Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Wir sollten mit unserer heutigen Debatte nicht begin-nen, ohne uns ein Ereignis zu vergegenwärtigen, dasdieses Datum noch auf lange Sicht prägen wird. Am heu-tigen Tage jähren sich die Terroranschläge vom11. September 2001 zum zweiten Mal. Alle hier imRaum werden sich noch daran erinnern, wie fassungsloswir waren, als wir von den schrecklichen Ereignissen inNew York und Washington erfuhren. Wir denken heutean die über 3 000 Menschen, die Opfer dieser verbreche-rischen Taten wurden. Unser besonderes Mitgefühl giltden Angehörigen und Überlebenden, die noch viele Jahrebrauchen werden, um das Unfassbare zu verarbeiten.Der 11. September erinnert uns daran, welche Folgengewalttätiger Fanatismus haben kann. Er verpflichtet unsweiter zur Bekämpfung des politischen Terrorismus undzur Verteidigung unserer freien Gesellschaften, wie derBundestag mehrfach unterstrichen hat. Unser Ziel mussdabei auch sein, solchen Bewegungen weltweit denNährboden zu entziehen und die Versöhnung zwischenVölkern, Volksgruppen und Religionen zu befördern.Nun kommen wir zum Alltagsgeschehen. Die Frak-tion der SPD teilt mit, dass der Kollege Dr. Peter StruckZRedetals stellvertretendes Mitglied aus dem Stiftungsrat derKulturstiftung des Bundes ausscheidet. Als Nachfolgerwird der Kollege Eckhardt Barthel vorge-schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre kei-nen Widerspruch. Dann ist der Kollege Barthel als stell-vertretendes Mitglied in den Stiftungsrat derKulturstiftung entsandt.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll dieTagesordnung bei der Beratung des Einzelplanes 09– Wirtschaft und Arbeit – um die in einer Zusatzpunkt-liste aufgeführten Punkte erweitert werden:ZP 7 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zurSicherung der Existenzgrundlagengrundlagengesetz – EGG)– Drucksache 15/1523 –
– Drucksache 15/1527 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussVerteidigungsausschussextAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschussZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten DirkNiebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Daniel Bahr
, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDP: Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe beschäftigungsfördernden kommu-zialgeld zusammenführensache 15/1531 –
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gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dietSm2
regierungFinanzplan des Bundes 2003 bis 2007– Drucksache 15/1501 –Überweisungsvorschlag:HaushaltsausschussIch erinnere daran, dass wir am Dienstag für die heu-ige Aussprache acht Stunden und für morgen eineinhalbtunden beschlossen haben.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Wirtschaft und Arbeit.Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte 2 a undb sowie die Zusatzpunkte 7 bis 9 auf:2 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes fürmoderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt– Drucksache 15/1515 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOb) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes fürmoderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt– Drucksache 15/1516 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung
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Präsident Wolfgang ThierseAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOZP 7 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
– Drucksache 15/1523 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GOZP 8 Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur
– Drucksache 15/1527 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für TourismusAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionAusschuss für Kultur und MedienHaushaltsausschussZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten DirkNiebel, Dr. Heinrich L. Kolb, Daniel Bahr
, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der FDPArbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einem be-schäftigungsfördernden kommunalen Sozial-geld zusammenführen– Drucksache 15/1531 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungduHsdaEjawtVnAsIDmdkjissBlvtgDgensEUgewsdEws
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Deshalb ist mein Appell an die Mitglieder der Oppo-sition und an den Bundesrat: Sorgen Sie mit uns gemein-sam dafür, dass Bürgerinnen und Bürger und Unterneh-men endlich Klarheit bekommen! Ein taktisches „Ja,aber“, wie ich es während der letzten beiden Tage wahr-genommen habe, reicht als Stellungnahme der Opposi-tion nicht aus. Das ist kontraproduktiv.
Meine Bitte an die Opposition ist – das ist in Anbe-tracht der Stimmungslage zurzeit fast das Wichtigste –:Bekennen Sie sich zu dieser Politik der Steuersenkun-gen! Geben Sie damit den Weg für den wirtschaftlichenAufschwung frei!
Die Logik der Agenda 2010 ist mehr als eine behut-same Neujustierung unserer sozialen Sicherungssys-teme. Darum geht es auch. Das bewegt uns in vielenDiskussionen. Insgesamt geht es darum, durch ein Bün-del von Maßnahmen, durch die Steuerreform und dieSteuersenkungen, wie dargestellt, Dynamik und Initia-tive freizusetzen. Es geht um die Verbesserung der kom-munalen Finanzlage, damit die Kommunen wiederinvestitionsfähig werden. Deshalb hat die Bundesregie-rung ein Konzept mit einer Entlastung der Kommunen,einer Stärkung ihrer Einnahmesituation und einer Entlas-tung im Ausgabensektor von 5 Milliarden Euro ab demJahr 2005 und 4,5 Milliarden Euro ab 2004, vorgelegt.Auch deshalb brauchen wir eine Reform der sozialenSicherungssysteme.Wenn wir über die Freisetzung von Dynamik und Ini-tiative sprechen, dann geht es auch um die Liberalisie-rung der Gütermärkte und der Dienstleistungsökonomie.Deshalb haben wir die Regelungen zum Ladenschlussweiter geöffnet, was offensichtlich nicht ohne Erfolg ist.Deshalb müssen wir Bürokratie abbauen. Deshalb habenwir beispielsweise die Arbeitsstättenverordnung geän-dert. Wir gehen davon aus, dass wir im Bundesrat dieZustimmung dafür finden, dass wir nicht mehr jeder Un-ternehmerin und jedem Unternehmer vorschreiben, wel-cnztdarsvuDknVzbtumPIenmswumIMsvaufuBBaeFEctBn
Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass es ineutschland eine tief greifende Debatte darüber gebenann, einfache handwerkliche Tätigkeiten – das sindach der Rechtsprechung solche, die man binnen einesierteljahres erlernen kann – unter bürokratische Kuratelu stellen. Frau Kollegin Merkel, es ist schwer vorstell-ar, dass Sie dies tatsächlich wollen.
Wenn wir über Dynamik und das Anstoßen von Initia-ive reden, dann müssen wir auch über eine wachstums-nd verbraucherfreundliche Organisation der Finanz-ärkte sprechen. Die Netzökonomie im Bereich derost, der Telekommunikation sowie im Bereich dernformations- und Kommunikationstechnologien mussbenfalls wachstumsorientiert gestaltet werden. Das gilticht zuletzt für die Energiewirtschaft.Es geht ferner um eine Stärkung der Finanzbasis derittelständischen Wirtschaft. Die mangelnde Finanzba-is ist eines der Hauptprobleme, mit dem wir es gegen-ärtig zu tun haben. Im Übrigen ist dies ein Problem,m das sich die Kreditwirtschaft in Deutschland küm-ern muss und mit dem die Politik als Letzte zu tun hat.ch appelliere eindringlich an die Kreditwirtschaft, allesögliche zu tun, um den Rückstand aufzuholen, den un-ere mittelständische Wirtschaft im Bereich der Kredit-ergabe und der Eigenkapitalstärkung im Vergleich zunderen Volkswirtschaften derzeit hat.
Es geht natürlich auch – das ist heute das Kernstück –m eine wachstums- und beschäftigungsfördernde Re-orm des Arbeitsmarktes. Es geht um eine Stabilisierungnd eine qualitative Weiterentwicklung der dualenerufsausbildung sowie um eine Modernisierung deserufsbildungsrechts. Es geht nicht zuletzt – das wird annderer Stelle noch sehr viel intensiver diskutiert – umine wesentlich stärkere Förderung von Wissenschaft,orschung und Entwicklung in Deutschland und in ganzuropa. Diese ist notwendig, wenn wir das Ziel errei-hen wollen, diese Region zur wachstums- und innova-ionsstärksten Region der Welt zu machen.Dass wir mit den angesprochenen Reformen, die einündel von Maßnahmen enthalten, die weit über das hi-ausgehen, was landläufig diskutiert wird, auf dem rich-
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Bundesminister Wolfgang Clementtigen Weg sind, zeigen nach meiner Meinung die jüngs-ten Prognosen. Es ist zwar richtig, dass es sich imWesentlichen um Stimmungsindikatoren handelt. Aberdie realwirtschaftlichen Daten werden, wenn nicht allestäuscht, in Kürze nachziehen.Die ersten Institute haben bereits begonnen – seit ichim Amt bin, ist es das erste Mal –, ihre Prognosen für2004 nach oben zu korrigieren. Das gilt beispielsweisefür das Hallenser Institut für Wirtschaftsforschung, dasdie Wachstumserwartungen für das Jahr 2004 von 1,7 auf1,8 Prozent erhöht hat. Das gilt für das Ifo-Institut, dasseine Wachstumserwartung von 1,5 auf 1,7 Prozent er-höht hat. Das gilt auch für das RWI, das im Juli einWachstum von 1,8 Prozent für das nächste Jahr prognos-tiziert hat. Angesichts dieser Zahlen frage ich mich: Wel-cher Sinn soll darin liegen, die positiven Wachstums-erwartungen für Deutschland – die Bundesregierunggeht im Übrigen von einem Wachstum in Höhe von2 Prozent im nächsten Jahr aus – zu zerreden und perma-nent infrage zu stellen?
Was sollen eigentlich diese ständigen Versuche, mit-hilfe von Prognosen und anderen Kunstgriffen die Situa-tion in Deutschland möglichst noch schwieriger zu re-den, als sie tatsächlich ist? Ich jedenfalls stelle fest – fürandere scheint das fast schmerzhaft zu sein –, dass diePrognosen für das nächste Jahr ein kräftiges wirtschaft-liches Wachstum ankündigen.
– Mit Frau Kollegin Scheel würde ich gerne darübersprechen. Ich habe ihre Erwiderung im Bundestag nichtverstanden. Ich würde ihr gerne klar sagen, dass ichnicht verstehe, wie sie zu dieser Interpretation gekom-men ist.
So ist eben das Leben.
– Selbstverständlich diskutiere ich mit Ihnen mit beson-derem Vergnügen. Aber Ihre Äußerungen sind sehr „flä-chendeckend“. Sie müssen also schon erlauben, dass ich„flächendeckend“ darauf eingehe.
Sie von der Opposition reden so. Darin liegt der Un-terschied: Frau Kollegin Scheel hat versucht, ihre Äuße-rung zu interpretieren. Das tun Sie aber nicht. Wenn Sieso weit wären, wären wir einen großen Schritt weiter.
Im Kern geht es bei allen Strukturreformen darum,die innovativen Kräfte freizusetzen, die in der Eigenini-tiative und im Wettbewerb stecken. Wir müssen dieseKräfte für die Zukunft unseres Landes mobilisieren. Da-rmmUsAadgIßdIhdbintauLBimMbgmDbtrwWMdisbzdddaeKu
ass Menschen den Mut haben, den Weg aus der Ar-eitslosigkeit in die Selbstständigkeit zu gehen – das be-achte ich als eine wesentliche Veränderung –, solltenir fördern.
ir wissen, dass von den Existenzgründungen dieserenschen, die aus der Arbeitslosigkeit in die Selbststän-igkeit gehen, etwa zwei Drittel bestehen bleiben – dast die Erfahrung, die wir im Rahmen des Über-rückungsgeldes gemacht haben – und dass dadurchwei, drei oder vier Arbeitsplätze entstehen. Deshalb isties als eine der wichtigsten Antworten zu bezeichnen,ie wir auf die Herausforderungen geben können, dieurch die Arbeitslosigkeit entstehen. Meine Bitte istuch hier, nichts zu zerreden, sondern die Menschen zurmutigen, solche Wege zu gehen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage desollegen Niebel von der FDP-Fraktion?Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftnd Arbeit:Bitte sehr, Herr Kollege Niebel.
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Vielen Dank. – Herr Minister, würden Sie mir zustim-men, dass das hervorragende Instrument des Überbrü-ckungsgeldes, das es bereits gab, als ich 1990 in dieBundesanstalt für Arbeit eingetreten bin, nicht ein Er-gebnis der Hartz-Gesetzgebung ist? Würden Sie mirweiterhin zustimmen, dass es Minijobs schon gegebenhat, bevor Rot-Grün die Regierung übernommen hat,und dass es in der Haltung dieser Regierung eine Verän-derung im Vergleich zur Frühphase der ersten Legisla-turperiode gegeben hat?
Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaftund Arbeit:Wenn es Sie beruhigt, Herr Kollege, bestätige ich Ih-nen dies, allerdings mit dem Hinweis, dass Sie, andersals wir, die Menschen nicht ermutigt haben, den Weg indie Selbstständigkeit zu gehen. Das haben wir mit derIch-AG getan.
– Herr Kollege Hinsken, ich lebe in Deutschland, mittenin Nordrhein-Westfalen. Das ist ein ziemlich starkesLand. Ich lade Sie ein, dieses Land einmal zu besuchen.Wir sind übrigens nicht nur bei der Ich-AG und beiden Unternehmensgründungen erfolgreich, sondern auchin anderen Dingen, wie zum Beispiel bei der gerne zer-redeten Personal-Service-Agentur. Herr Kollege Merzhat davon gesprochen, dass erst 600 Menschen in Arbeitseien. Diese Zahlen sind mittlerweile überholt: Derzeitsind über 15 000 Menschen in Personal-Service-Agentu-ren. Über all diese Wege sind wir auf dem Kurs nachvorne. Natürlich würden Sie und ich es gerne sehen,wenn es noch etwas schneller ginge. Aber wir wissen,dass wir auf diese Weise wichtige strukturelle Verände-rungen am Arbeitsmarkt erreichen werden. Diese Wege,die den Sektor der Dienstleistungen wie auch den Be-reich der Jobs für gering Qualifizierte betreffen und aufdenen hoffentlich viele Menschen aus der Schwarzarbeitkommen, um in den ersten Arbeitsmarkt hineinzuwach-sen, sind außerordentlich erfolgsversprechend und wer-den von uns genutzt und gefördert.Das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt enthält ar-beitsrechtliche Vorschriften insbesondere beim Kündi-gungsschutz, um Beschäftigungshindernisse abzubauen.Es begrenzt die Höchstdauer des Bezugs von Arbeits-losengeld. Dabei geht es darum, den Weg in den Vorru-hestand, der bisher von den Beitragszahlerinnen undBeitragszahlern in wesentlichem Umfang mitfinanziertworden ist, abzuschneiden, um auf diese Weise dazu bei-zutragen, dass die tatsächliche Lebensarbeitszeit inDeutschland steigt und dass wir über ein Renteneintritts-alter von jetzt etwa 60 Jahren hinauskommen.b–GuvaiNmmdmbd–taedffAgasrebsDLuMbgcwshrwAdhabcsAddAt
Ich will hier, weil wir über den Haushalt sprechen,arauf aufmerksam machen, dass diese Reformvorhaben insbesondere Hartz IV – voraussichtlich im parlamen-rischen Verfahren noch Änderungen im Einzelplan 09rforderlich machen werden. Das ist vermutlich notwen-ig, um die haushaltswirtschaftlichen Voraussetzungenür eine erfolgreiche Umsetzung der Reformen zu schaf-en. Das ist eine inhaltlich wie technisch anspruchsvolleufgabe. Die unterschiedlichen Verfahrensstränge fol-en unterschiedlichen Zeitvorgaben und müssen sinnvollufeinander abgestimmt und gesteuert werden. Ich bittechon jetzt von hier aus die zuständigen Haushaltsbe-ichterstatter um Unterstützung in diesem Prozess.Wenn es uns gelingt, das Gesamtkonzept so, wie wirs dargelegt haben, umzusetzen, dann werden Verschie-ebahnhöfe für Menschen zwischen den verschiedenenozialen Sicherungssystem in Deutschland beendet.ann gibt es, hoffe ich, keine unnötigen finanziellenasten mehr. Wir werden dann vor allen Dingennnötige Bürokratie in diesem Sektor, der so vieleenschen betrifft und belastet, kräftig abbauen.
Meine Damen und Herren, das Ziel der neuen Ar-eitsmarktpolitik sind alle erwerbsfähigen Menschen. Eseht um alle erwerbsfähigen Menschen, die Arbeit su-hen und die arbeiten wollen, ganz unabhängig davon,elche Leistung zur Sicherung des Lebensunterhaltesie beziehen – ob sie aus der bisherigen Arbeitslosen-ilfe oder aus der Sozialhilfe kommen. Uns geht es da-um, dass diejenigen, die arbeiten können und arbeitenollen, wenn es irgend geht, so schnell wie möglich inrbeit vermittelt werden. Für diese Menschen – wir re-en über einige Millionen; allein die Zahl der erwerbsfä-igen Menschen, die heute in der Sozialhilfe sind, wirduf 900 000 geschätzt – konzentrieren wir mit dieseneiden Gesetzentwürfen die Vermittlungsarbeit in Job-entern, die künftig die entscheidende und die aus-chließliche Anlaufstelle für alle, die in Deutschland inrbeit vermittelt werden wollen, sein werden. Das istas Kernstück. Wir wollen, dass selbstverständlich – umiese Diskussion aufzunehmen – die Bundesanstalt fürrbeit, also die künftige Agentur für Arbeit, die fachlicheilweise hervorragenden Einrichtungen der Städte und
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Bundesminister Wolfgang ClementGemeinden – die Sozialämter, die Jugendämter, die Für-sorgeämter – und auch die freien Träger in diesen Job-centern, die teilweise in unseren Städten und Gemeindenschon entstanden sind, sinnvoll zusammenarbeiten. Wirwollen den Gegensatz, den es bisher gibt, dieses Laufenvon Behörde zu Behörde, das bisher den arbeitsuchen-den Menschen zugemutet wird, mit dieser Bündelungunter einem Dach – wenn es irgend geht, auch räumlichunter einem Dach – überwinden.
– Nein, dazu braucht nicht eine einzige neue Stelle ein-gerichtet zu werden. Herr Kollege, es ist gut, dass Siedazwischenrufen: Es brauchen nicht 16 000 Stellen undauch nicht 11 800 Stellen neu eingerichtet zu werden.Sie sind nicht dabei gewesen, aber in der Unterkommis-sion der Eichel-Kommission, in der alle Ihre Fachleutedabei waren, ist eine Modellrechnung aufgemacht wor-den. Die Frage lautete: Was ist notwendig, damit wirendlich ein Vermittlungsverhältnis von einem Vermittlerauf 75 Arbeitsuchende bekommen und nicht mehr, wiefrüher, ein Verhältnis von einem Vermittler auf 800 Ar-beitsuchende oder wie derzeit noch auf 350 Arbeitsu-chende haben? Wir wollen auf ein Verhältnis von 1 : 75kommen: ein Vermittler bzw. eine Vermittlerin auf 75 Ar-beitsuchende. Das ist die wichtigste Veränderung, diewir dort vornehmen, damit wirklich ein Mensch vermit-telt werden kann und nicht mehr nur administriert undfinanziert wird.
Dazu brauchen wir aber keine zusätzlichen Einstellun-gen in der Bundesanstalt für Arbeit, Herr Kollege. Daskann mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gesche-hen, die dort jetzt vor allen Dingen mit dem Administrie-ren beschäftigt sind. Wenn wir allein die hohe Zahl vonProgrammen auf ein vernünftiges Maß reduzieren, wer-den nach anderen Modellrechnungen 3 000 Stellen ein-gespart. Selbstverständlich werden wir die kompetentenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kommunen undder freien Träger einbeziehen. Das alles ist möglich. Dasalles wollen wir tun, und zwar so unbürokratisch wie ir-gendwie möglich.
Wir tun das übrigens schon jetzt, indem wir im Vor-griff auf die Zusammenführung von Arbeitslosen- undSozialhilfe zwei Programme aufgelegt haben: JUMPPlus für junge Leute – vor allen Dingen die, die heute inder Sozialhilfe sind –, in der ersten Runde für100 000 junge Leute, und darüber hinaus ein Programmfür Langzeitarbeitslose. Diese Programme laufen bereits.Der Schwerpunkt der beiden Programme liegt in struk-turschwachen Gebieten, vornehmlich in den neuen Län-dern. Wir stellen dafür, trotz der angespannten Haus-haltslage, im kommenden Jahr in meinem Haushaltinsgesamt über 700 Millionen Euro zur Verfügung, dieum 100 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozial-ftilosgnWnsgrsPflaVlusvladbfguleudsssrvssmuHahgGMhDKd
ir müssen die beiden Fürsorgesysteme verschmelzen.Wir diskutieren über die Einbeziehung der Kommu-en. Ich kann nur davor warnen, daraus eine ideologi-che Frage zu machen. Wir sind bereit, jeden Schritt zuehen. Die Praktiker und wir sind hoch interessiert da-an, dass es zu einer ganz engen Zusammenarbeit zwi-chen den Praktikern der Bundesanstalt für Arbeit, denraktikern in den Kommunen und den Praktikern bei denreien Trägern kommt. Soweit wir glauben, das gesetz-ich regeln zu können, ist dies in dem Gesetzentwurfuch so vorgesehen. Vielleicht haben Sie weiter gehendeorschläge. Wir sind für Verbesserungsvorschläge abso-t offen.Ich halte allerdings die Vorstellung für falsch, manollte den Kommunen in Deutschland die Vermittlungs-erantwortung für alle Langzeitarbeitslosen in Deutsch-nd geben. Meines Erachtens gibt es diese Möglichkeiturch die Kommunen nicht; das würde ich dann gerneelegt haben. Ich warne davor, die Kommunen zu über-ordern. Sie wissen es: Mit Ausnahme des Landkreista-es, bei dem es auch um die Kompetenzen und nicht nurm die Praktikabilität geht, sagen Ihnen alle kommuna-n Spitzenverbände und -institutionen und alle Städtend Gemeinden, dass sie dies nicht wollen und dass sieie Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeitelbstverständlich brauchen.
Das ist das eine. Wir sind zu jedem praktischen Ge-präch darüber bereit.Um eines sehr deutlich zu sagen: Ich halte den Ver-uch, der insbesondere von der hessischen Landesregie-ung unter Herrn Koch unternommen wird, für falsch. Erersucht nach meinem Dafürhalten, daraus beinahechon eine programmatische Frage zu machen; das ge-chieht schon seit zwei Jahren. Wir müssen doch das ge-einsame Ziel haben, die Finanzierungsverantwortungnd die Trägerschaft für die künftigen Jobcenter in einerand zusammenzuführen. Das zweite Ziel ist, dass wiruch die Leistungen aus einer Hand erbringen. Daseißt, dass wir die Doppelstrukturen, die heute vorlie-en, beseitigen müssen. Beide Punkte werden in demesetzentwurf aus Hessen, den Sie, Frau Kolleginerkel, sich gestern in großen Teilen zu Eigen gemachtaben, nicht eingelöst.Nach dem Vorschlag aus Hessen soll der Bund zweirittel und im Niedriglohnsektor sogar 100 Prozent derosten tragen. Die Trägerschaft soll aber bei den Län-ern und teilweise bei den Kommunen liegen. Neben
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Bundesminister Wolfgang Clementden bestehenden Agenturen für Arbeit soll bei den Kom-munen eine zweite Vermittlungsstruktur aufgebaut wer-den. Beides soll durch öffentliche Mittel finanziert wer-den. Eine solche Doppelstruktur ist genau das, was wirgerade überwinden wollen. Das ist der eine Grund, wa-rum dieser Vorschlag nicht vernünftig ist.Der zweite Grund ist, dass die in dem Entwurf vorge-sehene Kostenerstattung von zwei Dritteln durch denBund unter Ausschluss einer Einflussmöglichkeit durchihn – diese soll allein bei den Ländern liegen – natürlicheinen ungehinderten Griff der Länder und Gemeinden indie Kassen des Bundes bedeutet. Sie werden kaum er-warten können, dass dem irgendjemand auf der Bundes-ebene zustimmen kann.
Der dritte Grund ist, dass Sie all diese Dinge – dazugehört auch die Zumutbarkeit – landesrechtlichen Rege-lungen überlassen wollen. Sie werden mir zustimmen,dass Sie sich damit haarscharf am Rande des verfas-sungsrechtlich Möglichen bewegen. Sie werden damitden Gleichheitsgrundsatz verletzen.Nun komme ich zum Schlimmsten: Im Bereich derfinanziellen Arbeitsanreize, die Sie schaffen wollen– Lohnfreistellung und Lohnzuschlag lauten dieSchlagworte dazu –, würde es durch die Realisierung Ih-res Vorschlags der dauerhaften Subventionierung einesNiedriglohnsektors, den Sie dauerhaft in Deutschlandeinzurichten beabsichtigen, zu immensen Mehrausgabenkommen. Nach überschlägigen Berechnungen lägendiese im Milliardenbereich. Dieser soll von den Ländernverwaltet und vom Bund zu 100 Prozent finanziert wer-den. Wer kann einen solchen Weg allen Ernstes mitge-hen wollen?
Hinzu kommt das, was Sie in dem Entwurf aus Hes-sen vorsehen. Es geht um die Vermögensanrechnung beiden betroffenen Arbeitsuchenden, die sich ausschließlicham heutigen Bundessozialhilfegesetz orientiert. Ich habeFrau Merkel gestern so verstanden, dass sie selbst damitnoch Probleme hat. Das ist für die betroffenen Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer mit Blick auf eine ange-messene Alterssicherung schlicht nicht akzeptabel undfällt weit hinter das zurück, was wir zu Anfang des Jah-res mit den ersten Hartz-Gesetzen gemeinsam hier be-schlossen haben.
In Ihrem Gesetzentwurf vermeiden Sie jede Aussagedarüber, wie Sie die Arbeitnehmer eigentlich vermittelnwollen. Es steht dort kein Wort über Fallmanager, keinernsthaftes Wort über die nötige Veränderung der Ver-mittlung in Arbeit und kein ernsthaftes Wort über dieZusammenarbeit zwischen Arbeitsämtern und Vermitt-lungsagenturen. Alles bleibt im Vagen. Der Katalog derEingliederungsleistungen enthält beispielsweise keineeinzige soziale Dienstleistung, die wir aber benötigen,wfntbKSrkt–AsZisbvdUlszvbhhmGhDtdddVbadLdbaddbuhsAdk
Ich appelliere von dieser Stelle aus ganz besonders anie DAX-Unternehmen in Deutschland, die etwa durchen Aufbau von Finanzierungsfonds über ihre Ausbil-ungsleistung hinaus die Möglichkeit haben, Mittel zurerfügung zu stellen, damit junge Unternehmen, die aus-ilden wollen, aber aus finanziellen Gründen noch nichtusbilden können, in die Lage versetzt werden auszubil-en. Ich appelliere an die Verwaltungen des Bundes, deränder und der Kommunen: Fallen Sie in Ihrer Ausbil-ungsleistung nicht zurück! Ungeachtet aller Finanzpro-leme kann auch in den Kommunen, in den Ländern unduf der Bundesebene, kann in allen Behörden über Be-arf ausgebildet werden. Nach der Ausbildung könnenie jungen Menschen dann in anderen Jobs ins Arbeitsle-en einsteigen.Ich appelliere an die Kammern. Ich bin sehr dankbarnd begrüße es, dass sich die Kammern bereit erklärtaben, jeden ausbildungswilligen Jugendlichen anzu-prechen, anzuschreiben oder anzurufen, um ihm einenusbildungsplatz anzubieten. Wir müssen die Ausbil-ungsmöglichkeiten in Deutschland buchstäblich durch-ämmen, um ein ausgewogenes und vernünftiges
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Bundesminister Wolfgang ClementVerhältnis von angebotenen Ausbildungsplätzen undnachfragenden Jugendlichen zu erreichen. Darum gehtes. Ich bin überzeugt, dass dies möglich ist.Meine Bitte an die Jugendlichen ist, sich durch Hor-rormeldungen und alle möglichen Zahlen – das istschwierig genug – nicht verwirren zu lassen und nicht zuresignieren. Die Situation ist nicht schön. Es ist schwie-rig, Dutzende von Bewerbungsschreiben zu verfassen– dabei muss man auch viele Absagen hinnehmen –, umeinen Ausbildungsplatz zu bekommen. Ich hoffe, dassdies auch viele Unternehmer, Betriebs- und Personalräteund Verwaltungsleute verstehen.Aber die Situation ist nicht so dramatisch, wie sie sichin manchen Horrorzahlen widerzuspiegeln scheint. Ichbin für die Berichterstattung in den Medien über dieAusbildung dankbar. Aber wenn ich zum Beispiel imneuesten „Stern“ lese, dass 40 Prozent der Schulabgän-ger keinen Ausbildungsplatz bekommen – das läuft unterder Überschrift „Lehrstellenlüge“; anders geht es inDeutschland heutzutage nicht mehr, als dass man jeman-den, mit dem man nicht einer Meinung ist, der Lüge be-zichtigt –, dann finde ich so etwas nicht hilfreich.
– Herr Schauerte, ich könnte Ihnen nachweisen, woherder Begriff kommt. Der „Stern“ hat bei seiner Meldungschlicht und ergreifend alle Abgänger allgemein bilden-der Schulen mit denen, die sich tatsächlich um einenAusbildungsplatz bemühen, verwechselt. Daraus er-wächst dann eine solch gigantische Zahl von angeblich40 Prozent der Schulabgänger ohne Ausbildungsplatz.Bitte – das sage ich insbesondere den jungen Leuten –lassen Sie sich dadurch nicht irre machen. Es ist notwen-dig – darauf bestehen wir alle –, dass eine ausreichendeZahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung gestelltwird. Wir erwarten und müssen auch erwarten, dass diesim Laufe dieses Jahres geschieht. Das geht, wenn allewollen. Das geht, wenn die Unternehmen, die ausbildenkönnen, tatsächlich ausbilden. Deshalb ist meine Bittevon hier aus, dies zu tun.
Im mexikanischen Cancun hat die Welthandels-konferenz begonnen, an der auch 16 Abgeordnete die-ses Hohen Hauses teilnehmen. Ich bitte um Verständnis,wenn ich im Verlaufe dieser Debatte versuchen werde,eine Reisemöglichkeit nach Cancun zu nutzen, um dortdabei sein zu können, was wohl meine Pflicht ist.
In Cancun werden in den nächsten Tagen wichtigeWeichen für die weitere Entwicklung des Welthandelsund für die Entwicklungschancen weiter Teile der Weltgestellt. Ich hoffe und gehe davon aus, dass wir ins-besondere mit Blick auf die Entwicklungsländer einigeserreichen können. Deutschland spielt im Rahmen derVerhandlungsführung der Europäischen Union einewichtige Rolle. Diese Rolle ist gestärkt, seit klar ist, dasswsmdAlsem2mEFswtUpdWtaS–GSbwDfbKismLAfAgddL
es geht um die Felder, Frau Kollegin – ob es um dieemeindefinanzreform geht, die Reform der sozialenicherungssysteme und weitere Reformen, auf den Wegringen, damit wir die Chance, die sich jetzt aus der Ent-icklung des Welthandels und der Erwartungen ineutschland ergibt, wirklich nutzen.Wir müssen durch Strukturreformen klare Signaleür die Bewältigung der längerfristigen Zukunftsaufga-en setzen, um die Märkte zu überzeugen und damit dieonjunkturerwartungen dauerhaft zu verbessern. Das istm Interesse Deutschlands und dafür bitte ich um Unter-tützung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Soeben wird ge-eldet, dass die schwedische Außenministerin Annaindh ihren Verletzungen erlegen ist, die ihr von einemttentäter zugefügt wurden. Noch haben wir keine In-ormationen über Täter und Motiv. Ich kann nur unserenbscheu über diese Tat ausdrücken und den Angehöri-en unser Mitgefühl aussprechen. Unsere Solidarität giltem Volk, dem Parlament und der Regierung Schwe-ens.Ich danke Ihnen.Nun erteile ich das Wort dem Kollegen Karl-Josefaumann, CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie habenam Anfang Ihrer Rede ein Bild der wirtschaftlichen Lagein Deutschland gemalt, wonach sich alles bessert, undSie haben uns vorgeworfen, dass wir Ihnen das Wirt-schaftswachstum von 2 Prozent, das Sie prognostizie-ren, nicht gönnen. Sie sollten doch wissen, dass Christengrundsätzlich nicht neidisch sind.
Dass wir das hinterfragen, liegt schlicht und ergrei-fend daran, dass bis heute keine der Prognosen, die Siein den Monaten, in denen Sie im Amt sind, getroffen ha-ben, Realität wurden.
Die Wahrheit ist, dass Sie vor einem Jahr hier einenHaushalt eingebracht haben, ihn genauso vehement wieheute verteidigt haben und von einem Wachstum vonzweieinhalb Prozent ausgegangen sind. Dann haben Sieim November, nach der Steuerschätzung, diese Prognoseauf 1,5 Prozent zurückgenommen. In einem drittenSchritt haben Sie in Interviews gesagt, dass wir nur1 Prozent erreichen.
Sicher wird sein, dass wir dieses Jahr bestenfalls einWachstum von 0,75 Prozent erreichen. Angesichts sol-cher Vorgänge können Sie es uns doch nicht verübeln,dass wir Ihre Prognosen hinterfragen.Ich komme zu einem weiteren Punkt. Sie haben imvorigen Jahr in einer ähnlichen Art, in der Sie heute ge-redet haben, einen Haushalt eingebracht, der null EuroBundeszuschuss an die Bundesanstalt für Arbeitvorsah. Dann wurden daraus 3 Milliarden, später 5 Mil-liarden Euro. Am Ende dieses Jahres wird der Bundeszu-schuss für die Bundesanstalt für Arbeit 11 MilliardenEuro betragen.Dass wir angesichts dieser Prognosen und der einge-tretenen Entwicklungen den Haushaltsentwurf hinterfra-gen, ist unsere Pflicht. Im Übrigen entspricht das auchder Meinung innerhalb der deutschen Bevölkerung.
Die Menschen haben längst begriffen, dass sich unserLand nach fünf Jahren Rot-Grün leider Gottes in dergrößten Wachstums-, Beschäftigungs- und Haushalts-krise der Nachkriegszeit befindet. Die Menschen habenden Eindruck, dass die Regierung statt mutigem Gegen-steuern und mutigen Reformen nur Flickschusterei be-treibt. Zudem gibt es innerhalb der Koalitionsfraktioneneinen großen Streit über wesentliche Reformziele. Dasführt zwangsläufig zu einem Vertrauensverlust.nnsvavjZ2ninVgnEAgEfmdsSswindSHcsvltinswwhrkliS
Ich möchte ein zweites Beispiel anführen. Das, wasie machen, geschieht in einer Weise, dass man darüber
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Karl-Josef Laumannnur weinen kann. So haben Sie über Ihr Ministeriumschriftlich mitteilen lassen, dass der Baubereich derMaurer in der Anlage A bleibt, dass aber der Steinmetzaus der Anlage A herausfällt. Können Sie mir erklären,welcher Unterschied hinsichtlich der Gefahrengeneigt-heit zwischen einem Steinmetz und einem Maurer be-steht? Das, was Sie machen, machen Sie schlecht. Daliegt das Problem!
Ein weiteres Beispiel: Vor einem halben Jahr habenSie in den deutschen Medien – das haben Sie heute nurangedeutet – eine Debatte über die Gebühren- undHonorarordnung der freien Berufe angestoßen. Aufunsere Kleine Anfrage, die wir daraufhin an die Bundes-regierung gerichtet haben, erhielten wir die amtlicheMitteilung, man denke noch nach und habe sich nochkeine Meinung gebildet. Auf diese Weise – Sie kündigenetwas an, um gleich wieder zurückzurudern – zerstörenSie Vertrauen.
Sie sollten erst nachdenken und dann handeln; das wärewichtig. Ansonsten sorgen Sie nur für Verunsicherung.Noch ein Beispiel: Seit gestern hat die Debatte übereine Ausbildungsplatzabgabe durch den Vorschlag,eine Stiftung zu gründen, eine neue Qualität bekommen.
Aus den Reihen der Grünen gibt es sogar den Vorschlag,bis zu 2,5 Prozent der Lohnsumme dafür einzusetzen.Obwohl Sie genau wissen, was man alles machen muss,um bei der Sozialversicherung nur 1 Prozent einzusparen,reden Sie ganz locker über eine solche Größenordnung.Wahrscheinlich erheben Sie eine solche Forderung, umIhre Parteifreunde in Deutschland, insbesondere in denBildungsträgern, in Lohn und Brot zu halten.
Ich kann Ihnen dazu nur sagen: In der BundesrepublikDeutschland gibt es bereits eine Ausbildungsabgabe ineinem großen Wirtschaftsbereich, nämlich in der Bau-industrie. Seit 1967 haben dort alle Betriebe eine Ausbil-dungsabgabe von 1,2 Prozent der Lohnsumme zu ent-richten. Trotz dieses Umlageverfahrens ist die Zahl derAusbildungsplätze im Baugewerbe innerhalb von fünfJahren von ehemals 100 000 auf 44 000 zurückgegan-gen. Dieser Großfeldversuch in einem deutschen Indus-triebereich hat also dazu geführt, dass die Zahl der Aus-bildungsplätze nach Einführung einer solchen Abgabeum mehr als die Hälfte abgenommen hat.
– Sie sagen zu Recht: Aber nicht wegen der Umlage,sondern wegen der schlechten Konjunktur im Baube-reich! Das stimmt. Aber gerade deshalb werden wir dasLehrstellenproblem nur dann nachhaltig lösen, wenn wiruibsnsDSMkLHggrbdMReRzlIBadsctAwwdvBeMsbm
ch möchte Ihnen in diesem Zusammenhang nur zweieispiele nennen, die Hunderttausende in Deutschlanduf die Palme bringen. Ich möchte heute Morgen nichtie ideologische Debatte darüber fortsetzen, ob das Do-enpfand richtig oder falsch ist. Wenn man aber ein sol-hes Pfand einführt, dann darf man es nicht so dilettan-isch wie Sie machen; denn dadurch sind Tausende vonrbeitsplätzen in der Verpackungsindustrie vernichtetorden. Zigtausend Menschen haben ihre Arbeitsplätzeegen dieses Wahnsinns verloren! Schauen Sie sich nurie Berichterstattung über die Firma Lekkerland an, dieiele Tankstellen in Deutschland beliefert. Aber derundeswirtschaftsminister macht diesen ganzen Unfuginfach mit.
Der Bundesverkehrsminister will nun eine LKW-aut einführen. Wir waren uns einig, dass die deut-chen Speditionen eine Kompensation für die Mautrauchen. Aber der Minister vergisst, die Kompensationit der EU zu besprechen!
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Karl-Josef LaumannJetzt herrscht nur Verunsicherung bei Tausenden von Ar-beitgebern und Hunderttausenden von LKW-Fahrern.Was wird eigentlich am 2. November auf den deutschenStraßen los sein?Das betrifft Menschen und Arbeitsplätze. Es ist au-ßerordentlich wichtig, dass die Menschen in Lohn undBrot bleiben, aber wir haben einen Bundeswirtschafts-minister, der nichts dazu beiträgt.
Ich muss heute einen weiteren Punkt ansprechen. Inder Sommerpause hat sich der Wirtschaftsminister damithervorgetan, dass er auf die Bedeutung der Energie-politik für den Standort Deutschland hingewiesen undPlanungssicherheit für Kraftwerke gefordert hat:Die Rahmenbedingungen sind so auszugestalten,dass Deutschland auch künftig ein attraktiverStandort für die Energiewirtschaft und die Industriebleibt und sich ein Energiemix ergibt, der dengleichrangigen Zielen Versorgungssicherheit, Wirt-schaftlichkeit und Klimaschutz gerecht wird... wirkönnen nicht gleichzeitig aus Kernenergie undKohle aussteigen.Das ist richtig, das unterstützen wir. Aber was ist in denTagen und Wochen nach diesen Worten in Ihrer Regie-rung und in Ihrer Bundestagsfraktion passiert? In diesemJahr werden die Ausgaben für die Förderung der regene-rativen Energien die Höhe der Steinkohlesubventionenerreichen. Das ist die Wahrheit.Unser Anteil der staatlichen Belastung der Energie-preise liegt bei 40 Prozent, in Schweden liegt er bei36 Prozent, in England bei 6 Prozent und in Amerika bei5 Prozent. Günstige Energiepreise sind für die wirt-schaftliche Entwicklung in vielen Bereichen genausowichtig wie die Lohnnebenkosten.
Wieder einmal hat sich der Wirtschaftsminister nichtdurchgesetzt. Sie investieren weiterhin auch an unmögli-chen Standorten in die Windenergie. Davon haben nurdie Leute etwas, die an Windenergiefonds beteiligt sind.Ihre Energiepolitik belastet einen Haushaltsvorstand miteinem durchschnittlichen Stromverbrauch und einerdurchschnittlichen Kilometerleistung seines Autos mitrund 35 Euro im Monat. Würde man die 35 Euro in einerLebensversicherung anlegen, hätte man zumindest fürdie zusätzliche Alterssicherung nach 30 Jahren über17 000 Euro. Dort wäre das Geld besser angelegt als beidenen, die hierzulande in Windparks investieren können.
Ihre Politik können sich nur reiche Leute leisten, kleineLeute nicht mehr.
Herr Clement, am Schluss Ihrer Rede haben Sie dieZusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-hWWdwwbbßLddipFdagnndkoDdbwgieDTtihst1atA2vh1gksz
Deshalb, glaube ich, ist es richtig, eine regionale Ver-nkerung der Verantwortlichkeiten vorzunehmen undesetzestechnisch dafür zu sorgen, dass die beiden Ebe-en zusammenarbeiten. Wir möchten, dass die Kommu-en dabei den Hut aufhaben.Sie sprachen den Niedriglohnbereich an. Führen wiroch darüber eine ganz offene und ideologiefreie Dis-ussion! Die Hälfte der Menschen, die Arbeitslosenhilfeder Sozialhilfe erhalten, hat keine Berufsausbildung.as ist Fakt. Vielleicht werden wir durch Qualifizierungen einen oder anderen auf das Niveau einer Berufsaus-ildung oder eines Gesellenbriefes heben können, wirerden das aber nicht bei allen schaffen.Wissen Sie, worin seit Jahren und zunehmend unserrößtes arbeitsmarktpolitisches Problem besteht? Es gibtn Deutschland keine Arbeit mehr für Menschen, die nurine einfach strukturierte Tätigkeit ausüben können.iese Arbeitsplätze sind heute in Osteuropa.Ich habe hier einen Wahlkreis zu vertreten, in dem dieextilindustrie eine große Rolle spielt. Einfache Näh-ätigkeiten, wie es sie in den Textilfabriken noch gab, alsch meine Arbeit im Bundestag begonnen habe, gibt eseute nicht mehr. Gehen Sie einmal in eine große Ma-chinenbaufabrik! Wo gibt es noch einfache Schweißtä-igkeiten? Ich habe den Job eines Maschinenschlossers7 Jahre lang gemacht. Da kenne ich mich ein bisschenus. Mittlerweile wird der allergrößte Teil dieser Arbei-en in Osteuropa geleistet. Aber die Menschen, die dieserbeit aufgrund ihres Anforderungsprofils noch vor0 oder vor 15 Jahren gemacht haben, leben nach wieor in diesem Land und sie können auch nicht wegge-en.Diese Arbeiten werden hier für Stundenlöhne von0, 11 oder 12 Euro nicht stattfinden, auch wenn ich daserne wollte. Das durch solche Arbeiten erzielbare Ein-ommen wird, wenn man zu Hause eine Bedarfsgemein-chaft, sprich: eine Familie, hat, nicht oberhalb der So-ialhilfe liegen. Ich finde, deswegen ist es – auch für den
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Karl-Josef LaumannBundeswirtschaftsminister – lohnend, hier über die Förde-rung des Niedriglohnbereiches und über das Wieder-entstehen von einfach strukturierter Arbeit in Deutschlandnachzudenken und zu streiten.Solche Jobs gibt es nicht mit Löhnen oberhalb der So-zialhilfe, wenn die betreffenden Arbeitnehmer in einerBedarfsgemeinschaft leben. Deswegen glaube ich, dassHessen mit seinem kommunalen Ansatz und mit der För-derung des Niedriglohnbereiches richtig liegt. Dort wer-den die nötigen Voraussetzungen für einen funktionie-renden Arbeitsmarkt geschaffen. Was wollen Sie dennmit Ihrer ganzen Arbeitsmarktpolitik erreichen, wenn esdie entsprechenden Jobs auf dem ersten Arbeitsmarktgar nicht gibt? Einfach strukturierte Arbeit kann dochwohl nicht nur in kommunalen Beschäftigungsgesell-schaften stattfinden. Ich sage Ihnen: Deswegen müssenwir an diesen ganzen Bereich herangehen; sonst werdenSie dieses Problem nicht lösen.Wenn Sie wirklich gemeinsam mit uns eine Lösungfinden wollen, dann werden wir das daran erkennen kön-nen, dass Sie – das sollten Sie bitte tun – die Hartz-III-Gesetze im Bundestag stoppen, bis man im Rahmen vonHartz IV geregelt hat, wer die Trägerschaft übernimmt.Solange diese Frage nicht entschieden ist, ist es verrückt,eine Reform der Bundesanstalt für Arbeit zu beschlie-ßen, die vorsieht, dass sie demnächst die Zuständigkeitfür 4,3 Millionen Menschen mehr hat.
Lassen Sie uns deswegen erst über Hartz IV oder überHartz IV und Hartz III zusammen reden! Vielleicht fin-den wir dann eine Lösung. Das Einzige von dem, wasauf der Grundlage der bisherigen Hartz-Gesetze auf denWeg gebracht worden ist – ich erinnere an unsere Ver-handlungen im letzten Herbst mit Ihnen –, was funktio-niert, ist das, was wir von der Union durchgesetzt haben:die Minijobs. Alles andere war Schall und Rauch. Des-wegen sollten Sie auch bei Hartz IV sehr auf uns hören.Von Arbeitsmarktpolitik verstehen wir mehr, weil wirden Arbeitsmarkt besser als Sie kennen.
Ich erteile der Kollegin Thea Dückert, Bündnis 90/
Die Grünen, das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Herr Laumann, ich war enttäuscht.
Ich habe im Ausschuss immer wieder erlebt, dass Sieviele fundierte, praktische Kenntnisse über den Arbeits-markt haben. Sie haben hier Ihre Vorstellungen auf zweiPunkte reduziert – Sie haben zum Schluss eine Zusam-menfassung vorgenommen –: Niedriglohnsektor und dieFrage „Wer hat in den Jobcentern den Hut auf?“. Das hatmit einem Konzept, das sich mit der schwierigen Situa-tlgkptwPmsLcetmazEqktdbdvDDalddDAvwaneuespmA
Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist eine der zen-ralen Gerechtigkeitsfragen, mit denen wir uns im Mo-ent auseinander setzen müssen. Es ist eine bittere Situ-tion für die Jugendlichen, immer noch unsicher darüberu sein, ob sie überhaupt eine Ausbildungsstelle finden.s ist eine bittere Situation für junge Frauen, die gutualifiziert sind, dass sie nicht arbeiten können, weil sieeine Kinderbetreuung finden. Es ist eine bittere Situa-ion, wenn Menschen in Betrieben arbeiten müssen, inenen niemand über 50 Jahre eingestellt wird. Es ist eineittere Situation für alle Arbeitslosen in diesem Land,ass wir eine durchschnittliche Dauerarbeitslosigkeiton 32 Wochen haben, die weit über dem europäischenurchschnitt liegt.
as hat sich über die letzten Jahrzehnte Jahr für Jahr soufgebaut.Weil das so ist, ist es richtig, den Abbau der Arbeits-osigkeit in das Zentrum der Politik zu stellen, vor allemen Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit und den Abbauer Schwarzarbeit.
as ist die zentrale Frage, sozusagen das Zentrum dergenda 2010. Ihr Ziel ist es, die Investitionen in Arbeitoranzubringen.Wenn wir uns die Details dazu ansehen, dann müssenir erkennen, dass all die schwierigen Veränderungenm Arbeitsmarkt, die wir eingeleitet haben – seien eseue Instrumente wie Personal-Service-Agenturen oderine bessere Betreuung –, nur greifen können, wenn esns gelingt, aus der stagnativen Phase heraus- und inine Wachstumsphase hineinzukommen. Ohne wirt-chaftlichen Aufschwung wird es keine neuen Arbeits-lätze oder erfolgreiche neue Instrumente in der Arbeits-arktpolitik geben können. Wir brauchen für neuerbeitsplätze – das ist ganz klar – Wachstum.
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Dr. Thea DückertDeswegen verstehe ich die ständige Polemik dazu, obzum Beispiel die Personal-Service-Agenturen funktio-nieren oder nicht, überhaupt nicht. Im Moment sind wirgar nicht in einer Situation, in der Zeitarbeit oder irgend-etwas anderes zur Integration auf dem Arbeitsmarkt boo-men kann.Wir müssen den Aufschwung in Gang bringen. Des-wegen müssen wir die Steuerreform vorziehen. HerrLaumann, Sie können darüber reden, wer in den Jobcen-tern den Hut aufhat, aber Sie wissen ganz genau, dass esletztlich darum geht, die vorgezogene Steuerreform auchzu einem konjunkturellen Erfolg zu machen, damit dieJobcenter zukünftig auch wirklich vermitteln können. Esgeht darum, dass Sie im Bundesrat zum Beispiel denSubventionsabbau unterstützen. Das wäre für dieFinanzierung der Steuerreform erforderlich und würdedazu beitragen, die Neuverschuldung möglichst geringzu halten. Da sind Sie in der Pflicht. Es ist eine arbeits-marktpolitische Aufgabe auch für Sie, die Unterstützungdafür im Bundesrat zu organisieren.
Die Diagnose ist einfach, aber bedrückend: Über dieletzten Jahrzehnte, etwa über die letzten 30 Jahre, habenwir von Krise zu Krise eine zunehmende Sockelarbeits-losigkeit zu verzeichnen gehabt. Aus jeder Krise sindwir mit immer höherer Arbeitslosigkeit herausgekom-men. Dieser Trend, der schon über Jahrzehnte geht, mussdurchbrochen werden.Wir haben am Arbeitsmarkt Strukturprobleme, nichtnur konjunkturelle Probleme. Die Reformen müssen dieStrukturprobleme angehen. Deswegen ist eine zentraleAufgabe der Agenda 2010: die Lohnnebenkosten sen-ken, Strukturreformen in den sozialen Sicherungssyste-men verwirklichen. Wir müssen die Spirale von höherenLohnnebenkosten, mehr Arbeitslosigkeit, wieder höhe-ren Sozialversicherungsbeiträgen usw. durchbrechen.Wir müssen die Beschäftigungsschwelle generellsenken. Selbst ein Wachstum von 2 Prozent kann nichtzu mehr Beschäftigung führen, wenn die Beschäfti-gungsschwelle weiterhin bei 2 Prozent Wachstum und inden neuen Bundesländern sogar bei 3 Prozent Wachstumliegt.
Also müssen wir entbürokratisieren. Also müssen wirauch die Handwerksordnung entrümpeln. HerrLaumann, lassen Sie mich dazu ein Wort sagen: Vordem Hintergrund der Jugendarbeitslosigkeit, der Schwie-rigkeiten der Jugendlichen, Ausbildungsplätze zu fin-den, und vor dem Hintergrund dessen, dass der alteZopf Handwerksordnung – das ist ja noch aus dem Mit-telalter –
dazu führt, dass neue Betriebe, die einfache Tätigkeitenanbieten, nicht gegründet werden können, finde ich eswirklich bemerkenswert, wie es Ihnen gelingt, beides ge-geneinander auszuspielen. So sagen Sie, man dürfe dieHbtmVhdm–Umf–sWkdrsFDmarmgm–w
Wir wissen, dass das Handwerk und die kleinen Be-riebe viel ausbilden und die Stütze des Ausbildungs-arktes sind. Trotzdem muss mit der Verkrustung underbürokratisierung des Arbeitsmarktes, die Sie gepflegtaben – so waren zum Beispiel Existenzgründungen iniesem Bereich nur sehr schwer möglich –, Schluss ge-acht werden.
Sie sind ideologisch verkrustet. Da haben Sie Recht.
Ich will es Ihnen mit einem anderen Beispiel belegen.m die Schwelle für Beschäftigung zu senken, brauchtan zum Beispiel auch mehr betriebliche Bündnisseür Arbeit.
Sie fragen, wer sie verhindere. Ich will Ihnen einmalagen, was Sie machen.
ir brauchen betriebliche Bündnisse für Arbeit. Dasönnen wir zum Beispiel über mehr Öffnungsklauseln inen Flächentarifverträgen, die wir unbedingt brauchen,egeln. Sie aber nutzen die schwierige Arbeitsmarkt-ituation aus, um in Form von trojanischen Pferden denlächentarifvertrag auszuhebeln.
as wollten Sie ja schon immer. So sieht Ihre Arbeits-arktpolitik aus.
Wir müssen, um neue Beschäftigung zu schaffen, aufllen Ebenen Reformen durchführen. Es handelt sich ge-ade bei den anstehenden arbeitsmarktpolitischen Refor-en um eine Operation auf hoher See. Da wird es übri-ens auch große Übergangsprobleme geben, aber wirüssen das tun.
Ich sage Ihnen, was wir tun. Aber Sie müssen bei dem,as wir tun, mitmachen. Wir werden jetzt einen ganz
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Dr. Thea Dückertzentralen Schritt machen, den zu gehen Sie schon seitlangem fordern, aber wozu Sie nie den Mut hatten, näm-lich die Zusammenlegung von Arbeitslosen- undSozialhilfe. Hierbei handelt es sich um einen Paradig-menwechsel in der Politik: weg vom Ausgrenzen, hinzum Integrieren.Die Arbeitslosenpolitik der vergangenen Jahrzehntehat dazu geführt, dass zum Beispiel arbeitslose Sozial-hilfeempfänger von den Maßnahmen der aktiven Ar-beitsmarktpolitik ausgegrenzt wurden. Wir hatten dreiKlassen von Arbeitslosen. Die Sozialhilfeempfängerin-nen und -empfänger hatten keinen Zugang zu den Mit-teln der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Stattdessen muss-ten sie ihre Zeit für demütigende Gänge nutzen, zumBeispiel wenn ihr Kind einen Schulausflug machenwollte. Wir regeln das jetzt anders.
Wir werden durch die Zusammenlegung von Arbeits-losen- und Sozialhilfe eine Hilfe aus einer Hand einfüh-ren. Wir werden die Leistungen pauschalisieren und An-laufstellen für alle Arbeitslosen einführen, nämlich dieJobcenter; darauf komme ich noch zu sprechen. Wirwerden hier eine Regelung schaffen, wonach alle, diemehr als drei Stunden arbeiten können, die also nicht zujung, nicht zu alt und nicht zu krank sind, eine Leistungaus einer Hand bekommen, und zwar pauschaliert nachklaren Vorgaben.An der Stelle muss ich noch hinzufügen: Wir wollen,dass die klare Regelung auch bezüglich des Rentenrechtsso umgesetzt wird und nicht per Verordnungsermächti-gungen andere Kriterien wie Arbeitsmarktnähe einge-führt werden können.
Es geht bei dieser Reform um unheimlich viel: umeine neue Denke, um gleichzeitiges Fördern und For-dern. Gerade das steht insbesondere hinter dem Vorha-ben der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozial-hilfe.Wie sieht Ihre Antwort darauf aus? Herr Laumann,Sie haben ja eben noch einmal vorgetragen, was uns dieOpposition anbietet. Sie schlägt verschiedene Modellevor: Hessen sagt etwas, Niedersachsen sagt etwas, Ba-den-Württemberg sagt etwas und Stoiber meint nun,durch Lockerungen beim Datenschutz Sozialhilfebetrü-ger aufspüren zu können und damit ein Mittel gegen dieArbeitslosigkeit in der Hand zu haben. Das ist lächerlich.Diese verschiedenen Vorschläge, die von Ihrer Seitekommen, reduzieren sich eigentlich auf zwei Punkte: Erster Punkt: Sie wollen das Arbeitslosengeld II fürarbeitsfähige Arbeitslose, die Arbeit suchen, generell un-ter das soziokulturelle Existenzminimum absenken.
Das lehnen wir ab. Wir haben einen vollständig anderenAnsatz. Die Menschen haben einen Anspruch auf das so-zbdw„INe–gDiahDWfbvLsgdswuSvdwszkfgAwsfAA
hr Vorschlag ist unsozial.Ihr zweiter Punkt: Sie wollen einen flächendeckendeniedriglohnsektor einführen; dafür hat Herr Laumannben noch geworben. Erstens ist das nicht finanzierbarHessen oder andere Bundesländer, die das vorschla-en, sagen überhaupt nichts zur Finanzierung, außer:er Bund soll bezahlen –; zweitens werden wir dadurchn eine arbeitsmarktpolitische Schieflage kommen, dieuf ein „working poor“, wie wir es aus den USA kennen,inausläuft.
as ist verheerend, das wollen wir nicht.Wir haben einen ganz anderen Ansatz.
ir bieten Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und -emp-ängern eine gezielte Förderung zur Aufnahme von Ar-eit, zur Integration. Wir setzen gezielt auf bessere Zu-erdienstmöglichkeiten und auf ein Einstiegsgeld fürangzeitarbeitslose, und zwar – und das ist gut an die-em Gesetz – abhängig vom Familienstatus.Wir machen den ersten Schritt hin zu einer Kinder-rundsicherung, weil Menschen nicht wegen ihrer Kin-er in die soziale Abhängigkeit geraten dürfen. Mit die-em Zuschuss von bis zu 140 Euro pro Kind können underden wir viele Menschen dazu bringen, ihren Lebens-nterhalt selbst zu erarbeiten und dadurch nicht in dieozialhilfe abzugleiten. Auch das fördert die Aufnahmeon Arbeit.Ich will noch anmerken, dass wir mit einem Punkt iniesem Gesetzentwurf nicht einverstanden sind. Wirollen nicht, dass beim Bezug von Arbeitslosengeld II,o wie es jetzt im Gesetz steht, eine Unterhaltspflichtum Beispiel von Eltern gegenüber Kindern oder umge-ehrt begründet wird, weil es zu absurden Situationenühren würde. Es kann nicht sein, dass sich ein 50-Jähri-er noch einmal an seine Kinder wenden muss, ehe errbeitslosengeld II beziehen kann. Die Situation ist et-as anders als bisher bei der Sozialhilfe. Das wollen wiro nicht.Aber die Grundrichtung, die wir in den Eckpunktenestgelegt haben, ist richtig: Fördern zur Aufnahme vonrbeit, unterstützen durch Einstiegsgelder – das ist dernsatz, der bei der Arbeitslosenhilfe notwendig ist.
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Kollegin Dückert, Sie haben Ihre Redezeit schon
deutlich überschritten.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident.
Ich will noch eine Bemerkung zu Hartz III, zu den
Jobcentern, machen. Herr Laumann, was Sie sagen, ist
richtig. Es wäre kontraproduktiv, die Kommunen auszu-
schließen.
Sie müssen eingebunden werden. Aber es ist falsch zu
glauben, die notwendige Kooperation zwischen Arbeits-
verwaltung und Kommunen könne dadurch hergestellt
werden, dass der Hut von der Bundesanstalt für Arbeit
zu den Kommunen wandert. Wir brauchen ein vernünf-
tiges Kooperationsmodell, wir brauchen einen gesetzli-
chen Auftrag für die Kommunen, damit sie bei dem An-
gebot für Langzeitarbeitslose partizipieren,
zum Beispiel bei der Drogenberatung und bei der Sucht-
hilfe.
Das müssen wir machen, das ist klar.
Aber wir brauchen keinen Hutwechsel; der hilft über-
haupt nicht weiter.
Danke schön.
Ich erteile dem Kollegen Rainer Brüderle, FDP-Frak-
tion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Mi-nister Clement, Sie haben Recht: Unsere Aufgabe ist es,die überfälligen tief greifenden Reformen in Deutsch-land umzusetzen, sie zu debattieren. Aber Sie könnendoch nicht allen Ernstes der Opposition vorwerfen, siewürde die Lage schlechtreden, wenn wir die Ankündi-gungen dieser Regierung hinterfragen.Es war der Bundeskanzler, der schon 1997 verkündethat, man möge ihn am Abbau der Arbeitslosigkeit messen.
WgwdHheDdkkäw5ibevlklMhwkndNld–WGszrgsnwtiw
ie Verantwortung für die hohe Arbeitslosigkeit trägtoch diese Regierung, weil sie nicht richtig gehandelt,eine Steuern gesenkt, kein Vertrauen geschaffen undein entscheidendes Signal für eine wirtschaftliche Ver-nderung gesetzt hat.
Der Staat sollte sich zurückziehen. Stattdessen habenir in Deutschland einen Staatsanteil von rund0 Prozent, genauer gesagt: von 48,6 Prozent. Das heißtm Klartext: Von jedem Euro, der in diesem Land erar-eitet wird, fließt die Hälfte in den Staatssektor. Das istiner der Gründe, weshalb wir nicht vorankommen.Herr Solms hat es Ihnen in dieser Haushaltsdebatteorgerechnet: Per saldo haben Sie keine steuerliche Ent-astung geschaffen, sondern zusätzliche Steuern draufge-nallt. Woher soll mehr Kaufkraft kommen? Wirtschaft-iches Handeln beruht immer auf Rechnen: Dieenschen wissen nicht, ob sie ihren Job morgen nochaben oder wieder einen Job finden. Der Mittelständlereiß nicht, in welcher Höhe er Steuern draufgeknallt be-ommt und ob endlich die vielfach versprochenen Maß-ahmen bezüglich des Bürokratieabbaus Realität wer-en. Ich stimme Ihnen darin zu. Tun Sie endlich etwas!ehmen Sie dem deutschen Mittelstand die Handschel-en ab, damit er Arbeitsplätze schaffen kann! Keiner hin-ert Sie daran. Tun Sie das doch endlich!
Frau Dückert, ich komme jetzt zum Handwerk.Sie führen hier eine typische Ablenkungsdebatte.
eil Sie wirtschaftspolitisch total versagt haben, ziehtrün-Rot wie immer ein neues Kaninchen aus der Ta-che. Es ist ein Fehler, den deutschen Handwerkssektoru „aldisieren“. Jawohl, es soll Reformen und Verände-ungen geben, die Meisterprüfung soll erleichtert und so-ar noch billiger gemacht werden und Quereinsteigerollen hinzukommen. Aber man sollte das Handwerkicht zerschlagen. Nur weil es Grün-Rot nicht wählt,ird es von Ihnen in die Geiselhaft Ihrer unfähigen Poli-k genommen. Das ist die Scheinheiligkeit Ihrer Hand-erks- und Mittelstandspolitik.
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Rainer BrüderleDas Handwerk leidet doch nicht darunter, dass es zuwenig Meister und zu wenig Leute gibt, die die Qualifi-kation haben, sich selbstständig zu machen. Es leidetdarunter, dass Sie zu viel abkassieren, dass Sie die Steu-ern erhöht haben, dass Sie dem Handwerk keinen Frei-raum geben und Sie nicht die notwendigen Rahmenbe-dingungen schaffen. Das ist die Ursache dafür, dass wirim Handwerk nicht das freisetzen können, was wir frei-setzen wollen.Sie drehen den Spieß um und zerschlagen die Struktu-ren. Wollen Sie den Mittelstand in Deutschland völligplatt machen? Im letzten Jahr gab es 40 000 Konkurse,in den ersten fünf Monaten dieses Jahres schon rund30 000. Grün-Rot aber beschimpft den Mittelstand, esgebe zu wenig Ausbildungsplätze. Hätten Sie nicht letz-tes Jahr 40 000 Mittelständler platt gemacht, hätten wirin Deutschland 40 000 Ausbildungsplätze mehr. Das istdie Ursache. Drehen Sie nicht einfach den Spieß um!
Man nennt es Dialektik, wenn man in alter sozialisti-scher Manier versucht, durch eine Gegenthese die Reali-tät zu verzerren.
Der Haushalt, den Sie jetzt vorlegen, ist wieder einBeleg für Verunsicherung. Sie schaffen keine Klarheit.Sie gehen von einer Wachstumsprognose von real2 Prozent im nächsten Jahr aus. Das ist völlig irreal; daswissen auch Sie. Wichtige Risiken sind nicht erfasst. Siehaben bei den Arbeitsmarktausgaben die vorgeseheneGrundsicherung nicht erfasst. Die Daten stimmen hintenund vorne nicht; das wissen auch Sie. Sie könnten diesenHaushalt eigentlich wegschmeißen. Er ist Makulatur,weil die Zahlenwerke hinten und vorne nicht stimmen.
Sie werden ihn nachbessern müssen.Sie sprechen von Verunsicherung. Wer verunsichertdenn permanent die Bevölkerung?
Jeden Tag wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben. Sieblasen noch häufiger neue Luftballons, die keine Realitäthaben, auf, als ein hygienisch orientierter Mitteleuropäerseine Unterwäsche wechselt. Es ist unglaublich, welcheVerunsicherung Sie bewirken. Die LKW-Maut ist einBeispiel für eine erneute Verunsicherung breiter Teileder Wirtschaft.Beispiel Dosenpfand. Selbst Herr Clement hat es er-kannt und würde es am liebsten zum Teufel jagen. Nurdamit die Grünen ihre Ideologie durchsetzen können,wird in Deutschland zwangsweise ein Dosenpfand ein-geführt – und dies in einer Art und Weise, dass man nurhoffen kann, dass Ihnen das die Europäische Union ver-bietet. Das ist wohl die letzte Hoffnung.
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Zum Thema Ausbildungsplätze; ich habe es schonngesprochen. Es bedrückt uns alle, dass es hier einenngpass gibt. Aber die Ursache liegt doch im Kern da-in, dass die Wirtschaft nach drei Jahren der Stagnationnd Rezession nicht in Gang kommt. Wollen Sie vonetrieben, die keine Umsätze machen, ernsthaft erwar-en, dass sie auch noch über Bedarf ausbilden? Dennochroht Herr Müntefering, ein Männerfreund von Herrn
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Rainer BrüderleClement, mit der Ausbildungsplatzabgabe. Das ist exaktdas falsche Signal; denn damit locken Sie diejenigen, diebisher nicht ausgebildet haben, mit Prämien und die Be-triebe, die bisher, vielleicht sogar über Bedarf, ausgebil-det haben, sind jetzt die Dummen, weil sie auf die Rege-lungen des Staates vertraut haben.
Die Folge ist, dass im nächsten Jahr noch weniger Be-triebe ausbilden werden, weil sie lieber warten werden,bis sie eine Prämie von Grün-Rot mitnehmen können,weil sie schließlich nicht blöd sind.
Damit verunsichern Sie die Betriebe also nur undschaffen auch keine Lösung. Wie will Herr Clement aufseiner Bustour, wie er sie in NRW unternommen hat– das ist ja lobenswert, ich finde das gut –, Betriebeüberzeugen, mehr auszubilden, wenn all die Faktoren,die bei einer betrieblichen Entscheidung eine Rolle spie-len, unsicher sind? Schaffen Sie doch die Klarheit, vonder Sie sprechen! Machen Sie nicht das Gegenteil, in-dem Sie Menschen verunsichern!
Sie sprechen von einem großen Erfolg beim ThemaLadenschluss. Seit Jahrzehnten fordern wir, das Laden-schlussgesetz zu ändern. Nun haben Sie die Öffnungs-zeiten um vier Stunden verlängert. Warum geben Sie sienicht richtig frei? Warum haben Sie nicht den Mut, zuerlauben, dass jeder die Öffnungszeiten an den Werkta-gen selbst bestimmen kann?
Nun sind es nur vier Stunden. Der Erfolg zeigt aber, dasseine Liberalisierung Fortschritte bringt. Damals wurdenwir noch von der linken Seite des Hauses wegen unsererVorschläge zum Ladenschluss beschimpft, wir würdennur „Unfug“ vorschlagen.Das Kernproblem sind die festgefahrenen Strukturen,zum Beispiel bei dem Tarifkartell.
Weshalb geben Sie den Mitarbeitern in den Betriebennicht mehr Entscheidungsrechte? Wenn 75 Prozent derMitarbeiter die Regelungen selbst in die Hand nehmenwollen, ist das mehr als eine verfassungsändernde Mehr-heit.
Sie haben das Desaster bei der IG Metall erlebt, dievoll an die Wand gefahren ist. Wir haben in einer Ak-twsSMtthtnDdWtesAmglrwSiZvttVndlkdHuzsskedShmmgw
ier mit bebender Stimme verteidigt. Die Gewerkschaf-en können es einfach nicht und die Menschen laufen ih-en davon; jährlich treten 500 000 Mitglieder aus denGB-Gewerkschaften aus, weil sie merken, dass dieseie Realitäten nicht erkannt haben.
Die IG Metall hat sich bis auf die Knochen blamiert.as muss denn noch passieren, bis es dort zur Erleuch-ung kommt? Gebt doch den betroffenen Mitarbeiternin Stück Freiheit! Lasst sie doch wenigstens selbst ent-cheiden! Wenn 75 Prozent der Belegschaft in geheimerbstimmung eigene Regelungen schaffen wollen, dannüssen sie das Recht dazu haben. Sie wissen genausout wie ich, dass im Osten Deutschlands zwei Drittel al-er Arbeitsplätze außerhalb des geltenden Tarifvertrags-echts existieren. Genau genommen sind die alle rechts-idrig, aber keine Gewerkschaft und auch keinozialdemokrat greift dies an, weil es politisch unsinnigst; denn sie wissen genau: Wer an diesen rechtswidrigenustand in Ostdeutschland herangeht, verdoppelt odererdreifacht die Arbeitslosigkeit.
Seien Sie doch endlich bereit zu lernen! Wenn die Be-riebe nur so zurande kommen, dann geben Sie den Be-rieben doch den Spielraum. Sie kennen die Fälle voniessmann und VW, wo alles verkrampft ist und manicht zu Änderungen bereit ist, obwohl die Betriebsräteort einstimmig dafür sind und auch die Unternehmens-eitung mitmacht. Da hat die IG Metall blockiert. Dasann so nicht weitergehen. Darin liegen die Ursachener Zementierung in Deutschland. Jetzt den deutschenandwerksmeister an den Pranger zu stellen, obwohl Sienfähig sind, eine berechenbare, überschaubare Politiku machen und die Arbeitslosigkeit abzubauen, das istcheinheilig. Sie sollten dankbar dafür sein, dass in die-em Sektor noch ein Stück Stabilität vorhanden ist.
Ich möchte nicht, dass wir am Schluss nur noch Groß-onzerne in Deutschland haben, wie Eon/Ruhrgas, dieinen Marktanteil von 85 Prozent haben. Herr Müller,er Vorgänger von Herrn Clement, hat im Rahmen derteinkohlesubventionierung jahrelang Milliarden dort-in getragen. Anschließend ist er dann mit Sondergeneh-igung und gegen das Kartellamt und die Monopolkom-ission Vorstandsvorsitzender in dem Unternehmeneworden, und die Subvention auf europäischer Ebeneird verlängert. Das ist die Kumpelschaft zwischen den
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Rainer BrüderleKohlekumpels. Herr Clement steht bei Herrn Müllernoch mit 1,4 Milliarden Euro in der Kreide; denn sie ge-währen der Bundesregierung Kredite, weil sie die Sub-vention nicht zahlen kann. Das ist die Verfilzung inDeutschland. Hören Sie doch mit dem Quatsch auf!
Lenken Sie nicht mit Verweisen auf das Handwerkund den Mittelstand ab! Tun Sie nicht so, als ob dort dieProblemlösung läge; sie liegt darin, dass sich der Staatendlich zurückzieht, dass endlich wirklich Steuern ge-senkt werden, dass wirklich Bürokratie abgebaut wirdund wirklich Sozialreformen umgesetzt werden. HörenSie mit der Theaterinszenierung auf!Alle Umfragen zeigen, dass heute niemand glaubt,dass es ihm durch Ihre Steuerreform besser gehen wirdKaum jemand glaubt, dass es Berechenbarkeit gibt.90 Prozent sind verunsichert. Es nimmt eine staatspoliti-sche Dimension an, wenn heute 60 Prozent sagen, sietrauten allen Parteien nichts mehr zu. Die Ursache dafürist das Nichthandeln und dass sie keine seriöse Politikmachen. Sie aber stellen sich hierhin und sagen, die Op-position sei schuld daran, dass die Lage schlecht ist, weilsie Fragen stellt, und fordern uns auf, dass wir uns zurSteuersenkung bekennen. Dabei sind Sie doch die Steu-ersenkungsverweigerer. Sie weigern sich, Arbeitsplätzezu schaffen. Sie tun das, was in Deutschland notwendigist, genau nicht.
Der Bundeskanzler hat noch bei der Bundestagswahl1998 den demographischen Faktor als soziale Sauereibezeichnet. Gestern hatte er den Mut, zu bekennen, dassdie Abschaffung des demographischen Faktors ein Feh-ler war. Herr Bundeskanzler, haben Sie den Mut, auchdie anderen zahlreichen Fehler einzugestehen! EineStunde der Wahrheit ist der Ausgangspunkt für eineneue, bessere Politik.
Ich erteile dem Kollegen Ludwig Stiegler, SPD-Frak-
tion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch dasschon traditionelle Gezeter von Herrn Brüderle habenwir jetzt zur Kenntnis genommen, dass er darunter lei-det, dass die Serie der FDP-Wirtschaftsminister inDeutschland vergessen ist und weniger zur Entwicklungdes Landes beigetragen hat als Wolfgang Clement in sei-nem ersten Amtsjahr.
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Sie leben nach wie vor von der Unkerei. Sie suhlenich bei Ihren Reden im Morast. Ich sage Ihnen: Sie wer-en als Moorleiche enden.
ie werden wirklich konserviert in die Geschichte einge-en. Schauen Sie, vor einem Jahr haben Sie den Weltun-ergang gepredigt. Aber die Leute wollten die Hoffnungählen. Sie haben uns gewählt.
Schauen Sie sich doch an, wie Sie noch vor einem Jahragestanden haben. Dann waren Sie so klein mit Hut. Inahrheit haben Sie bis heute nicht verwunden, dass dieenschen nicht Ihnen, sondern uns und Gerhardchröder vertraut haben.
as ist doch die blanke Wahrheit. So machen Sie weiternd weiter und predigen den Untergang. Ich sage Ihnenber: Die Zukunft gehört den Hoffenden und nicht denerzweifelten.
Gestern hat sogar Herr Hundt, der weiß Gott kein För-erer der rot-grünen Koalition ist, gesagt: Die Zeichenes Aufschwungs mehren sich. – Er hat Sie, seinechwarzen Brüder und Schwestern, aufgefordert, denufschwung nicht zu zerreden, sondern aus den Zeichenes Aufschwungs wirklich einen Aufschwung zu ma-hen. Unsere Aufgabe ist es, den Menschen Hoffnung zueben. Wir sollten der Europäischen Zentralbank mit ih-en positiven Prognosen folgen, die steigenden Produk-ionszahlen beachten, die nach oben korrigierten Vorher-agen der Institute ernst nehmen und dafür sorgen, dassonsum und Investitionen steigen. Wir müssen außer-em zur Kenntnis nehmen, dass die Bullen an der Börseus dem Stall sind und die Bären vertreiben. Das solltenie bitte zur Kenntnis nehmen, auch wenn Sie sich liebern Weltuntergangsstimmung suhlen wollen.
Unsere Aufgabe ist es, die Hoffnung zu verstärken.einer von uns hat das Recht, schon heute das Jahr 2004bzuschreiben, nach dem Motto: Diese faule Bande sagt,s wird ja doch nichts; also bleiben wir im Bett liegen. –ch sage: Raus aus den Federn und ran an die Arbeit,)
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5120 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Ludwig Stieglerdamit das Wachstum kommt! Das ist die Aufgabe, vorder wir stehen.
– Sie auf jeden Fall. Jeder Tag, an dem Sie aufstehen, istein verlorener Tag.
Diese Hoffnung ist auch makroökonomisch begrün-det. Die Zinsen sind historisch niedrig. Die Investitions-voraussetzungen sind also besser denn je, auch wenn dieBanken wegen ihrer eigenen Krise die Zinssenkungennur zögerlich weitergeben. Ich muss schon fragen: Werhat denn die Börsenblase, eine der größten Belastungenunserer Wirtschaft, zu verantworten? War das die rot-grüne Koalition?
Es waren Ihre Freunde in den Großbanken und die be-rühmten Investmentbanker, die Ihre Lieblinge waren unddie Sie angebetet haben. Sie waren für die Börsenblaseverantwortlich und wollen nun uns die Schuld in dieSchuhe schieben. Sie sollten sich anstrengen und ihrenSaustall selber ausmisten.
Wie gesagt: Wir haben historisch niedrige Zinsen.Wir ermuntern die Europäische Zentralbank, diesen Wegweiterzugehen.Wir haben einen Investitionshaushalt wie schon langenicht mehr. Er ist höher als zu Ihrer Zeit.
Der Verkehrsetat ist größer als in früheren Zeiten.
Ihre Häme angesichts der großen Schwierigkeitenzweier großer deutscher Unternehmen in Sachen LKW-Maut ist doch absurd. Lasst uns den Unternehmen hel-fen, der gestellten Aufgabe gerecht zu werden, statt diesetolle Investition, die ein Welterfolg werden soll, kaputt-zureden, nur weil ein paar Stolpersteine aufgetauchtsind! Wir müssen dieses Projekt zu einem Erfolg führenund dürfen nicht unken, schreien oder jammern.
Brüderle und andere haben von der Steuerpolitik ge-redet. Es ist wirklich unglaublich: Während der Kohl-Zeit haben Sie für einen Spitzensteuersatz für Investorenin Höhe von 53 Prozent gesorgt, aber nun regen Sie sichüber den von uns beschlossenen Satz in Höhe von 42PsWESGgApLhsWdkDUlasegSgnehnmSGhfmuit
enn Sie es geschafft hätten, die Gewerbesteuer mit derinkommensteuer verrechenbar zu machen, dann hättenie Feste gefeiert. Im Vergleich dazu wäre der Tanz umsoldene Kalb im Alten Testament nur ein kleiner Eventewesen.
ber das wird verdrängt. Wir haben mit unserer Steuer-olitik mehr getan als Sie in den 16 Jahren von Schwarz-iberal. Wir brauchen uns nicht zu verstecken; denn wiraben Reformen auf den Weg gebracht.
Wir haben auch eine Antwort auf die Wachstums-chwäche, eines der zentralen Probleme.
er mit Mittelständlern redet, weiß, Herr Schauerte,ass sie zurzeit enorme Probleme haben, von den Ban-en die gewünschten Kredite zu bekommen.
as wissen wir alle. Die Bilanzen der mittelständischennternehmen sind von ihren Steuerberatern zwar steuer-ich optimal gestaltet worden. Aber die Eigenkapital-usstattung der Unternehmen ist sträflich vernachläs-igt worden. Darum haben sie heute ein Rating, das Gottrbarme. Da müssen wir ansetzen. Wir müssen die Ei-enkapitalausstattung der Mittelständler mit unsererteuerpolitik – 25 Prozent Körperschaftsteuer, Rückla-en auch für Personengesellschaften und für Investitio-en – wieder verbessern.
Sie haben früher die Haltung gefördert, dass derjenigein Held ist, der den Staat um Steuern bescheißt und des-alb kein Eigenkapital ausweist. Wir unterstützen dieje-igen, die als ordentliche Kaufleute ihr Unternehmenit Eigenkapital ausstatten und der Gemeinde und demtaat das geben, was ihres ist. Man betrügt einen stillenesellschafter wie den Staat, der die Infrastruktur vor-ält, nicht. Solch ein Vorgehen haben Sie lange Zeit ge-ördert und geduldet. Sie haben die Leute ja sogar er-untert, ihr Geld ins Ausland zu geben. Diese barmennd bitten jetzt, dass ihnen Hans Eichel den Weg zurückn die Steuerehrlichkeit weist, was wir gnädigerweiseun, weil wir einen Vorteil davon haben.
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Ludwig StieglerMeine Damen und Herren, Sie jammern über dieKreditfinanzierung. Jeder Euro Kredit ist mit 8 Cent anEigenkapital zu unterlegen. Stellen Sie sich angesichtsdieser Tatsache einmal vor, wie Meister Stoiber durchseine Kirch-Kredite die Eigenkapitalausstattung derHypo-Vereinsbank und der Bayerischen Landesbank rui-niert hat. Das war mehr, als an die mittelständischen Be-triebe gegeben worden ist. Die Hypo-Vereinsbank hatauch ein Problem beim Mittelstand, aber das Kirch-Pro-blem lastet mehr auf der Bilanz und der Eigenkapitalaus-stattung als alles andere. Das ist die Staatskunst vonHerrn Stoiber, der auf Kosten anderer seine Medienlieb-linge gefördert hat.
Wir adressieren das Problem. Durch verbriefte Si-cherheiten haben wir dafür gesorgt, dass die Banken inZusammenarbeit mit der KfW ihre Bilanzen wieder sostrukturieren können, dass sie ausleihfähig werden. Daswar eine gewaltige Aufgabe, für deren Lösung ich HansEichel ganz herzlich danke. Es geht nicht um Bad Loans,sondern um ganz normale Kredite. Ich lade gerade auchdie kleinen Genossenschaftsbanken und die Sparkassenein, daran mitzuwirken.Ich danke der KfW-Mittelstandsbank für ihre ge-waltige Anstrengung bei der Förderung des Mittelstan-des. Auf sie ist wirklich Verlass, sie ist auf vielen Fel-dern aktiv. Mit der Zusammenführung von KfW undDtA zur KfW-Mittelstandsbank steht uns ein Instrumentzur Verfügung, um Kapital und Kredite für Unternehmerbereitzustellen.Meine Damen und Herren, Sie haben über Nachrang-kapital immer nur gelästert. In den ersten acht Monatendieses Jahres sind 690 Millionen Euro an Nachrangkapi-tal vergeben worden. Das ist also alles andere als einFlop. Von den anderen Programmen für die Bauwirt-schaft und die Kommunen brauche ich gar nicht zu re-den. In diesem Rahmen werden 35 Milliarden Euro mo-bilisiert. Das entspricht 275 000 Arbeitsplätzen. Siehaben immer gesagt, das bringe nichts, aber von MitteApril bis Ende August gab es 31 700 Zusagen, die einVolumen von rund 3 Milliarden Euro umfassen. Das istkonkrete Politik für den Mittelstand und kein Unter-gangsgerede.
Herr Kollege Stiegler, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Schauerte?
Das ist wohl unvermeidlich.
Bitte schön.
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Das schreibt die Geschäftsordnung vor, Herr Kollege
chauerte.
Ich hatte vorhin den Zwischenruf gemacht, dass es in
anchen Fällen gut wäre, wenn jemand im Bett geblie-
en wäre. Das will ich jetzt aber nicht vertiefen.
Meine Frage. Sie haben gerade die Fusion der KfW
it der DtA zur KfW-Mittelstandsbank erwähnt. Kön-
en Sie mir ein einziges Beispiel dafür nennen, dass sich
eit dieser Fusion hinsichtlich der Finanzierung des Mit-
elstandes etwas verbessert hat?
Ja, das kann ich. Sie müssen sich nur einmal dieühe machen, mit der KfW zu reden. Die Programmeind gestrafft worden. Es gibt jetzt Beteiligungskapital.
s gibt jetzt nachrangiges Beteiligungskapital auf breiterbene. Es gibt Mikrodarlehen, die für Existenzgründeron kleinen Unternehmen eingeführt worden sind.
ch empfehle einen Besuch, sie befindet sich in derähe. Lassen Sie sich das alles dort einmal vorstellen.ch kann Ihnen auch gerne die Papiere schicken, aber ichann meine Redezeit nicht zum Thema KfW aufbrau-hen.
Ich sage Ihnen: Bei mir sind täglich Mittelständler, dieich um Hilfe bitten, damit sie zum Beispiel die Bera-ungskapazitäten der KfW in Anspruch nehmen können,eil die Banken und Sparkassen sehr zögerlich die KfW-redite weiterleiten, da deren Mitarbeiter oft nicht wis-en, wie es funktioniert.
eswegen helfen wir mit, dass wir mit ausgefeiltenusiness-Plänen vorankommen. Herr Schauerte, wennie schon aufstehen, wird es sich lohnen, den ersten Wegur KfW zu machen; ich glaube, das würde selbst Ihnenoch etwas bringen.
Meine Damen und Herren, wir fördern den Mut zurelbstständigkeit. Gerade die KfW bereitet von den
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Ludwig StieglerKleinstunternehmen bis zu den Wachstumsbereichen et-was vor. Wir haben jetzt auch den so genannten mezza-ninen Bereich adressiert, also den Bereich zwischen1 Million und 5 Millionen Euro, in dem es unglaublichschwer ist, Beteiligungen zu gewinnen.
– Sie müssen stehen bleiben, Herr Kollege Schauerte,sonst geht das alles von meiner Redezeit ab. Ich beant-worte immer noch Ihre Frage.
Es ist ja unfair, mir Fragen zu stellen, um mir Redezeitzu stehlen.
Das ist nicht okay. Herr Präsident, er steht virtuell.
Ich beantworte immer noch die Frage von HerrnSchauerte.
Die KfW hilft gerade in diesem mittleren Bereich.Wir starten jetzt zum Beispiel Beteiligungsgesellschaf-ten, an denen sich die KfW beteiligt, damit die Unter-nehmen an Eigenkapital kommen.
Wir werden die ganze Mentalität der Unternehmens-finanzierung zu ändern haben, damit wir die kleinen undmittleren Unternehmen in der Übergangszeit so mitNachrangkapital versorgen, dass sie, wenn sie dank un-serer Steuerpolitik Eigenkapital gebildet haben, in einegute Zukunft gehen.Jetzt können Sie sich setzen.
Wir sichern mit unserer Steuerpolitik die Renditenach Steuern und haben dadurch ganz andere Standort-voraussetzungen als früher. Wir sichern mit der Reform-politik den EBIT, weil die Explosion der Lohnnebenkos-ten gestoppt und der Lastenesel Arbeit von zusätzlichenAbgaben befreit wird. Dies wird Klaus Brandner nach-her noch beschreiben.Ich sage Ihnen: Hören Sie auf, auf die Bundesanstalteinzudreschen! Sie war in einem Zustand, den 20 JahreCDU-Herrschaft verursacht haben. Wir haben sie mit-hilfe der Mitarbeiter in einem Jahr in Bewegung ge-bracht. Lassen Sie uns den Mitarbeitern helfen, sich aufdie neue Zeit einzustellen, statt sie zu diffamieren.
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Herr Hundt hat sich gestern Abend dazu bekannt. Wirüssen gelegentlich den Knüppel zeigen, weil sonstichts in Bewegung kommt. Die Unternehmen müssenirklich wissen: Wir meinen es ernst. Keiner von uns hatpaß daran, eine Umlagefinanzierung – oder was auchmmer – einzuführen. Wolfgang Clement hat Recht,enn er die Unternehmen auffordert: Zahlt jetzt in einenolchen Fonds oder bei euren Kammern ein; es darf keinub und kein Mädchen ohne Stellenangebot bleiben.Wir tun als Bund mit dem Programm für die Jugend-ichen unglaublich viel. Die Kultusminister bescherenns jedes Jahr 10 bis 15 Prozent nicht ausbildungsfähigeugendliche. Eigentlich müssten die Kultusministerans Eichel Geld erstatten, weil Jugendliche die Haupt-chulen ohne Berufsreife verlassen. Das ist doch dieahre Situation, und zwar in allen Ländern. Da über-immt der Bund ohnehin sehr viele Aufgaben.Meine Damen und Herren, wir haben eine zweiteufgabe: der Rationalisierung eine neue Richtung zueben. Wir erleben es zurzeit, dass die Automobilindus-rie, aber auch die Maschinenbauindustrie mit ihrenreisvorgaben die Zulieferer geradezu zwingen, fernetandorte aufzusuchen. Wir erwarten von den Profis deration, dass andere Effizienzpfade begangen werden –ei es nun der Energiepfad, die Materialwirtschaft oderhnliches. Man kann auch in andere Richtungen gehennd muss nicht alles auf den Faktor Arbeit abladen. Wirerringern die Lohnnebenkosten. Wir erwarten im Ge-enzug von der Wirtschaft, dass neue Pfade der Effizi-nzrevolution gegangen werden und dass wir das mitein-nder anpacken.Dazu gehört auch die Energiepolitik. Wir sind fürersorgungssicherheit. Zustände wie in Amerika wird esei uns nicht geben. Hauptfaktoren sind die Umweltver-räglichkeit, die Wirtschaftlichkeit und die Innovations-ähigkeit. Die Steigerung der Effizienz steht dabei imittelpunkt. Dazu, dass es zwischen Wolfgang Clementnd Hermann Scheer gelegentlich Diskussionen gibt,age ich: Ja, mein Gott! Hermann Scheer ist der Stellver-reter der Sonne auf Erden, er denkt in Äonen und Jahr-illionen.
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Ludwig StieglerWolfgang Clement sichert in den nächsten zehn Jahrendie wirtschaftliche Entwicklung. Die Strecke von Jahr-millionen besteht aus einer beinahe unendlichen Anei-nanderreihung von Zehnjahreszeiträumen. Wir sind hierauf einem guten Weg.
Ich schaue mir die Situation bei der CDU/CSU an.Dass Herr Merz Frau Merkel gestern die erste Auseinan-dersetzung mit dem Bundeskanzler abgenommen hat,damit sie hinterher über Kirschkuchen reden konnte,zeigt mir, wie es bei Ihnen aussieht. Bei Ihnen ist dasGlück des einen die Hölle des anderen. Wir sind demge-genüber miteinander auf die Zukunft ausgerichtet. Dasist das Entscheidende, was wir hier zu tun haben.
Wir als Sozialdemokraten wagen die Veränderung.
Es wäre gelogen, zu sagen, dass uns das leicht fällt.Zu Ihrem Herrn Laumann sage ich: Wie immer darfeiner von Ihnen den Sozialausschüssler, den Rächer derEnterbten, mimen, während die anderen Drahtzieher dieSchweinereien machen und das Tarifvertragssystem bre-chen dürfen.
Herr Laumann tut mir Leid. Er muss hier immer schein-heilig sein und eine Wand, einen Paravent, vor IhrenHintergedanken aufbauen. Er ist ein armer und netterKerl. Deshalb sollte er sich für so etwas nicht zur Verfü-gung stellen.
Wir orientieren die Menschen um. Sie müssen einBewusstsein für die veränderte Lage der Weltwirtschaft,die veränderten Wachstumserwartungen und die Pro-bleme, die mit dem demographischen Wandel verbundensind, entwickeln. Dass uns das vor allem dann, wenn Siesagen, dass die Welt gleich untergeht, nicht immer Zu-stimmung bringt, ist klar. Wir stellen uns aber dieserAufgabe, und zwar ausgewogen. Dafür bekommen wirkeine Vorschusslorbeeren.Ich sage unseren Freunden von den Gewerkschaften:Wer uns wegen Kleinigkeiten kritisiert, der sollte bitteim Auge behalten, was Sie vorhaben, nämlich die Zer-störung der Tarifautonomie. Das wäre eine konservativeRevolution in diesem Lande,
die rückwärts gerichtet wäre. Das werden auch unsereFreunde in den Gewerkschaften begreifen.
Wir gehen also auch durch tiefe Täler,
ber wir nehmen unsere Verantwortung dabei wahr.ir gehen an vielen Menschen mit fragenden Blickenorbei, aber wir stehen fest zu unserer Zielsetzung einesachhaltig wachsenden Wohlstandes im Frieden mit deratur. Es muss zu einer Kultur der Selbstständigkeitommen, in der jeder, der für sich und andere einen Ar-eitsplatz schafft, unsere Unterstützung und Förderungrhält. Die Solidarität der Generationen bei Rente undflege ist wichtig. Es darf nicht dazu kommen, was derU-Vorsitzende gefordert hat, nämlich: Krücke ab 75.as, was jemand medizinisch braucht, muss er unabhän-ig von Alter und Einkommen auch erhalten. Das ist un-er Weg der Erneuerung.Franz Müntefering hat die Themen „Sicherheit imandel“ und „Sicherheit durch Wandel“ vor Jahren hierur Diskussion gestellt. Genau das ist unser Programm.s geht um Sicherheit durch Wandel und Wohlstand aufohem Niveau. Jammern auf einem erbärmlichen Ni-eau, wie es die Opposition tut, hilft nicht weiter.Vielen Dank.
Ich erteile Kollegen Kurt Rossmanith, CDU/CSU-
raktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren Kollegen! Dies war an sich eine typische Redeer heutigen Sozialdemokratie nach dem Motto: Halteten Dieb! Beschimpfungen und Angriffe, aber inhaltlichchlicht und einfach nichts.
Das, lieber Herr Kollege Stiegler, haben wir von Ih-en und übrigens auch vom Bundesminister für Wirt-chaft, zu dem ich gleich noch kommen werde, erwartet;enn Sie haben schon mit Ihrem Einstieg völlig falschelegen: Die Zukunft gehört nicht dem Hoffenden, son-ern sie gehört dem Handelnden. Handeln – das verlan-en wir von der Regierung. Das hätte sie seit fünf Jahrenachen müssen, aber sie hat es bis heute sträflich ver-achlässigt.
Sie haben sich im Endeffekt genauso wie der Bundes-anzler verhalten, der nur in Phrasen spricht und nieonkret wird. Er erklärt Themen zur Chefsache, von
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Kurt J. Rossmanithdenen hinterher – das sieht man – überhaupt nichts übrigbleibt. Von ihm kommen immer nur Phrasen und Über-schriften.
Ich gestehe: Würden wir uns in der Tat mit dem beschäf-tigen, was auf der Tagesordnung steht, nämlich derHaushalt 2004, dann wäre das eine völlige Zeitver-schwendung. Der Kollege Schöler könnte sich ansonstenanderen wichtigen Aufgaben widmen. Deshalb hat HerrBundesminister Clement über den Haushalt gar nichtsgesagt.Sein Ministerium hat zu diesem Haushalt Folgendeserklärt – ich zitiere –:Der vom Bundeskabinett im Juli beschlossene Re-gierungsentwurf zum Haushalt 2004 des Bundes-ministeriums für Wirtschaft und Arbeit bedarf imparlamentarischen Verfahren in wesentlichen Punk-ten einer Überprüfung und Überarbeitung.Das sagt alles. Wenn wir hier permanent angegriffenwerden, dann müssen wir einfach sagen, dass dieserHaushaltsentwurf von Haus aus in den Papierkorb gehörthätte. Schon bei der Erarbeitung dieses Haushaltes wur-den überhaupt keinerlei Fakten berücksichtigt. Selbst derBegriff „geschönt“ ist hier noch weit untertrieben.
Kollege Rossmanith, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Kröning, SPD-Fraktion?
Aber selbstverständlich.
Herr Kollege Rossmanith, ich nehme an, dass Sie an
der Debatte von Anfang an teilgenommen haben und
dass Sie auch in den letzten Tagen in Ihrem Büro waren.
Erstens. Können Sie bitte einmal bestätigen, dass der
Bundeswirtschaftsminister vorhin davon gesprochen hat,
dass die Arbeitsmarktreformen Hartz III und IV, die
von der Bundesregierung am 13. August eingeleitet wor-
den sind und in den Haushaltsentwurf vom 2. Juli noch
nicht eingearbeitet werden konnten, auf Vorschlag seines
Ministeriums, abgestimmt mit dem Bundesministerium
der Finanzen, eingearbeitet werden müssen? Das hat er
angekündigt.
Zweitens. Ist Ihnen bekannt, dass zwischen unseren
Büros für den 30. Oktober bereits ein zweiter Berichter-
stattertermin zu diesem Thema einvernehmlich verabre-
det worden ist? Was Sie hier machen, ist Volksverdum-
mung.
Lieber Kollege Kröning,
drAsne–ngsdvwwisdezmlwesBg–ssh–bddsJbbze
nsonsten bestätige ich Ihnen sehr gern – das istelbstverständlich –, dass ich in den letzten Tagen nichtur hier im Büro, sondern sogar hier im Plenum war, wies sich für einen Haushälter gehört.
Herr Kollege Kröning, ich bin mit meiner Antwortoch nicht fertig, bitte bleiben Sie stehen. Ansonsteneht es mir wie dem Kollegen Stiegler, dem Redezeit ge-trichen wurde, die aber der Beantwortung der Frageiente.
Selbstverständlich war ich heute bei dieser Debatteon Anbeginn anwesend und habe dem Herrn Bundes-irtschaftsminister sehr interessiert zugehört. Deshalberde ich auf einiges aus seiner Rede eingehen. Faktumt aber, dass bestimmte Änderungen – ich meine nichtie Reformen zu Hartz III und IV; darin sind wir unsinig – in den Entwurf schon hätten eingearbeitet oderumindest genannt werden können. Es ist überhaupt ein-alig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch-and, dass ein Haushalt beraten wird, in dem Gesetzent-ürfe teilweise berücksichtigt werden, die noch nichtinmal in erster Lesung im Parlament behandelt wordenind. Diese Gesetzentwürfe bringen Sie erst heute in dieeratungen ein und sie müssen jetzt schon wieder korri-iert werden.
Ich bin noch nicht fertig, Volker Kröning.
Ein wesentlicher Punkt ist das angebliche Wirt-chaftswachstum von 2 Prozent. Kein einziges wirt-chaftswissenschaftliches Institut hat auch nur annä-ernd eine solche Zahl genannt.
Das gehört alles noch zu der Frage, die Sie gestellt ha-en. – Selbst die Kollegin Scheel – meines Wissens sindie Grünen mit Ihnen in einer Koalition – hat gesagt,ass diese Zahl niemals erreicht werde und ein Wirt-chaftswachstum in dieser Höhe illusorisch sei.
etzt bin ich fertig mit der Beantwortung Ihrer Frage. Ichin ja anständig und will nicht Redezeit schinden.Ich möchte ein Wort zur Kollegin Dückert sagen. Ichin geradezu dankbar, dass die Grünen in der Zwischen-eit einen Begriff kennen und nennen, bei dem sie früherine pawlowsche Reaktion der übelsten Art gezeigt ha-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5125
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Kurt J. Rossmanithben, nämlich Wirtschaftswachstum. Das war früher fürSie immer das Übelste, was es überhaupt gibt. In derZwischenzeit sagen Sie selbst, dass wir Wirtschafts-wachstum brauchen, um die äußerst schwierige Situationin der Bundesrepublik Deutschland bewältigen zu kön-nen.Wir brauchen keine Worte und Luftblasen, sondernkonkretes Handeln. Sie verweisen auf die Steuerschät-zung. Auch der Bundesminister der Finanzen hat dasdiese Woche wieder getan und gesagt, dass die Steuer-schätzung im November abgewartet werden müsse, umdann neue Überlegungen anzustellen. Im Novemberwollen wir den Hauhalt 2004 in zweiter und dritter Le-sung bereits beschlossen haben. Der Bundesrat will dannauch darüber beschließen. Sie kennen doch schon jetztdie Zahlen. Sie stehen doch nicht wie das Kaninchen vorder Schlange und wissen nicht, was die Steuerschätzungim November ergeben wird.Im vergangenen Jahr war es genauso. Wir konntenden Bundeshaushalt 2003 wegen der Bundestagswahlerst in diesem Jahr beschließen. Dennoch haben Sie imFrühjahr gesagt, wir müssten erst die Steuerschätzungim Mai abwarten.Wir haben in diesem Land – Gott sei es geklagt – dieniedrigste Investitionsquote, die es seit Bestehen derBundesrepublik Deutschland gab.
Herr Stiegler sagt noch, dass wir den Leuten Hoffnunggeben sollen.
Hoffnungslos war die Sozialdemokratie, weil sie jedenKredit verspielt hat. Sie konnte noch nie Hoffnung ge-ben, aber die Leute haben das zu spät bemerkt und habensich im vergangenen Jahr noch einmal blenden lassen.Es waren zwar nur etwas mehr als 7 000, die sich mehrals die anderen haben blenden lassen, aber dennoch.
Lieber Kollege Stiegler, ich sehe noch heute die Vor-stellung des Hartz-Konzeptes kurz vor der Bundestags-wahl bildlich vor mir, die wie eine kultische Weihehand-lung im Französischen Dom am Gendarmenmarktzelebriert wurde.
Schröder sagte: Das Hartz-Konzept wird eins zu einsumgesetzt. Ich werde das machen. Basta! – Was ist da-raus geworden? Gar nichts.
Lieber Herr Bundesminister Clement, ich schätze Siepersönlich sehr, muss Ihnen aber sagen, dass mit denHmdldeDslABgiDi–wWmnddMbVdDs–a
as ist doch der Witz daran. Aber es ist leider Gottes so.
Deshalb ist es auch richtig, dass Sie nicht nur Steuernenken, sondern auch Subventionen zurückfahren wol-en. Aber auch dabei ist nicht zu erkennen, dass Sie diesebsicht umsetzen. Denn die Sparbemühungen dieserundesregierung ergeben ein völlig anderes Bild. In derestrigen Ausgabe der „Financial Times Deutschland“st mit Recht festgestellt worden:Das Einzige, woran diese Bundesregierung spart,ist die Wahrheit.em kann man nur zustimmen. Genau dies ist Fakt.Ich frage mich, wie Sie die 5 Millionen Arbeitslosenn den Griff bekommen wollen.
Mit Geschrei und Ihren Sprechblasen, Herr Stiegler,ird das sicherlich nicht gelingen.
ir brauchen vielmehr eine Rückführung der Regle-entierungen. Sie haben uns das doch in den vergange-en fünf Jahren eingebrockt. Das sind die Fesseln – wieer Kollege Brüderle mit Recht festgestellt hat –, die Sieer Wirtschaft angelegt haben. Sie werden es mit Ihrenaßnahmen nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit abzu-auen – im Gegenteil. Der ehemalige stellvertretendeorsitzende Ihrer Fraktion, Ottmar Schreiner, wurde iner gestrigen Ausgabe der „Welt“ wie folgt zitiert:Wenn wir im Winter 5 Millionen Arbeitslose haben,fängt die Richtungsdebatte von vorn an.as heißt, er rechnet schon mit 5 Millionen Arbeitslo-en.
Vonseiten anderer Kollegen aus Ihrer Fraktion istich zitiere wieder aus der „Welt“ – von einem „extremutoritären Selbstverständnis des Kanzlers“,
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Kurt J. Rossmanithvon „mangelnder strategischer Weitsicht“ und „fehlen-dem Respekt vor dem Parlament“ die Rede. Der Kanzlergebe „seiner Fraktion keine Orientierung“. Das sindAussagen von Sozialdemokraten.
Wir brauchen zwar in der Tat eine Erneuerung, abernicht in der Form, wie Sie sie zu Papier bringen, die sichaber im Endeffekt wieder nur an dem Alten orientiert.Von einer wirklichen Erneuerung ist in diesem Haushaltnichts zu finden.
Ich will kurz auf die Gemeinschaftsaufgabe „Ver-besserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ zusprechen kommen. Für die neuen Bundesländer wird siemassiv zurückgeführt, für die alten Bundesländer völliggestrichen. Aber die Förderung kann sich doch nichtnach den Grenzen der Bundesländer richten. Sie musssich vielmehr an strukturschwachen Gebieten orientie-ren, denen geholfen werden muss. Diesen Ansatz müs-sen wir verfolgen.
Ich möchte auch noch etwas zu den Werften sagen.Herr Bundesminister Clement, Sie fahren heute nachMexiko zur WTO. Vielleicht können Sie bei dieser Gele-genheit das Thema vorbringen. Wir können doch nichteinfach hinnehmen, dass bei HDW 800 und bei derMeyer Werft 750 Arbeitsplätze mir nichts, dir nichts ab-gebaut werden. Wir liegen nach wie vor in Fesseln, weilsich andere Staaten, in denen es auch eine Werftindustriegibt – zum Beispiel Korea –, nicht nach dem richten,was international vereinbart wurde.
In dieser Konkurrenzsituation muss doch für Gleichheitgesorgt werden. Wir verfügen auch auf diesem Gebietüber Spitzentechnologie und müssen uns vor niemandemverstecken.
Das Gleiche gilt für die Luftfahrtforschung. Ichmöchte positiv hervorheben, dass es das Luftfahrtfor-schungsprogramm III gibt, wenn auch mit zurückgeführ-ten Daten. Aber angesichts der derzeitigen Situation willich mich dazu nicht negativ äußern. Ich will aber den Grü-nen Folgendes ins Stammbuch schreiben: Die Luftfahrt-forschung ist notwendig. Die Menschen haben nun einmaleine hohe Mobilität, die sie auch beibehalten wollen. DieLuftfahrtforschungsprogramme verfolgen aber nicht dasZiel, die Umwelt zu zerstören; vielmehr ist das Gegenteilder Fall: Mit diesen Programmen werden Maßstäbe imVerbrauch gesetzt, der dadurch zurückgeführt werdenkann. Außerdem kommen sie der Lärmminderung zugute.Sie sollten sich nicht ständig dagegen wehren.Zum Steinkohlebergbau möchte ich noch Folgendessagen: 2,2 Milliarden Euro, die nach wie vor in einemehr oder weniger auslaufende Industrie gepumpt wer-den, sind eine ganze Menge. Darüber müssen wir nocheinmal diskutieren; denn angeblich sollen 800 MillionenEgpmddwmW–üumgWrZWsdnBWunRtwgsDuAgM
einer Ausführungen. – Ich sehe an der großen Freude
er Sozialdemokraten,
ass das, was ich gesagt habe, sie sehr getroffen hat. Das
ollte ich erreichen. Ich hoffe aber auch, dass ich Sie
it meiner Rede zum Umdenken gebracht habe.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Anja Hajduk.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Derirtschaftsminister hat am Anfang der Debatte gesagter musste jetzt leider gehen –, dass wir im Wesentlichenber die Herausforderungen im Bereich der Wirtschaftnd des Arbeitsmarktes einig seien. Ich glaube, das kannan bestätigen. Ich habe jedenfalls nichts Gegenteiligesehört. Wir müssen die Beschäftigung fördern, umachstum zu ermöglichen. Das ist wahrscheinlich dieichtige Reihenfolge. Hierbei ist ein Hauptprojekt dieusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.enn ich Herrn Laumann richtig verstanden habe, danncheint eine Einigung möglich zu sein. Der Minister hatie sehr mutige Aussage gemacht, dass es deswegenicht zu einer immensen Personalaufstockung bei derundesanstalt für Arbeit kommen dürfe.In Richtung Opposition möchte ich Folgendes sagen:enn man zustimmt, dass die Herausforderungen vonns allen richtig erkannt worden sind, dann macht es kei-en Sinn – das betone ich besonders im Hinblick auf dieeden von Herrn Laumann und Herrn Brüderle –, in ers-er Linie Schuldzuweisungen vorzunehmen und Vor-ürfe zu machen nach dem Motto: Hätten Sie das andersemacht, dann wäre vieles besser geworden. Außerdemei das Wachstum viel geringer als unsere Prognosen.er Vorwurf, dass wir keine optimalen Ergebnisse mitnserer Politik erzielt hätten, ist durchaus berechtigt.ber die Menschen haben die Nase voll von einer billi-en Schuldzuweisungspolitik. Im Klartext: Das geht denenschen auf den Wecker, und zwar zu Recht.
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Anja HajdukGefragt sind stattdessen Lösungsalternativen.
Ich war regelrecht geschockt, dass Herr Laumann, alser über Reformen gesprochen hat – Herr Brüderle hatseine Aussagen ganz aufgeregt bestätigt –, als Erstes dieLiberalisierung des Handwerks in einen unvereinbarenGegensatz zu der – zugegeben – großen Leistung desHandwerks in der Ausbildung gebracht hat.
Es hat mich richtig erschüttert, dass Sie unsere Politikzur Liberalisierung des Handwerks nicht positiv be-gleiten können.
Sie, meine Damen und Herren von der FDP, reden indiesem Zusammenhang sogar von Zerschlagung undverweigern sich. Ich frage mich, wo die Freiheitsliebeder FDP geblieben ist.
– Sie sollten nicht vom Thema ablenken. – Der Auftritt,den Sie sich hier geleistet haben, war für einen Liberalenpeinlich.
Ich möchte nun auf ein Thema zu sprechen kommen,das die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende, Angela Merkel,gestern zu Recht angesprochen hat, nämlich die Heraus-forderung an die Politik, in Krisenzeiten eine klare Liniezu beschreiben.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Hinsken?
Ich möchte diesen Gedankengang gerne zu Ende füh-
ren. Dann erlaube ich gerne eine Zwischenfrage.
Ich war gestern zusammen mit Herrn Schauerte auf
einer Veranstaltung, auf der es um Ordnungspolitik
ging. Dort sind die Opposition und die Regierung kriti-
siert worden, auch zu Recht; denn auch wir machen
nicht alles richtig. Wir müssen eine klare Linie verfol-
gen. Wenn wir eine stärkere Liberalisierung wollen – da-
für braucht man Mut; Frau Merkel hat gestern von „fair
ändern“ gesprochen –, dann können wir der Bevölke-
rung doch nicht im Ernst vorschlagen: Ihr müsst einen
Mentalitätswandel durchmachen, aber einige Gruppen
nehmen wir davon aus.
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Frau Kollegin Hajduk, Sie haben vom Zerschlagenes Handwerks gesprochen. Ich möchte den Vorwurf er-eben, dass das der Fall sein wird, wenn wir so vorge-en, wie die Koalition es vorlegt. Wir haben nichts dage-en,
ass ein modernes, dynamisches, flexibles
nd europataugliches Handwerk in Zukunft maßgeblichein soll.
Wir werden unseren Beitrag dazu leisten.Ich bitte Sie, Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:
ir sind dagegen, dass das Kind mit dem Bade ausge-chüttet und der Meisterbrief über Bord geworfen wird.
as erwartet das Handwerk auch von uns.Ich möchte daran erinnern,
as Herr Minister Clement – er ist jetzt nach Cancun ab-eflogen und ich habe es ihm eben noch gesagt – alsestredner beim Deutschen Handwerkstag am 29. No-ember 2002, also vor wenigen Monaten, gesagt hat:
Ich gehöre zu den Anhängern des Großen Befähi-gungsnachweises.
Ich gehöre zu denen, die die Handwerksordnung,die das Handwerk mit seinem Kammerwesen, mitseinem Innungswesen für unverzichtbar halten.
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Er sagt weiter:Es wird durch diese Bundesregierung, jedenfallsdurch mich, keine Maßnahmen geben, die gewis-sermaßen von oben herab Veränderungen im Hand-werk erzwingen wollen.
Das, was wir tun, was wir tun können, im Verhält-nis zum Handwerk,
was die Rechtsordnung angeht, die Handwerksord-nung angeht, das wird nur so gestaltet werden, dassSie– gemeint ist das Handwerk –mitgehen. Wir werden das mit Ihnen tun – –
Jetzt übersteigt das Maß des Vorlesens aber den Um-
fang einer Frage.
Ich möchte Sie bitten, das zur Kenntnis zu nehmen;
denn die Grünen sind der Koalitionspartner der SPD.
Deshalb richte ich meine Frage an Sie:
Wenn Clement solche Versprechungen macht, meinen
Sie dann nicht, dass Sie sie der Glaubwürdigkeit wegen
auch halten müssen, oder meinen Sie, man kann so vor-
gehen, wie Sie es jetzt beabsichtigen?
Herr Hinsken, ich bin dankbar, dass Sie diesen Punktangesprochen haben, weil ich glaube, dass gerade Sie– aber auch wir – wegen Ihrer Eingebundenheit imHandwerk eine besondere Verantwortung tragen.
– Auch Kompetenz.Wir können auch über die eine oder andere grundsätz-liche Sache unterschiedlicher Meinung sein, aber dassder Kollege Brüderle und andere davon reden, es gingeuns um die Zerschlagung des Handwerks,
ist ausgemachter Quatsch.swbsrzhsMtknWdfnWuWbDdadwmnbZdaMHbbpsnga
Ich habe mit der Handwerkskammer in Hamburg ge-prochen. Dort wurde deutlich gesagt: Wir wissen, auchir müssen uns bewegen, aber bitte nehmen Sie uns da-ei mit. Vielleicht gehen wir in der Politik manchmaltärker voran, als die Kammer das für ihren eigenen Be-eich wünscht. Vertreter wie Sie, die in diesem Hause sit-en, haben die besondere Verantwortung, das Vorange-en zu fördern.
Wenn wir in einer ganz bestimmten Weise dem An-pruch gerecht werden wollen – ich habe auf Frauerkel verwiesen –, wenn wir den Leuten etwas zumu-en und dabei faire Änderungen in Gang setzen wollen,önnen wir nicht bei dem kleinsten gemeinsamen Nen-er anfangen und nur Füßchen vor Füßchen setzen.enn Sie in diesem Hause sitzen, haben Sie nicht nurie Verantwortung nicht nur für das Handwerk, sondernür die gesamte Gesellschaft.Deswegen sage ich: Wir wollen den Meisterbrieficht abschaffen und wir schaffen ihn auch nicht ab.
ir wissen, dass wir eine hohe Qualität im Handwerknd eine beispielhafte Ausbildung dort haben.
ir wissen aber auch, dass im Handwerk nicht alles soleiben kann, wie es ist.
as muss man hier deutlich sagen dürfen.Wir müssen über Schritte der Veränderung reden undas ist auch für die Zukunft des Handwerks mit Blickuf den gesamten europäischen Markt notwendig. Wirürfen nicht immer nur den Blick zurückwerfen. Dasissen Sie doch auch, Herr Hinsken. Also machen Sieit. Haben Sie ein bisschen mehr Mut. Von mir aus kön-en wir in einigen Details ein wenig auseinander blei-en. Aber wir brauchen keine Polemik.
Ich möchte mit einem Punkt schließen, der hiermit imusammenhang steht: Wenn wir den Wettbewerb undie Änderungsbereitschaft predigen, dann müssen wirufpassen, dass uns beim Subventionsabbau nicht derut verlässt. Sie wissen, dass wir es gerade bei diesemaushalt – auch beim Haushalt für Wirtschaft und Ar-eit, aber nicht nur dabei – mit Subventionen zu tun ha-en. Das ist ein sensibles Thema, weil es mit Arbeits-lätzen zusammenhängt. Wenn wir auf den Wettbewerbetzen, dann müssen wir wissen: Subventionsabbau isticht nur ein fiskalisches Problem – das ist es wegen desroßen Ausmaßes und der hohen Summen mit Sicherheituch –, sondern auch ein ökonomisches Problem.
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Anja HajdukDeswegen wünsche ich mir, dass wir mit der Innova-tionsbremse – Subventionen sind eine Innovations-bremse – wirklich mutiger umgehen und mehr Ent-schlossenheit beim Subventionsabbau zeigen. Das ist fürdie Modernisierung unserer Wirtschaft mit Blick auf In-novationen notwendig, um mehr Beschäftigung zu errei-chen; denn von alleine wird sie nicht kommen. Wir brau-chen dafür sehr viele Veränderungen. Wir brauchenmehr Beschäftigung für die Förderung eines qualifizier-ten und guten Wachstums; Sie haben darauf hingewie-sen. Da drücken wir Grünen nicht auf die Bremse. Wirakzeptieren, dass Wachstum in einem sinnvollen Aus-maß geschaffen werden muss.Danke.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Niebel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Monat für Monat können wir Arbeitslosenzah-
len in den Medien verfolgen, die in aller Regel um meh-
rere Hunderttausend höher liegen als im Vorjahresmonat.
Wir debattieren hier den Haushalt für Wirtschaft und Ar-
beit zusammen mit anderen Gesetzen. Dieser Haushalt
ist genau wie im letzten Jahr ein Haushalt für Arbeitslo-
senhilfe und Steinkohlesubvention.
In diesem Haushalt sind keine Innovationen, aber
enorme Haushaltsrisiken – sie werden uns im Laufe des
Jahres noch begegnen – zu finden. Wir haben das schon
beim letzten Haushalt für dieses Jahr erkannt, in den
kein Bundeszuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit
eingestellt wurde. Dieses Mal haben Sie wenigstens
5,2 Milliarden Euro als Zuschuss eingestellt; aber Ende
Juni dieses Jahres betrug das Defizit schon 5,6 Milliar-
den Euro. Das heißt, es ist absehbar, dass dieser Haushalt
bei einer schlechteren Arbeitsmarktentwicklung, von der
im Moment alle ausgehen müssen, schlichtweg Makula-
tur sein wird. Sie sollten ihn überarbeiten, und zwar
nicht erst, wenn Hartz III und IV beschlossen sind, son-
dern sofort.
Wir debattieren unter anderem Hartz III und IV. Ich
habe einmal das Sitzungsprotokoll der 243. Sitzung vom
14. Juni 2002 mitgebracht. Ich drohe ausdrücklich an,
daraus zu zitieren, wenn Sie mich dazu zwingen sollten;
denn damals haben Sie unseren Antrag auf Zusammen-
legung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe abge-
lehnt.
Ich kann hier vorlesen, wie Sie uns dafür beschimpft ha-
ben. Ich freue mich, dass das Bundeswirtschaftsministe-
rium jetzt weiß, dass es sinnvoll ist, diese beiden steuer-
finanzierten Leistungen zusammenzulegen.
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Hans-Joachim FuchtelWas wir jetzt erleben, haben wir in vielen Jahren nochnie erlebt.Mit der Bekanntgabe der nächsten Eckwerte wird sichzeigen, dass das ganze Gesundbeten, wie es der Wirt-schaftsminister hier immer wieder macht, nicht hilft unddass die Illusion bezüglich der Kostenentwicklung wieeine Seifenblase zerplatzen wird. Es wird sich zeigen,dass man damit keine Politik machen kann.
Heute Morgen hat er wieder gesagt: Wir werdenDeutschland zum Motor machen. Ja, wenn die anderennoch schwächer werden, dann werden wir vielleicht wie-der zum Motor in Europa.Ich erinnere daran, dass die Regierung Kohl mit ei-nem Wirtschaftswachstum von 2,8 Prozent geendethat. Wo sind wir heute? Bei vielleicht 0,75 Prozent.
Welche Diskrepanz! Die Leute wären froh, wenn wirsolche Wirtschaftsdaten hätten, wie wir sie damals, alswir die Regierung beendet haben, gehabt haben.
Meine Damen und Herren, haben Sie vom Ministerauch nur irgendetwas über die galoppierenden Kostenund über seinen Haushalt insgesamt gehört? Der Mannerliegt einer Illusion. Er denkt, man könne, wenn es not-wendig sei, wieder einen großen Schluck aus der Schul-denpulle nehmen und dann sei alles wieder vergessen.Aber die nächste Generation muss alle diese Schlückebezahlen.
Aus diesem Grund müssen wir bei der Aufstellung desHaushalts mehr Seriosität einklagen. Sie ist leider nichtgegeben.
Im März hat sich der Wirtschaftsminister an dieserStelle darauf versteift, dass er keinen Zuschuss für dieBundesanstalt für Arbeit braucht. Sein Genosse Gersterbei der Bundesanstalt für Arbeit ist ihm beigetreten. Erhat in der Sachverständigenanhörung damals gesagt:Wenn die Politik es möchte, dass die Bundesanstalt ohneZuschuss auskommt, dann wird sie auch ohne Zuschussauskommen. – Das war im März. Jetzt, sechs Monatespäter, zeigen die nackten Zahlen, dass wir bereits bei ei-nem Defizit von 5,2 Milliarden Euro sind,
und das Jahr ist noch lange nicht zu Ende. Wir prognosti-zieren, dass der Bundeszuschuss am Ende des Jahres11 Milliarden Euro betragen wird. Hier zeichnet sich einnicht hinzunehmender Skandal ab.
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Damit verspielt man natürlich auch jeden Vertrauens-redit. Das geht bis hinein in die Berichterstattergesprä-he und in den Haushaltsausschuss. Mit einer solchenaushalts- und Finanzpolitik können Sie nicht damitechnen, dass man Ihnen einen Vertrauenskredit ge-ährt, weder hier im Parlament noch in der Öffentlich-eit. Darum – das ist das Schlimme – gibt es auch keineoffnung in der Wirtschaft. Alle Leute warten ab. Wennich wieder einmal Vertrauen einstellen würde, dannätten wir schon ein wichtiges Mosaiksteinchen. Aberas schaffen Sie mit diesem Bundeshaushalt ganz gewissicht.
Ich habe bis jetzt nur über den Bundeszuschuss ge-prochen. Bei der Arbeitslosenhilfe zeigt sich das glei-he Bild. Auch hierzu werden mit treuem Augenauf-chlag Zahlen präsentiert. Tatsächlich werden wir bisum Jahresende 4 Milliarden Euro mehr brauchen. Dieumme, die zur Verfügung steht, ist bereits zu zwei Drit-ln ausgeschöpft. Das ist die Wahrheit. Dieser Haushaltägt wesentlich dazu bei, dass die Maastricht-Kriterienerletzt werden.Weil Sie es nicht schaffen, die Arbeitslosigkeit wirk-am zu bekämpfen, müssen zweistellige Milliardenbe-äge als konsumtive Ausgaben im Bundeshaushalt ein-estellt werden. Das ist das eigentlich Schlimme in derinanzplanung. Wir brauchen zweistellige Milliardenbe-äge im investiven Bereich und nicht so hohe im kon-umtiven Bereich. Deshalb wird dies nicht zum Erfolgühren.
Eines möchte ich noch ganz kurz anmerken: Dieachwelt hat eigentlich erwartet, dass von der Zusam-enführung der Ministerien für Arbeit und Wirtschaftine Dynamik ausgeht. Wenn man aber fast ein Jahrraucht, bis dieses Ministerium endlich einmal Gesetzeorlegt, dann kann man doch wirklich nicht von Dyna-ik sprechen. Man muss sich schon wundern: Eine Aus-age darüber zu treffen, ob man ab 2006 weiter gemein-am regieren will, schaffen die Damen und Herren aninem Tag. Bis sie aber endlich einmal in die Gängeommen, um in wichtigen Fragen für unser Volk Ge-etze vorzulegen, dauert es ein Jahr.
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Hans-Joachim FuchtelMeine Damen und Herren, ich möchte als Nächstesnoch etwas zu dem Thema der Zusammenführung vonArbeitslosen- und Sozialhilfe sagen. Wir sind uns indem Ziel einig. Ich behaupte, diese Thematik ist genausowichtig wie die Weichenstellungen, die auf Drängen derUnion in den 70er-Jahren im Zusammenhang mit derneuen sozialen Frage vorgenommen wurden, die im Er-gebnis zur Einführung von Erziehungsgeld und sonsti-gen Leistungen für die Frauen führten. Aber wenn Sie,meine Damen und Herren von Rot-Grün, dieses Gesetzzusammen mit der Union beschließen und es bald be-schließen wollen, dann müssen Sie auch ein wenig aufdie Vorstellungen eingehen, die die Union hat. Da dürfenSie den hessischen Gesetzentwurf nicht so einfach bei-seite wischen. Er hat nämlich sehr viele Vorteile. Derwichtigste ist der ordnungspolitische Vorteil.Wir haben es ja bei der Arbeitslosen- und Sozialhilfemit einer Transfermasse von 28,9 Milliarden Euro zutun. Da ist schon die Frage, wer künftig die Verantwor-tung für dieses viele Geld in die Hände bekommt.
Da geht es, wenn man es jetzt einmal unter ordnungspo-litischem Gesichtspunkt betrachtet, darum, ob wir mehrkommunale Demokratie oder einen Verbändestaat wol-len. Bei einer so wichtigen Angelegenheit wie der Da-seinssicherung ist es doch gar keine Frage, dass derkommunalen Ebene der Vorrang eingeräumt werdenmuss, weil sie näher an den Menschen ist und von daherbesser organisieren kann, was notwendig ist.
Von daher sollten Sie sich darauf einstellen, dass wir da-rum kämpfen werden, dass der hessische Gesetzentwurfden Gesamtberatungen zugrunde gelegt wird.
Meine Damen und Herren, insgesamt möchte ich hiernoch einmal festhalten, was nach fünf Jahren Rot-Grünauch einmal gesagt werden muss: Die Politik von Rot-Grün macht arm und arbeitslos. So sieht das Ergebnis Ih-rer Politik aus.
Wir können Ihnen nur dort die Hand reichen, wo es umGesetze geht, die aus dieser Misere herausführen, abernicht zu solchen, die uns noch tiefer in die Misere füh-ren.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir reden über die Hartz-Reformen,haez3VaddwvzbuvDgsnzkknsDlAvlhDgllMK3Fwuawä
eute über die Teile III und IV. Weil zu viele Zahlenllzu schnell verwirren, möchte ich noch einmal daranrinnern, worum es angeblich geht: Die Arbeitslosen-ahl soll binnen zwei bis drei Jahren auf weit unterMillionen gedrückt werden. So lautete zumindest dieerheißung vor einem Jahr. Die aktuelle Tendenz ist einendere. Die Zahl der Arbeitslosen nähert sich wieder be-rohlich der Fünfmillionenmarke. Ich sage bewusst „wie-er“, denn als die CDU/CSU und die FDP regierten, daar es schon einmal so weit. Die Opposition zur Rechtenerschweigt das gerne. Deshalb erinnert die Oppositionur Linken gerade auch heute daran.
Unbestritten sollte hier im Hause sein: Die Massenar-eitslosigkeit betrifft Millionen, trifft die Gesellschaftnd untergräbt alle Solidarsysteme. Deshalb muss allesersucht werden, was Arbeitslosigkeit mindern könnte.as betrifft auch das Hartz-Konzept. Deshalb: Wenn eselingt, die Arbeitsämter besser zu organisieren – wirind dafür. Wenn es gelingt, die Bürokratie abzubauen –ur zu. Wenn es gelingt, freie Stellen schneller zu beset-en – umso besser.Aber all das sind allenfalls die positiven Nebenwir-ungen einer insgesamt negativen Medizin. Hartz istein Allheilmittel und hat auf der politischen Positivlisteichts verloren.
Die Hartz-Vorschläge haben zwei Kardinalfehler: Sieind nicht alltagstauglich und sie treffen die Falschen.as ist auch bei Hartz III und IV so. Konkret: Arbeits-osenhilfe und Sozialhilfe sollen zu einem Neuen, demrbeitslosengeld II, vereinigt werden. Das kann sinn-oll sein, wenn damit Bürokratie abgebaut wird. Wesent-icher aber ist, dass den Empfängern von Arbeitslosen-ilfe das genommen wird, was ihnen bislang zustand.adurch wird massenhaft Armut geschaffen, ja erzwun-en.Nehmen wir die neuen Bundesländer. Zwei Drittel al-er Arbeitslosen im Osten leben inzwischen von Arbeits-osenhilfe. Sie erhalten zurzeit im Schnitt 470 Euro imonat, meist plus Kleidergeld und andere Hilfen.ommt das Arbeitslosengeld II, bleiben ihnen noch31 Euro im Monat. Ihnen wird also ein Viertel vomast-Nichts genommen. Das ist die einfache Rechnung,eshalb übrigens auch die PDS-Arbeitsminister in Berlinnd Mecklenburg-Vorpommern schlicht sagen: So nicht!
Die Betroffenen wären dreimal gekniffen: Sie sindrm dran, weil sie arbeitslos sind. Sie sind ärmer dran,eil sie lange arbeitslos sind. Und sie wären dann nochrmer dran, weil Rot-Grün das so will.
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Petra PauLaut Juni-Statistik betrifft dies allein in den neuenBundesländern knapp 1 Million Menschen. Ich könnteaber dieselbe Rechnung auch für Regionen in Franken,im Saarland oder in Bremerhaven aufmachen. DieseRechnung wird dadurch nicht besser, sie bleibt unterdem Strich unsozial.Nun haben die Arbeitsminister Ost, übrigens querüber alle Parteigrenzen hinweg, eine weitere Rechnungaufgemacht: Sollte das Arbeitslosengeld II kommen wievon Rot-Grün geplant, bedeutet das für die neuen Bun-desländer einen Kaufkraftverlust von 1,6 MilliardenEuro. Teure Genossinnen und Genossen von der SPD,dass Ihr soziales Herz erkaltet ist, wusste ich schon.Aber was ist eigentlich aus Ihrem kühlen Verstand ge-worden?
1,6 Milliarden Euro weniger Kaufkraft vernichtet nochmehr Arbeitsplätze und schafft noch mehr Arbeitslose.Sie beschleunigen also einen Teufelskreis, anstatt ihnnun endlich zu durchbrechen. Im normalen Leben nenntman so etwas Schwachsinn im Quadrat.Das beginnt bei den einfachen Grundrechenarten.Nehmen wir einmal eine simple Textaufgabe aus der5. Klasse. Hier in Berlin kommen auf einen freien Ar-beitsplatz über 50 Bewerberinnen und Bewerber. Vonden 50 Bewerbern wird einer erfolgreich vermittelt. Wieviele Arbeitslose bleiben übrig? Sie brauchen dafürnicht den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages zubemühen. Nach Adam Riese bleiben 49 übrig, also98 Prozent. Diesen 49 wird mit Hartz die Zwinge ange-setzt. Sie sollen künftig jede Arbeit leisten, egal, wie er-niedrigend oder fernab sie auch sei.Diese Rechnung hören Sie ungern. Stattdessen ma-chen Sie eine andere Rechnung auf. Sie durchforsten die49 Enttäuschten und finden mit Sicherheit darunter einschwarzes Schaf, einen, der den Sozialstaat betrügt oderganz legal seine Sozialhilfe unter Palmen verprasst. Ichwette aber auch: Unter 49 Unternehmen finden sich min-destens neun, die betrügen oder ganz legal keine Steuernzahlen. Aber das ist wohl ein anderes Thema; es kommtjedenfalls hier nicht zur Sprache.
Ich würde mit Ihnen heute lieber über die Steuer-geschenke reden, die Sie großen Unternehmen gemachthaben, und über die Verluste, die Sie den Kommunenund Ländern mit Ihren so genannten Reformen zumuten.Aber das hören Sie natürlich auch nicht gern. Also blei-ben wir bei Hartz III und IV und rechnen weiter.50 Menschen bewerben sich auf eine freie Stelle. Ei-ner hat Glück und ein zweiter gilt als Sozialhilfeempfän-ger und Missbrauchsböser. Es bleiben nach Adam Riese48 Arbeitsuchende, als 96 Prozent, übrig.Das bleibt Ihr eigentliches Problem. Sie haben esnicht gelöst. Sie kommen aus dieser Negativbilanz nichtheraus.IsmShlrbBlrEvranDwgdEbldJbuvsKSgDkk
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Max Straubinger.
Geschätzte Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kol-egen! Wir haben heute vom Bundesminister die Einfüh-ung zu seinem Haushalt gehört. Mir persönlich hat da-ei gefehlt: Er hat keine Bilanz seines ersten Jahres alsundeswirtschaftsminister gezogen. Dies ist verständ-ich. Angesichts von 300 000 Arbeitslosen mehr in unse-em Land in dem Jahr, in dem er als Superminister iminsatz ist, ist seine Bilanz natürlich beschämend undor allen Dingen für die Menschen im Lande frustrie-end. Bei ein bisschen Selbstkritik hätte auch dies heutengesprochen werden müssen. Darüber hinaus wäre esotwendig gewesen, einmal aufzuzeigen, wie die ineutschland grassierende Arbeitslosigkeit bekämpfterden soll.
Interessant ist auch – Kollege Stiegler hat darauf hin-ewiesen –, dass es eine große Spannbreite zwischenen Ansichten des Bundeswirtschaftsministers über dienergiepolitik und denen des Kollegen Scheer gibt. Da-ei steht nach Aussage des Kollegen Stiegler der Kol-ege Scheer für In-Sonnenjahren-Rechnungen, währender Bundeswirtschaftsminister nur für die nächsten zehnahre eine Vorstellung der Energiepolitik entwickelt. Wirrauchen aber eine dauerhafte Versorgung mit Energie,nd zwar im Rahmen einer nationalen Produktion undor allen Dingen auf einer verlässlichen Produktionsba-is. Angesichts dessen, dass 30 Prozent des Stromes ausernenergie erzeugt werden, ist es unannehmbar, dassPD und Grüne ständig den Ausstieg aus der Kernener-ie propagieren.
ie Windräder werden diese Energie nicht ersetzen undeine Versorgungssicherheit in Deutschland schaffenönnen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5133
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Bundesminister Clement hat die verschiedensten In-strumente der Hartz-Kommission dargestellt, auch man-che, die bereits beschlossen wurden. Er hat dabei verges-sen, zu erwähnen, dass in der ursprünglichen Fassungdes Hartz-Konzeptes stand – dies wurde damals der Öf-fentlichkeit bzw. den Bürgerinnen und Bürgern so darge-stellt –, dass die Arbeitslosigkeit innerhalb von zwei Jah-ren halbiert bzw. um 2 Millionen abgebaut werden soll.Im ersten Jahr Ihrer Amtszeit kam es zu einem Plus von300 000. Angesichts der aktuellen Zahlen ist unsere Be-fürchtung, dass es im Winter 5 Millionen Arbeitslosesein werden.Wir können die Arbeitslosigkeit garantiert nicht mitnoch so vielen Ich-AGs bekämpfen. Wir schränken da-mit nur den Handlungsspielraum der Handwerker undSelbstständigen in unserem Land ein. Vor dem Hinter-grund der langen Ausbildungsphasen in den Berufen desHandwerks ist es eine Diffamierung, wenn man sagt,dass sich in Ich-AGs nur solche Berufe wiederfinden,die man in drei Monaten erlernen kann. Das ist eineFalschdarstellung; denn das gibt es nicht. Nur mit einemfundierten Beruf kann man eine selbstständige Tätigkeitausüben. Die erfolgreichsten Selbstständigen in unseremLand haben eine fundierte Ausbildung und eine langeArbeitserfahrung und haben sich dann selbstständig ge-macht. Ich glaube, das ist der bessere Weg zu mehrSelbstständigkeit, als jemanden zuerst in die Arbeitslo-sigkeit zu verdammen.
Ich war über die Auslassungen des Kollegen Stieglerüberrascht. Er hat uns dafür verantwortlich gemacht,dass in unserem Land der Spitzensteuersatz nicht abge-senkt werden kann.
Herr Kollege Stiegler, ich kann mich noch an Ihre Re-den im Bundestagswahlkampf 1998 erinnern.
Damals haben Sie etwas völlig anderes gesagt. Sie habenvon Steuergeschenken für Großverdiener gesprochenund diese vehement abgelehnt.
Vielleicht gilt das nicht für Sie persönlich – das magdurchaus sein –, aber auf alle Fälle haben Sie damalseine völlig andere Politik betrieben: 1996 und 1998 ha-ben Sie die Steuerreform von CDU/CSU und FDP unterBundeskanzler Helmut Kohl und BundesfinanzministerWaigel ständig blockiert. Der Inhalt dieser Reform wardoch, die steuerlichen Belastungen der Bürgerinnen undBürger in vielen Teilbereichen abzubauen.
Verehrte Damen und Herren, uns wird auch immernterstellt, wir würden alles madig machen.
Nein, wir machen nichts madig.
ir halten uns nur an die Gegebenheiten.Die Bundesregierung und auch die sie tragendenraktionen verkünden jedes Jahr einen großartigen Wirt-chaftsaufschwung für das jeweils folgende Jahr. Dasurde heute schon vom Kollegen Laumann dargestellt.eute gibt es eine Tickermeldung von der Kolleginhrista Randzio-Plath, SPD, in der sie zitiert wird, dieür 2004 prognostizierten 2 Prozent Wachstum seienicht zu erreichen. Sie können doch nicht die Oppositioneschimpfen, wenn schon Ihre eigenen Leute nicht mehrn die Prognosen der Wirtschaftsentwicklung in unse-em Land glauben.Entscheidend ist aber auch, im Haushalt des Bundes-inisteriums Impulse zur Schaffung von mehr Arbeits-lätzen und zur Sicherung von bestehenden Arbeitsplät-en zu geben. Das Bundesministerium hat im Märzieses Jahres einen Bericht bezüglich der Gemein-chaftsaufgabe West „Verbesserung der regionalenirtschaftsstruktur“ veröffentlicht. Darin steht, dassit Unterstützung des Bundes in Höhe von rund10 Millionen Euro in den vergangenen drei Jahren In-estitionen im Umfang von 5,4 Milliarden Euro angesto-en wurden. Mit diesen 5,4 Milliarden Euro wurdenach Aussage der Bundesregierung fast 50 000 Arbeits-lätze gesichert und 26 600 neue Arbeitsplätze geschaf-en. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Bundesre-ierung nun trotz der von ihr selbst dargestellten gutenrfolge dieses Instrumentes aus der Förderung im Rah-en der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regi-nalen Wirtschaftsstruktur“ aussteigen will. Das verste-en auch die Bundesländer nicht.Ich bin besonders verwundert, dass selbst Herr Kol-ege Stiegler nicht darauf eingegangen ist, der sich hieronst immer als Verfechter der Rechte der Oberpfalz ge-iert.
Am 18. Dezember 2000 hat der Bundeskanzler nachem EU-Gipfel von Nizza in Weiden ausgeführt, dass esrfolgreiche Verhandlungen gegeben habe, dass die EU-sterweiterung unter Dach und Fach sei und zum. Mai 2004 Wirklichkeit werde.
n dieser Rede hat er auch verkündet, es müssten Förder-nstrumente geschaffen werden, um die Entwicklung inen Grenzregionen zu unterstützen.
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5134 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Max StraubingerIch zitiere:Das gehört zusammen: ein vernünftiges, auch mate-riell unterlegtes Programm der Förderung derGrenzregionen, aber auch die Chance, dass wir mitunseren regionalen und nationalen Förderinstru-menten, ohne dass dies als Beihilfe aus Brüssel be-griffen wird, Strukturpolitik nicht nur bereden, son-dern wirklich machen können.Aber was macht die Bundesregierung denn nun?
Eigentlich müsste es dem Kollegen Stiegler ange-sichts dieser Aussage des Bundeskanzlers und des jetztvom Bundeskanzler und der Bundesregierung gebroche-nen Versprechens nicht nur den roten Pullover, sondernalles ausziehen, sodass er ganz nackt dastünde.
Aber das entspräche nicht der Kleiderordnung des
Hauses.
Gott sei Dank, Frau Präsidentin!Verehrte Damen und Herren, es ist unbedingt notwen-dig, die Gemeinschaftsaufgabe West „Verbesserung derregionalen Wirtschaftsstruktur“ fortzuführen. Das for-dern wir nicht nur als Bayern; das fordert nicht nur Mi-nisterpräsident Edmund Stoiber.Ich zitiere einmal aus einem Brief des Ministeriumsfür Wirtschaft, Arbeit und Verkehr des Landes Schles-wig-Holstein. Wahrscheinlich hat dies kein CDU-Mit-glied, sondern noch ein SPD-Mitglied verfasst; das wirdsich im übernächsten Jahr ändern. Darin wird ausge-führt, auf Schleswig-Holstein würden bis zum Jahre2006 rund 42 Millionen Euro Bundesmittel entfallen undinfolgedessen könnte die Wirtschaft im Rahmen des Re-gionalprogramms nicht die entsprechende Unterstützungerhalten. Sie kündigen bereits an, zusammen mit anderenBundesländern für den Erhalt dieser GAWest zu strei-ten.Für Bayern, Herr Kollege Stiegler, bedeutet das einenVerlust von 30 Millionen Euro bzw. von jährlich 10 Mil-lionen Euro. Der Erhalt dieser GAWest ist für die Unter-stützung der regionalen Betriebe und angesichts der Ost-erweiterung, die am 1. Mai 2004 Wirklichkeit wird,unbedingt notwendig. Deshalb muss sie weitergeführtwerden.
Ich möchte noch ein zweites Thema ansprechen. Wirsind uns in diesem Hause alle darin einig, dass unbedingtBürokratie abgebaut werden muss. Der BundesministerhrandtragBLtrdWddJndÜfis–KRsFzRkdFsszmgtbvmvdsm
Das entspricht einer Bestimmung des Bundesgesetzes,ollege Stiegler. Wir sind nicht für die Bemessung vonaumhöhen bzw. von Quadratmetern zuständig. Dasollte meines Erachtens geändert werden. Das wissen dieahrlehrer selbst besser.
Ich glaube, dass es in diesem Bereich noch sehr vielu tun gibt. Es kann nicht sein, dass die Bundesregierungegelungen schafft, die zu einer Vermehrung der Büro-ratie führen. Ich erinnere nur an Folgendes: So notwen-ig eine Gemeindefinanzreform ist, so falsch ist es, diereiberufler in die Gewerbesteuer mit einzubeziehen, dieie – nach Ihren Aussagen, was wohl aber nicht ganztimmt – hinterher bei der Einkommensteuer wieder ab-iehen können. So etwas kann nur Sankt Bürokratissi-us erfinden. Das ist Sozialismus pur.
Was die Bürokratie angeht, so müssen wir dafür sor-en, dass nicht alles von großartigen Ministerialbürokra-en vorgegeben wird. Wir sollten wirklich den Mut ha-en, Zuständigkeiten auf die niedrigeren Ebenen zuerlagern. Wenn auf der unteren Ebene etwas falsch ge-acht wird, dann wird es einmal falsch gemacht. Wennon der Ministerialbürokratie etwas falsch gemacht wird,ann wird es im gesamten Land falsch gemacht. Deshalbollte mehr Mut an den Tag gelegt werden und es solltenehr Zuständigkeiten nach unten verlagert werden.
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Max StraubingerEs ist auch einmal wert, das Gebaren der Bundesan-stalt für Arbeit zu beleuchten. Ich war erstaunt, alsmich ein Unternehmer aus meinem Wahlkreis angerufenund mich gefragt hat, ob wir alle verrückt seien.
Auf meine Frage „Warum?“ antwortete er: Weil die Bun-desanstalt für Arbeit im Rahmen des Weiterbildungspro-gramms einen – wohlgemerkt – in ungekündigter Stel-lung stehenden Arbeitnehmer, der als Busfahrer seiteineinhalb Jahren in einem Unternehmen beschäftigt ist,eine Umschulungsmaßnahme zum Kfz-Mechaniker ge-nehmigt hat. Er konnte nämlich in jungen Jahren leiderGottes keine entsprechende Berufsausbildung absol-vieren.Wie kann es sein, dass auf der einen Seite um jedeLehrstelle gekämpft wird, dass aber auf der anderenSeite die Bundesanstalt für Arbeit die Ausbildung vonjemandem, der schon einen Beruf ausübt, mit hohen Zu-schüssen fördert? Dies ist aufgrund der Gesetzeslagezwar möglich. Aber es ist den Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmern und auch den Betrieben – um deren Bei-träge handelt es sich ja – nicht mehr zumutbar, wenn dieBundesanstalt für Arbeit solche Ausbildungen – daskann umgekehrt auch der Busführerschein sein – finan-ziert.
Herr Kollege, Ihre Redezeit.
Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss.
Das zeigt sehr deutlich: Hier ist viel Arbeit zu tun.
Belasten wir die Bundesanstalt für Arbeit nicht mit zu-
sätzlicher Arbeit, sondern reformieren wir sie dahin ge-
hend, dass sie mit den Beiträgen effektiv umgeht!
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Brandner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Die Haushaltsdebatte ist immer einegute Gelegenheit, über die grundlegenden Linien der Po-litik zu sprechen. Sie ist auch eine gute Gelegenheit,grundlegende Unterschiede zwischen den Parteien offenzu legen. Wir haben mit der Agenda 2010 ein Reform-tempo eingeschlagen, das Sie, meine Damen und Herrenvon der Opposition, in den Jahren Ihrer Regierungszeitnicht annähernd erreicht haben.Neben einigen Gemeinsamkeiten gibt es auch grundle-gende Unterschiede in der Wirtschafts- und Arbeitsmarkt-politik. Sie wollen die Gewerkschaften nachhaltig schwä-chen und die soziale Gerechtigkeit am liebsten beiseiteschieben. Da hilft, wie wir es heute wieder erlebt haben,aaVmWHwpd–gDükVgüvwvMZdsMsdzmWgszwlispSh
on sozialer Gerechtigkeit versteht Rot-Grün mehr. Dasüssen Sie zur Kenntnis nehmen.
ir haben ein ausgewogenes Konzept, mit dem wir denerausforderungen unserer Zeit begegnen werden.Die Perspektiven sind gut. Aber die Opposition maltie üblich alles in düsteren Farben. Ich nenne nur einaar Fakten, die eine andere Sprache sprechen: Die In-ustrieproduktion und auch der Ifo-Geschäftsklimaindex dieser bereits zum vierten Mal hintereinander – sindestiegen.
ie weiteren Fakten sind: über 1 Million Minijobs undber 150 000 Existenzgründer, die aus der Arbeitslosig-eit kommen, ein Exportanstieg im Juli gegenüber demormonat um 2,2 Prozent – gegenüber dem Vorjahr so-ar um 5,4 Prozent –, und das bei einem Dollarkurs vonber 1,10 Euro.
Wir wollen die Menschen in Deutschland nicht weitererunsichern. Wir können ihnen Hoffnung machen, auchenn die Lage noch nicht so rosig ist, wie wir sie unsorstellen können. Aber mit Vernebeln helfen wir denenschen in diesem Lande überhaupt nicht weiter.
uversicht macht stark. Deutschland braucht Politiker,ie die Lage nicht schlechtreden, sondern die den Men-chen Hoffnung machen und die Zuversicht in dasachbare vermitteln. Nur so kommen wir aus der wirt-chaftlichen Krise heraus.
Der Reformprozess ist in vollem Gange. Der Bun-eskanzler hat mit der Agenda 2010 einen Reformpro-ess angestoßen, der schon jetzt für eine positive Dyna-ik in unserem Land sorgt. Es geht um grundsätzlicheeichenstellungen und weit reichende Umstrukturierun-en in den Bereichen Finanzen, Wirtschaft und Arbeitowie in der sozialen Sicherung. Am Ende werden wiru einer neuen Balance zwischen ökonomischer Not-endigkeit, sozialem Zusammenhalt und gesellschaft-chem Aufbruch kommen.Es geht um die Modernisierung unserer Wirt-chaft, ohne dass das Gebot der sozialen Gerechtigkeitreisgegeben wird. Es geht um das Wechselspiel vontrukturpolitik und Wachstumspolitik. Bei dem Bundes-aushalt, den wir heute diskutieren, geht es letztlich auch
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Klaus Brandnerum die Frage nach Wachstum und Beschäftigung einer-seits und nach Zukunftsfähigkeit der sozialen Siche-rungssysteme andererseits.Von Ihnen, meine Damen und Herren in der Oppo-sition, hängt in den nächsten Monaten vieles ab. Wir ste-hen vor entscheidenden Weichenstellungen: Werden wireinen Reformherbst oder einen Blockadeherbst haben?Haben wir zukünftig Manchester-Kapitalismus pur oderbewahren wir die soziale Balance?
Machen wir reine Klientelpolitik, wie Sie sie bei derHandwerksordnung betreiben, oder Strukturreformenmit Augenmaß? Das sind die Fragen, denen besondersSie aus der Opposition sich stellen müssen. Sie müssenendlich Ihre internen Streitigkeiten aufgeben.Die Wirtschaft hat sich längst entschieden. Auf Ihrepopulistischen Reden hat sie nicht gehört; es geht näm-lich wieder bergauf. Alle Indikatoren zeigen nach oben.Auch die Entwicklung an der deutschen Börse reflektiertdie positive Erwartung der Marktteilnehmer.Fakten, die Sie hier vortragen, müssen Sie auch bele-gen können. Ich habe mit großer Verwunderung zurKenntnis genommen, dass Kollege Fuchtel gesagt hat,Rot-Grün bedeute arm und arbeitslos,
und den Vergleich zur Kohl-Regierung zieht. HerrFuchtel, haben Sie übersehen, dass die Realeinkommen,die Nettoverdienste während der Regierungszeit vonSchröder und Fischer deutlich gestiegen sind? Von rela-tiver Armut ist keine Spur.
Haben Sie verdrängt, dass wir die höchsten Arbeitslo-senzahlen zur Regierungszeit Kohl hatten?
Wenn Herr Fuchtel sagt, er würde sich freuen, wennwir wirtschaftliche Daten wie zu Kohls Regierungszeithätten, dann möchte ich daran erinnern: Den Stand derArbeitslosigkeit, den wir zu Kohls Regierungszeit hat-ten, haben wir noch nicht erreicht. Wir haben die Steuer-sätze gesenkt und nicht angehoben. Wir haben die Schul-den abgebaut und die Sozialversicherungsbeiträgegesenkt. Das sind die harten Fakten, die Sie nicht einfachkleinreden können.
Sie haben die Zahl der Erwerbstätigen angespro-chen. Es ist richtig und nicht zu bestreiten, dass dieZahl der Erwerbstätigen im letzten Jahr zurückgegan-gen ist, und zwar von 38,73 Millionen Erwerbstätigenim Juni 2002 auf 38,10 Millionen im Juni 2003.ERnDhe–wSWDbmstdmmAszaWznhhsdIwzsts2w2Wcn2
s ist aber auch richtig, dass im Juni 1998, also zu Ihreregierungszeit, die Erwerbstätigenzahl bei 37,46 Millio-en lag.
as heißt, dass wir heute 640 000 Erwerbstätige mehraben als zu Ihrer Regierungszeit. Das können Sie nichtinfach wegreden.
Sie wissen so gut wie ich, dass die Minijobs damalsie heute in diesen Daten eingerechnet sind. Vernebelnie nicht schon wieder! Stellen Sie sich einmal derahrheit und der Wirklichkeit! Sie haben heute in derebatte angemahnt, dass es einer christlichen Partei ge-ührt, die Wahrheit zu sagen und nicht zu vernebeln.
Beschäftigung hängt – das wissen wir – vom Arbeits-arkt und von einer Vielzahl von Faktoren ab, zum Bei-piel von der Konjunktur, der Außenwirtschaft, der priva-en Nachfrage, privaten und öffentlichen Investitionen,er Arbeitszeitgestaltung und nicht zuletzt der Arbeits-arktverfassung, das heißt dem System aus Arbeits-arktpolitik, Arbeitsrecht und Lohnersatzleistungen.Das möchte ich anhand eines Vergleiches mit einemuto erläutern. Wenn die Konjunktur dem Motor ent-pricht, ist die Arbeitsmarktverfassung mit dem Antriebu vergleichen. Solange der Motor noch stottert, kannuch der neue Antrieb nicht richtig zum Zuge kommen.
enn der Motor aber richtig rund läuft, wird das Fahr-eug bei gleicher Leistung schneller und verbraucht we-iger Energie. Übertragen auf die Arbeitsmarktpolitikeißt das: Als notwendige Voraussetzung für einen nach-altigen Abbau der Arbeitslosigkeit brauchen wir Wirt-chaftswachstum.Mit unseren Reformgesetzen sorgen wir dafür, dassas Wirtschaftswachstum beschäftigungsintensiver wird.n Deutschland sind bisher fast 2 Prozent Wirtschafts-achstum notwendig, um die Höhe der Beschäftigungu halten. Unser Ziel ist es, diese „Beschäftigungs-chwelle“ auf etwa 1 Prozent zu senken. Das ist realis-isch, wenn man einen Vergleich mit anderen europäi-chen Ländern heranzieht. Würde ein Wachstum vonProzent erreicht werden, was wir prognostizieren,ürde das die Zahl der Beschäftigten um immerhin00 000 bis 400 000 anziehen lassen. Gerade weil wirachstum nur begrenzt generieren können, ist eine sol-he Strategie besonders wichtig. Das Vorziehen derächsten Stufe der Steuerreform sorgt dafür, dass es004 einen richtigen Push beim Wachstum geben wird.
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Klaus BrandnerWas Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,über ein Jahr lang gefordert haben, kann doch heutenicht schlecht oder nachteilig sein.
Deshalb kann ich Sie auch von dieser Stelle aus nur nocheinmal auffordern, den Steuerentlastungen zuzustimmenund dafür zu sorgen, dass das Wachstum in diesem Landnicht gebremst, sondern positiv befördert wird.
Eigeninitiative ist natürlich notwendig, weil die Be-reitschaft zu Existenzgründungen bei Arbeitslosen mitdafür sorgen kann, dass der Arbeitsmarkt deutlich ent-lastet wird. Die Arbeitslosen verhalten sich nicht passiv,sondern ergreifen Eigeninitiative. Das ist auch genau dasRichtige. Die Opposition aber spricht plötzlich, wie wirauch heute wieder gehört haben, von Kümmerexisten-zen. Sie widerspricht sich selbst aus lauter Angst, einenErfolg bei den Existenzgründungen zugeben zu müssen.Wie bereits gesagt, haben sich allein in diesem Jahrbereits über 150 000 Arbeitslose aus der Arbeitslosigkeitheraus selbstständig gemacht. Herr Niebel, man mussdeutlich sagen: Die Ich-AG hat nicht zur Verdrängungdes Überbrückungsgeldes geführt; vielmehr ergänzensich beide Leistungen. Sie haben die Anzahl der Exis-tenzgründungen deutlich in die Höhe getrieben. BeimÜberbrückungsgeld haben wir bisher schon 106 000 Be-willigungen; damit wurde der Vorjahreswert um einDrittel überschritten. Das heißt auch, dass mehr Men-schen Vertrauen in die Zukunft und in die Politik dieserRegierung bekommen haben. Der Mut, sich selbststän-dig zu machen, ist positiv zu bewerten. Wir können denMenschen von dieser Stelle aus nur zurufen: Das ist derrichtige Weg, um mehr Dynamik in diesem Land zu er-zeugen.
Schon in der nächsten Sitzungswoche haben wir dieGelegenheit, die kleine Novelle zur Handwerksord-nung endgültig zu verabschieden und damit Unsicher-heiten bei Existenzgründern zu beseitigen. Einfache Tä-tigkeiten, die sich in drei Monaten erlernen lassen, sinddoch eindeutig kein Handwerk. Deshalb, meine Damenund Herren, tun Sie gut daran, mit dafür zu sorgen, dassdieser Teil der Gesetzesnovelle bald Rechtskraft erlangt,damit mehr Menschen die Chance haben, durch Selbst-ständigkeit aus der Arbeitslosigkeit herauszukommen.
Lassen Sie mich zum Stichwort Bürokratieabbau kurzdas Thema Novellierung der Handwerksordnung anspre-chen. Die seit 50 Jahren bestehende Handwerksordnungbehindert den Zugang zu einem bedeutenden Wirt-schaftszweig in diesem Land. Diese Einschränkung derGewerbefreiheit ist in der EU nahezu einmalig. Mehrnoch, all unsere europäischen Nachbarn können ihreDienste in Deutschland anbieten, wenn sie in ihrem Hei-matland fünf bis sechs Jahre in dem betreffenden BeruftäGshWnascRGJpuLmzEf2w–srsKGRA6nbAd7g
Wir werden dem Handwerk einen zukunftsfähigenechtsrahmen geben. Dazu sind wir zu konstruktivenesprächen mit dem Handwerk bereit. Wir sagen aucha zum Meisterbrief. Sie tun in Ihrer polemischen Kam-agne ja so, als wollten wir den Meisterbrief abwürgennd abschaffen.
Wir sagen Ja zu neuen Existenzen. Was Herr Kollegeaumann heute an falschen Behauptungen verbreitet hat,uss richtig gestellt werden; denn das Handwerk ist zur-eit leider kein Jobmotor in unserem Land.
in RWI-Gutachten aus diesem Jahr stellt ausdrücklichest: 1995 gab es 6 085 000 Beschäftigte im Handwerk,002 gab es noch 4 515 000 Beschäftigte im Hand-erk.
Können Sie die Wahrheit nicht hören? – Das ist ein Be-chäftigungsabbau von 25,8 Prozent. Im gleichen Zeit-aum sind die Beschäftigtenzahlen in der Gesamtwirt-chaft leicht gestiegen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Hinsken?
Nein, ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage. Diesenedankengang will ich zu Ende bringen.
Diese Situation macht deutlich, dass hier dringendereformbedarf gegeben ist.
Diese Daten gelten auch hinsichtliche der Frage derusbildungsplätze – leider, sage ich. 1997 hatten wir30 000 Ausbildungsplätze im Handwerk; 2001 waren esur noch 564 000. Das ist eine rückläufige Zahl, die wiredauern. Wir würden uns wünschen, wir hätten bei derusbildung bessere Zahlen. Im Bereich der IHK hat sichie Zahl der Ausbildungsplätze im gleichen Zeitraum von36 000 auf 876 000 erhöht. Insofern will ich deutlich sa-en: Hier sind Reformen nicht gegen, sondern mit dem
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Klaus BrandnerHandwerk angesagt. Für das Handwerk wäre es gut, wennSie keine Frontalopposition betreiben würden, sonderndiesen Reformprozess konstruktiv begleiten würden.
Lassen Sie mich, bevor ich zum Schluss komme,noch einige Dinge zur Arbeitsmarktreform sagen.
Nein, Herr Kollege, das geht nicht mehr. Sie können
noch einen letzten Satz sagen, aber nicht einen neuen
Gedanken beginnen.
Ich möchte dem Ministerium – Staatssekretär Andres
ist noch anwesend – für die umfangreiche Arbeits-
marktreform danken. Es wurde sehr viel Arbeit, eine
Herkulesarbeit, in großer Eile, mit großem Fleiß und
Sachverstand sowie unter Einbeziehung wichtiger Ex-
perten geleistet, um ein solches Reformpaket auf den
Weg zu bringen.
Wir alle können nur hoffen, dass Hartz III und
Hartz IV recht bald in Gesetzesform gegossen werden.
Wir gehen dabei keinen einfachen Weg. Wir wissen aber
auch: Nur wer gegen den Strom schwimmt, kommt zur
Quelle. Wir brauchen dabei viel Kraft. Wir wollen zur
Quelle, damit in diesem Land mehr Wachstum und Be-
schäftigung sprudeln können.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Jetzt hat der Abgeordnete Hartmut Schauerte das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Vertrauen kann nur wachsen, wenn sich alle Be-teiligten um Redlichkeit bemühen. Sehr geehrter HerrKollege Brandner, es ist doch auch mit noch so vielenWorten einfach nicht wegzudiskutieren, dass das Ar-beitsvolumen in Deutschland immer noch sinkt
uhbesIAltwWdsWdüäzSvBssndwMdueLflrSfdgd1
Bei dem Ernst der Lage will ich eine solch blöde Aus-inandersetzung gar nicht führen. Warum strengen Sieich denn so an? Sie tun das, weil auch Sie wissen, dasshnen alles weggebrochen ist. Niemand stellt doch inbrede, dass Sie sich anstrengen. Bleiben Sie bei demogischen Vorgang und sagen Sie, dass die Lage drama-isch ist und dass wir jetzt alle etwas tun müssen, damitir das in den Griff bekommen und damit wir neuesachstum und Zukunftsfähigkeit erhalten.
Da hilft kein Schönreden. Um den Druck zu erhöhen,amit die Veränderungsbereitschaft wächst und die Men-chen das einsehen, hilft nur Realitätsnähe.
as sollen die Menschen denn glauben, wenn Sie sagen,ass alles gut ist? Dann fragen sie, warum man dennberhaupt etwas ändern muss. Wir müssen doch etwasndern.
Ich möchte noch einmal auf den Begriff Vertrauenurückkommen. Warum wächst das Vertrauen nicht?icher liegt das auch daran, dass in der Vergangenheit soiele Enttäuschungen bereitet worden sind, sodass dieevölkerung – zum Teil auch uns gegenüber – skeptischein muss. Das ist doch wahr. Vertrauen kann nur wach-en, wenn wir versuchen, eine ehrliche Analyse vorzu-ehmen. Das will ich in meinen Schlussbemerkungen iner Kürze der Zeit versuchen.Warum ist die Bevölkerung noch unsicher? Sie kennteder das Ziel noch das Ausmaß noch die Wirkung deraßnahmen genau. Niemand zeigt ihr, was insgesamtabei herauskommt und ob bei all den Anstrengungennd Zumutungen am Ende tatsächlich eine Besserungintritt. Darüber reden wir zu wenig.
assen Sie uns hier eine Zwischenbilanz ziehen. Wir be-inden uns noch in der Diskussion des Haushalts. Viel-eicht können wir das eine oder andere ja noch korrigie-en.Ich rechne alles zusammen. Wenn wir all das tun, wasie in Ihrer Agenda 2010 vorhaben, dann kommt es zuolgenden Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit dereutschen Volkswirtschaft: Bei den Gesundheitskosteneht es um einen Wert von plus/minus 1 Prozent und beien Kosten für die Arbeitslosigkeit um plus/minus,5 Prozent. Bei den Beiträgen zur Rentenversicherung
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Hartmut Schauertewird eine Erhöhung vermieden, das Niveau also gehal-ten. Das heißt: Mit all den Anstrengungen, die Sie bisherunternommen haben, erreichen Sie bei den Lohnzusatz-kosten eine Verbesserung von maximal 2,5 Prozent. Dasist ein Tropfen auf einen verdammt heißen Stein. DieBevölkerung sieht das und fragt sich: Hilft das oder wer-den diese Maßnahmen wieder einmal nicht zu Ende ge-führt?
Wir können uns hier darüber streiten – ich finde die-sen Streit ziemlich nutzlos –, ob die Prognose richtig ist.Von der Richtigkeit der Prognose hängt ab, ob der Haus-halt seriös aufgestellt ist; das ist klar. Aber selbst wenndie Prognose der Bundesregierung stimmt, dürfte daskein Signal dafür sein, auf Veränderungen und Reformenzu verzichten. Das haben wir immer wieder erlebt: DieKonjunktur zieht leicht an, alle lehnen sich erholt zurückund das nächste Mal trifft es uns mit doppelter Wucht.Wir müssen diesen Prozess der Veränderung lebendighalten.
Ein Teil Ihrer Reden ist deshalb pädagogisch falsch, weilSie den Menschen die Illusion geben, wir wären überden Berg.Ich will ein neues Fass aufmachen und einen anderenkritischen Bereich ansprechen, der meiner Meinungnach die Debatten der nächsten Monate entscheidendprägen muss. Wir werden mit dieser Absenkung derLohnnebenkosten um 2,5 Prozent – und das auch nochauf einer nicht feststellbaren Zeitschiene – keine wirkli-che Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze inDeutschland erreichen. Wir werden den Abwanderungs-prozess von Unternehmen aus Deutschland – welcherArt auch immer –, der täglich stattfindet, nicht stoppen.Wir werden auch nicht erreichen, dass irgendein Unter-nehmen zurückkommt. Genau das muss aber unser Zielsein. Also müssen wir die Dosis der Veränderung undVerbesserung des Wettbewerbs erhöhen. Wir sind nochkeineswegs am Ende. Wir brauchen mit Schuldzuwei-sungen gar nicht anzufangen.Ich will Ihnen ein Feld nennen, das mir wichtig er-scheint und auf dem Veränderungen nichts kosten. ImMoment läuft unsere Reformpolitik darauf hinaus, dasswir den Menschen ans Geld gehen oder Leistungen kür-zen. Das ist unvermeidbar. Dadurch werden zum Teil ab-surde Situationen herbeigeführt: Die Menschen müssenhöhere Beiträge zahlen und bekommen hinterher wenigerLeistungen. Das ist schon ein sehr kompliziertes System,was man den Menschen nicht so einfach klar machenkann. Das, was die Menschen zu wenig haben, ist Netto-lohn. Das, was die Unternehmen zu viel kostet, ist Brut-tolohn. Wovon die Menschen aber genug haben, ist Zeit.Bevor wir den Menschen weiter ans Geld gehen, solltenwir darüber nachdenken, ob wir in Deutschland nicht län-ger arbeiten müssen. Das ist die entscheidende Frage.
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Warum diskutieren wir darüber nicht? An diesertelle lohnt es, neu nachzudenken. Dieses Programm, zuem wir in Kürze einen Antrag in den Bundestag ein-ringen werden, müssen wir anpacken. Zur Arbeits-arktpolitik haben wir eine ganze Menge konkreter Vor-chläge vorgelegt. Also ohne Alternativen – das könnenie sich hinter die Ohren schreiben – sind wir nicht. Wirehen sogar weiter als Sie. Eine solche Opposition hättech mir seinerzeit gewünscht. Ich hätte es gerne erlebt,enn die SPD in den letzten 20 Jahren unter der CDU/SU-Regierung einmal mehr Reformen als wir gefordertätte. Das wäre traumhaft gewesen. Aber Sie haben vorllem auf der Bremse gestanden. Schön, dass Sie jetzt er-ennen, dass es ein bisschen anders werden muss. Aberhr Mut reicht noch nicht.Kommen wir noch einmal zurück. Packen Sie dashema der längeren Arbeitszeit an. Warum verkürzenir unsere Ausbildungszeiten nicht um ein Jahr? Imaarland wird das Abitur nach zwölf Schuljahren ge-acht. Der Ministerpräsident dieses Landes ist geradeum Ministerpräsidenten des Jahres gewählt worden,eil er in den letzten zwei Jahren die größten positiveneränderungseffekte unter allen Bundesländern bewirktat. Fangen wir doch in diesem Bereich an! Warum er-öhen wir denn das durchschnittliche Renteneintrittsal-er nicht auf 63 Jahre, statt Phantomdiskussionen über7 oder noch mehr Jahre zu führen? Wir müssen beimintrittsalter von 60 Jahren weg und hin zu 63 Jahrenommen. Dann ist Bewegung im Spiel und wir hätten et-as erreicht. Dann könnte die Hoffnung auf neue Ar-eitsplätze in Deutschland wachsen.Diese Probleme müssen wir anpacken. Die Menschenn diesem Lande sind dazu bereit. Ich lade Sie herzlichin, auch über diesen Teil des Veränderungsprofils mit
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Hartmut Schauerteuns zu diskutieren. Das würde sich lohnen; denn dannhätte diese Debatte möglicherweise doch noch einenweitergehenden Sinn.Ich behaupte: Die Kombinationswirkung aus dem,was wir finanziell tun, und dem, was wir auf dem Ar-beitsmarkt in Form von Flexibilisierung, mit betriebli-chen Bündnissen sowie der Organisation von Wochen-und Lebensarbeitszeiten tun, könnte zu einem nachhalti-gen Vorwärtsschub führen. Dieser würde uns dann übereine geraume Zeit in sicheres Fahrwasser bringen. Dannkönnten wir all die Dinge finanzieren, die wir für die Zu-kunftssicherung unserer jungen Leute, unserer Arbeits-plätze und unserer sozialen Sicherungssysteme brau-chen.Wenn wir auf halbem Wege stehen bleiben – das istunser Dilemma –, dann werden wir wieder scheitern.Dann haben wir den Menschen wahrscheinlich mehrSorgen als tatsächliche Belastung zugemutet und das Er-gebnis ist unter null.Eine letzte Bemerkung zum Handwerk.
Nein, Herr Kollege, das war ein so schönes Schluss-
wort. Ich glaube, dabei sollten wir es belassen.
Ich möchte meinen letzten Satz noch sagen dürfen,
verehrte Frau Präsidentin. Ich lade die Sozialdemokraten
herzlich ein, in einen konstruktiven Dialog mit der
Union über die Frage der Arbeitszeit und der Arbeits-
menge in Deutschland einzutreten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Interfraktio-nell wird Überweisung der Vorlagen auf den Druck-sachen 15/1515, 15/1516, 15/1523, 15/1527 und 15/1531an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüssevorgeschlagen. Abweichend von der Tagesordnung solldie Vorlage auf Drucksache 15/1515 zusätzlich an denAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Land-wirtschaft, jedoch nicht an den Ausschuss für die Angele-genheiten der Europäischen Union überwiesen werden.Außerdem sollen die Vorlagen auf Drucksache 15/1515bzw. 15/1516 an den Haushaltsausschuss ausschließlichgemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden.Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Wir kommen nun zu dem Geschäftsbereich desBundesministeriums für Bildung und Forschung. DasWort hat zunächst Frau Bundesministerin EdelgardBulmahn.uHeBWeWiPtusKhsdugFhgwdMdbmpagD21KgiHJa
ir halten damit an einem Kurs fest, den wir seit 1998ingeschlagen haben.
ir erneuern unser Bildungssystem und wir investierenn Bildung und Forschung. Qualifizierte Menschen, neuerodukte, Dienstleistungen und Verfahren sind die wich-igsten Schwungräder für wirtschaftliches Wachstumnd für Wohlstand in Deutschland. Mit Innovationenchaffen wir zukünftige Arbeitsplätze. Wir setzen diesenurs, der für die Entwicklung unseres Landes dieöchste Bedeutung hat, auch unter schwierigen wirt-chaftlichen Bedingungen konsequent fort.
Insgesamt stehen über 9,6 Milliarden Euro für Bil-ung und Forschung zur Verfügung. Der Etat des BMBFmfasst 8,2 Milliarden Euro, für das Ganztagsschulpro-ramm steht zusätzlich 1 Milliarde Euro zur Verfügung.
ür den Kredit für den Darlehensanteil beim BAföG ste-en noch einmal 445 Millionen Euro zur Verfügung.Mit dieser Politik haben wir auch in einem schwieri-en konjunkturellen Umfeld in der Wirtschaft die not-endigen Kräfte freigesetzt. Deutschland ist inzwischener zweitgrößte Technologieexporteur der Welt. Hatteitte der 90er-Jahre nur jede vierte Firma ein neues Pro-ukt im Angebot, das auf neuen Forschungsergebnisseneruhte, drängt heute schon ein Drittel der Unternehmenit einer Neuentwicklung auf den Markt.Seit 1999 hält Deutschland in Europa den Spitzen-latz bei der Anzahl der Biotechnologieunternehmen,lso bei Unternehmen, deren Kerngeschäft Biotechnolo-ie ist. Deutschland verfügt inzwischen über die höchsteichte innovativer Unternehmen in Europa. Rund75 Milliarden Euro – das waren im Jahr 2002 rund4 Prozent des Bruttoinlandproduktes – gehen auf dasonto des Exports von forschungsintensiven Technolo-iegütern. Diese Tendenz wird sich weiter fortsetzen.
Das Fundament unserer Innovationsfähigkeit wirdn unseren Schulen, Ausbildungseinrichtungen undochschulen gelegt. Spätestens seit Anfang der 90er-ahre wissen wir, dass es zu viele schlecht oder geringusgebildete und zu wenig hoch qualifizierte Menschen
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Bundesministerin Edelgard Bulmahnin unserem Land gibt. Unser Land lebt vom Know-howund der Kreativität der Menschen. Bildung und For-schung dürfen deshalb nicht gegeneinander ausgespieltwerden, wie es die Opposition leider zu häufig macht.
Vielmehr sind beide Bereiche für unser Land von exis-tenzieller Bedeutung.Jedes Kind in unserem Land muss die Chance bekom-men, alle seine Begabungen zu entfalten. DeutschlandsSchulen sollen besser werden und zu den besten gehö-ren.
Das gilt für alle Schulen und alle Bundesländer. GuteBildung braucht mehr Zeit, und zwar für individuelleFörderung, für die Entwicklung von Kreativität, für einehöhere Qualität des Unterrichts und für das gemeinsameLernen. Dieses Ziel verfolgen wir mit unserem Ganz-tagsschulprogramm, dem größten bundesweiten Schul-entwicklungsprogramm, das es in Deutschland je gege-ben hat.
Hierfür stellen wir bis 2007 4 Milliarden Euro zur Ver-fügung.Eine Ganztagsschule darf nicht einfach eine Verlän-gerung der üblichen Schule von fünf auf acht Stundenbedeuten. Individuelle Förderung erfordert nicht nur ei-nen anderen Zeitrahmen, sondern auch eine andere Or-ganisation und eine bessere Qualität des Unterrichts.
Wir brauchen keine Einrichtungen, in denen Kinder„verwahrt“ werden, sondern Schulen, in denen Kindermit Freude und Neugier lernen, in denen ihr Wissens-durst geweckt und am Leben gehalten wird.Die Zeit ist reif für diesen Paradigmenwechsel.
Ich bin froh darüber, dass dies nach einigem Zögern alleLänder eingesehen haben.Unser Bildungssystem zu modernisieren ist eine ge-waltige Aufgabe und Herausforderung für uns alle, derwir uns stellen müssen.
Dazu gehören im Übrigen die Einführung von bundes-weiten Bildungsstandards, die für alle Jahrgänge undSchulformen gelten müssen, die Einrichtung einer bun-desweiten unabhängigen Evaluationsagentur,
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Die aktuelle Situation auf dem Ausbildungsmarkt bie-t Anlass zu größter Sorge.
ie Kluft zwischen Angebot und Nachfrage an Ausbil-ungsplätzen ist weit mehr als ein arithmetisches Zah-nspiel.
Herr Rachel, es geht um junge Menschen, um ihrenerufsstart, ihre Lebenschancen und ihre Perspektive fürie Zukunft.
eshalb geht es auch um die Zukunft unseres Landes.Wenn wir verhindern wollen, Herr Rachel, dass durchen Mangel an qualifiziertem Nachwuchs Lebenschan-en zerstört werden, wie es Mitte der 90er-Jahre der Fallar – 1998 hatten wir fast die gleiche Situation wie iniesem Jahr –, und dass sich dies schon in wenigen Jah-en zu einem gravierenden Innovationshemmnis für un-ere Wirtschaft erweisen wird, dann müssen wir heuteit aller Kraft gegensteuern.
Ausbildungschancen dürfen nicht von Konjunktur-gen abhängig sein.
ür die Stabilität und auch für den Erfolg der beruflichenildung ist es unverzichtbar, dass auch in wirtschaftlichchwierigeren Zeiten allen Jugendlichen, die ausgebildeterden wollen und können, ein Ausbildungsangebot ge-acht wird.
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Bundesministerin Edelgard BulmahnWir setzen alles daran, dass dieses Ziel auch in diesemJahr erreicht wird. Wir beteiligen uns zum Beispiel mit95 Millionen Euro an der Finanzierung von 14 000 be-triebsnahen Ausbildungsplätzen in Ostdeutschland. Wirfördern des Weiteren Jugendliche mit schlechten schuli-schen Voraussetzungen, damit sie den Sprung in dieAusbildung schaffen. Wir fördern außerdem die Grün-dung zusätzlicher Ausbildungsverbünde. Wir haben be-reits die Ausbilder-Eignungsverordnung außer Kraft ge-setzt und damit vielen Betrieben, die bereit und in derLage sind, auszubilden, den Zugang zur Ausbildung er-leichtert. Ich möchte allerdings eines klarstellen: Wirkönnen nicht auf Dauer seitens des Staates und der Bun-desregierung der Wirtschaft die Ausbildungsverantwor-tung abnehmen.
Wir können nicht ausbilden. Wir brauchen die Wirt-schaft und die Betriebe. Die berufliche Ausbildung liegtin der ureigenen Verantwortung der Wirtschaft und derBetriebe. Es gibt rund 500 000 Betriebe, die ausbildendürften und könnten, die es aber nicht tun. Wenn nur dieHälfte dieser Betriebe eine Lehrstelle anbieten würde,dann gäbe es in Deutschland ein mehr als ausreichendesAusbildungsangebot.
Ich werde mich angesichts solcher Zahlen nicht mit35 000 oder mehr unversorgten Jugendlichen abfinden.Anfang Oktober werden wir zu einem Ausbildungsgipfeleinladen. Ich erwarte, dass die Wirtschaft dann einenüberzeugenden Vorschlag vorlegt, aus dem hervorgeht,wie sie die Lehrstellenlücke bis zum Ende des Jahresschließen will.
Ich halte nichts davon – um auch das klar zu sagen –,jetzt über Instrumente zu diskutieren. Das Ziel soll viel-mehr erreicht werden. Dieses lautet: Jeder Jugendlichesoll ein Ausbildungsangebot erhalten. Die Bundesregie-rung schafft dafür die strukturellen Voraussetzungen.Wir setzen auf moderne, zukunftsfähige Berufe. Wir ha-ben inzwischen über die Hälfte der gängigen Berufe mo-dernisiert. Wir setzen auf neue Qualifikationen und Fle-xibilität. Die zweijährige berufliche Ausbildung sowiedie Einführung von Qualifizierungsbausteinen, die aufeine vollwertige Berufsausbildung angerechnet werdenkönnen, sind zwei wichtige, von der Wirtschaft selbstimmer wieder geforderte Instrumente. Sie müssen aller-dings in den Betrieben auch genutzt werden.Wir brauchen insgesamt mehr hoch qualifizierte Men-schen in unserem Land. In den vergangenen Jahren ha-ben wir hier spürbare Fortschritte erreicht. Die Zahl derStudienanfänger gerade in den naturwissenschaftlichenFächern und insbesondere in der Elektrotechnik ist deut-lich gestiegen. Trotzdem liegt Deutschland noch immerdeutlich hinter den wichtigsten Industrieländern; dennwir haben den massiven Einbruch in der ersten HälftedhrbEnEbHsgIdkDda7DdgÜgfw–2aSdgusuk
s gibt an unseren Hochschulen aber vor allem Pro-leme, die nicht baulicher Natur sind. Unser Pakt fürochschulen setzt bei diesen Problemen an. Die Hoch-chulentwicklung ist das Kernstück. Die Studienbedin-ungen zu verbessern sowie die erfolgreich begonnenenternationalisierung, die Nachwuchswissenschaftlerför-erung und die Forschung an den Hochschulen zu stär-en sind die Herausforderungen.
ie Förderung der Forschung an den Hochschulen durchen Bund ist nach den Daten des Statistischen Bundes-mtes allein in meinem Haus von 1998 bis heute um2 Prozent gestiegen.
ie Bundesförderung der Hochschulen einschließliches Hochschulbaus ist – ohne BAföG – um 23 Prozentestiegen.
brigens, in Bayern stieg die Hochschulförderung umanze 2,9 Prozent. Die Förderung der Hochschulen hatür die Bundesregierung einen hohen Stellenwert undird es auch in Zukunft haben.
Frau Flach, angesichts von Steigerungen in Höhe von3 bzw. 72 Prozent können Sie nicht allen Ernstes sagen:uf niedrigem Niveau!
Das, was wir hier erreicht haben, ist ein deutlicherchritt nach vorn. Wir werden aber, das sage ich aus-rücklich, nicht stehen bleiben, sondern unsere Anstren-ungen weiter fortsetzen, weil wir an dem Ziel festhaltennd nicht daran rütteln lassen, dass jeder Mensch in un-erem Land beste Bildungschancen haben muss. Das istnser Grundsatz, eines der Herzstücke der sozialdemo-ratischen Politik.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5143
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Bundesministerin Edelgard BulmahnExzellente Forschung – das ist die zweite Säule – istdie Voraussetzung für jedes neue Produkt und jedes neueVerfahren. Vorsprung durch Innovation erreicht mannicht durch Hinterherrennen,
sondern durch Überholen auf neuen Wegen. Deshalb ha-ben wir die Forschung seit 1998 neu ausgerichtet undsystematisch gestärkt. Wie vom Bundeskanzler in derAgenda 2010 angekündigt, werden wir die Etats allergroßen Forschungsorganisationen im kommenden Jahrwieder um 3 Prozent erhöhen. Die institutionell geför-derten Forschungseinrichtungen stehen damit so gut dawie noch nie. Allein für die DFG bedeutet das seit 1998eine Steigerung um 33 Prozent.
Eine weitere wichtige Weichenstellung: Erstmalswird der größte Teil der Forschungsförderungsmittelim Wettbewerb vergeben; die Leistung zählt. Insgesamtbeträgt die Summe der so vergebenen Fördermittel rund4,4 Milliarden Euro. Das sind über 53 Prozent der Mittelim Einzelplan 30. Mir ist das so wichtig, weil Wettbe-werb für mehr Qualität und mehr Effizienz sorgt. Das isteine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir über For-schungsförderung auch wirklich Qualitätsverbesserun-gen und Innovationen in Gang setzen.
Im Vergleich zum Vorjahr sinkt die Projektförderung– leider –, das ist eine Folge des Auslaufens der Mittelaus den UMTS-Verkaufserlösen. Bevor Sie aber, liebeKolleginnen und Kollegen von der Opposition – ich höreschon wieder Herrn Rachel –, die Backen aufblasen, seiIhnen Folgendes gesagt: Wir liegen mit den Mitteln fürdie Projektförderung auch im Jahr 2004 gut eine halbeMilliarde über dem Etatansatz, den Sie uns 1998 überge-ben haben.
Ich finde, das kann sich sehen lassen, das ist nämlicheine Steigerung um rund 32 Prozent.Wir haben die Mittel für die Projektförderung, fürdie themenorientierte Forschungsförderung neu gebün-delt, um noch stärker interdisziplinär und in enger Verbin-dung von Forschung und Anwendung agieren zu können.Informations- und Kommunikationstechnik, Nanotech-nologie und die Mikrosystemtechnik, optische Techno-logie und die Biotechnologie bilden die Schwerpunkte.
Die Förderung der Genomforschung wird verstetigt.Die ostdeutschen Länder werden durch gezielte Inno-vationsförderung weiter gestärkt. Hier haben wir im Üb-rigen spürbare Erfolge erreicht. Ich will nur das BeispielDresden nennen. Dort ist heute eine der modernstenTechnologieregionen in Europa. Durch unsere Förde-rGvEdlTSdludzchntHl6fHWHzniZAm
Zu einer Politik, die konsequent auf Wissen und Inno-ation setzt, gibt es in Deutschland keine Alternative.ine solche Politik gibt es seit 1999 und das wird unterieser Bundesregierung auch so bleiben.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Maria Böhmer.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-egen! Frau Ministerin, Sie haben ein ganz besonderesalent,
ie können unangenehme Wahrheiten einfach ausblen-en.
Das, was wir hier erlebt haben, ist eine geschönte Bi-anz. Ihre Zahlentricksereien werden wir Ihnen heutend auch in den anstehenden Haushaltsberatungen nichturchgehen lassen.
Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf,u erfahren, wie die Bundesregierung mit den Verspre-hungen, die sie einmal gemacht hat, umgeht. Sie habeneute erneut vorgegaukelt – das hat der Bundesfinanzmi-ister in der Haushaltsdebatte am Dienstag ebenfalls ge-an –, dass Sie mehr Mittel zur Verfügung haben, als Ihraushalt aufweist. In den Zeitungen ist immer wieder zuesen, die Steigerung Ihres Haushaltes betrage insgesamt,3 Prozent. Aber die Ausgaben für das Bauprogrammür Ganztagsschulen gehören definitiv nicht in Ihrenaushalt, sondern in einen anderen Bereich. Das ist dieahrheit.
Es ist eine bittere Wahrheit, dass die Mittel für Ihrenaushalt nicht steigen, nicht stagnieren, sondern imweiten Jahr hintereinander zurückgehen. Sie könnenoch so lange an die Vergangenheit erinnern, Tatsachest – schauen Sie sich an, was für heute und was für dieukunft gilt –: Ihr Haushalt befindet sich in einerbwärtsspirale.
Als ich diesen Haushaltsentwurf gelesen habe, hatich auch gewundert, dass Sie bei der Projektförderung
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Dr. Maria Böhmerbesonders drastisch kürzen; die Mittel für diesen Bereichsinken um immerhin 8,2 Prozent. Für den Hochschulbaustehen 12,7 Prozent weniger zur Verfügung. Sie kürzenin zwei Kernbereichen. Das kann man nicht machen.
Mit diesem Streichkonzert nehmen Sie eine völlig fal-sche Weichenstellung vor. Sie haben mit Recht gesagt,dass Innovationen und Forschung wichtig sind, und zwarnicht nur für diese Bereiche selbst, sondern auch für dieZukunft unseres Landes, für Wachstum und für Arbeits-plätze. Ohne Innovationen wird es kein Wachstum ge-ben. Aber in genau diesen Bereichen treten Sie auf dieBremse und damit verhindern Sie, dass es in unseremLand wieder mehr Wachstum und Beschäftigung gibt.
Frau Bulmahn, junge Menschen sind die Leidtragen-den Ihrer Politik.
Das ist die katastrophale Botschaft, mit der wir derzeitlandauf, landab konfrontiert sind. Mehr als 160 000 Ju-gendliche suchten Ende August noch einen Ausbil-dungsplatz. Die Situation ist schlimmer als im Jahr zu-vor. Das ist ein Skandal und den werden wir auch sobenennen.
Es fehlen Zehntausende Ausbildungsplätze und Sie re-agieren hilflos.Am 18. März dieses Jahres haben Sie hier Folgendesgesagt:Jeder Jugendliche, der ausbildungswillig und aus-bildungsfähig ist, soll eine Lehrstelle bekommen.
So lautete Ihr Versprechen. Das war eine wichtige Aus-sage. Die Jugendlichen haben gedacht, sie könnten sichdarauf verlassen.
Ihr Kollege Clement hat vor kurzem erfahren, wie Ju-gendliche mittlerweile reagieren. Nachzulesen ist das ineinem Artikel des „Stern“, der mit „Die Lehrstellenlüge“überschrieben ist. Sie wissen genau, was diese Schlag-zeile beinhaltet. Jugendliche haben Herrn Clement beieiner Veranstaltung in Rostock auf sein Versprechen an-gesprochen. Sie haben gesagt, dass sie „diese Heuche-leien der Politik“ nicht mehr hinnehmen wollen. Fast dieHälfte der Jugendlichen wird sich am Ende dieses Jahresnicht in einer Lehrstelle wiederfinden, sondern in einemGrundlehrgang, in einem Berufsgrundschuljahr, in ei-nem Berufsvorbereitungsjahr, in einer Hauptschule oderin einer Berufsfachschule, oft ohne Aussicht auf einenBerufsabschluss. 40 Prozent der Jugendlichen in unse-rsIDmdswdvdcg2Aelasla4ddDhdvJV0vdac
ch zitiere die Äußerung einer jungen Frau im „Stern“:Wir wollen keine bescheuerten Warteschleifen oderPraktika, wir wollen echte Lehrstellen.
iese Jugendliche hat Recht. Mit der Lehrstellenlügeuss Schluss sein.Weiße Salbe ist auch ihr JUMP-Programm: Nur je-er dritte Jugendliche, der in diesem Programm war, hatechs Monate nach Förderende einen Arbeitsplatz. Wirissen, dass in weiten Bereichen der neuen Bundeslän-er eine hohe Arbeitslosigkeit herrscht und dass es dortiele Jugendliche gibt, die händeringend einen Ausbil-ungsplatz suchen. Durch JUMP sind 30 000 Jugendli-he in Sachsen-Anhalt gefördert worden. Was ist das Er-ebnis? – Nach Auslaufen der Förderung fielen ganze2 000 zurück in die Arbeitslosigkeit.
ngesichts dessen nenne ich das JUMP-Programm nichtine Hilfe, sondern eine Katastrophe. Sie sollten es seinssen.
Man muss einmal bedenken: Was sind die wahren Ur-achen für diese Situation? – Es ist die trübe Auftrags-ge der Betriebe. Es ist die hohe Zahl von Insolvenzen,0 000 pro Jahr. Woher sollen denn noch die Ausbil-ungsplätze kommen?Werfen Sie doch einmal einen Blick in den Bereicher Bundesregierung!
a merkt man, wie Sie es mit Ausbildungsversprechenalten. Herr Clement bietet in diesem Jahr 20 Ausbil-ungsplätze weniger an. Im Bundeskanzleramt gab es imergangenen Jahr fünf Ausbildungsplätze. In diesemahr ist es nur noch ein Ausbildungsplatz.
Ich habe mir noch angesehen, was die Gewerkschafterdi anbietet. Da beträgt die Ausbildungsquote ganze,3 Prozent. Das ist nicht nur blamabel, sondern entlar-end.
Am Montag hat der Bundeskanzler im Verbund miten Gewerkschaften erneut mit einer Ausbildungsplatz-bgabe gedroht. Dazu muss ich Ihnen sagen: Eine sol-he Ausbildungsplatzabgabe, eine solche Zwangsabgabe
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Dr. Maria Böhmerist Gift – Gift für die Betriebe, aber auch Gift für allediejenigen, die einen Ausbildungsplatz suchen.
Lassen Sie die Finger davon und bieten Sie den Jugend-lichen einen echten Ausbildungsplatz an! Den Anfangsollte der Bundeskanzler machen, indem er die Ausbil-dungsquote erfüllt und 20 Ausbildungsplätze anbietet.
An dieser Stelle möchte ich all denjenigen im Landeinen herzlichen Dank sagen, die trotz angespannterwirtschaftlicher Situation einen Ausbildungsplatz zurVerfügung stellen: den Handwerkern, den Unternehmenund den Freiberuflern. All denjenigen, die jungen Men-schen eine Chance geben, gilt unsere Anerkennung; wirsagen Danke.
Frau Bulmahn, ich will auch noch eine andere Seitedes Problems ansprechen. Viele, die sich um einen Aus-bildungsplatz bewerben, bringen überhaupt nicht die Vo-raussetzungen dafür mit. Mir hat ein Malermeister ge-sagt: Die Bewerber können oftmals noch nicht einmalden Umfang eines Rechtecks berechnen.
Das muss man sich einmal vorstellen! Sie sagen einfach:Wir machen jetzt das Programm „Zukunft, Bildung undBetreuung“. – Die SPD-Fraktion verteilt eine entspre-chende Broschüre mit dem Titel „Lernen macht groß &stark“.
Diese kostet übrigens 115 000 Euro. In meinen Augenist es unerhört, für eine derart dürre Broschüre Steuergel-der zu verschleudern.
Wahrscheinlich haben Sie die Broschüre schon in denbayerischen Landtagswahlkampf geschickt. Aber diebayerischen Eltern werden zu lesen wissen und sich aufsolch eine Mär nicht einlassen.
Wenn Sie Ganztagsschulen heute als Alleskönnerpropagieren, dann müssen wir schon einmal fragen: Waskönnen diese Schulen eigentlich leisten? Sie empfehlensie uns – das haben Sie auch am Montag wieder getan –als Mittel gegen Analphabetismus, zur Überwindungeines sozial ungerechten Schulsystems, für eine bessereindividuelle Förderung, für mehr Kreativität und für einehöhere Qualität des Unterrichts.
SSwg–tNDüdUDdlpsteIfdpe
Herr Tauss, welche Situation trifft man denn in Ganz-agsschulen an, die mit diesen Mitteln gefördert werden?ach dem Unterricht wird ein Mittagessen angeboten.ann gibt es Hausaufgabenbetreuung und Lockerungs-bungen. Es kommt jemand vom Musikverein oder vonen Landfrauen, um mit den Schülern kochen zu üben.nd Sie wollen uns erklären, das sei Unterricht!
as ist nicht Unterricht, sondern Betreuung.
Betreuung am Nachmittag halte ich für vernünftig;enn wir brauchen eine bessere Vereinbarkeit von Fami-ie und Beruf. Aber die Ganztagsschule, die Sie hier pro-agieren, ist kein Weg zu besserer Bildung. Diese Aus-age ist von vielen Wissenschaftlern bestätigt worden.
Erlauben Sie eine Zwischenfrage?
Ja.
Bitte.
Frau Böhmer, ist Ihnen entgangen, dass dieses Ganz-
agsprogramm die Forderung an die Länder beinhaltet,
in pädagogisches Konzept zu erstellen?
nsofern ist das Ganze natürlich wesentlich mehr als ein-
ach ein Schulbauprogramm. Das wissen Sie auch, es sei
enn, Sie hätten in den letzten Wochen und Monaten
ermanent geschlafen.
Ich habe die Broschüre gelesen. Ich will Ihnen gernetwas daraus vorlesen. Da steht:Ziel ist es, die Ganztagsbetreuung an Schulen zuverbessern.)
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Dr. Maria BöhmerDann sagen Sie, dass durch die Betreuung die Qualitätdes Unterrichts erhöht werden soll. Im nächsten Punktsteht dann, was mit diesen Mitteln gemacht werden soll– darauf spielen Sie ja an –:Mit den Bundesmitteln können sowohl Aus- undUmbaumaßnahmen als auch Ausstattungsinvestiti-onen und Dienstleistungen,
die mit den Investitionen verbunden sind …, finan-ziert werden.
Warum soll denn die Qualität des Unterrichts alleindurch Baumaßnahmen steigen? In den neuen Bundeslän-dern hat man genügend Räume, um die Schüler zu be-treuen.
– Sie wollen noch eine weitere Frage stellen? – Ja, bitte.
Ich stelle die Frage noch einmal, da Sie nicht geant-
wortet haben: Wissen Sie, dass hinter jeder Ganztags-
schule ein pädagogisches Konzept stehen muss? Selbst
wenn das in der Broschüre nicht erwähnt wäre,
müssten Sie das wenigstens aus der Arbeit im Bundestag
wissen. Ich halte es für fahrlässig, das einfach zu unter-
schlagen.
Ich richte meinen Blick jetzt einmal auf das Bundes-
land Nordrhein-Westfalen; das ist Ihnen sicherlich sym-
pathischer, als wenn ich jetzt auf Hessen oder Bayern
einginge. Wir wissen ja, dass dieses Programm in Nord-
rhein-Westfalen genutzt wird
und dass dort jetzt auch Nachmittagsangebote bzw. – in
Ihrer Ausdrucksweise – Ganztagsschulen eingeführt
werden. Wie geschieht das denn? Dort sind pro Gruppe
von 25 Kindern 0,1 Lehrerstellen vorgesehen. Wie wol-
len Sie mit einer Zehntellehrerstelle ein pädagogisches
Konzept am Nachmittag gewährleisten?
– Sie können ja gleich gerne noch einmal fragen.
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Es gibt keinen Grund zur Sorge. Ich habe die ganze
eit die Uhr angehalten. Inzwischen haben Sie schon
ehr viel Zeit für die Antwort benötigt. Sie sollten jetzt
uch wieder Ihre Rede fortsetzen.
Dieses vorgebliche pädagogische Konzept beinhaltetlso nichts anderes, als dass am Nachmittag Hausaufga-enbetreuung gewährleistet wird und außerunterricht-iche Angebote gemacht werden. Das ist noch lange keinnterricht. Damit kann man nicht von einer Qualitäts-teigerung des Unterrichts sprechen.Jetzt möchte ich noch auf etwas anderes hinweisen,as Nordrhein-Westfalen macht: In Nordrhein-Westfa-en müssen die Eltern für die Betreuung der Kinder amachmittag in Ganztagsschulen 100 Euro zahlen. Es istas erste Mal, dass in Deutschland für ein schulischesngebot am Nachmittag Schulgeld zu bezahlen ist. Dasinde ich unsozial.
o sieht also das aus, was die SPD realisiert. So kannan kein Ganztagsschulangebot machen.
Jetzt möchte ich Ihnen noch eines sagen, weil Sie esns ja sonst nicht glauben. Das Deutsche Institut für In-ernationale Pädagogische Forschung in Frankfurt amain sagt: Ganztagsschulen als solche beeinflussen daseistungsniveau der Schulen in der Regel nicht. Viel-ehr kann es – das ist der entscheidende Punkt – sogaru einer „Nivellierung im Leistungsbereich“ kommen.ie Schwächeren können vielleicht etwas davon profi-ieren, aber die Stärkeren werden die Verlierer sein.Deshalb sage ich: Hören Sie auf mit diesem Etiketten-chwindel! Sagen Sie ehrlich, was Sie mit Ihrem Pro-
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Dr. Maria Böhmergramm machen, nämlich Betreuung am Nachmittag. Daswäre in Ordnung. Es handelt sich jedenfalls nicht um einProgramm zur Steigerung der Bildungsqualität.
– Das machen Sie mit Ihrem Programm.Im Mittelpunkt dessen, was ich bisher gesagt habe,stand die Ausbildung.
– Herr Tauss, würden Sie sich bitte mäßigen!?
Herr Kollege Tauss, den Begriff „Hetze“ wollen wir
in diesem Parlament in der Regel vermeiden und dazu
rufe ich Sie zur Ordnung.
Ich glaube nicht, dass wir uns in einer für unser Land
so wesentlichen Frage, nämlich wie es um die Bildung
von Kindern bestellt ist – und das hängt wahrlich nicht
vom Faktor Zeit ab, Herr Tauss, sondern von der Quali-
tät von Bildung –, auf einem solchen Niveau hier unter-
halten können.
Weil ich mich wegen der Diskussion zum Thema
Ganztagsschulen nun nicht mehr ausführlich dem Thema
Forschungsförderung zuwenden kann, will ich dazu nur
eines sagen: Frau Ministerin, das, was Sie uns heute in
punkto Forschungsförderung aufgezeigt haben, wird
völlig konterkariert von dem, was Sie tatsächlich ma-
chen. Sie haben im laufenden Haushalt völlig überra-
schend die Fördermittel für die großen Forschungsein-
richtungen in Deutschland gekürzt. Das war ein
Nackenschlag für die Forschung in unserem Land. Für
das nächste Jahr stellen Sie nun 3 Prozent mehr zur Ver-
fügung. Damit werden Sie die Delle nicht ausgleichen
können.
Was Sie machen, ist im Grunde genommen ein Nullsum-
menspiel; denn Sie nehmen die Mittel von der Projekt-
förderung weg, um sie den Forschungseinrichtungen zu
geben. Unter dem Strich bedeutet das keine Verbesse-
rung, sondern das heißt: Wissenschaft finanziert Wissen-
schaft. Das ist kein Weg in die Zukunft.
Mit Ihrem Programm kürzen Sie bei den Zukunftsfel-
dern. Wir haben minus 5 Prozent bei der Informati-
onstechnologie, wir haben minus 5 Prozent – –
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Zweitens. Natürlich ist die Ganztagsschule nicht eineösung für alles. Das liegt doch auf der Hand.
ber Sie malen hier ein Schreckensbild an die Wand.ffensichtlich haben Sie ein Problem damit, wenn manitarbeiter aus Jugendzentren, Vertreter von Sportverei-en, Handwerker und Landfrauen an den Nachmittagenn die Schulen holt. Wir betrachten das als eine Chance,eil so die Kinder realitätstüchtig gemacht werden. Sieaben wirklich ein sehr eigentümliches Verständnis.
Drittens. Natürlich sind Forschung, Bildung undnnovation für uns und für diese Regierung eine überge-rdnete Aufgabenstellung. Die Mittel dafür finden sich
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5148 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Dr. Reinhard Loskenicht nur im Einzelplan der Bildungsministerin Bulmahn,sondern auch in den Einzelplänen vieler anderer Ministe-rien. Es handelt sich eben um eine Querschnittsaufgabe,die – das haben Sie in den letzten Tagen vielleicht denMedien entnommen – auch vom Kanzler ernst genom-men wird. Das unterscheidet diese Regierung in der Tatvon ihrer Vor-Vorgängerin, gar keine Frage.Eine letzte Vorbemerkung. Man wird doch wohl nochsagen dürfen – eigentlich will ich nicht Zahlen rauf- undrunterbuchstabieren –, dass zwischen 1994 und 1998 dasHaushaltsvolumen des damaligen BMFT unter Zu-kunftsminister Rüttgers deutlich gesunken ist und dassdas Haushaltsvolumen des BMBF zwischen 1998 und2002 um 20 Prozent gestiegen ist, wenn wir die Mittelfür das BAföG und die Einrichtung von Ganztagsschu-len hinzurechnen, sogar um 30 Prozent. Das sind dieFakten. Zwischen 1998 und 2003 kam es also zu einemdeutlichen Aufwuchs um fast ein Drittel und vorher zueiner deutlichen Kürzung. Das sollte man der Öffentlich-keit schon einmal sagen.
In diesen Tagen wird viel von der Agenda 2010 ge-sprochen. Das Ziel der Agenda 2010 ist, unsere sozialenSicherungssysteme bezahlbar zu halten und mehr Men-schen Zutritt zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Das istsicherlich eine schmerzhafte Operation, aber bei allenUnterschieden im Detail eine notwendige.Einigkeit sollte aber darin bestehen, dass das bei wei-tem nicht hinreichend ist. Denn für die Frage, ob wir esschaffen, eine lebendige, gesunde und nachhaltige Wirt-schaft, eine Gesellschaft mit mehr Chancen für alle hin-zubekommen, ist etwas anderes genauso entscheidend– vielleicht sogar viel entscheidender –: die Schlüssel-stellung von Bildung, Forschung, Innovationen undQualitätsproduktion. Das macht den Standort Deutsch-land aus. Die Phrase „Wir brauchen mehr Investitionenin die Köpfe“ – das ist unser einziger Rohstoff – hat mitt-lerweile jeder im Mund. Ich will dies nicht wiederholen;aber es ist Realität.Es ist doch klar: Wenn wir zu Hause, auf den Heimat-märkten, zeigen, wie Innovationen funktionieren, dannwerden wir damit auch auf den Weltmärkten der Zukunfteine wichtige Vorreiterrolle einnehmen. Die Innovati-onsforscher nennen das First Mover Advantage, Ent-wicklung von Lead-Märkten,
also von Märkten, auf denen wir zeigen, dass unsere In-novationen funktionieren.Es ist doch vollkommen klar: Bei der Herstellung vonindustriellen und standardisierten Massenproduktenhaben wir in Deutschland keine spezifischen Wettbe-werbsvorteile. Unser Wettbewerbsvorteil liegt in derInnovation, in modernen Dienstleistungen, in der Quali-tätsproduktion. Darauf zielt unsere Politik ab.
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wischen 1994 und 1998 kam es zu einem Rückgang derittelansätze, zwischen 1998 und 2002 zu einem Auf-uchs um 20 Prozent. Es stimmt allerdings: In den Jah-en 2003 und 2004 hat es, geschuldet dem allgemeinenudgetdruck, eine Stagnation gegeben. Das ist zutref-end und das ist durchaus kritisch zu hinterfragen.Trotzdem ist es in diesem Kontext gelungen, einigeichtige Akzente zu setzen. Ich nenne das Inno-Regio-rogramm in den neuen Bundesländern, die Fortsetzunges internationalen Austausches von Wissenschaftlernnd Studierenden – das ist ganz zentral für uns – unduch den Aufwuchs bei der institutionellen Förderunger Forschungseinrichtungen, der Deutschen Forschungs-emeinschaft, der Max-Planck-Gesellschaft und derelmholtz-Gesellschaft.Ich will aber hinzufügen: Wir erwarten von der In-ustrie, dass sie mehr für die Forschung tut. Denn For-chung ist nicht nur eine Aufgabe des Staates. Ich halteeispielsweise die im Rahmen des Gesundheitskonsen-es – an dem auch die Grünen wahrlich Kritik anbringenönnen – von der Pharmaindustrie ausgesprochene Dro-ung, abzuwandern bzw. Forschungsaktivitäten einzu-tellen, für vollkommen unakzeptabel.
Was das Geld betrifft, so muss man sagen: Wir habenas Ziel, dass der Anteil der Mittel für Forschung undntwicklung am Bruttoinlandsprodukt bis 2010Prozent betragen soll. Wir liegen jetzt bei 2,4 bzw.,5 Prozent. Wir müssen also besser werden. Dieses Zielaben wir auf EU-Ebene und im Rahmen unserer natio-alen Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Wenn wiries ernst nehmen, dann müssen wir in den nächsten Jah-en über die Gesamtgesellschaft einen jährlichen Zu-achs von 5 bis 6 Prozent im Bereich von Forschungnd Entwicklung erreichen.Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wohereben den öffentlichen Haushalten zusätzliches Geldommt. Für uns Grüne ist die Idee des Stiftungskapitalsehr wichtig. In den nächsten Jahren werden gigantischeermögen transferiert. Es ist zu fragen, ob man nicht ei-en Teil dieses Transfers für Bildung und Forschungutzbar machen kann. Entsprechende Rahmenbedingun-en dafür zu setzen hätte einen sehr guten Zweck.
Eine zweite Maßnahme wäre: An den Staat fallenderbschaften – auch diese Diskussion wird geführt – soll-en für Bildung und Forschung zweckgebunden werden.ch füge hinzu: Es wird in Zukunft eine höhere Eigenbe-eiligung notwendig werden; das ist überhaupt keinerage. Die Konsumbudgets bzw. der Warenkorb der Zu-unft werden sich ändern. Es wird weniger Geld fürurzlebige Konsumgüter ausgegeben werden könnennd mehr Geld für hochwertige Güter wie Bildung, Wei-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5149
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Dr. Reinhard Losketerbildung und Qualifizierung ausgegeben werden müs-sen.
Das ist für uns ein sehr zentraler Punkt.Frau Präsidentin, ich sehe, die Lampe blinkt; meineRedezeit läuft ab. Deswegen mein letzter Gedanke.Zu den inhaltlichen Aspekten, die uns wichtig sind,zur Energieforschung, Mobilitätsforschung und Umwelt-forschung, habe ich jetzt nichts gesagt. Bezüglich derEnergieforschung gibt es unsererseits durchaus einigeKritikpunkte.
Aber ein Aspekt ist mir noch sehr wichtig, und zwardie Strukturfrage. Es nützt nichts, mehr Geld in die bis-herigen Strukturen zu pumpen. Da ist es ähnlich wie beider Sozialstaatsdebatte: Wir brauchen beides, mehr Geldund Strukturreformen. Wir sehen die Notwendigkeit,endlich einen Wissenschaftstarifvertrag einzuführen;denn das öffentliche Dienstrecht und der BAT haben sichin diesem Bereich als Korsett erwiesen, wodurch der Be-reich wenig dynamisch und flexibel ist.
Als endgültig letzten Punkt – dann bin ich fertig,Frau Präsidentin – spreche ich die Internationalisie-rung unserer Hochschulen an. Sie können nicht – dasrichte ich an die Adresse der Union – einerseits fordern,dass unsere Hochschulen internationaler werden, ihnenaber andererseits gleichzeitig über das Aufenthaltsrechtund das Arbeitsrecht einen Knüppel nach dem anderenzwischen die Beine werfen. Das passt einfach nicht zu-sammen.
Ich kann nur sagen: Machen Sie den Weg frei für einmodernes Einwanderungsrecht; dann verbessert sichauch die Situation an unseren Hochschulen.Danke schön.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Flach, FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! FrauMinisterin, Sie haben wirklich ein gutes Timing; dasmuss man Ihnen lassen. Passend zur Landtagswahl inBayern haben Sie nun Ihr Viermilliardenprogramm „Bil-dung und Betreuung“ auf den Weg gebracht, das SiesfisDHFFgDdsltussgswwWvbngteIsszSSRGd
Lassen Sie mich für die Liberalen dazu sagen: Größet nun wirklich nicht gleichbedeutend mit Qualität.
ieses Programm ist groß, aber vor allen Dingen iminblick auf seine Unzulänglichkeit.Ihr Ganztagsschulprogramm ist – da stimme ichrau Böhmer zu, auf deren Seite ich selten stehe, wie dieachleute hier wissen – nicht mehr als ein Schulbaupro-ramm.
ie Konzepte, von denen Sie so gerne sprechen – sei esas individuelle Lernen, sei es die Förderung von Lern-chwachen und Hochbegabten, sei es mehr Kreativität –,
iegen doch in den Schubladen. Schauen Sie sich die Si-ation im Saarland an, aus dem der Kollege Hartmanntammt: Da wird erst gar kein Kind gefunden, das in eineolche Schule gehen möchte. Allein die 100 Euro – übri-ens in einem CDU-geführten Land, Frau Böhmer –chrecken die Leute ab. Dieses Konzept wird verpuffen,eil die Länder wieder einmal nicht so reagieren, wieir uns das vorstellen.
enn ich nach links schaue und sehe, wie viele Länder-ertreter dieser zentralen Bildungs- und Forschungsde-atte beiwohnen, bin ich wieder einmal entsetzt, wie we-ig Bund und Länder zusammenarbeiten.Liebe Frau Bulmahn, ich sage Ihnen ganz offen: Wirlauben, Sie werden als oberste Kinderbetreuungsminis-rin der Nation in die Historie eingehen.
hrer eigentlichen Funktion, als Innovationsmotor die-em Land Anstöße für Kraftanstrengungen bei For-chung und Entwicklung zu geben, werden Sie nur un-ureichend gerecht.
ie loben sich ob der Zuwächse seit 1998 in Ihrem Etat.ie wissen, dass ich Ihre Einschätzung des Kollegenüttgers teile. Aber ohne die 1 Milliarde Euro für dieanztagsschule liegt Ihr Haushalt natürlich unter demes Vorjahres. Da hat Frau Böhmer völlig Recht. Dem
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Ulrike Flacherklärten Ziel, 2010 3 Prozent des BIP für Forschungund Entwicklung auszugeben, sind Sie mit den2,5 Prozent im Haushalt 2004 noch nicht einmal einenTrippelschritt näher gekommen.Meine Befürchtung ist – das sage ich einmal ganzflapsig –, dass Sie sich diesen 3 Prozent aufgrund derverfehlten Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundes-regierung wahrscheinlich von unten nähern werden. An-sonsten sehe ich bei Ihrem Etat keine Chance, diesesZiel zu erreichen.Sie haben im Haushalt eine Reihe von Veränderungenvorgenommen, die aber nichts Kraftvolles oder Innovati-ves enthalten. Ich mache das einmal in einem Bild deut-lich: Sie ordnen wie eine besorgte Hausfrau die Geld-scheine in Ihrem Portemonnaie; aber Sie bündeln sienicht für die wirklich wichtigen Aufgaben Ihres Amtes.Gegenüber den großen Forschungsorganisationenhaben Sie zwar – Gott sei Dank! – Ihren Fehler vomletzten Jahr, als Sie eine Nullrunde verordnet haben,nicht wiederholt. Allerdings fragen sich die Wissen-schaftler in diesen Organisationen nun schon seit Mona-ten: Wo stehen Sie, Frau Bulmahn, eigentlich in demProzess, der uns alle, die wir in dieser Wissenschafts-landschaft tätig sind, seit langem umtreibt?
Wo sind Sie eigentlich in der Föderalismusdebatte? Woist da die höchst gestellte und wichtigste Wissenschafts-politikerin dieses Landes?
Das ist ein Ruf, der nun wirklich verpflichtet. Wo ist siebei dieser für uns essenziellen Frage: Wie ordnen wirWissenschaft und Wissenschaftsförderung in den nächs-ten Jahren? Während Sie sich – diesen Vorwurf muss ichIhnen machen – dem ermüdenden und, ich glaube, in-zwischen auch völlig erfolglosen Kampf mit den Län-dern über Schule und Co. hingeben, sind Sie auf Ihremureigenen Gebiet für uns Liberale und für dieses Landviel zu wenig sichtbar.
Wo ist Ihre Position bei der Neugestaltung der deut-schen Forschungslandschaft? Seit Mai haben wir denVorschlag des Wissenschaftsrates zur strategischen For-schungsförderung auf dem Tisch. Transparenter soll eswerden, effizienter und schlagkräftiger. Nichts haben wirdazu von Ihnen gehört. Der Wissenschaftsrat weist zuRecht darauf hin, dass von der Gestaltung der For-schungsförderung abhängig ist, ob die Wissenschaft inDeutschland in der Lage ist, in Teilbereichen der For-schung eine internationale Spitzenstellung zu erringenund zu behaupten.Recht hat er damit, dass es an Möglichkeiten fehlt,Förderinitiativen zu koordinieren, dass es keine Verfah-ren gibt, um Lücken im Förderangebot aufzuspüren,oder dass Doppelungen von Initiativen gang und gäbesind. Frau Bulmahn, ich sage Ihnen auch als Vorsitzendedes zuständigen Ausschusses: Hier erwarte ich Ihre Initi-aksSaddmlPnFddmmInwSGläFgfFkuwv6nDgaksrgdlouB
nsgesamt sind Sie bei der Förderung aller neuen Tech-ologien heruntergegangen und haben nicht das getan,as wir eigentlich alle von Ihnen erwartet haben.
ie haben nämlich nicht das getan, was zum Beispielroßbritannien in der gleichen Zeit getan hat. Die Eng-nder haben ihre Mittel für die Forschung verdoppelt,rau Bulmahn. Das ist ein hoher Anspruch von Ihnenewesen, den Sie bis zum heutigen Tag leider nicht er-üllt haben.In Richtung USA zu schauen, wage ich als deutscheorschungspolitikerin schon gar nicht mehr. Die Ameri-aner haben die Mittel für die Nanotechnologie seit 2001m 84 Prozent erhöht. Angesichts dessen sehen wirirklich alt aus. Im Jahre 2003 gibt es erneut ein Pluson 17 Prozent. Die Mittel sind auf inzwischen79 Millionen Dollar erhöht worden. Innerhalb derächsten drei Jahre ist der Einsatz von 2,3 Milliardenollar für Forschungsprojekte in der Nanotechnologieeplant.Liebe Frau Bulmahn, mir ist klar, dass wir, was diebsoluten Zahlen angeht, natürlich nicht mit den USAonkurrieren können. Das werden wir nur im europäi-chen Rahmen schaffen können. Aber mir und den Libe-alen geht es um die Richtung, die wir hierbei einschla-en. Frau Ministerin, ich vermisse in dieser Regierungie große und breit angelegte Innovations- und Techno-giekampagne, die in anderen Ländern inzwischen gangnd gäbe ist. Eine solche erwarten wir von Ihnen.
Sie konzentrieren sich stattdessen auf die – wie Frauöhmer es immer liebevoll bezeichnet – Schulküchen.
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Ulrike FlachWir hätten es gerne gehabt – auch das will ich an dieserStelle sehr deutlich sagen –, wenn Sie noch einmal einenBlick auf die Hochschullandschaft geworfen hätten. Washätten wir mit diesen Milliarden eigentlich alles tun kön-nen, wenn wir sie in den Hochschulbau gesteckt hätten,Frau Bulmahn?
Was wäre da möglich gewesen? Da hätten wir doppelt soviele Mittel für den Hochschulbau eingesetzt. Stattdes-sen werden sie – das habe ich eben schon in einem Zurufdeutlich gemacht – bis 2007 von 1,1 Milliarden Euro auf760 Millionen Euro heruntergefahren. Ihr „Pakt für dieHochschulen“ – ein schöner Name, wie es bei dieser Re-gierung üblich ist – beinhaltet nur Mittel in Höhe von32 Millionen Euro, Frau Bulmahn. Das ist doch über-haupt nichts.
Wir brauchen Geld für die Hochschulen dieses Lan-des. Ich kann vieles nachempfinden; denn in der Födera-lismusdebatte ist manches unerträglich.
Aber ich bitte Sie inständig, Frau Bulmahn: Steigen Sieals Bund nicht aus der Hochschulbauförderung aus!
Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu einemProblem sagen, das uns alle berührt und für das FrauBöhmer vorhin sehr viel Zeit verwandte. Es geht um dasThema Lehrstellen. Ich kann auch hier vieles nachemp-finden, weil ich weiß, wie schwierig es für eine Regie-rung ist, dafür zu sorgen, dass alle unsere Jugendlicheneine Lehrstelle bekommen. Aber Sie müssen in IhremEtat schon entsprechende Akzente setzen. Stattdessenfahren Sie ihn herunter. Sie haben die Mittel sowohl fürdas Programm zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungs-plätze in den neuen Ländern als auch die Mittel für dieüberbetrieblichen beruflichen Ausbildungsstätten zu-rückgefahren. Außerdem streichen Sie dem Institut, dasin diesem Bereich forscht, 12 Prozent der Gelder.Wir Liberalen haben immer zu wenig Redezeit, umdie guten Rezepte, die wir für dieses Land haben, vorzu-stellen. Lassen Sie mich zum Schluss aber noch Folgen-des sagen: Eines steht fest, liebe Frau Bulmahn: Je län-ger Sie im Amt sind, desto ähnlicher werden Sie leiderIhrem Vorgänger, Herrn Rüttgers,
nicht optisch, aber in Ihrer Unbeweglichkeit. Wir wollenvon Ihnen Reformen, Frau Bulmahn. Dafür sind Sie ge-wählt worden. Wir wollen keinen Haushalt, in dem ein-fach nur verwaltet wird. Wir wollen, dass sich diesesLand bewegt. Wir sind die Ersten, die an Ihrer Seite ste-hen, wenn Sie etwas Gutes auf den Weg bringen.Herzlichen Dank.
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icht nur was das Aussehen, sondern vor allen Dingenas den Inhalt betrifft. Dazu gehören auch die Punkte,ie Sie zum Schluss aufgeführt haben.Der Etat 2004 ist ein Spar- und Reformetat. Machenie sich das bewusst: Als der Haushalt für 2004 aufge-tellt wurde, gab es durch die Wachstumsschwäche derergangenen Jahre Steuermindereinnahmen, die zu ei-em Konsolidierungsvolumen von 15 Milliarden Euroeführt haben. Diese 15 Milliarden Euro müssen einge-part werden, um einen verfassungsgemäßen Haushaltür 2004 vorlegen zu können.
Ich komme gleich noch darauf zu sprechen.Die Einsparungen und damit die Verfassungsmäßig-eit des Haushalts sind die Voraussetzung dafür, dieritte Stufe der Steuerreform vorziehen zu können.ls Haushälter sage ich – die Haushälter sind dafür be-annt, eher konservativ zu sein –: An dieser Stelle ist esertretbar, mithilfe einer höheren Neuverschuldung – wirersuchen, sie so niedrig wie möglich zu halten; wir ste-en ja erst am Beginn des Verfahrens – die Steuerreformorzuziehen, um der Wirtschaft den Schub zu geben, denie meines Erachtens braucht, und um den Verbrauchern,ie im nächsten Jahr 15 Milliarden Euro mehr in den Ta-chen haben, Vertrauen zu geben.Die Generaldebatte gestern sollte eigentlich einchlagabtausch sein. Ich hatte erwartet, auch im Rahmener Forschungsdebatte einiges von Ihnen zu hören.
ber ich muss sagen: Die gestrige Debatte war wirklichämmerlich. Nehmen Sie es mir nicht übel: Es war einualitätsunterschied wie zwischen Bundesliga und Re-ionalliga.
ie haben kein Konzept. Ich hoffe für dieses Land, dassie sich nach der Bayernwahl endlich durchringen, Ent-cheidungen mit zu treffen.
as Sie gestern und leider auch heute hier geliefert ha-en, ist einer Opposition eigentlich nicht würdig.
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Carsten SchneiderWir befinden uns in der ersten Lesung des Haushaltsfür Bildung und Forschung. Wir werden in den nächstenWochen Ihre Vorschläge entgegennehmen – vielleichtsagt Herr Willsch gleich schon etwas dazu –, was Einzel-posten des Etats betrifft. Einige Punkte, die schon ange-sprochen wurden und die die Besonderheit dieses Haus-halts darstellen, möchte ich jetzt herausgreifen.Es ist richtig, dass Umschichtungen vorgenommenwurden. Frau Böhmer, Sie haben schon den Punkt Ganz-tagsschulprogramm angesprochen. Was anderes als Bil-dungsausgaben sollen diese Ausgaben sonst sein? Wennich mich recht entsinne, heißt das betreffende Ministe-rium Ministerium für Bildung und Forschung. Daher istes doch egal, ob die Ausgaben im Einzelplan 60 oder imEinzelplan 30 eingestellt werden.
Es tut mir wirklich Leid, dieses Argument verstehe ichnicht. Das trifft im Übrigen – das darf ich mit Verlaubsagen – auf die ganze Debatte zu, die Sie heute hier ge-führt haben. Diese habe ich insgesamt nicht verstanden.
Was Sie über die Qualität der Leistungen gesagt ha-ben, fand ich sehr diffamierend. Aber sei’s drum. Es sindIhre ideologischen Auffassungen, in denen Sie sich ver-fangen haben. Ich hoffe für dieses Land insgesamt undfür die Länder, in denen Sie mitregieren, dass Sie we-nigstens dort so viel Sachverstand zeigen, damit diewirklich ordentlichen Konzepte, die wir an dieses Geldgeknüpft haben, auch umgesetzt werden.Ihre Kollegin Reiche, die ich heute hier vermisse,
hat im Jahr 2003 in der letzten Debatte zum Etat gesagt– das habe ich mir extra aufgeschrieben –, dass wir ge-rade für Sechs- bis Zwölfjährige mehr Betreuungsange-bote am Nachmittag brauchen. Dafür haben wir im Jahr2003 mit 300 Millionen Euro die Grundlage gelegt; imJahr 2004 sind es 1 Milliarde Euro. Die Länder habennach der Verfassung die Verantwortung für die inhaltli-che Ausgestaltung. Ob das richtig ist und so sein sollte,ist eine andere Frage. Aber das fordert die Verfassungderzeit in unserem Land.
Ihre Kommentare machen deutlich: Ihnen fehlen diegrundlegendsten haushaltspolitischen Grundverständ-nisse.
Denn es ist doch klar, dass wir jeden Euro im Haushaltnur einmal ausgeben können.Wir haben zum Beispiel im Bereich Ganztagsschuleneinen Schwerpunkt gesetzt. Das haben wir bereits imWdMwdWadapfEvüBsHZvleddDBJiWttedZHmIVesrRVgMss
Frau Böhmer hat den Punkt Ausbildungsplätze ange-prochen. Sie wissen sicherlich, dass wir im Rahmen desaushalts 2003 gerade in den neuen Bundesländern dieahl der Stellen aus dem Ausbildungsplatzprogrammon 12 000 auf 14 000 erhöht haben. Die aktuellen Zah-n zeigen, dass es notwendig und richtig war, dass wiriese Entscheidung getroffen haben.Sie haben auch die Verantwortung des Bundes under öffentlichen Hand als Arbeitgeber angesprochen.azu möchte ich Ihnen konkrete Zahlen nennen. Beimund ist die Zahl der Ausbildungsplätze von 5 148 imahr 2002 auf 5 349 im Jahr 2003 gestiegen. Der Bundst seiner Verantwortung damit nachgekommen.
ir im Haushaltsausschuss haben gerade für das Minis-erium für Bildung und Forschung und die nachgeordne-n Einrichtungen wie die Fraunhofer-Gesellschaft undie Max-Planck-Gesellschaft festgelegt, dass sie dieseahl von Ausbildungsplätzen bereitstellen sollen. Imaus von Frau Bulmahn sind 55 Stellen hinzugekom-en.
ch wünschte mir, dass auch die Privatwirtschaft ihrererantwortung in dem Maße nachkommen würde, wies im Moment der Bund tut.Zum Abschluss eine kurze Einordnung in den Ge-amthaushalt. Es ist richtig, dass bei der Projektförde-ung die Mittel gesenkt wurden; da gebe ich Ihnen völligecht. Es ist aber auch richtig, dass wir gleichzeitig dasersprechen eingelöst haben, das der Bundeskanzler ge-eben hat, und die institutionelle Förderung bei derax-Planck-Gesellschaft und der Fraunhofer-Gesell-chaft um 3 Prozent erhöhen. Ich glaube, dass das einehr wichtiges Signal ist.
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Carsten SchneiderSehen Sie sich einmal die Entwicklung bei den Mit-teln insgesamt an. Sie wissen, dass der Forschungsetatim Jahr 2003 noch mit 300 Millionen Euro aus UMTS-Mitteln gespeist worden ist. Im Jahr 2004 sind durch dasAuslaufen der UMTS-Gelder bzw. des Zinsvorteils – daswar die Absprache, die wir in der Koalition getroffen ha-ben – diese Mittel zurückgegangen. Trotzdem steigt derEtat für den Einzelplan 30 um 150 Millionen Euro. Essind also über 150 Millionen Euro hinzugekommen. Ichfreue mich, dass dieser Bereich trotz der Einsparanstren-gungen in anderen Haushalten – ich denke an das Aus-wärtige Amt oder das Verbraucherschutzministerium;das sind grüne Ressorts; es sind aber auch SPD-Ressortsbetroffen –, die signifikante Senkungen aufweisen, mitinsgesamt über 6 Prozent Steigerung heraussticht.Abschließend möchte ich sagen, dass ich gespannt aufdie Haushaltsberatungen im Ausschuss und darauf bin,welche Vorschläge Sie dazu vorlegen, wo Sie einsparenwollen. Darüber hinaus freue ich mich natürlich auf diezweite und dritte Lesung, die wir hier mit Sicherheit er-folgreich bestreiten werden.
Nächster Redner ist der Kollege Thomas Rachel,
CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen:Das Land muss sich anstrengen. Wir haben großeDefizite, bei der technologischen Innovation, beiBildung und Qualifizierung. Wir bilden viel zu we-nig Naturwissenschaftler… aus. Uns fehlen schonheute 70 000 Ingenieure… Wenn wir so weiterma-chen, ist Deutschland nicht zukunftsfähig.So SPD-Fraktionschef Franz Müntefering am 6. Septem-ber in der „Berliner Zeitung“. Eine richtige Erkenntnis –nur, die Verantwortung dafür trägt Rot-Grün.
Was läuft tatsächlich? Zentralismus und Gängelungziehen sich wie ein roter Faden durch die Bildungs- undForschungspolitik von Rot-Grün. 2004 kommt keine Ini-tialzündung, sodass der Bildungs- und Forschungs-standort Deutschland im Wettbewerb auch nichtgewinnen kann. Erwin Staudt, IBM-Aufsichtsratsvorsit-zender, stellte in den VDI-Nachrichten vom 15. Augustfest:Die erste Runde im Rennen um Innovationen istverloren. Wegweisende Trends kommen aus ande-ren Ländern.Auch der Haushaltsentwurf 2004 bringt nicht den ent-scheidenden Impuls. Die Ausgaben für Bildung und For-schung sinken im Einzelplan 30 um 155 Millionen Euro,also um 1,8 Prozent. Nach den Berechnungen von FrauB6itgDvsDazpedAs–ksezHFHHAdzbDnHdaGPwWwlwwFUw
a kann man gleich nachschauen, ob wir nicht auch innderen Einzelplänen, zum Beispiel dem Einzelplan 33um Thema Versorgung, etwas Dienliches zum Aufpep-en der eigenen Bilanz finden können. Das ist schonine recht dreiste Art der Politik.So, wie Sie den Haushalt aufgebaut haben, greifen Sieer anstehenden Föderalismusreform vor. Der Bund bautnsätze aus, in denen er eigentlich kaum inhaltliche Zu-tändigkeit hat – wie zum Beispiel in der Bildungsplanung und verweigert seine heutige Verantwortung dort, wo erünftig den Ländern die Finanzierung in die Schuhechieben möchte. So erfährt allein der Hochschulbau mitiner Kürzung von 135 Millionen Euro – minus 12,7 Pro-ent – einen richtigen Kahlschlag. Das wird man an denochschulen in Deutschland spüren. Dank Ihrer Politik,rau Bulmahn, wird es im nächsten Jahr keine neuenochschulbauprojekte mehr geben. Da ist es schon einohn, wenn diese rot-grüne Bundesregierung in ihrergenda 2010 ankündigt, den Anteil der Erstsemesterstu-enten an den Abiturienten von 35 auf 40 Prozent steigernu wollen, und gleichzeitig die Mittel für den Hochschul-au reduziert. Das ist einfach eine Frechheit.
ie Studierenden sollen sich offensichtlich mit den chro-isch unterfinanzierten und schlecht ausgestattetenochschulen abfinden. Das ist gegenüber den Studieren-en schon verdammt unehrlich.
Mit 2,7 Millionen Euro für Hochglanzbroschüren undndere Werbemaßnahmen verkauft Frau Bulmahn dasanztagsschulprogramm als Allheilmittel gegen dieISA-Defizite. Was hier stattfindet, ist teure Selbstbe-eihräucherung auf Kosten der Steuerzahler.
orum geht es bei den Ganztagsschulen? Sie sind einichtiger Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Fami-ie und müssen deshalb auch bedarfsorientiert ausgebauterden. Sie sind aber eben keine bildungspolitische Ant-ort. Das ist das Missverständnis, dem Sie unterliegen.
ür Schüler verbessert sich nichts, wenn ein schlechternterricht am Vormittag auf den Nachmittag ausgedehntird.
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Thomas RachelEs geht vielmehr darum, eine Qualitätssteigerung allerschulischen Angebote hinzubekommen. Das muss dasZiel sein.
Ihr Ganztagsschulprogramm ist in Wirklichkeit einreines Bauprogramm für zusätzliche Räume.
Aus den Mitteln dürfen keine neuen Lehrer und Erzieherfinanziert werden. Räume ohne Lehrer – das ist Ihrschulpolitisches Angebot.
Die Länder müssen ein Zehntel der Baukosten selbstaufbringen und die gesamten Kosten für die Lehrer oderdie Betreuung tragen. In drei Jahren läuft Ihr Programmaus. Die Kommunen und die Länder bleiben aber aufdiesen Kosten sitzen. Das ist die bittere Realität IhrerPolitik.Wir unterstützen das Vorhaben, Ganztagsschulange-bote auszubauen. Dieses rot-grüne Programm ist abereine Eintagsfliege. Wir – das tun auch unsere Länder –schlagen deshalb vor, dass die Länder und Kommuneneine Erhöhung ihres Umsatzsteueranteils im gleichenVolumen erhalten, damit sie Lehrerstellen finanzierenkönnen. Das würde die Selbstverantwortung der Kom-munen und der Länder stärken.
Ihr Strohfeuer wird in den Kommunen viel Frust erzeu-gen; denn diese wollen dauerhafte Angebote haben.Frau Bulmahn, in Ihrer Politik ist keine Stringenzfeststellbar. Bildungs- und Forschungspolitik werden ge-geneinander ausgespielt. Das Kerngeschäft Forschungwird vernachlässigt. Frau Bulmahn hat sich in die Schul-politik geflüchtet, obwohl sie dort im Prinzip gar nichtszu suchen hat.
Taugt Deutschland zum Standort für Spitzentechno-logie? Das fragt IBM-Chef Erwin Staudt. Er gibt auchgleich die Antwort – Zitat –: „derzeit nicht“. Derzeit re-gieren Sie, Frau Bulmahn. Es gibt im nächsten Jahr zwarErhöhungen für die Wissenschaftsorganisationen. Aberdas ist ein Jahr zu spät. Daneben gehen sie voll zulastender Projektforschung. Gerade diese Projektforschungdient dazu, Kostenkontrolle zu gewährleisten und Wis-senschaft und Wirtschaft zusammenzuführen.Das Institut der deutschen Wirtschaft befürchtet, dassder Forschungsstandort Deutschland in die Zweitklassig-keit abrutscht. Vom Erreichen des Ziels, das Sie in derEU und auch im Koalitionsvertrag unterschrieben haben,nämlich bis zum Jahre 2010 Forschungs- und Entwick-lungsausgaben in Höhe von 3 Prozent des Bruttosozial-produkts zu realisieren, sind Sie mit Ihrem aktuellenHaushalt meilenweit entfernt.BkFdinBtebidtof1wSpAuVindBssawsc1cisasbuDDgDcFv
islang ist hier Fehlanzeige zu verzeichnen. In der Bio-chnologie ist es zur Stagnation gekommen, Firmenrechen weg. Die grüne Gentechnik wird von Ihnen auseologischen Gründen ausgebremst. Das De-facto-Mora-rium lähmt das Wachstum in dieser wichtigen Branche.
Die Haushaltsmittel für das nationale Genom-orschungsnetz – ein wichtiges Projekt – werden um7 Millionen Euro, das sind 25 Prozent, gekürzt. Damiterden die Chancen deutscher Forschung geschwächt;pitzenforscher wandern ab. Beim nationalen Weltraum-rogramm betragen die Kürzungen 3,5 Millionen Euro.uch bei den Nanotechnologien wird gekürzt, nämlichm 6 Millionen Euro. Das ist Ihre forschungspolitischeisitenkarte, Frau Bulmahn.Von den Großprojekten mit strategischer Bedeutung der Grundlagenforschung – ich nenne nur ITER undie Europäische Spallationsanlage – haben Sie sich, Frauulmahn, längst verabschiedet. Auch in diesen For-chungsfeldern, in denen wir in Deutschland noch Vor-prung haben, geht die wissenschaftliche Führungsrollen die USA und Japan verloren; dafür sind Sie verant-ortlich.Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch bei den Lehr-tellen kann die rot-grüne Bundesregierung ihr Verspre-hen nicht halten.
67 000 Jugendliche sind noch nicht versorgt und su-hen bis zum 30. September noch eine Lehrstelle. Dast ein trauriger Nachkriegsrekord. In einer solchen Situ-tion legen Sie einen Haushalt auf den Tisch dieses Hau-es, in dem die Zuwendungen für die überbetrieblicheneruflichen Ausbildungsstätten um 5 Millionen Eurond das Programm für Ausbildungsentwickler im Osteneutschlands um 1,5 Millionen Euro gekürzt werden.as ist angesichts der gesamtgesellschaftlichen Auf-abe, vor der wir gemeinsam stehen, grotesk.
Die Ausbildungsplatzabgabe ist der falsche Weg.as hat auch die Bauindustrie gezeigt, in der es eine sol-he Umlage gibt. Alle Betriebe zahlen seit 1987 in einenonds. Aus diesem Fonds wird ein Teil der Ausbildungs-ergütung für die Azubis erstattet. Trotz dieser Umlage
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Thomas Rachelist die Zahl der Lehrstellen innerhalb von fünf Jahrenvon 100 000 auf 40 000 zurückgegangen.
Das zeigt: Eine Ausbildungsplatzabgabe schafft mehrBürokratie, aber keine zusätzlichen Ausbildungsplätze.
Sie wollen die Abgabe in Unternehmen erheben, beidenen weniger als 6 Prozent der Beschäftigten Auszubil-dende sind. Fangen Sie gleich im Bundeskanzleramt an;denn dieses wäre zahlungspflichtig: Es hat zu wenigAuszubildende.
So weit klaffen Anspruch und Realität Ihrer eigenenPolitik während Ihrer Regierungsverantwortung ausein-ander.
Herr Kollege, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.
Ich komme zum Schluss: Rot-Grün – das spüren wir
alle – hat kein Profil und schon gar keine Visionen. Es
gibt durch diesen Haushalt keine Initialzündung und
keine Aufbruchstimmung.
Lassen Sie mich mit einem Zitat Ihres Fraktionsvor-
sitzenden Franz Müntefering enden: Wenn wir so weiter-
machen, ist Deutschland nicht zukunftsfähig. – Recht hat
er. Aber die Konsequenzen wollen Sie bislang nicht zie-
hen.
Herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Grietje Bettin,
Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Die CDU/CSU verschließt mal wieder die Augenvor der Realität. Fakt ist: Die rot-grüne Bundesregierungplant, im Jahr 2004 insgesamt 9,6 Milliarden Euro fürBildung und Forschung auszugeben. Das sind – das kön-nen auch Sie nicht ignorieren – wieder 300 MillionenEuro mehr als in diesem Jahr und 2,3 Milliarden Euromehr als 1998, dem letzten Jahr der schwarz-gelben Re-gierung unter Helmut Kohl. Wir schultern dies trotzknapper Kassen; denn eines ist zumindest Rot-Grün klar:Die Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlandsund das Wohlergehen unserer Kinder hängen entschei-dBJtGSvknadfbankadutzesdbvsrikVsbhdrbrlBddEMn
Wir fordern die unionsgeführten Landesregierungenuf, unsere Anstrengungen auf diesem Gebiet nichturch eine rückwärts gerichtete Schulpolitik zu unterlau-en. In Niedersachsen und Hamburg droht uns derzeitildungspolitisch ein Rückfall ins 19. Jahrhundert. Wirppellieren an Sie: Ignorieren Sie nicht länger die inter-ationalen Erfahrungen.Auch in anderen Bildungsbereichen investieren wirräftig. Wir geben abermals mehr Geld für das BAföGus. Die Erfolge, die wir schon in den letzten Jahren miter BAföG-Reform erzielt haben, wollen wir sichernnd weiter ausbauen.
Um unsere Unis für die Zukunft fit zu machen, benö-igen wir grundlegend neue Wege der Hochschulfinan-ierung. Unsere Hochschulen brauchen mehr als nurine Politik des Stopfens von Finanzlöchern. Wir müs-en die Ausgaben für Forschung und Bildung auch inen Ländern – das ignoriert die CDU/CSU in dieser De-atte wieder völlig – endlich als die entscheidende In-estition in unsere Zukunft begreifen. Studiengebührenind für die Haushaltskonsolidierung im Bildungsbe-eich jedoch keine Lösung. Die Erfahrung zeigt, dass sien den defizitären Länderhaushalten versickern. Soommt es mit Sicherheit nicht zu einer substanziellenerbesserung für Hochschulen und Studierende.
Wir müssen den Zugang zu Bildung für alle Men-chen verbessern. Eine private Beteiligung an den Aus-ildungskosten ist nur dann gerechtfertigt, wenn sie unsilft, den Teufelskreis von sozialer Herkunft und Bil-ungserfolg zu durchbrechen. Die Hochschulfinanzie-ung ist aber nur eines der Probleme, mit denen wir unsei der Erneuerung des Föderalismus im Bildungsbe-eich beschäftigen müssen. Insbesondere auch die beruf-iche Bildung ist von der allzu großen Verflechtung vonundes- und Länderkompetenzen betroffen. Ich hoffe,ass wir in den Verhandlungen zwischen Bund und Län-ern über die Reform des Föderalismus zu tragfähigenrgebnissen für den Bildungsbereich kommen. Ein vonachtpolitik bestimmtes sachfremdes Geschachere kön-en wir uns hier wirklich nicht weiter leisten.
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Grietje BettinBildungspolitische Kompetenz darf nicht einfachbloß als Verhandlungsmasse dienen, wie Sie es, liebeKolleginnen und Kollegen von der Union, mit IhremAusstieg aus der gemeinsamen Bildungsplanung beab-sichtigen. Wir riskieren sonst, uns zulasten der jungenMenschen und der Zukunftsfähigkeit bei allen wichtigenbildungspolitischen Weichenstellungen von der Schulebis zur Weiterbildung selbst zu blockieren. Das kann unddarf kein verantwortungsbewusster Politiker zulassen.Ich appelliere an Sie, die Blockaden endlich aufzugeben.Leider war heute in dieser Debatte wieder kein Zeichendafür erkennbar. Das bedauere ich ausdrücklich.Ich fordere Sie auf, mit der Bundesregierung in denLändern gemeinsam zum Wohle unserer Kinder angrundlegenden, notwendigen Reformen für unser Bil-dungssystem mitzuarbeiten. Ich hoffe, dass Sie in dennachfolgenden Debatten dazu bekehrt werden.Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Marion Seib, CDU/CSU-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Für das Verständnis des Einzelplanes 30 benötigt manvor allem zwei Fähigkeiten: erstens Einbildungskraftund zweitens Forscherdrang. Das ist sehr passend fürden Haushalt der Bundesministerin Frau Bulmahn.Einbildungskraft – das heißt auch Fantasie, was be-kanntlich aus dem Griechischen kommt – braucht man,um den Versprechungen der Bundesregierung auf demGebiet der Bildung und Forschung Glauben schenken zukönnen. Landauf, landab wird verkündet, 3 Prozent desBruttoinlandproduktes sollten in Bildung und Forschunginvestiert werden und in zehn Jahren wollten wir an derSpitze der Bildungsnationen stehen. Aber übrig geblie-ben sind ganz dürre Zahlen.Forscherdrang ist erforderlich, damit man nach allenVerschiebungen im Haushaltsplan versteht, was über-haupt noch wie finanziert wird. So sinken die Ausgabenfür die allgemeine Projektförderung um circa 16 Pro-zent. Gleichzeitig steigen aber die Ausgaben des Minis-teriums ganz erheblich an. Dies allein ist schon eineSignalwirkung, die völlig falsch ist.Werte Frau Ministerin, Sie stellen sich nicht nur derFöderalismusdebatte nicht, mit Ihrem Verhalten und die-sem Haushalt wird eines deutlich: Bildung soll zu einemSchlachtplatz der Föderalismusdebatte werden. Mit Ih-rem Vorgehen versuchen Sie, die Bildungspolitik – dasist die eigentliche Katastrophe – zentralstaatlich einzu-ebnen.Sie haben am Montag verkündet, mit dem Ganztags-schulprogramm werde das größte bundesweite Schul-pshuwBaüdPsvhEstSsEmfeMdbNsBU2wsPsGvhzHtdiBluse
An den Ganztagsschulen hängt nicht das Seelenheiler Republik. Halbtagsschulen in Bayern haben in derISA-Studie besser abgeschnitten als viele Ganztags-chulen in anderen Ländern,
ielleicht auch deshalb, weil der Bund bislang dort nichtineinschwätzen konnte.
s wurde vielfach auf die Bildungsstandards hingewie-en. Mit aller Macht will Frau Bulmahn hier die Kompe-enz der Länder in Sachen Bildungspolitik umgehen.elbst nach der Entscheidung der KMK über Bildungs-tandards verkündete Frau Bulmahn unverdrossen dierstellung eigener Bildungsstandards, wahrscheinlichöglichst minimaler. Ich denke, die Kultusministerkon-erenz ist hier auf dem richtigen Weg. Warten wir dochinmal das Ergebnis im Dezember ab. Sehr geehrte Frauinisterin, bevor Sie also weiter im Länderrevier wil-ern, konzentrieren Sie sich auf Ihre eigentlichen Aufga-enfelder. Da haben Sie verdammt viel zu tun.
Bereits in der nächsten Woche findet die Bologna-achfolgekonferenz zur Schaffung eines europäi-chen Hochschulraumes in Berlin statt. Im Rahmen desologna-Prozesses haben sich die über 30 europäischennterzeichnerstaaten zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr010 einen gesamteuropäischen Hochschulraum zu ver-irklichen. So begrüßenswert dieses Projekt ist, sochwierig ist es sicher. Momentan steht für den Bologna-rozess kein ständiges Büro zur Verfügung. Die Organi-ation der Konferenzen wird immer von den jeweiligenastgebern übernommen. Es fragt sich, ob angesichtson mittlerweile 33 Unterzeichnerstaaten nicht dauer-afte Strukturen erforderlich sind, um den Bologna-Pro-ess zeitgemäß umzusetzen.
ier wäre die Bundesministerin gefragt. Welche Struk-urziele verfolgen Sie? Ein schwieriger Punkt ist auchie Qualitätssicherung der einzelnen Bildungsangebotem Rahmen des Bologna-Prozesses. Unterschiedlicheildungssysteme aus der Türkei, Ungarn oder Deutsch-and gilt es unter einen Hut zu bringen. Sogar Russlandnd die Ukraine haben ihr Interesse an der Mitglied-chaft bekundet.Der Bologna-Prozess steht auch als Synonym fürinen flächendeckenden Umstieg auf Bachelor- und
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Marion SeibMasterabschlüsse. Wenn die Idee von Bologna Bestandhaben soll, muss es baldmöglichst einen Qualitätskon-sens über diese Studiengänge geben. Hierbei sind dieTatkraft und das Engagement der Bundesministerin ge-fragt.
In dieser Woche hat auch die neue WTO-Runde immexikanischen Cancun begonnen, bei der es wieder umGATS – also um die Einbindung von Dienstleistungenin den Welthandel – gehen wird.Für Bildungs- und Kultureinrichtungen können sichaus den geplanten GATS-Vereinbarungen zahlreiche Ge-fahren ergeben. Darauf haben wir in diesem Haus bereitshingewiesen. Zwar werden die Verhandlungen von derEuropäischen Kommission geführt, aber eine kritischeBeobachtung und Berichterstattung – auch und geradedurch die Bundesministerin für Bildung und For-schung – ist dabei dringend erforderlich.
Frau Bundesministerin, auch im Bereich der beruf-lichen Bildung ist Ihr Einsatz dringend gefragt: Die dra-matischen Zahlen bei den fehlenden Ausbildungsstellenzeigen, dass in diesem Bereich Reformbedarf herrscht.Die Ausbildungsplatzabgabe ist jedoch – das müsste Ih-nen auch bekannt sein – ein völlig falsches Mittel. Dasmüssten Sie doch Ihren Kabinettskollegen nahe bringenkönnen. Nutzen Sie die schon lange versprochene Re-form des Berufsbildungsgesetzes, um die Ausbildungs-bereitschaft der Betriebe zu fördern und die Berufsausbil-dung stärker an den innerbetrieblichen Arbeitsprozessenzu orientieren! Denn nur mit Freiwilligkeit und einer ver-nünftigen Steuer- und Wirtschaftspolitik können wir dieKrise im Ausbildungssektor meistern. Verpulvern Sie vorallem nicht Millionen für erfolglose JUMP-Programme!Stecken Sie das Geld lieber in die direkte Förderung be-trieblicher Ausbildungsplätze!
Beschäftigen Sie, sehr geehrter Kollege Schneider, sichvor allem einmal mit unserem Antrag vom 1. Juli 2003,der klar formulierte Forderungen enthält!Lassen Sie mich noch etwas zur Nachhaltigkeit an-merken. Angesichts der Fülle von Projekten, die sichlaut Haushaltsplan per se mit Nachhaltigkeit beschäfti-gen, ist es wünschenswert, dass einmal konkret ange-schobene Projekte weiter gefördert werden.Unter dem Stichwort „Zukunftsinitiative Hochschule“stellte der Bund für das Haushaltsjahr 2003 19 Millio-nen Euro aus den UMTS-Erlösen für eine so genannteVerwertungsoffensive zur Verfügung. Im Haushaltsplan2004 ist aber von einer Verwertungsoffensive nicht mehrdie Rede. Das Patentwesen ist mit mehreren anderenPunkten zusammengefasst und es ist sehr schwer nach-zuvollziehen, wie die Mittel im Haushalt eingeplant wer-den.zdBAedAFWLniBhaüwkddpukBdghzDwK
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!ir werden in der nächsten Woche eine umfassendeehrstellendebatte führen. Ich will mich deshalb jetzticht allzu ausführlich dazu äußern. Aber eines möchtech deutlich machen: Die Art und Weise, wie Frauöhmer und Sie mit den Sorgen junger Menschen umge-en, ist geradezu unglaublich. Ich glaube, das ist nichtkzeptabel.
Bei all Ihren Schuldzuweisungen müssen Sie sichberlegen, wem Sie eigentlich die Schuld zuschiebenollen. Einerseits war die Regierung schuld, die be-anntlich an allem schuld ist, wahrscheinlich auch daran,ass es draußen regnet. Andererseits aber meinen Sie,ie Jugendlichen seien nicht geeignet, die Ausbildungs-lätze auszufüllen. In dieser Form mit den Jugendlichenmzugehen ist meines Erachtens nicht anständig. Ichann Sie nur auffordern, das zurückzunehmen.
Ich weise im Übrigen darauf hin, dass – das hat dasundesverfassungsgericht bestätigt – berufliche Bil-ung in den Betrieben stattzufinden hat. Nicht die Re-ierung oder sonst irgendjemand, sondern die Wirtschaftat die Verpflichtung, Ausbildungsplätze zur Verfügungu stellen.
ie Wirtschaft will diese Aufgabe wahrnehmen und wirollen das duale System. Die Wirtschaft hat – wie es deranzler und unser Fraktionsvorsitzender gestern mit
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Jörg TaussRecht deutlich gemacht haben – die Verpflichtung,10 000 unversorgte Jugendliche endlich mit einem Aus-bildungsplatz zu versorgen. Dann müssen wir uns auchnicht über gesetzliche Maßnahmen unterhalten. So ein-fach, wie Sie es sich machen, ist es nicht.
Herr Kollege Tauss, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Pieper?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Von Frau Pieper habe ich schon lange nichts mehr ge-
hört. Bitte schön.
Herr Tauss, ich wußte, dass Sie sich über meine Zwi-
schenfrage freuen werden.
Wie erklären Sie sich eigentlich, dass die Zahl der
fehlenden Lehrstellen in Deutschland in den letzten Jah-
ren dramatisch gestiegen ist und dass es das Phänomen
gibt, dass die Jugendarbeitslosigkeit – auch in den alten
Bundesländern – dreimal so stark gestiegen ist wie die
gesamte Arbeitslosigkeit in Deutschland? Meinen Sie
nicht, dass hier ein Zusammenhang mit den für die klei-
nen und mittelständischen Unternehmen gestiegenen
Kosten für Arbeitsplätze und Lehrstellen besteht?
Sie haben doch diesen Anstieg mit Ihrer Politik der
Steuererhöhungen und der hohen Sozialabgaben verur-
sacht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Liebe Frau Kollegin Pieper, Ihre Zwischenfrage gibtmir Gelegenheit, einige Missverständnisse auszuräumen,die es – das hat auch die heutige Rede von HerrnBrüderle deutlich gemacht – in Ihrer Fraktion gibt. Ers-tens. Es gab Entlastungen im steuerlichen Bereich. Eswird weitere geben.
Zweitens zu den Ausbildungsplätzen: Ein neuesGutachten beweist, dass Betriebe durchaus von Ausbil-dung profitieren, und zwar nicht nur im Sinne der Nach-wuchssicherung, sondern auch in finanzieller Hinsicht.
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ch betone noch einmal: Die Wirtschaft profitiert vonusbildung, und zwar auch im betrieblichen Alltag.Liebe Frau Pieper, es liegt also nicht an dem, was Siengesprochen haben, sondern daran, dass ein Teil derirtschaft – nur von diesem rede ich – seinen Aufgabenicht nachkommt. Dieser Teil lässt den Tag einen gutenerrn sein und schmarotzt; denn er wartet darauf, dass eriejenigen bekommt, die von anderen ausgebildet wor-en sind. Den Betrieben, die so verfahren, sagen wir inller Deutlichkeit: So geht es nicht! Auch ihr habt eureerpflichtungen zu erfüllen! Darum geht es. Alle, dieusbilden, loben wir dagegen von morgens bis abends.
Liebe Frau Kollegin Böhmer, Sie haben die Ausbil-ungsplätze im öffentlichen Bereich angesprochen. Ichann mich nicht in allen Bereichen auskennen. Aber ichage Ihnen eines – Sie telefonieren wahrscheinlich ge-ade mit einer Lokalzeitung; Sie sollten mir lieber zuhö-en –: Die SPD-Bundestagsfraktion bildet seit zwei Jahr-ehnten aus. In diesem Jahr haben wir 20 Auszubildende.ehmen Sie sich ein Beispiel an dem, was meine Frak-ion leistet. Sorgen auch Sie dafür, dass junge Menschenn diesem Hause einen Ausbildungsplatz bekommen.enn Sie das tun, leisten Sie einen wichtigen Beitrag.
Frau Präsidentin, um mir eine Rüge zu ersparen,erde ich nicht das Wort „Hetze“ gebrauchen, sondernon Ausfällen reden. Frau Böhmer, ich weise Ihre Aus-älle gegen die Ganztagsschule zurück. Aber am meis-en haben mich Ihre Ausfälle gegen die Musikvereineeärgert. Es war über die Maßen unanständig, wie Sieit den Musik- und Kulturvereinen in diesem Land um-egangen sind. Ich fordere Sie deshalb auf, sich nocheute – möglichst in dieser Debatte – dafür zu entschul-igen. Es wäre verdienstvoll, wenn Sie das täten.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5159
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Jörg TaussDenn wir haben nicht zu viel Musikunterricht, sondernzu wenig künstlerischen Unterricht an unseren Schulen.Ich bin für jede Musikerin und jeden Musiker sowie je-den Dirigenten dankbar, der an eine deutsche Schulegeht, um den Kindern Unterricht zu erteilen, selbst dann,wenn er nicht ein Studium von zehn Semestern hintersich gebracht hat; Hauptsache, er beherrscht sein Instru-ment und kann Kindern etwas beibringen.Liebe Frau Böhmer, ich weiß ganz genau, warum Sieso sehr gegen die Ganztagsschulen sind. Sie haben mitdiesem Thema nämlich die Wahl in Rheinland-Pfalzverloren, weil Sie an den Interessen der Eltern vorbei-argumentiert haben. Diese haben uns gewählt, weil siegesehen haben, dass man mit dem überkommenen böh-merschen Bildungsmodell – das haben Sie auch heutewieder skizziert – keine Zukunft gestalten kann, dassdieses Modell den Kindern schadet. Wir hingegen wol-len etwas für die Kinder tun.
Frau Böhmer, darüber habe ich mich erregt und jetzterrege ich mich fast schon wieder. Ich werfe Ihnen alsCDU-Frau nicht vor, dass Sie Zitate und Studien verfäl-schen – das sind wir gewohnt –, aber Ihnen als deutscherProfessorin werfe ich es vor, wenn Sie so etwas tun.
Das schreibe ich Ihnen nun in aller Klarheit ins Stamm-buch.
– Herr Rachel, verhalten Sie sich ein bisschen ruhiger.Wenn Sie wissen wollen, was ich kritisiere, dann stellenSie eine Frage.Frau Schmoll von der „Frankfurter Allgemeinen Zei-tung“, die hier zitiert worden ist, hat einen Artikel ge-schrieben, auf den sich Ihre stellvertretende Fraktions-vorsitzende bezogen hat. Sie hat uns aus diesem Artikelvorgetragen. Ich sage Ihnen jetzt, was ProfessorDr. Eckhard Klieme zu dem gesagt hat, was die „FAZ“geschrieben hat:Frau Schmoll greift einzelne Befunde – zum Bei-spiel 30 Jahre alte Daten zur „Nivellierung“ vonSchülerleistungen – heraus und kommt zu einerKritik an Ganztagsschulen, die durch unsere Studiekeineswegs gedeckt ist.So weit möchte ich aus der Studie vortragen.
Ich kann dazu, dass Sie sich auf die „FAZ“ und nichtauf die Studie beziehen, nur sagen: Das ist einer deut-schen Professorin,
die wissenschaftlich gearbeitet haben will, unwürdig.wgdSts1sIrDSMhl
Jetzt haben wir dieses Problem gelöst und könnenieder auf den Haushalt zu sprechen kommen.
Herr Kollege Tauss, Frau Kollegin Böhmer würde
ern eine Zwischenfrage stellen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Vielleicht entschuldigt Sie sich dann gleich auch bei
en Musikvereinen; das wäre gut.
Sie würde gern eine Zwischenfrage stellen. Lassen
ie diese zu?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich lasse sie selbstverständlich zu.
Bitte schön, Frau Böhmer.
Herr Tauss, ist Ihnen bekannt, dass in der „Frankfur-er Rundschau“ und nicht in der „FAZ“ der Artikel er-chienen ist, auf den ich mich beziehe? Dort wurde am0. September unter der Überschrift „Ganztagsschule isttark und schwach“ geschrieben:Hingegen fällt die elterliche Unterstützung vonKindern aus sozial höher gestellten Familien weg.„Beides zusammen kann eine Nivellierung im Leis-tungsbereich bewirken.“ch frage Sie, ob Sie weitergelesen haben; dort heißt es:So ließen etwa Lehrerbefragungen den Schluss zu,dass integrierte Gesamtschulen „im sozialen Be-reich eher ermutigende, im Leistungsbereich eherkritische“ Ergebnisse erzielten.Das generelle Fazit der Forscher: „Aus empirischerSicht muss die Wirkung ganztägiger Schulorganisa-tion auf die Entwicklung der Schüler als weitge-hend ungeklärt angesehen werden.“Wenn Sie hier behaupten, damit wäre eine Verbesse-ung der Bildung verbunden, dann irren Sie, Herr Tauss.
as wird auch durch Ihre Ausfälle hier nicht besser.
ie haben bewusst das falsch interpretiert, was ich zuusik- und Sportvereinen und zu den Landfrauen gesagtabe. Dazu sage ich Ihnen: Sie arbeiten mit Unterstel-ungen und dieses Verhalten weise ich klar zurück.
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5160 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zunächst einmal bitte ich Sie, mir für die Beantwortung
der Frage freundlicherweise zur Verfügung zu stehen.
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie sich fehlinterpretiert
fühlen, aber ich kann nur noch einmal sagen, dass ich
nur das interpretieren kann, was Sie hier gesagt haben.
Ich glaube, das ist im ganzen Haus gehört worden.
Ich entschuldige mich ausdrücklich bei der „Frank-
furter Allgemeinen Zeitung“.
Die „FAZ“ kam mir so in den Sinn. Ich habe mir in der
Tat gar nichts anderes vorstellen können.
Sie haben völlig Recht, der Artikel ist in der anderen
Frankfurter Zeitung erschienen; das macht ihn aber nicht
besser.
Ich kann noch ein wenig aus der Studie zitieren und
dabei auf Ihre Frage zurückkommen.
Rheinland-Pfalz ist mit 81 neuen Ganztagsschu-
len … gestartet.
– Ich bin noch bei der Beantwortung Ihrer Frage.
Frau Kollegin Böhmer, der Kollege Tauss beantwortet
immer noch Ihre Frage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In Rheinland-Pfalz – das ist das Bundesland, aus dem
Sie kommen – hat die Zahl der angemeldeten Schüler
um ein Drittel zugenommen. Von „keinem Interesse“
kann also nicht die Rede sein.
In der Studie von Klieme steht ausdrücklich – ich
zitiere, dann haben wir die Frage geklärt –:
Es lohnt sich also, Ganztagsschulen gründlich zu
erproben und zu untersuchen. Dazu bietet das neue
Bund-Länder-Programm
– es wurde von der Bundesministerin angestoßen –
eine gute Basis.
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Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich schaue mir das in Dortmund gern einmal an.Ich sage aber überall, wohin ich komme, ausdrück-ich: Es muss selbstverständlich überall ein pädagogi-ches Konzept geben. In Rheinland-Pfalz gibt es – ichabe mir das tatsächlich angeschaut; vielleicht schauen
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5161
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Jörg Tausswir uns einmal gemeinsam Ihren Bereich an – unter-richtsbezogene Ergänzungen, themenbezogene Projekte,Angebote für eine unterstützende Förderung und eineFreizeitgestaltung unter pädagogischer Anleitung.
Das sind die vier Säulen des rheinland-pfälzischen Kon-zepts. Ich wäre froh, wenn sie überall so realisiert wür-den.
Kommen wir zurück zum Haushalt. Bildungs-, For-schungs- und Innovationspolitik haben auch in Zukunfteinen zentralen Platz in der Politik der SPD-geführtenBundesregierung. Bei allen Haushaltsproblemen, die wirhaben: Wir scheuen den Vergleich mit Ihrer 16-jährigenRegierungszeit in diesem Zusammenhang weiß Gottnicht.
Keine Rednerin und kein Redner von Ihnen hat zumThema Vergleichbares gesagt, auch Frau Merkel nicht,wie gewohnt. Für sie ist das ein Randthema. Sie hat sichZeit dafür genommen, um auf die Frage einzugehen, wieeine im Springer-Verlag erscheinende Berliner Zeitungmöglicherweise zu behandeln ist. Das ist aber ein Themafür sich.Der Kanzler hat deutlich gemacht – ich zitiere ihn andieser Stelle gerne –, dass über die Zukunft „bessere Be-treuung unserer Kinder, mehr Investitionen in Bildung,mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung“ ent-scheiden. Der Kanzler hat mit seiner SchlussfolgerungRecht, dass jetzt darüber zu entscheiden ist, ob Deutsch-land in fünf, zehn oder 20 Jahren noch ein Land ist, indem es soziale Gerechtigkeit gibt, und ob der Wissen-schafts- und Forschungsstandort Deutschland – das hatunmittelbar etwas mit dem Wirtschaftsstandort zu tun –in dieser Form fortbesteht. Das sind die Herausforderun-gen, die diese Regierung angenommen hat.
Ich will auf Ihr Gemäkel gerne eingehen. Auch in derletzten Haushaltsberatung haben Sie uns hart kritisiert.Damals haben Sie uns vorgeworfen, keine Anträge vor-gelegt zu haben. Wir, die Ausschussmitglieder, habenbei den letzten Haushaltsberatungen beispielsweise da-für gesorgt, dass die Mittel für die DFG kräftig erhöhtwerden. Diese Leistung haben wir Bildungs- und For-schungspolitiker gemeinsam mit unseren Haushältern er-bracht. Wir lassen uns also auch an diesem Punkt nichtsvorwerfen.Ich werfe natürlich einen freundlichen Blick in Rich-tung Finanzministerium. Staatssekretär Diller lächelt. Erweiß, dass wir darüber oft diskutieren. Er ist in einer be-klagenswerten Situation: Ihre Mehrheit im Bundesratverhindert, dass sein Ministerium das Geld bekommt,das es braucht. Auch die Situation im Bereich Bildungund Forschung wird besser, wenn diese Blockaden auf-hören.2dsltSmiWmehwsgwwtmWdneFdnRsbhSmzIemHswIPuafsPrdJ
Jetzt sage ich Ihnen mal was! 1998, im letzten Jahr Ih-er Regierungsverantwortung, hatten wir 40 000 Stu-ienanfänger in den Naturwissenschaften. Im letztenahr hatten wir 62 000!
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5162 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Jörg TaussVon 40 000 auf 62 000 in den Naturwissenschaften unterdieser technikfeindlichen Regierung, die dieses Land insElend führt!Ich kann es Ihnen auch für den ingenieurwissenschaft-lichen Bereich sagen. Bei den Ingenieurwissenschaftenwaren es zu Ihrer Zeit 47 000 Studienanfängerinnen und-anfänger; übrigens kaum Studienanfängerinnen. Auchdas haben wir gesteigert. Wir haben etwas für die Frauenin dem Bereich getan. Wir haben sie gefördert. Statt47 000 haben wir heute 57 000 Studienanfängerinnenund -anfänger in den Ingenieurwissenschaften. So vielzu dem Elend, das Sie beschrieben haben.
Wenn Sie hier schon so reden, dann möchte ich IhnenFolgendes sagen: Machen Sie in Bayern einmal IhreHausaufgaben bezüglich der Ingenieurwissenschaften!An der Münchner Universität, einer der renommiertes-ten Technischen Universitäten, die wir neben Aachenund Karlsruhe im Land haben, wurde einer der renom-miertesten Lehrstühle im Bereich Maschinenbau nichtwiederbesetzt. Man hat gesagt: Das ist alte Technik; daswollen wir nicht mehr. In München streichen Sie Lehr-stühle in den Ingenieurwissenschaften und uns werfenSie vor, nicht genügend für die Ingenieurwissenschaftenzu tun! Es ist unglaublich, mit welcher Frechheit Sie hierim Deutschen Bundestag Reden halten!
Lieber Herr Fischer, bleiben wir mal in Karlsruhe,der Nachbaruniversität, weil Sie sich sonst noch denganzen Tag aufregen.
Dort hat die Landesregierung die Mittel im Bereich In-genieurwissenschaften um 50 Prozent reduziert. 50 Pro-zent weniger für den Maschinenbau an einer der bestendeutschen Maschinenbauhochschulen mit der ältestenTradition in Deutschland! Landesregierung Baden-Württemberg, schwarz-gelb! Kommen Sie nicht damit,da wären auch wir schuld! Wahrscheinlich meinen Sie,wir hätten in Baden-Württemberg irgendwie den HerrnTeufel verhext oder so etwas. Nein, nein!Das Problem dieser Debatte ist: Sie gehen in dieseDebatte hinein ohne eine Mindestmaß an Seriosität, wasdie Zahlen angeht. Das müssen Sie sich vorwerfen las-sen.
– Was ist mit dem Tauss? Wenn Sie etwas wissen wol-len, dann kommen Sie doch einfach einmal zu mir.Dann hat Frau Merkel viel Zeit gebraucht, um einigeszurechtzurücken. Sie hat gesagt – das ist auch eine ausge-sprochene Unverschämtheit –, wir hätten ein HRG, einHochschulrahmengesetz, gemacht, mit dem wir dieLangzeitstudierenden fördern. Entschuldigung, aber imHRG steht ausdrücklich, dass von Langzeitstudierenden,die ihren Hintern nicht mehr aus der Universität kriegen,Gebühren erhoben werden können. Was ist eigentlich indndLFjlddMarlHmslmKKtsIü
Herr Kollege Tauss, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin, ich danke Ihnen herzlich für diesen
inweis. Damit habe ich jetzt also keine Gelegenheit
ehr, zu BAföG, zu Inno-Regio, zum Pakt für Hoch-
chulen, zur Bedeutung der Wissenschaft in – –
Herr Kollege Tauss, Ihre Redezeit ist wirklich abge-
aufen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Deswegen habe ich das jetzt in einem Satz zusam-
engefasst.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, liebe
olleginnen und Kollegen, Frau Präsidentin.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
laus-Peter Willsch, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Meine sehr verehr-en Damen und Herren! Liebe Kollegen! Herr Tauss, Sieind ja hinlänglich dafür bekannt, dass Sie die Schwächehrer Argumente durch die Lautstärke Ihres Vortrages zubertönen versuchen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5163
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Klaus-Peter WillschHeute hat das nun solche Ausmaße angenommen, dassich wirklich versucht war, die Parlamentsärztin anzuru-fen. Ich dachte nämlich, Ihr Zustand würde kritisch.Was Sie hier ansonsten an Beschimpfungen undSchmähungen gerade auch gegenüber Damen meinerFraktion vorgetragen haben,
lässt mich an Ihrer guten Schule zweifeln. Sie sollten dasUnterrichtsfach für gutes Benehmen, sobald es irgendwogelehrt wird – über die Einführung eines Benimmunter-richts wird ja in einigen Ländern diskutiert –, einige Se-mester belegen. Das kann Ihnen nur gut tun.
Ich möchte jetzt aber zur Haushaltsdebatte zurück-kommen, meine Damen und Herren,
auch wenn das schwer ist. Denn was uns hier vorgelegtworden ist, ist ja eigentlich nicht beratungsfähig. Unsliegen Zahlen vor, die nicht annähernd der Realität ent-sprechen. Das betrifft den ganzen Haushalt wie auch denEinzelplan 30. Noch einmal zur Erinnerung – Herr Dillerist ja da –: Es werden 2 Prozent Wachstum unterstellt;das glaubt aber kein Mensch mehr, nicht einmal mehrdas Finanzministerium – das haben wir jetzt auch vonIhnen selbst gehört, aber auch vorher gab es schon ent-sprechende Verlautbarungen aus dem Ministerium. Ichwürde das als hartnäckige Realitätswahrnehmungsstö-rung bezeichnen, wenn ich es höflich formuliere; wennman etwas härter zulangen wollte, könnte man sagen:bei Rot-Grün wieder nichts als Lug und Trug.
Die Prognosen der Jahre zuvor haben sich alle nichterfüllt, die Wirtschaftsinstitute sehen für das kommendeJahr durch die Bank Wachstumsaussichten in Höhe vonunter 1 Prozent. Sie wissen sehr genau, dass Sie IhrenHaushalt auf völlig unrealistischen Grundlagen planen.Ich könnte als Belege Aussagen von Welteke, der janicht im Verdacht steht, uns nahe zu stehen, die „Frank-furter Rundschau“ oder was auch immer zitieren. Ichfordere die Bundesregierung auf: Stampfen Sie Ihr Mär-chenbuch ein und legen Sie einen auf realistischen An-nahmen basierenden Haushalt vor.
Weil aber die verantwortungslose Politik bei Rot-Grün System hat und uns eine illusionsfreie Lagebewer-tung wahrscheinlich nicht vorgelegt, sondern weiter ver-weigert werden wird,
will ich quasi hilfsweise, um auch dem KollegenSchneider einen Gefallen zu tun, ein wenig auf die Ein-zelheiten des Einzelplans 30 eingehen. Auch hier ma-chen Sie, Frau Minister, das Täuschen und Tarnen mit.SSigaakavndMwsFsDVnKwdFdfKuSz–ZwhawdWwgA
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Tauss?
Nein. Herr Tauss, Sie müssen jetzt einmal zuhörennd meine Gedanken im Zusammenhang aufnehmen.ie müssen versuchen, die Zellen im Kopf ein bisschenu bewegen. Dann verstehen Sie es vielleicht auch.
Herr Tauss, setzen Sie sich hin. Ich möchte jetzt keinewischenfrage von Ihnen.Es wird weiter an der Projektförderung geknabberterden. Es wird durch die mit 145 Millionen Euro zuohe, völlig unrealistisch festgesetzte globale Minder-usgabe massiv in den Haushaltsvollzug eingegriffenerden. Wo sollen die erwirtschaftet werden? Sie wer-en sie erwirtschaften, indem weitere Projekte über dieupper gehen.
Es wird weiter an der Projektförderung geknabberterden, weil auch die Zahl der BAföG-Empfänger stei-en wird und die Ansätze dafür nicht ausreichen werden.uch das wird wiederum zulasten der Projektförderung
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5164 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Klaus-Peter Willschgehen. Ihr Haushalt ist Makulatur, er ist getürkt vonvorne bis hinten.
Jetzt wollen wir uns das Thema BAföG noch einmalansehen. Im letzten Jahr waren Sie erfreut darüber, dassdie BAföG-Reform funktioniert hat und Sie mehr Mittelausgeben können. Dann müssen Sie die Mittel aber auchim Haushalt bereitstellen und nicht, wie in diesem Haus-halt, mit Wunschzahlen operieren. Wahrscheinlich wirddie Zahl der BAföG-Bezieher sogar noch weiter steigen.Wenn nämlich Schüler wegen Ihrer miesen Politik indiesem Land
keinen Ausbildungsplatz bekommen, gehen sie entwedernoch ein Jahr in die Schule und drehen dort eine weitereRunde oder sie studieren. Je nach Einkommenssituationder Eltern bekommen sie dann BAföG. Wenn zusätzlichVater oder Mutter wegen Ihrer miesen Politik keinen Ar-beitsplatz mehr haben, erhöht auch das wieder tendenzi-ell den Anspruch auf BAföG. Das alles werden Sie in Ih-rem Einzelplan zu verkraften haben. Wir wollen malsehen, ob Herr Diller oder Herr Eichel oder wer auch im-mer Ihnen den Plafond erhöht. Ich glaube das nicht. Re-den Sie sich die Situation nicht schön mit Geld, das sienicht haben. Es ist heute schon erkennbar, dass die Mit-tel für Projektförderung so, wie Sie es darstellen, nichtzur Verfügung stehen werden.
Herr Kollege Willsch, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich komme sofort zum Schluss. – Und hören Sie auf,
beim Thema Ausbildung mit dem Finger auf andere zu
zeigen. Unternehmen investieren und stellen Lehrlinge
ein, wenn sie Aussicht auf Gewinn haben, wenn der La-
den brummt. Aber wenn sie nicht wissen, ob sie morgen
ihre Gesellen noch beschäftigen können, fällt es ihnen
eben schwer, neue Auszubildende einzustellen.
Herr Kollege Willsch, Ihre Redezeit ist deutlich abge-
laufen.
Das muss ich noch beenden. – Dafür, dass die Lage
im Land so desperat ist, tragen Sie die Verantwortung
und deshalb müssen Sie weg.
Mein Appell an Sie alle auf der Bank: Machen Sie Platz
für Leute, die es können.
Vielen Dank.
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ir brauchen neue Impulse für diese Branche. Ich binir sicher, dass wir sie gemeinsam geben können.Die Lufthansa hat übrigens – ich will das hier sagen,hne werben zu wollen; was wahr ist, muss gesagt wer-en – im Unterschied zu fast allen anderen großen Air-ines auf betriebsbedingte Kündigungen verzichten kön-en. Das ist eine großartige Leistung des Unternehmens,ber auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
nser Ziel ist es, die Luftverkehrswirtschaft wieder zuinem Jobmotor zu machen.Meine Damen und Herren, Sie aber wollen heute mitecht von mir wissen, wie es um den Einzelplan 12teht, ob und wann die Maut kommt und wie wir derufgabe des Stadtumbaus in Ost und West gerecht wer-en. Auch über die Deutsche Bahn, die Sorgen der deut-chen Binnenschiffer und der Bauwirtschaft oder überen Transrapid sollte ich eigentlich sprechen. Doch ehech das alles ansprechen kann, wird mir die Präsidentinas Wort entziehen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5165
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Bundesminister Dr. h. c. Manfred StolpeDie Sicherung und Verstärkung der Verkehrsinfra-struktur sind nach meiner Überzeugung eine Hauptauf-gabe der Politik. Dies umfasst eine verlässliche langfris-tige Planung, die Befreiung von Wachstumsregionen ausder Staubehinderung, die Unterstützung benachteiligterGebiete durch bessere Erreichbarkeit und die Nutzungder Potenziale aller Verkehrsträger und deren Verkno-tung. Im Bundesverkehrswegeplan wollen wir das ge-meinsam bis zum Jahre 2015 sichern.Das alles braucht das Land. Das ist eine Vorausset-zung für wirtschaftlichen Aufschwung. Dies sichert4,5 Millionen Arbeitsplätze, betrifft also 15 Prozent allerBeschäftigten in Deutschland. Im Übrigen verschafftjede Milliarde, die wir für Investitionen in die Verkehrs-infrastruktur ausgeben, 24 000 Menschen Arbeit. Das al-les braucht Geld, mindestens 11 Milliarden Euro in je-dem Jahr.Bekanntlich muss der Bundeshaushalt die Ausfüh-rung noch einiger anderer wichtiger Aufgaben sicher-stellen. Alle Bundesregierungen der letzten Jahrzehntehaben deshalb über zusätzliche Finanzierungsmöglich-keiten nachgedacht und Schritte in diese Richtung einge-leitet. Auch die Schröder-Regierung stand 1998 vor die-ser Notwendigkeit. Sie beauftragte Wilhelm Pällmannund andere Experten, eine Analyse zu machen und Lö-sungsvorschläge zu erarbeiten. Das Ergebnis war sehreindeutig: Es muss mehr investiert werden, als es derHaushalt hergibt. Eine Nutzergebühr für Schwerlast-transporter auf Autobahnen ist nötig. Diese Einnahmensollen zusätzlich für Verkehrsinvestitionen eingesetztwerden.Aber damals war auch klar, dass die Einführung einerMaut nicht vor 2003 zu erreichen ist. Gleichzeitig wardeutlich: Die Erhöhung der Verkehrsinvestitionen mussfrüher erfolgen. Es ging im Interesse der Wirtschaft undder Mobilität darum, den Zeitraum bis zum Jahre 2003zu überbrücken. Es ist dann aufgrund von Zinsersparnis-sen im Rahmen der Einnahmen aus der Vergabe derUMTS-Lizenzen gelungen, ein befristetes Programm zugestalten: das Zukunftsinvestitionsprogramm, dasdiese Überbrückung von 2001 bis Ende 2003 leistenkonnte.
So konnte die Investitionssumme von 11,5 Milliarden Euroerreicht werden.Ab 2004, wenn diese UMTS-Zinsersparnisse nichtmehr zur Verfügung stehen, werden wir die Einnahmenaus der Maut zusätzlich zu den Haushaltsmitteln denVerkehrsinvestitionen zuführen können.Ich will es rundheraus sagen: Das reicht noch nicht.Wir müssen über das Instrument der Maut private In-vestoren für den Verkehrswegebau gewinnen. Dierechtlichen Möglichkeiten sind jetzt mit dem Mautgesetzund dem Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz gege-ben. Ausbau, Betrieb und Finanzierung bereits bestehen-der Strecken können an Private übertragen werden.cvskBvbbnGzDdSguemaf1aGiuhksdkvMdwsnwzubiZvwmvdpalsA
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5166 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Unsere Partner – Daimler-Chrysler-Services, DeutscheTelekom und Cofiroute, Frankreich – streben als Einfüh-rungstermin den 2. November dieses Jahres an, obwohlnoch viele Fragen zu klären sind. In dieser Stunde, in derwir hier beisammen sind, sitzen Mitarbeiter unseresHauses, des Bundesamtes für Güterverkehr und vomTÜV mit Experten der genannten Firmen zusammen,
um zu prüfen, ob Mitte September eine Probephase star-ten kann.Sie wollen sicher wissen, meine Damen und Herren,was geschieht, wenn der Termin wieder nicht eingehal-ten wird.
Parallel zur Technik verhandeln wir auch über die Fol-gen der Nichteinhaltung des Starttermins 31. August2003, der im Vertrag festgelegt ist. Jeder weiß, dass der31. August schon eine Weile vorbei ist. Es muss alsodarüber gesprochen werden, welche Auswirkungen dieVerzögerung für die vertragliche Regelung hat. Es mussebenfalls darüber gesprochen werden, dass inzwischenklar geworden ist, dass die benötigte Zahl der automati-schen Erfassungsgeräte, der so genannten On-Board-Units, die ursprünglich auf 150 000 veranschlagt war,deutlich höher liegt: Es werden 450 000 Geräte ge-braucht, damit die Erfassung überhaupt in Gang kom-men kann.
Darüber muss klar verhandelt werden. Wir haben bereitseine Checkliste aufgestellt, so genannte Eckpunkte, an-hand derer zu prüfen ist, welche Folgerungen sich darausergeben.sbedwdmrbOszdIGSiVlurdkwePfwfv–zwLcsLbEMbDWth
Wichtig ist mir noch, an dieser Stelle darüber zu in-ormieren, dass wir mit dem Bundesfinanzministeriumereinbaren konnten, dass mögliche Einnahmeverluste ich sagte ja, dass wir darüber noch verhandeln – nichtulasten von Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen gehenerden. Trotz der Verzögerung bei der Einführung derKW-Maut werden wir die jetzt anstehenden dringli-hen Maßnahmen durchführen können. Das ist überein-timmende Auffassung.Nur vorsorglich will ich darauf hinweisen, dass dieKW-Maut kein Grund für deutliche Preiserhöhungenei Endprodukten sein darf.
s kann sich hierbei höchstens um Promille handeln. Dieaut darf nicht als Argument für Preiserhöhungen miss-raucht werden, wie wir das ja beim Euro erlebt haben.ie Maut gibt das nicht her. Wir können das widerlegen.ir können das berechnen. Ich kann Sie nur herzlich bit-en: Werden auch Sie mit tätig, wenn Sie den Eindruckaben, dass die Maut für Preiserhöhungen benutzt wird.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5167
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Bundesminister Dr. h. c. Manfred StolpeDie Menschen sind nicht nur Käufer oder Transpor-teure, sondern sie wollen sich in ihren Dörfern und Städ-ten auch wohl fühlen. Für die Städte fühle ich mich mitverantwortlich. Deshalb möchte ich noch etwas zurStadtentwicklung sagen.Wir werden 2004 für die Förderung des Städtebaus,für das Stadtumbauprogramm Ost und die Fortsetzungdes Programms „Soziale Stadt“ insgesamt 458 MillionenEuro zur Verfügung haben. Wir streben an, die Mittel fürdie Städtebauförderung aufzustocken, insbesondere umdie immer stärker werdenden Probleme in den alten Län-dern in den Griff zu bekommen.Teil unseres Konzepts ist auch der umfassende Um-bau der Wohnungsbauförderung. Einen Teil der bishe-rigen Eigenheimzulage wollen wir zur Erhöhung derStädtebauförderung für die alten Länder und für das Pro-gramm „Soziale Stadt“ verwenden.Zusätzlich soll ein neues Programm „StadtumbauWest“ aufgelegt werden, für das Bundesfinanzhilfen inHöhe von 85,9 Millionen Euro vorgesehen sind. Ich binzuversichtlich, dass es auch in der Städtebauförderunggelingen wird, Haushaltskonsolidierung mit einer Kon-zentration der Investitionen auf besondere Problemsitua-tionen zu verbinden.
Meine Damen und Herren, damit muss es für heutegenug sein. Ich habe meine Redezeit bereits ein bisschenüberschritten. Ich brauche – ich bitte Sie darum – Ihrekritisch-konstruktive Mitarbeit. Dies ist ein Platz, aufdem gelegentlich auch die Polemik zu Hause ist. Das ge-hört dazu. Das belebt in der Nachmittagsstunde auch dasGeschäft. Aber am Ende müssen wir eng zusammenar-beiten. Ich bin bereit, mich diesbezüglich voll und ganzeinzubringen.Ich bin davon überzeugt, dass Verkehr, Bau- undWohnungswesen Aufgabenfelder sind, auf denen wiralle dafür sorgen müssen, dass wir dort vorankommen.Wir brauchen zumindest 11 Milliarden Euro für Ver-kehrsinvestitionen. Helfen Sie da ein bisschen mit!Schönen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Klaus Lippold,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-legen! Herr Minister Stolpe, lassen Sie mich ganz kurzvorweg bilanzieren, was ich aus dieser Woche mit-nehme. Der Bundeskanzler hat Fehler bei der Rente undHerr Eichel hat erhebliche Risiken beim Haushalt einge-räumt. Seine Fraktionskollegen haben ihm dabei assis-tiert und gesagt, seine Annahmen seien unrealistisch.HlAAsPHuGsbdgRksmkwdtenELMrgGwdPrtemlewd2DgakFSg
Pannen, Pannen, Pannen. Das Ganze endet in einerleite. Wenn wir Fehlentwicklungen, die diese Regie-ung zu verantworten hat, nicht mehr analysieren dürf-n, dann hätten wir im Bundestag überhaupt nichtsehr zu diskutieren.Es läuft doch alles schief. Erst wird ein Termin festge-gt. Dann gibt es ein Hin und Her, ob daran festgehaltenerden kann. Bei Ihrem Auftritt mit Vertretern der In-ustrie erlebten wir Ähnliches. Erst sagten Sie, dass der. November als Einführungstermin garantiert wird.ann sagte die Industrie, dass sie diesen Termin nichtarantieren kann. Im Ausschuss sprachen Sie davon,uch Sie hätten den 1. Januar lieber gehabt. Freunde, soann man doch nicht vorgehen! Das ist nicht die straffeührung, die benötigt wird.
Man kann natürlich sagen, das Ganze sei nicht Ihrechuld. Ich gebe zu, Herr Bodewig hat einiges falschemacht. Wir haben damals Herrn Bodewig vor dem
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5168 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Dr. Klaus W. Lippold
überhasteten Vertragsabschluss gewarnt. Aber er wolltedaraus einen Wahlkampfschlager machen. Vor diesemHintergrund war ihm eine weniger solide Arbeit recht.Für ihn war nur entscheidend, den Vertrag noch vor derWahl zu präsentieren. Das war falsch. Wenn damals sau-ber gearbeitet worden wäre, dann hätten wir diese Pro-bleme nicht.
Herr Minister, Sie hätten zu Beginn ein vernünftigesProjektmanagement und ein effizientes Kontrollmanage-ment einrichten können. Aber das haben Sie nicht getan.Sie haben jetzt angekündigt, uns eine Liste vorzulegen,in der die Vorgänge enthalten sind und die aufzeigt, wiewas gelaufen ist. Wir werden diese Liste sorgfältig prü-fen und dann zu einer Bewertung kommen.Was mich gewundert hat: Jeder, der mit der Automo-bilindustrie Verträge abschließt, weiß, dass darin Ver-tragsstrafen enthalten sind. Aber hier wurden, wenn ichdas richtig sehe, für Terminüberschreitungen und fürEinnahmeausfälle weder Konventional- noch Vertrags-strafen vereinbart. Das kann doch nicht sein! Das ist einestümperhafte Arbeit.
Nachdem wir bislang keine Einsicht in die Verträgehatten, wollen wir jetzt wissen, was dort festgelegt ist.Das muss in einer ganz vernünftigen Art und Weise ge-schehen. Es darf nicht sozusagen ein Schweigen imWalde herrschen. Wenn das der Fall ist, müssen wir unsandere Maßnahmen einfallen lassen. Wir könnten denRechnungsprüfungsausschuss oder das Prüfungsamt desBundes einschalten.Das wollen wir aber nicht, weil wir mit Ihnen, HerrStolpe, kooperieren wollen. Dazu müssen wir aber wis-sen, dass die Verträge offen gelegt werden.Im Übrigen muss ich feststellen, dass die Verantwort-lichen bei der Verschiebung des Termins, was für uns an-gesichts mangelnder Vertragsstrafen usw. mit einemweiteren, ganz eminenten Einnahmeausfall verbundenist, für einen weiteren Monat freigestellt werden. Das be-deutet, dass sie für die Schlamperei bei der abgeliefertenArbeit auch noch belohnt werden. Was ist das eigentlichfür ein Prinzip?
Derjenige, der schlampig arbeitet, müsste eigentlich ab-gestraft werden, bei Ihnen jedoch wird er belohnt. Dasswir in der Bundesrepublik Deutschland mit einer solchenPolitik nicht auf die Beine kommen, ist doch ganz klar.So kann es wirklich nicht gehen.Sie haben das Thema Harmonisierung angespro-chen. Herr Minister, die Harmonisierung im BereichVerkehrsgewerbe hat für uns Priorität. Alles anderebringt für das Verkehrsgewerbe nicht den Vorteil, denwir brauchen.
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n diesem Punkt hätten Sie sich durchsetzen müssen.as lassen wir Ihnen so nicht durchgehen.
Ich sage ganz deutlich: Ich hoffe, dass jetzt an Pro-rammen gearbeitet wird für den Fall, dass Sie die Har-onisierung nicht durchsetzen. Ich gehe davon aus, dassie von der CDU/CSU-Fraktion mehr Unterstützung beier Harmonisierung bekommen als von Ihrem Kanzler.enn Sie das aber nicht schaffen, wollen wir ein Aus-leichsprogramm haben. Ich hoffe, dass daran gearbei-
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Dr. Klaus W. Lippold
tet wird und dass später nicht gesagt wird, dass mannoch nicht so weit sei.Meine Fraktion will die Maut nicht zur Frachtverlage-rung von der Straße auf die Schiene missbrauchen. Daskann ich für meine Fraktion ausschließen. Die Schienemuss durch Schnelligkeit, Flexibilität und Leistungüberzeugen, aber nicht dadurch, dass wir andere Ver-kehrsträger belasten. Das ist der völlig falsche Weg. Daskann so nicht gehen. Das werden wir nicht mitmachen.
In diesem Punkt vermisse ich, Herr Minister, dass Siesich, da Sie im Aufsichtsrat des Unternehmens Bahn,auch wenn es unternehmerisch geführt wird, sehr starksind, nachdrücklich darum kümmern, wenn die Bahn In-vestitionen vermindert, wie ich Mitteilungen entnehme.Sie vermindert ihre Investitionen, um Windowdressingfür den nächsten Abschluss zu machen, den sie der Öf-fentlichkeit präsentieren will. Ihr Kanzler hat sich fürmehr Investitionen ausgesprochen. Die Bahn vermindertdie Investitionen, nur um nach außen ihre Bilanz zu ver-bessern. Das kann es doch nun wirklich nicht sein. Wirbrauchen bei der Bahn Investitionen, und zwar Investitio-nen in der Fläche – wo sie sich doch schon aus der Flä-che zurückzieht. Auch da erwarte ich, Herr Minister, inZukunft Ihren Einsatz. Es kann nicht angehen, dass sichdie Bahn aus der Verantwortung für den Verkehr in derFläche entzieht und trotz aller Sprüche, die sie macht,keinen hinreichenden Wettbewerb zulässt. Der Wettbe-werb muss nach wie vor verstärkt werden. Darauf solltenSie etwas stärker den Daumen halten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Siemich einen weiteren Punkt ansprechen. Beim Woh-nungsbau und der Eigenheimzulage erwarten wir keinprozyklisches Verhalten. Es kann nicht angehen, dassjetzt in diesen Bereichen durch Kahlschlag ein Einbrucherfolgt. Wir halten immer noch daran fest, dass dieQuote junger Menschen, die Immobilienbesitzer sind, inder Bundesrepublik relativ niedrig ist. Ich glaube, dassgerade Immobilienbesitz in Anbetracht des Sachver-halts, dass Ihre Rentenpolitik zunehmend in die Sack-gasse gerät, ein ganz wichtiger Faktor ist.
Deshalb soll durch die Änderungen bei der Eigenheim-zulage diese Position nicht beeinträchtigt werden. Daskann es nicht sein, Herr Minister. Wenn wir das damitverbinden, dass der Altstadtbereich etwas stärker einbe-zogen wird, dann kommt mir das unter Umweltschutz-aspekten entgegen. Darüber wird man diskutieren undnachdenken können.Herr Minister, ich erwarte von Ihnen, dass Sie sichstärker als in der Vergangenheit der europäischen Ebenezuwenden. Das gilt zum Beispiel für die Mautfrage, überdddvslasSeärDdtuAtewmKhgSwDnSMsdBnddadgBGgulh
as ist insbesondere zum Schaden der neuen Bundeslän-er. Auch das kann nicht sein. Ihre investive Zurückhal-ng führt dazu, dass die neuen Bundesländer nicht dieusstattung bekommen, die sie brauchen. Vor dem Hin-rgrund der EU-Osterweiterung ist dies noch wesentlichichtiger, als es je der Fall gewesen ist. Das heißt, hieruss ein Stück mehr Vision, muss ein Stück direkterontakt mit Brüssel, muss ein Stück mehr Umsetzunginein, damit wir der Verantwortung, vor der wir stehen,erecht werden.Ich sage es noch einmal, Herr Minister: Wir werdenie dabei nicht blockieren, auch nicht im Bundesrat. Wirerden aber schon sehr deutlich einfordern, dass dieinge laufen. Ansonsten – ich denke, das sehen Sie ge-au so wie ich – kann der 2. November für Sie zu einemchicksalstag werden, wenn die Einführung der LKW-aut dann wiederum in eine ungewisse Zukunft ver-choben wird.Lassen Sie uns daran arbeiten, dass im Sinne der Bun-esrepublik Deutschland, im Sinne der Bürgerinnen undürger unseres Landes eine erneute Verschiebung nichtotwendig ist und dass die Infrastrukturinvestitionen fürie Arbeitsplätze und für den Aufschwung getätigt wer-en. Wir werden Ihnen dabei die Hand reichen, werdenber auch dafür sorgen, dass, wenn Sie das nicht leisten,ie entsprechende Kritik hier im Deutschen Bundestageäußert wird.Herzlichen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Albert Schmidt,ündnis 90/Die Grünen.Albert Schmidt (BÜNDNIS 90/DIERÜNEN):Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-en! Es gibt in der Verkehrspolitik Autos, LKWs, Zügend Flieger – und es gibt Überflieger in der Verkehrspo-itik. Der Überflieger in der deutschen Verkehrspolitikeißt Klaus Lippold.
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Albert Schmidt
Es fällt mir unheimlich schwer, auf Ihre Ausführungeneinzugehen; denn Überflieger sehen die Dinge immervon ganz weit oben und erkennen gar nicht, um was eswirklich geht. Ich spare mir das also einfach. Ich möchteIhnen einfach nur empfehlen, Herr Kollege: KommenSie doch einmal in den Verkehrsausschuss und machenSie sich einfach einmal kundig. Es kostet nichts, wir ha-ben noch Platz und Sie verstünden dann das, was Siehier sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die eigentlicheHerausforderung für den Verkehrshaushalt 2004, den wirheute in erster Lesung beraten, besteht darin, das Re-kordniveau an Investitionen in die Verkehrsinfrastruk-tur, das unter Rot-Grün erreicht worden ist, zu haltenund fortzuschreiben, obwohl das Sonderinvestitionspro-gramm – das so genannte Zukunftsinvestitionsprogramm –,das aus UMTS-Zinsen gespeist wird, plangemäß zumEnde dieses Jahres ausläuft. Da geht es um richtig vielGeld. Mit dem Ende des ZIP entfallen allein für den Ver-kehrsträger Schiene 875 Millionen Euro an Investitio-nen. Für die Straße sind es immerhin rund 450 Millio-nen Euro. Dies auszugleichen wäre ohne die Einnahmenaus der LKW-Maut nicht möglich.
Dennoch, für beide Verkehrsträger zusammen wirdim Haushalt 2004 das Investitionsvolumen nicht nur ge-halten, sondern sogar von derzeit 9,3 auf dann 9,8 Mil-liarden Euro gesteigert. Das funktioniert aber nur mit derLKW-Maut. Deshalb ist es in der Tat in höchstem Maßeärgerlich, dass sich das reale Volumen der Investitionennoch in diesem Jahr – allein im September und Okto-ber – faktisch um über 300 Millionen Euro reduziert,weil das Betreiberkonsortium für die LKW-Maut nichtin der Lage ist, die vertraglich zugesagten Fristen für dieBereitstellung des Inkassosystems auch wirklich einzu-halten.
Herr Kollege Lippold, ich verstehe jeden, den das auf diePalme bringt.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition,die Selbstgerechtigkeit, die ich dabei manchmal heraus-höre, verstehe ich allerdings nicht.
Ich kann mich noch ganz gut daran erinnern: Der letzteVerkehrsminister der Union – Matthias Wissmann heißter – hat jahrelang von der Einführung einer LKW-Mautgeträumt.
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Lieber Herr Kollege, bei manchen von Ihnen habe icheute das Gefühl, dass bei der Kritik ein Stück Schaden-reude mitklingt, weil Sie die LKW-Maut in Wahrheitar nicht mit Nachdruck wollen und Sie froh sind, dasss aus technischen Gründen noch eine Zeit lang dauernird.
Es war dieser Minister,
er es entgegen der erklärten Fundamentalopposition derommissarin durch eine, so finde ich, beharrliche undonsequente Strategie gegenüber der EU in Brüsselurchgesetzt hat, dass die Vorbehalte aufgegeben wur-en, sodass wir die LKW-Maut einführen können.Sie von der Opposition haben es uns im Mai diesesahres – ich selbst war bei den Verhandlungen dabei –it Ihrer Bundesratsmehrheit aufgenötigt, dem deut-chen Gewerbe zu versprechen, die so genannte Maut-rmäßigung von 300 auf 600 Millionen Euro aufzusto-ken. Als Wink mit dem Zaunpfahl an die Kommissarinurde das dann aufgeschrieben, damit auch der Letzteegreift, dass es möglicherweise eine unzulässige Bei-ilfe ist. Dieselben Herrschaften vergießen jetzt Kroko-ilstränen, weil genau dieser Punkt Schwierigkeitenacht.
Sie von der Opposition tun heute so, als hätten Sieon Anfang an gewusst, dass die beiden führenden deut-chen Technologiekonzerne, nämlich Telekom undaimler-Chrysler, nicht in der Lage sein würden, einolches Projekt auf die Beine zu stellen, sodass man ge-au diese Unfähigkeit von vornherein zur Grundlage al-r Planungen hätte machen müssen. Sollen wir jetzt ei-en Minister dafür tadeln, dass On-Board-Units ohnepannungsregler ausgeliefert werden? Ist der Ministeraran schuld, meine Herrschaften? Lassen wir die Ver-ntwortlichkeiten doch einmal da, wo sie wirklich lie-en.
Wie Sie vielleicht wissen, haben wir die Geräte nichtusgesucht, sondern wir haben eine europaweite Aus-chreibung durchgeführt; dies geschah in einem nach-ollziehbaren Verfahren.
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Albert Schmidt
Sie erleben hier nicht nur die granatenmäßige Bla-mage eines Konsortiums großer Konzerne, die sich alsMarktführer verstehen. Diese vergeigen damit Ex-portchancen von morgen. Das ist ärgerlich und für denBund unerträglich; denn es kann nicht hingenommenwerden, dass die Konzerne vertraglich Versprechungenmachen und diese dann – womöglich wiederholt – nichteinhalten können, sodass der Bund das Nachsehen hat.
– Der Kollege Kalb nickt sogar. – Wissen Sie, wem dieRechnung am Ende präsentiert wird? Den Steuerzahle-rinnen und Steuerzahlern wird sie vorgelegt, weil dieMindereinnahmen natürlich zulasten der Bundeskassegehen. Mit allem Ernst: Hier muss die Haftungsfragegestellt und beantwortet werden.
– Kollege Fischer, Sie brauchen sich gar nicht aufzure-gen. Ich habe immer die Wahrheit und das, was ichdenke, gesagt. Im Vergleich zu anderen kann ich damitsehr zufrieden sein.
Diese Frage muss, wie gesagt, mit allem Ernst gestelltwerden. Vertrag hin oder her: Wenn die Leistungen nichtfristgerecht, nämlich überhaupt nicht, geliefert werden,dann greift – so viel verstehe ich mit meinem juristi-schen Hausverstand – das Bürgerliche Gesetzbuch, indem für diesen Fall die volle Schadensersatzpflicht vor-gesehen ist.Herr Minister, ich fordere Sie auf, die Schadenser-satzpflicht in den anstehenden Verhandlungen im Be-darfsfalle auch gegenüber den Konsorten mit allemNachdruck deutlich zu machen. Dieses Thema gehörtauf den Tisch;
denn es kann nicht sein, dass die Industrie versagt unddie Steuerzahler am Ende die Angeschmierten sind.
Lassen Sie mich zum Schluss noch wenigstens einigeSätze zur Bahn sagen. Wir erleben seit Wochen eine Ge-spensterdebatte über einen bevorstehenden Börsengangder Bahn. Es ist wie Weihnachten: Der Weihnachtsmannkommt auf jeden Fall. Die Frage ist nur, wann. Kommter vielleicht erst ein Jahr später oder doch überhauptnicht?Ich will Ihnen eines in aller Deutlichkeit sagen: Es istnicht Aufgabe des obersten Angestellten der DeutschenBahn AG, dem Eigentümer und denjenigen, die den Ei-gentümer vertreten – das sind unter anderem wir –, Zeit-ptgnhUstinkdank–düdwBzsfrdFKlrdealLmbAlF
Hier findet eine Rollenverwechslung statt. Die Auf-abe, darüber zu entscheiden, liegt beim Eigentümer undicht beim Chiefmanager. Daran sollte man sich endlichalten.
nsere Aufgabe ist es, die Voraussetzungen dafür zuchaffen und die Investitionen dauerhaft zu gewährleis-en. Das tun wir wieder mit 4 Milliarden Euro, die wir diesem Haushaltsplan 2004 veranschlagen. Hinzuommt 1 Milliarde Euro aus anderen Haushaltstöpfen,ie auch bei der Schiene landen. Es geht hier meines Er-chtens nur um die Kapitalmarktfähigkeit, nicht um ei-en Börsengang. Würden Sie derzeit eine DB-Aktieaufen, Herr Kalb?
Sehen Sie, ich auch nicht. – Ich hoffe dringend, dass inieser Frage endlich Realismus und eine klare Einsichtber die Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse,ie dort hingehören, wo sie sind, einkehren.Ich freue mich, wenn sich die Bahn um das kümmert,as ihr Job ist, nämlich mithilfe der wieder eingeführtenahncard 50 und der CitiTickets die vergraulten Kundenurückzuholen. Die Nachricht von den CitiTickets – sieind eine große Errungenschaft – gibt es seit gestern. Er-reulicherweise bleibt auch der Speisewagen. Das ist derichtige Weg für Innovation. Dafür sind wir gerne zu je-er Unterstützung bereit.Ich danke Ihnen.
Nächster Redner ist der Kollege Horst Friedrich,
DP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Minister! Eigentlich wollte ich dem Kol-egen Schmidt heute ein bisschen Ruhe gönnen, da er ge-ade erst von einer Krankheit genesen ist. Aber nachem jetzigen Vortrag kann ich es ihm nicht ersparen, ihmin paar Antworten zu geben.Herr Minister, ich will allerdings mit einem Gedankennfangen, den Sie richtigerweise gebracht haben, näm-ich mit den Auswirkungen des 11. September auf dieuftfahrt. Völlig zu Recht hat die Bundesregierung da-als erklärt: Die Lufthansa muss im Hinblick auf die Ge-ühren so gestellt werden, dass sie keine Nachteile hat.llerdings muss dann beachtet werden, dass in Deutsch-and an der Luftfahrt nicht nur die Lufthansa und andereluggesellschaften, sondern auch die Flugsicherung
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Horst Friedrich
beteiligt ist. Eine Flugsicherung, die bestimmte gesetzli-che Vorgaben und eine entsprechende Kapitalausstattungerhält und der dann, wenn ihr Vollkostendeckung vorge-schrieben wird, politisch untersagt wird, genau dieseVollkostendeckung umzusetzen, muss dann ebenfalls dieentsprechende Rückendeckung des Ministers und derRegierung erhalten. Da sehe ich bisher noch Defizite. Siewissen, ich bin gerne bereit, über dieses Thema zu disku-tieren, aber dann bitte richtig und mit allen am Flugver-kehr Beteiligten. Das ist der erste Punkt.Der zweite Punkt. Sehr verehrter Herr Minister, Siehaben heute hinsichtlich der Maut und dem Glauben andie Zusagen wie die Gebrüder Grimm angefangen. Umin der Diktion weiterzufahren, könnte man sagen: Es wareinmal ein wunderschönes Märchen, ein Mautkompro-miss von Bundestag und Bundesrat,
in dem es hieß, dass die Einnahmen aus der geplantenLKW-Maut dem Verkehrshaushalt zusätzlich zugeführtund in vollem Umfang zweckgebunden für die Verbesse-rung der Verkehrsinfrastruktur verwendet werden sollen.
– Überwiegend für den Straßenbau. Das kommt nochhinzu. Richtig, Herr Kollege Kalb.Diese frohe Kunde hat zunächst dafür gesorgt, dassdas ganze Land begeistert jubelte. Doch mitten in diesenJubel hinein trat der Finanzminister Hans der Glücklose.Er begann, in diesem Jubel zu zaubern. Er zauberte dieEinnahmen aus der LKW-Maut aus seinem neuen Haus-halt und seinem neuen Finanzplan so gründlich weg,dass hinterher für Verkehrsinvestitionen sogar noch we-niger Geld als vorher in seinen alten Finanzplänen zurVerfügung stand.
So viel zum Märchen.
Jetzt fragen Sie, Herr Minister: Wer trägt denn dafürdie Verantwortung, dass das alles nicht funktioniert?
– Ach, Herr Kollege Schmidt, Ihre Zwischenrufe sindauch nicht besser geworden.
Sie waren genauso wie ich bei den Mautverhandlungendabei. Genau die von mir genannten Vereinbarungen ha-ben wir in den Text aufgenommen. Der Unterschied zwi-sgtudsIsnndMsfMkKKtwesgkDdkmwtBdsKwDKhbS
Kommen wir wieder zur Verantwortung des Minis-ers. Er ist der Ansicht, dass er den ersten Vertrag nichtnterschrieben hat. Das ist richtig. Wenn er allerdingsen Vertrag übernimmt – wenigstens dazu steht er –,ollte man erwarten, dass er auch die Bedingungen liest.n dem Vertrag steht unter anderem, dass ab 16. Juni die-es Jahres ein zweimonatiger Probebetrieb hätte begin-en sollen. Er hat aber nicht stattgefunden. Er konnteicht stattfinden, weil all die anderen Bedingungen, dieafür notwendig sind, noch nicht erfüllt waren.
Im Juli sagt dieser Minister noch immer, dass dieaut am 31. August eingeführt wird, und das wider bes-eres Wissen, weil er bereits Ende Juni vom Bundesamtür Güterverkehr schriftlich informiert wurde, das dieaut nie und nimmer zum 31. August eingeführt werdenann.Der Minister schreibt in seiner Antwort auf eineleine Anfrage von uns, zum 31. August seien vomonsortium 150 000 so genannte On-Board-Units ver-raglich fest zugesichert worden. Hervorragend! Aberie kommen Sie, Herr Minister, zu der Annahme, dasss am 2. November mehr als die jetzt eingebauten seinollen und dass am 2. November überhaupt 150 000 ein-ebaut sein werden? Nach dem heutigen Stand sindnapp 80 000 eingebaut.
avon funktioniert, wenn man gutwillig ist, bestenfallsie Hälfte. Das ist eine sehr optimistische Annahme. Ichenne Fälle aus der Praxis, wonach es noch viel schlim-er aussieht. Da sind Ausfallraten von 80, 90 und teil-eise fast 100 Prozent zu verzeichnen. Das ist die Situa-ion!Gleichzeitig sagt das Konsortium aber: Wenn die On-oard-Units zu dem genannten Zeitpunkt nicht vorhan-en sind, sorgen wir dafür, dass die Terminals installiertind. Fehlanzeige, kann ich nur sagen. Keine Zusage desonsortiums über eine bestimmte Zahl ist eingehaltenorden.
eswegen ist ein „Exportschlager“ zu einem Schlag insontor geworden, bevor er überhaupt in den Export ge-en konnte. Dann aber noch immer blauäugig zu glau-en – das ist die politische Verantwortung, Herr Kollegechmidt –,
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Horst Friedrich
es würde irgendwann eine Zusage eingehalten, ist nichthinnehmbar. Man glaubt, man könne dem Konsortiumund der deutschen Industrie – das sind ja nicht irgend-welche Unternehmen, sondern dazu gehören Daimler-Chrysler und die Deutsche Telekom – nicht öffentlichsagen, dass sie das nicht hinbekommen. Dabei geht es imÜbrigen auch um Aktienkurse und Aktienpflege. EinSchelm, wer Böses dabei denkt.Die Unternehmen können sich selbstverständlich al-leine blamieren. Das wird sich in den Aktienkursen nie-derschlagen. Das Problem ist aber, dass wir politisch vondieser Zusage abhängig sind. Sie haben es aufgezeigt.
Am Jahresende werden die UMTS-Mittel wegfallen.Kein Mensch in diesem Haus glaubt hoffentlich, dassdiese Mittel aus einem anderen Topf ersetzt werden kön-nen, wenn man sich die Haushaltszahlen insgesamt an-sieht. Man geht schon von einer Neuverschuldung von30,8 Milliarden Euro aus. Das ist deutlich mehr als dieInvestitionssumme. Und diese Zahl spiegelt noch Ihrepositive Sicht der Dinge wider. Am Jahresende wird dieVerschuldung noch höher sein.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage, wiedie Verschiebung der Maut finanzpolitisch zu bewertenist, ist bezeichnend. Es heißt, dass die Bundesregierungdurch die Verschiebung für den Bundeshaushalt 2003Einnahmeausfälle in Höhe von 163 Millionen Euro proMonat erwarte. Wenn das am 2. November nicht funk-tioniert, dann beläuft sich am Jahresende die Summe dergeplanten Einnahmen, die aber nicht erzielt wurden, aufrund 700 Millionen Euro.Dazu heißt es ganz lapidar:Dieser Einnahmeausfall wird durch Minderausga-ben in den Jahren 2003 bis 2005 im Einzelplan 12erwirtschaftet. Es ist nicht geplant, Infrastruktur-vorhaben zu verschieben, Mittel aus dem Schienen-bereich in den Straßenbereich umzuschichten oderdie Kreditaufnahme zu erhöhen.So viel Blauäugigkeit, Herr Minister, ist schon faststrafbar.
Das kann doch nicht die Realität sein. Sie können dochnicht glauben, dass das in irgendeiner Form auf dieReihe zu bringen ist, es sei denn, Sie glauben tatsächlichdaran, dass die von Ihnen gesetzte Prämisse für den Bun-desverkehrswegeplan, dass die Bahn bis 2015 eine Stei-gerung im Güterverkehr um 100 Prozent erzielenkönnte, eintritt. Das reicht erkennbar nicht aus, aber dasscheint der einzige Strohhalm zu sein, an dem Sie sichfesthalten. Sie glauben, dass ein Verkehrsträger, der be-reits jetzt im Verhältnis zur Verkehrsleistung zehnmalhöher gefördert wird als der Straßenverkehr, die LösungdsbkbSDedBAkMadr2IsocbüKeSudKnGDBfZIMwewPSrK
Ich will mit einem Zitat von Ihnen schließen. Sie ha-en am Montag im Ausschuss gesagt, Sie seien gegen-ber bestimmten Argumenten argwöhnisch wie eine alteatze. Ich hoffe nur, dass Sie auch so viel Erfahrung wieine alte Katze haben und erkennen, wann die Industrieie im Zusammenhang mit der Maut auf den Arm nimmtnd wann Ihnen Herr Mehdorn als Vorstandsvorsitzen-er der Deutschen Bahn hinsichtlich seiner Börsen- oderapitalmarktfähigkeit Schalmeienklänge vorspielt, de-en seine Leistungen erkennbar nicht gerecht werden.anz zu schweigen davon – das wird eine interessanteiskussion –, dass in der mittelfristigen Planung derahn jährlich 5 Milliarden Euro für verlorene Zuschüsseür den Investitionsausbau eingesetzt worden sind. Dieseahl ist durch Ihren Haushalt erkennbar nicht gedeckt.ch frage mich in diesem Zusammenhang, wer dieseittel zugesagt hat und wie Sie die Differenz erklärenollen.Den aktuellen Zahlen Ihres Haushalts kann man nurntnehmen: Dieser Haushalt ist nicht zustimmungsfähig,eil er kein einziges Problem löst, aber jede Menge neuerobleme schafft.Danke sehr.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Annette Faße von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Den Herren von CDU/CSU und FDP rate ich, dieirche im Dorf zu lassen. Die LKW-Maut wirft im
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Annette FaßeEinzelplan 12 zwar Schwierigkeiten auf, aber es liegtkeine haushaltspolitische Katastrophe vor.
Vielmehr handelt es sich eindeutig um eine industriepo-litische Blamage erster Ordnung.
Ich habe zwar ein bisschen Verständnis dafür, dass esfür Opposition und Presse ein gefundenes Fressen ist,jede nicht funktionierende On Board Unit aufzugreifenund dem Minister die Schuld zu geben, wenn wieder et-was nicht geklappt hat, aber ich möchte Sie dennoch bit-ten, sich zunächst einmal auf die Fakten des Einzel-plans 12 zu besinnen und die Verantwortung für dieMautmisere dort zu belassen, wo sie hingehört, nämlichbei der Industrie.
Zunächst zu den Fakten: Der Einzelplan 12 ist besser,als er hier dargestellt wird.
Mit knapp 26,5 Milliarden Euro ist er der drittgrößteEinzeletat. In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeitenist es wichtig zu betonen, dass dieser Einzelplan der mitAbstand größte Investitionshaushalt des Bundes ist. In-vestitionen im Verkehrs- und Baubereich machen mehrals die Hälfte der gesamten Investitionsausgaben aus. Je-der weiß, welche Bedeutung die Verkehrsinvestitionenfür den Standort Deutschland haben. 11,5 MilliardenEuro stehen dafür zur Verfügung. Ich möchte daran erin-nern, dass es 1998 nur 9,5 Milliarden Euro waren. Dasmachte 25 Prozent der Gesamtinvestitionen aus. Heutesind wir bei einer Quote von 50 Prozent. Nicht vergessenwerden darf, dass wir die niedrigeren Zahlen von Ihnenübernommen und daran gearbeitet haben, sie zu erhöhen.Wir werden im kommenden Jahr über einen neuenBundesverkehrswegeplan und Ausbaugesetze fürStraße und Schiene zu beschließen haben. Uns liegt einglänzender Entwurf vor, der die Handschrift des Parla-mentarischen Staatssekretärs Großmann trägt. Hut abvor dieser schwierigen Arbeit und Dank an AchimGroßmann!
Ich möchte nicht versäumen, Ihnen kundzutun, dassder Verkehrsausschuss des Bundesrates nicht eine Ände-rung mit Mehrheit beschlossen hat. Es muss also ein her-vorragender Entwurf sein.
Jeder weiß um die Bedeutung eines jeden Projekts inseinem Wahlkreis und die Menschen vor Ort warten da-rauf, dass wir hier zukunftsweisende Entscheidungenfällen. Mit dem Haushalt 2004 und der mittelfristigen Fi-nITSdumnlIewEswamlvsWssslp–vEvfregugtSut
Ein Ziel der rot-grünen Koalition ist erreicht, nämlichas Ziel, Investitionsmittel in gleicher Höhe für Schienend Straße einzustellen. Die Investitionsmittel im Rah-en des GVFG und des Regionalisierungsgesetzes kön-en in diesem Zusammenhang durchaus addiert werden.Es war klar, dass die heutige Diskussion hauptsäch-ich von der Debatte über die LKW-Maut geprägt wird.ch sage dazu ganz deutlich: Die Industrie hat seit überinem Jahr die Regierung und auch uns in Sicherheit ge-ogen.
s kamen aber immer mehr Proteste aus den Wahlkrei-en. Die Speditionen haben uns schließlich darauf hinge-iesen, dass sie den geplanten Start des Mautsystemsm 31. August nicht für möglich halten. Ich erinnereich noch gut daran, dass uns die Vertreter von Toll Col-ect in der Ausschusssitzung vom 7. Mai das Gegenteilersichert haben. Wir, aber auch Sie haben diese Aus-age von Toll Collect ernst genommen.
ir hätten vielleicht an dem einen oder anderen Punkttutzig werden können, als die Sprache auf die techni-chen Voraussetzungen kam. Aber unser Vertrauen – dasage ich ganz bewusst – in unsere Weltkonzerne Daim-er-Chrysler und Telekom war damals noch nicht so ram-oniert wie heute.
Lieber Herr Kalb, auch die Opposition hat sich ähnlicherhalten.Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik undntsorgung hat gesagt, auch die CDU/CSU habe sichon der Industrie blenden lassen. Auch Sie haben in öf-entlichen Erklärungen an der pünktlichen Mauteinfüh-ung festgehalten. Deswegen kann ich es überhaupt nichtrnst nehmen, wenn Sie heute so tun, als ob Sie schlauerewesen wären.Ich finde es richtig, dass nach den Meldungen, diens, aber auch das Ministerium zum Handeln gezwun-en haben, die Reißleine gezogen worden ist. Es ist rich-ig gewesen, den ursprünglich am 31. August geplantentart zu verschieben. Um es aber noch einmal ganz klarnd deutlich zu sagen: Es war die Industrie, die uns ge-äuscht hat, nicht der Minister.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5175
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Annette FaßeWir werden im Laufe der Haushaltsberatungen zu über-prüfen haben, welche Auswirkungen die Verschiebungder Mauteinführung haben wird. Wir wissen, dass sichdie Einnahmeausfälle in diesem Jahr auf schätzungs-weise 380 Millionen Euro summieren werden. Wir, dieKoalitionsfraktionen, bestehen trotzdem darauf, dass dieProjekte aus dem Anti-Stau-Programm ungeschmälertrealisiert werden. Es wird nicht einfach sein, das durchdie Einnahmeausfälle verursachte Minus, wie vereinbart,über drei Jahre auszugleichen.
Meine Herren Vorredner, es ist schon ein starkesStück, dass Sie davon ausgegangen sind, dass die Rege-lungen betreffend die UMTS-Mittel weiter laufen wür-den. Sie haben sich offensichtlich nicht informiert undnicht zur Kenntnis genommen, dass damit 2003 Schlusssein wird. Es ist daher unglaublich, wenn Sie heute be-haupten, es sei vereinbart worden, die fehlenden Mitteldurch eine höhere Maut auszugleichen. Davon war niedie Rede. Sie werden mir nicht das Gegenteil beweisenkönnen. Hier ist auch die Glaubwürdigkeit der Opposi-tion gefragt.Lassen Sie mich noch einige Ausführungen zum Har-monisierungsbeitrag des deutschen Transportgewerbesmachen. Wir wollten von Anfang an einen Mautsatz von15 Cent pro Kilometer. Aus den Mauteinnahmen wolltenwir das gesamte Harmonisierungspaket im Umfang vonzunächst 300 Millionen Euro – später 600 MillionenEuro – finanzieren. Im Bundesrat haben Sie dafür ge-sorgt, dass es nun eine andere Regelung gibt. Der an-fängliche Mautsatz liegt nun bei 12,4 Cent pro Kilome-ter und wird – je nachdem welche Fortschritte dieHarmonisierung macht – auf 15 Cent angehoben. Jedeeinzelne Maßnahme ist aber abhängig von dem Votumder EU. Ich sage deshalb ganz deutlich: Sie glaubendoch wohl nicht, dass wir automatisch eine Erhöhungder Maut auf 15 Cent auf der EU-Ebene durchsetzenkönnen, wenn wir in Deutschland die LKW-Kfz-Steuerauf das europäische Minimum senken.Man kann diese Entwicklung heute betrauern. Aberdas allein reicht nicht aus. Frau de Palacio ist Ihre Partei-freundin, meine Damen und Herren.
Also reden Sie mit ihr, gehen Sie in die Offensive undnutzen Sie Ihre Kontakte innerhalb der Partei, damit sieuns nicht weiter Steine in den Weg legt.
Wir verfolgen mit der Einführung der Maut ein europäi-sches Ziel und Deutschland soll weiter eine Vorreiter-rolle spielen.Wir werden uns im Ausschuss auch noch darüber zuunterhalten haben, wie wir mit weiteren Themen umge-hen. Ich führe das jetzt nur noch schlagwortartig aus.WdImdenIflOHcgsEndDtztDSihb
ch freue mich, dass wir das Versprechen beim mariti-en Bündnis gehalten und ein eindeutiges Zeichen fürie Seeschifffahrt in Deutschland gesetzt haben.Meine Damen und Herren, Sie unterstellen heuteinen Vertragsinhalt, den wir alle im Detail nicht ken-en, Sie nicht und wir nicht.
ch halte es auch nach der Diskussion von heute Morgenür sehr gut, dass der Minister angeboten hat, eine Offen-egung im gesetzlich möglichen Rahmen für uns und diepposition zu ermöglichen. Das ist der richtige Weg.ier gibt es nichts zu verdecken und nichts zu verste-ken.Es gibt keinen regulierungsfreien Zeitraum und eseht eindeutig um Vertragsstrafen und um Schadenser-atz.
in Tohuwabohu hat es weder auf den Straßen gegeben,och gibt es das im Ministerium.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Kollege Eduard Oswald von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!er Optimismus, den die rot-grüne Koalition zu verbrei-en versucht, steht im Gegensatz
u den Sorgen, die die Menschen in unserem Land um-reiben.
ie katastrophale Lage in der Bauwirtschaft, diechwierigkeiten im Wohnungswesen und die Problemen nahezu allen Verkehrsbereichen machen deutlich, wo-in uns fünf Jahre Rot-Grün in Deutschland gebracht ha-en.
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5176 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Eduard OswaldIhr Arbeitsmotto lautet: Statt gestalten allenfalls ver-walten.
Gestalten wollten Sie bei der LKW-Maut, sie sollte Ihregroße Erfolgsstory werden. Zwei Tage vor der Bundes-tagswahl wurde noch schnell der Vertrag unterschrieben:erst hopp, hopp!, jetzt flopp, flopp!
Das, was Sie hier darstellen, mag allenfalls zu Ihrerinneren Beruhigung beitragen, aber es löst die drängen-den Probleme in Deutschland nicht. Die SchwachpunkteIhrer Politik im Bau- und Wohnungswesen und im Ver-kehrsbereich sind unübersehbar. Abermals ist die Inves-titionsquote im Bundeshaushalt insgesamt weiter abge-rutscht.
1998 waren es noch 12,5 Prozent, jetzt liegt sie unter10 Prozent.
Die Bauindustrie befindet sich in ihrer schwerstenKrise. Die Anzahl der Insolvenzen nimmt zu, mit derFolge weiter steigender Arbeitslosigkeit. Die deutscheBauindustrie sieht die deutsche Bauwirtschaft imschwärzesten Jahr der Nachkriegsgeschichte.
Der Wohnungsbau bricht als tragende Säule derBauwirtschaft weg. Schuld daran sind die Investitions-hemmnisse, die vor allem den Mietwohnungsbau zumErliegen bringen. Die Angebotsverknappung in weitenTeilen unseres Landes führt zu steigenden Mietkosten;Leidtragende sind die Familien mit Kindern, die preis-werten Wohnraum brauchen, ihn aber immer wenigerbekommen.
– Wer solche Zwischenrufe macht, kennt sich inDeutschland nicht aus.
Mit dem Verwirrspiel um die Wohnungsbauprämieund die Eigenheimzulage verunsichern Sie die Immobi-lienbranche und die Bauwilligen. Wer die Eigenheimzu-lage infrage stellt, verschärft den negativen Trend in derBaubranche und gefährdet Arbeitsplätze.
Nicht nur der Wohnungsbau, sondern auch der Neu-nd Ausbau der Bundesverkehrswege geraten durch Ihreolitik immer mehr ins Stocken. Die Einnahmen aus derKW-Maut – dazu ist heute schon viel gesagt worden –,ie für die Verkehrsinfrastruktur zusätzlich zur Verfü-ung gestellt werden sollten, haben Sie im Haushalt re-elrecht untergegraben. 2004 – wir gehen davon aus,ass die Mauterhebung dann wirklich beginnt – wird mitauteinnahmen in Höhe von 2,8 Milliarden Euro ge-echnet. Nach Abzug der Systemkosten von 700 Millio-en Euro – es soll auch einmal gesagt werden, was dasystem kostet – stehen 2,1 Milliarden Euro zweckge-unden für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung.ies war im Übrigen eine der Bedingungen der Bundes-änder, der LKW-Maut zuzustimmen.Es fließen zwar 1,06 Milliarden Euro in den Bundes-ernstraßenbau; jedoch hat die Bundesregierung im Ge-enzug – auch dies muss einmal dargestellt werden –en allgemeinen Haushaltsansatz für die Bundesfernstra-en um 724 Millionen Euro gegenüber dem Soll 2003ekürzt.
as halte ich für unseriös.Sie wissen ganz genau, dass die Zustimmung zu demanzen Mautpaket von der verbindlichen Zusage, dieauteinnahmen abzüglich der System- und Kontrollkos-en für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur zusätzlichur Verfügung zu stellen, abhängig gemacht worden ist.hre verbindlichen Aussagen jetzt für unverbindlich zurklären, ist eigentlich nicht hinnehmbar.
Wir alle wissen: Der Autofahrer in unserem Landeezahlt beim Tanken 71 Cent Steuern je Euro. Alles inllem fließen von den Abgaben der Autofahrer jährlich1 Milliarden Euro in die verschiedenen Staatshaushaltend nur ein Drittel dieser Summe, rund 16 Milliardenuro, wird Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen zugeleitet.
iese Zahl muss ebenfalls einmal – auch draußen – dis-utiert werden.
Statt die Verkehrsinfrastruktur – auch mithilfe zusätz-icher Mauteinnahmen – auszubauen, gehen Sie einennderen Weg. Die Tatsache, dass die Ausgabenquote füren Erhalt der bestehenden Infrastruktur im Bundesfern-traßenhaushalt über jener für den reinen Neubau liegt,st doch eigentlich bedenklich. Ein Viertel des Auto-ahnnetzes in Deutschland gilt schon heute als Engpass.ber 200 Streckenkilometer sind so stark belastet, dasss täglich zu großen Staus kommt. Täglich verursachentaus in Deutschland 30 Millionen Liter mehr Verbrauchn Kraftstoff und entsprechend zusätzliche Emissionen.
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Eduard OswaldWenn Engpässe durch Investitionen beseitigt werden,dann bedeutet dies einen ökologischen Nutzen. Deswe-gen brauchen wir Investitionen in Deutschland.
Der heute bereits bestehende Fehlbedarf an Investitions-mitteln von mindestens 2 Milliarden Euro pro Jahr wirdvon Ihnen fortgeschrieben. Wenn sich an diesen Finan-zierungsansätzen nichts ändert, bleibt der Stau inDeutschland vorprogrammiert. Sie verwalten, statt zugestalten.Der LKW – das kann nicht oft genug gesagt werden –ist für das Wirtschaftsleben unverzichtbar, um Waren-ströme flexibel und bedarfsgerecht flächendeckend zuverteilen. Gerade deshalb wäre es notwendig gewesen,dass Sie für das deutsche mittelständische Transportge-werbe faire Bedingungen in Europa erstreiten.Ich sage Ihnen: Auf Deutschlands Straßen wird im-mer gefahren; aber ich möchte, dass eine Chance auchfür das deutsche Transportgewerbe – damit für dieSchaffung von Arbeitsplätzen in Deutschland – im euro-päischen Wettbewerb besteht.
Wenn ich Ihnen sage, dass schon heute nur noch25 Prozent der Transporte von oder nach Deutschlandvon deutschen Spediteuren gefahren werden, dann sollteuns das allen zu denken geben.Die Deutsche Bahn hat Umsatzeinbußen und einenRückgang im Personenfernverkehr präsentiert. Hoffenwir, dass das korrigierte Preissystem für die Bahn wiederAkzeptanz schafft!
Ich sage aber eines: So wie das Image der Bahn nichtvon den Werbeagenturen, sondern ausschließlich von derZufriedenheit ihrer Kunden geprägt wird, so ist die Bun-desregierung für die politischen Rahmenbedingungenfür die Bahn verantwortlich.
Nun stelle ich die Frage: Wo bleibt Ihr Schienenver-kehrskonzept? Wir wollen, dass die Bahnreform von1994 ein Erfolg wird. Dazu bedarf es einer ehrlichen undoffenen Bestandsaufnahme. Nicht nur der Bahnchefmuss eine solche vorlegen,
sondern auch die Bundesregierung muss ihre Vorstellun-gen zur Zukunft der Bahn äußern.
Deshalb brauchen wir aus Anlass von zehn Jahren Bahn-reform eine ausführliche Debatte hier im Bundestag.maEeLosDPbOkmsdasczQQkbbstddaeSmgagdb
Die Situation im Baugewerbe ist erschütternd. Fürich ist bedrückend, wie wenig Betroffenheit die Lagem Bau in Ihren Reihen auslöst.
s geht um Betroffenheit nicht nur über den Zustandiner Branche, sondern auch über den Zustand einesandes, in dem das Wegbrechen von Bauinvestitionenffensichtlich Ursache eines spürbar sinkenden Lebens-tandards ist. Ohne Bau gibt es kein Wachstum.
as muss man begreifen.Dabei geht es nicht um Subventionen. Ziel muss eineolitik sein, die Deutschland als Investitionsstandortegreift.
hne eine nachhaltige Wende in der Investitionspolitikommen wir aus dieser Situation nicht heraus. Wir alleiteinander müssen begreifen: Investitionen sind wirt-chafts- und arbeitsmarktpolitische Initialzündungen. Je-er Euro, der in Investitionen fließt, zahlt sich mehrfachus. Bauinvestitionen finanzieren sich zu zwei Drittelnelbst: über Steuermehreinnahmen, höhere Sozialversi-herungsbeiträge und sinkende Arbeitslosenunterstüt-ung. Diese Zusammenhänge muss man begreifen.
Ganz bestimmt sind wir uns darüber einig, dass dieualität des Standorts Deutschland entscheidend von derualität seiner Verkehrsinfrastruktur abhängt. Dabeiommt dem Austausch mit den Mitgliedstaaten der EUesondere Bedeutung zu. Hier liegen die mit Abstandedeutendsten Absatzmärkte der deutschen Exportwirt-chaft.Hinzu kommt jetzt die Verkehrsanbindung der Bei-rittsstaaten. Lassen Sie uns gemeinsam alles tun, dassie bestmöglichen Verbindungen, Straße und Schiene, zuen Beitrittsländern zustande kommen. Da müssen wirlle miteinander nachbessern. Helfen Sie mit! Hier musstwas getan werden. Sonst stehen wir dort in Zukunft imtau.
Wir brauchen jeden unserer Verkehrsträger. Dabeiuss die Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträ-er – ob es um die Anbindung von Straße und Schienen die Flughäfen oder an die Wasserstraßen und Häfeneht – einer der Schwerpunkte sein. Ich bedauere sehr,ass auch in diesem Jahr noch kein Wasserstraßenaus-augesetz vorgelegt worden ist.
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Eduard OswaldIn einem weiteren Bereich müssen Sie nacharbeiten.Sie müssen auch Verantwortung für die bundesweiteRahmenplanung im Bereich der Flughäfen übernehmen.Wir brauchen eine klare Aussage zur Kapazitätsentwick-lung der deutschen Flughäfen. Bei den Maßnahmen zumbedarfsgerechten Ausbau der Luftverkehrsinfrastrukturmüssen Sie Farbe bekennen.
Die Diskussion um den zukünftigen Flughafen der Bun-deshauptstadt Berlin ist bezeichnend. Was sich hier inBerlin abspielt, zeugt nicht gerade davon, dass man eineVision für den Standort Deutschland hat.
Herr Bundesminister, zumindest den Transrapidzwischen dem Münchner Flughafen und Hauptbahnhofin München könnten wir realisieren. Ich begrüße nach-drücklich Ihre Bereitschaft, Herr Minister Stolpe, denBundeszuschuss für den Transrapid zu erhöhen. Dabeiwürden endlich die Benachteiligung Bayerns bei derFörderung des Transrapid ausgeglichen und die Voraus-setzungen für ein stimmiges Finanzierungskonzept ge-schaffen.
Herr Bundesminister Stolpe, wenn Sie in Bayern Pro-bleme mit Landes- und oder Kommunalpolitikern vonRot-Grün haben, kann ich Ihnen einen guten Rat geben:Halten Sie sich an die CSU! Da liegen Sie goldrichtig.
Die Bahn braucht verlässliche Perspektiven und faireWettbewerbsbedingungen. Wir brauchen Planungssi-cherheit für die Bundesschienenwege, damit das beste-hende Netz auf ein leistungsfähiges Niveau gebrachtwerden kann und mehr Kapazität auf der Schiene er-reicht werden kann.Sie müssen aber auch dafür sorgen, dass die deut-schen Bahnen im europäischen Wettbewerb nicht weiterbenachteiligt werden. Keine andere Bahn in Europa wirdmit dem vollen Mineralölsteuersatz belastet. Einzig undallein der deutsche Schienentransport zahlt eine so hoheMineralölsteuer wie die LKWs. Hinzu kommt die Be-lastung der deutschen Eisenbahn durch die Ökosteuer inHöhe von 400 Millionen Euro jährlich. Allein die fiska-lische Mehrbelastung der DB AG gegenüber der euro-päischen Konkurrenz liegt bereits bei deutlich über1 Milliarde Euro. Also: Gestalten und nicht verwalten!
Schaffen Sie im Haushaltsausschuss – Sie haben jetztZeit, auch wir werden uns in unserem Ausschuss in-tensiv damit beschäftigen – die haushaltsrechtlichenVZsbgndmavGEOIusaVF2SbIdKasdsIutte4Kd
Das Wort hat die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohligon Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alsrstes doch ein Wort zu den Ausführungen des Kollegenswald.
ch hatte Frau Merkel, Herrn Merz, Herrn Austermannnd viele andere in der Haushaltsdebatte bisher so ver-tanden, dass sie die Bundesregierung und die Koalitionufgefordert haben, mehr Geld einzusparen.
on Ihnen und von Herrn Lippold habe ich wieder dieorderung nach mehr Geld gehört. Spätestens nach dem1. September müssen Sie sich endlich entscheiden, obie mehr Geld ausgeben oder mehr Sparleistungen er-ringen wollen.
ch behaupte, nur mit mehr Sparleistungen werden wirer Zukunft gerecht. Erst dann, wenn Bund, Länder undommunen wieder handlungsfähig sind, also nicht mehrn ihren Schulden ersticken, werden wir wieder einetarke Wirtschaft und Wachstum haben. Ich glaube, dassa ein innerer Zusammenhang besteht.Ich will mich jetzt aber mit einem anderen Thema be-chäftigen und auch nicht auf die Mautdebatte eingehen.ch wende mich der Eigenheimzulage zu. Es geht ja hierm das Ressort für Verkehr, Bau und Wohnungswesen.Zunächst stelle ich fest: Die Eigenheimzulage bedeu-et 10,3 Milliarden weniger Steuereinnahmen; das be-rifft Bund, Länder und Kommunen gemeinsam, davonntfallen nämlich 4,4 Milliarden auf den Bund,,4 Milliarden auf die Länder und 1,5 Milliarden auf dieommunen. Auf allen drei Ebenen sind Einsparungenringend nötig. Wenn man über die Gemeindefinanzen
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Franziska Eichstädt-Bohligredet, ist nicht nur die Gestaltung der Gewerbesteuer einThema, sondern es muss dann auch darum gehen, wiewir mit dieser Zulage, diesen Subventionen umgehen.
In Zeiten, wo wir den Arbeitslosen so deutlich in dieTasche greifen, wo die Versicherten für Zahnersatz undandere Gesundheitskosten extra bezahlen müssen, wodie Maastricht-Kriterien wanken, können wir nicht stän-dig so tun, als könnten wir Subventionen, die der priva-ten Vermögens- und Eigentumsbildung dienen, so wiebisher aufrechterhalten.
Das ist auch eine Frage der Gerechtigkeit gegenüber alldenen, denen zurzeit sehr schmerzliche Kürzungen zu-gemutet werden und für die die Frage der Eigentumsbil-dung nicht jetzt und erst recht nicht in Zukunft einThema sein wird.
Insofern halte ich das Konzept, was sich die Regie-rung, nachdem Sie das Steuervergünstigungsabbauge-setz und die darin enthaltene Reform der Eigenheimzu-lage abgelehnt haben – bis heute haben Sie es ja nicht fürnötig gehalten, Alternativvorschläge zu unterbreiten –,nun ausgedacht hat, angesichts der Haushaltslage undauch angesichts unserer städtebaulichen und sozialen Si-tuation in den Städten und Regionen für sehr sinnvoll.So soll die Eigenheimzulage vollständig auslaufen und25 Prozent der eingesparten Gelder sollen einer aktivenFörderung der Innenstädte und der Eigentumsbildungvon Familien in den Innenstädten zugute kommen.Ich will Ihnen ein paar Begründungen dafür nennen,die sich nicht in dem Argument des Geldbedarfs er-schöpfen:Erstens. Die Eigenheimzulage fördert am Bedarf vor-bei.
Es handelt sich um eine Gießkannenförderung, die nichtmehr zeitgemäß ist. Sie ist auch im Bestand nicht mehrzeitgemäß. Es handelt sich überwiegend um reinen Kauf-erwerb; dadurch werden die Preise hochgetrieben, es wer-den keine Investitionen gefördert. Hinzu kommt, dassangesichts des demographischen Wandels die Häuser,die wir heute fördern, in 20 bis 30 Jahren an vielen Stel-len nicht mehr veräußerbar sein werden. Auch darübermuss man nachdenken.Zweitens. Die Eigenheimförderung ist eine Zersied-lungszulage, die zulasten der Kernstädte und Innenberei-che unserer Städte geht. Das kostet die Kommunen In-frastrukturmaßnahmen in enormen Maße. Das ist etwas,wmgdntehkvgBdeMecisdTDbkfmuquwevKH2knw
Letzter Punkt: Die Eigenheimzulage löst eine Reiheon Mitnahmeeffekten aus.Bei all diesen inhaltlichen Argumenten geht es nichtegen die Bauwirtschaft. Wir haben sehr viel für dieauwirtschaft getan: Energieeinsparmaßnahmen, För-erung von Wohnungsmodernisierung für Selbstnutzerbenso wie im Mietwohnungsbau. Das sind die richtigenaßnahmen. Sie sind inhaltlich treffsicher und kostenine knappe, schlanke Förderung. Zudem ist die öffentli-he Hand auch praktisch in der Lage, das zu steuern. Dast richtig; das nützt der Bauwirtschaft und gleichzeitiger Umwelt.
Insofern möchte ich ganz konkret dafür werben, beimhema Eigenheimzulage nicht länger eine ideologischeebatte zu führen. Die gehört in eine alte Bundesrepu-lik, in der man sich das Verteilen von Geld noch leistenonnte. Heute sind wir in einer anderen Situation. Wer-en Sie Ihre Ideologie über die Schulter und machen Sieit! Unterstützen Sie die Städtebauförderung, den Stadt-mbau Ost wie West und die Stärkung der Innenstadt-uartiere, wie wir sie auf der Ebene von Bund, Ländernnd Kommunen mit der 25-Prozent-Regelung planen. Esäre wirklich toll, wenn wir uns darauf in diesem Winterinigen würden.
Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Königshofen
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeollegen und Kolleginnen! Am 5. Dezember haben Sie,err Minister Dr. Stolpe, bei der Beratung des Haushalts003 eine zukunftsorientierte Investitionspolitik im Ver-ehr, Bau- und Wohnungswesen angekündigt. Heute,eun Monate später, kommen uns Ihre Ankündigungenie Worte aus einer fernen Epoche vor. Heute kann von
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Norbert Königshofeneiner zukunftsorientierten Investitionspolitik kaum nochdie Rede sein.So sind die Ansätze für Investitionen in die Wasser-,Straßen- und Schienenwegeinfrastruktur, die aus denklassischen Finanzmitteln, nämlich letztlich aus Steuernfinanziert werden, von rund 9,6 Milliarden Euro aufrund 7,4 Milliarden Euro, also um 2,2 Milliarden Euro,gekürzt worden.
Das ist eine Kürzung um 22,9 Prozent, also um mehr alsein Fünftel.Mit den Einnahmen aus der Maut versuchen Sie,Herr Minister, diese Kürzung zu kaschieren. Aber selbstwenn man die Mittel aus der Maut hinzurechnet, HerrSchmidt, werden die Investitionen für 2004 sinken, undzwar um genau 111 Millionen Euro.Sie, Herr Minister, und ich wissen wie wir alle, dassdie Einnahmen aus der Maut nicht dazu gedacht sind, dieKürzungen bei den steuerfinanzierten Verkehrsinfra-strukturinvestitionen zu kompensieren. Die Einnahmenaus der Maut sollen nach dem Mautgesetz, das ja geän-dert worden ist, zusätzliche Mittel für die Verkehrsinfra-struktur mobilisieren. So ist es im Vermittlungsaus-schuss am 21. Mai 2003 gemeinsam beschlossenworden.Sie tun nun zweierlei, Herr Minister: Zum einen kür-zen Sie radikal bei den steuerfinanzierten Verkehrsinves-titionen und zum anderen brechen Sie die Vereinbarung,die im Vermittlungsausschuss getroffen wurde.
Weniger Investitionen, gebrochene Vereinbarungen.
Herr Minister, das ist keine tragfähige Grundlage füreine zukunftsorientierte Verkehrspolitik.Wenn ich vorher den Betrag kürze, kann ich natürlichdie kompletten Mauteinnahmen einsetzen.
– Ja, sicher. Wir haben gesagt: Die gesamten Mautein-nahmen sollen hinzukommen. Aber der Ansatz darf vor-her nicht gekürzt werden. Sie kürzen zunächst, tun danndie Maut dazu und sagen: Wir haben ja alles erfüllt. Da-bei haben Sie nur das eine durch das andere ersetzt. Daswar nicht unsere Absicht. Das war auch nicht gemäß derVereinbarung, die getroffen worden ist. Die Mauteinfüh-rung hatte ja insgesamt zum Ziel, zusätzliche Gelder zumobilisieren. Das setzen Sie nicht um.
– Richtig, das steht in § 11 des Mautgesetzes.Dieses Verhalten wird Langzeitwirkung haben. Esschadet nämlich weiteren Reformvorhaben. Der sicher-lich vernünftige Schritt hin zu einer NutzerfinanzierungwlignSdwdgVsWk6mR6ApEBd–mkEhvpmk1jaDDes
ber die Intention war auf beiden Seiten gleich: Kom-ensation für die Wettbewerbsverzerrungen, die wir inuropa vorfinden. Dann kamen Sie, Herr Minister, ausrüssel zurück und verkündeten, dass die Kommissarine Palacio diese Harmonisierung verbietet.
Sie wollten 300 Millionen. Die haben Sie nicht bekom-en. Ob Sie 600 Millionen oder 300 Millionen nicht be-ommen, Herr Schmidt, ist doch egal.
ntscheidend ist, dass wir eine Kompensation zugesagtaben, die dem Gewerbe jetzt nicht gegeben wird.
Wir müssen fragen, wie sorgfältig diese Entscheidungorbereitet worden ist und wie sehr man sich um eine euro-äische Zustimmung zu dieser Kompensation geküm-ert hat. Wir befürchten, dass Sie sich zu spät darum ge-ümmert haben. Auch wenn wir jetzt die Maut auf2,4 Cent pro Autobahnkilometer gekürzt haben, haben auch die ausländischen Wettbewerber etwas davon.as ist kein Vorteil für das deutsche Gewerbe.
as deutsche Gewerbe hat nur dann einen Vorteil, wenns in Deutschland besser gestellt wird als die ausländi-chen LKW-Fahrer, die seit geraumer Zeit von ihren na-
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Norbert Königshofentionalen Parlamenten besser gestellt worden sind. Daskann uns nicht gleichgültig sein.
Was sagt der Bundeskanzler dazu? Herr Schröderlässt sich im „Tagesspiegel“ vom 25. August dieses Jah-res wie folgt zitieren: „Und wenn sie“ – er meint dieKommissarin de Palacio – „negativ votiert, gibt es garnichts.“ Gemeint ist hier das Güterkraftgewerbe.
Offensichtlich sind 100 000 bedrohte Arbeitsplätze fürden Bundeskanzler eine zu vernachlässigende Größe.Herr Minister, bis vor kurzem war auch der Metrora-pid Teil Ihrer zukunftsorientierten Investitionspolitik.Jetzt ist er im Bermudadreieck rot-grüner Schachereienverschwunden.
Natürlich war der Metrorapid im Ruhrgebiet von vorn-herein eine Fehlplanung; denn er wäre dort verkehrspoli-tisch unsinnig gewesen. Aber deswegen haben Sie ihnnicht fallen gelassen. Sie haben ihn fallen gelassen, weiler dem Koalitionsfrieden in Düsseldorf im Wege stand.
Zu Ihrer Auffassung von einer zukunftsorientiertenInvestitionspolitik passt auch, dass Sie die Mittel für diepraktische Erprobung der Magnetschwebebahntech-nik radikal gekürzt haben, und zwar im Vergleich zu2003 um sage und schreibe 43,1 Prozent. Meine Damenund Herren von der Koalition, wenn Sie in Deutschlandwirklich eine Referenzstrecke haben wollen, dann dür-fen Sie das Geld für die praktische Erprobung nicht radi-kal zusammenstreichen.Bei der Diskussion um die Anwendung der Ma-gnetschwebebahntechnik hat Herr Mehdorn, der Vor-standsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, wieder ein-mal wie bei der Strecke Hamburg–Berlin eine unrühmli-che Rolle gespielt. Dabei hätte Herr Mehdorn gutenGrund, sich auf das ihm anvertraute Unternehmen zukonzentrieren. Im letzten Jahr machte die DeutscheBahn AG 493 Millionen Euro Verlust. Das Güter-verkehrsaufkommen sank um 3 Prozent, während dasPersonenverkehrsaufkommen sogar um 6,2 Prozentschrumpfte. Die Preisreform entpuppte sich als Megaflop.Die Schulden des Konzerns stiegen zwischen Ende 1994und Ende 2002 von 6,1 Milliarden Euro auf 24,5 Milliar-den Euro. Seit der Bahnreform vor zehn Jahren hat derBund bereits 94 Milliarden Euro in den Konzern ge-steckt. Im Klartext: Die Deutsche Bahn AG ist ein Sa-nierungsfall. Wer glaubt, die Deutsche Bahn AG könne2005 börsenreif sein, verwechselt Wunschdenken mitRealität. Das hat unser Sprecher, Dirk Fischer, am7. August dieses Jahres in der „Financial TimesDeutschland“ bereits überzeugend nachgewiesen.–wesgWrsvdsnSrdfrLGvavssddtBgIWtSkdheldbfde
Ja, Sie würden sich freuen, wenn Sie da einmal zitiertürden, Herr Kollege, und sei es auch nur als Fußnote.Deshalb ist auch die im Vorgriff auf den Börsengangingerichtete Abteilung „Investor Relations“ überflüs-ig; der Bund wird nämlich auf absehbare Zeit Alleinei-entümer und damit auch alleiniger Investor bleiben.ill man einen echten Wettbewerb auf der Schiene er-eichen, muss das Großkombinat Deutsche Bahn aufge-palten werden. Nur durch eine konsequente Trennungon Netz und Betrieb lässt sich echter Wettbewerb aufer Schiene zwischen verschiedenen Gesellschaften her-tellen.
Ich bin fest davon überzeugt, dass uns nur ein perso-eller Wechsel an der Spitze der DB AG weiterhilft.onst wird uns die Bahn weiterhin Ärger und Sorge be-eiten. Aber anstatt Herrn Mehdorn zu feuern, lassen Sieie Sache treiben. Das ist nicht die Politik, die wir unsür die Bahn AG wünschen.Wie sieht die zukunftsorientierte Politik der Bundes-egierung im Wohnungswesen und im Städtebau aus?aut Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes will Rot-rün die Eigenheimzulage abschaffen. Das hätte gra-ierende Folgen für den Arbeitsmarkt, wie vorhin schonngesprochen wurde. Noch mehr Arbeitsplätze würdenerloren gehen, als ohnehin schon verloren gegangenind, und das, obwohl wir bereits unter Massenarbeitslo-igkeit leiden. Darüber hinaus würde die Abschaffunger Eigenheimzulage dazu führen, dass sich normal ver-ienende Familien kein Eigenheim mehr leisten könn-en. Dabei waren wir uns doch einig, dass gerade dieserevölkerungsgruppe geholfen werden müsse, Wohnei-entum zu erwerben.
n Deutschland haben 41,5 Prozent der Bevölkerungohneigentum, in Frankreich 56,2 Prozent, in Großbri-annien 69,7 Prozent, in Spanien sogar 86 Prozent.elbst das 40 Jahre kommunistisch regierte Polenommt auf eine Wohneigentumsrate von 74,9 Prozent.
Über Änderungen des Gesetzes lassen wir mit uns re-en, aber einem generellen Kahlschlag bei der Eigen-eimzulage werden wir im Bundesrat nicht zustimmen.
Herr Minister, Sie haben während der Beratungenine zukunftsorientierte Verkehrs- und Wohnungsbaupo-itik angekündigt. Wir stellen fest, dass Ihren Worten lei-er keine Taten folgen. Wer zukunftsorientierte Politiketreiben will, darf die Investitionen in die Verkehrsin-rastruktur nicht kürzen, darf die Maut nicht anstatt, son-ern muss sie zusätzlich zu den bisherigen Finanzmittelninplanen. Wer zukunftsorientierte Politik betreiben will,
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Norbert Königshofenmuss seine Hausaufgaben machen, bevor er – wie Sie –in Brüssel vorstellig wird; anderenfalls fällt er dort aufdie Nase.
Wir halten Ihre Politik nicht für zukunftsorientiert.Die Einschränkungen im Haushalt schaden dem StandortDeutschland. Bei Ihrer Politik haben die Menschen inDeutschland nach unserer Auffassung keine Aussichtauf eine bessere Zukunft.
Als letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich hat
nun der Kollege Wolfgang Spanier von der SPD-Frak-
tion das Wort.
Verehrter Präsident! Meine sehr verehrten Damen!Meine Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Ichmöchte zwei Vorbemerkungen machen, die ich an Sierichten möchte, Herr Oswald.Ich schätze Sie als Ausschussvorsitzenden sehr.
Aber als Redner hier im Bundestag werfen Sie uns Opti-mismus vor. Glauben Sie denn allen Ernstes, dass wirunser Land voranbringen, wenn wir uns – wie Sie undviele andere Redner der Opposition in Pessimismus undSchwarzmalerei geradezu suhlen? Glauben Sie, dass unsdas voranbringt?
Es ist hochinteressant, von Ihnen als langjährigemWohnungspolitiker zu hören, die Krise der Bauwirt-schaft, die ernst und schlimm genug ist, sei im Wesentli-chen durch Investitionshemmnisse im Mietwohnungs-bau verursacht. Mein lieber Herr Oswald, das sagen Siein einer Stadt, in der 140 000 Wohnungen leer stehen.Wir können gern Hand in Hand durch die Städte in die-sem Land gehen, um die Wirklichkeit wahrzunehmen.Wir werden überall das Gleiche feststellen, nämlichwachsende Leerstände. – Angesichts dessen zu sagen,Investitionshemmnisse beim Mietwohnungsbau seiendie wesentliche Ursache für die Krise der Bauwirtschaft,ist nun völlig daneben.
Es ist richtig: Bei diesem Haushalt und auch beimEinzelplan 12 haben wir ganz besondere Unwägbarkei-ten. Aber die wesentliche Ursache für diese Unwägbar-keiten ist Ihre Unberechenbarkeit, weil Sie wesentlichepolitische Entscheidungen offensichtlich verschleppen.
–wBAIHUmküKptSwFwiitnfWr„whdBwtZveEEhhKhgbKbzLgHg
m Gegenteil, Sie geben Ihre Mitverantwortung an dieerren Stoiber und Koch ab, so als hätten Sie alsnionsbundestagsfraktion hier überhaupt nicht mehritzureden. Ich habe von Ihnen zum Beispiel kein kon-retes Wort zum Thema Eigenheimzulage gehört. Dasberlassen Sie offensichtlich Herrn Stoiber und Herrnoch. Das ist ein Stück weit eigene Entmündigung vonolitischem Handeln.
Wir müssen gerade über den Einzelplan 12 einen Bei-rag leisten, um aus der schon zu lange anhaltendenituation mangelnden Wirtschaftswachstums ein Stückeit herauszukommen. Wir tun das trotz schwierigsterinanzlage, die auf allen Ebenen festzustellen ist, indemir die Verkehrsinvestitionen auf Rekordniveau halten,ndem wir darüber hinaus in diesem Jahr verstärkt undm nächsten Jahr genauso zusätzliche kräftige Investi-ionsanreize über die Programme zur Wohnraummoder-isierung geben. Dies hat einen doppelten Effekt. Esührt nämlich zu einer CO2-Minderung und zu einerertsteigerung im Wohnungsbestand.Unsere erfolgreichen Programme „Städtebauförde-ung“, „Soziale Stadt“ und, ganz besonders wichtig,Stadtumbau Ost“ laufen und sie werden erfolgreicheiterlaufen. Es ist nicht einfach, in dieser Zeit diesesohe finanzielle Niveau zu halten.Wir wissen, dass noch manches zu verbessern ist,ass wir noch effizienter werden können. Ich will eineispiel nennen: Es ist schon eine Krux, dass wir Ver-altungsvereinbarungen nur für ein Jahr – das ist Tradi-ion – treffen. Es wäre hilfreich, wenn wir sie für längereeiträume vereinbaren könnten. Natürlich kann man dieerschiedenen Förderinstrumente auch noch besser mit-inander verzahnen.Lassen Sie mich schwerpunktmäßig noch etwas zurigenheimzulage sagen. Es ist richtig, dass – alle dreibenen zusammengenommen – fast 11 Milliarden Euroierfür ausgegeben werden. Die Bundesregierung hatierzu einen Vorschlag gemacht, ein in sich schlüssigesonzept vorgelegt. Die Argumente, die dafür sprechen,at meine Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig hier vor-etragen.Wie ist die Haltung der Opposition dazu? Bisher ha-en Sie sich massiv gegen jede Veränderung, gegen jedeürzung gewandt. Herr Lippold hat noch vor einem hal-en Jahr festgestellt – ich bitte Sie, es im Protokoll nach-ulesen; ich habe es vorsichtshalber getan, lieber Herrippold –, jegliche Veränderung, jegliche Kürzung geheesellschaftspolitisch in die völlig falsche Richtung.err Minkel hat von einem Betrug an jungen Familienesprochen.
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Wolfgang SpanierHerr Oswald hat vorgeschlagen, finanziell noch draufzu-satteln.
Herr Kollege Spanier, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Fischer?
Ich möchte diese Ausführungen noch zu Ende brin-
gen. Dann beantworte ich gerne eine Zwischenfrage.
– Darüber reden wir nachher.
Ich gehe einmal davon aus, dass sich in Ihren Reihen
mittlerweile etwas bewegt hat. Die von mir zitierten
Aussagen, die in den Protokollen des Deutschen Bun-
destages nachzulesen sind, spiegeln Ihre Position vor
einem halben Jahr wider, als wir hier über das Steuer-
vergünstigungsabbaugesetz diskutiert haben. Ich weiß
allerdings nicht, wie Sie sich letztendlich verhalten wer-
den. Das entscheiden offenbar nicht Sie, sondern Herr
Stoiber und Herr Koch.
Wenn Sie an der Eigenheimzulage festhalten wollen,
dann muss es zumindest folgende Veränderungen geben:
die Gleichstellung von Neubau- und Bestandserwerbs-
förderung sowie ein Absenken der Fördersätze und der
Einkommensgrenzen. Sinnvoll wäre zudem eine Zulage
für den Erwerb im innerörtlichen Bereich. Man kann na-
türlich auch über eine Befristung nachdenken.
Jetzt habe ich eigentlich mit zumindest verhaltenem
Jubel in Ihren Reihen gerechnet. Was ich hier vorgetra-
gen habe, entspricht nämlich nahezu wortgleich dem
Antrag des Landes Thüringen im Bundesrat.
Das gibt zur Hoffnung Anlass, dass Sie die Steinzeitpo-
sition, die Sie hier immer vertreten haben, möglicher-
weise doch noch korrigieren.
Nun, Herr Fischer, zu Ihrem Lügenvorwurf. Bitte.
Herr Fischer, bitte schön.
Herr Kollege, ist Ihnen bewusst, dass Sie eben die
Position meiner Fraktion falsch dargestellt haben?
Meine Fraktion hat sich gegen eine völlige Abschaffung
der Eigenheimzulage gewehrt. Sie wissen genauso wie
die Kollegin Eichstädt-Bohlig – in den Gesprächen in
Bad Zwischenahn haben wir das immer wiederholt –,
dass wir eine Strukturreform mit regionaler Differenzie-
rung, mit besserer Ausgewogenheit zwischen Neubau-
und Bestandserwerb und mit der Beseitigung von Mit-
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Ich habe vorhin wörtlich aus der Debatte in diesemause zitiert. Erst zwei oder drei Monate später habenie bei dieser berühmten Podiumsdiskussion in Badwischenahn von Strukturreformen gesprochen.
ber Sie haben hier im Deutschen Bundestag, beispiels-eise in der Aktuellen Stunde zur Eigenheimzulage
entschuldigen Sie einmal! – und auch heute, kein Wortarüber verloren. Bei der Diskussion in Bad Zwischen-hn haben Sie allerdings angekündigt, dass Sie amontag der nächsten Woche mit Ihrer Arbeitsgruppeinen entsprechenden Antrag vorbereiten werden.
Ich betrachte Ihre Frage hiermit als beantwortet.
Ich frage Sie, Herr Minkel: Sind die Vorschläge desandes Thüringen Betrug an jungen Familien? Ich frageie, Herr Lippold: Ist das ein Schritt, der gesellschafts-olitisch gesehen in die völlig falsche Richtung geht?der ist es nicht doch ein Hoffnungszeichen, dass wirndlich sach- und fachgerecht auch über die Eigenheim-ulage miteinander ins Gespräch kommen können? Ichoffe, das Letztere ist der Fall.
Wir sind hier wie auch in der Steuerpolitik auf eineemeinsame Entscheidung, also auf einen Kompromiss,ngewiesen.
enn Sie schon nicht bereit sind, dem Konzept der Bun-esregierung zu folgen, dann darf aber auf gar keinen
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Wolfgang SpanierFall passieren, dass sich, wie es beim Steuervergünsti-gungsabbaugesetz der Fall war, nichts verändert. Daswäre die denkbar schlechteste Lösung. Das habe ich Ih-nen schon vor einem halben Jahr gesagt. Damals ist esleider so eingetroffen.Meine Damen und Herren, der Einzelplan 12 ist dies-mal auch deshalb von besonderen Unwägbarkeiten ge-kennzeichnet, weil die Entscheidungen, die in diesemBereich zu treffen sind, eng mit Entscheidungen zusam-menhängen, die in ganz anderen Bereichen getroffenwerden. Ich nenne als Beispiel das Wohngeld. DieFrage, wie wir das Wohngeldgesetz gestalten, hängtganz entscheidend davon ab, wie die Zusammenlegungvon Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und wie die Re-form der Sozialhilfe aussehen wird. Sie sind in dieserFrage also auch mit im Boot.Ich kann an Sie nur appellieren, Ihrer Mitverantwor-tung gerecht zu werden. Das ist an dieser Stelle auchschon von anderen, die vielleicht berufener sind als ich,so ausgesprochen worden. Natürlich ist es Ihr gutesRecht, die Bundesregierung und auch uns zu kritisieren.
Angesichts der Beschreibung der Situation, die Sie, HerrOswald, und viele weitere Redner Ihrer Fraktion hier ab-gegeben haben, ist es umso wichtiger, dass wir uns be-mühen, uns dieser Verantwortung gemeinsam zu stellenund die notwendigen Entscheidungen – es sind struktu-relle Entscheidungen und keine Diskussionen um einpaar Euro mehr oder weniger – zu treffen.Weil die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag und imBundesrat so sind, wie sie sind, sind Sie in der Mitver-antwortung. Es ist zu wünschen, dass Sie sich beimThema Städtebau- und Wohnungspolitik endlich an derpolitischen Diskussion beteiligen. Sie haben heute – dassage ich noch einmal – inhaltlich kein einziges Wortdazu gesagt. Es gab geradezu ein lautes, ein beredtesSchweigen, zum Beispiel zur Eigenheimzulage.
Ich glaube, dass wir uns angesichts der ökonomischenSituation, angesichts der Finanzkrise,
aber auch angesichts des demographischen Wandels inder Städtebau- und Wohnungspolitik vor einem Para-digmenwechsel befinden. Wir sind mittendrin in dieserEntwicklung. Das ist eine Aufgabe, der wir uns gemein-sam stellen können. Deswegen nutze ich heute wiederdie Gelegenheit, wie schon zwei Mal an diesem Podium,an Sie zu appellieren, dieser Verantwortung gemeinsammit uns gerecht zu werden.Herzlichen Dank.
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Während meiner Abwesenheit in den letzten Tagenab es wieder ein Beispiel dafür, auf welcher Seite esandlungsfähigkeit und Reformfähigkeit gibt und aufelcher nicht. Ich musste nämlich zur Kenntnis nehmen,orauf sich die Unionsmehrheit im Bundesrat sowohl Agrarausschuss wie auch im Wirtschaftsausschussnd im Umweltausschuss nach all den Debatten, die imrunde genommen seit Anfang der 90er-Jahre geführturden, nach den ausführlichen Konsultationen verstän-igt hat. Die Mehrheit der CDU- bzw. CSU-regiertenänder hat sich entschlossen, die Novelle der Ver-ackungsverordnung nicht etwa abzulehnen, nein, sieöchte die Entscheidung vertagen. Wenn es etwas gibt,as ich für einen wirklichen Ausweis von Politikunfä-igkeit und Reformunfähigkeit halte, dann ist es, sicheige in die Büsche zu schlagen und zu sagen, man wisses nicht so genau und vertage die Entscheidung.
s geht noch weiter. Der Bundesumweltminister hat jaiese Novelle der Verpackungsverordnung nicht ausigener Motivation betrieben, sondern auf ausdrück-ichen Wunsch auch und gerade von CDU-Ländern. Erat sogar die CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende hinterich, die in einem großen Interview erklärt hat, die Ver-ackungsverordnung
ei eigentlich viel zu kompliziert. Sie wusste, wovon sieedet; denn für die meisten Komplikationen war sie inhrer Amtszeit verantwortlich.
Nun kommt der Bundesumweltminister dem Wunscher CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden nach und verein-acht die Verpackungsverordnung. Er sorgt dafür, dassein nicht bepfandet wird. Er stellt sicher, dass imächsten Jahr zum Beispiel Saft in Getränkekartonsicht bepfandet wird. Was machen die Unionsländer? –ie vertagen.
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Bundesminister Jürgen TrittinMeine Damen und Herren, ich habe der Debatte vongestern entnommen, dass sich Frau Merkel zur der Fragedes Backens von Kirschkuchen geäußert hat. Wenn ichdas Verhalten der Union im Bundesrat sehe, dann kannich Ihnen nur sagen: Sie sind selbst zu blöde, nach Ihremeigenen Rezept Kirschkuchen zu backen.
Das ist es nämlich, was Sie an dieser Stelle praktizieren.
Herr Kollege Trittin, den politischen Gegner als „zublöde“ zu bezeichnen, entspricht nicht dem parlamenta-rischen Sprachgebrauch.Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Herr Präsident, ich nehme das „blöde“ mit Bedauernzurück. – Sie sind unfähig, die nach Ihren eigenen Vor-stellungen gestalteten Regelungen der Verpackungsver-ordnung umzusetzen.
Ich will an dieser Stelle zu einem zweiten Punkt kom-men, der bei der Umweltpolitik und insbesondere auchin Bezug auf die Zukunft des Standorts Deutschland so-wie die Reformfähigkeit eine besondere Rolle spielt. Ichglaube, wir sind uns einig, dass die größte umweltpoliti-sche Herausforderung, die nicht nur wir uns, sondern derganze Globus sich vergegenwärtigen muss, der globaleKlimawandel ist.
Wir müssen alles tun, damit die Prognosen des interna-tionalen Wissenschaftlerpanels zum Klimaschutz – diesePrognosen zeichnen sich übrigens nicht durch Angstma-che, sondern durch wissenschaftliche Seriosität aus –,die gesagt haben, bis zum Jahre 2100 könnte sich dasglobale Klima um bis zu 5,5 Prozent erwärmen, nichtWirklichkeit werden.
Die ökonomischen und nicht nur die ökologischen Fol-gen einer solchen Entwicklung will ich an dieser Stellenicht ausmalen. Wir müssen alles tun, damit dieses Sze-nario nicht Wirklichkeit wird. Wir stehen in der Verant-wortung, dafür Sorge zu tragen, dass die globale Erwär-mung bis zum Ende dieses Jahrhunderts den Wert vonzwei Grad nicht überschreitet. Das ist ein realistischesZiel. Wenn wir dieses realistische Ziel erreichen wollen,dann können wir uns mit der erreichten Einsparung vonTGJTdgebeDgaEwukrmfddtlbgsShüzzsEdwfdgvdVgAgwdd
Dafür legen wir auch in diesem Haushalt die Instru-ente und die Mittel bereit.
Wir steigern noch einmal das Marktanreizprogrammür erneuerbare Energien, weil wir der Auffassung sind,ass bestimmte Formen der erneuerbaren Energien anieser Stelle – Energiepolitik wird ja leicht und leichtfer-ig oft auf Elektrizitätspolitik reduziert – nicht vernach-ässigt werden dürfen. Ich verweise auf die Solarthermie,ei der wir in den letzten Jahren beachtliche Fortschritteemacht haben. Diese Regierung hat dafür gesorgt, dassich die Fläche, auf der solarthermische Anlagen, alsoonnenkollektoren, stehen, in Deutschland verdreifachtat. Dies muss fortgesetzt werden.In den nächsten Monaten werden wir in diesem Hauseber eine Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzesu reden haben, durch die dieses bewährte Instrumentielgenauer wird. Dieses Instrument hat sich immerhino bewährt, dass eine ganze Reihe von Ländern inuropa auf dieses Instrument zugreift und andere Mo-elle, wie Ausschreibungen, in den Aktenschrank legt,eil damit das Ziel nicht erreicht wird. Zielgenauer heißtür mich, dass wir dort, wo wenig Wind weht und wo esemnach nicht effizient ist, mit der Förderung herunter-ehen. Dort, wo künftig die Masse des Aufwuchses zuerzeichnen sein wird, nämlich zum Beispiel im Bereicher Offshore-Technologie, müssen wir zu bestimmtenerbesserungen kommen.
Meine Damen und Herren von der Opposition, Fol-endes begreifen Sie nicht: In der Zwischenzeit – bis dienlagen draußen im Meer stehen – dürfen wir eineanze Branche nicht zusammenbrechen lassen. Anindgünstigen Standorten benötigt sie zwar nicht mehrie Einspeisevergütung, die bisher gezahlt wurde, aberiese Vergütung muss der Technik angemessen sein.
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Bundesminister Jürgen TrittinWir müssen mit dem Gerede von der Subventionie-rung Schluss machen. Die Einspeiseregelung stellt keineSubventionierung dar.
Wer behauptet, dass das subventioniert wird, der mussmir erklären, wie man mit einem Haushaltsanteil von3 Promille – das ist der Anteil des Haushaltes des Bun-desumweltministeriums am Gesamthaushalt – eine Sub-vention leisten soll, die angeblich über der für die Stein-kohle liegt.
Lassen Sie sich hier nicht Bange machen.Nun komme ich zu der Frage, was im Bereich der Ef-fizienz eigentlich notwendig ist. Wir wissen: In Deutsch-land muss eine Kraftwerksleistung von 40 000 MWund in ganz Europa eine von 200 000 MW ersetzt wer-den. Das ist also kein rein deutsches Problem. Es ist einProblem für uns, wenn wir nicht solche Verhältnisse wiein den USA haben wollen. Dort können Atomkraftwerkeund ineffiziente Kohlekraftwerke sowie ein marodesNetz Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleisten.Deshalb müssen wir Investitionen in diesen Kraftwerks-park in Europa sicherstellen.Heute müssen wir entscheiden, in was wir investierenwollen. Ich sage Ihnen: Ich bin nachdrücklich dafür, dasswir in effiziente Technik investieren, und ich bin nichtdafür, dass wir, so wie Sie es vorschlagen, Altanlagenmöglichst lange laufen lassen. Das wäre gerade vor demHintergrund der Herausforderungen für die Wirtschaftund die Umwelt ein fataler Fehler.
Das richtige Instrument dafür ist der Emissionshan-del. Durch den Emissionshandel werden Investitionen ineffiziente Techniken begünstigt, nämlich zum Beispielim Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung und im Bereichvon Gas. Daneben werden aber gerade auch Investitio-nen begünstigt, die zur höheren Effizienz von Kohle-kraftwerken führen. An dieser Stelle werden wir diesesInstrument so zuschneiden müssen, dass genau dieserEffekt erreicht wird.Dafür haben wir eine gute Grundlage, nämlich dieSelbstverpflichtung der deutschen Industrie. Sie hat sichselbst das Ziel gesetzt, die CO2-Emissionen bis zumJahre 2010 um 35 Prozent zu reduzieren. Ich kann Ihnenan dieser Stelle sagen: Diese Regierung wird beim Emis-sionshandel nicht draufsatteln. Die Selbstverpflichtungs-erklärung wird Grundlage der Allokation der Emissions-rechte sein. Wir werden keine Schlupflöcher zulassen,weil diese dazu führen würden, dass nicht investiertwird. Um der Versorgungssicherheit und des Klima-schutzes willen wollen wir, dass in effiziente Technik in-vestiert wird.qGutdePASzidtsmclbkseinfppnihAdDbMrBkVs
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Peter Paziorek von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ge-hrter Herr Minister, Sie haben nach dem Hinweis desräsidenten Ihre Worte zurückgenommen und geändert.ber ich muss schon sagen: Ich war sehr betroffen, dassie einen aktuellen politischen Streit mit der Abqualifi-ierung politisch Andersdenkender verbinden. Das haltech nicht für gut. Das ist nicht sinnvoll, wenn wir in dereutschen Umweltpolitik den Weg gemeinsam beschrei-en wollen. Ich kann auch im Namen unserer Fraktionagen: So werden wir in Sachen Umweltpolitik nicht ge-einsam vorankommen. Dafür haben Sie die persönli-he Verantwortung.
Man muss klar und deutlich sagen: Es wird nicht ge-ingen, durch solche Auftritte von der fehlenden Erfolgs-ilanz rot-grüner Umweltpolitik in Deutschland abzulen-en. Wir können sagen, dass diese Umweltpolitik, wieie sich auch im Haushaltsplan niederschlägt, weit voniner Umweltpolitik entfernt ist, die den Problemlagenn Deutschland tatsächlich gerecht wird.So standen bei Ihnen in den letzten Wochen und Mo-aten – es war auch bezeichnend, welchen Beginn Sieür Ihre Rede gewählt haben – zwei Themen im Mittel-unkt Ihrer umweltpolitischen Diskussion: das Dosen-fand und der Streit mit Minister Clement in Sachen er-euerbare Energien. Bei diesen Themen – deshalb kannch Ihre Aufregung und innere Aufwallung gut verste-en, Herr Minister – engagieren Sie sich persönlich.ber es stellen sich nun ganz schlicht die Fragen: Reichtas? Sind damit die Schwerpunkte der Umweltpolitik ineutschland ausreichend und richtig gesetzt? Wo blei-en denn andere wichtige Bereiche, die in den letztenonaten nicht ausreichend bearbeitet worden sind?So fragen wir Sie, Herr Bundesumweltminister: Wa-um gibt es keine Klimaschutzpolitik dieser rot-grünenundesregierung, die auf einem geschlossenen Energie-onzept fußt und damit eine verlässliche Grundlage fürerbraucher, Firmen, Unternehmen und Investoren dar-tellt? Diese wollen nämlich wissen, wohin die Reise
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Dr. Peter Paziorekgeht. Wir fragen weiter: Wo war in den letzten Wochenund Monaten in Brüssel – ich sehe einmal von der Ak-tion des Kanzleramtes im März ab – der entscheidendeEinfluss dieser Bundesregierung, um eine Verordnungim Bereich der Chemikalien zu verhindern, die eindeutigzulasten der mittelständischen chemischen Industrie inDeutschland geht?
Wann haben Sie endlich den Mut – auch davon habenSie gerade nicht gesprochen –, Ihre eigene Koalitions-vereinbarung umzusetzen und eine grundlegende Re-form der Abfallwirtschaft in Deutschland auf den Wegzu bringen?
Sie haben dazu weder den Mut noch die Kraft.
Herr Minister, warum weichen Sie immer wieder einerendgültigen Entscheidung – Sie haben bis jetzt nur einenFahrplan vorgelegt – in Sachen Aufstellung eines atoma-ren Endlagerkonzeptes aus? Wann veröffentlichen Sieendlich Ihre Haltung zur konkreten Ausgestaltung undUmsetzung der wichtigen EU-Richtlinie zur Einführungdes Emissionshandels?Ich habe gerade mit Interesse Ihre Ausführungen ge-hört. Das war eine volkswirtschaftlich-betriebswirt-schaftliche Vorlesung zum Emissionshandel und seinerBedeutung. Das wissen wir seit zwei, drei Jahren. Jeder,der die EU-Richtlinie liest, kann das nachvollziehen. Diespannenden Fragen sind doch: Welche Rechte teilen Sieden deutschen Firmen und Unternehmen zu? Wie setzenSie das um? Es wird bei Ihnen ohne Ende diskutiert, ob-wohl alle wissen, dass Sie den Allokationsplan bis zum31. März des nächsten Jahres in Brüssel vorlegen müs-sen. Inhaltlich haben wir über die Frage der Zuteilungund der Umsetzung des Emissionshandels weder imAusschuss noch in diesem Hause diskutiert. Sie aberphilosophieren hier über wunderbare Angelegenheiten,wobei wir gar nicht wissen, welche konkreten Vorstel-lungen Sie haben. Ist das Grundlage einer verlässlichenKlimaschutzpolitik?
Wann legen Sie ein Hochwasserschutzkonzept vor,das nicht nur inhaltlich einige Probleme richtig angeht?Dass das nicht leicht ist, will ich Ihnen konzedieren. Wirbrauchen ein Konzept, das auch die Frage klärt, welcheEntschädigungen für Grundeigentümer und Nutzungsbe-rechtigte konkret geleistet werden, wenn diese zukünftigdurch ein Hochwasserschutzkonzept in ihrer Nutzungbeeinträchtigt werden. Warum sagen Sie nichts zu der fi-nanziellen Entschädigung in diesem Bereich? Sie habengerade all das, was Sie besonders bewegt, angesprochen.Die Bandbreite der Probleme der Umweltpolitik habenSie außer Acht gelassen. Das ist Ihr Problem. Das ist imAugenblick leider auch das Problem der deutschen Um-weltpolitik.zbcwUsMdMSbnbrhDawdstebscKWdwdbMpnEMTsugdhWvfgFBßd
Im Übrigen kann man diese Liste noch weiter fortset-en. Was ist mit dem Fluglärmschutzgesetz? Davon ha-en Sie doch in Ihren Wahlkämpfen immer groß gespro-hen. Was ist mit einer Lärmschutzkonzeption? All dasurde groß angekündigt. In der Realität der deutschenmweltpolitik unter Ihrer Führung finden wir von die-en Stichworten nichts. Deshalb muss ich Ihnen, Herrinister, nach Ihrer Einführungsrede sagen: Das ist fürie deutsche Umweltpolitik zu wenig. Sie haben dieesslatte deutscher Umweltpolitik nicht erreicht.
ie haben gerade wieder Ihre Haltung zu den erneuer-aren Energien angesprochen. Es ist einfach nichtachvollziehbar, warum Sie versuchen, bei den erneuer-aren Energien und der Klimaschutzpolitik zu polarisie-en. Dass Sie in dieser Frage so einseitig Position bezie-en, könnte man vielleicht noch verstehen und sagen:as muss der Umweltminister machen. Ich bezweifleber, dass der Bundesumweltminister das machen muss,enn es zielführend sein soll. Ich bin der Ansicht, dasser Kurs, den Sie in Sachen erneuerbare Energien einge-chlagen haben, wenig hilfreich zur Erhöhung des An-ils erneuerbarer Energien ist.Der Streit, den Sie zum Teil vom Zaun gebrochen ha-en, ist zudem überflüssig. Denn wir brauchen wirt-chaftlich effiziente erneuerbare Energien und wir brau-hen ökologisch und ökonomisch effiziente neueraftwerke nach 2010.
ir brauchen beides. Man muss wissen, dass es verschie-ene Investitionsträger für diese Maßnahmen gebenird. Wie will man solche wichtigen Entscheidungen, beienen es um Beträge in Höhe von Milliarden Euro geht,efördern, wenn man eine konfrontative Politik betreibt?an muss versuchen, die verschiedenen Interessengrup-en an einen Tisch zu bringen, damit man belastbar pla-en und bis zum Jahr 2010 auch bei den erneuerbarennergien ein gemeinsames Konzept entwickeln kann.an muss bereit sein, die interessierten Vertreter an einenisch zu bringen. Das haben Sie nicht gemacht.Dadurch drängt sich für uns und auch für mich per-önlich der Eindruck auf, dass es Ihnen vor allen Dingenm Klientelpflege geht. Es geht Ihnen darum, Ihrem ei-enen Anhang und dem Anhang der Grünen zu zeigen,ass Sie für bestimmte parteipolitische Programme ste-en. Dabei wissen Sie nicht, ob Sie das auch gegen deniderstand der anderen durchsetzen können. Für einenerantwortungsbewussten Umweltminister ist das deralsche Weg. Gehen Sie weg von der Konfrontation. Ge-ensätze aufzubauen ist falsch. Wir brauchen in dieserrage keine Gegensätze. Sie müssen alles tun, damitrücken gebaut werden. Das tun Sie aber nicht. Sie rei-en sogar Brücken ein. Das ist der konkrete Vorwurf,en wir Ihnen machen müssen.
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Dr. Peter PaziorekDass das Geschäft mit dem Bundesfinanzministerschwierig ist, weiß man. Ich muss zugeben – KlausLippold wird das auch zugeben –, dass wir das währendunserer Regierungszeit auch erlebt haben, als es umMaßnahmen zur Wärmedämmung ging. Man muss aberimmer wieder anfangen. Da hilft auch nicht der Ein-wand, dass jetzt die Mittel für das Kreditprogramm derKfW mit etwas besseren Zinssätzen erhöht worden sind.Wir müssen ein klares Konzept dafür haben, wie wir andie Sanierung des Altbaubestandes in Deutschland he-rangehen wollen. Denn 25 Prozent des C02-Ausstoßeswerden in diesem Bereich produziert.Es hat keinen Zweck, einerseits auf die Industrie ein-zuprügeln, sie andererseits – wie bei dem Teil Ihrer Redeüber die Selbstverpflichtung – indirekt zu loben. Dort,wo wir wirklich nach vorne kommen könnten und etwasfür die mittelständischen Baufirmen tun könnten, tau-chen Sie weg, weil Sie gegen den Finanzminister verlo-ren haben. Das ist der falsche Ansatz. Bitte, machen Sieeine realistische Klimaschutzpolitik.Die Bundesregierung hat kein Konzept, wie sie beimRohstoffeinsatz und beim Energieeinsatz Effizienzstei-gerungen bewirken kann. Sie streiten sich darüber. Aberdiese Frage ist entscheidend für eine nachhaltige wirt-schaftliche Entwicklung. Von einer überzeugenden Pro-grammatik kann bei dieser Regierung leider keine Redesein. Kurz zusammengefasst muss man sagen: Der Kli-mapolitik dieser rot-grünen Bundesregierung fehlt jedezielführende Systematik.
Was die Abfallpolitik betrifft, so sagen auch dieFachleute des Ministeriums, es fehle zum Beispiel eineklare Abgrenzung der Begriffe Abfallverwertung undAbfallbeseitigung. Alle warten auf eine Novellierungdes Abfallrechts. Aber aus Ihrem Hause wird immerwieder gesagt, dass kein Handlungsbedarf gesehenwerde. Wenn man mit Vertretern der Kommunen undEntsorgungsunternehmen spricht, stellt man fest, dasshänderingend darum gebeten wird, rechtliche Klarstel-lungen zu treffen.Sie sagen aber auch im Ausschuss nur, dass Sie hierund da einige Verordnungen auf den Weg bringen wer-den. Das ist Flickschusterei. Das ist kein geschlossenesneues Abfallkonzept. Sie weichen diesem Konflikt aus,weil Sie der Ansicht sind, dass es hier oder da Wider-spruch geben werde. Noch einmal: Diese Widersprüchesind manchmal zielführend. Bringen Sie die Menschenan einen Tisch und versuchen Sie, auch im Bereich derAbfallpolitik endlich die Antworten auch auf die neueneuroparechtlichen Fragen zu geben. Wenn Sie das tunwürden, wären wir sicherlich ein Stückchen weiter.Die Chemikalienpolitik habe ich vorhin schon ange-sprochen.Ich will noch einmal kurz auf die Endlagerung zusprechen kommen. Es hat inhaltlich einen Dissens zwi-schen uns über die Frage gegeben, ob es sich lohnt, indem Arbeitskreis Endlager mitzuarbeiten oder nicht. DieZusammenarbeit wäre beinahe zustande gekommen. Aufunserer Seite war nicht von vornherein ein Nein da.bwgshribSnbfkkwwksZPEssdkgwfzASLdbEedsAsabcltu
Vor dem Hintergrund, dass – wie gestern der Presseu entnehmen war – Ihnen der Firmenchef eines großenutomobilunternehmens in Deutschland vorwirft, dassie nach Lust und Wimpernschlag – nicht nach Lust undaune – seit langem vereinbarte Ziele ändern, stellt sichie Frage, ob dieser Weg richtig ist.Umweltziele müssen ehrgeizig sein und klare Vorga-en für die Wirtschaft beinhalten. Es darf aber nie derindruck entstehen, Herr Minister, dass solche Zielver-inbarungen eventuell eines Tages einseitig aufgekün-igt werden können, es sei denn, es liegen gewaltige ge-undheitspolitische Probleme vor. Mit rechtlichenuflagen und Zwangsmaßnahmen allein werden wir daschwierige Feld der Umweltpolitik nicht erfolgreich be-ckern können.Wir brauchen einen anderen Stil, Herr Minister. Wirrauchen einen Umweltpakt für Deutschland. Wir brau-hen Zielvereinbarungen mit den wichtigen gesellschaft-ichen Gruppen. Nur so werden wir in Deutschland wei-erkommen. Dazu brauchen wir einerseits ehrgeizigemweltpolitische Zielvorstellungen, andererseits auch
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Dr. Peter Paziorekdie Bereitschaft zum Dialog und zum Konsens. WennSie, Herr Umweltminister, es an dieser Bereitschaft feh-len lassen, dann ist zu befürchten, dass die Umweltpoli-tik in Deutschland knapp zehn Jahre nach Töpfer undwenige Jahre nach Merkel durch eine verfehlte Politikvor dem Scheitern steht. Herr Minister, für eine solcheunverantwortliche Politik können Sie die Zustimmungder Union nicht erhalten.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Astrid Klug von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Der Haushalt des Bundesumweltministeriums, denwir heute beraten, ist mit seinen 791,4 Millionen Euroein bescheidener und kleiner Haushalt. Er macht nur0,3 Prozent des Gesamthaushalts aus. Das Gewicht derUmweltpolitik sowohl im Haushalt als auch in der Poli-tik der Koalition und die Bedeutung der Umweltpolitikfür die Zukunftsfähigkeit unseres Landes sind dagegenum ein Vielfaches größer.Umweltschutz beginnt nämlich im Kopf. Hierbei giltnicht in erster Linie die Logik: je höher die Ausgaben,desto besser die Umweltpolitik. Zutreffend ist vielmehr:Je besser und mutiger die Ideen und je konsequenter ihreUmsetzung, desto besser, verantwortlicher und nachhal-tiger sind die Ergebnisse der Politik. Die Ideen in derUmweltpolitik kamen in den vergangenen Jahren nichtvon der Opposition in diesem Hause, sondern von derKoalition.
Wir freuen uns darüber, was in den vergangenen Jah-ren in der Energiepolitik, im Umweltschutz, für die Luft-reinhaltung, beim Wasser- und Bodenschutz und in derinternationalen Zusammenarbeit erreicht und bewegtwurde. Herr Kollege, ich habe auch heute von Ihnenkeine einzige Idee gehört, wie Sie Umweltpolitik in die-sem Lande gestalten wollen.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Bundeshaushaltfolgt dem Prinzip der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeitheißt, die Lebensgrundlagen für die kommenden Gene-rationen zu wahren und die vorhandenen Ressourcen zuschonen. Sie heißt auch, nicht unbegrenzt Schulden zumachen und die nachfolgenden Generationen mit unse-rer Zinslast zu erdrücken. Vielmehr soll ihnen das Rechtauf eigene Entscheidungs- und Handlungsspielräume zu-rückgegeben werden. Nachhaltigkeit heißt ferner, heutein die ökologische Modernisierung unseres Landes undin umweltfreundliche Technologien zu investieren.Nachhaltigkeit heißt schließlich, der Globalisierung eineRichtung zu geben, Armut in der Welt zu bekämpfen,RNwenHwcSvdtnevbEEnÜjewü2ndnatuwEnHZdueKnWehddmHA
Die Koalition, insbesondere die SPD, begreift Um-eltpolitik als Querschnittsaufgabe. Den Anspruch,ine ökologische Politik zu machen, finden Sie deshalbicht nur im Umwelthaushalt, sondern im gesamtenaushalt, in allen Ressorts. 4,3 Milliarden Euro Um-eltausgaben in allen Einzelplänen sprechen eine deutli-he Sprache und zeigen, dass die Umweltpolitik keinchattendasein mehr führt, sondern dass sie zur Selbst-erständlichkeit wird, und zwar aus Verantwortung füriese Erde, die es nur einmal gibt, und aus Verantwor-ung für die Menschen, vor allem für diejenigen, dieoch nicht geboren sind.
Im Interesse der noch nicht geborenen Generationenntzieht sich der BMU-Haushalt auch nicht der Gesamt-erantwortung für die Konsolidierung der Staatsausga-en. Deshalb nimmt der Einzelplan 16 um 2,6 Millionenuro ab. Wir freuen uns, dass es trotz der notwendigeninsparungen gelungen ist, die großen Programmtiteloch immer auf einem sehr hohen Niveau fortzuführen.ber 15 Millionen Euro werden für Naturschutzgroßpro-kte, über 4 Millionen Euro für Erprobungs- und Ent-icklungsvorhaben auf dem Gebiet des Naturschutzes,ber 57 Millionen Euro für die Umweltforschung und00 Millionen Euro für das Marktanreizprogramm für er-euerbare Energien bereitgestellt. Wir fördern außerdemie Umwelt- und Naturschutzverbände mit über 4 Millio-en Euro. Das sind über 70 Prozent mehr als zu der Zeit,ls Sie, liebe Kollegen von der Opposition, Verantwor-ng in diesem Land hatten. Das zeigt den hohen Stellen-ert, den wir den Umweltverbänden bei der ökologischenrneuerung unserer Gesellschaft beimessen. Wir wissenämlich, dass wir dabei auf sie angewiesen sind.
Umweltrisiken machen nicht an nationalen Grenzenalt. Deshalb steht ebenfalls die grenzüberschreitendeusammenarbeit im Mittelpunkt unserer Politik. Mitem Beratungshilfeprogramm für die Staaten Mittel-nd Osteuropas und mit den Pilotprojekten „Ausland“xportieren wir deutschen Sachverstand, Umwelt-now-how und unsere Erfahrungen, die für unsere inter-ationale Vorreiterrolle im Umweltschutz stehen. Derissens- und Technologietransfer sichert deutsche unduropäische Umweltstandards vor allem im Zusammen-ang mit der EU-Osterweiterung und verbessert außer-em die Chancen Deutschlands auf dem größer werden-en europäischen Markt.Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Opposition,alen aus ideologischen Gründen immer das gleicheorrorszenario an die Wand: Umweltschutz vernichtetrbeitsplätze, Umweltschutz also als Jobkiller.
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5190 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Astrid KlugDabei ist in unserer Republik das genaue Gegenteil dieWahrheit. Die natürlichen Lebensgrundlagen, also dieUmwelt, sind das Fundament, auf dem die wirtschaftli-che Entwicklung und unser Wohlstand aufbauen. Werheute am Umweltschutz spart und nicht die richtigenWeichen stellt, verringert den Wohlstand von morgen.
Eine fortschrittliche Umweltpolitik sichert wichtigeWachstumsmärkte der Zukunft und schafft damit neueArbeitsplätze. Der Markt für Umweltschutzgüter undUmweltdienstleistungen zählt zu den am stärksten wach-senden Wirtschaftsbereichen des 21. Jahrhunderts. DerUmweltmarkt ist weltweit sehr innovativ. Deutsche Un-ternehmen haben dank einer vorausschauenden Umwelt-politik und dank hoher deutscher Umweltstandards einenTechnologievorsprung in diesem Bereich und haben des-halb hervorragende Ausgangsbedingungen auf dem glo-balen Markt. Die Zahl der Umweltschutzarbeitsplätzeliegt in Deutschland inzwischen weit über der 1-Millio-nen-Grenze. Deshalb ist Umweltschutz kein Jobkiller,sondern ein wichtiger Jobmotor, den wir gerade in derheutigen Zeit dringend brauchen.
So wird es auch bei dem Thema Rußpartikel sein,wenn wir mit der Fortschreibung der Grenzwerte durchdie Euronorm V darauf bestehen, dass technologischeAnwendungen in Fahrzeugen, die die gesundheitsschäd-lichen und lungengängigen Kleinstpartikel zu über99 Prozent aus den Dieselabgasen herausfiltern können,zum Standard werden. Wir unterstützen deshalb nach-drücklich die Initiative von Umweltminister JürgenTrittin und seiner französischen Kollegin. Wir freuenuns darüber, dass in den letzten Wochen endlich auch diedeutschen Automobilunternehmen die Zeichen der Zeiterkannt und den Einbau von Partikelfiltern in Fahrzeu-gen angekündigt haben. Hier befinden wir uns mittler-weile auf einem guten Weg. Wir freuen uns auf die ent-sprechende EU-Initiative.
Wie man bei der Dieseltechnologie sieht, weisen Um-weltschutzmaßnahmen fast immer eine hohe gesamt-wirtschaftliche Rentabilität auf. Durch die Förderungder viel diskutierten erneuerbaren Energien entsteht fürden Durchschnittshaushalt einerseits eine Mehrbelastungvon derzeit 8 Euro pro Haushalt und Jahr. Die volkswirt-schaftliche Ersparnis infolge vermiedener Umwelt- undGesundheitsfolgeschäden liegt andererseits bei 65 Europro Haushalt und Jahr. Daran sieht man: Umweltschutzrechnet sich und er ist eine Investition in die Zukunft.
Heute ist der 11. September. Das ist ein denkwürdi-ges Datum. Spätestens seit den Ereignissen vor zweiJahren wissen wir, dass Sicherheit ein hohes, aber auchsehr zerbrechliches Gut ist, dass es in einer Welt, in derdbcdwwlugurwnseZhsnvanummnNNlwdsWdWbdlfcSw
Das Wort hat jetzt die Kollegin Birgit Homburger von
er FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!enn man dieser Debatte folgt, dann kann man ins Grü-eln kommen. Ich habe mich doch schon sehr gewun-ert, Herr Minister, dass Sie vorhin erklärt haben, in denetzten Tagen habe sich wieder einmal gezeigt, wer re-ormfähig sei und wer nicht, und dies an der Verpa-kungsverordnung festmachen.
ie tun so, als könne man an dem Zwangspfand für Ein-eggetränkeverpackungen die Reformfähigkeit dieses
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5191
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Birgit HomburgerLandes festmachen. Da gibt es doch nun wirklich ganzandere Themen!
Sie behaupten, die Verpackungsverordnung sei aufWunsch der Opposition hin neu eingebracht worden. Ja,Herr Minister Trittin, wir haben in der Tat eine kom-plette Novellierung der Verpackungsverordnung ge-fordert: weil wir neue Erkenntnisse haben, weil es neuetechnologische Entwicklungen gibt, die sich in den Vor-schriften widerspiegeln müssen. Der Schwachsinn, denSie vorgelegt haben, hat aber weder Hand noch Fuß. Sieschaffen mehr Bürokratie, aber die Grundprobleme wer-den nicht beseitigt. Deswegen ist das nicht das, was wirwollen. Wir haben Ihnen das schon tausendmal gesagt.Es ist unsinnig, das durchziehen zu wollen.
Sie verkennen noch etwas anderes: Sie haben eineuroparechtliches Problem.
– Natürlich. Sie brauchen gar nicht mit dem Kopf zuschütteln. Vielleicht muss ich einmal einen Rechtsanwaltvorbeischicken, der es Ihnen erklärt. – Die EU-Kommis-sare Wallström und Bolkestein haben Ihnen nämlichmitgeteilt, man erwarte aus wettbewerbsrechtlichenGründen ab dem 1. Oktober ein einheitliches, flächen-deckendes Rücknahmesystem in Deutschland. Wo istdenn das, bitte schön? – Nirgends, weil es überhauptnicht eingeführt werden kann. Da es auf europäischerEbene diese Rechtsunsicherheit gibt, wäre jedes Unter-nehmen, das jetzt investierte, irrsinnig. Ich kann Sie nurnoch einmal auffordern – Sie haben dieses Chaos zu ver-antworten –: Nehmen Sie den von Ihnen angeordnetenSofortvollzug endlich zurück! Verlassen Sie diesen Irr-weg und novellieren Sie die Verpackungsverordnungnach den neuesten Erkenntnissen! Wenn Sie das tun,dann haben Sie uns an Ihrer Seite.
Frau Kollegin Klug, ich möchte auf das zu sprechenkommen, was Sie gesagt haben. Sie haben der Opposi-tion in diesem Hause vorgeworfen, immer wieder zu be-haupten, Umweltpolitik koste Arbeitsplätze.
In dieser Pauschalität behauptet das hier niemand. Nur,schauen Sie sich doch die Regelungen an, die Sie durch-ziehen wollen: Sie haben oftmals ökologisch keinen Ef-fekt, sind ökonomisch unsinnig und kosten unter demStrich – die Verpackungsverordnung und das Zwangs-pfand sind dafür die besten Beispiele – Arbeitsplätze.Das kritisieren wir, und zwar, wie ich finde, zu Recht.Wir brauchen in diesem Land nichts dringender als zu-sätzliche Arbeitsplätze. Die aber gibt es nur, wenn esvdUgDseSsewticSnNgIn–mdgcgkaaswtj
Herr Minister Trittin, die fünf Jahre Ihrer rot-grünenmweltpolitik sind ein Synonym für fünf Jahre Ideolo-ie und ökologischen Stillstand.
as drückt sich auch in Ihrem Haushalt aus. Wie schono oft haben Sie auch heute wieder vehement über erneu-rbare Energien gesprochen. Damit wir nicht wiederchwierigkeiten miteinander bekommen, sage ich Ihnenehr deutlich: Die FDP steht für die Förderung erneu-rbarer Energien,
eil wir das für eine klimapolitisch sinnvolle Zukunfts-echnologie halten.
Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode hierm Deutschen Bundestag ein eigenes marktwirtschaftli-hes Fördermodell vorgelegt. Das haben Sie abgelehnt.
ie können uns nicht vorwerfen, dass wir Ihren Wegicht mitgehen. Wir haben uns nicht darauf beschränkt,ein zu sagen; sondern wir haben eine Alternative vor-elegt.
ch finde, das ist aller Ehren wert.Auf die Dauer sind auch die erneuerbaren Energienicht ohne Probleme. Die Netze beispielsweise müssendas möchte ich an dieser Stelle schon einmal deutlichachen – ausgebaut werden. Ganz besonders gilt das fürie Offshore-Windparks, von denen Sie, Herr Minister,esprochen haben. Auch regenerative Energien verursa-hen also zusätzliche Kosten; da können wir womöglichanz schnell an Grenzen stoßen. Wer für Zukunftsfähig-eit sorgen und die Potenziale erneuerbarer Energienusschöpfen will, der muss nach unserer Auffassunguch in die Energiespeicherforschung investieren, bei-pielsweise in die Wasserstofftechnologie.
Ich möchte von Ihnen einmal eine Erklärung haben,arum Sie in der letzten Legislaturperiode unseren An-rag dazu abgelehnt haben. – Sie sagen, Sie wollen dasa.
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Birgit HomburgerSie können sicher sein, dass wir in diesen Haushaltsbera-tungen einen entsprechenden Antrag einbringen werden.Dann können Sie zeigen, ob es Ihnen damit ernst ist odernicht.
Wenn wir die erneuerbaren Energien zukunftsfähigmachen wollen, dann muss jetzt auch an der Schaffungneuer Modelle gearbeitet werden. Man darf dabei nichtauf garantierte Preise und auf die Vorgabe von Techni-ken setzen. Deswegen fordern wir ein marktwirtschaft-liches Fördermodell. Es kann nicht sein, dass Bürgerin-nen und Bürger durch die Garantie überhöhter Preise imEEG die Renditen bei Investitionen in Windkraftanlagenzahlen, die weit über dem liegen, was man bei einer An-lage am Kapitalmarkt erwirtschaften könnte. Diese Vor-gehensweise ist, finde ich, unredlich und sorgt im Übri-gen dafür, dass sich immer mehr Menschen gegen dieWindenergie wenden. Unser aller Ziel muss es doch abersein, diesen Unsinn abzustellen und die Akzeptanz er-neuerbarer Energien bei den Bürgerinnen und Bürgerndurch vernünftige Maßnahmen zu erhöhen. Dazu for-dern wir Sie auf.
Stattdessen, Herr Trittin, streiten Sie sich jetzt mitHerrn Clement über die Frage: Kohle oder Windkraft?Das ist doch beileibe nicht die Alternative! Wir brauchenein zukunftsfähiges Energiegesamtkonzept.
Das sind Sie immer noch schuldig geblieben. In einemsolchen Konzept haben die regenerativen Energien einenAnteil. Man kann darüber reden, ob man bestehendeKohlekraftwerke durch effizientere ersetzt. Im Sinne desKlimaschutzes kann es aber nicht sein, stärker als bisherauf fossile Energieträger zu setzen.Schließlich und endlich muss in der langfristigenKonzeption auch die Kernfusion eine Rolle spielen.Deswegen fordern wir Sie auf, das ITER-Projekt euro-päisch zu unterstützen.
– Herr Kollege Kubatschka, es mag sein, dass wir dasnicht mehr erleben.
Ich will Ihnen eines sagen: Wer in der Energiepolitiküber Zukunftskonzepte redet, darf nicht nur über dienächsten 10 oder 20 Jahre reden, sondern muss über dienächsten 50 bis 100 Jahre reden.
Für diesen Zeitrahmen muss auch schon jetzt Forschungbetrieben werden. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, dannzeigt das ein weiteres Mal, dass Sie sich dem verwei-gern, was für die Zukunft nötig ist.
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! De-batten über Umweltpolitik finde ich hier immer höchstspannend. Es ist fast jedes Mal das Gleiche: HerrPaziorek für die CDU/CSU und Frau Homburger für dieFDP haben wunderbare umweltpolitische Ideen, entfal-ten sie hier und haben die allerbesten Konzepte, ihr je-weiliges Führungspersonal aber will davon überhauptnichts wissen.
Bevor ich nun auf Aussagen von Frau Merkel ein-gehe, möchte ich zu Ihren Klagen, Herr Paziorek, dasswir Altbausanierungen zu wenig unterstützen und zuwenig Geld für CO2-Minderungsmaßnahmen ausgeben,ganz kurz anmerken, dass es unter den UmweltministernTöpfer und Merkel für CO2-Minderungsmaßnahmen imGebäudebestand zwischen 16 und 20 Millionen DM gab.Sie haben wahrscheinlich nur den Einzelplan 16 für Um-welt, aber nicht den Einzelplan 12 gelesen, denn wir ha-ben hierfür im Haushalt einen Verpflichtungsrahmen von304 Millionen Euro vorgesehen.
– Das ist ein unheimliches Volumen, mit dem wir for-ciert Umweltschutz und Klimaschutz am Bau fördern.Diese Größenordnung hätten Sie erst einmal vorsehensollen, bevor Sie solche Sätze wie vorhin wiederholen.
Mehr Sorge macht mir, dass Frau Merkel, wenn siedrankommt, wie ich am 6. September in der Zeitung ge-lesen habe, das Atomausstiegsgesetz wieder zurückneh-men will.
Dazu hätte ich gerne von Ihrer Seite ein paar Sätze ge-hört. Gestern habe ich von anderer Seite – so etwas hörtman ja nicht nur von Frau Merkel – die Klage gehört,dass die Windenergie vom Verbraucher mit 1,3 Milliar-den Euro gefördert werde. Insofern muss ich hier docheinmal ein wenig Aufklärung betreiben. Ich habe näm-lich das Gefühl, dass die Opposition das Erneuerbare-Energien-Gesetz nach wie vor nicht begreifen will.PdwnfStKsKIGgdrDwdeKdbmsEdlrudnSsvthrgsanImAwhId
Ich möchte schon noch ein paar Sätze zu diesem ei-enartigen Streit sagen, der sich in diesem Sommer aner Windkraft und damit indirekt auch an den erneuerba-en Energien insgesamt hier im Lande entzündet hat.ass Sie sich sofort darauf gestürzt haben, halte ichirklich für unverantwortlich. Man muss nämlich sehen,ass atomare und fossile Energien im Gegensatz zu denrneuerbaren Energien sehr hohe volkswirtschaftlicheosten nach sich ziehen. Das UBA hat ausgerechnet,ass für Waldsterben, Flutschäden, Dürreschäden, Berg-auschäden, Gesundheitskosten, Atomtransporte usw.indestens 5 Euro pro Haushalt und Monat anzusetzenind. Dieses Geld wird beim Einsatz von erneuerbarennergien unmittelbar und handfest eingespart. Diese in-irekten Kosten sollte man also auch einmal einkalku-ieren.
Auch für etwas anderes tragen Sie, die Sie lange Jahreegierten, direkt Verantwortung. Lange Zeit sind Kohlend Atomenergie in ganz anderer Weise gefördert wor-en als heute die erneuerbaren Energien. Wir fördern sieämlich nicht direkt, sondern durch eine Umlage bei dentromkosten. Das ist genau der entscheidende Unter-chied. Die Atomenergie hat nach Schätzungen in denergangenen Jahren über 80 Milliarden Euro an Subven-ionen bekommen. Von diesem Vorteil profitiert sie biseute. Deshalb ist man in diesem Bereich ja auch so da-an interessiert, die bereits abgeschriebenen Atomanla-en so lange wie möglich laufen zu lassen. Irgendwiecheint es da allen egal zu sein, ob wir dann vielleichtuch irgendwann einmal solche Probleme wie in Tscher-obyl bekommen.
ch verstehe wirklich nicht, dass Ihre Partei letztlich im-er wieder einem so leichtsinnigen Umgang mit dertomkraft das Wort redet. Das ist wirklich unverant-ortlich.Die Kohlesubventionen, die wir bis 2005 noch zahlen,aben Sie – das sollten Sie doch wissen – bereit gestellt.n diesem Jahr sind es noch über 3 Milliarden Euro. Abem nächsten Jahr wird es stufenweise weniger. Wir
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Franziska Eichstädt-Bohligbemühen uns zumindest, sie auslaufen zu lassen, weilwir der Meinung sind, dass in den fossilen Energieträ-gern nicht die Zukunft der Energieversorgung liegt.Dass die erneuerbaren Energien zurzeit ein ganz we-sentlicher Faktor zum Schaffen von Arbeitsplätzen sind,hat meine Kollegin eben schon dargestellt. Wir haben inden letzten vier Jahren tatsächlich mehr als 130 000 Ar-beitsplätze in diesem Bereich geschaffen, allein in derWindkraftindustrie 40 000. Das ist nicht wenig in Zeiten,in denen überall Arbeitsplätze abgeschafft werden.Ich will noch etwas sagen, was viele immer wiederunter den Teppich kehren: Hinter dem Streit um Kohleund Atom auf der einen Seite versus Wind, Sonne, Bio-masse, Wasserkraft und Geothermie auf der anderenSeite steckt auch die Frage, ob für die Energieerzeugungim Wesentlichen nur Großkonzerne zuständig sein sollenoder ob nicht auch unsere Landwirte, unsere Gewerbe-treibenden und unsere Hausbesitzer das Recht haben,Energiewirte zu sein. Dann nämlich hätten wir einedezentrale Energieerzeugung, an der viele Akteure inder Gesellschaft in vielen Regionen und Wirtschafts-zweigen beteiligt wären. Insofern geht es auch um einenKampf vieler kleiner Davids gegen wenige großeGoliaths. Dazu sage ich ganz klar: Unsere Fraktion istauf der Seite der Davids und ich hoffe, dass wir damitden Mittelstand und die vielen, die für den Mittelstandeintreten, auch einmal konkret unterstützen.
Ich möchte, dass diese für unser Land wirklich schäd-liche Diskussion, in der Sie meinen, die erneuerbarenEnergien in ihrer Bedeutung herunterreden zu können,beendet wird. Auch ich finde, dass man bei der Nutzungder Windkraft auf die richtigen Standorte achten muss.Das sollte – dafür engagiere auch ich mich – im Bauge-setzbuch entsprechend geregelt werden. Länder undKommunen müssen dies entscheiden können und auchdie Regionen ausgucken, in denen es nicht passt. Aber esist unverantwortlich, gerade in diesen Zeiten die Bedeu-tung der regenerativen Energien abwerten zu wollen.Das schadet den Branchen, die mit Wind- und Solarener-gie zu tun haben. Insofern bitte ich Sie: Kommen Sie zu-rück, unterstützen Sie das, was in diesem Bereich nötigist. Uns ist bekannt, dass auch in Ihren Reihen einigesehr genau wissen, wie wichtig das wäre.
Frau Eichstädt-Bohlig, auch wenn Sie Ihre Rede of-
fenbar gerade beenden wollten: Erlauben Sie noch eine
Frage?
Ja.
Bitte schön, Herr Paziorek.
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Erstens kann ich mich erinnern, dass es diese De-
onstration gegeben hat und dass auch Grüne dabei wa-
en. Es wäre völlig falsch, das zu leugnen. Zweitens be-
tätige ich, dass die Auseinandersetzungen zum Thema
ohle nicht immer nur im Sinne von Schwarz-Gelb ver-
us Rot-Grün verlaufen.
Aber angesichts der Tatsache, dass Sie und die FDP
mmer wieder mit unschuldigem Augenaufschlag be-
aupten, die Kohleförderung sei das Böse schlechthin,
uss ich drittens sagen: Egal, was wir und die SPD ge-
acht haben und was Nordrhein-Westfalen gewünscht
at – Sie sollten sich daran erinnern, dass die Verantwor-
ung für die Finanzierung bis 2005 bei Ihnen liegt. Inso-
ern bin ich für Fairplay. Jeder soll zu seiner Verantwor-
ung stehen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Albrecht Feibel von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen! Ver-hrte Kollegen! Zum Ersten ein Wort zu meiner Lands-rau, die hier das Thema Neuverschuldung angespro-hen hat: Verehrte Kollegin Klug, Sie hätten bessereschwiegen. In diesem Jahr haben wir eine gigantischeeuverschuldung von über 40 Milliarden Euro. Eigent-ich hätte Herr Eichel, bevor wir den Haushalt 2004 be-aten, einen Nachtragshaushalt 2003 vorlegen müssen.rst dann hätten wir den Haushalt auf einer vernünftigenrundlage beraten können. Das hat er nicht gemacht.
Zum Zweiten: Wir werden auch 2004 eine giganti-che Neuverschuldung erleben. Deshalb wäre es sinn-oller gewesen, das Thema auszulassen. Denn diese er-eute Neuverschuldung in Milliardenhöhe – eigentlichst diese Regierung angetreten, um Schulden abzubauen
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Albrecht Feibel– werden nachhaltig auf die nächsten Generationen über-tragen.Ein Wort zu meiner Kollegin aus dem Haushaltsaus-schuss: Liebe Kollegin Eichstädt-Bohlig, ein zweitesTschernobyl möchte niemand.
Aber gerade weil wir das verhindern wollen, müssen wirKernforschung betreiben. Nur so können die noch vor-handenen Atomkraftwerke sicherer gemacht werden.
– Dann machen Sie einmal die 360 Kraftwerke, die aufder Welt bestehen, dicht, und nicht nur die besten, die esgibt, nämlich die in Deutschland.
Nun zur Frage nach der Reformfähigkeit, die derMinister angesprochen hat. Herr Minister Trittin, Re-formfähigkeit drückt sich nicht darin aus, dass man allesanders macht, sondern Reformfähigkeit drückt sich darinaus, dass man es besser macht. Auch bei genauerer Be-trachtung des Haushaltsentwurfs für den Einzelplan 16,den Sie vorgelegt haben, sehe ich nicht, dass da etwasbesser geworden ist. Wer diesen Haushalt kritisch be-trachtet, stellt fest, dass Schröder, Fischer und andere imKabinett zwar über Sparen reden, aber nicht so handeln.Das drückt sich in vielem aus, insbesondere darin,dass Sie mehr verwalten als gestalten. Das heißt, die Ver-waltungskosten nehmen seit fünf Jahren kontinuierlichzu und die Ausgaben für Programme im Haushalt neh-men kontinuierlich ab. Damit stellen Sie nicht geradeIhre Reformfähigkeit unter Beweis; damit hängen Sieden alten Methoden grüner Politik an.Der Anteil der Programme am Stammhaushalt desUmweltministers beträgt heute 43 Prozent. 1998, als dieBundesumweltministerin Merkel hieß, machte dieserAnteil 53 Prozent aus; entsprechend kleiner war der An-teil für die Verwaltung. In absoluten Zahlen ausgedrücktheißt das: Im Vergleich zu 1998 gibt Herr Trittin circa50 Millionen Euro mehr für die Verwaltung aus, wäh-rend der Programmhaushalt um 25 Millionen Euro zu-rückgefahren wurde. Es bleibt leider dabei, dass die Ver-waltungskosten ständig steigen und die Aufwendungenfür die eigentlichen Umweltausgaben sinken. Gleichzei-tig kann festgestellt werden, dass die Arbeit vom HauseTrittin trotz dieser höheren Ausgaben qualitativ eherschlechter denn besser geworden ist.
Für Rot-Grün ist es bequemer, neue Schulden zu ma-chen und die Probleme auf die nächste Generation zuverlagern, wie ich das hier mit Blick auf die KolleginKlug schon ausgeführt habe. Allerdings gibt es dochnoch Einsparungen im Einzelplan 16, und zwar in ersterLinie im Programmbereich, nämlich dort, wo es darumgeht, ehrenamtliche Arbeit und Verbände, die sich umdie Umwelt kümmern, finanziell zu unterstützen. BereitsiHGddzddnvrhjhmiknDdnklNsMFvdzdhtubdarrGlMvSeGEOJ
Auch der VCD, in dessen Verbandsspitze sich Besit-er roter und grüner Parteibücher tummeln, wird gut be-acht, obwohl er in der Zeitschrift „Öko-Test“ wegen zuoher Personal- und Verwaltungsausgaben eine vernich-ende Kritik erfuhr. Übrigens hat er für die Jahre 2000nd 2001 keine Jahresabschlüsse vorgelegt. Dieser Ver-and wird zusätzlich gefördert. Ich finde, die Auswahler zu fördernden Verbände, die hier getroffen wird, istußerordentlich fragwürdig. Regierungsnah und regie-ungsfreundlich bedeutet zusätzliche Förderung, regie-ungskritisch heißt Abstrafung: kein Geld oder wenigereld.In der von Minister Trittin mitbestimmten Energiepo-itik scheint Geld ohnehin keine große Rolle zu spielen.anchmal hat man den Eindruck, es sei unendlich vielerfügbar.Damit komme ich auf die Endlager Gorleben undchacht Konrad zu sprechen. Mehr als 40 Millionen Eurontgehen uns, weil der Minister nicht zulässt, dass inorleben und im Schacht Konrad endgelagert wird. Dieinnahmen tendieren gegen null, die Ausgaben für dieffenhaltung liegen bei über 40 Millionen Euro proahr. Nach trittinscher Auffassung ist Gorleben ein
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Albrecht Feibel„verbrannter Standort“; schließlich geht es nicht so sehrum die Sicherheit bei der Endlagerung, sondern um Ide-ologie. Deshalb hat der Minister den AK „End“, heuteseine Lieblingsveranstaltung, ins Leben gerufen. Ob-wohl er vermutlich keine andere Lösung für eine Endla-gerung finden wird, wird hier zulasten der Stromkundenein ideologisches Spielchen weitergetrieben. Sie habengesagt, dabei gehe es nur um 1 Euro im Monat.
Aber es kommen ja noch die Ökosteuer und andereDinge hinzu, sodass sich das, was Rot-Grün den Fami-lien zumutet, summiert.
Für die Erschließung von Gorleben wurde bereitsmehr als 1 Milliarde Euro ausgegeben. Folgt das BMUden Empfehlungen der Kommission AK „End“, einenneuen Standort zu suchen – wenn es diese Empfehlun-gen denn gibt; das Ganze ist ja angeblich noch nichtausgewertet –, dann kommen nach Expertenschätzungen3 bis 5 Milliarden Euro zusätzliche Kosten auf dieStromkunden in Deutschland zu.
Herr Minister, machen Sie dem Spielchen ein Endeund belasten Sie die Stromkunden nicht unnötig mit zu-sätzlichen Kosten! Gorleben ist ohnehin einer der bester-kundeten und sichersten Standorte weltweit.
Es ist ein Skandal, wie verschwenderisch hier mit denMilliarden der Steuerzahler und der Stromkunden umge-gangen wird.
Diese Politik zeugt nicht von besonderer Verantwortungfür die Energieversorgung in Deutschland. Dass derKanzler von Ihrer persönlichen energiepolitischen Kom-petenz nicht überzeugt ist, hat er bewiesen, indem er Siezu dem Gespräch mit den großen Energieversorgungsun-ternehmen gar nicht erst eingeladen hat.Ein weiteres Thema bewegt die Bürger. Das Stich-wort lautet: Über-Förderung der Windkraft. Sicherbrauchen wir erneuerbare Energien, aber: müssen es im-mer die teuersten sein? Muss es immer in dieser Mengesein? Der Minister hat ja heute zugegeben, dass er dieDinge zurückfahren will. Es ist das erste Mal gewesen,dass er so etwas zugegeben hat. Es ist notwendig, dieStandorte sorgfältiger auszuwählen und dort, wo keinWind weht, nicht zu bauen, bzw. dort, wo weniger Windweht, auch weniger zu fördern.
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Nein, das ist nicht die Wasserkraft. Das sind nur dieinspeisevergütungen für die Windenergie.
Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.
Ja. – Ich bin also der Meinung: Wir müssen auch da-an denken, dass die Verteuerung von Energie auch ei-en Export von Arbeitsplätzen zur Folge hat. Durchine Verteuerung von Energie werden keine neuen Ar-eitsplätze geschaffen, sondern Arbeitsplätze ins Aus-and verlagert. Deshalb möchte ich den Minister auffor-ern, dort, wo er im Energiebereich Verantwortung trägt,ür eine entsprechende Wende und dafür zu sorgen, dassezahlbare erneuerbare Energie produziert wird.Zum Abschluss noch eine Empfehlung, die nicht soanz ernst gemeint ist, aber vielleicht trotzdem zumachdenken anregt.
as die Bioenergie angeht, so stellt sich die Frage, oban auch dort, wo die meiste Biomasse produziert wird,ine Umwandlung in Strom vornimmt. Das sollte viel-eicht beim Umweltministerium in Zukunft möglichein. Dort wird nämlich sehr viel Mist produziert.
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Das Wort hat der Kollege Horst Kubatschka, SPD-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Umweltpolitik ist für uns SozialdemokratenVorsorge für die kommenden Generationen. Unsere Kin-der und unsere Enkel sollen nicht für unsere Unterlas-sungen teuer bezahlen müssen.
Ihr Wohlstand soll nicht dadurch verzehrt werden, dasssie zum Beispiel die Folgen des Klimawandels ausba-den müssen.Als Umweltpolitiker steht für mich Energiepolitik un-ter dem Vorzeichen des Klimawandels. Die Lösung derEnergiefrage ist entscheidend für das zukünftige Klima,aber auch für den zukünftigen Wohlstand.
Bei der Lösung der Energiefrage müssen drei Zieleerreicht werden: erstens Umweltverträglichkeit, zwei-tens Versorgungssicherheit und drittens Wirtschaftlich-keit.
Dafür sind drei Ansätze entscheidend: erstens Ener-giesparen, zweitens Energieeffizienz und drittens erneu-erbare Energien. Wir sollten darüber streiten, liebe Kol-leginnen und Kollegen, wie wir diese Ziele erreichen. Esgeht nicht darum, eine Energieart gegen eine andere aus-zuspielen. In der letzten Zeit hat es sich in den Medienauf den Schaukampf „Kohle oder Wind“ verkürzt.Wenn dann noch die Frage personalisiert werdenkann, geht bei uns die Diskussion richtig los. Diese Per-sonaldiskussion ist zwar bei uns beliebt, aber sie ist kon-traproduktiv. Nicht zwischen Personen, sondern überden richtigen Weg sollte gestritten werden. Wir brauchensowohl effiziente Kohlekrafttechnologie als auch erneu-erbare Energien. Es geht also nicht um ein Entweder-Oder.Die rot-grüne Koalition hat die Energiewende einge-leitet. Wir haben in den letzten fünf Jahren die Erfolgs-story „erneuerbare Energien“ geschrieben. Die Koalitionwird diese Erfolgsstory einvernehmlich weiterschreiben.
Deswegen werden wir in nächster Zeit das Erneuerbare-Energien-Gesetz novellieren. Wir werden aus den bishe-rigen Erfahrungen die notwendigen Schlussfolgerungenziehen. Dabei werden wir die Effizienzfragen nicht ausdem Auge verlieren.Interessenvertreter wollen nicht zur Kenntnis neh-men, dass nach dem EEG eine Degression der Vergütungsowie kein Inflationsausgleich erfolgt. Der VerbandDfDAsLdldigwEkeuzWdlsTsmzfSssgbugLsndEnt
Wir haben uns vorgenommen, bis zum Jahre 2010 dennteil der erneuerbaren Energien zu verdoppeln. Wirind auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen.angfristig hat die Energie-Enquete des Deutschen Bun-estages eine anspruchsvolle Zielmarke gesetzt, näm-ich: Im Jahre 2050 sollen 50 Prozent des Energiebedarfsurch erneuerbare Energien gedeckt werden. Dieses Zielst realistisch und muss erreicht werden. Die notwendi-en Grundlagen legen wir jetzt. Das 21. Jahrhundertird einen grundlegenden, allmählichen Wandel in dernergieversorgung mit sich bringen. Wir werden weg-ommen von den fossilen und hinkommen zu den erneu-rbaren Energien.Als Chemiker sei mir ein Einschub erlaubt: Öl, Gasnd Kohle sind eigentlich viel zu schade, um verbranntu werden.
ir brauchen diese Grundstoffe für hochwertige Pro-ukte.Einige große Ölmultis wie BP und Shell scheinen dasängst erkannt zu haben. Unsere deutschen Energiever-orger hinken aber noch etwas hinterher. Sie sind in altenechnologien und in Großstrukturen verfangen. Ihre Per-pektiven scheinen der kurzfristige Ertrag und der Fir-enzukauf im Ausland zu sein. Dabei haben gerade dieentralen Strukturen in der letzten Zeit bewiesen, wie an-ällig sie sind. Großkraftwerke hatten in diesem heißenommer Schwierigkeiten mit dem Kühlwasser. Die Netz-törungen in den USA ließen viele im Dunklen sitzen.Um aber keine falsche Diskussion aufkommen zu las-en: Die Amerikaner haben mit ihrem Blackout ein haus-emachtes Problem: Nirgends wird so viel Strom ver-raucht, dazu kommt noch ein hoffnungslos veraltetesnd überlastetes Verteilernetz. Der ehemalige US-Ener-ieminister Bill Richardson hat es mit dem verrotteteneitungsgewirr einer Dritten-Welt-Nation verglichen.Zentrale Strukturen sind auch anfälliger für Terroran-chläge. Manche ziehen aus dem 11. September immeroch keine Konsequenzen. Deswegen wird die Zukunften dezentralen Strukturen gehören. Diese kleinteiligenergieversorgung bietet dem Handwerk sowie den klei-en und mittleren Unternehmen eine Chance und bedeu-et Arbeitsplätze.
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Horst KubatschkaWir haben die Chance zur Erneuerung und Umstruk-turierung. Bedingt durch den Ausstieg aus der Kernener-gie und der Alterung des Kohlekraftwerkparkes entstehtbis 2020 ein 50-prozentiger Ersatzbedarf. Es geht darum,den Energiestandort zu sichern. Deutschland darf nichtzu einem Stromhandelsland werden; denn dies würdenoch mehr Importabhängigkeit bedeuten.Über unsere Importabhängigkeit sollten wir einmaldiskutieren. Ich weiß, dass das schwieriger ist, als überPersonen zu streiten. Die Fakten lauten: Es werden97 Prozent des Erdöls importiert, 74 Prozent des Erdga-ses, 56 Prozent der Steinkohle und 100 Prozent desUrans für Uranbrennstäbe. Uran ist also wirklich keineeinheimische Energie, obwohl es manche anders darzu-stellen versuchen.Dagegen ist die erneuerbare Energie eine einheimi-sche Energie. Wir haben die Fähigkeit, diese Chance zunutzen. Unser Land ist Technologieführer bei den erneu-erbaren Energien, bei effizienter Kraftwerkstechnik undbei dezentralen Energieanlagen. Diesen Vorsprung müs-sen wir weiter ausbauen, indem wir die Technik anwen-den, aber auch, indem wir die Forschung auf diesem Ge-biet intensivieren. Unser Technologievorsprung istganz entscheidend, um auf dem Weltmarkt existieren zukönnen. Diese Chance können wir aber auch verspielen,wenn wir auf überholte Techniken setzen.Der Haushalt des Bundesministeriums für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit gibt die Möglichkeit,dass diese Chancen genutzt werden. Wir können dieseZukunftsindustrien, beispielsweise bei der Windenergie,aber auch gefährden, wenn wir die falschen Rahmenbe-dingungen setzen. Das Gejammer über die Subventionenist kurzsichtig und unehrlich. Jede neue Energieart mussam Anfang gefördert werden, um am Markt eine Chancezu haben. Das beste, nein, ich korrigiere, das schlech-teste Beispiel ist die Kernenergie. Sie wurde mit zwei-stelligen Milliardenbeträgen gefördert. Die Förderunghält noch immer an. Denken Sie zum Beispiel an die vielzu niedrigen Versicherungssummen für Kernkraftwerke.
Zum Schluss sei mir noch eine Anmerkung zur Kern-energie erlaubt. Das Ministerium ist ja schließlich auchfür Reaktorsicherheit zuständig. Dass diejenigen, die ihrLeben lang auf Kernenergie gesetzt haben, dieser Ener-gie des 20. Jahrhunderts nachtrauern, ist für mich ver-ständlich.
Dass die Kernenergie eine Zukunft hat, wie sie voraussa-gen, wird nicht eintreten. Die Kernenergiefreaks aus derCDU/CSU-Fraktion und andere Einzelstimmen meldensich immer wieder zu Wort. Auch dies war zu erwarten.Frau Kollegin Angela Merkel hat in einem „Bild“-Inter-view auf die Frage, ob sie Kernkraftwerke wieder zulas-sen würde, geantwortet – ich bitte, das genau zuwägen –:–fNdKkkdfsImdDdMhPmw–KkrC
Ich halte Ihren Zwischenruf und diese Aussage für ge-ährlich und verantwortungslos.
icht das Wollen der Kernkraftbetreiber ist entschei-end, sondern die Sicherheit.
ollegin Merkel hat sich um die Sicherheit von Kern-raftwerken anscheinend noch keine ernsthaften Gedan-en gemacht;
enn sonst käme sie nicht zu solchen Aussagen, die ichür leichtsinnig halte.Frau Kollegin Homburger, zu Ihnen. Sie sind ein be-onderer Freak der Kernfusion; davon träumen Sie.
hre Träume werden bloß nicht wahr werden. Ich kannich noch an meine Vorlesungen in Atomphysik Anfanger 60er-Jahre erinnern.
ie Professoren haben gesagt, bis zum Jahr 1985 wür-en wir über die Kernfusion verfügen. Jetzt ist man dereinung, man wisse vielleicht im Jahr 2050, ob es über-aupt möglich ist, diese in den Griff zu bekommen. Dieerspektive lag in den 60er-Jahren bei 25 Jahren. Wiean sieht, haben sich die Perspektiven verschoben undir investieren viel Geld.
Das ist für mich die falsche Frage. – Ich bitte Sie, liebeolleginnen und Kollegen, das noch einmal zu überden-en.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Der amtierende Präsident schließt sich mit besonde-em Dank für die eingehaltene Redezeit an.Ich erteile nun der Kollegin Doris Meyer für dieDU/CSU-Fraktion das Wort.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Ihr Haushalt 2004, sehr geehrter HerrTrittin, zeigt eines ganz klar: Das Umweltressort hat inder rot-grünen Koalition eindeutig weiter an Bedeutungverloren.
Von großen Erfolgen ist weit und breit keine Spur. Ange-sichts der vorgelegten Zahlen für 2004 ist mir schleier-haft, wie von der Fortsetzung einer angeblich so erfolg-reichen Politik gesprochen werden kann.
Denken Sie bei Ihrem Umwelthaushalt gelegentlicheinmal an die Herkunft des Wortes „haushalten“. Es be-deutet: das Haus bewahren. Das würde aber vorausset-zen, dass es etwas Gutes zu bewahren gibt. Besser wäremeines Erachtens, Sie davor zur warnen, dem Haus wei-ter das Fundament zu nehmen.Gegenüber dem Jahr 2003 steigt der Umfang des Ver-waltungshaushalts. Der Programmhaushalt, der Haus-haltsbereich zur Fortführung von Projekten zur Ressort-forschung und für die internationale Zusammenarbeit,sinkt. Ihr gesamter Haushalt, Herr Trittin, sinkt um2,6 Millionen Euro gegenüber 2003, und das, obwohldie Zuständigkeit für die erneuerbaren Energien vomWirtschaftsministerium in Ihr Haus gekommen ist.
Wo bleiben da die Impulse für den Umweltschutz undfür erneuerbare Energien, die Impulse für die Forschung,aber auch die Impulse für die Wirtschaft? Wenn schonkeine Impulse gegeben werden, dann wollen wir uns mitden Zielen beschäftigen. Ein konsequenter Ausbau dererneuerbaren Energien ist notwendig und findet auch dieUnterstützung der Union.
Ich möchte mich im Folgenden auf einige wenige As-pekte insbesondere der erneuerbaren Energien konzen-trieren. Im Rahmen des Programmhaushaltes sinken dieAusgaben für die Forschungsvorhaben um 13,4 Prozentim Vergleich zu 2003. Diese Ausgaben sind aber unver-zichtbar. Warum wollen Sie nicht mit Forschungsvorha-ben eine Schrittmacherfunktion übernehmen? Dies istvor allem bei der Photovoltaik bedauerlich. Wie schaffenSie es, Herr Trittin, vor diesem Hintergrund von einer er-folgreichen Fortführung Ihrer Politik zu sprechen? Er-folgreich ist ja noch nicht einmal die Zusammenarbeitmit Ihrer eigenen Koalition, allen voran mit Superminis-ter Clement.mwrDtnÖBtsdTuRlDdnvgmuSdzBDüsvnaetswdßueg
Deshalb möchte ich heute nicht nur kritisieren, son-ern auch ausdrücklich dafür danken, wie Sie, Herrrittin, und Ihre Kabinettskollegen Deutschland offennd ungeniert zeigen, wie verfahren und zerstritten dieegierungspolitik ist. Das nennt man Ehrlichkeit der Po-itik.
a kommt mir sofort wieder der Energiegipfel mit Bun-eskanzler Schröder in den Sinn. Dazu waren Sie jaicht eingeladen. Als Reaktion darauf haben Sie kurzorher noch Ihre Eckpunkte zu den erneuerbaren Ener-ien vorgelegt. Einzelne Streitereien sind dabei sympto-atisch für den Gesamtzustand des Kabinetts Schrödernd zeigen deutlich die Konzeptionslosigkeit. Streitenie nur ruhig weiter. Die Wählerinnen und Wähler wer-en es Ihnen danken,
unächst am 21. September bei den Landtagswahlen inayern und dann bei der nächsten Bundestagswahl.
a bin ich mir ganz sicher.
Wenn Sie aber noch Zeit für die Regierungsarbeit er-brigen können, so möchte ich Ihnen hierzu einige Vor-chläge machen. Nehmen wir zum Beispiel die Photo-oltaik. Warum wird die Forschung auf diesem Gebieticht wesentlich verstärkt? Warum wird nicht noch mehruf den Export unserer deutschen Technik in Länder mitiner hohen Sonnenintensität gesetzt?
Ihr Vorschlag, auch Freiflächen in das EEG-Vergü-ungssystem aufzunehmen, birgt Gefahren. Vor der Ver-iegelung von Flächen durch Anlagen der Photovoltaikarne ich. Anlagen an oder auf Gebäuden sind sinnvoll,a sie weniger Fläche und Aufwand erfordern. Sie sto-en bei der Bevölkerung auf ungleich mehr Akzeptanznd können zudem als architektonische Elemente gezieltingesetzt werden und eine Bereicherung darstellen.Ich komme nun zum Thema Wasser, meinem heuti-en Hauptthema. Die so genannte Große Wasserkraft
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5200 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Doris Meyer
soll nach dem vorliegenden EEG-Entwurf erstmalig indas Gesetz aufgenommen werden. Ich gebe zu beden-ken, dass damit lediglich einige wenige große Energie-versorgungsunternehmen unterstützt werden. Das erin-nert mich sehr stark an die Härtefallregelung, die zumWohle einiger weniger Unternehmen in Deutschland insEEG eingefügt wurde. Wo blieben die anderen? Die an-deren blieben auf der Strecke. Sie war ebenso wie diegeplante erstmalige Aufnahme der Großen Wasserkraftein Zugeständnis an einige wenige Unternehmen. Ich be-fürchte, dass dies zulasten der Kleinen geschieht.Zur Kleinen Wasserkraft ist zunächst einmal anzu-merken, dass die Bezeichnung als „klein“ nicht automa-tisch zur Diskriminierung führen darf. Es geht um einezumeist mittelständische Energiesparte, in der bis zu5 Megawatt erreicht werden. Herr Trittin, Mittelstandwar aber noch nie Ihr Thema.
Durch den Entwurf zum EEG in der vorliegendenForm wird die Kleine Wasserkraft erheblich einge-schränkt. Ein vernünftiger Grund für die restriktive undnachteilige Behandlung ist mir nicht ersichtlich.
Die Große Wasserkraft ab 5 MW wird von diesen ge-setzlichen Einschränkungen nicht betroffen. Das ist einweiteres Zugeständnis an große Energieversorger. DieTechnik der Anlagen der Kleinen Wasserkraft ist aus-gereizt. Die Preise für diese Anlagen können nicht mehrgesenkt werden.In der Begründung zum Entwurf wird angeführt, essei nur noch zu geringen Zuwächsen gekommen, das Po-tenzial sei erschöpft. In dieser Begründung verschwei-gen Sie, dass ein wesentlicher Grund für den zögerlichenZubau oder die Wiederinbetriebnahme von Anlagen an-derswo liegt. Der Grund dafür liegt nämlich in der res-triktiven Genehmigungspraxis.
– Auch in anderen Bundesländern. – Die nationale Um-setzung der Wasserrahmenrichtlinie stellt für die Anla-genbetreiber ebenfalls ein Problem dar. Zahlreiche zu-sätzliche Vorgaben müssen beachtet werden.
Somit ist der zögerliche Zuwachs lediglich Ausfluss derrechtlichen und tatsächlichen Hürden bei der Planungund Genehmigung solcher Anlagen.
– Für Nordrhein-Westfalen gilt dies auch; erkundigenSie sich.gwasdembfgmw3sdFSNmduEdvrskiAsurwErEdPaCFgbwIds
uch im Sinne des Hochwasserschutzes haben die Was-erkraftanlagen eine regulierende Funktion.Die Benachteiligung der Kleinwasserkraftanlagen istngerechtfertigt und unzulässig. Die zeitliche Verzöge-ung durch die Zustimmungspflicht würde den Zeitplanohl noch weiter durcheinander bringen.
s ist mit einer Verzögerung bis etwa Mitte Mai 2004 zuechnen.
Für die hohen Energiepreise wird allzu häufig dasEG verantwortlich gemacht. Doch scheint schon wie-er in Vergessenheit geraten zu sein, dass der Kern desreisanstiegs die Ökosteuer ist. Diese Steuer hat mit Ökober nur so viel gemeinsam wie Herr Trittin mit Herrnlement.
ehlende energiepolitische Konzepte, Streit in der Re-ierung, nicht eingehaltene Zeitpläne, Verunsicherungei den Menschen in Deutschland – nicht nur im Um-eltbereich –, all dies bietet uns die Regierung Schröder.ch appelliere an Sie, Herr Trittin, als Vertreter der Bun-esregierung: Sorgen Sie für ein auch mit Clement abge-timmtes und stimmiges Energiekonzept! Geben Sie
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Doris Meyer
nicht nur uns, sondern auch der Wirtschaft mit einemKonzept ein Stück Planungssicherheit für die Zukunft!Geben Sie den Menschen in Deutschland eine Orientie-rung, wohin die Reise in der Energieversorgung gehensoll! Sorgen Sie für einen zukunftsfähigen Haushalt!Danke schön.
Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der
Kollege Ulrich Kelber für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Wer sich für politische Debatten interessiert, wirdmir in einem Punkt leicht zustimmen können: Es ist im-mer wieder spannend, vor allem die Rednerinnen undRedner der CDU/CSU bei Debatten über die Umweltpo-litik zu beobachten. Es wird schnell klar, dass sie nichtdürfen, was sie wollen. Sie wollen durchaus mehr Um-weltschutz, aber sie dürfen nicht.
Deswegen haben sie eine interessante Strategie entwi-ckelt: Sie fordern von der Regierung und den Koalitions-fraktionen immer mehr Umweltschutzinitiativen,
um sie danach im Parlament ablehnen zu können. Ichweiß nicht, wie lange sie das noch durchhalten wollen.
Dabei sollten wir uns doch im Bundestag darübereinig sein, dass sich die Rolle von Umweltpolitik und dieArt, wie man Umweltpolitik machen muss, in den letztenJahren zunehmend verändert hat. Es geht nicht mehr umden „Schadstoff der Woche“, weil man beim Filtern, Ab-dichten und Entsorgen seit den 70er-Jahren durchaus be-achtliche Erfolge erreicht hat, und zwar zweifellos undfür jeden zu bemerken. Aber diese Art von Umweltpoli-tik ist hinsichtlich der Kosten und der Bürokratie anGrenzen gestoßen. Deswegen müssen wir heute eine an-dere und modernere Umweltpolitik machen, indem wirRichtlinien setzen, die Produktverantwortung erhöhenund Innovationen gezielt fördern. Das war gerade schonbei den erneuerbaren Energien ein Thema.Ein gutes Beispiel für solche neuen Herausforderun-gen ist der Klimaschutz. Klimaveränderungen kommensehr langsam und unmerklich, aber eben immer schnel-ler. Sie sind nur mit Verzögerungen aufzuhalten oder ab-zumildern. Natürlich lösen nationale Alleingänge dasProblem nicht. Aber das ist kein Grund, so wie die Op-position in Deutschland untätig und ideenlos zu bleiben,weil man dieses Problem mit nationalen AlleingängennPsZMAMe54aspJSdsb–EsaAUnwndAEIEoKmmzDmdSF
In kaum einem anderen Politikfeld sind die Unter-chiede zwischen Koalition und Opposition so groß wieeim Klimaschutz. Auf der einen Seite ist die Koalitionmit nachweisbar mutigen Initiativen und belegbarenrfolgen, die in anderen Ländern als vorbildlich darge-tellt werden. – Herr Paziorek, Sie kommen doch viel innderen Ländern herum.
ndere Länder wollen unseren Beispielen folgen. Derenmweltinitiativen fordern Deutschland auf, auf derächsten Konferenz weitere Initiativen vorzustellen,eil sie hoffen, dass andere Länder folgen.
Auf der anderen Seite ist die Opposition, die zwaroch die Notwendigkeit von Klimaschutz in Sonntagsre-en betont, aber weder politische noch wirtschaftlichenstrengungen dafür unternehmen will.
s ist eine Opposition, die regelmäßig gegen wichtigenitiativen für den Klimaschutz stimmt, sei es gegen dasrneuerbare-Energien-Gesetz, die Energieeinsparver-rdnung, die Kraft-Wärme-Kopplung, den nationalenlimaaktionsplan oder auch gegen die Ökosteuer. Daranuss man immer wieder erinnern.Die CDU/CSU hat wenigstens bei einigen Punktenitgestimmt. Die FDP allerdings hat gegen jede ein-elne Klimaschutzinitiative der letzten fünf Jahre imeutschen Bundestag gestimmt.Die Opposition präsentiert zu unseren Initiativen im-er nur nutzlose Gegenmodelle. Ich nenne als Beispielas Ausschreibungsmodell für erneuerbare Energien.chauen Sie sich doch Ihr wettbewerbliches Modell an,rau Homburger!
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Ulrich KelberEs gibt Länder, die das machen, allerdings mit einemBruchteil der deutschen Erfolge bei den erneuerbarenEnergien und einem Mehrfachen an Kosten. Schauen Siesich doch einige unserer europäischen Nachbarländeran!
Dort ist der Vergütungspreis für Windenergie doppelt sohoch wie in Deutschland – und das bei Anwendung einesangeblich marktwirtschaftlichen Instrumentes. Informie-ren Sie sich doch einmal, was erfolgreiche Modelle sind,und schließen Sie sich diesen an! Stellen Sie nicht immerextra einen Antrag, um zu beweisen, dass die FDP nochexistiert!
Ich möchte eine Ausnahme bei der Kritik an der Kli-mapolitik der Opposition machen. Bei internationalenKonferenzen treten wir geschlossen auf. Das ist gut so.Umso unverständlicher finde ich es, dass wir uns auf na-tionaler Ebene über diese Frage so streiten.Dabei gibt es doch in den Reihen der CDU/CSU undder FDP längst Menschen, die diese Notwendigkeit ein-gesehen haben. Ich rede nicht nur von Herrn Töpfer,sondern auch von Herrn Ramsauer und Frau Meyer vonder CDU/CSU, zumindest was die Wasserkraft betrifft.Bei der FDP gibt es solche Menschen auch. Die baye-rische FDP fordert im Landtagswahlkampf, den CO2-Ausstoß bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren. Will-kommen im Club! Vielleicht kommt die Bundes-FDPauch einmal auf den Trichter.
Ein weiteres Beispiel für Unterschiede in der Um-weltpolitik ist der Naturschutz. Auch das ist eigentlichein mögliches Feld für Gemeinsamkeiten. Schließlichgehören viele engagierte Naturschützerinnen und Natur-schützer der konservativen Klientel an. Aber die CDU/CSU reduziert den Naturschutz auf möglichst viele zu-sätzliche Subventionen für die Landwirtschaft und tarntdas als angeblichen Vertragsnaturschutz.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,Vertragsnaturschutz bedeutet, Landwirte dafür zu bezah-len, dass sie zusätzliche, gesellschaftlich gewünschteAufgaben übernehmen, sie aber nicht dafür zu bezahlen,dass sie sich korrekt verhalten.
Was soll das, was Sie hier fordern, noch mit Umwelt-schutz zu tun haben?uFtbDBmWVmeaFKdgVuldUeMdnfWhtuCttWutcngk
Im Naturschutz müssen wir uns endlich gemeinsamm ein weiteres Hauptthema kümmern, nämlich um denlächenfraß, um die Versiegelung des Landes. 129 Hek-ar verschwinden pro Tag nach Angaben des Umwelt-undesamtes unter Steinen und Asphalt.
as heißt, betroffen ist die dreifache Fläche der Stadtonn; um eine kleine Anleihe an meine Heimatstadt zuachen. Wir müssen über neue Wege nachdenken.
ir müssen die Zubetonierung der Heimat stoppen. Dieerpflichtung zu den Ausgleichsmaßnahmen – auch dasuss man erkennen – hat es allein nicht gebracht. Wäres nicht gerechtfertigt, Effizienzvorgaben zu machen,lso als Genehmigungskriterium die Minimierung vonlächenverbrauch einzuführen?
ann man nicht angesichts einer in Zukunft schrumpfen-en Bevölkerung bei Bauvorhaben eine Entsiegelung inleicher Größenordnung verlangen? Kann es nicht eineersiegelungsabgabe geben, die von Jahr zu Jahr steigtnd deren Ertrag dazu verwendet wird, eine Entsiege-ung an anderer Stelle zu finanzieren? Das sind die Mo-elle, über die wir jetzt nachdenken müssen.
Als drittes Feld will ich die additive Wirkung vonmweltbelastungen gerade auf den Menschen undxemplarisch die Wirkung überall vorkommender kleinerengen an Chemikalien nennen. Die rapide Zunahmeer Zahl an Allergien bei unseren Kindern muss dochachdenklich machen. Die Verdoppelung bzw. Verdrei-achung der Zahlen in den fünf neuen Ländern nach deriedervereinigung macht das deutlich. Dieser Anstiegat nichts mit der verbesserten medizinischen Beobach-ng zu tun. Vielmehr ist er Ausdruck der Vielzahl neuerhemikalien, denen die Menschen ausgesetzt sind.Ist es denn wirklich ein Fortschritt, wenn unsere Tex-ilien jedes Jahr ein Dutzend neue Chemikalien enthal-en?
orin besteht der Fortschritt, wenn in Wachsmalstiftennd Kindergummistiefeln problematische Stoffe enthal-en sind? Was haben diese Stoffe eigentlich darin zu su-hen? Schließlich gibt es fast immer preisgünstige Alter-ativen.Wir müssen einsehen, dass die herkömmliche Gesetz-ebung in diesem Bereich an ihre Grenzen stößt. Wirönnen nicht die Wirkung jeden Stoffes verfolgen. Ein
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Ulrich KelberParlament kann die Reaktion von Dutzenden solcherStoffe nicht abschätzen.
Warum ersetzen wir einen Teil der Vorschriften in die-sem Bereich nicht durch ein strengeres und klareres Haf-tungsrecht?
Vielleicht wird dann die eine oder andere Firma bereitsein, 10 Cent mehr für die Produktion einer PackungWachsmalstifte auszugeben, weil sie die hohen Kostenim Falle einer möglichen Haftung für die Wirkung derbisher verwendeten Inhaltsstoffe fürchtet.
Umweltschutz mag zwar heute nicht mehr dasTopthema in den Nachrichten sein, aber die Aufgabensind deshalb nicht weniger geworden.
Deswegen würde ich mich durchaus freuen, wenn dieOpposition mit aufs Tempo drücken würde,
statt immer wieder zu bremsen. Wir zumindest habenuns vorgenommen, auch weiterhin in der UmweltpolitikGas zu geben.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums der Justiz.
Das Wort hat zunächst die Bundesministerin Brigitte
Zypries. – Es wäre schön, wenn unvermeidliche Platz-
wechsel zügig erfolgen könnten. – Bitte schön, Frau Mi-
nisterin.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Nicht erst seit dem Eintreten der schwierigen Situa-tion der öffentlichen Haushalte ist immer wieder von derknappen Ressource Recht die Rede. Die Kapazitäten derJustiz gelten als knapp. Insbesondere für die Recht su-chenden Bürgerinnen und Bürger ist das Recht ein kost-bares Gut.Unsere Gesellschaft schätzt den Rechtsfrieden, dengute Gesetze sowie leistungsfähige Verwaltungen undGerichte vermitteln. Die Justiz in unserem Land hat einhohes Ansehen. Nicht zuletzt das besondere Ansehendes Bundesverfassungsgerichts zeugt davon.tbRswtzZdakuthHkgtFGMmztaRntHgpAbHmtSJckoWAfEMvfea
Die von mir skizzierten Rechte bedeuten aber keinenreibrief für die Justiz, mit den Mitteln nach eigenemutdünken zu verfahren. Auch die Justiz ist gefordert,ittel einzusparen sowie die vorhandenen Mittel zusam-enzuhalten und sie effektiver einzusetzen.Dass das Justizministerium kostenbewusst vorgeht,eigt die Refinanzierungsquote des Haushalts. Der Jus-izhaushalt hat eine Deckungsquote von deutlich mehrls 90 Prozent und liegt damit weit über allen anderenessorts. Trotz allem werden wir auch 2004 wieder ei-en Einsparbeitrag von 6,7 Millionen Euro erwirtschaf-en. Das sind immerhin fast 2 Prozent des Volumens desaushalts. Das ist für einen Haushalt, mit dem überwie-end Personalkosten gedeckt werden müssen, kein Pap-enstiel.Unabhängig von der Einnahmeseite muss auch dieusgabeseite betrachtet werden. Wir müssen im Hin-lick sowohl auf den Bundeshaushalt als auch auf dieaushalte der Länder – mit ihnen sollten wir hier zusam-enarbeiten; denn sie sind ja in einer ähnlichen Situa-ion wie wir – die Justiz modernisieren, und zwar in dreitufen: Erstens. Wir müssen die Abläufe innerhalb derustiz vereinfachen. Zweitens. Wir müssen prüfen, wel-he Aufgaben innerhalb der Justiz übertragen werdenönnen, zum Beispiel von Richtern auf Rechtspflegerder auf andere Mitarbeiter des Justizdienstes. Drittens.ir müssen auch prüfen, inwieweit Privatisierungen vonufgaben möglich sind.Lassen Sie mich im Zusammenhang mit der Verein-achung von Abläufen kurz auf den von uns vorgelegtenntwurf eines Justizmodernisierungsgesetzes eingehen.it diesem Gesetz wollen wir weniger dem Bund alsielmehr den Ländern die Möglichkeit geben, die Ver-ahren zu vereinfachen bzw. – so habe ich es bereits aniner anderen Stelle formuliert – viele kleine Sandkörnerus dem Getriebe der Justiz zu entfernen und stattdessen
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Bundesministerin Brigitte ZypriesÖl hineinzugießen. Wir wollen Vereinfachung, ohne dieRechtsstaatlichkeit der Verfahren in irgendeiner Form zubeeinträchtigen. Derzeit müssen beispielsweise im Zivil-prozess Beweise oft ein zweites Mal erhoben werden,obwohl es in gleicher Sache bereits einen Strafprozessgegeben hat, in dem Zeugen vernommen, Gutachten ein-geholt und die Beweise eingehend gewürdigt wurden.Wir wollen deshalb den Beweiswert eines rechtskräfti-gen Urteils in einem Strafprozess erhöhen: Das Zivilge-richt soll in gleicher Sache an das Urteil in einem Straf-prozess gebunden sein. Selbstverständlich soll derGegenbeweis zulässig sein. Wir meinen, dass wir damitsowohl die Rechtsposition des Opfers stärken als auchden Zivilprozess effizienter machen werden.Ein weiteres Beispiel für eine Vereinfachung der Ab-läufe ist der elektronische Rechtsverkehr. Sie wissen,dass hier bereits etliche Modellprojekte laufen. Ab dem15. Oktober dieses Jahres können nun auch verfahrens-relevante Erklärungen in Verfahren des gewerblichenRechtsschutzes sowohl beim Bundesgerichtshof als auchbeim Bundespatentgericht und beim DPMA rechtswirk-sam als elektronische Dokumente eingereicht werden.Vorschläge zur Übertragung von Aufgaben haben wirauch in unserem Entwurf eines Justizmodernisierungs-gesetzes gemacht. Wir schlagen vor, beim Erbschein undbeim Handelsregister Aufgaben auf Rechtspfleger zuübertragen, um insbesondere den Ländern mehr Spiel-raum zu geben.Privatisierungen im Rahmen der Justiz sind schwie-rig. Ich bin zwar stets dafür, dass sich der Staat überalldort zurückhält, wo gesellschaftliches Engagement zugleichen oder besseren Ergebnissen führt. Der moderneStaat ist nicht dann stark, wenn er alles selbst macht. Erist es vor allen Dingen dann, wenn er Wirtschaft und Ge-sellschaft stark macht, aber eben nur dort, wo es möglichund besser ist. Deshalb muss man mit Privatisierungenim Justizbereich besonders vorsichtig umgehen.
Die Privatisierung des Strafvollzugs oder der Gerichts-vollzieher ist nicht das, was wir unbedingt brauchen. Ins-besondere hier gilt es, der Privatisierungshysterie entge-genzutreten, die im Übrigen oft damit endet, dass dieGewinne privatisiert werden, dass aber die Verluste bzw.die Kosten für die Aufsicht über die privaten Unterneh-men der Steuerzahler trägt. Das können wir nicht wollen.
Die Justiz braucht die staatliche Autorität, die für dieSchaffung des Rechtsfriedens erforderlich ist, und siebraucht dort, wo sie in die Rechte der Menschen ein-greift, feste rechtsstaatliche Bindungen.Ich habe eingangs gesagt: Der verfassungsrechtlichgarantierte Justizgewährungsanspruch umfasst nicht nurden Zugang zu den Gerichten an sich. Die Gerichte müs-sen vielmehr auch in der Lage sein, in angemessenerZeit ihre Entscheidungen zu treffen. Deshalb sind dieobersten Gerichte des Bundes schon seit Jahren von derlasnleDorkzevdocsagBdkAdpKdgHfdd–fGggBRUtwVvnsDLd
Ich habe das gesagt, damit das einmal im Protokollestgehalten wird.Zum 1. Juli 2004 wollen wir die Regelungen für dieerichtskosten ebenso wie die Entschädigung für Zeu-en, Sachverständige und ehrenamtliche Richter neuestalten. Wir wollen die in Teilen über 120 Jahre alteundesrechtsanwaltsgebührenordnung durch ein neuesechtsanwaltsvergütungsgesetz ersetzen.
nser gemeinsames Ziel ist es, das Kosten- und Vergü-ungsrecht einfacher und transparenter zu machen. Wirollen die Gerichte auch dadurch entlasten, dass wir dieergütung des Anwalts im vorgerichtlichen Verfahrenerbessern. Dadurch soll der Anreiz geschaffen werden,icht zu Gericht zu gehen.Wir werden den Ostabschlag auf Gebühren und Ent-chädigungssätze in Höhe von 10 Prozent abschaffen.as ist ein weiterer Beitrag zur Schaffung gleichwertigerebensverhältnisse in den östlichen und westlichen Bun-esländern.
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Bundesministerin Brigitte ZypriesIch meine, dass es gerechtfertigt ist, die seit über zehnJahren ausstehende Erhöhung der Anwaltsgebühren end-lich anzugehen. Wir sehen vor, dass die Anwälte proJahr eine Erhöhung um etwa 1,4 Prozent erhalten. Dasist kein besonders hoher Einkommenszuwachs, wennman bedenkt, dass er in der gewerblichen Wirtschaft an-sonsten bei jährlich durchschnittlich 2,6 Prozent lag. Wirmüssen berücksichtigen, dass Rechtsanwältinnen undRechtsanwälte sehr häufig auch Arbeitgeber sind, denendadurch höhere Lohnkosten, höhere Mietkosten und hö-here Bürokosten entstehen. Ich bin der Auffassung, dassdie Erhöhung, auf die wir uns verständigt haben, sehrmoderat ist. Ich hoffe sehr, dass die Anwaltschaft bei ih-ren bisherigen relativ positiven Aussagen bleibt.Um das Ziel, die Anzahl der Verfahren bei den Ge-richten zurückzuschrauben, setzen wir zum einen auf dievorhin erwähnten vorgerichtlichen Streitentscheidungen.Zum anderen haben wir festgestellt, dass durch die Ein-führung des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern fürihre Kinder im Scheidungsfall ein deutlicher Rückgangder Zahl an familiengerichtlichen Streitigkeiten zu ver-zeichnen ist. Das heißt, dass man auch das materielleRecht danach durchforsten muss, wo man Hilfestellun-gen geben kann.
Dazu gehört auch die Arbeit des Deutschen Patent-und Markenamtes, die an dieser Stelle schon mehrfachgewürdigt wurde. Sie wissen, dass wir das so genannteStauabbauprogramm auf den Weg gebracht haben, weildie Anzahl der Prüfer bis 1997 kontinuierlich verringertwurde und weil wir festgestellt haben, dass die enormenRückstände im Sinne der Interessen der deutschen In-dustrie und Patentanmelder dringend aufgearbeitet wer-den mussten.In diesem Haushaltsgesetzentwurf ist die letztmaligeSchaffung von 60 zusätzlichen Stellen für Patentprüfervorgesehen. Wir sind zuversichtlich, dass wir es schaf-fen, innerhalb kurzer Zeit gerichtsfeste, belastbare undvernünftige Bescheide zu erlassen, um so den notwendi-gen Rechtsrahmen für die Wirtschaft zu setzen.
Last, but not least ist dazu zu sagen, dass damit natür-lich auch eine Steigerung des Gebührenaufkommens desBundes verbunden ist: Im Jahre 2004 werden wir durchdie verbesserte Erledigung beim DPMA – prognos-tisch – 12 Millionen Euro mehr einnehmen als in denJahren zuvor.Zum Bereich der Justiz kann man am heutigen Tagekeine Rede halten, ohne an den schrecklichen Terroran-schlag von vor zwei Jahren in New York zu erinnern.Wir haben heute Morgen im Bundestag eine allgemeineGedenkminute dazu abgehalten. Dieses Attentat hat unsnicht zuletzt gezeigt, dass der Justizgewährungsanspruchnicht mehr nur national ist, sondern dass internationaleVerpflichtungen bestehen, gemeinsam gegen TerroristenvTlmbhzifVbwrddwRwshkJBgmdwCDsJaiadrmR
aben wir weitere wichtige gesetzgeberische Vorausset-ungen geschaffen, um dem internationalen Terrorismusn Zukunft besser begegnen zu können.Wir haben in Deutschland das weltweit einzige Ver-ahren gegen einen Täter des 11. September – mit einererurteilung – abgeschlossen. Ein weiteres Verfahrenefindet sich in der Hauptverhandlung. Ich würde mirünschen, dass auch andere Nationen den Weg derechtsstaatlichen Anklage konsequent umsetzen.
Zudem sind wir das Land – lassen Sie mich das anieser Stelle auch einmal erwähnen –, das das weltweitichteste Angebot in Sachen Rechtshilfe hat, sowohlas die Ersuchen als auch was das Antworten beiechtshilfeverfahren anbelangt. Wir haben auch inso-eit mit den USA nach dem 11. September sehr gut zu-ammengearbeitet und ein Rechtshilfeabkommen ausge-andelt, das wir im nächsten Monat unterzeichnenönnen.Wir haben also allen Anlass, auch für den Bereich derustiz sagen zu können: Wir haben unseren Beitrag zurekämpfung des internationalen Terrorismus geleistet.Ich habe eingangs von der knappen Ressource Rechtesprochen. Sie gilt es zu bewahren, und zwar, wie icheine, mit intelligenten und effizienten Mitteln. Ichenke, dass der Haushalt, der hier heute eingebrachtird, ein wichtiger Beitrag dazu ist.
Ich erteile dem Kollegen Dr. Wolfgang Götzer, CDU/
SU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!ie Haushaltsdebatte ist immer ein Anlass, eine Zwi-chenbilanz zu ziehen, in diesem Fall über knapp einahr rot-grüne Rechtspolitik. Liebe Frau Ministerin,uch wenn ich Sie persönlich schätze und wir alle denm Vergleich zu Ihrer Vorgängerin neuen Umgangsstilnerkennen, kann ich Ihnen nicht ersparen, dass ichiese Bilanz als sehr mager bezeichnen muss. Unter Ih-er Vorgängerin herrschte bisweilen hektisch aufkom-ender Aktionismus. Davon kann jetzt wahrlich keineede sein.
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Dr. Wolfgang GötzerDie Koalitionsvereinbarung ist bis jetzt größtenteilsnicht umgesetzt worden und wenn doch, dann sehr dürf-tig.
Es gibt viele Ankündigungen und wenig Taten.Liebe Frau Zypries, wir entdecken bei Ihnen zwar ei-nige begrüßenswerte Ansätze. Ihr Problem ist aber: Siekönnen sich nicht durchsetzen, weder gegenüber derSPD-Fraktion noch gegenüber dem Koalitionspartner.Dazu kommt die Uneinigkeit innerhalb der Koalition.Die Leidtragenden sind die rechtsuchenden und rechts-treuen Bürger sowie die Opfer von Straftaten.Ich möchte ausdrücklich positiv erwähnen: WährendIhre Vorgängerin doch deutlich von Ideologie umgetrie-ben war, können wir sehr sachbezogen und ideologiefreimiteinander diskutieren.Das kann man von den Vertretern der Koalitionsfrak-tionen im Rechtsausschuss nicht immer behaupten.
Wir erleben dort nach wie vor und immer wieder, dassdie Mehrheitskarte gespielt wird, wenn Argumente aus-gehen, wenn eine Initiative der Union abgeblockt, verzö-gert bzw. abgewürgt werden soll oder wenn Sie Ihre ei-genen Vorhaben durchpeitschen wollen. Immer wiedergibt es Fälle von ideologischer Schlagseite.Ich spreche in diesem Zusammenhang noch einmaldas traurige Beispiel des Entschädigungsfonds für Opferrechtsextremer Gewalt an, bei dem Sie sich ausdrücklichgeweigert haben, Entschädigungsleistungen auch fürOpfer linksextremistischer Gewalt zur Verfügung zustellen. Das ist an Schlagseite, an ideologischer Einsei-tigkeit, wirklich nicht zu überbieten.
– Herr Kollege Montag, es wundert einen nicht, wennman sieht, dass der Verfassungsschutz im SPD-geführtenNordrhein-Westfalen mit Linksradikalen zusammen-arbeitet.
– Ja, Sie wissen es genau. Das ist auch hier schon zurSprache gekommen.Was ist seitens Rot-Grün bisher gelaufen? Was ist bis-her wirklich in trockenen Tüchern? Zu nennen ist dieNovelle des Urheberrechts – mit unserer Zustimmungverabschiedet. Das war aber erst der eigentlich wenigerproblematische Teil.
Der wirklich problematische Teil kommt erst noch.AhU„ssSptt–ts–RlndvakwdrGVkwcb
ie haben sich dem verweigert. Stattdessen gab es eineeinliche Panne. Kindesmissbrauch als Wiederholungs-at war im Entwurf zunächst sogar zum Vergehen herun-ergestuft.
Oh! Sie wollten das? Danke, Kollege Stünker. Im Pro-okoll steht jetzt – das ist gut –, dass das keine Panne,ondern Ihre Absicht war.
Warum haben Sie es dann bei der Schlussdebatte imechtsausschuss korrigiert, sozusagen gerade noch inetzter Sekunde?
Was die DNA-Analyse angeht, haben Sie bei weitemicht das gemacht, was notwendig wäre. Wir erlebenoch jetzt ständig, welche großen Erfolge wir bei Fällenerzeichnen können, die jahre- und jahrzehntelang nichtufgeklärt werden konnten. Dank der DNA-Analyseönnen sie jetzt aufgeklärt werden. Hier wäre eine Aus-eitung auf sozusagen Schwerkriminelle in spe notwen-ig gewesen.
Auch die Möglichkeit der nachträglichen Siche-ungsverwahrung, so wie wir sie verlangt haben, ist imesetz nicht verwirklicht.
erehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regierungs-oalition, Menschenleben, Kinderleben hätten geretteterden können, wenn die Möglichkeit der nachträgli-hen Sicherungsverwahrung, so wie wir sie gefordert ha-en, auf Bundesebene Gesetz geworden wäre.
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Dr. Wolfgang GötzerWas die Anzeigepflicht angeht, eines Ihrer wichtigs-ten Anliegen, Frau Ministerin, sind Sie total eingebro-chen. Ihre Devise „Hinschauen und nicht wegschauen“teilen wir voll, aber so konnte es nicht gehen. Deshalb istdieses Desaster zu Recht erfolgt.Das war dann eigentlich auch schon die Antwort aufdie Frage, was so über die Bühne gegangen ist;
denn was zur Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusseszur Terrorismusbekämpfung beschlossen wurde – dasmuss man gerade heute am Jahrestag des 11. Septembersagen –, verdient keine besondere Erwähnung.
Nichts geschehen ist bisher zum Thema Graffiti. SeitJahren gibt es Vorstöße und Gesetzentwürfe der Unionim Bundestag – über den Bundesrat – und jahrelang wur-den diese Vorstöße von den Alt-68ern in Ihren Reihenblockiert.
Also: Man muss das sehr differenziert sehen. Es gibt na-türlich auch den Kollegen Ströbele, der da immer nochan vorderster Front steht.
Nun habe ich gehört, Frau Zypries, dass Sie sich imSommer in dem Sinne geäußert haben, Sie sähen Hand-lungsbedarf.
Wir freuen uns sehr darüber und hoffen, dass es bald zueiner Regelung kommt. Bei diesem Thema geht es um200 bis 250 Millionen Euro Schaden im Jahr bundes-weit, aber insbesondere hier in Berlin. Herr Ströbele, Siewerden sich damit abfinden müssen, dass Sie bei IhrenVeteranentreffen in Zukunft andere Geschichten erzäh-len müssen.
Thema Opferschutz. Nachdem die Union einen Ge-setzentwurf zum Opferschutz eingebracht hat, hat jetztauch das BMJ einen Referentenentwurf vorgelegt; jahre-lang war ja nichts geschehen. Unser Gesetzentwurf wirdim Ausschuss blockiert. Ein konkreter Anhörungsterminwird bisher verweigert. Geht man so mit diesem Themaum? Dabei sind wir uns doch eigentlich einig darüber,dass Handlungsbedarf besteht, dass wir die Rechte derOZsnwCBWkJgrrAldizRw–dmm1uZgwutw–HSss
ei der Koalition: Fehlanzeige.Jugendstrafrecht. Im Koalitionsvertrag steht meinesissens, dass eine Überprüfung stattfinden soll. Bis jetztann ich davon nichts erkennen – und das bei steigenderugendkriminalität. Unserer Meinung nach muss etwasetan werden. In Zukunft muss die Verurteilung von He-anwachsenden im Grundsatz nach Erwachsenenstraf-echt erfolgen.
uch der Warnschussarrest für jugendliche Wiederho-ungstäter, den Bayern ins Gespräch gebracht hat, ist be-enkenswert. Über diese Dinge muss man reden, da auchn dieser Frage angesichts der steigenden Kriminalitäts-ahlen Handlungsbedarf besteht.
Werte Kolleginnen und Kollegen, jetzt ist gerade dereferentenentwurf zum Sanktionensystem vorgestelltorden, den wir lange gefordert haben.
Herr Kollege Stünker, Sie haben offensichtlich dieiesbezüglichen Debatten nicht mehr im Kopf. – Wennan den Entwurf querliest, stellt man fest, dass er soanche Vorschläge enthält, die die Union in der4. Wahlperiode im Bundesrat eingebracht hat. Das sollns recht sein, wenn es der Sache dient. Wir sind auch inukunft gerne bereit, Ihnen unsere Vorschläge zur Verfü-ung zu stellen und mit Ihnen da zusammenzuarbeiten,o es sinnvoll ist; die Frau Ministerin hat ja das RVGnd das Urheberrecht genannt.
Nicht mitmachen werden wir bei dem geplanten An-idiskriminierungsgesetz, wenn es so kommen sollte,ie man hört und liest.
Ach so, es kommt noch gar nicht, wie so vieles andere,err Kollege Montag.
ie müssen sich langsam einmal einigen, was kommenoll und was nicht. In diesem Fall ist es zweifellos bes-er, wenn von Ihrer Seite nichts kommt.
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Dr. Wolfgang GötzerHier zeigt sich wieder einmal blanke Ideologie. Esgeht hierbei nämlich nicht darum, dass man das Rechtden gesellschaftlichen Verhältnissen anpasst, sondernhier sollen mithilfe eines Gesetzes die gesellschaftlichenVerhältnisse geändert werden. Frau Zypries, auch Sie ha-ben das angesprochen und ganz klar so gesehen. DieGrünen wollen nämlich nicht etwa die EU-Richtlinieeins zu eins umsetzen – da gibt es ja nun erheblichenSprengstoff für Ihre Koalition –, sondern sie wollen eineallgemeine zivilrechtliche Ausweitung der Nichtdiskri-minierungskriterien über die EU-Richtlinie hinaus aufReligion, Weltanschauung, Geschlecht, Behinderung,sexuelle Identität und Alter – also ein allgemeines Anti-diskriminierungsgesetz. Wir hatten ja schon in der letz-ten Wahlperiode befürchtet, dass so etwas kommt. Es istdann Gott sei Dank nicht dazu gekommen. Wollen Sievielleicht auch noch wieder den alten Gedanken der Be-weislastumkehr aufnehmen und dann vielleicht dasGanze auch noch mit dem Instrument der Verbandsklagebewehren?
Frau Zypries, Sie haben Recht, wenn Sie sagen, das he-bele die Privatautonomie aus.
Grundrechtliche Freiheit besteht auch und gerade da-rin, Unterschiede machen und ungleich behandeln zudürfen. – Jetzt hätte ich gedacht, Sie klatschen, denn derSatz stammt nicht von mir, sondern vom KollegenHartenbach. Da sollten Sie eigentlich zustimmen. DasProtokoll registriert also: keine Zustimmung für diesenSatz des Parlamentarischen Staatssekretärs Hartenbach.
Wir stimmen dem zu. Ich finde, dass der ZivilrechtlerProfessor Picker von der Universität Tübingen Rechthat, wenn er sagt, dass damit der Gebrauch der Mei-nungsfreiheit unter Strafe gestellt wird. Er spitzt das sehrstark zu. Aber mit dem, was hier manche planen, wirdArt. 5 des Grundgesetzes meiner Meinung nach wirklichin unzulässiger Weise eingeschränkt.
Herr Kollege.
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich komme zum
Schluss. – Liebe Frau Zypries, setzen Sie sich bitte in
diesem Punkt gegenüber dem Koalitionspartner durch.
Wir sind der Meinung, dass es ohnehin keinen Umset-
zungsbedarf für diese Richtlinie gibt, weil die §§ 134
und 138 BGB ausreichen.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5209
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Ohne andere damit hintanzustellen will ich sagen,dass die Bundesgerichte, insbesondere das Bundesver-fassungsgericht, ihre wichtigen Aufgaben der Rechtsge-staltung und Rechtsfortbildung wie auch das Wächter-amt des Grundrechtschutzes hervorragend und effektivwahrnehmen. Die Bürgerinnen und Bürger und den Staatkosten diese so wichtigen Leistungen der Bundesjustizvergleichsweise wenig, ohne dass es damit zu einem bil-ligen Recht im Sinne minderer Qualität kommen würde.Aber uns allen muss klar sein: Wir reden von nichtweniger als von den Kosten des Rechtsstaates und derRechtsstaatlichkeit und dies muss uns in Zukunft mehrund nicht weniger wert sein. Deshalb nicht nur Dank undAnerkennung, nein, auch Geld und Ausstattung müssenstimmen, wenn wir wollen, dass die Bundesjustiz die im-mer weiter wachsenden Anforderungen, besonders imeuropäischen Vereinigungsprozess, auch meistern kann.Rechtspolitik ist Gesellschaftspolitik und Gesell-schaftspolitik braucht einen Anker und einen Kompass,wenn sie nicht bestehenden und gemachten Stimmungennachjagen und sich dabei verbiegen und missbrauchenlassen will. Unsere Politik ist dem Schutz und dem Aus-bau der Grund- und Bürgerrechte der Menschen ver-pflichtet. Wir wollen mehr und nicht weniger Rechts-staat, mehr und nicht weniger Freiheit und mehr undnicht weniger bürgerschaftliches Engagement und Ein-mischung erreichen.
Damit haben Sie, meine Damen und Herren von derCSU, trotz Ihrer gegenteiligen Beschwörungen nichtsam Hut. Bei Ihnen heißt es in der Rechtspolitik immer:rauf mit den Strafen und runter mit den Rechten.
Wenn Sie Recht in die Hand nehmen, dann geriert dasimmer zu einer Schlagwaffe. Den besten Beleg liefernSie mit Ihren Vorschlägen zum Jugendstrafrecht ab.Pünktlich zur Wahl in Bayern kommt aus dem von Ihnenmajorisierten Bundesrat der Entwurf eines Gesetzes zurVerbesserung der Bekämpfung der Jugenddelinquenz.Sie wollen die Jugendstrafe von zehn auf 15 Jahre erhö-hen. Sie wollen bereits 12-Jährige statt wie bisher 14-Jäh-rige vor Gerichte zerren und Sie wollen das Erwachse-nenstrafrecht nicht erst ab 21, sondern ausnahmslos ab18 Jahren einführen.vr1WJtJwnKzutbbrSAhtrguiMuzz–e2sGf
ie oft wird denn das bisherige Höchstmaß von zehnahren überhaupt erreicht? Wo sind die empirischen Da-en, die belegen, dass dieses Höchstmaß von zehn Jahrenugendstrafe nicht ausreichen würde? Wenn, wie Sie esollen, Heranwachsende ausschließlich nach Erwachse-enrecht bestraft werden, müssen Sie sich darüber imlaren sein, dass Sie damit den jungen Menschen die Er-iehungsmöglichkeiten des Jugendstrafrechts entziehennd die Strafrichter vielfältiger Einwirkungsmöglichkei-en auf diese jungen Menschen berauben.
Dabei ist es ja nicht so, dass Heranwachsende nichtereits jetzt im Einzelfall nach Erwachsenenstrafrechtestraft werden könnten. Die Instrumente für sachge-echte Entscheidungen sind im Gesetz vorhanden. Aberie setzen vielmehr auf Signale, die die eigentlichendressaten, nämlich delinquente junge Menschen, ohne-in nicht erreichen.Die Fachwelt diskutiert seit Jahren über Möglichkei-en der Ausweitung und der Entfaltung des Jugendstraf-echts. Konkrete Vorschläge des Juristentages, der Ju-endstrafrichter
nd der Wissenschaft liegen auf dem Tisch. Das allesgnorieren Sie, um billig und auf dem Rücken jungerenschen Punkte bei Ihrer Klientel zu machen.
Was seit Jahrzehnten gebraucht wird, meine Damennd Herren von der Opposition, ist ein Jugendstrafvoll-ugsgesetz. Bei uns ist das in Arbeit; bei Ihnen Fehlan-eige.
Warten Sie einmal ab. Wir, lieber Kollege, haben voniner vierjährigen Wahlperiode noch nicht einmal5 Prozent hinter uns. Sie können sich gar nicht sochnell ansehen, was wir bisher in der Rechtspolitik inang gesetzt haben, wie wir neue Gesetze vorlegen.
Herr Kollege Montag, gestatten Sie eine Zwischen-rage des Kollegen Fricke?
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5210 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
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Wenn es mir von meiner Redezeit nicht abgezogen
wird, dann sehr gern.
Nein, selbstverständlich nicht.
Herr Kollege Montag, ich finde es sehr toll, dass Sie
als Bayer hier sagen, dass da ein schlechter Vorschlag
gemacht wird. Aber angesichts dessen, dass Sie so groß
davon reden, was man alles im Jugendstrafvollzug tun
muss, würde ich mich freuen, wenn Sie mir eine Antwort
auf die Frage geben können, wieso Sie es fünf Jahre lang
nicht geschafft haben,
obwohl das Bundesverfassungsgericht uns alle wieder-
holt ermahnt hat, ein Jugendstrafvollzugsgesetz mit Ihrer
Koalition auf den Weg zu bringen.
Herr Kollege, ich bin erst seit einem knappen JahrMitglied dieses Hohen Hauses.
Deswegen erlauben Sie mir, dass ich Ihnen ganz persön-lich auf diese Frage antworte. Ich persönlich halte einJugendstrafvollzugsgesetz für absolut vordringlich. Ichwerde das, was in meiner Kraft steht, tun, damit wir einsolches Gesetz in dieser Legislaturperiode auch tatsäch-lich bekommen. Aber das Problem ist ja nicht erst fünfJahre alt. Die Rüge ist fünf Jahre alt; das Problem istJahrzehnte alt.
Es gab viele in der Regierungsverantwortung, doch kei-ner hat das bisher angepackt. Wenn Sie solche Fragenstellen, dann schauen Sie dabei auch in den eigenenSpiegel, das heißt, in den Spiegel Ihrer Partei, die29 Jahre lang Gelegenheit dazu hatte und keine Aktivitä-ten in dieser Richtung unternommen hat.
Die CDU/CSU will das gesprochene und das ge-schriebene Wort sowie das Verhalten der Menschen im-mer mehr überwachen. Nach der Verschandelung derVerfassung durch den so genannten großen Lauschan-griff wollen sie jetzt nach den Wanzen auch noch Video-kameras in Wohn- und Schlafzimmern installieren. Dieausufernde Telefonüberwachung wollen sie im polizei-präventiven Bereich der Aufsicht der Staatsanwaltschaftentreißen und gegen jeden Beliebigen richten.Wir werden uns stattdessen daran machen, die not-wendigen Ermittlungsmaßnahmen in diesem Bereichzielgenau und unter justizieller Kontrolle auszurichten.Telefonabhörungen in begründeten Fällen müssen sein,agUwSAnVtrVggueVSssIbkMiHPeShvmRraroie
Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU,ollen die Justiz nicht besser oder moderner machen,ie wollen sie nur schneller machen, und das mit dembbau von Verfahrensrechten der Beteiligten.
Sie wollen es erschweren, sich gegen einen befange-en Richter zu wehren. Sie machen sich an den Kern dererteidigung heran, nämlich an das Recht, Beweisan-räge zu stellen. Sie wollen Strafen ausweiten in Verfah-en ohne volle Schutzgarantie für Beschuldigte. Dieseorschläge stehen alle in Ihrem Justizbeschleunigungs-esetz. Weiterhin wollen Sie eine sachgerechte Verteidi-ung durch eine Aushebelung des Akteneinsichtsrechtsnmöglich machen. Sie wollen die Hauptverhandlung zuiner Zuschauerveranstaltung mit Liveeinspielungen vonideos machen.
ie wollen das Fragerecht in der Hauptverhandlung ab-chneiden.Das sind alles Vorschläge aus Ihrem so genannten Ge-etz zur Stärkung der Rechte der Opfer im Strafprozess.ch könnte diese Liste spielend verlängern. Alle Punkteelegen: Auf der nach oben offenen Repressionsskalalettern Sie höher und höher und sagen uns und denenschen, das sei Rechtspolitik.Wir lassen uns von diesem Geschrei –
ch denke da an die gestrige Debatte in diesem Hohenause – nicht anstecken. Wir werden die bestehendenrobleme nüchtern und sachlich analysieren und an ge-igneten Lösungen für diese Probleme arbeiten.Zum Sexualstrafrecht wird mein Kollege von derPD sicherlich noch etwas sagen. Zum Urheberrecht istier schon etwas gesagt worden. Auch die zweite No-elle dieses Gesetzes werden wir anpacken. Das Justiz-odernisierungsgesetz ist in Arbeit. Die Umsetzung desahmenbeschlusses des Rates zur Bekämpfung des Ter-orismus ist bereits abgeschlossen. Im gleichen Sinnerbeiten wir an einem umfassenden Antidiskriminie-ungsgesetz sowie einer Gesamtreform der Strafprozess-rdnung.
Meine Damen und Herren, die Sie für die CDU/CSUm Rechtsausschuss sitzen, wenn Sie sich auf Sacharbeitinlassen, sind Sie eingeladen, mitzuwirken.
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Herr Kollege, das wäre ein schöner Schlusssatz gewe-
sen.
Wenn nicht, Herr Kollege Dr. Röttgen, wenn Sie auch
rechtspolitisch auf Krawall gebürstet sind, so wie es Ihr
Bayern-Glos gestern vorgemacht hat, dann bleiben Sie
draußen vor der Tür, was dann weder für den Rechtsstaat
noch für die Menschen in Deutschland ein Schaden
wäre.
Danke.
Ich erteile dem Kollegen Otto Fricke, FDP-Fraktion,
das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Ich muss schon sagen: Das war ein schöner langerSatz, Herr Montag.Kurze Replik zu dem, was Sie eben gesagt haben,Herr Montag. Sicher, die FDP war 29 Jahre an der Re-gierung. Aber auch ich bin erst ein Jahr als Abgeordneterin diesem Parlament. Ich finde es bemerkenswert, dassSie in Ihrem Fall herausstellen, dass Sie erst ein Jahr indiesem Parlament sind, aber mir die 29 Jahre vorhalten.
Wir können hier ewig das Spielchen treiben, wer inder Vergangenheit der Schuldige war.
Wir alle sind gemahnt worden. Ich halte es für falsch,wenn man sich hier hinstellt und sagt, die anderen hättenalles schlecht gemacht – meine Fraktion lehnt auch man-che Vorschläge von der CDU/CSU ab –, aber dann,wenn man selber hinterherhinkt – Herr Ströbele, Sie sindja schon etwas länger dabei, Sie hätten das schon ma-chen können –, so tut, als sei alles so schwierig.
Liebe Frau Ministerin, es ist richtig: Die Haushaltsge-spräche funktionieren gut, auch schon in der letzten Le-gislaturperiode. Der Haushalt ist nach meiner Meinungtrotz der Sparbedingungen, denen wir unterliegen, fair.Wir müssen schauen, an welcher Stelle wir etwas tunkönnen und wo noch kleine Veränderungen möglichsind. Ich begrüße auch ausdrücklich, dass Sie auch dies-mal angekündigt haben, bei den Berichterstattergesprä-chen dabei sein zu wollen; denn es ist für die Berichter-statter wichtig, zu merken, dass diese Gespräche nichtnur auf der Ministerialebene ankommen, sondern bisnach oben durchkommen.azshwnfgaGgnbng–JanmcDjeAeFKSe–wSimhf–HRiwsgmDg
Jetzt hören Sie doch auf damit. Wir wissen doch alle,orum es geht. Ihre Leute werben damit, noch einentraftatbestand zu schaffen, und veräppeln die Wähler,ndem sie so tun, als würden sie entsprechende Maßnah-en ergreifen, obwohl sie seit fünf Jahren sagen, dassier nichts unternommen werden soll. Wo der Grund da-ür sitzt, wissen wir.
Jawohl, Herr Vorsitzender Richter! Selbstverständlich,err Vorsitzender Richter!Frau Ministerin, natürlich hat der Kollege Götzerecht: Es ist weniger passiert. Ob es immer so schlechtst, wenn es in einem Rechtsstaat weniger Gesetze gibt,eiß ich nicht; das kommt auf die Gesetze an. Abereien wir doch einmal ehrlich: Sie haben im Endeffektesagt, besser keine Gesetze, es sei denn, die CDU/CSUacht mit.
ie CDU/CSU macht bei entscheidenden Gesetzenerne mit, nicht nur bei der Gesundheitsreform, die
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Otto Frickeverfehlt ist, sondern auch bei anderen Gesetzen, die ver-fehlt sind. Ich würde mir schon überlegen, ob ich bei al-lem Möglichen mitmache, was aufseiten der Regie-rungskoalition gemacht wird, und mich dann nachhermit stolz geschwellter Brust dagegen wende, wenn esum andere Themen geht.
Frau Ministerin, die FDP erwartet von Ihnen nicht nurein neues Strafvollzugsgesetz, sondern Sie sind – daswissen Sie – auch mit dem Untersuchungshaftvoll-zugsgesetz hinterher. Auch da sei mir ein freundlicherHinweis an die Grünen gestattet, in diesem Fall an HerrnStröbele und nicht an Herrn Montag, weil der ja erst seiteinem Jahr im Bundestag ist. Da ist fünf Jahre langnichts passiert. Auch da könnte man etwas tun. Die Ver-hinderer sitzen eher auf der Bank der SPD. Warum dasnicht klappt, wissen wir auch alle.
Zwar sitzen die Verhinderer da, aber was machen wir?Entweder legen wir keinen Gesetzentwurf vor oder es istwie bei der von der FDP begrüßten, jetzt endlich stattfin-denden Gebührenreform. Dass wir jetzt eine Gebüh-renreform bekommen werden, ist doch nicht darauf zu-rückzuführen, dass wir uns alle jetzt einig sind, sondernes ist darauf zurückzuführen, dass die Länder sagen: Wirkriegen genug Knete, deswegen darf es auch für diefreien Berufe nach zehn Jahren eine Gebührenerhöhunggeben. – So liegt doch der Fall.
– So ist das im Leben, Herr Montag. Aber dann frage ichSie einmal: Halten Sie es für richtig, dass die Höhe derEinnahmen für jemanden mit einem freien Beruf, denSie der Gewerbesteuer unterwerfen wollen, künftig da-von abhängt, dass die Länderfinanzminister sagen:„Aber nur, wenn ich auch Geld kriege“? Wir erwartenvon einem Anwalt – anders als von einem Gewerbetrei-benden –, dass er nicht nur danach schaut, wie er seinenGewinn maximieren kann, sondern wir erwarten vonihm, dass er Beratunghilfe macht, dass er Pflichtverteidi-gungen macht und dass er Verfahren im Rahmen derProzesskostenhilfe übernimmt.Wenn wir all das tun, meine Damen und Herren vonRot-Grün, aber gleichzeitig sagen, dass das ein Gewerbeist und der Gewerbesteuer unterfällt, dann ist das einWiderspruch. Wenn die Frage, wie viel Gebühren mandafür erheben kann, auch noch davon abhängt, wie vielzusätzliches Geld die Länder bekommen, dann beschädi-gen wir auf Dauer eine der wesentlichen Säulen unseresRechtsstaates. Das kann es nicht sein.
Ich komme zum Schluss. Wir werden bei den Haus-haltsverhandlungen mit Sicherheit noch einige Einspa-rungen vornehmen müssen. Das ist wohl zu erkennen.Aber wir müssen aufpassen, an welcher Stelle wir sievornehmen. Frau Ministerin, ich sage einmal so: Siewerden aufseiten der FDP teilweise eine größere Unter-sdnmtHGRsSrulwdmnnmTsdbRgtkVlggvwemg
Nun hat der Kollege Joachim Stünker für SPD-Frak-
ion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollegeötzer hat hier heute – zumindest im ersten Teil – dieede gehalten, die der Kollege Röttgen am 18. März die-es Jahres hier auch schon gehalten hat.
ie haben damals gesagt, unsere Politik sei geprägt vonechtspolitischer Lustlosigkeit, wir hätten keinen Elannd uns würden die Rezepte fehlen. Sie haben uns Hand-ungsschwäche auf dem Gebiet der Rechtspolitik vorge-orfen. Ich habe Ihnen damals bereits erwidert – und tueas auch heute –, dass blinder rechtspolitischer Aktionis-us und vor allem purer rechtspolitischer Populismusicht unsere Politik sind. Das überlassen wir gerne Ih-en.
Ich gebe zu, dass wir mit unserem Koalitionspartneranchmal eine etwas quälende Diskussion zu demhema Graffiti haben; das will ich gar nicht in Abredetellen. Aber wie populistisch man das handhaben kann,as haben Sie gestern wieder mit einer Presseerklärungewiesen. Ich gebe zu, sie stammt nicht von einem Ihrerechtspolitiker, sondern von MdB Peter Götz. Ichlaube er ist kommunalpolitischer Sprecher. Er hat eineolle Erklärung abgeben: Die Graffiti-Szene wird immerrimineller. Rot-Grün verweigert sich einer maßvollenerschärfung des Strafrechts.Das ist völliger Unsinn. Es geht darum, wie eine mög-icherweise bestehende Lücke in einem Straftatbestandeschlossen werden kann; darüber streiten wir. Aber eseht hier nicht um schärfere Gesetze oder Ähnliches. Soerdummen Sie die Menschen mit Populismus. Demerden wir uns nicht anschließen.
Ich habe mein Büro gebeten, für die heutige Debatteinmal die rechtspolitischen Initiativen herauszusuchen,it denen Sie uns in dieser Legislaturperiode bereits be-lückt haben. Wenn man da einmal nachblättert, dann
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Joachim Stünkerstellt man fest, dass es sich – entgegen Ihren vollmundi-gen Erklärungen – nur um wenige, sehr übersichtlicheInitiativen handelt, die im Wesentlichen durch dreiMerkmale gekennzeichnet sind:Erstens. Sie machen immer wieder Vorschläge füreine Verschärfung der Kriminalpolitik, so auch heuteAbend.Zweitens. Sie fordern uns auf, Reformen aus der letz-ten Legislaturperiode rückgängig zu machen.Drittens. Sie versuchen wiederholt, einen Aufguss dergescheiterten Rechtspolitik der Regierung Kohl aus den90er-Jahren vorzunehmen. Der Hinweis auf Ihr Justiz-beschleunigungsgesetz ist bereits erfolgt.
Zusammenfassend sage ich Ihnen dazu: Es handeltsich bei Ihren rechtspolitischen Initiativen nicht einmalum neuen Wein, sondern ausschließlich um alten Weinin alten Schläuchen.
Hiermit werden Sie den Herausforderungen des21. Jahrhunderts nicht gerecht werden.Ich wiederhole: Wir werden auch weiterhin eine hu-mane, rationale und effiziente Kriminalpolitik vorantrei-ben und werden uns dabei von Ihnen überhaupt nicht be-irren lassen.
In Übereinstimmung mit der überwiegenden Meinungder Praxis haben wir nicht die geringste Veranlassung,Reformen aus der letzten Legislaturperiode zurückzu-nehmen. Die gescheiterten Justizentlastungsgesetze ausden 90er-Jahren – Herr Funke hat es jedes Mal dankens-werterweise bestätigt; er war ja daran beteiligt – werdendurch fortwährende Wiederholung und durch vielleichtandere Formulierungen nicht besser. Wir werden diesemWeg nicht folgen.Wir werden vielmehr die in der letzten Legislatur-periode begonnenen Justizreformen mit Augenmaß undbedächtig fortsetzen.
Die Justizpolitik, die in den Jahren 1982 bis 1998 eherträge und zögerlich war, ist durch diese Reformen tat-sächlich in Fahrt gekommen. Sie sehen dies an den Dis-kussionen in der Fachöffentlichkeit, aber auch an Bei-trägen in der Presse. Wir dürfen und werden dieseReformen daher nicht bremsen; denn die Folgen IhresVersagens – das zeigt die Diskussion über das Untersu-chungshaftvollzugsgesetz und den Jugendstrafvollzug –tragen wir alle gemeinsam noch heute.
–KglawaZwinwluw–nnleBHdtedtuIbsdsswussgrvgVhinaJngNs
Unsere Politik zeichnet sich seit 1998 durch dreiernbereiche aus, die bei allem, was wir tun, im Vorder-rund stehen. Daran werden wir uns auch weiter messenssen. Die Frau Ministerin hat in ihrer Rede dankens-erterweise auf einige Punkte bereits hingewiesen.Erstens. Wir wollen die Leistungsangebote der Justizuch für Schwächere optimieren. Dazu gehört unserePO-Reform mit der Stärkung der ersten Instanz. Wennir mit Vertretern aus der Praxis reden, dann stellen wir der Tat fest, dass diese Stärkung eingetreten ist. Wirerden dieses Gesetz wie versprochen im Jahr 2004 eva-ieren. Danach reden wir darüber, was wir möglicher-eise verändern und verbessern können. Aber davor darauf kann sich die Praxis verlassen – wird die Ver-unft siegen und wir werden keine Veränderungen vor-ehmen, da mögen Sie Anträge stellen, so viel Sie wol-n.Zweitens. Wir wollen die Chancengleichheit derürger beim Zugang zum Recht auch weiterhin sichern.ierzu gehören der Ausbau von Prozesskostenhilfe under Pflichtverteidigung ebenso wie die Mediationskos-nhilfe. Zu diesen Zugangschancen gehört auch dieringend notwendige Modernisierung des Rechtsbera-ngsgesetzes. Die Vorarbeiten hierzu sind angelaufen.ch bin überzeugt, dass wir die Novellierung des Rechts-eratungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode ab-chließen werden.
Wir werden die Informations- und Beteiligungsrechteer Opfer im Rahmen der anstehenden StPO-Reformtärken und wir werden den Opferschutz ausbauen. Wirind fest entschlossen, künftig den Opfern einer Straftat,enn sie es denn wollen, den doppelten Weg über Straf-nd Zivilgerichte in den dafür angezeigten Fällen zu er-paren. Darauf hat die Frau Ministerin schon hingewie-en.Die Novelle zum Kostenrecht liegt Ihnen vor. Hierzuehört auch der gesamte Bereich der freiwilligen Ge-ichtsbarkeit. Das ist in der Tat ein gewaltiges Reform-orhaben, das wir in der letzten Legislaturperiode be-onnen haben. Wir können das Gestrüpp bei denerfahrensordnungen nicht so belassen, wie es sicheute darstellt. Wir werden Ihnen auch hierzu rechtzeitig dieser Legislaturperiode eine Novelle vorlegen.Sie sehen, die Aufgabenfelder sind im Wesentlichenbgesteckt. Das kann man allerdings nicht alles in einemahr bewältigen. Aber wir werden die Reformen in ver-ünftigen Schritten vorantreiben.
Gestatten Sie mir, den folgenden dritten Punkt etwasründlicher zu behandeln, da er mir sehr wichtig ist.ehmen Sie das, was ich dazu sage – ich bitte um Nach-icht –, nicht unbedingt als Verkündung von rot-grüner
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Joachim StünkerProgrammatik. Teilweise handelt es sich um einen The-menbereich, der mir persönlich sehr am Herzen liegt undzu dem ich Ihnen einige Gedanken mitteilen möchte.Drittens. Wir wollen die Effizienz der Justiz durchneue Steuerungsmodelle und auch durch Aufgabenverla-gerung in der Zukunft sichern. Das ist sicherlich dasschwierigste Thema, dem wir uns zu widmen haben, undvor dem Hintergrund der immer knapper werdendenRessourcen, wie ich meine, auch das wichtigste Thema.Die Justiz und hier in erster Linie die Richterinnenund Richter müssen zukünftig in noch größerem Maßebereit sein, sich einer Qualitätsdiskussion zu stellen, dieauch Wirtschaftlichkeitsüberlegungen einschließt. Esdarf unter Berufung auf die richterliche Unabhängigkeitnicht jedwede Qualitätsdiskussion und Überprüfung derTauglichkeit der neuen Steuerungsmodelle scheitern.Ich bin davon überzeugt, dass dort noch sehr viele Res-sourcen liegen, die wir nutzen sollten.Zur Frage der Effizienz und der Wirtschaftlichkeit derJustiz gehört aber auch, Aufgaben, die nicht unbedingtin Richterhand sein müssen, auf andere Laufbahnen zuübertragen. Deshalb haben wir mit der Binnenreform derordentlichen Gerichtsbarkeit begonnen. Ich hoffe, Siewerden uns in diesem Punkt bei dem demnächst zu bera-tenden Justizmodernisierungsgesetz unterstützen. Wirübertragen richterliche Aufgaben auf die Rechtspflegerund setzen damit Ressourcen frei.Kein Tabu dürfen in diesem Zusammenhang Überle-gungen sein, ob bestimmte Bereiche, die nicht den Kernhoheitlicher justizieller Aufgaben betreffen, gegebenen-falls nicht doch aus dem Bereich Justiz herausgenom-men werden könnten. Die Ministerin hat dieses Themahier angesprochen. Für mich gehören in diesen Zusam-menhang Überlegungen, ob nicht die Zusammenlegungvon Fachgerichtsbarkeiten oder die Eingliederung derArbeitsgerichtsbarkeit in die ordentliche Gerichtsbarkeitein Weg ist, durch den wir erhebliche Synergieeffekte er-wirtschaften könnten und den wir deswegen gemeinsamdiskutieren sollten.Ich weiß, dass ich mit den Überlegungen, die ich hiervorzustellen versuche, heiße Eisen anfasse. Ich weißauch, dass ich mit diesen Überlegungen nicht überall aufGegenliebe stoßen werde. Aber, liebe Kolleginnen undKollegen, jetzt einmal Spaß beiseite:
Wie sieht denn heute die Wirklichkeit aus, insbesonderein der ordentlichen Gerichtsbarkeit, aber auch in anderenGerichtsbarkeiten, und das bundesweit? Die Wirklich-keit ist nicht zum Lachen. Die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter dort sehen sich auf allen Ebenen in ihrer tägli-chen Arbeit immer weiter wachsenden Aufgaben beiimmer weniger Personal gegenüber.
Das demotiviert und Demotivierung wirkt nicht geradeleistungsfördernd, wie wir wissen. Das ist die allgemeineStimmung in den Gerichten und in den Staatsanwalt-schaften, egal in welchem Bundesland wir uns befinden.säkdfmfWdemI1dSDd–icdnwliIvaFRIeWrskgkntiisdrIDtudc
Genau. – Für den Bund hat die Frau Ministerin – wieh meine, überzeugend – darauf hingewiesen, dass wiras nicht getan haben, und ich hoffe, sie wollen das auchicht tun.Diese Warnung von Ihnen, Herr Kollege Funke – dasissen Sie genauso gut wie ich –, müssen wir eindring-ch und zunehmend an die Bundesländer weitergeben.ch sehe mit großer Sorge, wie dort die Justizhaushalteon Jahr zu Jahr mehr ausgedünnt werden, und zwar un-bhängig davon, wer wo regiert. Das ist keine Frage derarbe der Partei. Die Finanzminister dominieren dieechtspolitik.
ch bin überzeugt: Dies ist im Interesse des Rechtsstaatesin falscher, ein verhängnisvoller Weg.
ir dürfen die Fragen nach Effizienz durch neue Steue-ungsmodelle und Aufgabenverlagerungen nicht aus-chließlich vor dem Hintergrund von Personalkosten dis-utieren. Wir müssen uns vielmehr die Strukturenrundlegend ansehen und zu mutigen Reformschrittenommen.Lassen Sie mich zur Verdeutlichung ein Beispiel nen-en, das uns alle gegenwärtig in der Diskussion beschäf-gt und das hier heute noch nicht angesprochen wordent. Ich halte das Ansinnen einiger Länder an den Bun-esgesetzgeber für verfehlt, die Führung der Handels-egister in der Zukunft von den Amtsgerichten auf diendustrie- und Handelskammern zu verlagern.
iese hoheitliche Aufgabe im Wege der Auftragsverwal-ng mit Fach- und Rechtsaufsicht erfüllen zu wollen be-eutet meines Erachtens eine Verkennung der Kernberei-he der Justiz
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Joachim Stünkerund schafft im Ergebnis nicht weniger, sondern, wennman genau hinsieht, mehr Bürokratie.
Andererseits scheint im Betreuungsrecht eine Aufgaben-verlagerung von Vormundschaftsgerichten auf Betreu-ungsbehörden, die mit der sozialen Kompetenz einerspezialisierten Behörde ausgestattet sind, ein gangbarerWeg zu sein.
Im erstgenannten Falle müsste nämlich die Justiz Perso-nal für eine neue Behörde abgeben; denn dort ist keinPersonal dafür vorhanden. Im zweiten Falle würde dieJustiz vorhandenes Personal zur Bewältigung des stän-dig wachsenden Aufgabenanfalles zusätzlich einsetzenkönnen. Das wäre meines Erachtens der richtige Weg.Wir werden ja noch in diesem Jahr – der Schlussberichtder Bund-Länder-Kommission zum Betreuungsrechtliegt vor – oder Anfang des nächsten Jahres einen Ent-wurf in diesem Hause zu beraten haben. Vielleicht erin-nern wir uns dann einmal an die Gedanken, die ich zuformulieren versucht habe.Ich würde mich freuen, wenn es uns gelingen könnte,diese grundlegende Frage eines neuen Gebäudes der Jus-tiz vorurteilsfrei unter uns, mit den Ländern und mit derFachöffentlichkeit zu diskutieren, auch wenn dasschwierig ist und sicherlich zunächst einmal Wider-stände hervorruft.
Herr Kollege, auch wenn das schwierig ist – –
Ja, Herr Präsident, noch ein Satz. – Ich bin mir ganz
sicher: Der Rechtsstaat wird es uns danken.
Schönen Dank.
Das Wort hat der Kollege Norbert Barthle von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Kollege Stünker, ich bin Ihnen als Haushälter aus-gesprochen dankbar, dass Sie Ihre Überlegungen zumehr Wirtschaftlichkeit und Effizienz so humorvoll undlebendig vorgetragen haben.
Ich stimme Ihnen aber zu, dass bei dem Einzelplan 07,den wir als letzten in einer langen Haushaltswoche bera-ten, nicht mehr viel Einsparpotenzial besteht. Ihr Etat,Frau Ministerin, umfasst gerade einmal 1,4 Promille desGesamtetats; da könnte man auf die Idee kommen, er seiunwichtig. Das ist er selbstverständlich nicht. Im Gegen-teil, das Bundesjustizministerium leistet eine ganz wich-ttHbF2hDsSEngsedDescdaVkmtvtnDr1rIslgbbWtDwmbtenS
ch halte es wirklich für fehl am Platze, Opfer unter-chiedlich zu behandeln, ob sie nun von rechts oder voninks oder ob sie religiös oder rassistisch motiviert ange-riffen werden – dem Opfer ist das ziemlich egal. Ichitte Sie, diesen ideologisch verbrämten Irrweg aufzuge-en; er passt nicht zu Ihnen.
arum schaffen Sie nicht einen Titel, der einfach „Här-eleistungen für Opfer extremistischer Übergriffe“ heißt?ann wären alle bedacht und dann könnte allen geholfenerden. Das wäre meine Bitte an Sie, auch für die kom-enden Haushaltsberatungen.Lassen Sie mich noch einen Satz zu den Haushalts-eratungen generell anfügen. Es macht einem Haushäl-er wenig Spaß, wenn man insgesamt einen Haushalts-ntwurf vorgelegt bekommt, der im Grunde genommenicht beratungsfähig ist. Davon wird natürlich auch eintück weit der Justizetat tangiert. Die Risiken wurden
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Norbert Barthlebereits angesprochen. Es ist wenig ersprießlich, wenndie Vorlage zu einem Zeitpunkt erscheint, an dem dasGanze eigentlich schon wieder überholt ist, weshalb dieBeratungen wenig Sinn machen.Was mich, mit Verlaub, an der rot-grünen Bundesre-gierung aber am meisten ärgert und anwidert, um dasKanzlerwort zu vermeiden, ist die Tatsache, dass dastrotz alldem immer noch mit der Attitüde der Groß-mannssucht und der Großspurigkeit vorgetragen wird.Das ist wirklich ärgerlich. Es werden Jahrhundertrefor-men en masse, eine nach der anderen, propagiert. Bis dieReformen in Kraft treten, ist meist alles schon wiederüberholt.
Das finde ich lästig. Davon heben Sie sich aber in ange-nehmer Weise ab. Ich hoffe, das bleibt so. In diesemSinne wünsche ich uns gute Beratungen.Vielen Dank.
Als letztem Redner in der Aussprache erteile ich dem
Kollegen Ingo Wellenreuther für die CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Als ehemaliger Richter aus der schönen Stadt Karls-ruhe, der deutschen Residenz des Rechts, freut es michbesonders, heute zum Justizhaushalt sprechen zu kön-nen. Bevor ich mich aber zur Rechtspolitik äußere,möchte ich auf die Justiz- und Rechtspflege im Allge-meinen und auf ihren Stellenwert in unserem Land zusprechen kommen. Herr Stünker und Frau Zypries, Siehaben das auch schon getan.Es ist gerade einmal etwas mehr als zehn Jahre her,als es im Zuge der Wiedervereinigung offensichtlichund bald auch allen klar wurde, dass Wirtschaftsent-wicklung und Wachstum in den neuen Bundesländernohne gesicherte Rechte, ohne funktionierende Gerichteund ohne ein leistungsstarkes Vollstreckungs- undGrundbuchwesen nicht möglich sind. Das gilt auch nochheute für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutsch-land. Deshalb ist eine gut funktionierende Infrastrukturim Recht und in der Justiz für unser Land von elementa-rer Bedeutung.Ich denke – das wurde gerade angesprochen –, diecirca 350 Millionen Euro, die in den Justizhaushalt desBundes eingestellt worden sind, stellen im Verhältnis zuden circa 250 Milliarden Euro des Gesamthaushaltes einMinimum dar, um dieser Bedeutung gerecht zu werden.Bei aller Notwendigkeit zum Sparen – Herr Barthle hates gerade angesprochen – sollte uns ein funktionierenderRechtsstaat einen Nettobedarf von unter 0,2 Prozent desBundeshaushaltes wert sein. Die Justiz braucht ausrei-cizRuwbdsgNfsimmsdSs–rsnHhdliZrfrnadss–ldeBv
Das werden wir sehen, Herr Ströbele.Für das Zivilverfahren möchte ich zwei Punkte he-ausgreifen, die von ganz entscheidender Bedeutungind und die die Verfahren behindern. Das eine ist dieeu eingeführte Dokumentationspflicht für richterlicheinweise und das andere ist die obligatorische Gütever-andlung. Diese beiden Dinge müssen gestrichen wer-en. Letzteres bringt den Parteien lediglich mehr Forma-smus und Aufwand.
– Herr Stünker, es ist so. Ich habe zweieinhalbtausendivilprozesse geführt. Ich glaube, ich weiß, wovon ichede.
Die erweiterte Dokumentationspflicht hat dazu ge-ührt, dass Protokolle länger und Gerichtstermine zeit-aubender werden. Das ist sicherlich nicht im Sinne ei-er effizienteren Justiz. Deswegen bitte ich Sieusdrücklich, dass Sie nicht an Regelungen festhalten,ie sich in der Praxis tatsächlich als verfehlt herausge-tellt haben. Um das zu wissen, hätte man kein Prophetein müssen.
Das habe ich gerade gesagt, Herr Manzewski.Daneben ist es dringend erforderlich, die neuen Be-astungen, die auch durch die ZPO-Reform auf den Bun-esgerichtshof zukommen, zu korrigieren. Lassen Sies mich ganz plastisch ausdrücken, Frau Zypries: DerGH ist bereits abgesoffen; er ertrinkt in Zulassungsre-isionen und Nichtzulassungsbeschwerden.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003 5217
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Ingo Wellenreuther– Ja, eben. – Die richtige Lösung läge hier in der Einfüh-rung einer Antragsrevision. Dies würde es dem Bundes-gerichtshof auch ermöglichen, seine Arbeitskapazitätwieder auf die wirklich wesentlichen und relevanten Fra-gen zu konzentrieren.
Eine Aufstockung der Zahl der Bundesrichter im Zi-vilbereich wäre nicht nur aus Kostengründen der falscheWeg; denn dann – ich muss es ansprechen – käme die sogenannte Rutschklausel zur Anwendung. Frau Zypries,wir haben schon darüber gesprochen. Dies hätte sowohlfür die Stadt Karlsruhe als auch für den Bundesgerichts-hof nicht hinnehmbare Folgen, nämlich die Spaltung desBGH. Ich nehme Sie beim Wort und darf Sie auffordern,sich dafür einzusetzen, dass der BGH mit allen Strafse-naten in Karlsruhe bleibt, da gerade diese das Bild desGerichtshofes in der Öffentlichkeit prägen.
Im Sinne der Kosteneinsparung – wir sind ja geradein der Haushaltswoche – sollte sogar über eine Wieder-eingliederung des 5. Strafsenates des BGH von Leipzignach Karlsruhe nachgedacht werden. Beim Bundesver-waltungsgericht wurden ähnliche Wege schon gegangen.Lassen Sie mich zu weiteren Themen kommen, dievon rechtspolitischer Bedeutung sind und die der Kol-lege Herr Dr. Götzer noch nicht angesprochen hat. Essind weitere Beispiele dafür, dass es Rot-Grün an ent-sprechender Kompetenz fehlt.Zunächst nenne ich das leidige Gesetz zur Vereinfa-chung und Vereinheitlichung der Verfahrensvorschriftenzur Wahl und Berufung ehrenamtlicher Richter. DasGesetzesvorhaben wurde bereits in der letzten Wahlperi-ode vom Bundesrat eingebracht. Passiert ist nichts, weilRot-Grün das Verfahren verzögert hat. Auch in dieserWahlperiode wurde das Gesetzeswerk – inhaltlich un-verändert – vom Bundesrat erneut eingebracht. Eine Ver-abschiedung vor der Sommerpause ist aber wieder anplötzlichen Änderungsvorschlägen von Rot-Grün ge-scheitert, sodass es für die Bundesländer im Jahre 2004noch immer keine einheitliche und vereinfachte Wahl-möglichkeit gibt, um die Tausenden von ehrenamtlichenRichtern zu wählen.Ein noch schlimmeres Trauerspiel – auch das wurdegerade schon angesprochen – ist die Geschichte der Ver-wirklichung der Reform der Bundesrechtsanwaltsge-bührenordnung. Ich möchte kurz darauf hinweisen,dass die 120 000 Anwälte dieses Landes seit Jahren aufeine Anpassung und Änderung der BRAGO an die allge-meinen Lebenshaltungskosten warten. Das haben Sieverschleppt, und zwar seit sechs Jahren.
Auch dieses Gesetzgebungsverfahren ist in der letztenWahlperiode von Regierungsseite aus immer wieder da-durch torpediert worden, dass kurzfristig Änderungennachgeschoben wurden, die weder von der Anwaltschaftnoch von unserer Seite akzeptiert werden konnten. Mitder Beteiligung der Union ist es nun endlich gelungen–rdn–WlBsAUusaMecuscskEAzSs–dbnSzdsdh
Sie sagen es, Herr Dr. Götzer, so ist es.Der heutige Tag bietet Anlass dafür, dass noch einigeorte zum 11. September gesprochen werden. Uns al-en sind die grausamen Ereignisse und die schrecklichenilder noch gut im Gedächtnis. Wir werden sie wahr-cheinlich nicht vergessen können. Ich möchte dies zumnlass nehmen, um auf die gravierenden inhaltlichennterschiede in den Bereichen Terrorismusbekämpfungnd Bekämpfung der organisierten Kriminalität zwi-chen der Union und Rot-Grün hinzuweisen und diesenzusprechen. Dieser Anschlag sollte für uns alle eineahnung sein, gegen den internationalen Terrorismusntschieden vorzugehen, um die Menschen vor ähnli-hen Attentaten besser zu schützen und auch zukünftignsere demokratischen und freiheitlichen Gesellschafts-trukturen zu sichern. Herr Stünker, ich hoffe, Sie ma-hen das.
Bisher waren Sie nicht in der Lage, den Rahmenbe-chluss der Europäischen Union zur Terrorismusbe-ämpfung fristgerecht umzusetzen.
rst nach unserer Aufforderung im März haben Sie impril einen Entwurf vorgelegt. Aber dieser ist völlig un-ureichend und ungenügend, um einen weit reichendenchutz der Bevölkerung und unserer freiheitlichen Ge-ellschaft vor Terrorismus zu gewährleisten.
Herr Ströbele, das müssen Sie so hinnehmen.Nachbessern müssen Sie auch bei der Bekämpfunger organisierten Kriminalität. Frau Zypries, Sie ha-en es trotz Ausweitung der Taten im Bereich der orga-isierten Kriminalität noch nicht fertig gebracht, dentrafverfolgungsbehörden ausreichend geeignete Mittelur Verfügung zu stellen.Was getan werden muss, liegt meines Erachtens aufer Hand:Erstens. Eine neue Kronzeugenregelung muss her.Zweitens. Es muss eine Rechtsgrundlage für den Ein-atz verdeckter Ermittler geschaffen werden, damit auchie Beamten für ihr notwendiges Handeln Rechtssicher-eit haben.
Metadaten/Kopzeile:
5218 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 60. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. September 2003
(C)
(D)
Ingo WellenreutherDrittens. Eine Ausweitung der Telefonüberwachungist notwendig.
– Herr Ströbele, auch wenn es wehtut, Sie haben richtiggehört: eine Ausweitung.Frau Zypries, lassen Sie die Ermittlungsbehördennicht länger im Stich. Tun Sie etwas, damit der Terroris-mus und die organisierte Kriminalität bekämpft werdenkönnen. Reden Sie nicht nur davon, sondern handeln Sieendlich, vor allem ideologiefrei. Die Menschen inDeutschland erwarten es zu Recht von Ihnen.Danke schön.
Herr Kollege Wellenreuther, dies war Ihre erste Rede
im Plenum des Deutschen Bundestages,
zu der ich Ihnen herzlich gratuliere, verbunden mit allen
guten Wünschen für die weitere parlamentarische Ar-
beit. Sie haben sich in Ihrer ersten Rede eine Zeitgut-
schrift von 30 Sekunden erarbeitet, die ich Ihnen bei
nächster Gelegenheit, wenn Sie mich daran erinnern,
gerne verrechne.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Bundestages auf
morgen, Freitag, den 12. September 2003, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.