiter Studien lesen werden,in denen das mangelhafte Wissen vieler junger Men-schen – übrigens auch und gerade hinsichtlich der SED-Diktatur – offenbart wird. Das haben wir im fortge-schriebenen Konzept zur Gedenkstättenförderung nie-dergelegt. Die Sanierung von Haus 1 in der Normannen-straße hier in Berlin, das in das Konzept eingebundenwerden soll, haben wir noch nicht erreicht. Wir wissennoch nicht, wie viele Kosten dadurch entstehen werden.Ich würde mich freuen, wenn wir hierfür zumindest ei-nen Leertitel einfügen könnten, wie er auch für dasDeutsche Museum vorgesehen ist.Ein weiteres Projekt, mit dem wir uns jetzt auch aufder Zielgeraden befinden, ist die Vereinbarung, auch inBerlin ein sichtbares Zeichen zu setzen, um im Geisteder Versöhnung die Erinnerung bzw. das Gedenken anFlucht und Vertreibung wachzuhalten. Wir wollten dasin öffentlicher Trägerschaft gestalten; das war wirklichder sozialdemokratische Wunsch. Das wird jetzt geradevorangebracht.Wir wollen eine internationale Konferenz, damit wirdie Grundlage der Ausstellung „Flucht, Vertreibung, In-tegration“ vom Haus der Geschichte weiterentwickelnkönnen und somit eine Dauerausstellung im Deutsch-landhaus erhalten; denn wir brauchen die Versöhnungmit den europäischen Nachbarn. Gerade deswegen wol-len wir, dass auch internationale Experten dabei sind, da-mit diese Ausstellung wirklich der Versöhnung und nichtder Spaltung dient.
An dieser Stelle möchte ich den neuen Intendantinnender Bayreuther Festspiele, Katharina Wagner und EvaWagner-Pasquier, meinen Glückwunsch übermitteln. Siewollen zusätzliche Projekte anpacken und die Festspielefür weitere Menschen – vor allem auch für junge Men-schen – erlebbar machen. Ich denke aber, es muss hierganz deutlich sein, dass zusätzliche Mittel von außenund nicht aus dem Bundeshaushalt akquiriert werdenmüssen.Zum kulturellen Nachwuchs. Die kulturelle Bildungwurde in der Enquete-Kommission diskutiert, die ein-stimmige Forderungen dazu vorgelegt hat. Dies findetszlkzdFdwmswkdK–DdFfntIVlfBIerdegl
Bitte schön.
as Problem ist, dass alle schon ganz ungeduldig auf
en Außenminister warten. Nur deshalb wollte ich die
rage nicht zulassen.
Jetzt hat der Kollege Börnsen das Wort zur Zwischen-
rage.
Verehrte Kollegin, ich möchte mich zuerst bei mei-em Kollegen Hans-Joachim Otto für die kollegiale Un-erstützung bedanken.
ch möchte mich aber auch bei Dir, Monika, für Deinerständnis bedanken, doch eine Zwischenfrage zuzu-assen.Es klang ein wenig an – deswegen möchte ich nach-ragen –, dass einige mit dem Aufschwung in diesemereich in den letzten drei Jahren nicht zufrieden sind.st es nicht zutreffend, dass gerade der Kulturbereich mitinem Zuwachs von 7,6 Prozent in den letzten drei Jah-en, also in jedem Jahr eine Zulage, die Unterstützunger Großen Koalition und ganz besonders der Kanzlerinrfahren hat und dass gerade die Kanzlerin in ihrer Re-ierungserklärung deutlich gemacht hat, welchen Stel-enwert die Kulturpolitik bei der Großen Koalition hat?
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Ich bin sehr dankbar – das habe ich am Anfang gesagt –,
dass wir hier einen Zuwachs zu verzeichnen haben. Die
Kanzlerin war heute Morgen die Einzige, die zu diesem
Themenkomplex etwas gesagt hat. Das finde ich richtig
und das ist auch gut so.
Ich glaube, hier haben wir in der Großen Koalition gute
Arbeit geleistet. Ich habe hervorgehoben, dass wir als
Bund diesen Bereich hochhalten. Aber ihr müsst euren
Ministerpräsidenten sagen, dass sie hier noch einmal
nachbessern müssen; genau das ist der Punkt.
– In den drei Ländern, die ich aufgeführt habe, sind die
Ausgaben für Kultur sehr niedrig.
Ich komme zur Initiative Musik. Hier stellen wir seit
zwei Jahren Mittel zur Verfügung. Inzwischen ist einiges
in Gang gekommen. Für das nächste Jahr erwarte ich die
in unserem Antrag geforderte Evaluation der Initiative,
damit wir prüfen können, ob den Zielen des Bundestages
mit den Förderrichtlinien entsprochen wird. Was noch
fehlt, ist der Spielstättenprogrammpreis, der insbeson-
dere an Jazzspielstätten vergeben werden soll. In dem
Antrag haben wir hierzu noch weitere Wünsche formu-
liert. Ich erwarte da entsprechende Signale. Ich hoffe,
dass wir auch bei diesem Punkt weiterkommen. Ich
freue mich, dass wir im nächsten Etat auch die Medien-
forschung verankert haben. Hier muss man sicherlich se-
hen, was aus diesen Mitteln konkret finanziert wird.
Ganz besonders freue ich mich – das habe ich am An-
fang schon gesagt –, dass nach einer langen Durststrecke
mit unserem Bundesaußenminister Frank-Walter
Steinmeier seit 2005 endlich das Interesse und die Wert-
schätzung von Kunst und Kultur wieder in die Außen-
politik der Bundesregierung eingekehrt sind. Wie ge-
sagt, wir haben in diesem Haushaltstitel eine Steigerung
von 7,5 Prozent zu verzeichnen. Ich möchte mich an die-
ser Stelle beim Außenminister ganz herzlich für sein per-
sönliches Engagement bedanken; denn er hat das Ganze
wirklich vorangebracht.
Er hat im Ausland die Wertschätzung für diesen Bereich
vorangetrieben, zum Beispiel die gemeinsame Neuauf-
stellung des Goethe-Instituts und die Stärkung der deut-
schen Schulen im Ausland. Das wollen wir im nächsten
Jahr mit einem Jahr der Außenwissenschaft fortführen.
Der Dialog mit anderen Kulturen funktioniert ganz ent-
scheidend über die Brücken von Studium und Wissen-
schaft. Dieser Schwerpunkt rundet das Engagement in
diesem Bereich ab.
Ich denke, auf diesen großen Schritt können wir stolz
sein. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit mit
den Kolleginnen und Kollegen, weil wir gerade im Kul-
turausschuss ein gutes Team sind. Wir beschließen sehr
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Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegenicht vor.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswär-igen Amtes, Einzelplan 05.Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen,r. Frank-Walter Steinmeier.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desuswärtigen:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren Abgeordneten! In Deutschland und in Europaerden Frieden und Stabilität als etwas empfunden,as so selbstverständlich wie der Sonnenaufgang undas tägliche Brot ist. In vielen Teilen der Welt – das wis-en Sie – ist das leider nicht der Fall. Die Neuvermes-ung der Welt, wie ich das nenne und wie Sie es alle er-eben, geht leider mit neuen Unsicherheiten, Unruhe undielen neuen, auch gewaltsam ausgetragenen Konflikteninher.Ja, es ist richtig: Allgemeingültige Rezepte, nach de-en wir fragen und suchen, um Frieden und Stabilität zuewährleisten oder schnellstmöglich wieder herzustel-en, gibt es leider nicht. Deshalb muss sich kluge Außen-olitik aus meiner Sicht noch mehr als in der Vergangen-eit darauf konzentrieren, vorausschauend Risiken zuinimieren und Chancen zu erkennen und zu ergreifen,o immer die Verhinderung eines Konflikts möglich ist.
Was braucht man dazu? Vor allen Dingen brauchtan richtige Analysen und – wo immer möglich – einnabhängiges Urteil. Dabei bedarf es der Fähigkeit, beier ganzen Flut von Informationen und – das haben wirerade in der letzten Zeit wieder erlebt – Desinforma-ionen die Übersicht zu behalten. In dieser immer un-bersichtlicher werdenden Welt ist das in der Tat eineon Jahr zu Jahr immer anspruchsvollere Aufgabe. Dasiegt daran, dass sozusagen die zynischen Gewissheitenes Kalten Krieges nicht mehr bestehen und die USA alsinzig verbliebene Supermacht an Ansehen eingebüßtaben und aus den heute bereits genannten Gründen mit-en in einer Finanzkrise stecken. Wie auch immer derächste Präsident der USA heißen wird, er wird jeden-alls die Führungsrolle der USA neu definieren unddarin bin ich mir sicher – verloren gegangene Autoritäturückgewinnen müssen.Daneben gibt es neue Mächte. Wir reden von Chinand Indien. Wer ein bisschen in der Welt herumkommt,
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Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierweiß, dass das verkürzt ist. Hinzu kommen Mexiko undBrasilien, langfristig vielleicht auch Südafrika und Viet-nam. Alle diese neuen Mächte suchen nach einer neuenRolle jenseits der alten Gewissheit in ständig neuen Inte-ressenkonstellationen. Das macht gegenwärtig vieles soschwer voraussehbar.Hinzu kommt, dass wir uns in einer sehr dynamischenWachstumsphase befinden – deren Vorteile haben wirheute Morgen beschrieben; deren Nachteile sehen wirderzeit kraft mangelnder Regelungen für die internatio-nalen Finanz- und Kapitalmärkte –, die aber unzweifel-haft neben den Chancen auch Risiken vom Klimawandelbis hin zur Knappheit und Verteuerung von Energie undRohstoffen mit sich bringt.Das führt uns in der Situation, in der wir jetzt – imSeptember 2008 – miteinander diskutieren, zu der Fest-stellung: Eine neue und tragfähige Balance für Friedenund Stabilität in diesem Jahrhundert ist uns noch nichtgelungen. Daran müssen wir noch arbeiten. Ich sage dasbewusst in einer Generaldebatte jenseits der Einzelthe-men, über die wir noch diskutieren werden, etwa im Zu-sammenhang mit der Verlängerung des Afghanistan-Mandats. Ich sage also vorweg, dass es mein Anspruchan die deutsche Außenpolitik ist, dass wir uns nicht inder Unübersichtlichkeit des täglichen Klein-Kleins er-schöpfen, sondern die langfristigen Linien und Heraus-forderungen in Erinnerung behalten. Ich wäre froh, wennwir Gelegenheiten wie diese dazu nutzen würden.
Bei den Auseinandersetzungen im südlichen Kauka-sus in diesen Tagen ist mir jedenfalls gewiss geworden,dass das, was an Herausforderungen in der Außenpolitikauf uns zukommt, auch die menschliche Vernunft lang-fristig auf die Probe stellen wird. Sie ist nicht immer inso reichem Maße vorhanden, wie ich mir das wünsche.Wenn wir mit Vernunft an die Außenpolitik herange-hen, dann kann uns, glaube ich, etwas gelingen, was dieneue Herausforderung mit sich bringt, nämlich neueMächte zu integrieren. Wir brauchen eine Außenpolitik,die neue Formen der Zusammenarbeit erprobt, neue For-mate entwickelt und neue Instrumente bereitstellt. Wirdürfen nicht verdrängen – das ist sozusagen meine Bot-schaft –, dass es neue Mächte auf der internationalenBühne gibt. Selbst wenn wir manchmal verzweifelt umLösungen ringen, dürfen wir nicht auf Lösungsmusterzurückgreifen, die seit Ende des Kalten Krieges nichtmehr zur Verfügung stehen. Das wäre eine trügerischeScheinsicherheit.
Es hilft nichts – ich kenne den beschwerlichen Weg –,wir müssen das erreichen, was ich eine globale Verant-wortungspartnerschaft nenne. Auf dieses Ziel müssenwir Schritt für Schritt hinarbeiten.
Ich komme zu den wichtigsten Linien, die ich im Au-genblick erkenne und die die Politik in den nächsten Jah-rVdnlhVieasdhgdchaazzüsLfwtnSrguiWdhdiihntupKKansedmfvvh
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Ich will da nichts beschönigen. Die Stationen und Si-tuationen, die wir in den letzten drei, vier Wochen durch-lebt haben, haben wie in einem Brennglas gezeigt, dassdie 27 europäischen Mitgliedstaaten immer noch 27 na-tionale, emotionale und sehr unterschiedliche Erzählun-gen von der Geschichte ihrer Völker haben. Da wirkt dieGeschichte vergangener Jahrhunderte, insbesondere desletzten Jahrhunderts, die Erinnerung an Kriege, an Be-satzung, an systemischen und ideologischen Zwang so-wie an die Verhinderung von Eigenständigkeit undSelbstständigkeit. All das spielt eine Rolle beim Zusam-menwirken in Europa, und das wird uns noch eine ge-raume Zeit lang, über Jahre und Jahrzehnte, begleiten.Es wird Teil der europäischen Außenpolitik sein, dies al-les zu wissen und gleichwohl immer wieder einegemeinsame europäische Außenpolitik neu zu kon-struieren.Die zweite lange Linie betrifft das Verhältnis zuAmerika. Die Vereinigten Staaten von Amerika werdenunser wichtigster Verbündeter bleiben. Was wir schon inBezug auf andere gesagt haben, gilt erst recht für dieUSA. Wir werden die USA für die Lösung aller im Au-genblick erkennbaren wichtigen Probleme brauchen,auch für unsere gemeinsame Sicherheit. Weil das so ist,wünsche ich gerade mir eine besonders tragfähige, zu-kunftsfähige Beziehung zu den Vereinigten Staaten miteiner Agenda einer – wie ich das einmal genannt habe –erneuerten transatlantischen Partnerschaft, in der Sicher-heit nach wie vor ihre wichtige und zentrale Rolle habenwird, in der wir aber auch alle wichtigen und zentralenZukunftsfragen vereinbaren werden, von einer Techno-logiepartnerschaft im Klimaschutz über Regeln auf deninternationalen Finanz- und Kapitalmärkten bis hin zueiner gemeinsamen Abrüstungspolitik. Ich trete dafürein, dass wir diese neue transatlantische Agenda mög-lichst bald mit viel Leben erfüllen.
Die neuen Partner in der Weltordnung – China, In-dien und viele andere – beanspruchen ihren Platz in derWeltgemeinschaft, und zwar einen Platz, der mindestensihrem gewachsenen ökonomischen Gewicht entspricht.Wir brauchen viel außenpolitische Klugheit und Weit-sgddsgrwrUvgrbgggImmgWdsVkbawkGwuBkdfMFguhztfdeaInze
ch sage ähnlich: Um kluge Außenpolitik zu machen,uss man nicht die Perzeption des Gegenübers überneh-en, aber man muss sie jedenfalls kennen und in die ei-ene Positionierung mit einbauen.
er das beherzigt – davon bin ich ganz fest überzeugt –,er gibt nicht etwa irgendetwas auf, sondern der kann zueinen Prinzipien und Positionen stehen, ohne anderenölkern vom hohen Ross aus zu begegnen.Das führt mich zur letzten Schlüsselfrage, die ich hierurz ansprechen will: Terrorismus. Der Terrorismusirgt hier, in einer offenen Gesellschaft, Risiken, die wirlle uns gegenseitig viele Male beschrieben haben. Ichill nicht auf Afghanistan im Einzelnen zu sprechenommen, aber daran erinnern, dass der Terrorismus derrund ist – der Jahrestag des 11. September liegt erstenige Tage hinter uns –, warum deutsche Soldatinnennd Soldaten nach wie vor in Afghanistan sind. Meineitte ist einfach – ich sage das mit Blick auf die Bemer-ungen von Fritz Kuhn von heute Morgen –, dass wiriese Debatte hier im Hohen Hause ehrlich miteinanderühren. Ich gehe davon aus, dass in keiner der Fraktionenandate ein Selbstläufer sind. Jede Fraktion muss dieserage sorgfältig diskutieren, aber mit den richtigen Ar-umenten. Wir entscheiden über den deutschen Beitrag,nd deshalb bitte ich Sie erstens, nicht das entgegenzu-alten, was nach Ihrer Ansicht andere bei ihren Einsät-en möglicherweise anders oder falsch machen. Zwei-ens bitte ich, in der Debatte, die wir im Detail noch zuühren haben, nicht entgegenzuhalten, dass man deshalben Mandaten keine Zustimmung geben kann, weil wirine neue Strategie brauchen. Wir haben oft – auch hiern diesem Platz – über eine neue Strategie gesprochen.ch will vorab nur sagen: Für diese neue Strategie mit ei-er deutlichen Betonung unseres Engagements für denivilen Aufbau ist diese Bundesregierung gemeinsamingetreten, auch in den NATO-Räten. Das kann ich für
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Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierFranz Josef Jung wie für mich sagen. Wir haben dieseStrategieänderung hinbekommen.
Sie ist ablesbar, Fritz Kuhn, nicht nur in unseren eigenenHaushalten. Wenn man sich bei all den Mitgliedsländernumschaut, die in Afghanistan engagiert sind, wird manfeststellen, dass der Anteil der Mittel für den zivilenWiederaufbau deutlich angestiegen ist. Deshalb sage ich:Lasst uns doch nicht einfach immer nur die alten Argu-mente und Vorwürfe wiederholen, sondern lasst uns da-von ausgehen, dass gelernt ist, dass militärische Präsenzallein die Probleme in Afghanistan nicht beseitigen wird,sondern dass wir Engagement beim zivilen Wiederauf-bau brauchen, und dieser findet statt. Wir brauchen aller-dings, soweit ich das sehe, für die nächste Zeit weiterhinmilitärische Präsenz, um die Sicherheit und die Rahmen-bedingungen zu garantieren.
Ich komme zur Abrüstung. Ich spreche sie deshalban,
weil ich ahne, dass jemand gleich das Thema Indien auf-rufen wird.
– Eben nicht, lieber Kollege Trittin. Ganz im Gegenteil. –Sie wissen von mir, dass ich engagiert dafür eintrete,dass wir das Thema Abrüstung auf die internationale Ta-gesordnung zurückholen. Das ist uns gelungen,
nicht nur bei Kleinwaffen und bei Streumunition; auchim Bereich der atomaren Abrüstung haben Sie Vor-schläge von mir für die Internationalisierung des Brenn-stoffkreislaufes gesehen, die jedenfalls bei der Interna-tionalen Atomenergiebehörde und den beteiligtenStaaten auf großes Interesse gestoßen sind. Ich habe da-mals bei der ersten Auseinandersetzung zu dem Nuklear-handel mit Indien, die wir hier in diesem Hause hatten,schon gesagt: Das, was wir üblicherweise zu der Frageder Bedeutung multilateraler Einbindung austauschen,gilt auch in diesem Fall.Mit anderen Worten – das habe ich damals gesagt,und daran halte ich mich –: Wenn die IAEO und wennal-Baradei, mit dem wir auch bei verschiedenen anderenKonflikten eng zusammenarbeiten, es durch den Ab-schluss eines Safeguard-Abkommens zustande bringen,Indien näher an die Zusammenarbeit mit der internatio-nalen Atomaufsicht heranzuführen, dann ist das auch fürmich ein Argument, das ich in die Bewertung über-nehme. Deshalb ist Indien nicht weiter entfernt oderwird nicht etwa belohnt für eine Missachtung des Atom-sperrvertrags; vielmehr wird es mit geeigneten Mittelnnäher an die Kontrolle durch die Internationale Atom-energiebehörde herangeholt.DDdTSsaagähmtadIüdkEAhddddemdSvumbbWEiiEr
as gilt zwar nicht für 100 Prozent, aber für etwa zweirittel seiner Anlagen. Ich jedenfalls bin froh darüber,ass der Konsens auch unter denjenigen, die, Jürgenrittin, noch kritischer als wir waren, in der Nuclearuppliers Group am Ende gefunden worden ist.
Jetzt wird Monika Griefahn zum Abschluss wiederagen: Nun haben wir über viele Themen gesprochen,ber nicht über die Kultur. Deshalb möchte ich einigebschließende Sätze dazu sagen. Ich habe in den vergan-enen Haushaltsberatungen immer gesagt: Zu den Ver-nderungen in dieser Welt, die ich beschrieben habe, ge-ört auch, dass wir an uns selbst den Anspruch stellenüssen, uns mit unseren Argumenten, mit unserer Hal-ung besser verständlich zu machen. Dazu gehört dieuswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Ich freue mich,ass wenigstens festgestellt wird, dass uns beim Goethe-nstitut eine Wende gelungen ist, dass wir nicht mehrber die Schließung von Goethe-Instituten reden, son-ern – dank Ihrer Hilfe – heute dabei sind, von eineronsolidierten Basis aus über eine Erweiterung unseresngagements zu reden.Wir haben in den letzten Jahren viel bei deutschenuslandsschulen getan. Wenn ich sage „viel getan“,eißt das nicht nur „staatliches Geld bereitstellen“, son-ern auch, Kooperationen mit der Wirtschaft zu suchen,ort Überzeugungsarbeit zu leisten, sodass diejenigen,ie ihre Abschlüsse auf deutschen Schulen machen,ann auch eine Perspektive haben für ein Praktikum, fürin Studium, für eine Lehre in Deutschland. Ich freueich, dass das auf gutem Wege ist.Herzlichen Dank Ihnen allen.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Werner Hoyer für
ie FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ich nicht in der Unübersichtlichkeit des Klein-Kleinerlieren, stattdessen die langen Linien sehen, dazu hatns der Außenminister aufgefordert. Versuchen wir ein-al, dem gerecht zu werden. Es ist in der Tat so – daseunruhigt mich gegenwärtig mit am meisten –: Ein alt-ekannter gefährlicher Virus wird in Europa und in derelt wieder erkennbar, ein Virus, gegen den wir uns inuropa einigermaßen immunisiert zu haben glaubten: Esst der Nationalismus, der seine hässliche Fratze überalln der Welt zeigt, leider auch wieder verstärkt in Europa.Ein einzigartiger politischer Prozess hatte uns inuropa zu der Anerkennung einer Reihe von elementa-en Prinzipien friedlichen und kooperativen Zusammen-
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Dr. Werner Hoyerlebens gebracht. Es war ein Prozess, der mit der Doppel-strategie der NATO, wie sie im Harmel-Bericht zumAusdruck gekommen war, auf das Engste verbundenwar. Dieser Prozess hat immer auch Abrüstung, Rüs-tungskontrolle und Vertrauensbildung beinhaltet undnicht nur militärische Vorsorge. Er war eingebettet in dasgroße Friedensprojekt der europäischen Integration. Ererzielte seinen katalytischen Durchbruch mit derSchlussakte von Helsinki. Für uns fand er seinen Höhe-punkt im Zwei-plus-Vier-Vertrag, der uns die deutscheEinheit brachte. Einen weiteren Höhepunkt fand er inder Charta von Paris, die in Vergessenheit geraten zusein scheint.Voraussetzung für den Erfolg dieses Prozesses wardie Überwindung des blanken Nationalismus in Europa,
dieser Geißel der Europäer nicht nur im vergangenenJahrhundert. Wir schienen dem großen Ziel doch ein gu-tes Stück näher gekommen zu sein.Heute flammt dieser Nationalismus an vielen Stellenwieder auf. Er schürt regionale Konflikte, Gefahren fürden Weltfrieden, und er entfaltet seine zerstörerischeWirkung innerhalb vieler Gesellschaften. Man denke nurdaran, wie schwer es Minderheiten, Menschenrechtlern,Verfechtern von Presse- und Meinungsfreiheit, Advoka-ten von Rechtsstaatlichkeit und demokratischer Teilhabegemacht wird, wenn mit den verführerischen Argumen-ten nationalistischer Überhöhung jeder in die vermeint-lich patriotische Solidarität hineingepresst wird.Was wir in diesem Zusammenhang unlängst beim Be-such von Kolleginnen und Kollegen des AuswärtigenAusschusses in Moskau von vielen aufrechten Demokra-ten und Menschenrechtlern gehört haben, beunruhigt.Ebenso beunruhigend ist das bedrückende Schweigenderer, die noch bis vor kurzem als aufrechte Oppositio-nelle gegen gravierende demokratische und rechtsstaatli-che Fehlentwicklungen in Georgien auf die Straße ge-gangen sind.Grenzen in Europa nicht mehr anzutasten, sie zu über-winden, ihnen ihre Bedeutung zu nehmen, das war we-sentliches Element der Charta von Paris. Heute werdenneue Grenzen gezogen und wird ihre Überwindung un-möglich gemacht. Da ist etwas gewaltig schiefgelaufen.
Wir alle müssen uns die Frage stellen, ob wir denn al-les richtig gemacht haben. Die Historiker werden einesTages zu bewerten haben, ob die Entscheidungen im Zu-sammenhang mit der Unabhängigkeit des Kosovo unddie Entwicklung im Zusammenhang mit Südossetienund Abchasien – sagen wir einmal so – die ersten oderdie letzten Sündenfälle gewesen sind. Ich weiß, mankann diese Fälle nicht eins zu eins miteinander verglei-chen. Die Unterschiede sind riesig. Es war im Kosovoauch aus unserer Sicht wohl allenfalls die am wenigstenschlechte Lösung. Selbst ihr wohnte wahrscheinlich einegravierende Fehleinschätzung inne. Wichtigste Berater,die uns auf unserem Weg begleitet haben, haben immerwasdepndhPdsB–wlseAFNEfGljdEzdTbddZMdddstfwdgg
uch ein klares Wort an die Adresse der georgischenührung wäre angezeigt gewesen. Die Solidarität derATO kann man nicht durch Zündeln erzwingen.
igentlich müsste sich die Bundeskanzlerin bestätigtühlen, was ihre Haltung auf dem Bukarester NATO-ipfel angeht. Ich glaube, es gibt überhaupt keine Veran-assung, an dieser Linie der Bundesregierung vom Früh-ahr etwas zu verändern.
Jetzt höre ich das Schulterklopfen bezüglich der Rolleer Europäischen Union. Auch ich freue mich, dass dieuropäische Union plötzlich zu gemeinsamem Handelnusammengefunden hat. Ganz toll! Aber wo war dennie Handlungsfähigkeit der Europäischen Union in denagen Anfang August? Da war schlicht niemand erreich-ar. Nach und nach lässt sich das Mosaik all dessen, wasa schiefgelaufen war, zusammensetzen. Schön, dass wirem französischen Staatspräsidenten gratulieren können.um Schluss hat er eine Vereinbarung mit Präsidentedwedew und anderen hinbekommen. Allerdings waras eine unbedingt erforderliche Aktion, um die Fehlerer ersten Bemühungen schnellstens zu korrigieren;enn das war schlicht und ergreifend ein Flop. Manollte es nicht schöner malen, als es ist.Im Übrigen gilt das auch für die Rolle der Vereinig-en Staaten. Ich habe es irgendwie als bedrückend emp-unden, wie hochanerkannte amerikanische Diplomatenie Dan Fried bis zum letzten Moment versucht haben,as Schlimmste zu verhindern, während gleichzeitig An-ehörige amerikanischer Dienststellen und mit Weisun-en aus anderen Ämtern als dem State Department den
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Dr. Werner Hoyergeorgischen Staatspräsidenten nach allem, was wir wis-sen, nicht gerade daran gehindert haben, diesen unver-antwortlichen Unsinn anzurichten.Zu den Wahlen in Amerika hat der Minister einigesgesagt. Ich begrüße das sehr, weil ich in der Tat glaube,dass wir uns immer wieder klarmachen müssen, wiewichtig die deutsch-amerikanische und die europäisch-amerikanische Beziehung ist. Egal wer diese Wahlen ge-winnt, wir werden es mit einem völlig neuen Partner zutun haben. Leider dürfen wir ja nun einmal nicht mit-wählen. Neben den großen Unterschieden, die ich weißGott sehe, gibt es eine ganze Reihe von Gemeinsamkei-ten zwischen diesen beiden Kandidaten, die uns gefallenkönnen. Ich erinnere an die durchaus mutige Absage vonJohn McCain an die Politik von Präsident Bush und Vi-zepräsident Cheney in Sachen Folterverbot. Ich erinnerean manches andere, was uns im Hinblick auf das ThemaRechtsstaatlichkeit in jedem Fall unseren amerikani-schen Freunden wieder näher bringen wird.Es gibt aber auch einige Themen, bei denen man sichwirklich fragt, wann wir die große Debatte über das, wasin den nächsten Jahren strategisch zu entscheiden ist, mitden Vereinigten Staaten beginnen. Auch da kommt esauf die langen Linien an, zum Beispiel in der Frage derRaketenabwehr. Die gehört in die große Strategiede-batte hinein, die wir mit den Vereinigten Staaten und mitunseren anderen Partnern im Bündnis führen müssen.Von der Bundesregierung höre ich zu dem bemerkens-werten Beitrag von Sam Nunn, George Shultz, HenryKissinger und anderen zur Frage der Zukunft derNuklearwaffen keinen einzigen Beitrag. Darauf müssenwir eingehen. In diesem Zusammenhang stellt sich dieFrage, welche strategische Rolle ein System spielt, dasden Eindruck von Unverwundbarkeit erweckt. Wie pas-sen Verhandlungen zwischen den Vereinigten Staaten,der Tschechischen Republik und Polen da hinein? Diesnicht in den Gesamtkontext einzuordnen, finde ich fatal.Ich finde, hier muss man in der Tat sehen, dass die Ge-fahr, dass das Wettrüsten wieder beginnt, gegeben istund dass wir alles dafür tun müssen, um das zu verhin-dern.
Ich habe den Bundesaußenminister immer unterstützt,wenn er gesagt hat, es gebe jetzt neue Abrüstungsinitia-tiven aus Deutschland. Das war überfällig, und ich be-grüße diese Ankündigung sehr. Was ist das eigentlichnoch wert, nachdem Indien bei der Nuclear SuppliersGroup unter dem Vorsitz Deutschlands den Blanko-scheck bekommen hat? Ich finde, das ist der Total-absturz der Glaubwürdigkeit der deutschen Abrüstungs-politik.
Herr Minister, ich erinnere daran, was Sie 2006 aufdem Abrüstungskongress der SPD dazu gesagt haben.Sie haben die Aussagen al-Baradeis aufgegriffen und ge-sVIudrswIhwsheaawfmaunudrwdwBdzMdJmmWSAssfgtgg2dd
Die Bundesregierung ist dringend aufgefordert, nichtinfach abzuwarten, mit welchen Erwartungen die neuemerikanische Administration auf die Europäer unduch auf Deutschland zukommt. Wir müssen unsere Er-artungen an die neue amerikanische Administrationormulieren und citissime dort auch kommunizieren, da-it wir Einfluss nehmen können. Dabei geht es um mehrls die Frage des Verhältnisses zu Russland und zu Chinand um mehr als die Frage der Strategie unseres Bünd-isses. Letztlich geht es um eine ganz große Wertefragend damit wieder um große, lange Linien. Sind wir iner Lage, uns der Gemeinsamkeit der aufgeklärtenechtsstaatlichen Demokratien zu vergewissern? Könnenir den Westen noch einmal neu begründen? Ich halteies für dringend erforderlich und wünschenswert. Sindir uns einig, dass die Grundlage unseres Handelns dieekenntnisse nicht nur allgemein zur Aufklärung, son-ern ganz konkret zur Toleranz, zur Rechtsstaatlichkeit,ur Priorisierung der Rolle und der Würde des einzelnenenschen und auch der Respekt vor den Erkenntnissener Naturwissenschaften ist? Hier sind in den letztenahren die großen Zweifel aufgekommen. Diese Ge-einsamkeit der aufgeklärten westlichen Demokratienüssen wir dringend wieder beleben. Wir werden denesten noch brauchen.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Andreas
chockenhoff für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Derußenminister hat, auch mit Blick auf den Konflikt imüdlichen Kaukasus, darauf hingewiesen, wie unüber-ichtlich die Welt geworden ist. Ohne den laufenden Prü-ungen vorzugreifen, können wir heute feststellen: Esibt eine georgische Mitverantwortung für die Eskala-ion dieses Konflikts; aber russische Behauptungen, daseorgische Vorgehen sei vergleichbar mit den Anschlä-en in New York und Washington am 11. September001, sind völlig absurd. Sie ändern vor allem nichts aner Tatsache, dass Russlands Vorgehen in Georgien undie Anerkennung von Südossetien und Abchasien eine
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Dr. Andreas Schockenhoffgrobe Verletzung des Völkerrechtes darstellen. Beson-ders beunruhigend ist, dass der Einsatz militärischerMittel wieder zu einem Instrument russischer Nachbar-schaftspolitik geworden ist und dass der Schutz russi-scher Bürger im Ausland als Legitimation für den Ein-satz von Gewalt dient. Die Kaukasus-Krise stellt damiteine seit dem Ende des Ost-West-Konfliktes nicht mehrdagewesene Bedrohung für Stabilität und Sicherheit inEuropa durch Russland dar. Deshalb waren die Reaktio-nen von NATO, EU und G 7 notwendig und angemes-sen. Wir konnten nicht einfach zur Tagesordnung über-gehen.Russland hat durch sein Verhalten international er-heblich an Glaubwürdigkeit, Ansehen und Vertrauenverloren. Zudem haben die Chancen auf mehr Pluralitätund auf innere Modernisierung in Russland einen schwe-ren Rückschlag erlitten. Das ist kontraproduktiv fürRusslands eigene Interessen, es liegt aber vor allem auchnicht im europäischen Interesse. Russlands Modernisie-rung ist ein gemeinsames Anliegen. Europa braucht einmodernes, verlässliches, kooperativ handelndes Russ-land. Wir wollen mit einem Russland zusammenarbei-ten, das seine Stärke im Sinne weltpolitischer Verant-wortung einbringt. Stärke im 21. Jahrhundert stelleneben nicht Kanonen und Panzer dar, sondern sie liegt indem Potenzial, zu internationaler Konfliktlösung beizu-tragen, in globaler Wettbewerbsfähigkeit, in gesell-schaftlicher Attraktivität. Dazu gehören auch gleichbe-rechtigte Beziehungen zu den Nachbarn, nicht aber einehegemoniale Politik eingeschränkter Souveränität. Russ-lands Nachbarn wollen nicht wie Vasallen behandeltwerden.
Ebenso braucht Russland den Westen, auch wenn man-che in Moskau derzeit das Gegenteil behaupten.Russland hat sich selbst immer wieder gegen neueTrennlinien in Europa ausgesprochen. Es wird entschei-dend von Russland abhängen, ob solche entstehen. Russ-land muss sich entscheiden, ob es Partner oder WiderpartEuropas sein möchte. Aus unserer Sicht ist klar: Es gibtkeine wünschenswerte Alternative zu starken Beziehun-gen, die auf Zusammenarbeit, Vertrauen, Dialog undAchtung des Völkerrechtes sowie den Grundsätzen derCharta der Vereinten Nationen und der OSZE beruhen.
Um wieder dorthin zurückzukommen, müssen alle vor-handenen Foren der Zusammenarbeit so intensiv wiemöglich genutzt werden.
In ihrem neuen außenpolitischen Konzept bekenntsich Russlands Führung zu einer offenen, verlässlichenund pragmatischen Außenpolitik, zu einer positivenAgenda für die internationalen Beziehungen, zu konse-quenter Einhaltung der Regeln und Ziele der VN-ChartauPDadMdARtinduksdmDnggmngcuggrmengBsrWigstgmZBkshwD
Drittens. Ziel muss bleiben, Russland in ein Netzemeinsamer Sicherheit und wirtschaftlicher Zusam-enarbeit einzubinden. Das gilt für die EU-Russland-usammenarbeit und ebenso für die NATO-Russland-eziehungen. Die NATO ist kein Instrument zur Ein-reisung Russlands,
ondern eine demokratische Organisation, um beste-ende Sicherheitsherausforderungen in Europa zu be-ältigen.
as gilt auch für die NATO-Politik der offenen Tür.
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Dr. Andreas SchockenhoffAuch die Ukraine und Georgien haben, wie jeder sou-veräne Staat in Europa, das Recht, unter Achtung desVölkerrechts und gutnachbarschaftlicher Beziehungen,der NATO beizutreten, wenn die Voraussetzungen dafürerfüllt sind. Wenn sie erfüllt sind, werden sie Mitgliederder NATO werden.
Es ist wichtig, dass Russland konsequenter als bisherauf den Iran einwirkt, um in unserem gemeinsamen Si-cherheitsinteresse auf diplomatischem Wege eine Bedro-hung durch iranische Nuklearwaffen und eine wach-sende Proliferation im Nahen und Mittleren Osten zuverhindern.Zudem sollten wir uns um neue gemeinsame Mecha-nismen für multilaterales Peacekeeping im Südkauka-susraum bemühen. Das wird übrigens ein wichtigerTestfall sein, wieweit eine abgestimmte Nachbarschafts-politik zwischen der EU und Russland möglich ist. Dennwachsende Berührungen im postsowjetischen Raum sindeine Realität. Die Gefahr von Bipolarität und Antagonis-mus in dieser Region gemeinsamer Nachbarschaft mussvermieden werden.Viertens. Über die Wiederaufbauhilfe für Georgienhinaus muss die Zusammenarbeit mit der Schwarzmeer-Region und den Kaukasus-Staaten erheblich intensiviertwerden. Das gilt insbesondere für die Ukraine, auchwenn diese es durch überflüssige Machtspiele in derKoalition schwer macht. Ziel muss eine demokratische,rechtsstaatlich gefestigte und wirtschaftlich prosperie-rende Region sein, die als attraktives ZukunftsmodellAusstrahlung auf ihre Nachbarschaft haben wird.
In den letzten Wochen haben die Reaktionen der Länderdes Kaukasus und Zentralasiens gezeigt, dass der Wett-bewerb dort mit Russland um die besseren politischenund wirtschaftlichen Lösungen für uns lohnenswert ist.Fünftens. Die Europäische Union muss jetzt endlichdie vor mehr als einem Jahr beschlossene gemeinsameEnergieaußenpolitik in die Praxis umsetzen. Wir brau-chen eine Strategie dazu, wie wir unsere Energieversor-gung sicherstellen wollen. Russland hat eine gesamt-europäische Energiestrategie; die EU hat sie nicht. Daskönnen wir uns nicht länger leisten.
Wir brauchen eine europäische Energiesicherheitsunion,die bei Versorgungsproblemen eines Mitglieds solida-risch füreinander einsteht. Dazu ist es erforderlich, dassdie Mitgliedstaaten vernetzt sind und gleiche Bevorra-tungsstandards einhalten.In der Energiezusammenarbeit mit Russland solltenoch viel stärker der Grundsatz der Reziprozität gelten.Das westliche Know-how kann dafür von uns als einpolitisches Instrument genutzt werden. Zugleich mussdie EU alles unternehmen, um die Abhängigkeit von rus-sischer Energie zu begrenzen. Nabucco ist eine echteAlternative. Deshalb muss dieses Projekt jetzt auch mitaaksEliwsjwwigssKddsugEWdDu–wddRstMDStth
Russland sei „aus der Kälte zurückkehrt“, hat Präsi-ent Medwedew kürzlich in seiner Berliner Rede gesagt.er Wandel begann erst vor rund 20 Jahren mit Glasnostnd Perestroika. Der Zusammenbruch der Sowjetuniondas sollten wir unseren russischen Partnern immerieder sagen – war für Russland keine Tragödie, son-ern die historische Chance für einen Neubeginn aufem Weg zu einem demokratischen und modernen Staat.ussland sollte diese Chance nicht verspielen, und wirollten Russland in unserem eigenen Interesse dabei un-erstützen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion Die Linke spricht nun die Kollegin
onika Knoche.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Herren undamen! Ich komme zuerst auf Georgien zu sprechen.taatspräsident Saakaschwili hat den Krieg in Südosse-ien begonnen. Er hat unter dem Schutz der USA eine in-ernationale Krise heraufbeschworen, in deren Zentrumeute bedenkliche neue antirussische Reflexe stehen.
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Monika KnocheEs ist offenkundig, dass die NATO-Expansionsstrate-gie für die georgische Primäraggression ursächlich ist.Militärische Aufrüstung und jetzt Wiederaufrüstungdurch den Westen sowie das Versprechen der Aufnahmein die NATO waren das zentrale Motiv für SaakaschwilisAngriff auf russische Friedenstruppen und gegen die ei-gene Bevölkerung. Diese Wahrheit sei hier noch einmalausgesprochen, gerade weil verantwortungsblinde Politi-ker eine neue Ära des Kalten Krieges herbeiredenwollen. Deutschland muss an gutnachbarschaftlicherKooperation mit Russland arbeiten und darf den neokon-servativen Kreisen, die auf Konflikt und Konfrontationmit Russland setzen, nicht nachgeben.
Das gilt für die Raketenabwehrbasis und für das Radar-abwehrsystem in Osteuropa.
Dem Kriegsauslöser Georgien die NATO-Mitgliedschaftzu versprechen, den NATO-Rat damit zu befassen, Russ-land durch die Ausweitung der NATO auf die Ukraineweiter einzukreisen und der Umstand, dass die Ukrainekriegstauglicher gemacht wird, das kann nur als nach-trägliche Belohnung für den kriegsauslösenden Überfallverstanden werden, um das einmal klar zu sagen.
Von Russland wird das als Brüskierung aufgefasst.Diese Auffassung kann man teilen oder auch nicht. Je-denfalls muss jeder verantwortlich handelnde Politikerund jede verantwortlich handelnde Politikerin das in dieeigene Politik einbeziehen. Wer das nicht tut, will be-wusst provozieren und mit dem Feuer spielen. Ich plä-diere für hochverantwortungsvolle Politik gegenüberRussland. Deshalb sage ich: Weder die Ukraine nochGeorgien dürfen in die NATO aufgenommen werden.Das würde den Frieden nicht sicherer machen.
Es liegt nicht im deutschen Interesse und dient nichtder europäischen Friedens- und Sicherheitspolitik, wennKonfrontation und nicht Entspannungspolitik und Ab-rüstung die Ostpolitik kennzeichnen. Gerade wenn esum die Energiesicherheit geht – das macht den Kaukasusund die Transitwege des kaspischen Öls so bedeutsam –,können militärische Macht und militärisch gestützte Zu-griffsbefugnisse der NATO nicht die friedenssicherndenAntworten auf die Ressourcenfrage sein.Deutschland hat gut daran getan, im aktuellen Kauka-sus-Konflikt gemeinsam mit Sarkozy einen Weg der Ob-jektivierung zur Lösung der Krise zu beschreiten. AlleFakten dieses Krieges müssen auf den Tisch. Dazu istdie OSZE befähigt. Sie muss aber auch gestärkt werden.Gerade weil sich die NATO immer mehr in europäischeFragen hineindrängt, muss Deutschlands Aufgabe darinbestehen, die UN und die OSZE zu stärken. SicherheituAEEzNvwTbDAWiWgFdRShzraPdphMGimZwgt
s gilt, dem NATO-Weltordnungsanspruch eine Absageu erteilen.Russland muss aber auch deutlich kritisiert werden.icht der militärische Gegenschlag in Südossetien warölkerrechtswidrig,
ohl aber die Bombardierung georgischer Städte und dieruppenpräsenz in Georgien. Völkerrechtswidrig ist undleibt die Anerkennung Südossetiens und Abchasiens.
ass Moskau hierfür die ebenfalls völkerrechtswidrigenerkennung des Kosovo durch über 40 Staaten derelt, maßgeblich des Westens, als Referenz heranzieht,st in der Tat unlauter.
ahr ist aber auch: Hätten Deutschland, andere EU-Mit-liedsstaaten und die USA den Völkerrechtsbruch imalle des Kosovo nicht begangen, gäbe es den Präze-enzfall nicht. Dann wäre ihre harte Position gegenüberussland zumindest glaubwürdig.
Niemand, der für die Anerkennung des Kosovo daschleifen des Völkerrechts in Kauf genommen hat, kanneute mit dem moralischen Zeigefinger auf Russlandeigen. Das Unverzeihliche daran ist, dass das Völker-echt und die UN die wahren Verlierer sind. Dazu hatuch der Westen beigetragen. Die Linke hat als einzigeartei vor dem Präzedenzfall Kosovo gewarnt und aufie eingefrorenen Territorialkonflikte, zum Beispiel imostsowjetischen Raum, hingewiesen. Es schmerzt sehr,ier recht behalten zu haben, sind es doch Tausendeenschen, die aus Südossetien fliehen mussten, die demrauen des Krieges ausgesetzt waren, die ihr Zuhause,hre Familien oder gar ihr Leben verloren haben.Alle politischen Anstrengungen müssen jetzt in einemünden: Zurück zum Völkerrecht um des friedlichenusammenlebens der Völker willen.Als Völkerrechtspartei sieht die Linke mit Sorge,
ie das Gewaltmonopol der UN immer häufiger umgan-en wird. Die EU soll entsprechend dem Lissabon-Ver-rag aufgerüstet werden, um ohne UN-Mandat weltweit
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Monika KnocheRessourcensicherung betreiben und exterritorial präven-tiv tätig werden zu können.
– Was regt Sie eigentlich auf? Ich habe hier in diesemParlament ganz klar unsere Position zum Kosovo vorge-tragen. Wir klagen vor dem Verfassungsgericht gegendie Präsenz deutscher Soldaten im Kosovo. Was habenSie an der Position, die ich hier vertrete, auszusetzen?Ich kritisiere Russland für völkerrechtswidriges Han-deln. Sie haben gar keine Grundlage für eine Argumen-tation gegen Russland, weil primär Sie und auch dieFDP mit der Anerkennung Kroatiens unter Genscher be-gonnen haben, den Nationalismus in Europa wieder sa-lonfähig zu machen. Bleiben wir doch bei den Fakten!
– Um ihn davon abzuhalten und ihn zu bitten, die UN-Truppen ins Land zu lassen. Bitte, bleiben Sie bei derhistorischen Wahrheit!Es wird Ihnen nicht gelingen, die Linke hier zu dis-kreditieren. Wir haben eine stringente Position, und dievertreten wir in jeder Sache. Wir sind nicht des einenFreund und des anderen Feind. Wir haben eine sehr neu-trale und objektive Haltung gegenüber Russland.
Ich komme zu einem anderen wichtigen Thema, dasuns und die deutsche Bevölkerung sehr beschäftigt. Esist das verhängnisvolle Wort – es wurde unter rot-grünerRegierung gesprochen – von der bedingungslosen Soli-darität mit den USA, als es darum ging, Deutschland ineinen Krieg nach Afghanistan zu schicken. Der Einsatzder OEF wird vom deutschen KSK unterstützt. Er warvon Anfang an von keinem UN-Sicherheitsratsbeschlussgedeckt. Immer lauter wird gefordert, dass der ISAF-Einsatz der NATO mit dem OEF-Einsatz zusammenge-legt wird. Das bedeutet in der Tat nichts anderes als eineAusweitung des Krieges.Dieser Krieg gegen den Terror bringt eines hervor:Terror und Tod. Nach sieben Jahren sehen wir an der täg-lich wachsenden Zahl der Anschläge, wie verheerend dieSicherheitslage ist und wie stark der Fundamentalismuswächst. Die NATO schließt Allianzen mit lokalenKriegsherren. Drogenbarone haben ungebremste Machtund Einfluss und halten die Bauern unter ihrer Knute.Die Regierung ist korrupt, die Hilfsgelder versickern indunklen Kanälen oder gehen gleich an die Geberländerzurück.
Es herrschen Hunger und eine Müttersterblichkeit un-vorstellbaren Ausmaßes, Schulen stehen leer, Mädchenwerden verkauft, Bin Laden ist nicht gefasst. Ich könntedie Aufzählung weiterführen.DismuAcdeuDNnNuNsddtzdEsgFKnnkwtCudz
as ist die verheerende Bilanz von sieben Jahren Kriegn Afghanistan. Das ist nicht unser Krieg. Das ist der fal-che Krieg. Krieg ist das falsche Mittel. Mit Krieg kannan Terror nicht bekämpfen. Deshalb sagen wir heutemso deutlicher: Deutsche Soldaten müssen heraus ausfghanistan!
Wenn Sie jetzt weitere 1 000 Soldaten dort hinschi-ken wollen,
ann heißt das nicht anderes, als dass wir immer tiefer ininen Krieg der NATO verstrickt werden, wobei es auchm die NATO-Präsenz in Zentralasien geht.
as soll hier niemand schönreden. Bei der Präsenz derATO, die ja angeblich nicht scheitern darf, geht es garicht um Afghanistan, sondern um den Einfluss derATO im erdölreichen Raum Zentralasien. Wir müssenns damit befassen, dass sich Deutschland in eineATO-Strategie begeben hat, sich von US-amerikani-chen Interessen nicht emanzipiert und nicht den frie-enssichernden Weg geht, sondern der Militarisierungas Wort redet. Diese Ausrichtung deutscher Außenpoli-ik im Rahmen der NATO und der transatlantischen Be-iehungen lehnen wir ab. Wenn der nächste US-Präsi-ent gewählt sein wird, werden wir sehen, dass er mehrngagement in Afghanistan fordern wird. Dann will ichehen, ob Sie noch das Rückgrat haben, das zu verwei-ern.
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin für die
raktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebeollegin Knoche, wenn man etwas für sich in Anspruchimmt, muss man immer aufpassen, dass man es anderenicht abspricht. Wenn Sie sagen, die Linke sei die Völ-errechtspartei, ist das die gleiche arrogante Anmaßung,ie sie die CSU gerade pflegt, wenn sie in Bayern plaka-iert: „Bayern wählen“. Es gibt Bayern, die wählen nichtSU,
nd es gibt in diesem Hohen Hause viele Mitglieder an-erer Parteien, die sich nachdrücklich und ausdrücklichum Völkerrecht bekennen.
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Jürgen Trittin
Gelegentlich hat man sogar aus den Reihen der Re-gierungsparteien die Warnung gehört: Wenn der Kanz-lerkandidat der SPD, der Außenminister, und die Kanz-lerin in einen Wettkampf treten, dann kann dabei keinegemeinsame Außenpolitik herauskommen. – So habe je-denfalls ich Herrn von Klaeden verstanden. In einemPunkt muss man ihm widersprechen: Gelegentlich sindsich beide einig. Sie waren sich zum Beispiel einig, alses um den US-Indien-Atomdeal ging. Sie haben einPferd, das totgeritten war und schon über dem Zaunhing, vom Zaun heruntergenommen und durch das Zielgetragen. Alle Welt wartete auf das Ende der Bush-Ad-ministration. Aber was machte Deutschland in derNuclear Suppliers Group? Deutschland, das derzeit denVorsitz hat, hat nicht etwa ein Veto eingelegt, sonderndie Länder, die dagegen waren, zum Beispiel Irland undNorwegen, massiv unter Druck gesetzt
und diesen Deal durchgewunken.
Die Behauptung, dies sei ein Mehr an Kontrolle beider Rüstungsverbreitung, ist falsch. Lieber Frank-WalterSteinmeier, überlegen Sie einmal, was es bedeutenwürde, wenn der Iran erklärte: Zwei Drittel unseresNuklearbestandes lassen wir euch kontrollieren, aber dasletzte Drittel dürft ihr euch nicht ansehen.
Das entspräche der Vereinbarung, die Sie mit Indien ge-troffen haben. Sie beliefern Indien nun mit Atommate-rial und Uran. Das ist kein Gewinn, sondern ein Verlustan Rüstungskontrolle. Das ist ein Anschlag auf alle Be-mühungen für mehr Rüstungskontrolle. Aus diesemGrunde kritisieren wir das.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Polenz?
Bitte.
Herr Trittin, ist Ihnen bekannt, dass der Generaldirek-
tor der Internationalen Atomenergie-Organisation, al-
Baradei, den USA-Indien-Deal im Hinblick auf die Stär-
kung des NVV als Fortschritt bewertet, und wie erklären
Sie diesen Widerspruch zu Ihren Aussagen?
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ass Indien aber weiterhin die Gelegenheit hat, be-timmte Teile dieses Programms der Kontrolle zu entzie-en, indem zivile zu militärischen Bestandteilen erklärterden, wodurch die Kontrolle ins Leere läuft, bestreitetuch al-Baradei nicht.Die Alternative zu dem von Ihrer Regierung abgeseg-eten Deal liegt auf der Hand. Indien hatte bei der nukle-ren Stromproduktion einen akuten Versorgungsengpassnd war darauf angewiesen, mit Uran beliefert zu wer-en. Sie haben es versäumt, das auszunutzen. Deswegenst und bleibt das, was Sie getan haben, im Hinblick aufas Abrüstungsregime ein Rückschritt. Hier hat dieroße Koalition einen großen Fehler gemacht.
Gelegentlich kann man den Eindruck haben – hierebe ich Herrn von Klaeden recht –, als gäbe es nichtine deutsche Außenpolitik, sondern mehrere deutscheußenpolitiken. Die eine ist für den Dalai-Lama, der an-ere für die chinesische Regierung zuständig. Was Sy-ien angeht, so streitet der Außenminister für eine Öff-ung, und die CDU/CSU kritisiert ihn dafür. Ich würdeie gerne fragen: Wie ist eigentlich die Position deregierung zur Stationierung weiterer US-Raketen in Eu-opa? Auch in dieser Frage hat die Regierung keine kon-istente und einheitliche Position.Als wäre diese Dissonanz zwischen der Kanzlerinnd dem Vizekanzler noch nicht genug, gibt es auchoch Streitigkeiten zwischen den Koalitionsparteien,eilweise sogar innerhalb der Koalitionsparteien. Ich er-nnere mich noch gut daran, was los war, als es um dasnselige, im Geiste Carl Schmitts geschriebene Strate-iepapier der CDU/CSU zur Sicherheitspolitik ging. Dertaatsminister hat vernichtende Kritik an diesem Papiereübt. Fairerweise muss ich an dieser Stelle aber sagen,ass ihm der Kollege Polenz dafür wohl im Hintergrundnd still Beifall zollte.Ein anderes Beispiel sind die unterschiedlichen Posi-ionen von Herrn von Klaeden und Herrn Schockenhoff.err von Klaeden ist einer derjenigen, die McCains Vor-chläge hinsichtlich einer Allianz der Demokraten undines Ausschlusses Russlands im Zweifelsfall zumindesterständlich finden, während der Russlandversteherchockenhoff hier und heute eine Rede gehalten hat, zuer ich sagen muss: Im Vergleich dazu waren die Bemer-ungen des Kollegen Gysi geradezu russlandkritisch.
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Jürgen TrittinIch glaube, diese konzeptionellen Widersprüche ma-chen Sie als Große Koalition auch an einem anderenPunkt außerordentlich schlecht handlungsfähig, und zwarwenn es um elementare Interessen der BundesrepublikDeutschland geht und diese Interessen gegebenenfallsim Konflikt mit anderen und insbesondere im Konfliktmit den Vereinigten Staaten diskutiert, durchgestandenund vertreten werden müssen. Dann nützt es nichts, nachObelix’schem Vorbild das eine oder andere Wildschweingemeinsam zu verspeisen. Es war doch keine Bagatelle,die zu dem Widerspruch zwischen der BundesrepublikDeutschland und Frankreich auf der einen und den USAauf der anderen Seite geführt hat. Vielmehr war es einestrategisch unterschiedliche Vorstellung darüber, wieman in einer multipolar gewordenen Welt künftig für Si-cherheit sorgen soll, ob über ideologisch motivierteKriege gegen den Terrorismus oder über den Aufbaumultilateraler Strukturen und Systeme gegenseitiger Si-cherheit. Das war der Konflikt, den wir um und mit demIrakkrieg ausgetragen haben.Schauen wir uns einmal die Konflikte an, die in die-sen Tagen bis vor unsere Haustür ausgetragen werden.Ich gebe dem Außenminister recht, dass es eine großeLeistung der Europäischen Union gewesen ist, diesenKonflikt beendet zu haben. Wir sind vollkommen damiteinverstanden, wie sie dabei agiert hat. Das eigentlicheProblem begann aber nicht mit dem Ausbruch der Feind-seligkeiten; das eigentliche Problem dieses Konflikts be-gann vorher.
Wie konnte es eigentlich passieren, dass wir als Euro-päer zugelassen haben, dass direkt vor unserer Haustür– sozusagen im eigenen Patio – ein Kampf um Einfluss-sphären stattfindet, anstatt des Aufbaus einer Nachbar-schaft und verlässlicher Strukturen gemeinsamer Sicher-heit?
– Wenn Sie das Wort „Patio“ nicht verstehen, dann kannich das auch auf Deutsch übersetzen, liebe Kollegen.Patio heißt Innenhof.
Das Problem bleibt aber doch: Wollen wir als Euro-päer tatsächlich zulassen, dass ein Streit über Einfluss-sphären zu unseren Lasten in der Form ausgetragenwird, wie es im Konflikt zwischen Russland undGeorgien passiert ist? Welche Signale setzen wir darauf-hin? Setzen wir das Signal, wie es de Hoop Scheffer die-ser Tage getan hat, dass derjenige, der einen Krieg ange-fangen oder zumindest provoziert hat, anschließenddafür auch noch belohnt wird, oder verabschieden wiruns endlich von einer Politik der Einflusssphären undkommen zurück zu den gemeinsamen Grundüberlegun-gen des Hauses Europa und einer gegenseitigen Sicher-heit? Das ist doch die Herausforderung.EursnnDSdsPnSdandamrswdAusttlfLrSbeStdbtU
Es gibt weitere Beispiele der Konfliktunfähigkeit.ine Agenda des vorsätzlichen Regimesturzes im Irannd der Versuch, mit diesem Regime zu einer Vereinba-ung zu kommen, gehen nicht zusammen. Man mussich entscheiden und gegenüber solchen Hardlinern, dieicht eine Verhinderung des Atomprogramms, aber ei-en Regimewechsel betreiben wollen, Klartext reden.Ich glaube, über Afghanistan werden wir noch vieleebatten führen. Lieber Frank-Walter Steinmeier, wennie für einen Strategiewechsel in Afghanistan eintreten,ann frage ich Sie, was denn gerade in Pakistan pas-iert. In Pakistan wird nicht die Strategie gewechselt; inakistan bauen die USA jene Strategie aus, die in Afgha-istan spektakulär gescheitert ist. Das ist das Problem.ie können doch nicht sagen: Kritisiert uns doch nichtafür, was andere tun! – Die USA operieren dort nichtlleine. Es handelt sich, liebe Völkerrechtspartei, um ei-en durch die Vereinten Nationen mandatierten Einsatzer NATO. Ein NATO-Mitglied wiederholt in Pakistanlle Fehler, die es im Vietnamkrieg schon einmal ge-acht hat, und Sie sagen: Das geht uns nichts an. Da-über müssen wir uns nicht auseinandersetzen. – Ichage: Das geht uns sehr viel an,
eil davon abhängt, ob die Ziele, die der Sicherheitsratieser Koalition vorgeschrieben hat, zum Beispiel derufbau stabiler Verhältnisse in Afghanistan, tatsächlichmgesetzt werden. Deswegen kann und darf eine deut-che Regierung zu dem in Pakistan durch die USA prak-izierten Völkerrechtsbruch nicht schweigen. Hierauchen Sie regelmäßig ab. Das ist der große und grund-egende Fehler Ihrer Außenpolitik.
Nächster Redner ist nun der Kollege Walter Kolbow
ür die SPD-Fraktion.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin!ieber Herr Kollege Trittin, neben nicht wenigen ande-en hier im Raum habe auch ich den Eindruck, dass auchie schon im Wahlkampf sind und deswegen natürlichesonders auf das Gaspedal drücken. Das ist erlaubt, unds ist eine Freude, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen.ie kennen Koalitionsverträge und die Abläufe in Koali-ionen, und Sie wissen genau, dass sich diese Koalition,ieser Außenminister und diese Frau Bundeskanzlerinei der Außenvertretung unserer nationalen und der in-ernationalen Interessen nicht übertreffen lassen.
Wir haben das Abkommen zwischen Indien und denSA über die nuklearen Entwicklungen intensiv stu-
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Walter Kolbowdiert. Auch wir haben natürlich Bedenken, aber ich sageIhnen, dass ein Kompromiss, wonach 75 Prozent derNukleartätigkeit der Kontrolle unterzogen werden, bes-ser ist als das blanke Chaos ohne Kontrolle.
Wir haben erreicht, was möglich war. Dieses Themamuss aber weiterhin auf der Agenda stehen. Internatio-nal muss darum gerungen werden, dass der Atomtest-stoppvertrag wieder zu dem Maßstab gemacht wird, derer sein soll und muss, um international zu vertretbarenund gerechten Verhältnissen für diejenigen zu kommen,die ihn unterzeichnet haben. Wir müssen zudem auf die-jenigen einwirken, die ihn noch nicht unterzeichnet ha-ben, für die es aber höchste Zeit wird.
Im Übrigen ist es auch wichtig – das sage ich in Rich-tung des verehrten Koalitionspartners –, unsere Positio-nen im Inland, also bei uns, gemeinsam zu vertreten undkeinen halben Außenminister, wie gestern das Handels-blatt titelte, zuzulassen. Herr Kollege zu Guttenberg, Siesind ja gleich an der Reihe und können dazu auch einmaletwas sagen; denn ich bin immer dafür, am Ort der Aus-einandersetzung Ross und Reiter zu nennen und sichnicht über diese in der Tat auch wichtigen Blätter einzu-lassen. Kehren Sie also zurück zu einer vernünftigen Ge-meinsamkeit; die Sache verdient es, und der Außen-minister allemal.
Herr Außenminister, ich gratuliere Ihnen im Übrigenzu den strategischen Linien. In der SPD-Fraktion, in Ih-rer Fraktion, finden Sie personell und inhaltlich einenResonanzboden. Ich gehe davon aus, dass die verantwor-tungsbewussten Fraktionen hier im Deutschen Bundestag– alle außer einer, versteht sich – bereit sind, sich mit Ih-nen einzulassen und mit uns darüber zu diskutieren, wiedas von den Kollegen Hoyer, Trittin und Schockenhoffgerade verantwortungsbewusst getan wurde. Ein Streitlohnt sich allemal, aber es muss ein Ergebnis heraus-kommen, das Deutschland nützt und durch das die in-haltlichen Werte und Interessen der Außenpolitik reprä-sentiert werden.
Ich stimme den Rednerinnen und Rednern zu, die ge-sagt haben, dass wir sehr betrübt sein müssen, dass esüberhaupt zu der Georgienkrise gekommen ist. Obwohldie Hängepartie seit 1992 bestand, waren wir nicht in derLage, Stabilität zu entwickeln, sodass die Ereignisse andiesem 8. August 2008 hätten vermieden werden kön-nen. Das muss uns ernsthaft beschäftigen. Bei allem Loban die Europäische Union: Wir müssen zu einer interna-tionalen Behandlung des Konflikts kommen. Die Kon-ferenz, die für den 15. Oktober 2008 in Genf vorgesehenist, muss so vorbereitet werden – möglicherweise müs-sen auch Nachfolgekonferenzen stattfinden –, dass überdie Internationalisierung eine regionale Stabilität er-reicht wird, die mit der Friedensfähigkeit der BeteiligtenvddügcogfszD–sswlLddKwdsgsMjVMtKwMlAM–F
Die SPD-Bundestagsfraktion – ich gehe davon aus,ass dies auch für andere gilt – wird Delegationen iniese, aber auch in andere Länder schicken, die in dieseonflikte eingewoben und davon betroffen sind. Wirollen auch nach Schweden fahren. Ich hoffe nicht,ass Carl Bildt seine eigene Agenda über die politischetellt. Es ist schon interessant, zu sehen, dass sich dortegen die Ostseepipeline Gegner formiert haben, die mitolchen Konflikten in Zusammenhang gebracht werden.anchmal denke ich, das beste NATO-Mitglied für die-enigen, die dort ihre Interessen verfolgen, nämlich dieereinigten Staaten von Amerika, ist das Nicht-NATO-itglied Schweden. Auch dies müssen wir aufzuarbei-en versuchen.Der Beitrag Deutschlands auf dieser internationalenonferenz mit dem Außenminister und der Kanzlerinird zeigen, dass wir stabil genug sind, die Sache in denittelpunkt zu stellen und den Wahlkampf hintanzustel-en. Die Zeit bis zur Wahl wird eh immer kürzer. Juli,ugust und September geht es richtig los. Franzüntefering ist gerade mitten unter uns.
Ich will in der verbleibenden Zeit darauf hinweisengleich wird mich Kollege Weisskirchen für die SPD-raktion bewährt ergänzen –, dass wir über das Afgha-
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)Walter Kolbownistan-Mandat – darin stimme ich Kollegen Trittin zu –noch sehr viel diskutieren müssen. Diese Arbeit müssenwir auf der Grundlage leisten, dass das, was wir bishergetan haben, richtig ist. Dieses Mandat muss natürlichaufgrund unserer Erfahrungen modifiziert werden.Wichtig ist, dass wir die Afghaninnen und Afghanennicht alleinlassen können. All das, was auf afghanischerSeite von Autoritäten und Zuständigkeiten bei der Koor-dinierung, aber auch auf internationaler Ebene an Feh-lern gemacht worden ist, muss aufgearbeitet werden.Wir müssen schauen, was andere bisher falsch gemachthaben, und ihnen in geeigneter Weise sagen, wie wir ver-hindern können, dass Menschen bei diesen schlimmen,aber manchmal notwendigen Auseinandersetzungen zuSchaden kommen. Wir werden die Debatten um Afgha-nistan inhaltlich zu führen haben, und zwar konstruktivund mit dem Willen, in der internationalen Gemeinschaftunsere Rolle zu spielen und das Problem einer Lösungzuzuführen.Ich danke.
Für die FDP-Fraktion spricht nun der Kollege Jürgen
Koppelin.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Zunächst einmal finde ich es sehr erfreulich, dass es inder heutigen Diskussion zum Einzelplan 05 eine sehrgroße Übereinstimmung der Fraktionen der Sozialdemo-kraten, von Bündnis 90/Die Grünen, Union und auch derFDP in der Außenpolitik gibt.
Das halte ich nicht nur für die Arbeit des Bundesaußen-ministers, sondern auch für das Auswärtige Amt undseine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für wichtig.Erlauben Sie mir an dieser Stelle eine ganz persönli-che Bemerkung. Ich habe bewusst die Linken nicht miteingeschlossen, obwohl ich weiß, dass der eine oder an-dere sich gerne an dem Konsens beteiligen würde. Ichbin froh darüber, dass ich in meiner Fraktion immer dieMöglichkeit gehabt habe, zu begründen, warum ich nichtfür den Afghanistan-Einsatz bin. Wir tauschen die Ar-gumente aus. Aber so, wie Sie argumentieren, KolleginKnoche – das muss ich leider feststellen –, schämt mansich fast, so abgestimmt zu haben. Ich sage Ihnen ganzoffen: So geht es nicht. Ich habe immer Respekt vor den-jenigen gehabt, die zu einer anderen Entscheidung ge-kommen sind, weil ich davon überzeugt bin, dass es inder Frage des Afghanistan-Einsatzes kein Schwarz-Weißgibt. Insofern fand ich Ihren Beitrag ausgesprochenpeinlich. Ich weiß, dass andere dies besser könnten. IhreFraktion sollte sich überlegen, ob Sie bei solchen The-men noch einmal ans Rednerpult geschickt werden.b1–IwsbwnudSumGkbsemdfdawMkBdADnwsdkvhüeksn–MBdsetd
Unsere Botschaften und Generalkonsulate – wir ha-en weltweit 148 Botschaften, 53 Generalkonsulate und5 Konsulate – arbeiten hervorragend. Trotzdem istdas liegt zum Teil daran, was in der Vergangenheit inhrem Amt gelaufen ist, Herr Bundesaußenminister; ichill an dieser Stelle nur andeuten, dass dafür ein Staats-ekretär zuständig war, der jetzt woanders Dienst tut –ei den Botschaften Personal abgebaut worden, auselchen Gründen auch immer. Ich könnte sie Ihnen nen-en. Es kann nicht angehen, dass in unseren Botschaftennd Konsulaten fast mehr Ortskräfte beschäftigt sind alseutsche Mitarbeiter.Ich will ein weiteres Beispiel nennen. Wir alle lobenie dafür, dass Sie sich sehr für die auswärtige Kultur-nd Bildungspolitik engagieren. Auch das wurde schonehrfach angesprochen, zum Beispiel von der Kolleginriefahn im Zusammenhang mit dem Etat des Bundes-anzleramts. Ihr Engagement ist zu begrüßen. Aber ha-en Sie auch die kleinen Botschaften vor Augen? Weroll sich denn in diesen kleinen Botschaften, von denens viele gibt, bei einer so knappen personellen Besetzungit der auswärtigen Kulturpolitik befassen? Sie würdeniese Aufgabe unglaublich gerne wahrnehmen, aber esehlt an notwendigem Personal. Insofern wäre ich sehrankbar, wenn Sie bei dem, was Sie erreichen wollen,uch das im Blick hätten. Sie sollten sich fragen, ob das,as Sie wollen, auch umgesetzt werden kann oder ob dieitarbeiter das in ihrem Tagesablauf gar nicht schaffenönnen.
Ich nenne ein anderes Beispiel. Ich bitte Sie, Herrundesaußenminister, bei den kommenden Beratungener Frage nachzugehen, ob das noch akzeptabel ist. Imuswärtigen Amt gibt es 150 Stellen im einfachenienst, deren Besoldung beschämend ist. Ich wäre Ih-en sehr dankbar, wenn in Ihrem Haus überlegt würde,as in diesem Bereich geändert werden kann. Die Be-chäftigten sind genauso engagiert wie alle anderen. Iniesem Bereich muss dringend etwas geschehen. Dasann nicht so bleiben.Ich nenne noch einen anderen Bereich. Wir habeniele Botschaften aus den 50er- und 60er-Jahren, und wiraben viele Liegenschaften aus der ehemaligen DDRbernommen. Hierfür müssen unglaublich schnellnorme Mittel eingesetzt werden. Außerdem muss ge-lärt werden, wie wir uns in diesem Bereich engagierenollen, ob weiter gemietet werden soll, ob die Häuser re-ovierungsbedürftig sind, ob sie gekauft werden sollen.Ich bitte Sie sehr herzlich, Herr Bundesaußenminister vielleicht haben Sie trotz Ihres vollen Programms dieöglichkeit dazu –, ein ernsthaftes Gespräch mit Ihrerauabteilung zu führen. Vieles geht nicht an. Ich willas an einem Beispiel verdeutlichen. In einem asiati-chen Land gibt es eine kleine Botschaft mit einem Feu-rlöschteich, der aus Sicherheitsgründen dringend erwei-ert werden müsste. Was meinen Sie, wie viele Leute auser Bauabteilung schon erschienen sind, um sich diesen
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Jürgen Koppelinkleinen Löschteich anzusehen? Es darf doch nicht wahrsein, dass so viele Leute damit beschäftigt sind. Manmuss doch nur ein paar tausend Euro einsetzen, damitdie Erweiterung finanziert werden kann.Die Beispiele ließen sich fortsetzen. Es gibt Bürokra-tie noch und noch, leider auch in Ihrem Hause. Daswerfe ich Ihnen nicht vor, aber ich will Sie darauf hin-weisen. Vielleicht können Sie einen Staatssekretär be-auftragen, sich um diese Fragen zu kümmern.Für wichtig halte ich vor allem, dass wir uns mit derBesoldung unserer Mitarbeiter in den Botschaften befas-sen. Gerade dann, wenn sich die Konjunktur gut entwi-ckelt, stehen wir in Konkurrenz zur Wirtschaft. Wir wol-len schließlich nach wie vor gute Leute bekommen.Hier können Sie mit unserem Engagement rechnen.Wenn wir gute Leute haben wollen, dann müssen wir sieauch angemessen bezahlen. Die Berichterstatter zumEinzelplan 05 sind gerne bereit, in den AuswärtigenAusschuss – Herr Kollege Polenz ist heute anwesend –zu kommen. Ich bitte aber um eine gute Zusammenarbeitund darum, uns nicht zu lange warten zu lassen.Wir sind bereit, zusammen mit Ihnen und dem Aus-wärtigen Ausschuss alles für die Angehörigen des Aus-wärtigen Dienstes herauszuholen, was geht. Nach wievor bin ich der Auffassung, dass der Etat des Auswärti-gen Amtes im Vergleich zum Gesamtetat viel zu klein ist.Seine großen Aufgaben spiegeln sich nicht im Etat wider.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Freiherr zuGuttenberg für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Trittin, es ist eine Freude, von Ihnen so lie-bevoll bemuttert zu werden. Sie befassen sich offenbarmehr mit einzelnen Halbsätzen und Äußerungen ausmeiner Partei als mit dem außenpolitischen Wirrwarr inIhrer eigenen Partei. Davon haben wir in Ihrer leider nurwenige Minuten dauernden Rede wenig gehört. Aber daswäre durchaus darstellbar gewesen. Vor dem Hinter-grund des Hinterhofs kann man sagen: viel Patio, aberwenig Ratio in Ihren Äußerungen.
Ich komme zu einem weiteren Thema, mit dem wiruns dieser Tage befassen. Vielleicht sollte man Ihre hüb-sche Pferdemetapher, die Sie für den amerikanisch-indi-schen Nukleardeal benutzt haben, weiterdenken. EinePartei, der eigentlich etwas am Tierschutzgedanken gele-gen ist, sollte auch ein Interesse an der Wiederbelebungeines halb toten Gauls haben. Dieser Anspruch sollteund kann erhoben werden. Die Alternative wäre imZweifelsfall – damit müsste man sich dann ernsthaft aus-eWfgHwrIustzkedfWttGbwdpgrktsAcMddcDmglduZhAvhddowi
ch beziehe in meinen Dank auch die Helfer im zivilennd im militärischen Bereich ein, die im Ausland einge-etzt sind und dort die Interessen unseres Landes vertre-en und das Geltendmachen des Völkerrechts unterstüt-en. Auch sie verdienen unseren Dank.Im Hinblick auf das Auswärtige Amt – dort wird erst-lassige Arbeit geleistet – sollten wir alle den Anspruchrheben, die Traditionslinie aufrechtzuerhalten, wonachie Geeignetsten und die Besten für diesen Bereich zuinden sind. Diese Tradition sollte fortgeführt werden.ir sollten – das ist sowohl eine Aufgabe der Parlamen-arier als auch der Bundesregierung – den Dienst wei-erhin so attraktiv gestalten, dass man auch dieeeignetsten bekommt. Hierfür müssen natürlich Mittelereitgestellt werden – ich greife hier auf das zurück,as Herr Koppelin gesagt hat –, und zwar nicht nur füren Dienst hier in Berlin, sondern auch für die Auslands-osten. Dieser Aufgabe haben wir uns alle zu stellen. Ichlaube, wir könnten hier noch etwas mehr Kraft investie-en. Es darf nicht passieren, dass der Auswärtige Diensteine Attraktivität mehr entfaltet. Ich glaube, er ist wei-erhin attraktiv. Aber er bedarf der entsprechenden Aus-tattung.
Ein weiterer auch in meinen Augen sehr wichtigerspekt, den Sie, Herr Bundesaußenminister, angespro-hen haben und den auch die Bundeskanzlerin heuteorgen glücklicherweise dargestellt hat, ist die Stärkunger auswärtigen Kulturpolitik. Das ist kein Orchi-eenthema, sondern ein Thema, das als gesellschaftli-her Brückenkopf weltweit unseren Interessen und derurchsetzung gewisser kultureller Werte, die für uns im-er eine Rolle spielen, dient. Hier ist der Abwärtstrendestoppt worden. In den letzten beiden Jahren ist eineeichte Aufwärtsbewegung erkennbar. Aber auch hierarf noch mehr geschehen. Das sollten wir noch weiternterfüttern.Diese Punkte und die Herausforderungen unserereit, vor denen wir stehen, sowie die großen Linien, dieeute angesprochen wurden, bedürfen weiterhin einerußenpolitik – Herr Kolbow, nun komme ich zu demon Ihnen angesprochenen Punkt; ich winde mich nichteraus –, die eine engstmögliche Abstimmung zwischenen unterschiedlichen Planeten im Sonnensystem Bun-esregierung gewährleistet; das ist richtig. Den einender anderen parlamentarischen Meteoriteneinschlagerden sie schon aushalten, aber eine enge Abstimmungst weiterhin entscheidend. Ich habe relativ wenig Sorge,
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Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenbergdass es allen Protagonisten in der ihnen eigenen sportli-chen Eleganz auch in der derzeitigen Phase gelingt, denSpagat zwischen gelegentlich notwendigem innenpoliti-schen Gemurmel und außenpolitischer Verantwortungdarzustellen.
Für das Gemurmel sorgen dann auch wir immer wiederzuverlässig. Aber das sollte einer gewissen Gelassenheitin dieser Frage nicht entgegenstehen.Die nächsten zwölf Monate erfordern unabgelenkteAufmerksamkeit. Deswegen ist es aus unserer Sicht, si-cherlich aber auch aus Ihrer, Herr Außenminister, sowichtig, dass die Konzentration im Wesentlichen aufdem außenpolitischen Geschehen bleibt. Keiner von unshat ein Interesse an einer Ausweitung der Konfliktsze-narien, die heute schon angesprochen wurden, sei es derKaukasus, sei es der Nahe Osten, sei es Afghanistan, seies – hoffentlich nicht wiederkehrend – auf dem Balkan,sei es in Teilen Afrikas oder sei es – das ist nicht nur eineFußnote wert – in leider wieder vergessenen TeilenAsiens. Im Hinblick auf Asien haben wir uns in diesemJahr mit einem Bereich beschäftigt, der im Grunde schonwieder gänzlich aus dem Blickwinkel verschwunden ist.Dafür brauchen wir weiterhin eine starke, vernehm-bare Stimme im manchmal doch – das wird sich leidernie ganz verhindern lassen – polyphonen europäischenKonzert, gerade auch gegenüber dem einen oder anderenzu Hyperaktivität neigenden Nachbarn in Europa. Dawird unsere Stimme von hohem Gewicht sein. Das giltgerade vor dem Hintergrund weiterhin schwelender klei-nerer, aber manchmal auch größerer Friktionspotenziale,die von näheren und ferneren Partnern gerne für ihre In-teressen in Anspruch genommen werden. Die Bundes-republik Deutschland, aber auch Europa sollte diesen In-teressen keinen Vorschub leisten.Wenn wir als starke und vernehmbare Stimme gehörtwerden wollen, müssen wir in der Lage sein, zusammen-zuführen. In diesem Zusammenhang sollte der Umstandhervorgehoben werden, dass es dieser Bundesregierunggelungen ist, die Kontinuitätslinie wieder herzustellen,keine Exklusivpartnerschaften oder Ähnliches zu bildenund das Zusammenführen in Europa und darüber hinausin den Mittelpunkt zu stellen. Das hat uns durchaus zurStärke gereicht und ist Ausdruck der gelungenen Außen-politik der letzten drei Jahre. Das unterscheidet dieseauch von der Außenpolitik der Vorgängerregierung.
Wir werden weiterhin eine Außenpolitik brauchen,die das oft zitierte Wechselspiel zwischen Interessenund Werten in eine verantwortungsvolle und darstell-bare Balance bringt. Herr Bundesaußenminister, Siesprachen von der Ausbalancierung der neuen Kräfte imglobalen Geschehen. Darin muss sich aber auch die Ba-lance der beiden genannten Faktoren passgenau einfü-gen. Von daher ist es sicher richtig, dass in den vergan-genen Jahren oftmals klar formulierte Interessen auchvon Ihnen, Herr Bundesaußenminister, dargestellt wur-den. Aber wir können durchaus auch stolz sein auf denvwarspEwDdAstAjhfnsetrdlwuasepdbktgmcgarmwdgswuIngI
Es erwächst eine Vielzahl neuer Herausforderun-en. Viele sind genannt worden. Dazu gehören der Kli-awandel und die Demografie, dazu zählt die Ressour-enversorgung. Wir sollten die Frage des Wassers nichtänzlich ausklammern. Diese Frage befindet sich kaumuf unserem Schirm, wenn wir über Konfliktszenarieneden. Dazu gehören auch die Sicherheit unserer Kom-unikationsnetze und andere Dinge. Insgesamt müssenir die eine oder andere konzeptionelle Lücke schließen,ie wir noch sehen. Wir haben bislang tatsächlich – daebe ich den Vorrednern recht – keine grundsätzlichetrategische Neubewertung Pakistans. Lateinamerikaürde noch etwas mehr Aufmerksamkeit nach richtigennd wichtigen Reisen vertragen. Ähnliches gilt für denran. Hier sind wir in einer kreativen Stagnation, aberoch nicht furchtbar viel weiter.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es gibt Auf-aben über Aufgaben, die nicht in den Bereich dernnenpolitik fallen, aber die uns, die wir in der Außen-
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Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenbergpolitik tätig sein dürfen, in den nächsten Monaten be-schäftigen werden. Diese Felder erfordern unsere ganzeKonzentration. Ich bin sicher, dass es uns allen gelingenwird, diese Konzentration aufzubringen, Ihnen, HerrBundesaußenminister, mit der Ihnen eigenen Kraft ganzbestimmt. In diesem Sinne stehen wir nicht vor einemschlechten Jahr, sondern vor einem, das uns fordernwird.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist nun der Kollege Michael Leutert
für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Beim Lesen des Haushaltsplanes dieses Jahres ging mirein Gedanke nicht mehr aus dem Kopf, und zwar dasneue Motto der Koalitionsfraktionen: Ja, wir brechen,was wir versprechen. – Das können Sie gerne als Slogannächstes Jahr im Wahlkampf verwenden. Es ist traurig,aber wahr. Am Ende der Wahlperiode muss festgestelltwerden, dass die schwarz-rote Regierung nicht nur dieHoffnung der Bürger bitter enttäuscht hat, sondern nochnicht einmal ihren eigenen Ansprüchen gerecht werdenkonnte. Sie können gerne einen Blick in den Koalitions-vertrag werfen. Dort steht schon in der Präambel:CDU, CSU und SPD treten dafür ein, dass Deutsch-land darauf dringt, Konflikte friedlich zu lösen.Weiter im Hauptteil heißt es:Gemeinsam ... setzen wir uns auch künftig für Frie-den, Demokratie und Freiheit in der Welt ein.Weiterhin werden die Stärkung der Abrüstung und Rüs-tungskontrolle genannt. Auch heißt es – das wurde heuteschon mehrmals angesprochen –:Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist diedritte Säule der deutschen Außenpolitik.Das liest sich fast wie ein Flyer auf einer Linken-Demo.Im Gegensatz zu uns Linken hatten Sie in den letztenJahren sowohl die Macht als auch das Geld, dies in Tatenumzusetzen.Wenn man dagegen die Fakten betrachtet, ist die Bi-lanz ernüchternd. In den vier Jahren, seitdem Schwarz-Rot regiert, haben wir über 30 Milliarden Euro mehr anAusgaben zu verzeichnen, die natürlich der Bürger überseine Steuern aufbringt.
– Entschuldigung, natürlich auch die Bürgerinnen! – Da-von wurden rund 150 Millionen Euro innerhalb von vierJsMMstdldpsllSKnhHiehdewßlinfnGhnZvsFd–0MmhÜmugww
Von wirklich nachhaltiger und verantwortungsvollerriedens- und Präventionspolitik ist keine Spur zu fin-en.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache, oder nicht?,5 Prozent gegenüber 20 Prozent im Verteidigungsetat. –it diesen 33 Milliarden Euro hätte man wesentlichehr erreichen können, wenn man nachhaltig investiertätte, zum Beispiel in den Kampf gegen Aids, in dieberwindung des Hungers, in die Überwindung der Ar-ut, in den Klimaschutz, in Demokratisierungsprojektesw. usf. Hätte man diese Projekte ambitioniert in An-riff genommen, dann hätte man außenpolitisch höchst-ahrscheinlich mehr Effekte erzielen können als das,as in Afghanistan derzeit zu verzeichnen ist.
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Michael LeutertNichtsdestotrotz haben Sie ein Versprechen sicherlichgehalten. Im Koalitionsvertrag steht nämlich auch: „Wirwerden mutig sparen ...“ Gespart haben Sie natürlich,aber, wie wir eben gesehen haben, an den falschen Stel-len, an Stellen, an denen eh nichts mehr zu holen ist, undnicht an Stellen investiert, durch deren Unterstützung dieWelt friedlicher und sicherer gemacht wird. Dort warenSie sehr zögerlich. Beim Verteidigungsminister habenSie dagegen kräftig draufgelegt. Damit haben Sie letzt-endlich nicht nur Ihre Wahlversprechen gebrochen, son-dern auch Ihren eigenen Koalitionsvertrag. Ich bin sehrgespannt, wie Sie das nächstes Jahr Ihren Wählerinnenund Wählern erklären möchten. Der neue Slogan derKoalition „Wir brechen, was wir versprechen“ hat sehrwohl seine Berechtigung. Viele Menschen werden Ihnenallerdings nicht mehr Glauben schenken. Ich freue michschon jetzt sehr auf die Haushaltsverhandlungen in dernächsten Legislaturperiode. Ich bin mir relativ sicher:Die Linke wird hier dann in doppelter Mannschafts-stärke vertreten sein.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Kerstin Müller fürdie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr ge-ehrter Herr Kollege Leutert, ich möchte noch etwas zuIhrem Beitrag sagen. Wenn ich mich richtig erinnere, ge-hören die Beiträge an die Vereinten Nationen übrigensauch zum Einzelplan, den wir hier beraten. Diese Bei-träge als „Militarisierung der deutschen Außenpolitik“zu bezeichnen, ist, finde ich, für eine Völkerrechtsparteischon ziemlich danebengegriffen.
Ich hätte noch ein paar andere Stellen – zivile Konflikt-prävention und Ähnliches – nehmen können.Ich möchte mich in meinem Beitrag auf Afghanistankonzentrieren. Wenn es hier um die Grundlinien derdeutschen Außenpolitik geht, dann ist das ein Thema,das wir nicht nur im Zusammenhang mit der Mandats-verlängerung diskutieren sollten. Die eher schlechtenNachrichten häufen sich in letzter Zeit. Im Zeitraumvom 6. bis zum 31. August kam es auch im deutschenVerantwortungsbereich, im Norden, zu Anschlägen. Esgab zwei IED-Anschläge und ein Selbstmordattentat aufPatrouillen der deutschen Soldaten, bei dem ein Soldatstarb, sowie den schrecklichen Vorfall an einem Check-point, bei dem eine Frau und zwei Kinder ums Leben ka-men.Das zeigt: Die Sicherheitslage in Afghanistan, auchim Norden des Landes, verschärft sich. Ich glaube, dagibt es nichts zu beschönigen. Liebe Frau KolleginKSfAuuErg–dadetsDdnnkabgfrmvendaasGtedswcnmttBsi
nd damit diesen Tod junger Soldaten dazu benutzen,m in der Bevölkerung weiter Stimmung gegen dieseninsatz zu machen. Ich finde es unerträglich, das ausge-echnet immer an dieser Stelle zu tun.Auch wenn es eine Verschärfung der Sicherheitslageibt, ist es falsch und unverantwortlich, zu behauptenauch das will ich hier sehr klar sagen –, deutsche Sol-aten würden im Norden Krieg führen. Jeder, der sichus vermeintlich noch so guten Gründen in der Art anieser Debatte beteiligt – das sind nicht nur die Linken;s gibt auch andere in der Gesellschaft, die das tun –,rägt meiner Meinung nach nicht zur Aufklärung bei,ondern erweist der ganzen Sache einen Bärendienst.as war jedenfalls ganz klar das Ergebnis einer Reise,ie der Herr Kollege Nachtwei und ich im August unter-ommen haben.Die Bundeswehr führt im Norden nach wie vor kei-en Krieg gegen Aufständische – aggressive Gegnerbe-ämpfung, Terroristenjagd, das findet im deutschen Ver-ntwortungsbereich unter ISAF nicht statt –, sondern sieemüht sich um Gewalteindämmung und leistet, übri-ens immer häufiger, schlicht Sicherheitsunterstützungür die afghanische Armee, die ANA.Allerdings – das will ich an die Adresse der Bundes-egierung sagen – geht die verschärfte Sicherheitslageit einer extrem schlechten Stimmungslage in der Be-ölkerung einher – das will ich von unserer Reise hierinmal zur Kenntnis geben; das muss man sehr ernstehmen –, einer schlechten Stimmungslage gegenüberer Regierung Karzai und damit verbunden zunehmenduch gegenüber der internationalen Gemeinschaft. Vonnfänglicher Aufbaueuphorie ist also nichts mehr zupüren. Der Vorwurf „massive Korruption“ ist in jedemespräch ein Thema, ebenso der Vorwurf „Kollabora-ion mit den Warlords“. Auch wird beklagt, dass kaumtwas von den Aufbaumitteln vor Ort ankommt.Deshalb sage ich an uns alle und aus der Sicht einer,ie den Einsatz deutscher Soldaten im Grundsatz unter-tützt und will, dass er erfolgreich wird, sehr klar: Wennir angesichts der Dynamik von sich verschärfender Si-herheitslage und sich verschlechternder Stimmungslageicht endlich einen Kurswechsel einleiten, dann – das isteine ganz große Befürchtung – wird dieser Afghanis-an-Einsatz scheitern.
Deshalb ist es meiner Meinung nach – um es vorsich-ig zu formulieren – nicht klug, dass die Antwort derundesregierung, etwa mit dem letzte Woche beschlos-enen Afghanistan-Konzept, ein schlichtes „Weiter so“st.
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Kerstin Müller
Meiner Meinung nach fährt man damit den Einsatz vordie Wand.Herr Außenminister, Sie haben auf der Geberkonfe-renz im Juni in Paris noch einmal klar gesagt, ein „Wei-ter so“ dürfe es in Afghanistan nicht geben.
– Doch. An den meisten Stellen gibt es das. Deshalb willich erneut sagen, was unserer Meinung nach „Kurswech-sel“ bedeutet.Gestern haben die UN noch einmal erklärt: Es gabnoch nie so viele zivile Opfer wie im August, und ich er-innere an den Vorfall in Schindand, wo 90 Zivilisten, da-von 60 Kinder durch Luftangriffe starben. Sie sagen, derStrategiewechsel habe stattgefunden. Ich kann Ihnenvon unserer Reise nur berichten: Dieser Strategiewech-sel hat am Boden nicht stattgefunden.
Ich finde es falsch, zu sagen: Wir dürfen anderennicht vorhalten, was sie in ihrem Einsatzbereich viel-leicht falsch oder anders machen. – Glauben Sie nicht,dass die Afghanen im Norden oder im Westen oder inKabul nicht ganz genau beobachten, was im Süden undim Osten passiert? In jedem Gespräch bekommen Siegenannt, was wieder passiert ist, dass es zivile Opfer ge-geben hat. Deshalb glaube ich, dass es ganz entschei-dend ist, den Kurswechsel, der innerhalb der NATO viel-leicht diskutiert wurde, aber im Süden und im Osten voneinigen Partnern offensichtlich nicht umgesetzt wird,vorzunehmen. Diesen Kurswechsel müssen Sie von denanderen Partnern in der internationalen Gemeinschaftdringend einfordern.
Der zweite Punkt beim Kurswechsel ist, dass der zi-vile Aufbau endlich Priorität bekommen und ins Zen-trum des Unterstützungsmandats von ISAF gestellt wer-den muss. Nur erwähnen möchte ich – wir werden es imRahmen der Diskussion des Mandats noch ausführlicherdarlegen –: Wenn wir zu einer sich selbst tragenden Si-cherheit kommen wollen, dann muss der Aufbau von Ar-mee und Polizei ins Zentrum. Armee, das ist eine rela-tive Erfolgsgeschichte – das bekommt man überall zuhören –; die Polizei, das ist immer noch ein Desaster.Wir haben Interesse daran, dass die Polizei in Afghanis-tan aufgebaut wird. Die EUPOL-Mission ist immer nochnicht auf der richtigen Schiene. Wir sind massiv dafür,dass das bilaterale Polizeiprojekt, das gut, aber immernoch zu klein ist, ganz intensiv ausgebaut wird. Das istentscheidend, wenn es in naher Zukuft um eine Exit-Strategie gehen und wenn dieser Einsatz erfolgreich seinsoll.
Nächster Redner ist der Kollege Gert Weisskirchen
für die SPD-Fraktion.
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Lieber Kollege Weisskirchen, wir sind ja als Obleute
zusammen unterwegs gewesen und haben versucht,
diese Krisenregion zu bereisen. Sie haben eben davon
gesprochen, dass Politik kein Abenteuerspielplatz sei.
Ich frage Sie, ob Sie damit darauf abgestellt haben, dass
die Saakaschwili-Regierung möglicherweise – wir wis-
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Ja, ja.Hinzuzufügen wäre allerdings, dass aufgrund des Be-ichts der OSZE – ich denke, Sie können ihn sicherlichekommen –, in dem chronologisch festgehalten ist, waseschehen ist, durchaus die Frage berechtigt ist, inwie-eit Saakaschwili eine bestimmte Situation – Sie habenieses Verhalten als „möglicherweise eine Dummheit“eschrieben – ausgenutzt hat. Das mag so sein. Ichürde sagen, lasst uns das sorgfältig prüfen und dann zuinem Ergebnis kommen.Das Dritte, was ich sagen will: Sie fragten nachedwedews fünf Prinzipien. Wenn Sie sich diese fünfrinzipien genau anschauen, werden Sie feststellen, dasss einen inneren Widerspruch zwischen den ersten dreind den letzten beiden Prinzipien gibt.
ch finde, dass es jetzt unserer Seite obliegt, im Gesprächit Moskau präzise darüber zu debattieren. Nummerins besagt: Internationales Recht hat immer Vorrang.ie ist das mit dem fünften Prinzip in Übereinstimmungu bringen, nach dem es, wenn Sie so wollen, so etwas
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18700 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Gert Weisskirchen
wie eine nachbarschaftsorientierte Einflusspolitik gebendarf? Darüber müssen wir mit Moskau debattieren, da-mit uns klar wird: Was will Moskau eigentlich künftig?In Punkt drei der Prinzipien von Medwedew heißt es,Russland will eine konstruktive, nicht konfrontativeRolle im multipolaren System der Welt spielen. Daspasst alles nicht zusammen und ist, denke ich, eine guteGelegenheit, uns mit Moskau darüber zu unterhalten:Was wollt ihr? Welche Rolle wollt ihr künftig spielen,und welche Möglichkeiten haben wir als EU undDeutschland, zu beeinflussen, dass Moskau zurückkehrtzur politischen Rationalität, die wir alle in Europa brau-chen?
Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenndas gestattet ist, noch auf einen bestimmten Punkt hin-weisen, der mir am Herzen liegt; denn der Konflikt imsüdlichen Kaukasus ist möglicherweise – jemand hat dasvorhin angesprochen – nicht das Ende einer Konflikt-situation und bestimmter Prozesse, sondern der Anfang.Liebe Kollegin Beck, Sie wissen so gut wie ich: Man-che von uns haben analytisch noch gar nicht verstanden,wo der innere Konflikt wirklich liegt. Er liegt darin be-gründet, dass das Stalin’sche System der Herrschaft mitTerritorium, Nationalität, Grenzen und hierarchischerRolle der Russen zusammenhängt. Das war ein teufli-sches hierarchisches System, das er erfunden hat.
– Vorsicht, Frau Beck! Das sind alles „longues durées“,lange Linien der Geschichte, die jetzt wieder zum Vor-schein kommen.
– Entschuldigung, das ist ein Begriff aus der französi-schen Geschichtswissenschaft; es sind die langen Linien,die der Außenminister hier vorhin beschrieben hat.
– Die langen Linien, Herr Kollege Kauder! Für Schlan-genlinien sind andere zuständig, nicht der Außenminis-ter.
Ein zentraler Punkt ist, dass das geschichtliche Erbe,wenn Sie so wollen, des Stalin’schen Missverständnissesvon Ethnien, Territorien und Nationalität in Russlandnoch nicht aufgearbeitet ist. Es kommt darauf an, alleszu tun, dass nicht unter ganz bestimmten Bedingungengenau diese Gefahrenmomente wieder hervorkommen,hervorgezogen werden, und so in Russland ein neues fal-sches außenpolitisches Verständnis erzeugt wird. Wennes uns gelingt, in den Debatten mit Russland deutlich zumachen, dass Russland eine Chance hat, sich selbst in-nerlich zu modernisieren, wenn es die Partnerschaft mitdPRdCDAndmMeüszdDuphssgsiwreBskwdDwdkütsuuüOAk
Nun hat das Wort die Kollegin Erika Steinbach für die
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie Debatte über den Einzelplan 05 des Auswärtigenmtes hat deutlich gemacht – ich fand, sie war auf ei-em sehr hohen Niveau; wir sind ja fast am Ende –, dassie Bundesregierung eine abgewogene Außenpolitikacht, dass Kanzlerin und Bundesaußenminister mitaß und Mitte handeln und die Bundesregierung imuropäischen Konzert diejenige Kraft ist, die versucht,berschießende Emotionen wieder einzufangen und un-ere europäische Gesamtpolitik auf dem richtigen Wegeu halten.Zu den Aufgaben unserer Außenpolitik gehört auch,ass wir über Deutschlands Beitrag zur Förderung vonemokratie und Menschenrechten weltweit sprechennd uns darin engagieren, eine wertegebundene Außen-olitik zu betreiben. Wir sollten über Deutschlandsumanitären Beitrag für die Opfer von Notsituationenprechen – seien es nun Naturkatastrophen wie Über-chwemmungen, Erdbeben, Epidemien, seien es die Fol-en von kriegerischen Auseinandersetzungen. Wir wis-en: Menschenrechte und humanitäre Nothilfe sind einntegraler Bestandteil unserer deutschen Außenpolitik.In Gesprächen mit unseren Bürgern vor Ort könnenir feststellen, dass die humanitäre Nothilfe auf einecht hohes Maß an Akzeptanz stößt. Etwas anders – dasrlebe jedenfalls ich immer wieder – sieht es leider imereich der Förderung der Menschenrechte aus. Wirollten uns erst einmal um unsere eigenen Problemeümmern, so ein häufiger Kommentar dazu. Diese Sicht-eise verkennt jedoch – das muss man deutlich machen –,ass die Missstände in anderen Ländern auch uns ineutschland früher oder später einholen werden, wennir uns nicht frühzeitig darum kümmern und versuchen,as Übel an der Wurzel zu packen und die Not zu be-ämpfen, um zu verhindern, dass wir am Ende davonberrollt werden – unabhängig davon, dass wir dies na-ürlich auch aufgrund unseres eigenen Werteverständnis-es weltweit tun.Wenn wir uns den Globus anschauen, dann sehen wirnendlich viele Brennpunkte. Allein die letzten Wochennd Monate sowie die Debatte heute haben gezeigt, woberall es knirscht und es Verwerfungen gibt.China war lange ein Thema für uns. Mit Ende derlympischen Spiele ist es etwas aus dem Fokus geraten.ber ungeachtet aller sportlichen Erfolge muss manonstatieren, dass die Menschenrechtssituation in China
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18701
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Erika Steinbachbei Gott kein Ruhmesblatt ist. Die in- und ausländischenMedien konnten nicht frei berichten. Eine spürbare Ver-besserung der Freiheitsrechte, was der chinesischen Be-völkerung und den Initiatoren der Olympischen Spieleversprochen wurde, hat es am Ende nicht gegeben. EinLand, das sich so wenig um den Schutz der Menschen-rechte kümmert – das sollten wir als ein großes Wirt-schaftsland wissen –, kümmert sich noch viel wenigerum den Schutz der Patentrechte, was für unsere deutscheWirtschaft wichtig ist.Schauen wir nach Afrika. Das Elend der verfolgtenMenschen im Sudan und insbesondere in Darfur ist un-aussprechlich. Ich erinnere an die Flüchtlingsbewegun-gen aus Afrika. In vielen Teilen Afrikas machen sich dieMenschen tagtäglich auf den Weg und kommen an deneuropäischen Küsten an. Die Ausläufer erreichen auchuns hier im Lande.Ein anderes Spielfeld: Nicht nur im Irak, sondernauch im Südosten der Türkei, in einem Land, das Mit-glied der Europäischen Union werden will, gibt es neueFälle von Verfolgungen und Rechtlosigkeit von Chris-ten. So wird das Kloster Mor Gabriel, geistlicher Mittel-punkt der syrisch-orthodoxen Kirche, mit Strafprozessenüberzogen und ist aktuell von Enteignung bedroht. Dazumuss man wissen: Es ist eines der ältesten Klöster. Eswurde 397 nach Christus gebaut. Diese Art des Um-gangs mit Religionsfreiheit ist, wie ich meine, eineSchande für einen EU-Aspiranten, für ein Land, das Mit-glied der Europäischen Union werden will.Schauen wir nach Indien. Jüngst gab es dort Verfol-gungen von Christen durch Hindus. Christen werden beiGewaltaktionen zunehmend zur Zielscheibe. Kirchen,Schulen, Häuser werden angezündet; Priester und Non-nen auf offener Straße ausgezogen und nackt dem Pöbelvorgeworfen. All das ist etwas, was uns nicht kaltlassenkann und nicht kaltlassen darf. Der Erzbischof von Neu-Delhi, Vincent Concessao, hat etwas sehr Richtiges ge-sagt: Fundamentalisten haben keinen Respekt vor denMenschenrechten. Ich sage: Nicht nur vor Christen ha-ben sie keinen Respekt; sie haben auch vor der Würdedes Menschen keinen Respekt.
Das, was wir in Georgien und im Kaukasus gesehenhaben, das Elend des Krieges und die Not der Bevölke-rung bei Flucht und Vertreibung, all das geschieht vorunserer Haustür, auf unserem Kontinent. Wir alle wis-sen, dass dieser Konflikt das Potenzial hat, weitere ethni-sche Konflikte nach sich zu ziehen.Herr Kollege Weisskirchen, ich glaube, dass die For-mulierung „eingefrorene Konflikte“ den Sachverhaltrichtig beschreibt. Die neuen Freiheiten lassen all dasauftauen, was sich über Jahrzehnte angestaut hat. Dahin-ter stecken viele Befindlichkeiten, und zwar sowohl aufder russischen Seite – die Russen fühlen sich in ihrerSeele verletzt, sie fühlen sich entwertet und entmachtet;sie haben das Gefühl, dass ihnen etwas von ihrer Würdegenommen wurde – als auch bei den kaukasischen Völ-ksBcEfwwlttgldvSimgenmkmneWndAdadruKGDwKnHz
In Usbekistan hat die Regierung Anfang des Jahresie Todesstrafe abgeschafft. Es gibt zwar noch immeriele Defizite in diesem Land, das ist aber ein ersterchritt. Auch dies ist ein Zeichen dafür, dass jahrelangernternationaler Druck Wirkung erzeugt hat.Indem man etwas lobt und hervorhebt, kann mananchmal mehr erreichen, als wenn man tadelt. Deswe-en sollten wir uns, so glaube ich, hin und wieder dazuntschließen, solch positive Dinge beim Namen zu nen-en.Ständig wird an uns die Frage gerichtet: Warumischt sich Deutschland überhaupt ein? Diese Frageennt jeder Politiker in diesem Saal aus der eigenen Fa-ilie oder der Nachbarschaft. Die Antwort ist aus-ahmsweise, was in der Politik sehr selten ist, wirklichinfach: Die Menschenrechtsverletzungen auf dieserelt machen nicht vor Deutschlands Haustür halt. In ei-er globalisierten Welt spüren wir alle früher oder späterie Auswirkungen von Konflikten, sei es in Form vonrmutsflüchtlingen, sei es durch Asylbewerber oderurch terroristische Anschläge. Deshalb ist es für unslle zwingend erforderlich, Menschenrechte einzufor-ern und Demokratien zu stabilisieren. Das liegt im Inte-esse der Menschlichkeit und nicht zuletzt in unseremreigenen Interesse.Ich danke Ihnen.
Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort derollegin Marieluise Beck von Bündnis 90/Die Grünen.Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIERÜNEN):Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende dieserebatte möchte ich noch einmal deutlich festhalten, dassir uns bezüglich des Kaukasus-Konflikts darüber imlaren sind, dass eines vollkommen unumstößlich ist,ämlich das Recht der Menschen auf Rückkehr in ihreäuser. Es gibt keine Toleranz gegenüber nationalen Se-essionsbewegungen, die auf künstlich geschaffene, eth-
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Marieluise Beck
nisch homogene Staaten abzielen, die nur existieren kön-nen, weil vorher in massivem Maße Vertreibungstattgefunden hat. Wir müssen uns noch einmal klarma-chen, dass das auch für Abchasien und Südossetien gilt.In Abchasien haben 1989 noch über 500 000 Men-schen gelebt. 95 000 davon waren Abchasen. 400 000 wa-ren Armenier, Russen, Griechen, Georgier, also andereEthnien. In einem Gebiet wie dem Kaukasus mit hundertunterschiedlichen Ethnien besteht keine Chance, Staatenentstehen zu lassen, quasi zu basteln, die nicht multi-ethnisch sind. Das sollten wir hier noch einmal deutlichunterstreichen.Wir werden nicht vergessen, dass alle georgischenDörfer in Südossetien zerstört und niedergebrannt wur-den. Die Menschen können nicht dorthin zurückkehren.Bisher ist das Recht auf Rückkehr von der internationa-len Gemeinschaft nicht verhandelt worden.Ich wünsche mir, dass wir hier sehr deutlich betonen:Die Rückkehr der Flüchtlinge nach Südossetien undAbchasien als auch in die sogenannte Pufferzone ist dasErste, was passieren muss.
Frau Kollegin Steinbach, wollen Sie erwidern?
– Das ist nicht der Fall.
Dann hat das Wort der Kollege Dr. Stephan Eisel von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zumSchluss dieser Debatte noch zum Stichwort „Europapoli-tik“ kommen. Auf dem Stimmzettel des irischen Refe-rendums vom 12. Juni 2008 – ich habe ihn einmal mit-gebracht –
findet sich weder das Wort „Europa“ noch das Wort„Lissabonner Vertrag“. Die gestellte Frage lautete: SindSie einverstanden mit dem Vorschlag, die Verfassung umden im unten genannten Gesetz genannten Zusatz zu er-weitern? – Wer wollte, konnte im Wahllokal dieses28. Verfassungsänderungsgesetz einsehen, ein 18-seiti-ges rechtstechnisches und unverständliches Dokument.So kann man Europa den Bürgern nicht nahebringen.Europas Zukunftsfragen darf man nicht verstecken, son-dern man muss sie offen ansprechen, wenn man die Un-terstützung der Bürger für die europäische Integrationhaben will.
Diese Fragen liegen auf der Hand: Warum soll es mitder europäischen Integration überhaupt weitergehen?Wie kann Europa demokratischer werden? Wo liegen dieGwKZesdRüad7shsnNrnwdEtdlagPhskdrdDühsSrdVt
Auch die EU-Erweiterungspolitik muss vom Kopfuf die Füße gestellt werden. Die sogenannten Kopenha-ener Kriterien legen fest – ich zitiere mit Erlaubnis desräsidenten –:Als Voraussetzung für die Mitgliedschaft muss derBeitrittskandidat eine institutionelle Stabilität alsGarantie für demokratische und rechtsstaatlicheOrdnung, für die Wahrung der Menschenrechte so-wie die Achtung und den Schutz von Minderheitenverwirklicht haben; …Es ist nach meiner Meinung nicht richtig, Beitrittsver-andlungen mit Ländern aufzunehmen, die diese Voraus-etzungen nicht erfüllen. Beitrittsverhandlungen sindein pädagogischer Prozess, um die Voraussetzungen füren Beitritt zu erreichen, sondern verhandelt wird da-über, wie der Beitritt mit den Ländern organisiert wird,ie diese Voraussetzungen erreicht haben.
eswegen sehen wir heute, dass die aus meiner Sichtbereilte Aufnahme von Rumänien und Bulgarien unsinterher Probleme macht. Herr Außenminister, ichtehe auch verfrühten Beitrittsofferten, zum Beispiel anerbien, skeptisch gegenüber.Es gibt eine andere Unehrlichkeit in der Erweite-ungspolitik, die angesprochen werden muss. Ich plä-iere dafür, dass wir diese Frage enttabuisieren. Im EU-ertrag heißt es:Jeder europäische Staat … kann beantragen, Mit-glied der Union zu werden.Die geografische Komponente ist also ein Beitrittskri-erium und muss endlich enttabuisiert werden. Geogra-
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Dr. Stephan Eiselfisch nicht zu Europa zu gehören, ist keine Diskriminie-rung. Das gilt auch für die Türkei. Wer nicht auf demeuropäischen Kontinent liegt, hat keinen Anspruch aufMitgliedschaft in der Europäischen Union, sehr wohlaber auf freundschaftliche Nachbarschaft und bei glei-chem Wertefundament auch auf privilegierte Partner-schaft.
In diametralem Gegensatz zu dieser freundlichenNachbarschaft steht die völkerrechtswidrige russischeMilitärintervention in Georgien. Man kann durchausKritik an der georgischen Regierung üben. Aber nichtsan ihrem Verhalten rechtfertigt, dass russische Truppenin Georgien einmarschiert sind.
Es war wichtig, dass die EU darauf einheitlich re-agiert hat. Wir sollten wirklich besorgt sein, welche Mo-tivation hinter diesem Schritt der russischen Regierungstand. An dieser Stelle möchte ich in Erinnerung rufen,was Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nationam 25. April 2005 gesagt hat – ich zitiere –:Der Zusammenbruch der Sowjetunion war geopoli-tisch die größte Katastrophe des 20. Jahrhunderts.Was ist das eigentlich für ein Geschichtsbild? In diesemJahrhundert sind andere Katastrophen geschehen. DerZusammenbruch der Sowjetunion war gar keine Kata-strophe, sondern eröffnete die Chance auf Freiheit undDemokratie, die Michail Gorbatschow und Boris Jelzinergriffen haben. Ich bedaure sehr, dass die innere Ent-wicklung Russlands nun wieder hin zu mehr Autokratiegeht.Wir Deutsche sollten die Sorgen der Nachbarn Russ-lands ernst nehmen und dürfen ihre Erfahrungen nichtgeringachten. Wenn es darum geht, wie man innerhalbder Europäischen Union mit diesem Thema umgeht, istwichtig, dass sich die Europäische Union einig ist. Aller-dings muss man immer das Ziel im Blick haben, wofürdiese Einigkeit besteht. Wir müssen das Gewicht derEuropäischen Union für Demokratie und Achtung desVölkerrechts in der Welt einsetzen. Wenn wir uns nichtauch nach außen für die Werte, die bei uns im Innerngelten, einsetzen, dann relativieren wir ihre Bindungs-kraft auch in unseren Gesellschaften.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegennicht vor.Wir kommen jetzt zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums der Verteidigung, Einzelplan 14.Als erster Redner hat der Bundesminister Dr. FranzJosef Jung das Wort.gHduGhBeddmSDdaunfdmBiDüwdumkbuUDrtfwlrzirdd7wtbg
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Ich will ein Weiteres hinzufügen: Wir haben mit demasernensanierungsprogramm West, wie ich finde,inen entscheidenden Schritt hin zur Verbesserung dernterkunftssituation für unsere Soldatinnen und Solda-en getan. In den beiden Jahren 2008 und 2009 werdenir immerhin rund 300 Millionen Euro investieren. Wiraben 900 Bauprojekte in Angriff genommen. Ichenke, dass auch dies ein wichtiger Punkt ist. Wir müs-en auch die sozialen Rahmenbedingungen so gestalten,ass wir, wenn wir von den Soldatinnen und Soldateninsatzfähigkeit und Leistungsfähigkeit verlangen, ih-en auch eine adäquate Unterkunftsmöglichkeit zur Ver-ügung stellen können. Deshalb ist es notwendig, diesesasernensanierungsprogramm West weiterhin zu forcie-en und umzusetzen.
Ich kann das fortführen: Ein ganz wichtiger Punktar die Umsetzung des Einsatz-Weiterverwendungsge-etzes.
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Bundesminister Dr. Franz Josef JungNoch in dieser Legislaturperiode wird das Ehrenmalrealisiert. Ich denke, dass es richtig und notwendig ist,dass denjenigen, die im Einsatz für die Bundeswehr ihrLeben lassen mussten, ein würdiges und ehrendes An-denken gewahrt wird. Deshalb werden wir in dieser Le-gislaturperiode das Ehrenmal errichten. Ich denke, auchdamit leisten wir einen wichtigen Beitrag, um denjeni-gen, die im Einsatz für unsere Sicherheit ihr Leben ge-lassen haben, auch in Zukunft ein ehrendes und würdi-gendes Andenken bewahren zu können.
Mit Blick auf die Uhr möchte ich nur noch schlag-wortartig sagen: Wir setzen das Programm Familie undDienst um und beschäftigen uns weiterhin mit demThema Kinderbetreuung. Mittlerweile tun 15 000 Solda-tinnen innerhalb der Bundeswehr ihren Dienst. Auchdieses Thema ist weiter voranzutreiben. Dies bedarf na-türlich auch einer finanziellen Unterstützung.Die Ausstattung mit dem entsprechenden Ausrüs-tungsmaterial ist ein wichtiger Punkt – auch unter denAspekten Erhaltung der wehrtechnischen Industrie undder Arbeitsplätze in Deutschland. Wir erhöhen die Inves-titionen weiter und versuchen, den Personalanteil weiterzu reduzieren. Wir liegen jetzt bei 39 Prozent, womitwir, so glaube ich, in die richtige Richtung gehen.Zusammengefasst denke ich, dass die Bundeswehrmit diesem Haushalt die finanzielle Grundlage erhält,die sie braucht, um ihren Beitrag für Sicherheit, Friedenund Freiheit im Interesse unserer Bürgerinnen und Bür-ger in der Bundesrepublik Deutschland auch weiterhinleisten zu können.Haben Sie recht herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Elke Hoff von der
FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Mit dem Haushalt, über dessen Entwurf wir heute debat-tieren, wird eine Legislaturperiode beendet, die von sehrgroßen und sehr schwierigen Herausforderungen andie Bundeswehr geprägt ist: Auf der einen Seite sind dieAuslandseinsätze der Bundeswehr zur größten Heraus-forderung geworden, und auf der anderen Seite stellt dermarode Zustand der Infrastruktur hier zu Hause eineDauerbelastung für den Haushalt dar, der der Ministeraufgrund der vorgelegten Zahlen auch mit seiner Ankün-digung, sich diesem Thema jetzt besonders zu widmen,leider nicht wirksam begegnen kann. Auch die Nach-wuchsgewinnung der Bundeswehr wird zu einem politi-schen Dauerbrenner.Sehr geehrter Herr Minister, leider ist Ihre Bilanz derbisherigen Amtszeit eher nüchtern. Das vielgeprieseneWmSdGthdBsAlswAdsarSmIdrzrwgszsfwEs1zndg8FdsrbdddfanBak
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Es ist jetzt endlich an der Zeit, damit aufzuhören, dieParlamentarier und die Steuerzahler für dumm zu ver-kaufen. Verträge sind keine Einbahnstraße. Vor allemsind sie dazu da, von beiden Seiten eingehalten zu wer-den. Dies gilt auch für die Industrie. Herr Minister, ichbin gespannt, wie Sie auf das Schreiben von HerrnGallois reagieren werden. Sie haben sich dazu in derPresse sehr dezidiert geäußert. Ich denke, wir alle wer-den Sie dabei unterstützen, diesen Weg einzuhalten,Kurs zu halten und die berechtigten Interessen des deut-schen Steuerzahlers bei der Abwicklung und Erfüllungvon Verträgen durchzusetzen.
Nutzen Sie wenigstens das letzte Jahr Ihrer Amtszeitfür eine nachhaltige Korrektur Ihrer Haushaltspolitikzum Nutzen der Bundeswehr und vor allen Dingen auchzum Nutzen unserer Steuerzahlerinnen und Steuerzah-ler!Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Johannes Kahrs von
der SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Kameraden!
– Wer gedient hat, darf auch so reden.AwnwuWeGwwbd„–khDsJndsFhMkWdddwBVvveRdtTbandDagstma
Aber wenn man sie selber mitbeschlossen hat, dannann man sie jetzt nicht bemängeln. Werden Sie nichtektisch! Seien Sie einfach ruhig, und hören Sie zu!ann können Sie etwas lernen.Des Weiteren haben Sie angesprochen, dass es an ge-chützten Fahrzeugen fehlt. Wir haben in den letztenahren sehr viele geschützte Fahrzeuge gekauft. Ich erin-ere nur an die Dingos, die wir in regelmäßigen Abstän-en beschaffen. Beim Fuchs haben wir einige Nachbes-erungen vorgenommen, damit auch dieses vorzüglicheahrzeug entsprechend zum Einsatz kommen kann. Wiraben 25 Eagle bestellt. Weitere werden folgen.Ich glaube, im Großen und Ganzen ist das, was derinister gesagt hat, richtig: Die Opposition kann immerritisieren, aber sie muss auch ein bisschen bei derahrheit bleiben; sonst wird es langweilig.Wir haben im Zuge der Haushaltskonsolidierung mitiesem Haushalt einen anständigen Stand erreicht. Mitem Aufwuchs von 1,53 Milliarden Euro können wir fürie Soldaten vieles vorantreiben, was wichtig und not-endig ist. Man darf nicht vergessen, dass wir keineundeswehr haben, mit der wir sozusagen den Großenaterländischen Krieg erwarten; die Bundeswehr istielmehr zu einer Einsatzarmee geworden. Das machtiele Veränderungen nötig. Dies ist nicht immer ganzinfach. Im Bereich Material wurde schon viel getan.udolf Scharping, Peter Struck und Herr Jung setzeniese Kette fort. Das läuft nicht immer optimal. Da Ver-räge einzuhalten sind, sind auch Kompromisse nötig.rotzdem glaube ich, dass wir für die Bundeswehr dasestmögliche Material zum Einsatz gebracht haben. Einusreichender Schutz ist nämlich das Wichtigste.Bei all der Begeisterung für das Gerät darf man abericht vergessen, dass dieses Gerät von Menschen be-ient wird, um die man sich kümmern muss, damit derienst attraktiv bleibt. Der Wehrbeauftragte, der heutenwesend ist, hat das immer wieder angemahnt. Ichlaube, dass man das nicht zu gering schätzen darf. Un-ere Soldaten im Einsatz sind oft genug auch Diploma-en, Polizisten, Aufbauhelfer und vieles mehr. Dafüruss man sie ausrüsten und motivieren. Man muss sieber auch entsprechend bezahlen.
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Johannes KahrsWir brauchen intelligente, körperlich belastbareFrauen und Männer, die es nicht an jeder Ecke gibt. DieSituation auf dem Arbeitsmarkt ist bekannt.Der Bundeswehr-Verband hat ebenso wie der Reser-vistenverband, dessen Präsident anwesend ist, in ver-dienstvoller Weise darauf hingewiesen, dass wir Gefahrlaufen, in Zukunft nicht mehr ausreichend attraktiv zusein, um den notwendigen Nachwuchs zu gewinnen. Wirmüssen zurzeit zusehen, wie teuer ausgebildete Spezia-listen, Piloten und Ärzte die Bundeswehr verlassen, umin die Privatwirtschaft zu gehen. Das kann und darf unsnicht kaltlassen.Einige fordern Insellösungen für diese betroffenenBerufsgruppen. Das halte ich für falsch. Man darf nichtimmer nur in bestimmten Bereichen nachbessern. Da-durch erhöhen sich die Ungerechtigkeiten im System.Man muss vielmehr zu einer Lösung kommen, von deralle profitieren. Wenn nur 500 oder 1 000 Personen voneiner Insellösung profitieren, dann fühlt sich der Rest derTruppe nicht zu Unrecht ungerecht behandelt. Das wol-len wir nicht. Das kann keine Lösung sein. Stattdessenmüssen wir Strukturveränderungen erreichen. Das ist un-ter Rudolf Scharping geschehen, indem etwa die Besol-dungsstufen A 1 und A 2 als Eingangsbesoldung abge-schafft wurden. Ich glaube, dass auch mit A 3, A 4 undA 5 niemand mehr ernsthaft begeistert werden kann, dersich in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes um-sieht.Hier muss sich das Bundesinnenministerium bewegenund uns entgegenkommen. Dann muss man schauen,was man machen kann. Es kann nicht angehen, dass wirso weitermachen wie bisher. Wir brauchen eine vernünf-tige Gehaltsstruktur. Otto Schily hat bei der Bundespoli-zei gezeigt, wie man das macht. Dort hat man nun einevernünftige Gehaltsstruktur. Wenn wir sie für die Bun-deswehr übernähmen, stünden die Soldaten sehr vielbesser da. Das würde sicherlich mehr Geld kosten. Wennman aber leistungsfähige und motivierte Soldaten habenwill, muss man auch investieren, gerade in die Bezah-lung.
Personalentwicklung und Personalführung sind eineweitere Stellschraube, mit der wir die Attraktivität erhö-hen können. Jeder Soldat muss wissen, welche Chancenund Perspektiven er hat. Wenn die Kameraden mit ihrenPersonalbearbeitern sprechen, wollen sie meistens wis-sen, wie die nächsten drei Stationen ihrer Laufbahn aus-sehen, wo sie eingesetzt werden, ob sie am Standort einHaus bauen und dort ihre Kinder einschulen können undob sie Planungssicherheit haben. Das heißt, der Perso-nalbereich der Bundeswehr muss ein Dienstleistungsap-parat werden. Manchmal hat man das Gefühl, dass Per-sonalbearbeiter immer nur auf ihre Stellenlisten schauen.Wichtig ist aber, dass die Menschen zufrieden undglücklich sind. Planungssicherheit ist ein hohes Gut.Auslandseinsätze verlangen den Soldaten und ihren Fa-milien unendlich viel ab. Daher muss man wenigstensdort für Planungssicherheit kämpfen, wo sie möglich ist.Das kann man hier im Land machen. Wenn die personal-bSsskswwfkbdshgmJwldevwvAnddgdpSöSzpnIlwmUzrnddnwHmeDs
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Genau aus dem Grund lehnt Die Linke diesen Etat ab.Kriegsführungsfähigkeit ist teuer. Nach NATO-Krite-rien geben wir jetzt 33,5 Milliarden Euro dafür aus. Eskann nicht oft genug gesagt werden: Wer hochrüstet, ent-zieht der Wirtschaft und der Gesellschaft Ressourcen,Finanzen und Arbeitskraft. Das sind 33,5 MilliardenEuro, die woanders sinnvoller eingesetzt werden kön-nen.
Wir müssen diese Ausgaben senken, statt sie immer wei-ter nach oben zu treiben.Frieden schaffen mit immer weniger Waffen – das hateinmal ein CDU-Bundeskanzler gesagt.
Aber Sie machen genau das Gegenteil. Die Große Koali-tion hat den Rüstungshaushalt seit 2006 um insgesamt3spDDIdlwdFEnnvaeofcDEzdHlmSd–aufRcPcSEvrnTRmWmk
Ich hänge nicht der naiven Vorstellung an, man könneon einem Tag auf den anderen von einem Topf in dennderen verschieben. Aber es ist trotzdem hilfreich, sichinfach einmal klarzumachen, wo wir Prioritäten setzender wie Prioritäten anders gesetzt werden müssten. Wirordern zum Beispiel, die Kinderbetreuung flächende-kend auszubauen; das fordern andere Fraktionen auch.ie geschätzten Kosten dafür betragen 9 Milliardenuro. Allen Kindern in der Schule eine warme Mahlzeitu ermöglichen, wird mit Kosten in Höhe von 4 Milliar-en Euro veranschlagt. Die Kosten für die Anhebung desartz-IV-Regelsatzes auf 435 Euro werden auf 9 Mil-iarden Euro geschätzt. Diese drei Maßnahmen wärenit der Summe des Wehretats locker zu finanzieren. Undie hätten noch mehr als genug übrig, um die Summe füren zivilen Teil der Afghanistan-Hilfe zu verdreifachen.
Ja, das wäre drin.Ich sage noch einmal, dass ich nicht der Vorstellungnhänge, man könne von einem Tag auf den anderenmschichten. Aber wir müssen doch endlich einmal an-angen, die Prioritäten neu zu setzen und von den hohenüstungsausgaben herunterzukommen.
Ich weiß, dass der Einwand kommen wird, dass Si-herheit ein teures Gut ist. Die Frage ist aber, ob derreis stimmt. Worum geht es denn, wenn heute von Si-herheit die Rede ist? Drei Dinge werden genannt:chutz vor militärischer Gewalt, Sicherung unserernergieversorgung, Schutz der Bürgerinnen und Bürgeror terroristischen Anschlägen.Der erste Punkt führt zu der Frage, ob wir in absehba-er Zeit militärisch bedroht sind. Nein, das sind wiricht, und niemand hier wird das ernsthaft behaupten.rotzdem wurden während des Krieges in der Kaukasus-egion Versuche unternommen, eine solche Wahrneh-ung zu erzeugen. Aber sehen wir die Sache nüchtern.eder die Balten noch die Polen sind durch Russlandilitärisch bedroht. Russland hat heute weder die Fähig-eiten noch im Geringsten die Absicht, diese Länder an-
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Paul Schäfer
zugreifen und zu besetzen. Das gilt für Deutschland erstrecht.Richtig ist allerdings, dass die Russen sich dank Erdölund Erdgas wieder als starke Macht sehen, und sie wol-len den Zustand permanenter Demütigung nicht längerakzeptieren. Es geht jetzt mitnichten darum, sich die In-teressen Moskaus zu eigen zu machen oder sich ihnengar zu unterwerfen. Von uns steht niemand auf derGazprom-Gehaltsliste.
Aber man muss schlicht zur Kenntnis nehmen, dass eu-ropäische Sicherheit nur mit Russland zu haben ist. Inbesseren Zeiten ist gerne von einer strategischen Partner-schaft mit Russland gesprochen worden. Mir würde eineehrliche Partnerschaft schon genügen. Denn dann würdeman darauf verzichten, neue Raketen in Polen zu statio-nieren, dann würde man darauf verzichten, rund umRussland Militärbasen der NATO aufzubauen, und dannwürde man darauf verzichten, die NATO bis nach Zen-tralasien auszudehnen. Dann würde sich auch das Themaneue Angst vor Russland zumindest tendenziell erledi-gen. Grund zur Hochrüstung ist das jedenfalls nicht.
Zum Zweiten: Dass wir es mit wachsenden Ressour-cenkonflikten zu tun haben, spricht sich herum. DerKaukasus und Zentralasien sind dafür Beispiele. Esstimmt, wir haben eine wachsende Konkurrenz um diezur Neige gehenden fossilen Brennstoffe, und es gibt ei-nen Wettlauf um den Zugang zu den sogenannten strate-gischen Rohstoffen. Dieser reicht von der Arktis überden Nahen Osten bis ins südliche Afrika. Aber allein dieVorstellung, man könne Erdölquellen, Pipelines undSchifffahrtsrouten mit militärischer Gewalt dauerhaftabsichern, ist schlicht abwegig. Es geht um ökologischesUmsteuern in der Energiepolitik, um eine gerechtere in-ternationale Wirtschaftspolitik. Es geht also um zivileAntworten auf das Ressourcenproblem, nicht um militä-rische.
Was drittens die Terrorgefahr und den notwendigenSchutz unserer Bürgerinnen und Bürger anbetrifft, so istbei anderen Gelegenheiten hier schon alles gesagt wor-den. Man kann dem Terror nicht mit militärischer Ge-walt und Gegenterror begegnen. Das nährt ihn, statt ihnauszutrocknen. Der siebenjährige Krieg, der Global Waron Terrorism, hat genau dies gezeigt. Dass Gewalteska-lation die falsche Antwort ist, zeigt auch und gerade derSchauplatz Afghanistan. Nach sieben Jahren Krieg wirddie Sicherheitslage immer prekärer. Selbst dem US-Ge-neralstabschef sind jetzt Zweifel am Erfolg der Missiongekommen. Es ist, wie es ist: Die NATO kann diesenasymmetrischen Krieg ebenso wenig gewinnen wie dieTaliban.Es wird eine wirklich neue Strategie gebraucht. Wirbrauchen einen Waffenstillstand, der von den afghani-schen Konfliktparteien selbst ausgehandelt werdenmuss. Da sollten Sie genauer auf die Meinung von circa3msiawTsdwdagdwkDdDwFKwvsZkMndSeSadvr
Die NATO hat nicht nur in Afghanistan gezeigt, dassie das ungeeignete Instrument für eine gedeihliche Frie-ensentwicklung in der Welt ist. Diese Debatte werdenir im nächsten Jahr führen. Ich freue mich darauf, undann wird man sehen, ob es sinnvoll ist, an einer Militär-llianz festzuhalten, die zwei Drittel der Weltmilitäraus-aben bestreitet und die doch, wie sich jetzt gezeigt hat,em alten Freund-Feind-Denken verhaftet bleibt. Wirerden darüber streiten, ob man die NATO nicht durchooperative Sicherheitsstrukturen überwinden muss.as ist die Position der Linken.Zum Schluss: Wir fordern erstens, dass sich die Bun-eswehr auf den Grundgesetzauftrag konzentrieren soll.er Militärinterventionismus Out of Area muss beendeterden.Das bedeutet zweitens, dass dann die neuen U-Boote,regatten und Einsatzgruppenversorger oder auchampfhubschrauber nicht mehr gebraucht werden. Wirerden in diesem Sinne Einsparvorschläge im Umfangon circa 10 Prozent des Wehretats machen. Diese Ein-parungen können für soziale, entwicklungspolitischewecke, für den sozialverträglichen Umbau der Streit-räfte und für die soziale Besserstellung gerade derannschaften und der Unteroffiziere verwendet werden.Drittens braucht die Bundesrepublik keine Hand anuklearen Vernichtungswaffen. Deshalb kann die Torna-ostaffel in Büchel außer Dienst gestellt werden.
Viertens ist die Aufhebung der Wehrpflicht überfällig.
ie greift ohne äußere Not in das Leben junger Männerin – in diesem Fall nur Männer.
ie ist sicherheitspolitisch nicht mehr begründbar.
Fünftens sind die deutschen Truppen aus Afghanistanbzuziehen, und zwar so schnell wie möglich. Es ist iniesem Zusammenhang gut, wenn an diesem Samstagiele Menschen in Berlin und Stuttgart für diese Forde-ung auf die Straße gehen und demonstrieren.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das Wort hat der Kollege Alexander Bonde von der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Eigentlich müssten wir heute bei dieser Debatte sehr in-tensiv über die verschiedenen Fragen, die sich im Zu-sammenhang mit dem Afghanistan-Mandat und dessenVerlängerung stellen, diskutieren. Dass wir es heutenicht tun, ist ein Stück symptomatisch für die Politik, diewir vom Minister und der Bundesregierung in dieserFrage erleben. Wir diskutieren heute nicht über Afgha-nistan, weil Sie entschieden haben, dass das wichtigsteMandat und der wichtigste internationale Einsatz derBundeswehr und die wichtigen Fragen, die sich stellen,nämlich ob der zivile Wiederaufbau im Zentrum stehtund die militärische Strategie richtig gepolt ist odernicht, weniger wichtig sind als die Bitte von zwei Land-tagswahlkämpfern in Bayern, nämlich dem CSU-Vorsit-zenden und dem Ministerpräsidenten.Aus diesem Grund haben Sie diese Debatte heutenicht geführt. Aus diesem Grund wollen Sie diese De-batte nächste Woche nicht führen. Sie wird vielmehr ineiner Sondersitzung nach der Wahl in Bayern geführt.Ich glaube, allein dieser Vorgang macht deutlich, mitwelcher komischen Haltung und mit welchen Trickse-reien diese Bundesregierung und dieser Bundesverteidi-gungsminister in zentralen sicherheitspolitischen Fragenunterwegs sind.
Im Rahmen dieser Debatte reden wir über den letztenHaushalt dieses Verteidigungsministers. Insofern mussman die Bilanz dieser gesamten Amtszeit durchgehen.Der Haushalt der Bundeswehr ist seit 2005 um über3 Milliarden Euro gestiegen. Allein dieses Jahr gibt eseinen ordentlichen Schluck aus der Pulle mit 1,6 Milliar-den Euro mehr. Die Ursprungsbegründung für diese Er-höhung war übrigens, man brauche 1 Milliarde Euro, umdie Tarifsteigerungen einzuarbeiten. Interessanterweisefließen von diesem Aufwuchs jetzt nur knapp mehr als500 Millionen Euro ins Personal. Aber auch das ist einStück weit symptomatisch für diesen Haushalt.Herr Minister, ich will nicht verhehlen, dass Sie in Ih-rer Amtszeit auch Erfolge hatten. Zwei davon werden indie Geschichte sicherlich als die große Legacy IhrerAmtszeit eingehen: Es ist Ihnen zweimal gelungen– beim Ehrenmal und bei der Frage des öffentlichen Ge-löbnisses –, das Grünflächenamt Berlin-Mitte imRechtsstreit zu besiegen. Herzlichen Glückwunsch!
Ich muss offen sagen: In anderen Bereichen suchen wirdiesen Einsatz, diese Reformkraft und auch den Erfolg.Nach wie vor unbeantwortet sind die Fragen: Wiesetzt sich eigentlich der Transformationsprozess derBdnEzkuRBmeWdusaehvlWwsegSLKMwddvhntaszhtAaIsddsdSdrdm
Das sehen wir auch in anderen Bereichen, etwa beier zivilen Krisenprävention. Man stelle sich einmalie Frage: Wie kommt man eigentlich bei der Ressortab-timmung voran? Bei den Einsätzen der Bundeswehr istas nicht das Problem. Wenn man sich anschaut, wieoldatinnen und Soldaten, Vertreterinnen und Vertreteres Auswärtigen Amtes sowie des Entwicklungsministe-iums – bei diesen beiden muss man sagen: wenn sieenn einmal im Einsatzland sind – und NGOs zusam-enarbeiten, dann stellt man fest: Das funktioniert. Aber)
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Alexander Bondein dem Moment, wo es wieder auf die ministerielleEbene geht, sind wir mitten im Kampf der Ministerien.Sie haben auch noch etwas dazu beigetragen, dass dasnicht besser wird. Den Ansatz für strukturelle Krisen-vorsorge, den Sie bisher im Einzelplan hatten und vondem Sie uns immer berichtet haben, die Resonanz seigut, die Erfahrung damit sei in hohem Maße zu loben,setzen Sie auf null. Dieses wichtige Instrument für dieZusammenarbeit wird in Ihrem Haushalt einfach gestri-chen. Auch da ist die Bilanz: Es geht rückwärts in derstrukturellen Krisenvorsorge. Es geht rückwärts in derkoordinierten Krisenprävention. – Auch das ist eineschlechte Bilanz Ihres Hauses, Herr Jung.
Die Rüstungspriorisierung hat die Kollegin Hoff zuRecht angesprochen. Was ist uns in den letzten Jahrenvon Ihnen alles an dicken Rüstungsprojekten auf denTisch gelegt worden! Was den Eurofighter angeht, wol-len Sie demnächst die dritte Tranche bestellen. EinenGegner für diesen alten Flieger gibt es bis heute nicht.Ihre Argumentation in den letzten Jahren war auch klar:Wir reden hier über Industriepolitik und nicht über si-cherheitspolitische Anforderungen.
Ähnlich ist es bei der Fregatte F 125, die wir zumDreifachen des üblichen Preises gekauft haben, damitdeutsche Werften bauen. Ich nenne weiter die Abwehrra-kete PARS 3, und das zweite Los U-Boote. Am Ende istIhre Amtszeit davon geprägt, dass die Bundeswehr amBedarf vorbei Industriepolitik betreibt – und das milliar-denschwer auf dem Rücken der Steuerzahlerinnen undSteuerzahler.
Wenn wir uns anschauen, in welchen Bereichen ge-nau diese Bugwelle an Investitionen Schaden hinterlässt,welche Projekte auf die lange Bank geschoben werden,dann erkennen wir: Das ist wieder genau dort, wo esvielleicht nicht spannend ist, weil es kleine Dinge sind,die man nicht in einer großen Eröffnung auf dem Roll-feld im Blitzlichtgewitter vorstellen kann. Das sindDinge, die die Soldatinnen und Soldaten dort brauchen,wo wir sie brauchen, nämlich in den von den UN gebil-ligten Einsätzen für Stabilisierung. Es sind die Kleinig-keiten, die bei dieser Rüstungsbeschaffung am Ende im-mer hinten runterfallen, weil die Milliardenprojekte denHaushalt 2009 blockieren und weil Sie die Bugwelleweiterschieben auf 2010 und 2011. Das ist auch genauder Grund dafür, dass das zusätzliche Geld, das Sie inden letzten Jahren bekommen haben, keinerlei Entspre-chung in dem hat, was die Bundeswehr für das leistenkann, für das wir sie wollen.Herr Minister, die Transformationspause hat uns einpaar Milliarden gekostet. Die darf man sich aber nichtlänger leisten. Es ist wirklich an der Zeit, die nächsteStufe der Transformation der Bundeswehr in Angriff zunehmen. Es ist wirklich an der Zeit, die Personenzahl zurmdkdwkdAtfnphkbnwCLEeutHigaSWruSbdruDzlSihDaee
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Die Bundeswehr ist heute fester Bestandteil transat-antischer und europäischer Kooperationen. Der Weg hinu einer europäischen Armee ist noch weit. In diesemusammenhang will ich aber gern den Straßburger Ver-rag, die Eurocorps und das Deutsch-Niederländischeorps nennen. Ich halte es für unverzichtbar, diesen Weger sehr konkreten europäischen Zusammenarbeit weiteru festigen und durch neue Initiativen zu vertiefen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die konkretenaushaltsberatungen im Ausschuss beginnen jetzt. DieDU/CSU-Bundestagsfraktion ist sich dabei ihrer Ver-ntwortung für das hohe Gut der inneren und äußeren Si-herheit unseres Landes sehr bewusst.
ir wissen, welch große und oft auch gefährliche Bei-räge unsere Soldatinnen und Soldaten für die Sicherheitnd den Frieden in der Welt leisten. Hierfür bedankenir uns.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Iner Tat sollten wir heute oder in dieser Woche überfghanistan debattieren. Der Kollege Bonde hat das völ-ig zu Recht angesprochen. Wieder einmal ist das verhin-ert worden. Jetzt könnte man natürlich einmal mehr dieaushaltsdebatte genau dazu nutzen. Aber genau daserde ich heute nicht tun. Wir haben nämlich in den ver-angenen Jahren immer wieder die Haushaltsdebattenür Debatten über Einsätze der Bundeswehr genutzt, undabei sind viel zu oft die Interessen der Soldatinnen undoldaten, die hier in Deutschland ihren Dienst tun, zuurz gekommen. Ich glaube, man sollte schon einmaline Gesamtschau vornehmen. Diese wird bei mir des-alb heute auch im Mittelpunkt stehen.
Herr Minister, Sie haben einen Etat, der deutlich an-ächst. Wir haben das jetzt schon mehrfach gehört.enn man sich aber einmal die Steigerung anschaut,ann war es zumindest in den letzten Jahren nominal so,ährend der Etat real eigentlich rückläufig war. Das hatit vielen Dingen zu tun. Das hat damit zu tun, dass diereise gestiegen sind, dass die Energiekosten drastisch
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Birgit Homburgergestiegen sind, dass die Mehrwertsteuer erhöht wurde,was natürlich auch bei der Bundeswehr massiv zu Bucheschlägt. Es hat aber auch damit zu tun, dass immer mehrMilitäreinsätze beschlossen worden sind, die jeweils ausdem Etat des Bundesministers der Verteidigung erst ein-mal erwirtschaftet werden müssen.Heute, Herr Minister, haben Sie en passant von einerEU-Mission zur Bekämpfung der Piraterie gespro-chen. Wir als Deutscher Bundestag kennen das bishernur aus den Zeitungen. Wir haben von Ihnen noch nichteine einzige Unterrichtung darüber bekommen, was Sieda vorhaben und wie das im Etat untergebracht werdensoll, um festzustellen, ob das Sinn macht, ob wir dasbrauchen und ob das nötig ist. Stattdessen gab es nur enpassant einen Satz dazu. Das, Herr Minister, ist zu we-nig.
Wenn man sich anschaut, wohin das Geld im Etatfließt, dann stellt man fest, dass falsche Schwerpunktset-zungen vorgenommen werden. Die Kollegin Hoff hatdas schon angesprochen.Sehr geehrter Herr Kollege Kahrs, an dieser Stellemöchte ich nur eine Bemerkung dazu machen: BeimGroßprojekt A400M – das hat die Kollegin Hoff völligzu Recht gesagt – muss man sich an Verträge halten. Ja,Herr Kahrs, aber nicht nur der Bund muss sich an Ver-träge halten, sondern bitte schön auch die Industrie!
Dem jetzt geäußerten Wunsch, auf Schadenersatzforde-rungen zu verzichten, können wir nicht zustimmen. Wirerwarten von Ihnen als Haushälter, dass Sie das ebenfallsunterstützen.
– Es ist wunderbar, wenn wir uns da einig sind. Dann ha-ben wir das ja an dieser Stelle klargestellt, Herr Kahrs.
Tatsache ist, dass auch der Bedarf zur Materialer-haltung ständig steigt, und zwar insbesondere für War-tung und Reparatur alten Geräts. Das liegt daran, dasssich der Zulauf neuen Geräts verzögert, und zwar mitdramatisch steigender Tendenz. Oder um es anders zusagen: Weil wir auf einen Ersatz für den Tornado warten,müssen derzeit für eine Flugstunde ungefähr 80 War-tungsstunden aufgewandt werden. Das kostet natürlich,und diese Kosten schlagen sich im Etat nieder. Die Folgeall dieser Probleme ist, Herr Minister, dass Sie im Etatnicht genügend Geld für Beschaffung dessen haben, wasdringend nötig ist: beispielsweise gepanzerte Fahrzeuge,Lufttransportkapazitäten – dieser Mangel wird insbeson-dere bei Einsätzen offenbar –, aber eben auch Materialfür die Ausbildung im Inland. All das fehlt.Herr Minister, Sie haben davon gesprochen, manmüsse den Soldatinnen und Soldaten einen optimalenSchutz geben. Ja, wir stimmen Ihnen zu. Ich sage Ihnenan dieser Stelle aber auch: Sie sollten es nicht nur wol-lvtiDuSenSvGndiHtdrnbWAHdETdMSltdBAeSMdBDWrhgdrEmu
Ich möchte einige Bemerkungen zum Thema Attrak-ivität der Bundeswehr machen. Diese Frage hat heuten der Debatte zu Recht eine wesentliche Rolle gespielt.ie Realität ist, dass viele hochqualifizierte Soldatinnennd Soldaten kündigen, zumindest innerlich, weil deroldatenberuf nicht mehr in dem Maße attraktiv ist, wier es früher war: Sie müssen oft zu Einsätzen. Sie verdie-en weniger als ihre zivilen Kolleginnen und Kollegen.ie fühlen sich oft vom Dienstherrn und teilweise auchon der Politik im Stich gelassen, setzen aber Leben undesundheit ein. Ich bin der Auffassung, dass das – nichtur für den Unterausschuss „Innere Führung“ im Vertei-igungsausschuss des Deutschen Bundestages, sondernnsgesamt für den Bundestag und insbesondere für Sie,err Minister – Grund genug sein muss, über Attraktivi-ätssteigerung in den Streitkräften nachzudenken unden Soldatinnen und Soldaten, die hier ihren Dienst ver-ichten, nicht nur die Dinge schönzureden, sondern ih-en die nötige Unterstützung und die Möglichkeit zu ge-en, sich in diesen Streitkräften wieder wohlzufühlen.Dazu gehört das Programm „Sanierung Kasernenest“. Es reicht nicht aus; das wissen Sie ganz genau.uch das Trennungsübernachtungsgeld gehört dazu,err Minister. Wir haben immer noch die Situation, dassie Soldatinnen und Soldaten für vier Monate in deninsatz geschickt werden, aber nur für drei Monaterennungsübernachtungsgeld bekommen. Das bedeutet,ass oft genug die Wohnung am Dienstsitz wegen einesonats gekündigt werden muss. Vor einem Jahr habenie Besserung versprochen. Wir erwarten, dass jetzt end-ich etwas passiert und dass die Probleme, die die Solda-innen und Soldaten ganz konkret haben, behoben wer-en.Dazu gehört auch die Vereinbarkeit von Familie underuf. Sie haben das hier angekündigt, Herr Minister.uch dazu kann man nur sagen: Im Haushalt sind dientsprechenden Mittel nicht vorgesehen. Bitte auch inachen Kinderbetreuung nicht nur ankündigen, Herrinister, sondern handeln!Darüber hinaus sollten Sie endlich akzeptieren, dassie Wehrpflicht nicht die Struktur für die Zukunft derundeswehr ist.
ie Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz geworden.ir haben weder Wehr- noch Dienstgerechtigkeit. Ge-ade einmal 17 Prozent der jungen Männer leisten über-aupt Wehrdienst. Circa 60 Prozent aller tauglichen jun-en Männer leisten weder Wehr- noch Zivildienst. Voriesem Hintergrund ist dieses System nicht mehr auf-echtzuerhalten.Das, Herr Minister, ist also Ihre Bilanz: immer mehrinsätze, steigende Unzufriedenheit in der Truppe, im-er stärkerer Verfall der Infrastruktur in Deutschlandnd ein stures Festhalten an veralteten Strukturen. Wir
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Birgit Homburgerschließen den Haushalt heute nicht ab. Sie können biszur Endabstimmung im Deutschen Bundestag noch neueSchwerpunkte setzen. Sie haben noch eine Chance –
Frau Kollegin Homburger, bitte!
– letzter Satz, Herr Präsident –, Herr Minister, die Sie
nutzen können, nämlich das nächste Jahr.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Rainer Arnold von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!Seit knapp zehn Jahren ist die Bundeswehr in einemschwierigen Umgestaltungsprozess. In dieser Zeit haben200 000 Soldaten ihren Dienst im Einsatz für Stabilitätund Frieden geleistet. Dieser Auftrag bestimmt bei derBundeswehr das Denken, die Konzepte, die Ausbildung,die Organisation und die Ausrüstung. Der diesjährigeHaushalt mit einer Erhöhung von 1,6 Milliarden Euroträgt dem Rechnung, auch wenn es richtig ist, dass eingroßer Teil des Geldes für zusätzliche personelle Maß-nahmen und Gehaltserhöhungen notwendig ist. Den-noch: Die Mittel reichen aus, damit die Bundeswehr so-wohl die Transformation weiterführen als auch ihreninternationalen Verpflichtungen gerecht werden kann.Gelegentlich ist es schon so, dass die Wirtschaft zumHelfer wird, damit das Geld reicht. Das freut uns nicht,sondern das ist ein Ärgernis. Jahr für Jahr fließen fürwichtige große Vorhaben Mittel, die die Soldaten drin-gend bräuchten, nicht ab, weil die Wirtschaft ihre Ver-einbarungen nicht einhält. Dies macht uns sehr ernst-hafte Sorgen, und das muss man auch ganz deutlichansprechen. Ich glaube, wir sollten uns alle in diesemHaus einig sein, dass Vertragstreue keine Einbahnstraßeist. Aber falsch ist, Frau Kollegin Homburger, dass dasGeld für den Schutz der Soldaten fehlt. Jeder Soldatund jeder Bürger in Deutschland muss wissen: All das,was die Bundeswehr an Anforderungen zur Sicherheitund zum Schutz der Soldaten gestellt hat und was auchbeschaffbar war, weil es auf den Märkten verfügbar war,ist nie am Deutschen Bundestag gescheitert. Diese Zu-sage gilt auch für die Zukunft.
Dennoch: Einfach die Augen zumachen und dieTransformation immer nur weiterführen, wird in der Tatnicht ausreichen. Es ist Zeit, zu reflektieren, wo nachjus-tiert werden muss. Das gilt für Material, das vor15 Jahren bestellt wurde und das wir heute möglicher-wdtRWdvMmzsdMtvSDcDalmad43sknKgdsdAeWhfzMigWgnvdahdn
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Herr Kollege Schäfer, Sie reden davon, dass die NATOzu einem kooperativen Sicherheitsinstrument weiterent-wickelt werden muss. Was anderes ist denn die NATOsowohl von ihren Verträgen als auch vom Urteil des Ver-fassungsgerichtes her? Das Bundesverfassungsgerichthat genau diesen Punkt herausgegriffen und bestätigt,dass die NATO ein kooperatives Sicherheitsinstrumentist.
– Nein, Sie wollen die NATO abschaffen. Sie wollen amEnde auch die Bundeswehr abschaffen.Um es auf den Punkt zu bringen: Sie sind mit dieserPosition in der Berliner Politik nicht einmal ein Partnerfür ernsthafte Gespräche in der Sicherheits- und Außen-politik.
Zur Debatte darüber, ob wir uns in Afghanistan in ei-nem Krieg befinden, die hier auch eine Rolle gespielthat: Die Kollegin Knoche hat es innerhalb wenigerSekunden geschafft, den Begriff „Krieg“ circa 10- bis15-mal zu verwenden. Auch der Chef des Bundeswehr-Verbandes hat darüber reflektiert. Ich glaube, dass es beiden Menschen in der Bundeswehr wichtigere Sorgengibt, dass die Menschen, die durch die Einsätze Leid er-fahren und Angehörige verlieren, keine Debatte überKrieg und Frieden benötigen.
– Passen Sie einmal auf. – Wir müssen in der Wortwahlpräzise bleiben. Da ist doch ganz klar: Weder nach unse-rer Verfassung noch nach dem internationalen Völker-recht befinden wir uns im Krieg.Man kann darüber reden, wie wir mit dem Wort„Krieg“ im Alltagssprachgebrauch umgehen. Da ist esschon gut, dass wir Deutsche nicht den Weg der Anglo-amerikaner gehen, die ganz schnell Krieg gegen allesMögliche führen, sondern dass der Begriff „Krieg“ inunserem Sprachalltag immer mit den Bildern und denErinnerungen, was Krieg in Deutschland und in der Weltwirklich bedeutet hat, verwoben bleiben wird. Das unter-scheidet uns von anderen Ländern, und so soll das auchbleiben. Ich fürchte, wer ständig von Krieg redet und ei-ner Gesellschaft einredet, sie befinde sich im Krieg, derwird am Ende die Gesellschaft, die Politik und auch dieSfnfdegaDuAgdKgmEKDuAzvdeudDnacnmr–fvgwkdsadsmwgi
Bei unserem Einsatz in Afghanistan können wir unsatürlich nicht aussuchen, ob deutsche Soldaten kämp-en oder Aufbauhilfe leisten. Das wird uns von Aufstän-ischen aufgezwungen. Damit das ganz klar ist: Das istin Kampf gegen Aufständische. Das ist die richtige Be-rifflichkeit. Das ist kein Krieg. Die Bundeswehr ist aberuch kein bewaffnetes Technisches Hilfswerk. Dieinge sind nicht wirklich kompliziert.Wir debattieren hier immer wieder über Afghanistannd die sogenannte Exit-Strategie. Natürlich gibt es fürfghanistan immer wieder neue Konzepte und Strate-ien: von den Petersberger Beschlüssen über den in Lon-on beschlossenen Afghanistan-Compact über die Paris-onferenz bis zur NATO-Tagung in Bukarest. Ichlaube nicht, dass wir eine völlig neue Strategie suchenüssen. Wir müssen es vielmehr schaffen, das als richtigrkanntes zu unterfüttern und in Afghanistan mit alleronsequenz umzusetzen.
as gilt für den zivilen wie den militärischen Bereichnd für den Aufbau der Polizei gleichermaßen. Das ist infghanistan angesagt. Das ist das Entscheidende.Ich glaube, dass wir die Position, die Deutschland be-üglich des Kampfes gegen den Drogenanbau bisherertreten hat, überdenken müssen. Wenn im Norden, woie Deutschen Verantwortung tragen, die Afghanen inrster Linie selbst gegen den Drogenanbau vorgehen,nd die Deutschen nur logistisch unterstützen, dann istas ein guter Weg. Wenn wir aber erkennen, dass dierogenwirtschaft im Süden und Osten des Landes nichtur die Terroristen von morgen nährt, sondern diese sichuch zunehmend im afghanischen Staatsapparat breitma-hen, und die Polizei im Süden und Osten gleichzeitigoch nicht in der Lage ist, für Sicherheit zu sorgen, dannuss in der NATO in der Tat eine ernsthafte Debatte da-über geführt werden dürfen, ob die ISAF nicht dochzusammen mit den Afghanen – mehr Verantwortungür diesen Bereich erhalten sollte.Eine letzte Bemerkung dazu: Aufgrund der vielen zi-ilen Opfer, die es in Afghanistan gegeben hat – übri-ens wurden 800 Soldaten von Terroristen umgebracht –,erden wir nie einfach zur Tagesordnung übergehenönnen. Afghanistan muss ständig auf der Tagesordnunger NATO stehen. Ich weiß, dass unser Außen- und un-er Verteidigungsminister dafür sorgen. Die NATO musslles Menschenmögliche tun, um zivile Opfer zu vermei-en.Heute wurde den Soldaten häufig gedankt. Das istehr wichtig. Ich glaube aber, dass es in einer Parla-entsarmee auch um etwas anderes geht, nämlich umirkliches Vertrauen, um Vertrauen in zwei Richtun-en. Bei meinen vielen Gesprächen mit Soldaten innternationalen Einsätzen habe ich den Eindruck gewon-
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Rainer Arnoldnen, dass wir Parlamentarier täglich neu um das Ver-trauen der Soldaten werben müssen. Sie müssen sehen,dass wir bei den Entscheidungen über Einsätze mit unsringen, dass sich jeder von uns diese Entscheidung nichteinfach macht. Wir müssen die Soldaten besuchen unduns ihre Sorgen anhören. All dies geschieht.Andererseits haben wir aber auch allen Grund, denMenschen, die bei der Bundeswehr Dienst tun, zu ver-trauen. Mit 255 000 Soldaten ist das eine große Organi-sation. Da wird es immer einzelne Fehler geben. Fürdiese Fehler gibt es eine große demokratische Errungen-schaft: Soldaten können sich im Zweifelsfall unter dasRegime des deutschen Rechtsstaates stellen.Es ist etwas Neues, es ist Teil der jüngeren deutschenGeschichte, dass Soldaten, die für Deutschland in derWelt unterwegs sind, das Ansehen der Bundesrepublik inder Welt mehren.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Im Einzelplan 14 des Haushaltsentwurfs 2009legen wir ein klares Bekenntnis zur Bundeswehr ab.Auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt werden können,wird doch die notwendige finanzielle Ausstattung derBundeswehr gesichert. Das ist bei den Personalausgabender Fall. Das betrifft die Übernahme des Tarifabschlus-ses im öffentlichen Dienst – das ist schon erwähnt wor-den –, die Wehrsolderhöhung und die Angleichung derBesoldung zwischen Ost und West. Es ist aber auch beiBetrieb und Investitionen der Fall. Ich darf Ihnen, FrauHomburger, mitgeben, dass Ihr Vorwurf, es würde nichtausreichend lange Trennungsgeld gezahlt, aufgenommenwurde und sich das Problem auf dem Weg zu einer gutenLösung befindet.
Der Bundesverteidigungsminister hat auf den Weg ge-bracht, dass über die gesamte Einsatzdauer Trennungs-geld gezahlt wird.Der Haushaltsentwurf ist insgesamt ein Beitrag dazu,die begonnene Modernisierung und Transformationder Streitkräfte fortzusetzen. Das ist von besondererBedeutung für unsere Auslandseinsätze. Unterschätzenwir jenseits mancher Vorwürfe in diesem Hause nicht,dass es eine breite öffentliche Unterstützung dafür gibt,dass unsere Soldaten im Einsatz bestmöglich ausgerüstetund ausgestattet werden. Dem trägt dieser Haushaltsent-wurf Rechnung.Am Beispiel Afghanistans lässt sich besonders he-rausstellen, welche Bedeutung bestmögliche AusrüstunguhtkddIdsdwifrVvAtdggüsrEwmsegdWntgmewdwAddmABgdidRw
ch will die Gelegenheit nutzen und ausführlich Stellungazu nehmen. Die Lage in Afghanistan ist sicherlichchwieriger geworden. Sie ist in weiten Teilen des Lan-es instabil. Ich meine, dass es jetzt notwendig ist, dassir unsere Erfolge, die wir etwa im Bildungswesen oderm Gesundheitssektor durchaus erreicht haben, nicht ge-ährden. Deshalb müssen alle Bemühungen darauf ge-ichtet sein, für unser Engagement in Afghanistan dasertrauen der dortigen Bevölkerung zu erhalten und zuertiefen.Wir haben eine sehr klare Zielvorstellung für unserfghanistanengagement, die im ISAF-Mandat des letz-en Jahres deutlich formuliert ist – ich zitiere –: Es gehtarum, „die afghanischen Sicherheitskräfte zu befähi-en, Sicherheit im eigenen Lande zu gewährleisten.“ Eseht darum, die Verantwortung in afghanische Händebergeben zu können und die Voraussetzungen dafür zuchaffen.Dazu gehört, dass wir auch die afghanische Regie-ung stärker in die Pflicht nehmen. Wir dürfen sie alsmpfänger umfangreicher Hilfen nicht aus der Verant-ortung entlassen, aus eigener Kraft Drogenanbau, Kri-inalität und Korruption zu bekämpfen und demokrati-che und rechtsstaatliche Strukturen aufzubauen. Wirrinnern uns: Die Bundeswehr ist auf Einladung der af-hanischen Regierung dort im Land. Deswegen mussiese Regierung das Ihre zur Stabilisierung und zumiederaufbau des eigenen Landes beitragen.Deutschland leistet als drittgrößter Truppensteller ei-en substanziellen Beitrag zur Stabilisierung Afghanis-ans, der im Übrigen von der dortigen Bevölkerung hocheschätzt wird. Aber wir wissen: Afghanistan ist mitilitärischen Mitteln allein nicht zu stabilisieren. Eineinseitige Betonung der militärischen Komponenteürde Widerstände in der Bevölkerung provozieren unden Taliban möglicherweise in die Hände spielen. Des-egen vertreten wir übereinstimmend einen vernetztennsatz. Ich glaube, dass es wichtig ist, mit der anstehen-en Mandatsverlängerung dafür Sorge zu tragen, dasser Umfang der zivilen Hilfe nun annähernd in Einklangit dem militärischen Beitrag gebracht wird.Ich halte es auch für notwendig, dass wir nicht nur infghanistan, sondern bei allen Auslandseinsätzen derundeswehr eine schlüssige Gesamtkonzeption vorle-en. Ich denke, dass das Afghanistan-Konzept der Bun-esregierung, das vor wenigen Tagen vorgestellt wordenst, ein Schritt in die richtige Richtung ist. Mir fällt auf,ass, wenn ich es richtig sehe, erstmals alle beteiligtenessorts als Autoren des Afghanistan-Konzepts benannterden und dass für jede Aufgabe, die wir dort überneh-
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Thomas Silberhornmen wollen, Ziele formuliert worden sind. Das ist kei-neswegs eine Marginalie, sondern konzeptionell undqualitativ ein Fortschritt, bei dem wir aber nicht stehen-bleiben dürfen.Ich halte es für notwendig, dass wir bei der Formulie-rung des Afghanistanmandats und aller weiteren Man-date genauso vorgehen, nämlich bei der Erarbeitung die-ser Mandate alle Ressorts einbeziehen. Es ist keineswegsnur eine Angelegenheit des Verteidigungsministeriumsund des Auswärtigen Amtes. Das Innenministerium unddas BMZ müssen genauso in die Erarbeitung der Man-date einbezogen werden. Die zivile Komponente mussebenso wie die militärische in dem Mandat, das uns imBundestag zur Beschlussfassung vorgelegt wird, Be-rücksichtigung finden.Ein Weiteres: Ich meine, dass sich jedes einzelne Res-sort auf messbare Zielvorgaben verständigen sollte, diewir dann auch mit Haushaltsmitteln unterlegen könnenund die wir uns im nächsten Jahr, wenn die Mandatsver-längerung nochmals ansteht, wieder vorlegen können,um überprüfen zu können, ob die Ziele, die sich die Bun-desregierung selbst gesetzt hat, tatsächlich erreicht wor-den sind.Eine letzte Bemerkung zu diesem Thema. Ich finde,dass wir unseren zivil-militärisch vernetzten Ansatzauch in der öffentlichen Debatte über die Auslandsein-sätze der Bundeswehr zum Tragen bringen müssen.Dazu gehört, dass wir nicht allein über die Anzahl derSoldaten streiten, sondern den ganzheitlichen Ansatz un-seres Einsatzes in Afghanistan und an anderen Orten derWelt auch in der Kommunikation über unser militäri-sches und ziviles Engagement deutlich machen sollten.Ich möchte allen Soldatinnen und Soldaten, aber auchden zivilen Wiederaufbauhelfern ausdrücklich für ihrenEinsatz danken. Sie genießen für ihren Dienst internatio-nal höchste Reputation. Ich denke, für ihre gefährlicheAufgabe verdienen sie auch den geschlossenen Rückhaltunserer Bevölkerung und des Deutschen Bundestages.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich diese Ge-legenheit nutzen, in wenigen Sätzen einige Ausführun-gen zum komplexen Thema Georgien zu machen. Ichhalte es für wichtig, darauf hinzuweisen, dass es sichhierbei nicht um einen neuen Ost-West-Konflikt handelt.Gerade die Reaktion der Shanghai-Gruppe zeigt, dasswir es mit einem internationalen Konflikt zu tun haben.Die internationale Gemeinschaft muss ungeachtet der je-weiligen Verantwortlichkeiten der Beteiligten ihren An-spruch deutlich machen, dass ihre Rechtsgrundlagen ge-achtet und durchgesetzt werden.Es ist begrüßenswert, dass die Europäische Unionnach der Eskalation in Georgien die Initiative ergriffenhat: mit dem Sechspunkteplan der französischen Ratsprä-sidentschaft, der Einsetzung einer zivilen Beobachtermis-sion und der Ernennung eines Georgienbeauftragten, aberauch mit der Forderung nach einer unabhängigen interna-tionalen Untersuchungskommission. Das geschlosseneAuftreten der Europäischen Union stärkt ihre Rolle imRahmen des internationalen Krisenmanagements. DassbVrdtrflWEtmmUkRahgvMedduPhsSlsugdSml
Als letzter Redner zu diesem Einzelplan hat der Kol-
ege Dr. Hans-Peter Bartels von der SPD-Fraktion das
ort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ine Haushaltsdebatte im Parlament ist dazu da, die Un-erschiede zwischen Regierung und Opposition undanchmal auch die Unterschiede zwischen Parlaments-ehrheit und Regierung deutlich zu machen.
nverändert gilt nämlich das Struck’sche Gesetz, dasseine Vorlage den Bundestag so verlässt, wie sie von deregierung eingebracht wurde. Manchmal war allerdingsuch die Regierung klüger, wenn sie aus dem Bundestagerauskam.Vorweg: Dieser Verteidigungsetat weist einen tüchti-en Zuwachs aus. Das ist notwendig, aber nicht selbst-erständlich. Mein Dank gilt den verantwortlicheninistern Jung und Steinbrück. Sie haben gemeinsamine vernünftige Linie gefunden.
In der Bundeswehr hört man die Klage, dass das Geldennoch nicht ausreicht, insbesondere nicht für alle nurenkbaren Beschaffungsprogramme. Das ist wahr, abernvermeidlich und war nie anders. Das zwingt uns dazu,rioritäten zu setzen. Dafür bilden die heutige sicher-eitspolitische Bedrohungsanalyse und die tatsächlichtattfindenden Einsätze den Maßstab, nicht irgendeinetückzahlkalkulation von 1997.Wenn das Geld nicht für alles reicht, gibt es drei Mög-ichkeiten, damit umzugehen: erstens, mehr Geld zu be-orgen; zweitens, die Strukturen der Realität anzupassennd dabei auch europäisch zu denken; drittens, zu fra-en, wo immer noch Mittel verschwendet werden, voner Materialerhaltung über die Infrastruktur bis hin zuinnlosbeschaffungen. Das sind die Möglichkeiten, diean hat. Ich empfehle, die zweite und die dritte Mög-ichkeit nicht zu vernachlässigen.
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Dr. Hans-Peter BartelsJetzt möchte ich etwas zum Thema Verschwendungsagen. Die Beschaffung von Zusatzausrüstung für viervorhandene Airbusse der Luftwaffe, die zur militäri-schen Luftbetankung eingesetzt werden sollen, kostetuns 210 Millionen Euro. Diese Zusatzausrüstung sollteab 2003 zur Verfügung stehen. Bis heute ist sie abernicht über das Versuchsstadium hinaus. In vier oder fünfJahren müsste allerdings der A400M, der ebenfalls überdie Fähigkeit der Luftbetankung verfügt, bereitstehen.Da fragt man sich: Brauchen wir diese Übergangslösungjetzt noch? Müssen wir dieses Geld wirklich zahlen?Anderes Beispiel: P-3C ORION, der Seefernaufklärerder Marine. International fliegen 500 Maschinen diesesTyps. Sie werden weltweit in drei Servicezentren gewar-tet. Deutschland baut nun ein eigenes viertes Wartungs-zentrum auf, exklusiv für unsere acht Flugzeuge. Dieerste Instandsetzung dauert 14 Monate. Zudem wird esrichtig teuer. Für solche Sonderwege haben wir eigent-lich kein Geld übrig.Ein dritter Fall: Die Marine wollte ursprünglich aufein einziges Hubschraubermuster umrüsten, den sagen-umwobenen MH-90. Alle diese Hubschrauber solltenauf einem Fliegerhorst stationiert werden, weil das ef-fektiv ist.Gegenwärtig gibt es zwei Hubschraubertypen undzwei Stützpunkte. Weil nun aber immer noch kein Proto-typ des MH-90 existiert, werden trotzdem schon einmalalle 43 Hubschrauber – SEA LYNX und SEA KINGplus acht ORION – auf einem Platz zusammengefasst.Man baut dann eben fürs Erste Provisorien – man kannauch sagen: Investitionsruinen – und schaut, was die Zu-kunft bringt. Hauptsache teuer umziehen, war ja langegeplant. Herr Minister, ich meine, das sollten Sie sichnoch einmal anschauen.Das gilt auch für das Eurofighter-Programm als sol-ches. Wir Sozialdemokraten meinen, dass die Hälfte derdritten Tranche für Deutschland ausreichend wäre. Wirhätten dann 146 hochmoderne, zweirollenfähige Kampf-flugzeuge in vier statt in fünf Geschwadern. Über denRest der dritten Tranche müsste eine Einigung mit denPartnernationen sowie den Herstellern möglich sein. DasZauberwort heißt Anrechnung des Exports. Wenn das fürGroßbritannien und Italien gehen sollte, warum dannnicht für alle, also auch für uns?Weil die alten Preise nicht mehr auskömmlich sind,werden wir neue Verträge beschließen müssen.
Herr Kollege Bartels, erlauben Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Kampeter?
Gern.
Bitte schön, Herr Kampeter.
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Genau.
Ich habe Vertrauen in Regierungen, auch in die briti-
che Regierung, die auf dem Rechtsstandpunkt steht, sie
önne 72 Eurofighter aus der von ihr bestellten Gesamt-
asse an ein drittes Land weiterverkaufen. Auf diesem
tandpunkt steht die britische Regierung.
Ich bin gespannt, ob es Sonderlösungen geben wird,
m den anderen Partnernationen – auch die Italiener ha-
en ähnliche Vorstellungen – Reduzierungen zu ermögli-
hen, die wir aus unserer Sicht als Deutsche auch wahr-
ehmen sollten. Wir wollen gleiches Recht für alle.
nzwischen haben sich die Rahmenbedingungen geän-
ert. Wir denken, wir kommen heute in unserer Bundes-
ehr mit weniger Eurofightern aus, aber natürlich mit
urofightern, den besten momentan verfügbaren Flug-
eugen.
Es wird also verhandelt werden müssen. Gleiches
echt für alle heißt, unsere Regierung mit der britischen
nd der italienischen Regierung gemeinsam.
Nun haben sich noch einmal Herr Kampeter und zu-
ätzlich der Herr Kollege Stinner zu einer Zwischenfrage
emeldet. Ich darf Herrn Bartels fragen, ob er auch diese
ulässt.
Wenn Sie die Reihenfolge geregelt bekommen, dann
a.
Jetzt ist Herr Stinner an der Reihe.
Herr Kollege Bartels, in der von Herrn Kollegenampeter angesprochenen Agenturmeldung wird füren Fall, dass die Halbierung nicht eintritt, gesagt, an-
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Dr. Rainer Stinnersonsten – Zitat von Ihnen im morgigen Handelsblatt –gebe es von der SPD-Bundestagsfraktion keine Zustim-mung, Flugzeuge der dritten Tranche abzunehmen.Dem entnehme ich, dass es sich nicht um Ihre persön-liche Meinung, sondern um eine in der Bundestagsfrak-tion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ab-gestimmte Meinung handelt. Ich frage Sie, ob das derFall ist.Herzlichen Dank.
Herr Kollege Stinner, die Verträge hat die durch
CDU/CSU und FDP gebildete Regierung im Jahr 1997
abgeschlossen. Wir wollen, dass noch einmal über die
Gesamtzahl der Flugzeuge und darüber verhandelt wird,
was mit der dritten Tranche geschieht. Eine Export-
anrechnung auf die Abnahmeverpflichtung der Länder
ist eine Möglichkeit. Andere Länder wollen das. Ich
denke, wir können es auch wollen.
Die Arbeitsgruppe der SPD-Bundestagsfraktion hat
bereits im Frühjahr auf einer Klausurtagung ein Papier
beschlossen, das damals auch veröffentlicht wurde, in
dem wir genau diese Position vertreten. Da ich das heute
hier in der Debatte so sage, können Sie davon ausgehen,
dass wir das in den Ausschüssen entsprechend verhan-
deln.
Lassen Sie auch noch die zweite Zwischenfrage des
Kollegen Kampeter zu?
Gerne.
Herr Kollege Kampeter, bitte schön.
Herr Kollege Bartels, Sie haben meine Frage durch
Ihre Sachverhaltsdarlegung charmanterweise nicht be-
antwortet. Sie lautete: Können Sie dem Hohen Hause
einmal darlegen, welche Konventionalstrafe bei Nicht-
abnahme von Flugzeugen, die Sie laut Pressemeldungen
nach Indien oder in die Schweiz weiterverkaufen wollen
– also für den Fall, dass Ihnen dies nicht gelingt, zumal
es ja noch keine gemeinsame Koalitionsauffassung dazu
gibt –, vorgesehen ist?
Vor diesem Hintergrund würde ich gerne hören, wel-
che Zahl sich bei Halbierung der Tranche ergibt. Wie
soll die Dislozierung aussehen?
Wir kennen ja die daran beteiligte Industrie. Ich emp-
fehle, dass wir einmal darüber reden, ob wir beim
A400M von der Industrie Konventionalstrafen fordern
wollen. Mit der gleichen Industrie reden wir auch da-
rüber, wie das Eurofighter-Programm in Zukunft gestal-
tet sein soll.
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Abschließend noch ein paar Sätze zur Wehrpflicht,
ber die wir an der einen oder anderen Stelle auch schon
twas gehört haben. Wir Sozialdemokraten erkennen an,
ass der Verteidigungsminister absolut problembewusst
st. Die Wehrgerechtigkeit ist ein Problem, wenn fast die
älfte eines Jahrgangs aus gesundheitlichen Gründen
usgemustert wird. Wir glauben aber, dass es keine Dau-
rlösung sein kann, dann einfach ein paar Tausend Wehr-
flichtige außerhalb der Struktur zusätzlich einzuziehen.
ie notwendigen Mittel dafür sollten wir lieber in die
erbesserung der Attraktivität des Dienstes in der Bun-
eswehr investieren. Hier müssen wir in Zukunft mehr
un. Darüber besteht in diesem Hause große Einigkeit.
Um die Wehrpflicht, die wir gemeinsam wollen, Herr
inister, auf Dauer verfassungsfest zu sichern, brauchen
ir ein neues Wehrpflichtmodell. Die SPD hat Vor-
chläge dafür gemacht. Lassen Sie uns auf dieser Grund-
age einen neuen Konsens finden.
Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegenicht vor.Ich unterbreche an dieser Stelle die Haushaltsberatun-en und rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:– Beratung der Beschlussempfehlung und des
Fortsetzung der Beteiligung bewaffneterdeutscher Streitkräfte an der United NationsInterim Force in Lebanon aufGrundlage der Resolutionen 1701
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsund 1832 des Sicherheitsrates derVereinten Nationen vom 11. August 2006bzw. 27. August 2008– Drucksachen 16/10207, 16/10240 –Berichterstattung:Abgeordnete Eckart von KlaedenNiels AnnenDr. Werner HoyerWolfgang GehrckeJürgen Trittin
– Drucksache 16/10241 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BarthleLothar MarkJürgen KoppelinDr. Gesine LötzschOmid NouripourHierzu liegt ein Entschließungsantrag der FraktionBündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfeh-lung werden wir später namentlich abstimmen.Ich mache darauf aufmerksam, dass bei dem darauf-folgenden Tagesordnungspunkt über zwei weitere Be-schlussempfehlungen ebenfalls namentlich abzustimmenist, sodass wir heute insgesamt drei namentliche Abstim-mungen durchführen werden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-derspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das so be-schlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Dr. Rolf Mützenich von der SPD-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieAnwesenheit deutscher Soldaten vor der libanesischenKüste ist nicht selbstverständlich. Angesichts der deut-schen Vergangenheit bleibt die Stationierung deutscherSoldaten an Israels Grenzen ein Wagnis. Deshalb lehnteneinige Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion vorzwei Jahren den Einsatz deutscher Soldaten ab. WenigeAbgeordnete werden dies heute wieder tun. Ich respek-tiere deren Entscheidung. Gleichwohl komme ich bei derGewichtung der Argumente zu einem anderen Ergebnis.Wir wissen, dass gewaltsam ausgetragene Konfliktenur politisch befriedet können werden. Vorher müssenaber die Waffen schweigen. Nach meinem Verständnisist die Absicherung der Waffenruhe der Kernauftrag vonUNIFIL.Die Mission im Libanon bleibt gefährlich. Rund50 Soldaten der internationalen Schutztruppe kamen inden vergangenen zwei Jahren ums Leben oder wurdenverletzt. Im Südlibanon sterben weiterhin MenschendEvWLGbnWFssdtFggbnenrWpHuzsgPdddugIrnBUdMWksu
Erst vor wenigen Wochen konnte der Libanon eineefährliche innenpolitische Krise bewältigen. Zahlreichelutige Anschläge, die Unfähigkeit gewaltbereiter liba-esischer Politiker zum Kompromiss und der Einflussxterner Akteure brachten das Land an den Abgrund ei-es neuen Bürgerkrieges.Heute hat der Libanon eine begrenzte Stabilität er-eicht. Obwohl die Lage angespannt bleibt, sind dieahl eines Staatspräsidenten und die Bildung einer All-arteienregierung wichtige positive Signale. Die größtenerausforderungen aber bleiben eine handlungsfähigend verantwortungsvolle Regierung in Beirut, der Willeur Verständigung und die Demilitarisierung des Alltagsowie gewaltbereiter Gruppen. Ich setze große Hoffnun-en in den nationalen Dialog und die bevorstehendenarlamentswahlen.In diesem Zusammenhang möchte ich mit Erlaubnises Präsidenten einige Kolleginnen und Kollegen ausem Libanon ganz herzlich begrüßen, die auf Einladunger Bundesregierung im Rahmen des Gästeprogrammsnsere heutige Debatte auf der Zuschauertribüne verfol-en.
ch freue mich, dass sie gerade zum Thema Wahlrechts-eform bei uns sind. Es ist wichtig, dass wir unsere Hoff-ungen äußern und den Libanon unterstützen.Eine wichtige Voraussetzung für das Aufweichen derlockaden im Nahen Osten war ein Umdenken in denSA. Nach Jahren der Gleichgültigkeit engagiert sichie Regierung in Washington wieder mit diplomatischenitteln und Initiativen. Auch die Verantwortlichen inashington mussten akzeptieren, dass es ohne Syrieneine Fortschritte geben kann. Die Einladung einer syri-chen Delegation nach Annapolis war daher folgerichtignd notwendig.
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Dr. Rolf MützenichEs war der deutsche Außenminister, der seine ameri-kanische Kollegin von dieser Geste überzeugen konnte,und es war Frank-Walter Steinmeier, der in Syrien füreine konstruktive Mitarbeit geworben hat.
Das waren kluge, starke und ausgewogene Botschaf-ten. Sie waren nicht ohne Risiko. Doch eine Außenpoli-tik, die nur auf schöne Bilder setzt, schafft keine Verän-derungen.
Wenn man sich in der Politik an Kriterien wie Zunei-gung/Abneigung oder gut/böse ausrichtet, verleitet dieszu Fehlurteilen, gerade im Nahen Osten.
In Zeiten neuer Spannungen brauchen wir eine Politik,die zur Entspannung beiträgt. Deshalb hätte ich mir ge-wünscht, dass Frank-Walter Steinmeier von Anfang andie Unterstützung der gesamten Bundesregierung gehabthätte.
Vor wenigen Wochen haben Syrien und der Libanondie Absicht geäußert, diplomatische Beziehungen zu-einander aufzunehmen; das ist eine gute Nachricht.Mehr noch: Syrien und Israel verhandeln unter Vermitt-lung der Türkei über Frieden. Hätte die Waffenruhe imLänderdreieck nicht gehalten, wären solche Fortschritteunwahrscheinlich gewesen. UNIFIL hat hier politischeLösungen mit ermöglicht.Bei uns haben einige die Mission allein mit Sicher-heitsinteressen Israels begründet. Diese Aussage ist ausmeiner Sicht missverständlich und engt den Handlungs-spielraum der Politik ein. Zweifellos fördert die Waffen-ruhe auch die Sicherheit Israels. Aber das Mandat istebenso ein Instrument, um die Integrität und die Souve-ränität des Libanon zu stärken. Ohne UNIFIL hätte Is-rael die Seeblockade nicht beendet. Erst die internatio-nale Mission hat der libanesischen Innenpolitik neueSpielräume eröffnet.Im Übrigen wird Israel erst dann Sicherheit finden,wenn es mit seinen Nachbarn in Frieden lebt. Dafürbraucht es politischen Willen und Mut sowie die Fähig-keit zum Kompromiss auf allen Seiten.UNIFIL ist im Kern eine klassische Blauhelmmis-sion. Das Mandat unterstreicht die Verantwortung derVereinten Nationen als Hüter der internationalen Sicher-heit. Deshalb war ich vor zwei Jahren enttäuscht, als dieFDP nahezu geschlossen das Mandat ablehnte. Es warendamals ganz offensichtlich innenpolitische Gründe, dieihr Nein motivierten. Ihr Spielraum, ihr Verhalten heutezu ändern, ist deshalb begrenzt. Das ist bedauerlich;denn UNIFIL hätte eine breite Mehrheit im deutschenParlament verdient.
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Die Bundeswehrangehörigen, die im Rahmen vonNIFIL ihre Arbeit tun, tragen Verantwortung. Wir kön-en ihnen die Last nicht abnehmen. Wir können aberazu beitragen, dass die Mission breite Akzeptanz fin-et. Wenn es dann noch gelingt, zu helfen, den Libanonu stabilisieren und Frieden im Nahen Osten zu fördern,ann haben wir die Chancen der UNIFIL-Mission ge-utzt. Deshalb ist die Verlängerung des Mandats umeitere 15 Monate gerechtfertigt. Ich bitte um Ihre Zu-timmung.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!enn wir heute über die UNIFIL-Mission sprechen,ann möchte ich zu Beginn für die FDP-Bundestagsfrak-ion klarstellen, dass wir UNIFIL damals sehr wohl alsinen Beitrag zum Waffenstillstand gesehen haben. Wirls FDP haben nicht UNIFIL an sich infrage gestellt; wiraben vielmehr infrage gestellt, ob die maritime Kompo-ente tatsächlich der richtige deutsche Beitrag ist.Das sind die Fragen, die wir stellen. Wir haben gefor-ert, den Schwerpunkt auf die zivile Unterstützung zuegen. In der Debatte gestern ist deutlich gemacht wor-en, dass man erreichen will, den Libanon in die Lage zuersetzen, selbst die Seeseite zu sichern. Dafür hat mannterstützung gewährt. Auch das unterstützen wir alsDP-Bundestagsfraktion, aber wir halten diese Bemü-ungen bei weitem nicht für ausreichend.Der Bundesverteidigungsminister hat gestern gesagt,ass die Mission erfolgreich war. Ich denke, man musswischen dem, was die Soldatinnen und Soldaten tun,nd der politischen Bewertung unterscheiden. Die Sol-atinnen und Soldaten leisten eine exzellente Arbeit. Sie
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Birgit Homburgerverdienen Respekt und Anerkennung für die Art ihresAuftretens und für die Erfüllung der Aufgaben. Wir sa-gen von unserer Seite ein herzliches Dankeschön fürdiese Arbeit.
Aber die Wirksamkeit der Mission ist begrenzt, so-lange es keinen Fortschritt bei der Sicherung der land-seitigen Grenzen gibt. Die Hisbollah weist immer wiederdarauf hin, dass sie jetzt mehr Waffen hat als vor demKrieg. Man kann einwenden, dass man auf das, was dieHisbollah sagt, nichts geben muss. Aber in einem UN-Bericht aus dem letzten Jahr, der nach wie vor Gültigkeithat, wird eindeutig festgestellt, dass es an der landseiti-gen Sicherung der Grenzen mangelt und damit demWaffenschmuggel Tür und Tor geöffnet sind. Hier be-dürfte es einer zentralen Unterstützung, um landseitigeine Sicherung aufzubauen. Aber das ist bislang nichtder Fall. Fazit ist, dass die Landseite für den Waffen-schmuggel offen wie ein Scheunentor ist und dass derEinsatz auf der Seeseite aus diesem Grund eher wie einPlacebo wirkt.
Die entscheidende Frage ist, ob die Resolution 1701erfüllt ist. Das ist bislang bei weitem nicht der Fall.Noch immer führen die Israelis Überflüge über dem Li-banon durch. Diese hätten längst eingestellt werdenmüssen. Ich erwarte, dass die internationale Gemein-schaft dafür deutliche Worte findet. Zudem gibt es kei-nen Fortschritt bei der Entwaffnung der Hisbollah; dashabe ich bereits angesprochen. Auch das ist Bestandteilder Resolution 1701. Es gibt den nationalen Dialog, dergestern eine Rolle gespielt hat. Seit langer Zeit geht eswieder um die Entwaffnung der Hisbollah. Aber ichmöchte Sie auf die Regierungserklärung der neuen Re-gierung im Libanon vom August dieses Jahres aufmerk-sam machen. In dieser wurde „das Recht des Libanon,seiner Regierung, des Volkes und des Widerstandes zumGebrauch aller möglichen Mittel, um vom Libanon be-anspruchtes Gebiet wiederzuerlangen“, festgelegt. Dasbedeutet nichts anderes, als dass die Hisbollah aus dieserRegierungserklärung das Recht ableitet, ihre Waffen be-halten zu dürfen. Das liegt nicht im Interesse der interna-tionalen Gemeinschaft und entspricht nicht der UN-Re-solution.
Das alles zeigt, wie zerbrechlich die Situation ist.Ich komme zum – aus Sicht meiner Fraktion – zentra-len Punkt. Die Entsendung von Soldatinnen und Sol-daten darf immer nur das letzte Mittel sein. Wer aller-dings Soldatinnen und Soldaten entsendet, hat diePflicht, in besonderem Maß politisch initiativ zu werden.Aber wir erkennen nicht, dass die Bundesregierung dieInitiative ergreift. Fehlanzeige! Wie sieht die politischeSituation im Libanon aus? Im Libanon wurde nach einerlangen Hängepartie ein Präsident gewählt. Es gibt eineneue Regierung, in der die Hisbollah gestärkt ist und dieOpposition eine Sperrminorität hat. Die politische Lageist weiter fragil. Das zeigen auch die Anschläge in denlVIbbBWtVgDkdEelFltdMssdCguUdhVrhnnpsbsFwlv
eswegen gibt es ein Vakuum. Aber dieses Vakuumann nicht mit Soldatinnen und Soldaten ausgefüllt wer-en. Es bedarf eines massiven politischen Engagements.ine nachhaltige Lösung des Nahostkonflikts kann nurin tragfähiger, umfassender politischer Prozess gewähr-eisten. Wir fordern daher eine umfassende regionaleriedensinitiative nach dem Vorbild der KSZE, näm-ich eine KSZNO. Wir haben dazu immer wieder An-räge eingebracht. Wir sind nach wie vor der Meinung,ass das richtig wäre.Ich fasse zusammen: Solange die Wirksamkeit desandats nicht gewährleistet ist und solange der politi-che Begleitprozess völlig unbefriedigend ist, so langeieht sich die FDP-Bundestagsfraktion nicht in der Lage,er Verlängerung des Mandats zuzustimmen.Vielen Dank.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Eckart von Klaeden,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-en! Was die Lage im Libanon sowie die Wirksamkeitnd den – wenn auch beschränkten – Erfolg derNIFIL-Mission angeht, beziehe ich mich auf das, waser Kollege Mützenich beschrieben hat. Ich glaube, erat die Situation einfühlsam und zutreffend dargestellt.ersetzen wir uns in die Zeit von vor zwei Jahren zu-ück, als wir das erste Mal über das Mandat abgestimmtaben. Wir haben damals angesichts der Schwierigkeitenicht angenommen – das gilt jedenfalls für die Kollegin-en und Kollegen meiner Fraktion sowie des Koalitions-artners im Auswärtigen Ausschuss –, dass das Mandato erfolgreich sein wird, wie es heute ist. Das kann manei allen Schwierigkeiten, die hier geschildert wordenind, feststellen.Welches sind die wesentlichen Einwände gewesen,rau Kollegin Homburger? Es sind nicht diejenigen ge-esen, die Sie eben neu vorgetragen haben. Der wesent-iche Einwand der FDP vor zwei Jahren ging auf einenerquasten Neutralitätsbegriff und die Sorge zurück,
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Eckart von Klaedendass Deutschland durch die Entsendung der Marine Par-tei im Nahostkonflikt werden könnte. Das hat sich ein-deutig als falsch erwiesen. Sowohl die israelische Regie-rung als auch die libanesische Regierung begrüßen dasMandat und unser Engagement und halten es für richtig,dass wir uns nicht nur mit der Bundesmarine auf derSeeseite engagieren, sondern dass wir auch die langsa-men Fortschritte bei der Grenzsicherung mit Bundespo-lizei und anderen unterstützen. Ich fände es gut, wenndie FDP angesichts dieser Entwicklung in der Lagewäre, zu sagen: Die Entwicklung hat sich anders darge-stellt, als wir befürchtet haben, und
deswegen sind wir bereit, zuzustimmen.Ihr Generalsekretär, Frau Homburger, hat Ihrer Frak-tion schon vor einem Jahr empfohlen, dem Mandat zuzu-stimmen, weil diese Entwicklung vor einem Jahr schonabzusehen war. Wenn man einmal die Zustimmung bzw.Ablehnung vonseiten der FDP in Bezug auf die Auslands-einsätze der Bundeswehr betrachtet, muss man bedauer-licherweise feststellen, dass Sie gerade die erfolgreichs-ten Einsätze – nämlich die in Mazedonien, im Kongound im Rahmen von UNIFIL – ablehnen. Wenn mansich Ihre Zustimmung bzw. Nichtzustimmung zu denAfghanistan-Einsätzen vor Augen führt, erkennt man,dass diese nicht einer klaren Linie folgt, sondern eherder eines Riesenslaloms gleicht. Das ist keine verant-wortungsvolle außenpolitische Position.
Das zweite Argument, das immer zu hören gewesenist, war das der angeblichen Militarisierung unsererAußenpolitik. Dieses wird mit besonderer Vorliebe vonder Linken vorgetragen. Wie man allerdings von einerMilitarisierung der Außenpolitik sprechen kann, wennwir helfen, Waffenschmuggel in den Libanon auf derSeeseite zu unterbinden
und die Landesgrenze zu sichern, wird auf lange Zeit dasGeheimnis der Linkspartei bleiben.Der dritte Einwand ist vor zwei Jahren immer wiedergewesen, dass es keinen politischen Prozess gibt, in dender Einsatz eingebettet ist. Auch wir haben vor zwei Jah-ren gesagt, dass ein Waffenstillstand – wie der KollegeMützenich zutreffend ausgeführt hat – Voraussetzungdafür ist, dass dieser politische Prozess beginnen kann.Dieser ist in der UN-Resolution 1701 entsprechend be-schrieben. Wir können heute feststellen, dass dieser poli-tische Prozess trotz aller Schwierigkeiten begonnen hatund dass der UNIFIL-Einsatz eine nicht hinwegzuden-kende Voraussetzung für diesen politischen Prozess ist.Es gibt im Libanon wieder einen Präsidenten. Es gibtKontakte zwischen Israel und Syrien sowie zwischendem Libanon und Syrien. Wir haben die Annapolis-Konferenz, die, wenn Sie die Dinge etwas mehr im Zu-sammenhang beurteilen würden, Frau Homburger, IhremVdekgsrElldhsAdPbKesdprKPdvLtstwdkasdSgLrSEwssddtLnz
Man kann nun sagen, die Hisbollah habe sich durchie Verzögerung dieses Prozesses mit ihrer Blockade-olitik durchgesetzt. Ich glaube, dass das nicht ganzichtig ist, sondern dass die Minderheit durch diesenompromiss, durch dieses Abkommen, durch diesenrozess in die Pflicht genommen worden ist und dassas im Libanon geltende Konsensprinzip nicht längeron der Hisbollah gegen das nationale Interesse desibanon instrumentalisiert werden kann.Wir müssen die Politik der syrischen Regierung wei-er kritisch begleiten und Syrien ermutigen, eine kon-truktive Rolle in diesem Prozess zu spielen. Es ist rich-ig, dass es ohne eine konstruktive Rolle Syriens nichtird gehen können. Deswegen ist es ein gutes Signal,ass Syrien jetzt nach langer Zeit seine Bereitschaft er-lärt hat, mit dem Libanon diplomatische Beziehungenufzunehmen. Unsere Syrien-Politik ist von zwei we-entlichen Prinzipien geprägt: Zum einen muss das Maßer Kooperation mit Syrien davon abhängen, wie sehryrien selber zu einem konstruktiven Beitrag in der Re-ion, insbesondere in Bezug auf seine Beziehungen zumibanon, bereit ist, und zum anderen: Wenn wir als Eu-opäer Erfolg haben wollen, dann müssen wir bereit sein,yrien gegenüber mit einer Stimme zu sprechen.
s gibt einige Aspekte, die bei allem Positiven genannterden müssen. Wir erwarten von Syrien die Freilas-ung der unzähligen libanesischen Gefangenen aus syri-chen Gefängnissen, die Aufklärung über das Schicksaler Verschwundenen, die Bereitschaft Syriens, sich ausen inneren Angelegenheiten des Libanon herauszuhal-en und die Souveränität des Libanon anzuerkennen.Wie groß das internationale Interesse am Frieden imibanon ist und wie groß die Bereitschaft der internatio-alen Gemeinschaft ist, sich an UNIFIL zu beteiligen,eigt die beeindruckende Liste von 26 teilnehmenden
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Eckart von KlaedenNationen. Wenn die Linke glaubt, der Bundesregierung,den sie tragenden Fraktionen und in diesem Fall auchden Grünen die Militarisierung der Außenpolitik unter-stellen zu müssen, dann kann sie die Frage bei ihren Be-suchen in China, in Kroatien, in Mazedonien, in Guate-mala, in Malaysia, in Irland, in Indien, in Polen oder inKorea stellen, ob auch diese Nationen tatsächlich an ei-ner Militarisierung ihrer Außenpolitik interessiert sindund sich deswegen an UNIFIL beteiligen. UNIFIL isteine wichtige Mission, gerade weil der beschriebeneProzess fragil ist, gerade weil dieser Prozess unsere Un-terstützung verdient, nicht nur für die Menschen dort– für sie zu allererst –, aber auch deshalb, weil er in un-serem Interesse ist; denn die Region liegt – deswegenheißt sie Naher Osten – direkt vor unseren Grenzen. Er-neute Kriegshandlungen bedrohen die Sicherheit auchEuropas. Deswegen gibt es viele gute Gründe, dieserMission zuzustimmen. Ich darf noch einmal an die FDPappellieren, es sich zu überlegen und mit Ja zu votieren.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Wolfgang Gehrcke,
Fraktion Die Linke.
Schönen Dank, Frau Präsidentin! Werte Kolleginnenund Kollegen! Ich will noch einmal die Argumente derLinken zusammenfassen. Ich halte erstens fest: Aus un-serer Sicht ging und geht der UNIFIL-Einsatz in Ord-nung. Er war notwendig, und ohne diesen Einsatz hättees den Waffenstillstand wahrscheinlich nicht gegeben.Er war Voraussetzung, um überhaupt miteinander ver-handeln zu können. Diese Meinung teile ich völlig. DieWaffen müssen schweigen, damit über Frieden gespro-chen werden kann. Das ist die Grundlage dazu. Waffen-stillstand heißt aber noch nicht Frieden. Bis dahin istnoch ein gewaltiger Weg zurückzulegen. Selbstverständ-lich ist die völkerrechtliche Basis für den UNIFIL-Ein-satz gegeben.Jetzt gibt es aber bei Ihnen, so meine ich, einen Denk-fehler. Nicht jeder Einsatz der Vereinten Nationen, dervölkerrechtlich in Ordnung geht, ist auch politisch gebo-ten und politisch sinnvoll. Ein Beschluss der VereintenNationen ersetzt nicht das Nachdenken darüber, wasman politisch will. Dann muss man die Frage stellen, obes unter diesen Bedingungen gut ist, dass sich Deutsch-land militärisch an einem solchen Einsatz beteiligt. Letz-teres haben wir verneint.
Dafür hatten wir sehr gute Gründe, und ich will Ihnenzumindest drei noch einmal vortragen. Kollege vonKlaeden und ich kennen uns jetzt so lange, dass erglaubt, immer zu wissen, was ich sagen werde. Daswerde ich aber nicht. Du hast dich getäuscht. Ich habeganz andere Gründe, die ich anführen möchte.snsW–lhdRHtbidgDmMeEfapzAicDgiwsPsikegSwIlvSzt
as ist eine sehr wichtige Position.Drittes und letztes Argument. Wir wissen, dass der ei-entliche Hintergrund des Libanon-Konflikts ein andererst, nämlich der Konflikt Israel/Palästina, der gelösterden muss. Schon dieser Ausgangspunkt gebietet einehr vorsichtiges Agieren. Viele sagen: Der Annapolis-rozess wird scheitern. Es gibt aber auch Stimmen, dieagen, dass er eine Chance hat – was ich glaube und wasch befördern möchte. Dann muss aber auch die Richtig-eit folgender Behauptung geklärt werden – ich habeine entsprechende Frage an den Herrn Außenministererichtet; er beantwortet sie in diesem Parlament nie –:olange der Iran mit Militäraktionen, mit Krieg bedrohtird, werden wir keine Stabilität in der Region haben.ch möchte, dass die deutsche Bundesregierung verbind-ich sagt: Deutschland will, dass die militärische Optionom Tisch kommt, damit Frieden einkehrt.
Ein letzter Gedanke – Kollege Mützenich, das, wasie gesagt haben, hat mich natürlich gereizt und provo-iert –: Ich teile Ihre Auffassung, dass sich ein konstruk-iver Pazifismus nicht im Antimilitarismus erschöpft. Ich
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Wolfgang Gehrckesage Ihnen aber: Ohne Antimilitarismus bekommen Sieüberhaupt keinen Pazifismus, schon gar keinen kon-struktiven.
Vielleicht sollten Sie über diesen Aspekt auch einmalselber nachdenken.Danke sehr.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Jürgen Trittin, Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! UNIFIL
war notwendig, um den Krieg zwischen Libanon und
Israel zu beenden. Der Einsatz der deutschen Bundes-
wehr auf der Seeseite war die Voraussetzung dafür, dass
die Seeblockade gegen Libanon aufgehoben wird. Die
Erfolge von UNIFIL sind hier unübersehbar. Die Sicher-
heit Israels ist größer geworden. Selbst der politische
Prozess, der zäh ist, ist ein Stück vorangekommen; viele
Vorredner haben darauf hingewiesen. Deswegen glaube
ich: UNIFIL und die deutsche Beteiligung daran sind
richtig. Sie sind notwendig. Sie sollten fortgesetzt wer-
den.
Aus dem Argument, dass etwas notwendig ist, aber
nicht hinreichend, kann man nicht die Schlussfolgerung
ziehen, liebe Frau Homburger, Nein zu sagen.
Auch ich kritisiere, was die Vereinten Nationen zu Recht
feststellen, dass das Grenzmodell zur Sicherung der
Landgrenze nicht so vorangekommen ist, wie es übri-
gens die deutsche Bundesregierung zugesagt und ver-
sprochen hat. Nur, was ist das für eine Logik, zu sagen:
„Weil man die Landgrenze noch nicht geschlossen hat,
öffnen wir die halt die Seegrenze wieder“? Das leuchtet
mir in keiner Weise ein.
Ich habe mir die Mühe gemacht, mir noch einmal die
Argumente anzuschauen, die Sie zu Anfang genannt ha-
ben. Ihr Fraktions- und Parteivorsitzender hat zu Recht
gesagt – wie alle hier im Hause, glaube ich –: Wir sind
gegenüber Israel nicht neutral. – Dann hat er erklärt: Wir
müssen aufpassen, ob es zu einer Konfrontation kom-
men kann, weil wir nicht neutral sind. – Das war Ihr tra-
gendes Argument dafür, Nein zu sagen.
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ann nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass Ihre Be-
ürchtungen nicht eingetreten sind? Wann folgen Sie
hrem geschätzten Generalsekretär – an dieser Stelle klü-
er – und erklären: „Wir sagen nunmehr Ja. Wir korrigie-
en unsere Einschätzung. Gott sei Dank – so können Sie
a sagen – sind unsere Befürchtungen nicht eingetreten“?
Letzte Bemerkung. Selbstverständlich ist die Situa-
ion im Libanon und dort vor Ort nach wie vor nicht zu-
riedenstellend.
Herr Kollege Trittin, ich muss Sie fragen, ob Sie eine
wischenfrage des Kollegen Niebel zulassen?
Gern.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, ich
timme Ihnen natürlich ausdrücklich darin zu, dass ich
in kluger Generalsekretär bin, und bitte darum, das im
rotokoll hinreichend zu unterstreichen.
Ich möchte Sie allerdings fragen, ob Sie bereit sind,
as zur Kenntnis zu nehmen: In einer Diskussion im
orfeld der letzten Mandatsverlängerung habe ich auf
olgendes hingewiesen: Wenn wir die Entscheidung
reffen, müssen wir bei einer Verlängerung immer be-
ücksichtigen, dass die Situation dann eine andere ist als
ei einer Erstmandatierung. Bei einer Erstmandatierung
eht es darum, hinzugehen. Wenn man da sagt „Wir soll-
en es lassen“ und dieser Meinung weiter folgen möchte,
ämlich dass man gegen das Mandat ist, ist das bei einer
andatsverlängerung konsequenterweise mit dem Weg-
ehen verbunden.
Dieser Punkt – darauf wollte ich im Vorfeld der da-
aligen Entscheidung hinweisen – führte bei dem über-
iegenden Teil der Mitglieder meiner Fraktion zu einer
blehnung dieses Mandats – genau wie heute völlig zu
echt.
Lieber Herr Kollege Niebel, Sie sind klug, aber in ers-er Linie Generalsekretär.
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Jürgen Trittin
Das ist nicht immer ein einfaches Amt, wie wir beiHerrn Pofalla oder Herrn Hintze – auch Herr Heil erfährtdas gerade – immer wieder erlebt haben. Die wesentli-che Funktion eines Generalsekretärs ist, bei Kurskorrek-turen im Zweifelsfall dafür zu sorgen, dass es nicht soauffällt, dass man eine Kurskorrektur macht.
Das ist auch undankbar.Ich gebe Ihnen jetzt einen Tipp. Mit der Begründung„Das ist jetzt die Realität; das hat sich so entwickelt“hätten Sie als FDP Ihre Position ändern können undmüssen.
Ich gebe Ihnen einen weiteren Tipp. Sollten Sie je-mals – sagen wir mal: in 10 oder 15 Jahren – wieder indie Situation kommen, nicht auf den Oppositionsbänkenzu sitzen, spätestens dann – das garantiere ich Ihnen –nehmen Sie diese Kurskorrektur vor.
Letzte Bemerkung, und zwar zur Kontinuität der heu-tigen Debatte. Lieber Wolfgang Gehrcke, wenn man sichdazu bekennt, wie ihr gesagt habt, Partei des Völker-rechts sein zu wollen, dann muss man sich klarmachen,was da im Libanon passiert. Eine der herausstechendstenLeistungen, die UNIFIL an Land erbracht hat, war nebender Sicherung der Grenze die Beseitigung der Kriegs-schäden, also das Abräumen der Streubombenreste undder Minen. Wer hat das gemacht? Das waren unter ande-rem Blauhelme aus Spanien und aus China.Ich sage an dieser Stelle in aller Deutlichkeit: Wersich zum Völkerrecht bekennt, wer sich zum Primat derVereinten Nationen bekennt, der darf solche praktischeFriedensarbeit – um nichts anderes geht es – nicht ineine Reihe stellen mit Interventionen im Rahmen vonKriegseinsätzen. Das ist nicht zulässig.
Wer sich zu den Vereinten Nationen bekennt, der musssich auch zu solcher praktischer Friedensarbeit bekennenund kann in diesem Fall zu UNIFIL und zur deutschenBeteiligung nur Ja sagen.
Ich gebe das Wort zu einer Kurzintervention der Kol-
legin Monika Knoche.
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Ich habe sehr genau gehört, was Wolfgang Gehrckeesagt hat. Sie werden sich aber dieser Frage stellenüssen – wir werden gleich noch einen Tagesordnungs-unkt haben, bei dem Sie sich dieser Frage erneut wer-en stellen müssen –: Was ist das eigentlich für eine Hal-ung für eines der reichsten Länder der Erde? Wenn ichir die Bemerkung erlauben darf: Ihr Kollege hat vorhinritisiert, dass die Bundesrepublik Deutschland solcheriedenseinsätze wie UNIFIL durch einen Beitrag inöhe von 500 Millionen Euro an die Vereinten Nationeninanziert. Das hat er hier deutlich und scharf kritisiertnd als Militarisierung der Außenpolitik bezeichnet.
avon einmal abgesehen, frage ich Sie: Was ist das fürine Haltung, wenn ein wohlsituiertes Land sagt: „Wirinden das okay, dass solche Einsätze stattfinden, wir be-eiligen uns aber nicht daran?“ Die Argumente dafürind schlicht Vorwände. Es ist eine Tatsache, dass keineer Konfliktparteien dort die Anwesenheit von Deutsch-and kritisiert; die Israelis nicht und die Hisbollah nicht.ie Frage der Neutralität ist eine andere als die, die wirns stellen. Die Frage der Neutralität wird nicht von ei-em selbst, sie wird immer von den Konfliktparteien be-ntwortet.
Wenn man in einer solchen Situation sagt: „Wir sindicht dabei, wir überlassen diese Einsätze den Chinesen,en Bangladeschis und anderen“, dann stellt man sichicht der internationalen Verantwortung. Man stiehlt
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Jürgen Trittinsich aus dieser internationalen Verantwortung und dendamit verbundenen Anforderungen, deren Erfüllung einegroße Welt von einem Land wie Deutschland erwartet.Das ist der Kern.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-sache 16/10240 zu dem Antrag der Bundesregierung zurFortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streit-kräfte an der United Nations Interim Force in Lebanon.Zu dieser Abstimmung liegt uns eine persönliche Erklä-rung des Kollegen Winfried Hermann vor.1) Der Aus-schuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 16/10207anzunehmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt.Bei der Stimmabgabe bitte ich alle Kolleginnen und Kol-legen, sorgfältig darauf zu achten, dass die Stimmkarten,die sie verwenden, ihren Namen tragen.Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer,die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind alle Plätzean den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Ich eröffne dieAbstimmung.Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-nen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wirdIhnen später bekannt gegeben.Vielleicht ist es möglich, dass die Kolleginnen undKollegen ihre Plätze einnehmen.Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-ßungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufDrucksache 16/10246. Wer stimmt für diesen Entschlie-ßungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? –Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Ko-alition bei Gegenstimmen von Bündnis 90/Die Grünenund bei Enthaltung der Fraktionen Die Linke und FDPabgelehnt.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 5 a und 5 b auf:a) – Beratung der Beschlussempfehlung und desBerichts des Auswärtigen Ausschusses
zu dem Antrag der Bundesre-
gierungFortsetzung der Beteiligung bewaffneterdeutscher Streitkräfte an der AU/UN-Hy-brid-Operation in Darfur aufGrundlage der Resolution 1769 desSicherheitsrates der Vereinten Nationenvom 31. Juli 2007 und weiterer Mandats-FsatAk1) Anlage 2
– Drucksache 16/10243 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BarthleLothar MarkJürgen KoppelinDr. Gesine LötzschOmid Nouripourb) – Beratung der Beschlussempfehlung und desBerichts des Auswärtigen Ausschusses
zu dem Antrag der Bundesre-
gierungFortsetzung der Beteiligung deutscherStreitkräfte an der Friedensmission derVereinten Nationen im Sudan aufGrundlage der Resolution 1590 desSicherheitsrates der Vereinten Nationenvom 24. März 2005 und weiterer Mandats-verlängerungen durch den Sicherheitsratder Vereinten Nationen– Drucksachen 16/10104, 16/10244 –Berichterstattung:Abgeordnete Eckart von KlaedenBrunhilde IrberMarina SchusterDr. Norman PaechKerstin Müller
– Drucksache 16/10245 –Berichterstattung:Abgeordnete Norbert BarthleLothar MarkJürgen KoppelinDr. Gesine LötzschOmid NouripourZu den Anträgen liegt je ein Entschließungsantrag derraktion Bündnis 90/Die Grünen vor.Ich weise darauf hin, dass wir später über beide Be-chlussempfehlungen namentlich abstimmen werden,lso zwei namentliche Abstimmungen unmittelbar hin-ereinander durchführen.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich höreeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.
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Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerIch eröffne die Aussprache.Bevor ich der Kollegin Bruni Irber das Wort gebe,möchte ich jetzt alle Kollegen und Kolleginnen bitten,ihre Gespräche außerhalb des Saales fortzusetzen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, solange Sie IhrePlätze nicht einnehmen, können wir die Aussprachenicht fortsetzen, und umso mehr verschiebt sich auch dienamentliche Abstimmung nach hinten.
Ich gebe das Wort der Kollegin Bruni Irber, SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Nun zu einem ernsteren Thema. Nach jahr-zehntelangem Bürgerkrieg herrscht im Süden des Sudanheute ein fragiler Waffenstillstand. Menschen, deren ge-samtes Leben durch Krieg und Anarchie geprägt war,lernen wieder, in Frieden miteinander zu leben. Auchwenn dieser Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist,zeigen sich doch einige hoffnungsvolle Entwicklungen.Dank der logistischen Unterstützung durch UNMISkonnte im Mai 2008 die lang geplante Volkszählung er-folgreich durchgeführt werden. Das sudanesische Parla-ment hat im Juli 2008 ein grundlegendes Wahlgesetzverabschiedet. Damit sind die beiden wichtigsten Vorbe-dingungen für die landesweiten Wahlen im kommendenJahr erfüllt.Wir sind heute an einem Punkt, von dem wir im letz-ten Jahr noch nicht wussten, ob wir ihn jemals erreichenwürden. Trotz der jüngsten Kämpfe um die ÖlstadtAbyei besteht heute die Chance, dass die Menschen imSudan im nächsten Jahr erstmals demokratisch über ihreZukunft abstimmen können. Auch der Aufbau dersüdsudanesischen Verwaltung und die Reform des Si-cherheitssektors gehen voran. Tausende von Flüchtlin-gen sind in den Südsudan zurückgekehrt. Entsprechendgroß ist der Bedarf an Unterstützung für den Aufbau derWasser- und Energieversorgung, von Schulen und Kran-kenhäusern sowie für den Aufbau staatlicher Strukturen.Es gilt, in diesen Bereichen möglichst rasch für die Be-völkerung greifbare Fortschritte zu erzielen, um eineFriedensdividende sichtbar zu machen.
Das ist wichtig, um einen Rückfall in den Bürgerkrieg zuverhindern.UNMIS hat sich dabei in den vergangenen Jahren alsverlässliche Kraft und als Stabilitätsanker erwiesen.
Mit ihrer Beteiligung an UNMIS zeigt die Bundesregie-rung, dass sie bereit ist, aktiv am Friedensprozess mitzu-arbeiten. In Verbindung mit den großzügigen finanziel-len Beiträgen für den Nord-Süd-Friedensprozess istDeutschland zu einem der wichtigsten Unterstützer füreine politische Lösung im Sudan geworden.ItzprpsbpntmvKwnBstsrwbSlnhBbLspmDsEfABhaTtdsTFb
ch freue mich, wenn wir diese Vorreiterrolle auch wei-erhin ausüben können, und bitte dafür um Unterstüt-ung.
Im Gegensatz zum Südsudan gibt es über die Krisen-rovinz Darfur nach wie vor nichts Erfreuliches zu be-ichten. Auch wenn ich die Hoffnung hege, dass sich dieositive Entwicklung im Südsudan mittelfristig stabili-ierend auf die Bürgerkriegsregion Darfur auswirkt, soleibt die aktuelle Situation leider weiterhin katastro-hal. Ich möchte daher hier und heute die Gelegenheitutzen, um für eine weitere Beteiligung deutscher Solda-en in der Friedensmission UNAMID zu werben. Das istir besonders wichtig, weil im Zusammenhang mit demerzögerten Aufwuchs der Mission auch immer wiederritik an der geringen Präsenz deutscher Soldaten geübtird. Die Kritik ist verständlich; doch sie beruht auf ei-em Missverständnis, das ich ausräumen möchte. Lautundestagsmandat können bis zu 250 Soldaten in Darfurtationiert werden. Zu ihren Aufgaben gehört der Luft-ransport von UNAMID-Einsatzkräften; das heißt, sieind für das Einfliegen von Truppen und Material ande-er Staaten zuständig. Für diese Aufgabe hat die Bundes-ehr erhebliche logistische und technische Kapazitätenereitgestellt. Da das Einfliegen von Truppen anderertaaten aber bislang unterblieb, sind die von Deutsch-and bereitgestellten Kapazitäten nicht in Anspruch ge-ommen worden.Ein weiteres Problem besteht in der andauernden Be-inderung unserer Einsatzkräfte durch die Regierungaschir. Infolge der ständigen Verschleppung der Visa-earbeitung, der Nichterteilung notwendiger Start- undandeberechtigungen sowie der Blockade der Nach-chubwege bleibt unser Beitrag weit hinter unseren Ka-azitäten zurück.In Anbetracht dieser Tatsachen halte ich den Vorwurfangelhaften Engagements für ungerechtfertigt.
ass die Bundesregierung gewillt ist, aktiv zur Stabili-ierung der Provinz Darfur beizutragen, zeigt sich an derntsendung von Polizeikräften in die Region. Seit An-ang des Jahres bereiten deutsche Polizeitrainer, alle mitfrika-Erfahrung, ihre Kollegen aus Ghana, Senegal,angladesch und Sambia auf ihren Einsatz vor. Darüberinaus unterstützt das Auswärtige Amt die Ausbildungfrikanischer Polizisten im Kofi-Annan-Peacekeeping-raining-Center in Ghana. Eine weitere finanzielle Un-erstützung für UNAMID-Polizeikontingente ist geplant.Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist bewusst,ass diese beiden Missionen im Sudan keine idealen In-trumente zur Überwindung der dortigen Krise sind.rotzdem möchte ich eines zu bedenken geben: Zurlankierung aller politischen Lösungsversuche sind dieeiden Missionen ohne Alternative.
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Brunhilde IrberWolfgang BosbachKlaus BrähmigUrsula HeinenUda Carmen Freia HellerEduard LintnerDr. Klaus W. LippoldDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeMonika BrüningGeorg BrunnhuberCajus CaesarGitta ConnemannLeo DautzenbergHubert DeittertThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornDr. Stephan EiselAnke Eymer
Ilse FalkJürgen HerrmannBernd HeynemannErnst HinskenPeter HintzeChristian HirteRobert HochbaumKlaus HofbauerFranz-Josef HolzenkampJoachim HörsterAnette HübingerHubert HüppeSusanne Jaffke-WittDr. Peter JahrDr. Hans-Heinrich JordanDSWDDFLMDPDMCr. Michael Luthertephan Mayer
olfgang Meckelburgr. Michael Meisterr. Angela Merkelriedrich Merzaurenz Meyer
aria Michalkr. h. c. Hans Michelbachhilipp Mißfelderr. Eva Möllringarlene Mortlerarsten Müller
Dr. Andreas ScheuerKarl SchiewerlingNorbert SchindlerGeorg SchirmbeckBernd SchmidbauerChristian Schmidt
Andreas Schmidt
Ingo Schmitt
Dr. Andreas SchockenhoffDr. Ole SchröderBernhard Schulte-DrüggelteUwe SchummerWilhelm Josef SebastianKurt SegnerMichael Brand Michael Hennrich Patricia Lips Dr. Annette Schavan
ohne die Unterstützungreement wird es keinenion geben. Darfur und im Südsudanung zu den beiden Man-g deutscher Soldaten.e bei AbgeordnetenSU)geüsskbbher. Hans Georg Faustnak Ferlemanngrid Fischbachartwig Fischer
irk Fischer
r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbachr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisberhard Giengeralf Göbelosef Göppeleter Götzr. Wolfgang Götzerte Granoldermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grüttersr. Karl-Theodor Freiherrzu Guttenberglav Guttingolger Haibacherda HasselfeldtADBHSABSVEJJJKMNDHTMGDDDDADHKDPIVizepräsidentin Dr. h. c. SIch komme zurück zu Taebe das von den Schriftführerrmittelte Ergebnis der namber die Beschlussempfehlungchusses zu dem Antrag der Betzung der Beteiligung bewaräfte an der United Nations Iekannt, Drucksachen 16/1020ene Stimmen 507. Mit Ja habeaben gestimmt 101, Enthaltumpfehlung ist damit angenomndreas Jung
r. Franz Josef Jungartholomäus Kalbans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard Kaster
olker Kauderckart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerens Koeppenristina Köhler
anfred Kolbeorbert Königshofenr. Rolf Koschorrekartmut Koschykhomas Kossendeyichael Kretschmerunther Krichbaumr. Günter Kringsr. Martina Krogmannr. Hermann Kuesr. Karl Lamers
ndreas G. Lämmelr. Norbert Lammertelmut Lampatharina Landgrafr. Max Lehmeraul Lehriederngbert LiebingSDHBMDFEHRUDSBRRDTDPEKKDFJKDDAPAH
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llegin Marina Schuster,er FDP)lleginnen und Kollegen!kritische Punkte bei denhabe gestern ohne Um- Deutlichkeit auf diesest mir besonders wichtig, was die politische Ent-s wir uns klar sind, wasrgetragen habe, sehe ichrnative zu den Einsätzendas UNAMID-Mandat –ssMssbuswfgrwsÖedUorothée Menznerersten Naumannolfgang Neškovićr. Norman Paechetra Pauodo Ramelowlke Reinkeaul Schäfer
olker Schneider
r. Herbert Schuir. Ilja Seifertr. Petra Sitterank Spiethr. Kirsten TackmannDGSOEFMBDWHind vom Charakter her vorwehr wichtig, den kriegsgebeuinimalschutz zu bieten. Leido, wie er sein sollte, und leiderEines dürfen wir nicht verkechwierigen Zeiten stattfinden.en, man hätte das Gröbste schns zum Beispiel den Nord-chauen, dann kann man zwaricklungen stattgefunden habeürchtungen; diese hat auchestern im Ausschuss geäußertendum heranrückt, desto gefäherden. Viele Fragen sind nocpiel Fragen der Grenzziehunglreichtum aufgeteilt werdenin Pulverfass. Wenn die Lage vann wird auch für die SoldaNAMID ihren Dienst tun, die
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Viele fragen sich auch, warum es denn so lange dauert,die erforderliche Zahl von 26 000 Soldaten und Polizis-ten zusammenzubekommen. Ein Grund dafür sind– Kollegin Irber hat dies schon angesprochen – die Be-hinderungen der sudanesischen Regierung. Der andereGrund ist, dass die einzelnen Länder nicht bereit sind,Kontingente zu stellen. Das kratzt an der Glaubwürdig-keit der Vereinten Nationen. Beides können wir nichtlänger hinnehmen. Auch hier sind Initiativen der Bun-desregierung gefragt.Noch viel wichtiger ist, dass wir aktiv werden, umden politischen Prozess, den es noch nicht gibt, in Gangzu setzen. Wo ist denn der Darfur-Darfur-Dialog? DasDarfur Peace Agreement ist nicht tragfähig. Es stand vonAnfang an auf schwachen Füßen angesichts der Tatsa-che, dass nur eine Rebellengruppe unterzeichnet hat.Nach einer weiteren Zersplitterung haben wir es jetzt mit20 bis 30 Rebellengruppen zu tun. Es ist zu fragen: Mitwelchen Gruppen muss verhandelt werden? Sind dieGruppen überhaupt bereit, Vereinbarungen einzuhalten,und in der Lage, diese Vereinbarungen durchzusetzen?Für eine politische Lösung, die von der Bevölkerung, derRegierung und den vielen Rebellengruppen akzeptiertwird, läuft uns die Zeit davon. Umso wichtiger ist es,dass die Bundesregierung tätig wird.Wir haben heute im Ausschuss erfahren, dass dieBundesregierung Gespräche führt, auch auf China ein-wirkt. Das sind aber bei weitem nicht die einzigen Ge-sprächspartner. In der jetzigen Situation ist es besonderswichtig, die Nachbarländer und die anderen Staaten inder Region einzubeziehen. Die unterschiedlichen Inte-ressen müssen berücksichtigt werden. Die Bundesregie-rung hat die Pflicht, in der internationalen Gemeinschaftauf eine Lösung zu drängen und neue Initiativen anzu-mahnen.Als Parlamentarier haben wir das Recht, genau zu er-fahren, wie und wo deutsches Personal eingesetzt wird.Aus einem Brief war zu erfahren, dass acht Offiziere fürUNAMID eingesetzt werden sollen. Nach meinemKenntnisstand ist derzeit kein einziger vor Ort. Wenn wirdem vorgelegten Antrag trotz der Kritikpunkte zustim-men, dann müssen wir im Sinne unserer Soldaten aller-dBclDaisfrmibmamsCDWsSprgdisddBvtdhDwuddTv1)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss Ihnen das
erichtigte Ergebnis der namentlichen Abstimmung
itteilen – das war vorhin für mich nicht gut lesbar –:
bgegebene Stimmen 567. Mit Ja haben gestimmt 451,
it Nein haben gestimmt 107, Enthaltungen 9. Die Be-
chlussempfehlung ist damit angenommen.1)
Jetzt gebe ich das Wort der Kollegin Anke Eymer,
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen!ir führen eine Debatte über die Verlängerung der deut-chen Beteiligung an zwei internationalen Missionen imudan, UNMIS und UNAMID.Der Sudan, Afrikas größter Flächenstaat, ist Schau-latz einer der größten humanitären Katastrophen. Wa-um ist der Sudan für uns ein so wichtiges Land? Zu derroßen humanitären Herausforderung kommt hinzu,ass der Sudan ein Land mit großen Energieressourcenst. Der Sudan ist darüber hinaus eine Schnittstelle zwi-chen dem arabisch-muslimischen Einflussgebiet undem schwarzafrikanischen Teil des Kontinents. Der Su-an ist aber auch ein Land, das seit Jahrzehnten unterürgerkriegen und deren Folgen leidet. Der Sudan wirdon einer offensichtlich skrupellosen Regierung immeriefer in eine Zerreißprobe geführt. Nachbarstaaten wieer Tschad oder die Zentralafrikanische Republik dro-en, in diesen Sog der Gewalt hineingerissen zu werden.ie Frage, wie der Konflikt gelöst und Frieden erreichterden kann, betrifft die gesamte Region.Vor allem geht es aber darum, dass viele Menschennter der katastrophalen humanitären Situation, unterer schlechten Versorgung und unter ständig stattfinden-en Gewaltverbrechen leiden. Zu einem wesentlicheneil hat dies die Regierung unter Präsident al-Baschir zuerantworten. Er meint, sich aus der Verantwortung ge-Abstimmungsliste siehe Seite 18729
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Anke Eymer
genüber den Vereinten Nationen und der Gemeinschaftder afrikanischen Länder herauslavieren zu können.Das Handeln der internationalen Gemeinschaft istalternativlos. Unsere Beteiligung an UNMIS undUNAMID ist wichtiger Teil der deutschen Gesamt-anstrengungen für Frieden im Sudan.
Am 22. April 2005 hat der Deutsche Bundestag der deut-schen Beteiligung an UNMIS zugestimmt und das Man-dat seitdem regelmäßig verlängert. Unsere heutige Zu-stimmung zum Regierungsantrag ermöglicht den Einsatzbis zum 15. August nächsten Jahres. An dem internatio-nalen Einsatz sind knapp 20 000 Soldaten und mehr als3 500 Polizisten beteiligt.Diese Mission unterstützt die Umsetzung des Frie-densvertrages von Nairobi. Die Bedrohung im Südsudanist immer noch erheblich, wie die Übergriffe im Märzdieses Jahres gezeigt haben. Eine Bewährungsprobe fürdie Bereitschaft der Konfliktparteien zu einer friedlichenLösung sind die Festlegung des Grenzverlaufs und dieParlamentswahlen im kommenden Jahr. Am Ende desFriedensprozesses wird in einem Referendum über diemögliche Unabhängigkeit des Südsudan entschieden.Auf diesem Weg ist UNMIS ein unverzichtbarer Faktorfür Stabilität. Unsere deutschen Kräfte haben unterschwierigen Bedingungen bisher sehr gute Arbeit geleis-tet. An dieser Stelle sage ich ihnen unseren herzlichenDank.
Zu den Kernaufgaben gehört der Beitrag zur Entwaff-nung und Demobilisierung. Dazu kommen ein Pro-gramm zur Wiedereingliederung der ehemaligen Kom-battanten sowie das Räumen von Minen und der Aufbaueiner zivilen Polizei. Obwohl es sich hier um zwei unter-schiedliche Missionen handelt, stehen UNMIS undUNAMID inhaltlich in einem engen Zusammenhang.Ein erfolgreicher Friedensprozess im Nord-Süd-Konfliktwird auch Einfluss auf die Krise in Darfur haben.Am 15. November des vergangenen Jahres haben wirhier im Hause mit großer Mehrheit beschlossen, dasssich Deutschland mit bis zu 250 bewaffneten Einsatz-kräften an der Hybridmission der Vereinten Nationenund der Afrikanischen Union, UNAMID, beteiligt. Die-sen Rahmen haben wir bisher noch nicht ausgeschöpft.Die Entwicklung von UNAMID gestaltet sich schwieri-ger, als wir es gewünscht und erwartet haben. Wichtigist: UNAMID hat ein afrikanisches Gesicht. Die Masseder truppenstellenden Nationen sind afrikanische Län-der. Dieses große Engagement Afrikas ist ein wichtigesElement für die Akzeptanz der Mission vor Ort.Der von uns heute zu fassende Beschluss verlängertdas Mandat, wie schon gesagt, bis zum 15. August 2009.Der deutsche Einsatz hat Anteil an strategisch wichtigenBereichen der Mission. Es geht um strategischen Luft-transport, um unsere Beteiligung an der Arbeit der StäbeudnDng4s2zsHfiPuwmLKsnmzgMMFVamStAAldgweDZ
Die Vereinten Nationen berichten, dass mehr als,5 Millionen Menschen auf Hilfe von außen angewie-en sind. Die Zahl der Vertriebenen beläuft sich auf über,5 Millionen Menschen. Fortdauernde schwere Kämpfewischen Regierungstruppen und Rebellen und räuberi-che Überfälle behindern zunehmend die Arbeit derilfsorganisationen. Die Lage in der Krisenregion Dar-ur ist so kritisch geworden, dass Hilfsorganisationenhre Arbeit teilweise einstellen müssen und dass UN-ersonal abgezogen werden muss. Neben Lebensmittelnnd Wasser werden vor allem Schutzmaßnahmen sowieeitere umfassende Betreuung dringend benötigt.Das Darfur-Friedensabkommen von 2006 ist nichtehr das Papier wert, auf dem es steht. Eine politischeösung im Darfur-Konflikt – anders als im Nord-Süd-onflikt – ist nicht in Sicht. Dennoch müssen die politi-chen Gespräche dringend fortgesetzt werden, um zu ei-er neuen tragfähigen Friedensvereinbarung zu kom-en.Den beiden vorliegenden Regierungsanträgen nichtu folgen und die deutschen Einsätze nicht zu verlän-ern, wäre unverantwortlich. Es gibt zu diesen beidenissionen keine sinnvolle Alternative. Dass militärischeissionen allein nicht genügen, um einen verlässlichenrieden zu erzielen, ist klar. Bei unserer Bereitschaft,erantwortung in der Welt zu übernehmen, werden wirber auch in Zukunft nicht ausschließen können, dassilitärische Komponenten dazugehören. Daher bitte ichie um Unterstützung der beiden Regierungsanträge. Sieragen dazu bei, dass einer der großen Krisenregionenfrikas eine Zukunftsperspektive gegeben wird.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Hüseyin-Kenan
ydin, Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-egen! Der Krieg in Darfur ist mit der Sommeroffensiveer Regierung in eine neue, verschärfte Runde gegan-en. Luftangriffe, Kämpfe und gezielte Gewalt aller be-affneten Gruppen gegen die Zivilbevölkerung habenine neue humanitäre Katastrophe heraufbeschworen.Die Gründe für die neue Eskalation sind vielfältig.ie Regionalisierung des Konflikts, die fortschreitendeersplitterung der Konfliktparteien und die mangelnde
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Hüseyin-Kenan AydinGesprächsbereitschaft der Akteure sind die wichtigsteninternen Gründe. Externen Friedensbemühungen fehltentragfähige Konzepte, politischer Wille und Geschlossen-heit.Vor diesem Hindergrund ist die schlecht ausgestatteteHybridmission von AU und UNO, UNAMID, fastzwangläufig zwischen die Fronten geraten. Auch im Sü-den eskalierten im Mai Gefechte zwischen der Regie-rungsarmee und der SPLM, die sich an der umstrittenenGrenzziehung in der ölreichen Abyei-Region entzünde-ten. Die vorerst entschärfte Krise hat uns die Instabilitätdes im Jahre 2005 initiierten Friedensprozesses zwi-schen Nord und Süd klar vor Augen geführt.Die Lage im Sudan ist der Bundesregierung bekannt.Doch die heute zur Abstimmung vorliegenden Anträgezu UNAMID und UNMIS zeigen, dass sie falscheSchlussfolgerungen gezogen hat. Die Linke wird keinemder Anträge zustimmen; denn beide stehen für ein militä-risches „Weiter so“. Die veränderten politischen Bedin-gungen wurden nicht ausreichend reflektiert.In Bezug auf UNMIS vermissen wir ein angepasstesKonzept zur Unterstützung des Friedensprozesses, der inseine entscheidende und kritische Phase tritt. Unsere Ab-lehnung des UNAMID-Antrags ist grundlegender. Hierfehlt jeder Hinweis darauf, wie sich die Mission in einepolitische Konfliktbearbeitungsstrategie einfügen soll.Damit ist die entscheidende Voraussetzung nicht erfüllt.Denn durch Militäreinsätze, auch durch solche mitUNO-Mandat, werden Konflikte nicht gelöst.
UNAMID trägt nicht zur Lösung des Darfur-Kon-flikts bei. Daran wird auch eine Aufstockung der Mis-sion nichts ändern. Denn ihre entscheidenden Problemesind die fehlende politische Grundlage und die man-gelnde Akzeptanz durch die Konfliktparteien.
Das Darfur-Friedensabkommen von 2006, das von wich-tigen Rebellengruppen nie unterzeichnet wurde, ist poli-tisch tot, und die seither eingeleiteten Vermittlungspro-zesse sind gescheitert.Die Blockadeversuche des Baschir-Regimes und diezunehmenden Angriffe von Rebellengruppen und Mili-zen belegen, dass UNAMID vor Ort als Kriegsparteiwahrgenommen wird. Daher ist eine Fortsetzung desEinsatzes aus unserer Sicht kontraproduktiv.
Der Linken und der Friedensbewegung wird wegender Ablehnung von Kriegseinsätzen oft Verantwortungs-losigkeit vorgeworfen. Ich sage Ihnen aber: Verantwor-tung zu übernehmen heißt, die nötigen Konsequenzenaus dem gescheiterten militärischen Engagement zu zie-hen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon unterstrich inseinem letzten Missionsbericht, dass UNAMID kein Er-satz für einen politischen Prozess sein darf.eZFusBKmzDMefIDuFlssaignNAtrBlaUE
Ich gebe das Wort der Kollegin Kerstin Müller, Bünd-is 90/Die Grünen.Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herrydin, da Sie, obwohl Sie zu den Enthaltern Ihrer Frak-ion gehören, doch wieder die gesamte Antikriegsrheto-ik bemüßigt haben, kann ich es Ihnen nicht ersparen, zueginn kurz aus einem Brief zu zitieren, den Ihr Kol-ege, Herr Schäfer, nach einer Reise in den Sudan an Sielle geschrieben hat, und zwar zu den UNMIS- undNAMID-Mandaten. Dort heißt es:Die UNMIS-Mission hat dort erheblich zur Stabili-sierung des Friedensprozesses … beigetragen. IhrePräsenz wird wohl auch in den nächsten Jahren not-wendig sein, da die Sicherheitslage nach wie vorsehr labil ist.s heißt:Eine Verlängerung des UNMIS-Mandats erscheint …unproblematisch.
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Kerstin Müller
Er begründet in diesem Brief übrigens – auch das willich nicht verheimlichen – seine Enthaltung damit, „einekategorische Ablehnung von UNMIS ist gerade unterfriedens- und abrüstungspolitischen Vorzeichen nicht zubegründen und nicht zu verantworten.“ Meine Damenund Herren, dem können wir nur aus vollem Herzen zu-stimmen.
Ich denke, diese Rhetorik ist hier völlig fehl amPlatze. Wir müssen uns mit der Lage im Sudan auseinan-dersetzen. Meine Fraktion wird den Anträgen der Bun-desregierung zustimmen. Wir halten die Mandate füreinen notwendigen, aber in keinem Fall für einen hinrei-chenden Beitrag – das sage ich auch sehr deutlich –, umdas Leiden der Menschen in Darfur endlich zu beenden.UNAMID kann die Menschen vor allen Dingen inDarfur immer noch nicht schützen, weil die internatio-nale Gemeinschaft und die Bundesregierung ihre Zusa-gen nicht einhalten und der Aufbau zu schleppend vo-rangeht.An dieser Stelle muss ich leider auch etwas zu demdeutschen Beitrag sagen, der sich in der Theorie – wirstellen für UNAMID 250 Soldaten und Lufttransporte –gut anhört, in der Praxis aber leider nicht viel mehr alsein symbolischer Beitrag ist. In dem Brief vom August,den der Außenminister und der Verteidigungsminister andie Fraktionsvorsitzenden geschrieben haben, wird unsberichtet, dass ein deutscher Soldat als Transportplanerseinen Dienst im UNAMID-Headquarter in al-Faschirtut. Es wird ausgeführt:Damit wird Deutschland unter den europäischenNationen zu den größten Truppenstellern gehören.Das ist leider nicht zum Lachen. Ich finde, das ist – ummit den Worten von Kofi Annan aus einem Interview dervergangenen Woche zu sprechen – angesichts von Völ-kermord und der verheerenden Situation in Darfur be-schämend.
Es kann doch nicht sein, dass in einer solchen Situa-tion weder die Europäer noch die Mitglieder des Sicher-heitsrates noch andere Mitglieder der UNO, die allediese Mission beschlossen haben, in der Lage sind, denAufwuchs dieser Mission zu gewährleisten. Sie sindnoch nicht einmal in der Lage, zwölf dringend benötigteHubschrauber zur Verfügung zu stellen. Das darf nichtsein. Wir fordern, dass das endlich passiert.
Kofi Annan hat der internationalen Gemeinschaftmangelnden politischen Willen vorgeworfen. Wir brau-chen endlich Gespräche mit den Partnern, wie die Statio-narsewmdmDhMpdtImdvsfindsFüaVwWzPDjmUÜtTwdRn
ch sehe auch die Schwierigkeit; ich weiß, dass dies zuehr Spannungen im Land und im Verhältnis zum Su-an geführt hat. Von den Befürchtungen ist aber nichtiel wahr geworden. Es ist sogar eine neue Dynamik ent-tanden, durch die der Verhandlungsdruck auf die Kon-liktparteien erhöht werden kann. Ich meine, dass dienternationale Gemeinschaft dieses Window of Opportu-ity endlich nutzen muss.Wir fordern, dass sich die Bundesregierung innerhalber UNO und auch im Rahmen des in Lissabon be-chlossenen EU-Afrika-Dialogs für eine neue Sudan-riedensinitiative einsetzt und sich vielleicht einmalberlegt, einen Sudan-Beauftragten einzusetzen, wie esndere Länder schon lange getan haben. Es geht hier umölkermord, um die schwerste humanitäre Krise welt-eit. Die Menschen werden seit 2005 alleingelassen.ir brauchen mehr Engagement. Wir dürfen das nichtulassen; wir müssen diesen Völkermord beenden.
Zu einer Kurzintervention gebe ich dem Kollegen
aul Schäfer das Wort.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Müller, vielenank, dass Sie meine Position hier zitiert haben. Man ista immer froh, wenn die eigene Position bekannt ge-acht wird.Lassen Sie uns einmal zwischen UNAMID undNMIS unterscheiden. Zu UNAMID. Ich bin der festenberzeugung, dass es nicht sinnvoll ist, in einer Situa-ion, in der es keinen vereinbarten Friedensschluss gibt,ruppen in das Land zu schicken, die nicht klar wissen,as ihr Auftrag ist. Bei unserem Besuch im Sudan vorrei, vier Wochen wurde uns in Khartoum von einereihe von Gesprächspartnern bestätigt, dass man sichicht in solche Situation begeben sollte.
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Paul Schäfer
Zu UNMIS. Sie haben recht, dass es diesbezüglich ei-nen Diskussionsprozess innerhalb der Linken gibt. Mirwäre es sehr lieb, wenn auch in anderen Fraktionen überdiese Frage, bei der es um den Einsatz militärischer Mit-tel geht, so intensiv diskutiert würde und man sich mitder Entscheidung sehr schwer tun würde. Es wäre jaauch einmal interessant, wenn die Positionen von HerrnGauweiler und Herrn Wimmer in der Union ausführlicherörtert und hier zur Sprache gebracht würden.
Sie haben meine Position, die sich auch in meinemAbstimmungsverhalten niederschlagen wird, korrektwiedergegeben. Ich sage Ihnen aber: Mir ist es lieber,wenn sich eine Fraktion in dieser Frage verdammtschwer tut und sagt, dass sie selbst bei so kleinen Punk-ten aufpassen muss, nicht auf die schiefe Bahn zu gera-ten und dann zu denjenigen zu gehören, die zu Militär-interventionen immer wieder Ja sagen. Dass wir andieser Stelle erst einmal ein striktes und sehr fundamen-tales Nein sagen, ist mir verdammt sympathisch. Daswollte ich an dieser Stelle einmal gesagt haben.Danke.
Frau Müller.
Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):
Herr Kollege Schäfer, damit Sie mich nicht missver-
stehen: Ich finde diese Debatte absolut notwendig. Ich
denke, dass ich für alle hier sagen kann, dass wir es uns
bei den Mandatserteilungen und -verlängerungen nicht
leicht machen.
Es ist und bleibt eine Gewissensentscheidung. Jeder und
jede überlegt und wägt ab, was die richtige Entscheidung
ist, die man persönlich verantworten kann.
Noch einmal zu UNMIS und UNAMID. Da es hier
um eine Entscheidung im Einzelfall geht, verstehe ich
eines ganz am Ende Ihres wirklich sehr gut durchargu-
mentierten Briefes nicht. Hinsichtlich UNMIS schreiben
Sie dort, dass Ihnen aus fachpolitischer Sicht völlig klar
ist, dass man eigentlich zu einer Zustimmung kommen
müsste. Gleichzeitig schreiben Sie – ich zitiere Sie noch
einmal –:
Wir
– die Linke –
müssen … eine Form finden, wie wir unserer
grundsätzlichen Funktion als Antikriegspartei ge-
recht werden können …
Herr Schäfer, wenn es eine Einzelfallentscheidung ist,
dann erwarte ich, dass Sie im Einzelfall, wenn es wirk-
lich sachgerecht erscheint, auch zu einem Ja kommen
–
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das ist nämlich der kritische Punkt –, und das sollten
ie dann auch hier und in der Öffentlichkeit vertreten
nd nicht wieder aus innenpolitischen populistischen
ründen Nein sagen, weil man das am Fernseher besser
erkaufen kann und Lafontaine diese Parole ausgerufen
at. Das ist dann eben nicht mehr die individuelle Ge-
issensentscheidung, von der Sie gesprochen haben.
Ich gebe der Kollegin Ursula Mogg von der SPD-
raktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!m Ende dieser zuletzt doch noch recht spannenden De-atte möchte ich einige Punkte zusammenfassen. Ichange mit den letztgenannten Aspekten an.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linken, ichehme in vielen Debatten zur Kenntnis, dass es möglichst, mit Ihnen über schwierige Fragen im Bereich derußen- und Sicherheitspolitik und über den Einsatz mi-itärischer Kräfte zu diskutieren. Ich hatte gerade, als esm UNMIS und UNAMID ging, den Eindruck, dass diesöglich ist. Es geht nicht nur darum, die gigantische hu-anitäre Katastrophe im Sudan zu erkennen und zu ana-ysieren, sondern auch darum, die geeigneten Mittel zuinden, um dieses Problem zu lösen; das wurde heute be-eits angesprochen.
Ich möchte aus einem Papier zitieren, das den Deut-chen Bundestag vor circa zehn Jahren beschäftigt hat.arin heißt es:Unruhe und Not werden weiterhin große Teile derErde erschüttern. … Massenmigration als Folgevon Unterentwicklung, Überbevölkerung und Hun-ger oder als Folge von Krieg im Kampf um Gren-zen, Ackerland oder Wasser; die pandemische Aus-breitung von Krankheiten; Umweltzerstörung undKlimawandel.inige Vertreter der Wissenschaft sprechen davon, dassir im Sudan den ersten Klimakrieg erleben. Das hatuch die Weizsäcker-Kommission „Gemeinsame Sicher-eit und Zukunft der Bundeswehr“ in ihrem Papier for-uliert. Man kann annehmen, dass der Blick bereits da-als auf den Sudan gerichtet wurde. Vor diesemintergrund fordere ich sowohl Sie, liebe Kolleginnennd Kollegen von der Linken, als auch alle anderen auf,ehr als bisher zu tun, um den richtigen Weg zu finden.Worüber entscheiden wir heute? Wir entscheiden überen Einsatz von 75 Soldaten im Rahmen von UNMISnd von bis zu 250 Soldaten im Rahmen von UNAMID.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18737
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)Ursula MoggEs besteht eine Diskrepanz zwischen den festgelegtenObergrenzen und den tatsächlich eingesetzten Soldaten;das haben wir in der heutigen Debatte bereits gehört.Das hat nichts mit dem Willen der BundesrepublikDeutschland zu tun, sondern damit, dass wir nicht indem Maße gefordert werden, wie es im Mandat vorgese-hen ist. Dies hat auch etwas mit den Behinderungendurch die sudanesische Regierung zu tun. An dieserStelle müssen wir noch entschiedener arbeiten.Ich denke, dass es sehr wichtig ist, den deutschen Sol-datinnen und Soldaten, die im Sudan im Einsatz sind, andieser Stelle für ihre Arbeit und ihren Einsatz ein ganzherzliches Dankeschön zu sagen. Im August letzten Jah-res hatte ich die Gelegenheit, mich vor Ort über die Ar-beit und die Einsatzbedingungen zu informieren. Dortwird in der Tat eine schwierige und herausfordernde Ar-beit geleistet, um die Grenzziehung zwischen dem Nord-und dem Südsudan sowie den Status dieser ölreichen Re-gion zu klären.Es geht unter anderem um Bodenschätze. Die Situa-tion muss geklärt werden, damit wir unsere politischenAnalysen verbessern und in unserem Handwerk besserwerden können. Es geht auch um die Bekämpfung vonVölkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit undKriegsverbrechen. Das hat der Internationale Gerichts-hof festgestellt, als er den Haftbefehl gegen die sudane-sischen Staatspräsidenten erlassen hat. Auch daran wirddeutlich, worüber wir sprechen.Wenn man Mandate beschließt, die im Kern in derBreite unseres Parlamentes nicht umstritten sind – siesind nur ein kleiner symbolischer Beitrag, aber im Kernalternativlos –, dann sollte man meinen, dass das für einegroße Mehrheit eine gute Nachricht ist. Für die Men-schen im Sudan, die von einer gigantischen humanitärenKatastrophe bedroht sind, ist es aber nach wie vor keinegute Nachricht. An diese Menschen sollten wir in dieserStunde, in der wir im Deutschen Bundestag über dieMandate entscheiden, in besonderer Weise denken.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Druck-sache 16/10242 zu dem Antrag der Bundesregierung zurFortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscherStreitkräfte an der AU/UN-Hybrid-Operation in Darfur.Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag auf Druck-sache 16/10106 anzunehmen. Es ist namentliche Ab-stimmung verlangt. Ich weise die Kolleginnen undKollegen darauf hin, dass unmittelbar nach dieser Ab-stimmung noch eine namentliche Abstimmung stattfin-det. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Das ist der Fall.Ich eröffne die erste namentliche Abstimmung zu die-sem Tagesordnungspunkt.SmmsßDßDtmFmsDrkSDmfeDSsnDsßDßDtmtpGszWwDv5nJbv
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Wir stehen eine Woche vor der Konferenz zur Bewer-tung der Millenniumsentwicklungsziele der VereintenNationen in New York. Wir haben in unserem Weißbuch,das wir Ihnen vorgelegt haben, eine Darstellung der Per-spektiven der deutschen Entwicklungspolitik geleistet.Ich will deshalb nur drei dieser Millenniumsentwick-lungsziele besonders ansprechen.Zunächst will ich auf die Bekämpfung von HIV/Aids eingehen. Ich bin froh, dass die diesbezüglichenAnstrengungen Wirkung zeigen. Von 2001 bis 2007 istdie Zahl der HIV-Infizierten, die lebensverlängerndeMedikamente erhalten, von 200 000 auf 3 Millionen ge-stiegen. Durch den globalen Fonds zur Bekämpfung vonMalaria, Tuberkulose und HIV/Aids erhielten 40 Millio-nen Menschen Hilfe, und täglich werden 3 000 Menschenvor dem Tod gerettet. Darum sind die Bekämpfung vonHIV/Aids und die Stärkung der Gesundheitssysteme, zuder uns auch der Deutsche Bundestag in einer gemeinsa-men Initiative aufgefordert hatte, Schwerpunkt unsererPolitik.Ein zweiter Kernbereich wichtiger globaler Entwick-lungserfolge ist Bildung. Darum ist es gut, dass dieSchulbesuchsquote im Primarbereich in Subsahara-Afrika von 1999 bis 2005 um 36 Prozent gestiegen ist.Darum ist es gut, dass durch die Entschuldung der ärms-ten Entwicklungsländer 29 Millionen Kinder zusätzlichin die Schule gehen können. Darum fördern wir auch dieGrundbildung – das ist heute in der außenpolitischen De-ba1kpvwssS1s9TDciAmsVdGWuhteuddAdmM2–adugdDsDdBgdnel
ir helfen auch dabei, Krankenversicherungssystemend soziale Netze aufzubauen, damit Frauen die Chanceaben, bei der Geburt betreut zu werden.Unser Haushalt bildet einen Beitrag zu einer gerech-eren, friedlicheren und nur so nachhaltigen Welt-ntwicklung. Wir erfüllen die Zusagen von Gleneaglesnd haben den Beitrag für Afrika um über 44 Prozent iniesem Haushalt gesteigert. 85 Prozent der Steigerunger Verpflichtungsermächtigungen kommen Subsahara-frika zugute. Wir haben die Zusagen von Heiligen-amm gerade im Bereich Gesundheit eingehalten. Erst-als hat der globale Fonds zur Bekämpfung von Aids,alaria und Tuberkulose einen eigenen Titel mit00 Millionen Euro in unserem Haushalt. Wir förderndas habe ich eben angesprochen – den zivilen Wieder-ufbau Afghanistans mit weiteren 30 Millionen Euro,ie wir insbesondere für die Bekämpfung von Hungernd von Mangelernährung in diesem Land zur Verfü-ung stellen. Das heißt, allein unser Ministerium stocktie Mittel damit auf insgesamt 100 Millionen Euro auf.ie Bundesregierung erbringt einen Betrag von insge-amt 170 Millionen Euro für den zivilen Wiederaufbau.as ist eine große Anstrengung. Ich bedanke mich fürie Unterstützung gerade auch der Haushälter in diesemereich.
Ein weiterer wichtiger Bereich, in dem wir Steigerun-en haben, betrifft die Auswirkungen des Klimawan-els. Hier spielen wir eine Führungsrolle und verzeich-en einen Zuwachs von fast 25 Prozent. Wir haben fürinen besonderen Fonds, der schon jetzt den Entwick-ungsländern Zugang zu Finanzierungsmaßnahmen für
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Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeulerneuerbare Energien und Anpassungsmaßnahmen beider Weltbank geben soll, Verpflichtungsermächtigungenin Höhe von 300 Millionen Euro im Haushalt vorgese-hen. Ganz wichtig – ich weiß, da spreche ich auch inIhrem Sinne – sind die ländliche Entwicklung und dieErnährungssicherung. Für Nothilfe haben wir eine Stei-gerung um 40 Prozent. Wir haben übrigens den Verhand-lungsrahmen für die Wiederauffüllung des Internationa-len Fonds für Landwirtschaftliche Entwicklung, der einehervorragende Arbeit leistet, um 75 Prozent gesteigert,auch um einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung vonHunger und Unterernährung in Afrika zu schaffen.Ich hatte angekündigt, dass wir unsere Zusammen-arbeit mit China im Herbst dieses Jahres überprüfenwürden und die Zusammenarbeit und das Portfolio neupositionieren wollten. Wir halten unsere Kooperationmit den sogenannten Ankerländern – China ist eines da-von – für wichtig. Sie sind für die regionale und globaleEntwicklung von besonderer Bedeutung. In unserer Ko-operation wollen wir künftig chinesische Reformpro-zesse, insbesondere in den Bereichen Recht, Gesell-schaft und Klimaschutz, im Rahmen einer strategischenPartnerschaft der Bundesregierung gemeinsam mit allenRessorts, die in diesem Bereich tätig sein können, voran-bringen helfen. Im Rahmen einer solchen Dialogpartner-schaft werden wir sehr stark auf Beratung und denAusbau von Wirtschaftspartnerschaften setzen. Wir wol-len zugunsten dieses Dialogprozesses die klassische fi-nanzielle Zusammenarbeit beenden. Die Bundesregie-rung wird in China verstärkt PPP-Maßnahmen fördernund unterstützen.
Bekanntlich ist die Explosion der Nahrungsmittel-preise – ich habe es eben angesprochen – für die Armenbesonders dramatisch. Es darf nicht sein, dass angeblichsaubere Abgase auf der einen Seite der Welt wenigerEssen auf der anderen Seite bedeuten. Je nach Szenariowird bis 2020 zum Beispiel bei Mais mit Preissteigerun-gen von bis zu 72 Prozent gerechnet. Wir sagen: Agrar-treibstoffe sind nur dann verantwortbar, wenn sie diekleinbäuerliche Produktion nicht behindern und denländlichen Raum nicht abhängen.
Das ist unsere ganz klare Position, die wir gemeinsamvertreten.Auch wenn die Ölpreise mittlerweile ein Stück zu-rückgegangen sind, trifft die Ölpreisentwicklung die ar-men Länder besonders hart. Allein die ärmsten Entwick-lungsländer haben im Jahr 2008 einen zusätzlichenBetrag von 50 Milliarden US-Dollar für Importe von Ölleisten müssen. Das ist mehr, als sie offiziell im Rahmender Entwicklungszusammenarbeit erhalten. Deshalbsage ich: Niemand kann wollen, dass wirtschaftlicheEntwicklungen an unbezahlbaren Energierechnungenscheitern und Menschen zu Hungerrevolten getriebenwerden.ardiFcbuvEiz–vrdzEdihWrfSmzmcie5IdsJeimgUatusdalvh
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18740 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Dr. Maria FlachsbarthVolker KauderEckart von KlaedenJürgen KlimkeJulia KlöcknerJens KoeppenKristina Köhler
Manfred KolbeTDPEKKDhomas Rachelr. Peter Ramsauereter Rauenckhardt Rehbergatherina Reiche
laus Riegertr. Heinz RiesenhuberAnette Widmann-MauzKlaus-Peter WillschElisabeth Winkelmeier-BeckerDagmar WöhrlWolfgang ZöllerWilli ZylajewDr. Hans Georg Faust Schwenningen) Daniela Raab Ingo WellenreutherVizepräsidentin Dr. h. c. SIch komme zu den Tagesordzurück und gebe zunächst dasnen und Schriftführern ermittellichen Abstimmung über die BAuswärtigen Ausschusses zu dEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 565;davonja: 510nein: 43enthalten: 12JaCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AlbachPeter AltmaierDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck
Veronika BellmannDr. Christoph BergnerOtto BernhardtClemens BinningerRenate BlankPeter BleserAntje BlumenthalDr. Maria BöhmerJochen BorchertWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachKlaus BrähmigMichael BrandHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeMonika BrüningGeorg BrunnhuberCajus CaesarGitta ConnemannLeo DautzenbergHubert DeittertThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornDr. Stephan EiselAnke Eymer
KDEJDHDNERJPDUHMMMMDOHGUUMJBEPCRKFJAHSDDADBHSABusanne Kastner:nungspunkten 5 a und 5 b von den Schriftführerin-te Ergebnis der nament-eschlussempfehlung desem Antrag der Bundesre-gsDamslaus-Peter Flosbachr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisberhard Giengeralf Göbelosef Göppeleter Götzr. Wolfgang Götzerte Granoldermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grüttersr. Karl-Theodor Freiherrzu Guttenberglav Guttingolger Haibacherda Hasselfeldtrsula Heinenda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzehristian Hirteobert Hochbaumlaus Hofbauerranz-Josef Holzenkampoachim Hörsternette Hübingerubert Hüppeusanne Jaffke-Wittr. Peter Jahrr. Hans-Heinrich Jordanndreas Jung
r. Franz Josef Jungartholomäus Kalbans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard KasterNDHTMGDDDDADHKDPIEDPDSWDDFLMDPDMCSDHBMDFEHRUDSBRierung zur Fortsetzung der Betcher Streitkräfte an der AU/arfur bekannt, Drucksachenbgegebene Stimmen 546. Mitit Nein haben gestimmt 23, Echlussempfehlung ist damit anorbert Königshofenr. Rolf Koschorrekartmut Koschykhomas Kossendeyichael Kretschmerunther Krichbaumr. Günter Kringsr. Martina Krogmannr. Hermann Kuesr. Karl Lamers
ndreas G. Lämmelr. Norbert Lammertelmut Lampatharina Landgrafr. Max Lehmeraul Lehriederngbert Liebingduard Lintnerr. Klaus W. Lippoldatricia Lipsr. Michael Luthertephan Mayer
olfgang Meckelburgr. Michael Meisterr. Angela Merkelriedrich Merzaurenz Meyer
aria Michalkr. h. c. Hans Michelbachhilipp Mißfelderr. Eva Möllringarlene Mortlerarsten Müller
tefan Müller
r. Gerd Müllerildegard Müllerernd Neumann
ichaela Nollr. Georg Nüßleinranz Obermeierduard Oswaldenning Otteita Pawelskilrich Petzoldr. Joachim Pfeifferibylle Pfeiffereatrix Philipponald PofallaFJKDDAPAHDHDDKGBCAInDDBUWKMBTJJECGAMTLMHADAVAGMKMP
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r. Maria Flachsbarthlaus-Peter Flosbachr. Hans-Peter Friedrich
rich G. Fritzochen-Konrad Frommer. Michael Fuchsans-Joachim Fuchtelr. Jürgen Gehborbert Geisberhard Giengeralf Göbelosef Göppeleter Götzr. Wolfgang Götzerte GranoldHMMMMDOHGUUMJBEPCRKFJAHpfehlung ist damit eben-ermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grüttersr. Karl-Theodor Freiherrzu Guttenberglav Guttingolger Haibacherda Hasselfeldtschi Heinenda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskeneter Hintzehristian Hirteobert Hochbaumlaus Hofbauerranz-Josef Holzenkampoachim Hörsternette Hübingerubert HüppeManuel SarrazinElisabeth ScharfenbergEva Bulling-SchröterSevim DağdelenDDDas von den Schriftführerinnen und Schriftführern er-mittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung überdu
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18743
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Volker KauderEckart von KlaedenJürgen KlimkeJulia KlöcknerJens KoeppenKristina Köhler
Manfred KolbeNorbert KönigshofenDr. Rolf KoschorrekHartmut KoschykThomas KossendeyMichael KretschmerGunther KrichbaumDr. Günter KringsDr. Martina KrogmannDr. Hermann KuesDr. Karl Lamers
Andreas G. LämmelDr. Norbert LammertHelmut LampKatharina LandgrafDr. Max LehmerPaul LehriederIngbert LiebingEduard LintnerDr. Klaus W. LippoldPatricia LipsDr. Michael LutherStephan Mayer
Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzLaurenz Meyer
Maria MichalkDr. h. c. Hans MichelbachPhilipp MißfelderDr. Eva MöllringMarlene MortlerCarsten Müller
Stefan Müller
Dr. Gerd MüllerHildegard MüllerBernd Neumann
Michaela NollDr. Georg NüßleinFranz ObermeierEduard OswaldHenning OtteRita PawelskiUlrich PetzoldDr. Joachim PfeifferSibylle PfeifferBeatrix PhilippRonald PofallaRDTDPEKKDFJKDDAPAHDHDDKNGBCAInDDBWKMBTJJECGAMTLMHADAVAGMKMPGInAKWEDWWuprecht Polenzaniela Raabhomas Rachelr. Peter Ramsauereter Rauenckhardt Rehbergatherina Reiche
laus Riegertr. Heinz Riesenhuberranz Romerohannes Röringurt J. Rossmanithr. Norbert Röttgenr. Christian Rucklbert Rupprecht
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ermann-Josef Scharfr. Wolfgang Schäubleartmut Schauerter. Annette Schavanr. Andreas Scheuerarl Schiewerlingorbert Schindlereorg Schirmbeckernd Schmidbauerhristian Schmidt
ndreas Schmidt
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r. Andreas Schockenhoffr. Ole Schröderernhard Schulte-Drüggelteilhelm Josef Sebastianurt Segnerarion Seibernd Sieberthomas Silberhornohannes Singhammerens Spahnrika Steinbachhristian Freiherr von Stettenero Storjohannndreas Stormax Straubingerhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenans Peter Thulntje Tillmannr. Hans-Peter Uhlrnold Vaatzolkmar Uwe Vogelndrea Astrid Voßhofferhard Wächterarco Wanderwitzai Wegnerarcus Weinbergeter Weiß
erald Weiß
go Wellenreuthernette Widmann-Mauzlaus-Peter Willschilly Wimmer
lisabeth Winkelmeier-Beckeragmar Wöhrlolfgang Zöllerilli ZylajewSDGNIREDDKSSKDULVKCGDKWBEMUMDCMDDKMDGDSSHDPAEGRGDPSIGRADMKGAWWHBKAPDr. Lale Akgünerd Andresiels Annenngrid Arndt-Brauerainer Arnoldrnst Bahr
oris Barnettr. Hans-Peter Bartelslaus Barthelören Bartolabine Bätzinglaus Uwe Benneterr. Axel Bergte Bergothar Binding
olker Blumentritturt Bodewiglemens Bollenerd Bollmannr. Gerhard Botzlaus Brandnerilli Braseernhard Brinkmann
delgard Bulmahnarco Bülowlla Burchardtartin Burkertr. Michael Bürschhristian Carstensenarion Caspers-Merkr. Peter Danckertr. Herta Däubler-Gmelinarl Dillerartin Dörmannr. Carl-Christian Dresselarrelt Duinetlef Dzembritzkiebastian Edathyiegmund Ehrmannans Eichelr. h. c. Gernot Erleretra Ernstbergernnette Faßelke Fernerabriele Fograscherainer Fornahlabriele Frechenagmar Freitageter Friedrichigmar Gabrielris Gleickeünter Gloserenate Gradistanacngelika Graf
ieter Grasedieckonika Griefahnerstin Grieseabriele Gronebergchim Großmannolfgang Grotthausolfgang Gunkelans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannlfred HartenbachMNHDRDGGSGIrFEKCLBJJJUDUCHADWFKRENVADJHUDCCDWHGDLCKHMPUDUMDGFDTHJCDF
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18744 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18745
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Ich finde es positiv, dass Sie unsere Kritik aufgegrif-fen haben, was die Entwicklungshilfe an China angeht,auch wenn das – das darf man dann ruhig sagen – sehrlange gedauert hat. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.Darüber können wir vernünftig reden. Sie haben sich be-wegt. Bei den letzten Debatten hat sich das noch ganzanders angehört. Da wurde das aus der Koalition nochverteidigt. Sie haben sich bewegt, und das ist in Ord-nung.Respekt auch dafür: Sie haben für Ihren Etat enga-giert gekämpft. Sie haben mehr Mittel bekommen. Nur– da beginnt dann vielleicht doch meine Kritik, FrauMinisterin –: Mit Geld allein ist es bei der Entwick-lungshilfe nicht getan. Ich will das an einem Beispieldeutlich machen, weil ich da selber engagiert bin.Es geht um das Thema Demokratisierung. Ich denkeda an Kambodscha oder an Birma, das ja schon wiederaus dem Blickfeld verschwunden ist. Da waren wirplötzlich engagiert. Was geschieht dort weiter? Ich binfest davon überzeugt, dass wir – das gilt gerade fürBirma – mit Menschen sprechen müssen, die vielleichtnach diesem Regime kommen. Gibt es solche Menschendort? Haben wir die Kontakte? Ich bin fest davon über-zeugt, dass unsere Stiftungen dabei eine wichtige Arbeitleisten müssen. Wir müssen an solche Menschen heran-kommen, die eines Tages das Regime ablösen können.Es hat keinen Zweck, zu sagen: „Ich löse das Regimeab“, wenn ich dann nicht die entsprechenden Menschendafür habe.
Sie haben zu Recht hohe Preissteigerungen bei Le-bensmitteln thematisiert. Ich kann das, was Sie dazu ge-sagt haben, nur unterstützen.Ich will einen anderen Punkt ansprechen, der mirwichtig ist: Entschuldungsprogramme. GrundsätzlichbhDvkrwnssEtImsgsrmIadidnN„rIbdbbdd
n den Ländern, die wir so unterstützen, kann ich wenign Demokratie entdecken. Ich kann wenig von dem ent-ecken, was unsere Werte sind. Wir pumpen Geld direktn einen Haushalt hinein und haben noch nicht einmalie Kontrolle.
Ich will das an einem Beispiel deutlich machen. Es isticht von mir. Es gab ein sehr interessantes Interview imDR Info. Es bezog sich auf Kamerun. Auf die Frage:Was halten Sie von der Budgethilfe in Richtung Kame-un?“, sagte ein Kirchenvertreter:Dem Schwerpunktland der bilateralen Kooperationwurden für das zurückliegende Jahr 34 MillionenEuro zugesagt. Dieser jährliche Zuschuss soll bis2010 verdoppelt werden. Beobachter im Lande be-urteilen das sehr kritisch, weil das Geld nicht an be-stimmte Projekte gebunden ist, sondern direkt inden kameruanischen Staatshaushalt fließt. Zynikerfragen, warum die deutschen Steuermillionen nichtgleich in die Schweiz überwiesen werden. Schließ-lich verbringt Präsident Biya einen Großteil desJahres in einem Genfer Hotel statt in einem seinerpompösen Paläste in Kamerun.Nach Kamerun überweisen wir direkt Budgethilfe.ch bitte, solche Zahlungen wirklich zu überlegen.Sie haben jetzt mehr Geld bekommen. Nennen Sieitte auch konkrete Programme! Ich stelle nicht fest,ass Sie für all das Geld, das Sie mehr bekommen ha-en, konkrete Programme haben. Darüber werden wirei den Haushaltsberatungen weiter sprechen müssen.Vielleicht finde ich doch die Zustimmung der Sozial-emokraten, wenn ich einen Wunsch äußern darf, dennies ist ein Thema, das wir freien Demokraten bei allen
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Jürgen KoppelinHaushaltsberatungen der letzten Jahre angesprochen ha-ben. Ich meine den entwicklungspolitischen Freiwilli-gendienst. Ich bin sehr für diese Dienste, denn wir ha-ben schon zu unserer Koalitionszeit so etwas Positiveseingerichtet. Wie können Sie es zulassen, dass all dieseMenschen, die für vielleicht ein Jahr hinausgehen, keineAltersversorgung und Ähnliches haben? Sie haben dafürgesorgt, dass für jede Putzfrau eine Altersversorgung ge-macht werden muss. Für diese jungen Menschen, diesich draußen engagieren, tun Sie es nicht. ÜberprüfenSie das noch einmal! Wir haben auch andere sozialeDienste für junge Menschen. In anderen Ministerien ma-chen wir so etwas. Das ist mein Wunsch. Sie können da-von ausgehen, dass wir bei den Haushaltsberatungen mitgroßem Engagement und hoffentlich in gemeinsamerSache etwas für Ihr Haus tun. Wir werden uns jedenfallsbemühen.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Arnold Vaatz, CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr verehr-ten Damen und Herren! Frau Ministerin, zunächstmöchte ich mich uneingeschränkt dem Lob anschließen,das der Herr Kollege Koppelin für Sie zu formulierenwusste, denn ich halte es in der Tat für ein sehr wichtigesZeichen, dass beide Parteien der Großen Koalition inBezug auf die Menschenrechtssituation in China ein kla-res Zeichen gesetzt haben. Ich finde es auch gut, wie Sieauf die öffentliche Diskussion zu dem Thema Schwel-lenländer in unserer Entwicklungspolitik reagiert haben.Hierzu sage ich noch einmal: Mein Kompliment!Ich glaube, wir haben etwas Wichtiges zu konstatie-ren, wenn wir über den Entwicklungshilfehaushalt re-den. Bei der Veränderung der internationalen Land-schaft, bei der Veränderung des Charakters derinternationalen Herausforderungen, der Konflikte undder Art, wie sie ausgetragen werden, zeigt sich immerdeutlicher, dass die Entwicklungszusammenarbeit nachund nach zu einem unserer wichtigsten vertrauensbil-denden Instrumente in der Außenpolitik wird. Demzu-folge müssen wir ganz besonders sorgsam damit umge-hen. Es ist meines Erachtens ein außerordentlichwichtiges Signal, dass der Haushalt des BMZ zusammenmit dem der Bildungspolitik von allen unseren Berei-chen die höchste Steigerungsrate ausweist. Ich denke,das ist ein richtiges Zeichen. Ich denke allerdings auch,dass damit eine große Verantwortung verbunden ist.
Ernährungssicherung, globale Sozialstandards, welt-weiter Klimaschutz, Hilfe zur Selbsthilfe, insbesondereauch im landwirtschaftlichen Bereich, Unterstützung aufdem Weg zu Good Governance, Stabilisierung von Ge-stbnpfonwlnnDvwlmMEWkWdsmbMbvddVdAgSPmJlzlaADNnai
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008 18747
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tattdessen müssen wir die Lage im Land analysieren.ir müssen insbesondere den Rat der politischen Kräfte,ie wir unterstützen wollen, aus dem Land selbst einho-en, zur Kenntnis nehmen und ihn zur Grundlage unsererberlegungen machen. Das ist nicht allein eine Fragees Geldes; vielmehr ist es eine Frage der Einstellung,er Flexibilität und der Fantasie.Ich denke, Frau Ministerin, es wird uns in den nächs-en Wochen und Monaten glükken, dieses Problem lösenu helfen. Ansonsten hoffe ich, dass unser Haushalt auchn anderen Fragen eine gute Grundlage für die Arbeit imest der Legislaturperiode eröffnet. Ich will Sie bei allennseren Vorhaben, insbesondere bei der institutionelleneform, so weit, wie uns das möglich ist, unterstützen.
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Arnold Vaatz
Ich hoffe, wir kommen zu einem vernünftigen Ende.Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hüseyin-Kenan Aydin,
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Wir beraten heute über den Etat des Entwicklungs-hilfeministeriums für das Jahr 2009. Er soll um12 Prozent steigen. Das haben wir mit Freude zur Kennt-nis genommen.Herr Vaatz, die viel gelobte Frau Merkel hat in Heili-gendamm die Verpflichtung, die ODA-Quote bis zumJahr 2010 auf 0,51 Prozent und bis zum Jahr 2015 auf0,7 Prozent zu erhöhen, feierlich bekräftigt. Aufgrundder in den letzten beiden Jahren und derzeit geltenden0,37 Prozent – dies gilt im Jahre 2009 ebenfalls – wirdallerdings im Jahr 2010 festgestellt werden, dass dieseBundesregierung einen Wortbruch begangen hat, weildie vorgesehenen 0,51 Prozent mit der jetzt geplantenSteigerung des Etats nicht zu erreichen sein werden.Dementsprechend empfehle ich Ihnen, mehr Anstren-gungen zu unternehmen, damit die zugesagten Quotenerreicht werden, um glaubwürdig gegenüber den Ent-wicklungsländern zu sein.
Zudem ist es so – das habe ich von diesem Pult ausschon mehrfach kritisiert –, dass auf die ODA-Quote dieSchuldenerlasse, Studienplatzkosten für Studierende undsogar die Kosten für die Abschiebung unerwünschterAsylbewerber angerechnet werden. Ich halte das für ei-nen Skandal. Dies sollte die Bundesregierung dringendkorrigieren. Zumindest die Kosten für abgeschobeneAsylbewerber sollten nicht in die ODA-Quote einge-rechnet werden.
Die Entwicklungszusammenarbeit muss sich daranmessen lassen, ob sie tatsächlich eine Armutsverminde-rung erreicht. Die bisherigen Mittel und Instrumente be-wirken leider das Gegenteil. Das hat uns die Hunger-katastrophe in diesem Jahr ganz deutlich gezeigt. ZuBeginn dieses Jahres haben sich die Preise für lebensnot-wendige Grundnahrungsmittel wie Reis und Getreide innur drei Monaten verdoppelt, verdreifacht und vervier-facht.Was waren die Folgen? Ein direkter Anstieg der Zahlder Hungernden auf mehr als 900 Millionen Menschen,Hungerrevolten, Fluchtwellen und Angst vor einer unge-wissen Zukunft. Es ist mittlerweile unbestritten, dass esmdd1rMgbdtwsHpddvMEtHZtdpktFtMhkErzsAJpcwssFwDuMdkfiJtHm
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Dieses Projekt in der Türkei, das Menschenrechte ver-letzt, Sozialstandards ad absurdum führt und die Ursacheeines möglichen Krieges darstellt, muss endlich beendetwerden.
Ich kann keine Zwischenfrage mehr zulassen, da der
Kollege seine Redezeit bereits weit überschritten hat.
Wir werden im Rahmen der Haushaltsberatungen im
usschuss noch detaillierter über die Entwicklungszu-
ammenarbeit miteinander sprechen. Ich hoffe, dass die
undesregierung mit neuen nachhaltigen und kohären-
en Konzepten endlich viel mehr tut, um die Entwick-
ung in den armen Ländern so zu stabilisieren, dass Ar-
ut vermieden wird und Fluchtursachen ganz bekämpft
erden.
Danke schön.
Ich gebe das Wort dem Kollegen Thilo Hoppe, Bünd-
is 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!üsste ich meinen Kommentar zum vorgelegten Haus-altsentwurf in einem Slogan zusammenfassen, dannürde ich sagen: Gut, aber nicht gut genug. Wir erken-en an und begrüßen ausdrücklich, dass die entwick-ungsrelevanten Mittel um 800 Millionen Euro steigenerden. Doch es gilt: Versprochen ist versprochen, undersprechen muss man halten.
Ja, natürlich. Das ist klar.Das, was die Bundesregierung auf vielen Konferen-en versprochen hat, zum Schluss die Kanzlerin sehredienwirksam in Heiligendamm, würde bedeuten, dieittel Jahr um Jahr um 1 Milliarde Euro zu steigern.
Wir nehmen Sie da beim Wort und werden im Haus-altsverfahren Anträge einbringen, die die Kluft zwi-chen dem Versprochenen und dem tatsächlich Eingehal-enen zumindest etwas kleiner machen. Denn wenn wiro weitermachen wie bisher, dann wird die Lücke immerrößer. Die Europäische Kommission hat genau ausge-echnet, dass bereits in diesem Jahr 1,6 Milliarden Euroehlen. Wenn keine Kurskorrektur erfolgt, dann wird dieücke im nächsten Jahr bereits 3 Milliarden Euro betra-en. Der Regierung geht die Puste aus, und sie wird ihreersprechen nicht erfüllen können, da sie nicht dafürorgt, eine solide Finanzierung für die zugesagten Stei-erungen auf die Beine zu stellen.
Wir haben uns immer für einen Dreiklang ausgespro-hen, um die ODA-Mittel steigern zu können: höhereaushaltsmittel, weitere Entschuldung und – das ist jetztanz besonders wichtig – neue innovative Finanzie-ungsinstrumente. Sich dabei ausschließlich auf denmissionshandel zu stützen, wie das die Bundesregie-ung tut, wird nicht ausreichen. Es rächt sich, dass die
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Thilo HoppeKoalition es nicht geschafft hat, sich auf die Einführungeiner Flugticketabgabe zu einigen. Auch das Projekt De-visenumsatzsteuer hat sie wahrscheinlich ad acta gelegt.Eine Flugticketabgabe, wie sie die Franzosen bereitspraktizieren, würde allein 300 Millionen Euro pro Jahreinbringen. Wenn man eine Devisenumsatzsteuer ein-führen würde – ich weiß, das geht nur im Einklang mitvielen anderen Playern –, brächte ein Satz von nur0,005 Prozent Mehreinnahmen in zweistelliger Milliar-denhöhe.
Wir haben diese Vorschläge auf den Tisch gelegt.Wenn die Regierung unsere Vorschläge ablehnt – daskann sie tun –, muss sie aber Alternativen vorlegen
und deutlich machen, mit welchen Instrumenten undwelchen Finanzierungsmöglichkeiten sie diese Erhöhun-gen erreichen will. Oder seien Sie bitte ehrlich und sagenSie: Wir können uns nicht auf andere Finanzierungs-instrumente einigen, wir können uns die zusätzlichenMilliarden nicht aus den Rippen schneiden. Dann lässtsich aber das 0,7-Prozent-Ziel bis 2015 nicht erreichen.Wir stehen vor zwei riesengroßen globalen Heraus-forderungen, die wir nur stemmen können, wenn wirerstens deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, wennwir zweitens die Qualität der Entwicklungszusammen-arbeit entscheidend verbessern und wenn wir drittensendlich damit aufhören, Erfolge der Entwicklungszu-sammenarbeit durch krasse Fehlentscheidungen auf an-deren Politikfeldern, wie im Handels- und Agrarbereich,wieder zunichtezumachen. Wir haben da von den Kolle-gen einige Beispiele gehört. Ich nenne nur die Wieder-einführung von Agrarexportsubventionen für Schweine-fleisch. Das ist völlig kontraproduktiv zu dem, was wirin der Entwicklungspolitik machen.
Diese Inkohärenz muss beseitigt werden.Die beiden Megaherausforderungen sind der Klima-wandel und die Erreichung der Millenniumsziele. Durchdie sich dramatisch zuspitzende Welternährungskriseaufgrund der stark ansteigenden Preise sind wir geradebeim wichtigsten Millenniumsziel – der Halbierung derZahl der Hungernden – weit weg von der Erfolgsspur.Entwicklungspolitik kann nur dann erfolgreich sein,wenn sie Armutsbekämpfung und globalen Umwelt- undKlimaschutz konsequent zusammenbringt und nicht ge-geneinander ausspielt.Lassen Sie mich zum Klimawandel nur so viel sagen:Maßnahmen, die den Klimawandel eindämmen sollen,wie etwa große Programme zum Schutz der tropischenRegenwälder, können nicht allein aus den Etats der Ent-wicklungshilfeministerien finanziert werden. Es kannhöchstens ein Anfang sein, dass man Pilotprojekte aufden Weg bringt.SwdhgDnwwgfBvenKÖNgdWVmglsWgkzhlidnfnMüSbrAderdW
aben uns gegenüber unserem Koalitionspartner abereider nicht immer durchsetzen können. Schon damalsst die ländliche Entwicklung leider vernachlässigt wor-en.
Zur Bekämpfung des Hungers sind viele Maßnahmenotwendig. Dazu gehört die schnellstmögliche Abschaf-ung der Agrarexportsubventionen. Was diese Maß-ahme betrifft, werden wir Entwicklungspolitiker einereinung sein. Davon müssen wir eher die Agrarlobbyberzeugen.Weitere wichtige Punkte sind die Eindämmung derpekulation mit Lebensmitteln, die Einführung von ver-indlichen Menschenrechts- und Nachhaltigkeitskrite-ien für die gesamte Agrarpalette – nicht nur für diegrotreibstoffe, sondern auch für die Futtermittelpro-uktion, für Kaffee, Baumwolle usw. –, damit es nicht zuiner Flächenkonkurrenz kommt und das Recht auf Nah-ung nicht ausgehöhlt wird.Für uns Entwicklungspolitiker spielt insbesondere inen Haushaltsberatungen auch Folgendes eine Rolle:ir brauchen mehr Geld und bessere Konzepte für die
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Thilo Hoppeländliche Entwicklung. In diesem Bereich sind zwargroße Steigerungsraten zu verzeichnen, allerdings ausge-hend von einem sehr geringen Niveau. Bisher sind ge-rade einmal etwas mehr als 3 Prozent der bilateralen EZin den ländlichen Bereich geflossen. Jetzt sollen es5 Prozent werden.Die Hunger Task Force der Vereinten Nationen for-dert ein Zehn-zu-zehn-Abkommen, das wir mit Nach-druck unterstützen. Sie möchte, dass 10 Prozent der na-tionalen Entwicklungsetats in den Agrarsektor fließen.Allerdings sollten auch die afrikanischen Staaten ihreZusage, die sie auf einer Konferenz in Maputo gegebenhaben, einhalten und 10 Prozent ihrer nationalen Haus-haltsmittel in die Förderung des Agrarsektors stecken.
Zusammenfassend ist zu sagen: Wir fordern mehrMittel und tragfähige Konzepte für Ernährungssiche-rung, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung. Außer-dem fordern wir mehr Mittel für den zivilen Aufbau inAfghanistan; in den nächsten Wochen werden wir überdieses Thema noch viele Debatten führen. Wir fordernpro Jahr mindestens 200 Millionen Euro, um die großeDiskrepanz zwischen zivilen und militärischen Anstren-gungen ein wenig auszugleichen. Außerdem fordern wirmehr Geld für den Erhalt der tropischen Regenwälderund für Maßnahmen, die den Klimawandel aufhaltenund die biologische Vielfalt schützen.Um die Millenniumsziele zu erreichen und die Quali-tät sowie die Quantität der Entwicklungszusammen-arbeit zu verbessern, sind große Anstrengungen notwen-dig. Was die Qualität angeht, warten wir noch immer aufdie versprochene institutionelle Reform. Leider musstenund müssen wir mit ansehen, dass sie im Koalitionsstreitsteckengeblieben ist. Wir halten es für dringend notwen-dig, GTZ und KfW zu einer schlagkräftigen bundeseige-nen Entwicklungsagentur zusammenzuführen. Wir hof-fen, dass sich die Koalition auf den letzten Metern dochnoch einigt und sich zu einem entsprechenden Projektdurchringt.Wie ich sehe, läuft mir die Zeit davon. Allerdingsmöchte ich noch kurz darauf hinweisen, dass zur Quali-tät der Entwicklungszusammenarbeit auch gehört, dassdieses Haus zur Kenntnis nimmt, über was auf den gro-ßen Konferenzen, zum Beispiel auf der Konferenz inAccra, diskutiert wird. Denn die Diskussion über dieQualität klafft international und national weit auseinan-der.
In Accra – wir sind mit einer Delegation dort gewesen –haben alle Player – Nichtregierungsorganisationen, Ver-treter der Entwicklungsländer und Vertreter anderer Ge-bernationen – darauf hingewiesen, dass gerade die Mittelfür die Instrumente, die Sie sehr kritisch beurteilt haben,zum Beispiel die programmorientierte Gemeinschafts-finanzierung und die Budgethilfe, gesteigert werdenmüssten, natürlich nicht unkonditioniert.
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Es ist auch erfreulich, dass die Entwicklungszusam-enarbeit nicht nur in unserem eigenen Ressort, imundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeitnd Entwicklung, sondern auch in anderen Ressorts Fußasst und greifen kann. Ich halte es für wichtig, dass an-ere Ressorts in die Entwicklungszusammenarbeit ein-
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Dr. Bärbel Koflerbezogen werden. Das hat etwas mit Politikkohärenz undmit einem vernünftigen Mitteleinsatz in den verschiede-nen Ressorts zu tun. Es bedarf allerdings einer ordentli-chen Abstimmung der Ressorts untereinander und derErkenntnis, dass Entwicklungspolitik eine Querschnitts-aufgabe ist, die in allen Politikbereichen von enormerBedeutung ist.Lassen Sie mich zu einem Punkt Stellung nehmen,der sehr kritisch angemerkt worden ist. Das Thema derBudgethilfe geistert seit Wochen, Monaten und Jahrendurch unsere Debatten. Es ist erstaunlich, mit welcherHartnäckigkeit man manchmal an lieb gewordenen Vor-urteilen festhält, auch wenn man es besser wissenkönnte.
Ich beziehe mich auf eine Anfrage, die Herr KollegeKoppelin gestellt hat. In dieser fragt er die Bundesregie-rung zur Budgethilfe mit Kamerun, ob es richtig sei, dievon Ihnen zitierten 34 Millionen Euro bis zum Jahr 2010als Budgethilfe auszugeben. Die Bundesregierung ant-wortet mit Nein; dies treffe nicht zu. Die Bundesregie-rung erläutert detailliert, dass die gesamte Zusammen-arbeit mit Kamerun 34 Millionen Euro ausmache,22 Millionen Euro finanzielle Zusammenarbeit, 12 Mil-lionen Euro TZ. Im Rahmen der finanziellen Zusam-menarbeit sei dies eine Frage der sektoralen Budgethilfe;man muss hier sehr sauber trennen. Für die Forstpolitikwird geprüft, ob man das in diesem Bereich so umsetzenkann.Ich finde es unlauter, wenn mit Beispielen gegen dasInstrument der finanziellen Zusammenarbeit argumen-tiert wird, obwohl man ganz andere Zahlen, ganz andereInformationen und ganz andere Antworten vorliegen hat.
Das Gleiche gilt für die Frage, ob wir eine Budget-hilfe für Afghanistan leisten. Auch das tun wir nicht. Dasmöchte ich bei dieser Gelegenheit nur einmal feststellen.Vielleicht ist es notwendig, noch einmal einige Taktezum Thema der Budgethilfe generell zu sagen.
Niemand behauptet, dass Budgethilfe das allein seligmachende Mittel der Entwicklungszusammenarbeit ist.Das Ganze ist aber in einem internationalen Kontext mitPartnern abgestimmt worden. Herr Kollege Hoppe hatdie Diskussion auf internationaler Ebene geschildert.Die Budgethilfe ist ein vernünftiges Instrumentarium zurZusammenarbeit mit Ländern, die man auswählt und beidenen man genau prüft, ob mit ihnen eine solche Formder Zusammenarbeit möglich ist.
– Herr Kollege Addicks, ich habe gerade erläutert, waswir hinsichtlich Kamerun tun. Es wäre schön, wenn Sieirgendwann auch einmal zuhören würden.–ddUiwdsB–ufsanifWsadlFgdbKÜwszgsdzdgzKkz
Stellen Sie eine Frage, oder lassen Sie mich weiterre-en.
Unsere bilaterale Durchführungsorganisation sagt,ass dort ein ganz anderer und wesentlich entspannterermgang mit dem Thema Budgethilfe herrscht, als Siehn hier geschildert haben. Warum ist das so? Das ist so,eil die meisten Maßnahmen, die wir durchführen, or-entlich begleitet werden. In Kamerun gibt es zum Bei-piel einen Mitarbeiter der GTZ, der die Regierung imereich der Forstpolitik berät
die Kollegin Koczy und ich haben ihn kennengelerntnd mit ihm und dem Forstminister gesprochen – undür eine ordentliche begleitende Technical Assistanceorgt, wie das bei solchen Projekten, bei Projekten derllgemeinen und sektoralen Budgethilfe und bei soge-annten PGF-Programmen, im Allgemeinen auch üblichst.Was ist das Wesentliche an der Budgethilfe? Ichinde, man sollte den Dialog auf Augenhöhe suchen.as machen wir denn in der Entwicklungspolitik? Be-timmen wir, wie die Entwicklung in anderen Ländernuszusehen hat, weil wir alleine das Wissen haben undort Projekte auflegen? Haben wir so unsere Entwick-ungspolitik zu gestalten? Nein, das Gegenteil ist derall. Wir haben ein Instrumentarium, mit dem man auchemeinsam mit den Partnern notwendige Strukturverän-erungen angehen und besprechen sowie Strukturpolitiketreiben kann. Ich glaube, auch das ist ein wichtigesennzeichen moderner Entwicklungspolitik, die imbrigen vor zehn Jahren durch Rot-Grün eingeleitetorden ist.
Natürlich wird die Budgethilfe kontrolliert. Selbstver-tändlich ist es auch möglich, die Budgethilfe für Länderu beenden, wenn entsprechende Voraussetzungen nichtegeben sind:
iehe Nicaragua. Das ist eines der Beispiele.Ich denke, wenn wir über den Entwicklungshaushaltiskutieren, dann ist es ganz entscheidend, auch darüberu diskutieren, wie wir die Mittel verwenden wollen, wieie Entwicklungspolitik in den nächsten Jahren generellestaltet und strukturiert werden soll und welche Defi-ite man noch sieht. In Accra wurde aufgezeigt, dass dieoordination aller Beteiligten sicher verbessert werdenann: im Sinne von mehr Wirksamkeit und mehr Effi-ienz in der Entwicklungszusammenarbeit.
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Dr. Bärbel KoflerIch glaube aber auch, dass es an der Zeit ist, von rück-wärtsgewandten Ideen und Diskussionen, die in den Me-dien manchmal herumgeistern, in denen zum Beispielvon einer Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der bilate-ralen EZ und einer Übertragung dieser Befugnis auf diedeutschen Botschaften gesprochen wird, Abstand zunehmen, weil das einer Entwicklungspolitik, die sich alsStrukturpolitik im Zusammenwirken mit den Partnerlän-dern versteht, einfach nicht gerecht wird und weil manmit solchen Ideen nicht auf der Höhe der Zeit ist.
Wir brauchen ein Mehr an Dialog auf Regierungs-ebene, auf Parlamentsebene und zwischen den zivilge-sellschaftlichen Institutionen der Länder und ein Mehran Transparenz. Auch dafür kann mit der viel gescholte-nen Budgethilfe durchaus der eine oder andere Anreizgegeben werden. Wir brauchen beim Aufbau der Struk-turen eine Unterstützung unserer Partnerländer.In den Zeitungen war ein sehr schönes Zitat desStaatspräsidenten von Ghana darüber zu lesen, wie er dieEntwicklungszusammenarbeit sieht. Dort stand: Ent-wicklungszusammenarbeit muss die Kapazitäten vonRegierungen und Verwaltungen stärken und in den Emp-fängerländern ökonomische Muskeln aufbauen lassen. –Ich finde, das ist eine sehr richtige Aussage. Damit wirdausgesagt, dass nicht nur Veränderungen bei Projekten,die im Einzelnen sehr sinnvoll sein können – das möchteich nicht bestreiten –, sondern auch der Strukturen ange-gangen werden müssen, der Strukturen, die dazu führen,dass Menschen in Armut leben, die in den Ländernselbst nicht nachhaltig bekämpft werden kann. Hierfürmüssen wir geeignete Instrumentarien und geeigneteMittel finden.
– Um auf den Zwischenruf einzugehen: Die Wirtschaf-terländer kann man nur stärken, indem die Gesamtstruk-tur der einzelnen Länder in einem vernünftigen Maßegestärkt wird. Dazu müssen zuvor Verwaltungen ge-stärkt und ein Rechtssystem aufgebaut werden, die ver-nünftig funktionieren.Das kann man am Beispiel Ghana erkennen, wennman sich das dortige Justizwesen anschaut und sich dieDiskussionen über die Boden- und Landrechtsreform so-wie darüber anhört, welche begleitenden Beiträge manhier wirklich leisten kann, damit die Streitfragen in die-sem Land zum Wohle der Bürger beantwortet werdenkönnen und – das ist nichts Ehrenrühriges; dagegen hatja niemand etwas – damit in diesen Ländern später auchinvestiert werden kann.Im Rahmen der Debatte um den Strukturaufbausollte man den Blick auch auf Ruanda richten. Die Kol-legen, die an der Reise teilgenommen haben und viel-leicht mit einigen neuen Erkenntnissen nach Hause ge-kommen sind, können bestätigen, dass Ruanda ein Landist, das sehr viel dafür tut, seine eigenen Strukturen zuvtWVskdbtudfsswqbmbbwi–iSenLeBmt9Msdsagndfstlsbgdf
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18754 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Frau Kollegin Kofler, auch Sie muss ich an Ihre Re-
dezeit erinnern.
Ich komme zum Schluss und kann leider nicht mehr
über Afghanistan, über „weltwärts“ und über die Bil-
dung diskutieren. Das können wir nächste Woche ma-
chen.
Herr Kollege Aydin, wir haben einen besseren Antrag
vorgelegt als Sie. Damit befassen wir uns nächste Wo-
che.
Ich glaube, dass es sinnvoll ist, in der Entwicklungs-
politik endlich etwas anderes zu sehen als ein punktuel-
les Helfen in einzelnen Situationen. Wir müssen uns
vielmehr darauf konzentrieren, Entwicklungspolitik mit
Strukturpolitik zu verbinden, die notwendigen finanziel-
len Mittel zur Verfügung zu stellen, über einen intelli-
genten Instrumentenmix nachzudenken –
Frau Kollegin Kofler!
– und bei allen unseren Kollegen um Verständnis für
diese Änderungen in der Entwicklungspolitik zu werben.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Hellmut Königshaus, FDP-
Fraktion.
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Deshalb lehnen wir auch entsprechende Quoten ab.an kann beispielsweise nicht davon ausgehen, dassrundsätzlich 66 Prozent der finanziellen Hilfe als Bud-ethilfe zu gewähren sind – das ist eine der Zahlen, diem Raum stehen –, weil das auf irgendeiner Konferenzeschlossen worden ist. Ich weiß aber, dass in6 Prozent der Fälle die Voraussetzungen nicht erfülltind. Es ist doch Unfug, eine solche Quote festzusetzen.an muss jeweils im Einzelfall prüfen, ob die Voraus-etzungen gegeben sind und ob die Budgethilfe nötig ist.arum geht es uns.Deshalb müssen wir an dieser Stelle sagen, dass wiralsch liegen, wenn wir davon ausgehen, dass wir eineuote – egal welche – erreichen müssen. Das gilt imbrigen auch für die Quotenversessenheit der EU, dieir für genauso verfehlt halten.
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Hellmut KönigshausWenn wir Sie also dafür loben, dass Sie einen Haus-halt aufgestellt und durchgesetzt haben, der einen stattli-chen Umfang hat, dann müssen wir aber auch hinzufü-gen, dass es in diesem Haus leider immer noch einefalsche Schwerpunktsetzung gibt. Wir wissen das, undwir haben mit großer Freude zur Kenntnis genommen,dass Sie derzeit dabei sind, das Ankerländerkonzept undauch die finanzielle Hilfe für China unter diesem Ge-sichtspunkt zu prüfen.China ist ein griffiges Beispiel, über das wir immerwieder reden müssen, insbesondere wenn es um die Re-lation zu anderen Bereichen geht. Wenn wir bei derODA-Quote die Hilfeleistungen an China zusammen-rechnen – die neuesten Zahlen liegen noch nicht vor;aber die letzte gemeldete Zahl betrug etwa 200 Millio-nen Euro –, dann müssen wir feststellen: Gemessen da-ran ist das, was wir für ein strategisch so wichtiges Landwie Afghanistan ausgeben – das haben wir heute mehr-fach gehört –, einfach zu wenig. Wir erkennen zwar an,dass ein Aufwuchs bei den Mitteln für Afghanistan statt-findet. Das reicht aber überhaupt nicht aus, insbesonderenicht im Vergleich zu anderen Ländern. Wir bitten Siedaher, eine Überprüfung vorzunehmen.Wir sind sicherlich sehr froh, dass einiges in dieserRichtung passiert ist. Aber die 30 Millionen Euro Nah-rungsmittelhilfe beispielsweise sind auf dieses Jahrbegrenzt. Sollen die Menschen also nicht dieses Jahr,sondern erst nächstes Jahr verhungern? Das kann nichtrichtig sein. Das spricht doch für einen dauerhaften Auf-wuchs. Wie ist es beispielsweise um das Verhältnis vonmilitärischen und anderen Sicherungsmaßnahmen zurkonkreten Aufbauhilfe bestellt? Wir sichern in Afgha-nistan militärisch, um aufbauen zu können. Also kann esnicht sein, dass wir nur minimal aufbauen, während wirgleichzeitig mit enormem Aufwand sichern. Umschnellstmöglich wieder abziehen zu können, müssenwir den Aufbau voranbringen; das ist doch das Ziel.Sie halten uns immer entgegen, das Land sei gar nichtaufnahmefähig. Ich war vor einigen Wochen mit demAußenminister dort. Wir haben ganz gezielt – ich bindem Außenminister dankbar, dass er sich dieser Sachemit solchem Nachdruck gewidmet hat – nach Projektengeschaut, die man zusätzlich und unmittelbar in Angriffnehmen könnte. Wir mussten nicht lange suchen, umwelche zu finden: Stromtransportstrecken, Staudämme,Straßen, landwirtschaftliche Unterstützung, Kleinhandelund Kleingewerbe, Mikrofinanzierung und vieles anderemehr. All das sind Bereiche, in denen wir zusätzlicheHilfe leisten können.
Frau Präsidentin, ich sehe mit tiefem Bedauern, dassmeine Redezeit zu Ende geht. Wenn Sie gestatten unddulden, erlaube ich mir noch eine Schlussbemerkung.Ich freue mich, dass das Ministerium zu einer Verän-derung der Betrachtungsweise gekommen ist. Ich mussallerdings der Kollegin, die nicht fertig wurde, obwohlsie mehr Zeit hatte, sagen: Auch hier müssen wir einigesvvuDAwvlwCzupOwvatgrssdeQwwzQ
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18756 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 175. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. September 2008
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Niemand, auch ich nicht, hat behauptet, dass die Mittelaus dem Haushalt des BMZ kommen. Ich habe nur diestaatlichen Leistungen Deutschlands für China denen fürAfghanistan gegenübergestellt. Diese Gegenüberstellungist korrekt, und deshalb verstehe ich überhaupt nicht,warum Sie sich darüber aufregen. Niemand hindert ins-besondere die Bundesländer daran, ihrerseits für afgha-nische Studenten unterstützend entsprechende Kapazitä-ten zur Verfügung zu stellen.Mir geht es darum, deutlich zu machen, dass wir zuwenig für Afghanistan tun, aus welchen Gründen auchimmer.
Sie sind diesbezüglich nicht nur durchsetzungsfähig,sondern manchmal fast an der Grenze zum Starrsinn.Wir könnten mehr für Afghanistan tun. Ich verstehe nachwie vor nicht, warum Sie sich dieser Forderung, die wirheute und bei jeder Diskussion über Afghanistan vonverschiedenster Seite hören, verschließen. Es gibt Pro-jekte. Wir könnten mehr tun, und wir könnten eine an-dere Schwerpunktsetzung wählen.Danke schön.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Dr. Christian Ruck, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Auch als letzter Redner möchte ich noch einmal beto-nen, dass die Bundesregierung mit dem Haushaltsansatz2009 erneut die Bedeutung der Entwicklungspolitik alsInstrument für eine friedliche und nachhaltige Entwick-lung in unserer Welt unterstreicht, und zwar sowohl alsBeitrag unseres Landes zur Linderung von Not undElend in anderen Ländern und Kontinenten als auch alsBeitrag für die Sicherheit und das Wohlergehen der Bür-ger in unserem eigenen Land, in Deutschland.Der Haushalt geht mit seinen Hauptaugenmerken aufdie besonderen internationalen Herausforderungen ein:die Stabilisierung und Transformation fragiler Staaten,Ernährungssicherheit, bessere Gesundheit, Klimawandelund das Auseinanderdriften von Arm und Reich. Zumvierten Mal in Folge steigt der Haushalt unter Bundes-kanzlerin Angela Merkel weit überproportional an. Mitt-lerweile haben wir ein Wachstum des Haushalts um dieHälfte des Betrags von 2005 erreicht. Dazu kommennoch Mittel im Rahmen der ODA-Quote, zum Beispielaus dem Auswärtigen Amt und dem BMU.HsrWwdamdgagKggbslmslwUBMsb1b5wsAlDjdageusewSr–inkn
Herr Hoppe, ich verstehe nicht die Diskussion über diennovativen Instrumente. Ich denke, es kann auch Ihnenicht entgangen sein, dass wir – auch die Umweltpoliti-er der Union waren daran maßgeblich beteiligt – ein in-ovatives Finanzierungsinstrument haben, nämlich den
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Dr. Christian RuckEmissionshandel. Es gibt kein besseres Instrument, Um-weltpolitik mit Entwicklungspolitik zu verbinden, alsden Emissionshandel. Es kann auch Ihnen nicht verbor-gen geblieben sein, dass die Einnahmen aus diesemEmissionshandel Jahr für Jahr steigen.
Da haben Sie ein innovatives Instrument. Deswegen sindIhre Anmahnungen überflüssig.
Ich möchte auch bestätigen, dass wir weiter für dasWachstum der EZ kämpfen werden. Genauso wichtig istaber, das wir uns ständig fragen, ob die Qualität und dieEffizienz stimmen.
In diesem Zusammenhang ist die Doha-Runde einwichtiger Punkt. So viel wie mit einer erfolgreichenDoha-Runde – erfolgreich auch für die Entwicklungslän-der – kann man mit Entwicklungshilfe gar nicht direkterreichen. Hier kommt es auch darauf an, dass wir un-sere Hilfe für eine bessere Handelspolitik, für einen bes-seren Süd-Süd-Handel und vieles andere mehr in diesemHaushalt umsetzen.Ich denke an die Ergebnisse der Konferenz von Accra– oder auch an die Nichtergebnisse –, und ich denke da-ran, dass wir eine weitere, vielleicht noch wichtigereKonferenz in wenigen Wochen, auch in Doha, vor unshaben. Diese betrifft die Harmonisierung und Koordinie-rung und die Effizienz im internationalen Bereich. Es istein Gebot der Stunde, dass in der internationalen Politikendlich mehr Ordnung in das wachsende Chaos vonstaatlichen, internationalen, halbstaatlichen und privatenGeberstrukturen kommt. Es ist kontraproduktiv, dassmanche Länder inzwischen von einer Unzahl von ver-schiedenen Helfermissionen völlig überfahren werden.Diese Ordnung hineinzubringen, ist noch viel wichtigerals die Frage, wie viel Geld es mehr im Haushalt gibt.Auch bei der Budgethilfe muss sich jeder fragen, obdiese für die Politik, die wir betreiben, ein Gewinn istoder nicht. An dieser Frage kann man sich locker ent-langhangeln, wenn man sauber diskutiert. Man mussdarüber diskutieren, was der Rechnungshof gesagt hat,welche positiven und welche negativen Beispiele es gibt,und dann können wir Kriterien aufstellen. Ich glaube,das ist eine ganz saubere Methode.Was ich aber nicht will, ist erstens, dass Budgethilfedann zum Katalysator wird, wenn man Abflussproblemehat – das ist geradezu irrsinnig –,
und zweitens, dass man sagt: Das ist inzwischen gängigePraxis im Ausland. Das ist für mich auch kein Argu-ment;
denn gerade die Praxis in Europa ist für mich eher ab-schreckend als ein gutes Beispiel.buhzminfSlRsmwumBmovzmsmtmewkikgekabawSuMDRIsnads
Das Gleiche gilt für Pakistan. Pakistan wird vonanchen als ein noch größeres Risiko als Afghanistaningeschätzt. Auch hier müssen wir uns gut überlegen,as wir zusätzlich machen. Für mich gibt es einen ganzlaren Zusammenhang zwischen der Stärke der Talibann den Nordwestprovinzen und der hohen Arbeitslosig-eit, die dort seit vielen Jahren herrscht und die immerrößer wird. Auch das ist für uns Entwicklungspolitikerin Hinweis auf das, was man in Pakistan zusätzlich tunönnte.Ich möchte im Rahmen dieser Haushaltsdebatte nochuf etwas zu sprechen kommen, was uns gerade im Hin-lick auf Afghanistan, Pakistan, aber auch Afrika sehrm Herzen liegt: Es kommt entscheidend darauf an, ent-icklungsfeindliche politische und gesellschaftlichetrukturen zu überwinden
nd unsererseits Impulse zu setzen, dass dies aus deritte der jeweiligen Gesellschaften selbst geschieht.azu brauchen wir Instrumente, auch im vorpolitischenaum, die besser sein müssen als die bisherigen. Solchenstrumente sind zum Beispiel unsere Stiftungen, die anolchen Nahtstellen ganz entscheidend arbeiten. Da kön-en wir noch viel mehr tun. Wir können in mehr Ländernrbeiten und auch konzentrierter zu Werke gehen. Ichenke an die Kirchen, die völlig recht haben, wenn sieagen: Uns geht es nicht um die jeweiligen Länder, son-
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Dr. Christian Ruckdern um die Individuen in den jeweiligen Ländern selbstund auch um Partnerschaften in der Wirtschaft.Für meine Fraktion sage ich: Ich habe keine Berüh-rungsängste, auch mit der deutschen Wirtschaft vielmehr zu arbeiten, und zwar aus zwei Gründen: Erstens.Wir können in der Öffentlichkeit sagen, dass unsere Ent-wicklungszusammenarbeit auch Arbeitsplätze im Inlandsichert. Das ist so.Zweitens. Ich glaube, wir könnten Synergien herstel-len, indem wir zusammen mit der Wirtschaft viel mehr– zum Beispiel PPP-Projekte, aber auch anderes – aufdie Beine stellen. Wir können es uns nicht leisten, dieseSynergien einfach außen vor zu lassen.
Herr Kollege Ruck!
Jawohl, ich weiß, was Sie sagen wollen. Ich schaue,
dass ich zum Schluss komme.
Wir werden in den Beratungsverfahren, die wir jetzt
Herr Kollege Ruck, ich wollte heute eigentlich nicht
mehr abendfüllend diskutieren.
Jetzt wünsche ich allen einen schönen Abend.
Danke.
Ich wünsche Ihnen, Frau Präsidentin, ausdrücklich ei-
nen schönen Abend.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
vor uns haben, auf die Punkte, die ich genannt habe,
noch eingehen. Ich bin sicher, wir werden uns auch mit
unseren Kollegen von der SPD wieder gütlich einigen.
Wir werden natürlich an einer besseren Verknüpfung
der einzelnen Instrumente festhalten. Wir werden natür-
lich auch einen Dauerbrenner diskutieren: bilateral, wo
möglich, und multilateral, wo sinnvoll und notwendig.
Darüber können wir abendfüllend diskutieren. Wir wer-
den das tun. Darauf freue ich mich schon jetzt.
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G
M
(D
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Donnerstag, den 18. September
008, 9 Uhr, ein.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen, unseren
ästen auf der Tribüne und den Mitarbeiterinnen und
itarbeitern noch einen schönen Abend.
Die Sitzung ist geschlossen.