Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! DieSitzung ist eröffnet.Ich begrüße Sie sehr herzlich zur Wiederaufnahmeder Parlamentsarbeit nach der Sommerpause. Auf unswarten intensive Arbeit und sicherlich heftige Diskussio-nen. Ich wünsche mir für uns, dass trotz aller Kontrover-sen Ergebnisse erzielt werden, die die gesellschaftlicheSituation in Deutschland verbessern.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gratuliereich zunächst dem Kollegen Dr. Wolfgang Bötsch imNamen des Hauses herzlich zu seinem gestrigen65. Geburtstag.
Ebenso herzlich gratuliere ich der Kollegin ErikaLotz und dem Kollegen Peter Dreßen zu ihrem heuti-gen 60. Geburtstag.
Die besten Wünsche nachträglich gehen auch an dieRedetKolleginnen Erika Steinbach und Dr. Herta Däubler-Gmelin, die während der Sommerpause ebenfalls ihren60. Geburtstag feiern konnten.
Wir kommen nun zur heutigen Tagesordnung. Nacheiner interfraktionellen Vereinbarung soll die Beratungdes Einzelplans 15 – Gesundheit und SozialeSicherung – heute erfolgen. Der Einzelplan 10 – Ver-braucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft – sollbereits heute als letzter Tagesordnungspunkt, der Einzel-plan 07 – Justiz – in Verbindung mit Einzel-plan 19 – Bundesverfassungsgericht – soll erst am Don-nerstag als letzter Tagesordnungspunkt berateDie Tagesordnung soll außerdem um die insatzpunktliste aufgeführten Punkte erweitert w
Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
RechtsausschussAusschuss für Menschenrechte und humanitäre HilfeHaushaltsausschuss3 Weitere abschließende Beratung ohne Ausspra-extche
Zweite Beratung und Schlussabstimmung desvon der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom5. November 2002 zum Abkommen vom11. April 1967 zwischen der BundesrepublikDeutschland und dem Königreich Belgien zurVermeidung der Doppelbesteuerungen undzur Regelung verschiedener anderer Fragenauf dem Gebiete der Steuern vom Einkommenund vom Vermögen einschließlich der Gewer- und der Grundsteuernsache 15/1188 –eratung 53. Sitzung)n werden. einer Zu-erden:besteuer– Druck
Metadaten/Kopzeile:
4848 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
– Drucksache 15/1525 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO5 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einord-nung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetz-buch– Drucksache 15/1514 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen6 Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L.Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion derFDP: Zukunft gestalten statt Krankheit ver-walten– Drucksache 15/1526 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschusswbnv–lisscsCsRArdssggüdzülsül
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4849
)
)
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowieder Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-ChristianStröbele, Volker Beck , weiterer Abgeord-neter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNENUnterstützung von Landreformen zur Be-kämpfung der Armut und der Hungerkrise imsüdlichen Afrika– Drucksache 15/1307 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAntrag der Abgeordneten Reinhold Hemker,Sören Bartol, Dr. Herta Däubler-Gmelin, weitererAbgeordneter und der Fraktion der SPD sowieder Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck
, Katrin Göring-Eckardt, Krista Sager und
der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NENVerbesserung der Welternährungssituationund Verwirklichung des Rechts auf Nahrung– Drucksache 15/1316 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungSind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? –Ich sehe, es gibt eine Wortmeldung zur Geschäftsord-nung. Frau Dr. Lötzsch, bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Hiermit beantrage ich im Namen meiner Kollegin
Petra Pau und im eigenen Namen, die Zusatzpunkte 4
und 6 nicht auf die Tagesordnung zu setzen.
Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen
Krankenversicherung – Drucksache 15/1525 – ist ges-
t
G
S
e
a
r
s
A
B
z
m
g
d
v
c
d
m
s
g
k
ti
A
e
R
z
s
te
G
s
te
K
u
o
K
L
s
k
z
z
l
Wir beantragen, die Zusatzpunkte 4 und 6 nicht auf
ie Tagesordnung zu setzen, weil wir darin eine Ent-
achtung des gewählten Parlaments sehen. Es darf nicht
ein, dass Experten und Kungelrunden der Parteiführun-
en das Parlament ersetzen. Wenn Sie in Ihre Wahlkreise
ommen, können Sie nicht Herrn Rürup oder den Frak-
onsvorsitzenden mitnehmen. Er wird Ihnen nicht die
rbeit abnehmen, es Ihren Wählerinnen und Wählern zu
rklären. Ich glaube, sie würden diesen Experten, Herrn
ürup, auch nicht verstehen.
Wir beantragen, die Zusatzpunkte 4 und 6 nicht auf-
usetzen, weil es hier nicht um irgendein Gesetz geht,
ondern um den radikalen Umbau des Gesundheitssys-
ms. Grundpfeiler dieses Systems werden mit diesem
esetz infrage gestellt. Ich nenne nur ein einziges Bei-
piel: die paritätische Finanzierung des Gesundheitssys-
ms durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, meine lieben
olleginnen und Kollegen: Nehmen Sie sich selbst ernst
nd setzen Sie das Gesetz nicht auf die heutige Tages-
rdnung!
Vielen Dank.
Zur Gegenrede Kollege Schmidt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Kolleginötzsch geht ins Leere.Erstens hat sie wie alle anderen Mitglieder des Hau-es die Unterlagen in der vorigen Woche zugestellt be-ommen. Das ist übrigens nachweisbar. Auch das istwar relativ kurzfristig, aber ein ganz anderer Zeithori-ont als der, den Sie gerade geschildert haben. Woran esiegt, dass Sie diesen Gesetzentwurf erst gestern Abend
Metadaten/Kopzeile:
4850 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Wilhelm Schmidt
persönlich in die Hand bekommen haben, müssen Siebei sich und Ihren Informationsströmen untersuchen.
Zweitens mache ich im Namen aller Fraktionen desHauses darauf aufmerksam, dass wir uns diesemKomplex der Gesundheitsreform nicht erst seit den ver-gangenen Tagen und Wochen widmen. Vielmehr habenwir uns schon vor der Sommerpause nach Einbringungdes Gesetzentwurfs der Koalition mit diesem Themaauseinander gesetzt. Ganz frisch ist die Materie also je-denfalls nicht.Drittens haben wir gerade auch vor dem Hinter-grund der Notwendigkeit sehr intensiver Beratungenden Termin für die zweite und die dritte Beratung vom23. auf den 26. September verlegt. Dadurch eröffnenwir uns zusätzliche Möglichkeiten, uns in den zuständi-gen Ausschüssen mit dem Gesetzentwurf auseinanderzu setzen.Schließlich will ich auch darauf hinweisen, dass wiralle – jedenfalls die Koalition; ich denke, alle hier inDeutschland – darüber hinaus der Auffassung sind: Wirbrauchen Reformen, gerade auch auf diesem Sektor. Daskann und darf nicht durch Verfahrenstricks und durchsolche Verfahrensweisen aufgehalten werden.Deswegen bitte ich darum, die Tagesordnung in dervon allen Fraktionen vereinbarten Form zu beschlie-ßen.
Ich lasse jetzt über den Antrag auf Aufsetzung derZusatzpunkte 4 und 6 auf die Tagesordnung abstimmen.Wer ist für die Aufsetzung der Zusatzpunkte? – Werist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Aufset-zung so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a bis c auf:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2004
– Drucksache 15/1500 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussb) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-regierungFinanzplan des Bundes 2003 bis 2007– Drucksache 15/1501 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuss1
gebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleit-
– Drucksache 15/1502 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuss
InnenausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAußerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte 1 d bisj sowie Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reformder Gewerbesteuer– Drucksache 15/1517 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Tourismuse) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Um-setzung der Protokollerklärung der Bundes-regierung zur Vermittlungsempfehlung zumSteuervergünstigungsabbaugesetz– Drucksache 15/1518 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesenf) Beratung des Antrags der AbgeordnetenDr. Günter Rexrodt, Jürgen Koppelin, OttoFricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktionder FDPRegierung muss Haushaltssicherungsgesetzvorlegen– Drucksache 15/997 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschussg) Beratung des Antrags der Abgeordneten DietrichAustermann, Friedrich Merz, Volker Kauder,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUNachtragshaushalt umgehend vorlegen– Drucksache 15/1218 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuss
FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4851
)
)
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solmsh) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
– zu dem Antrag des Bundesministeriums derFinanzenEntlastung der Bundesregierung für dasHaushaltsjahr 2001 – Vorlage der Haus-haltsrechnung und Vermögensrechnung desBundes –– zu der Unterrichtung durch den Bundesrech-nungshofBemerkungen des Bundesrechnungshofes2002 zur Haushalts- und Wirtschaftsfüh-
– Drucksachen 14/8729, 15/345 Nr. 43, 15/60,15/973 Nr. 1, 15/1262 –Berichterstattung:Abgeordneter Gerhard Rübenkönigi) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrech-nungshofesRechnung des Bundesrechnungshofes für dasHaushaltsjahr 2001– Einzelplan 20 –– Drucksachen 15/1047, 15/1258 –Berichterstattung:Abgeordnete Anja HajdukIris Hoffmann
Bernhard KasterOtto Frickej) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrech-nungshofesRechnung des Bundesrechnungshofes für dasHaushaltsjahr 2002– Einzelplan 20 –– Drucksachen 15/1048, 15/1259 –Berichterstattung:Abgeordnete Anja HajdukIris Hoffmann
Bernhard KasterOtto FrickeZP 1 Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachtenEntwurfs eines Soforthilfegesetzes für die Ge-meinden
– Drucksache 15/1470 –Überweisungsvorschlag:Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOdghFhdHDmZRititHmdHgEgWlwctFg
Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bun-esminister der Finanzen, Hans Eichel.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren!
ies ist der fünfte Haushalt, den ich als Bundesfinanz-inister einbringe.
weifelsfrei ist es der Haushalt mit den bisher größtenisiken. Das größte Risiko besteht allerdings darin, dassnsbesondere Sie von der Union in dieser kritischen Si-uation unseres Landes überhaupt nicht wissen, was Siem Bundesrat, in dem Sie eine entscheidende Verantwor-ung tragen, selbst wollen. Darauf werde ich im Zuge deraushaltseinbringung im Einzelnen noch zurückkom-en.
Ich habe gesagt, dass es in der Tat der Haushalt miten größten Risiken ist. Im Jahre 1999 sind wir mit eineraushaltskonsolidierung gestartet, durch die wir, bezo-en auf den Bund, in den Jahren 1999, 2000 und 2001rfolge erzielt haben. Im Jahre 2000 hatten wir die mitroßem Abstand geringste Neuverschuldung seit deriedervereinigung. Sie betrug 1,2 Prozent des Bruttoin-andsprodukts. Das war weniger als die Hälfte von dem,as Sie drei Jahre vorher noch abgeliefert hatten.Wahr ist aber, dass durch die dreijährige wirtschaftli-he Stagnation das meiste von dem, was wir erreicht hat-en, wieder infrage gestellt wurde. Die entscheidenderage ist, wie wir da wieder herauskommen. Das ist Ge-enstand unseres Konzepts.
Metadaten/Kopzeile:
4852 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesminister Hans EichelIm vorigen Jahr, also im zweiten Jahr der wirtschaftli-chen Stagnation, belief sich das Defizit des öffentlichenGesamthaushalts nach der Maastricht-Abgrenzung auf74 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird es möglicher-weise noch etwas mehr sein. Wenn wir nicht eingreifen,wird dies im nächsten Jahr in gleicher Weise der Fall sein.
Diese Situation des Bundes, der Länder, der Gemeindenund der sozialen Sicherungssysteme kann nicht hinge-nommen werden.Dabei ist eines klar: Wer sich die Haushaltspolitik ge-nau ansieht, stellt fest, dass alle Konsolidierungsmaß-nahmen, die wir 1999 eingeleitet haben, auch in denHaushalten voll gegriffen haben.
Als Folge der Stagnation der letzten drei Jahre habensich zwei Dinge verändert: Die Steuereinnahmen sindweggebrochen und die Ausgaben für den Arbeitsmarktsind wesentlich höher.Das macht sich überall bemerkbar. Für den Bundes-haushalt gilt dies in besonderer Weise, weil er sowohlvon der Einnahmeseite – den wegbrechenden Steuerein-nahmen – als auch von der Ausgabenseite her – ichnenne die Ausgaben für den Arbeitsmarkt – betroffen ist.Die Länder werden an dieser Stelle übrigens nicht ingleicher Weise belastet. Bei den Kommunen ist dasschon eher der Fall, weil die Kosten der Sozialhilfe vollauf sie durchschlagen. Bei den sozialen Sicherungssyste-men macht sich das durch Defizite – zum Beispiel beiden gesetzlichen Krankenkassen – bemerkbar; heutewird ja noch über die Reformen im Gesundheitswesenberaten. Das sind die Folgen von drei Jahren Stagnation.
Übrigens gibt es diese Stagnation nicht nur inDeutschland, sondern überall in Europa. Wer jetzt nachden Ursachen fragt, der kommt zu einem ganz einfachenErgebnis.
Sehen wir uns den Unterschied zwischen dem Jahr 2000und dem Jahr 2001 an. Im Jahr 2000, in dem wir die mitgroßem Abstand niedrigste Neuverschuldung seit derWiedervereinigung und ein Wirtschaftswachstum von2,9 Prozent hatten, verzeichneten die Vereinigten Staatenals Lokomotive der Weltwirtschaft ein Wirtschafts-wachstum von 3,8 Prozent. In 2001 hatten sie nur nocheines von 0,3 Prozent. Das war ein richtiges Entgleisender Lokomotive der Weltwirtschaft. Wie eng der Zusam-menhang zwischen den Vereinigten Staaten, der Welt-wirtschaft und uns ist, hat der Sachverständigenrat inseinem entsprechenden Gutachten deutlich gemacht.Das bedeutet auch bei uns einen Absturz von 2,9 Prozent– das hatten wir ursprünglich berechnet – auf 0,6 Prozentbzw. 0,8 Prozent, wie wir heute wissen.
waads–KZcaPDgIwLasttvNdndthgAbapvMnbmiznl
Deutschland hat auch eigene Wachstumsschwächen.
Seien Sie ganz vorsichtig! Wir haben nämlich die EU-ommission gebeten, diese Wachstumsschwächen imusammenhang mit der Wiedervereinigung zu untersu-hen. Übrigens will ich mit diesem Thema keinen Streituslösen. Aber Sie werden schon merken, dass jeder seinäckchen selber tragen muss.Was ist das Ergebnis dieser Untersuchung? Etwa zweirittel der deutschen Wachstumsschwäche, also derrößte Teil, sind Folgen der Wiedervereinigungspolitik.ch meine das gar nicht negativ; denn eines ist klar: Das,as wir politisch machen mussten, muss kein anderesand in Mittel- und Osteuropa ökonomisch leisten. Allenderen Volkswirtschaften können sich der Europäi-chen Union erst dann anschließen, wenn sie eine funk-ionierende Marktwirtschaft und wettbewerbsfähige Be-riebe haben. Beides war in der ehemaligen DDR nichtorhanden. Trotzdem haben wir uns sozusagen überacht wiedervereinigt und die ostdeutsche Wirtschafter Weltwirtschaft ausgesetzt.Die Folgen, die politisch zwingend waren, aber öko-omisch einen Prozess der Massenarbeitslosigkeit under Deindustrialisierung der alten DDR mit sich brach-en, zu bewältigen dauert eine ganze Generation. Diesätte besser am Anfang gesagt werden sollen, damit klareworden wäre, wo die Probleme liegen.
Ich will das im Einzelnen gar nicht weiter ausführen.ber eines muss deutlich gemacht werden: Dies ist einesonderes Paket, das wir zu tragen haben und das wiruch gerne tragen. Man darf jedoch nicht, wie es damalsassiert ist, den Menschen vormachen, dass die Wieder-ereinigung aus der Portokasse bezahlt werden könne.an muss ehrlich sagen: Dies bedeutet, eine ganze Ge-eration von Deutschen muss mehr als alle anderen ar-eiten, um die Folgen der Wiedervereinigung wirklicheistern und die Vereinigung vollziehen zu können. Dasst so.
Jedes Jahr wird in der Größenordnung von 3,5 Pro-ent des Bruttoinlandsprodukts für den Transfer in dieeuen Bundesländer verwendet. Davon wird ein erheb-icher Teil in die sozialen Sicherungssysteme gesteckt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4853
)
)
Bundesminister Hans EichelDieser Anteil wird nämlich als Ausgleich zwischen Ostund West in Deutschland benötigt, weil es andernfalls zueinem Auseinanderbrechen käme. Sie sollten sich daranerinnern, dass Ihr Kanzlerkandidat genau diesen solida-rischen Zusammenhang zwischen Ost und West infragegestellt hat. Eine Konsequenz davon war, dass man ihmin Ostdeutschland nicht vertraut hat. Diese Solidaritätmit Ostdeutschland müssen wir aufbringen und auchökonomisch abarbeiten.
Es gibt auch hausgemachte Probleme, auf die ichgleich zu sprechen komme. In einer solchen Lage – wa-rum sollte man darum herumreden? – muss alles auf denTisch;
denn nur das, was klar angesprochen wird, kann auch ge-löst werden. Allerdings muss klar sein: Unser Land stehtnicht am Abgrund. Es ist, gemessen am Weltmaßstab,ein außerordentlich starkes Land, wie unsere Position imWelthandel jedes Jahr erneut beweist.
Ich verweise auf die Internationale Funkausstel-lung, die gerade zu Ende gegangen ist, oder die Interna-tionale Automobilausstellung, die vor uns liegt.
Lesen Sie auch, was die Chefs der großen Unternehmen,die in Deutschland investieren, über den StandortDeutschland sagen, zum Beispiel Jürgen Schrempp. Manmuss zwar mit ihm nicht immer einer Meinung sein;aber er weiß, wovon er redet, wenn er Standorte in derWelt vergleicht. Wenn er den Standort Deutschland fürsehr gut hält und in Deutschland investiert, dann heißtdas: Wir haben eine Chance, unsere Probleme zu lösen.Wir befinden uns nicht in einer Position der Schwäche,sondern in einer Position der Stärke, aus der heraus wirunsere Problem anpacken können.
Wir stehen vor großen Herausforderungen. Die ersteHerausforderung – ich habe sie erwähnt – ist die Gestal-tung der deutschen Einheit. Wo gibt es das denn, dass einSolidarpakt II, wie wir ihn ausgehandelt haben, miteiner Laufzeit von 15 Jahren und fünf Jahre im Vorausabgeschlossen wird? Das ist eine Zusage an unsere „ost-deutschen Brüder und Schwestern“, wie wir frühergesagt haben, an unsere Landsleute, dass sie sich daraufverlassen können: Die innere Einheit Deutschlands wirdhergestellt! Aber das muss erarbeitet werden.
Wir haben eine besondere Chance und Herausforderungdurch die europäische Einigung, insbesondere durch dieOrosVcwnhSksnFJswZDerBetisSkDdAdvwbeddDfndd
Der entscheidende Punkt, die Konsequenz langerehlentwicklungen, ist der demographische Wandel.etzt muss ich einmal einige Zahlen nennen. Schauen Sieich den Bundeshaushalt von 1961 an. Damals musstenir gerade einmal 16 Prozent des Bundeshaushalts alsuschuss an die Rentenversicherung zahlen.
as war zu einem Zeitpunkt, als auf 100 Menschen imrwerbsfähigen Alter, das heißt zwischen 20 und 60 Jah-en, 33 kamen, die im Rentenalter waren. Heute ist derundeszuschuss an die Rentenversicherung bereits beiinem Drittel des Bundeshaushalts angelangt. Gleichzei-g aber ist die Zahl der Rentner, bezogen auf 100 Men-chen im erwerbsfähigen Alter, auf 44 gestiegen. Lassenie mich eine Generation oder noch etwas weiter den-en, nämlich bis zum Jahr 2050.
ann lautet das Verhältnis nicht mehr 44 zu 100, son-ern mindestens 80 zu 100. Daran wird die Dramatik derlterung unserer Gesellschaft sichtbar. Auch das wird iniesem Herbst noch Gegenstand unserer Debatte undon Vorschlägen der Bundesregierung sein.Es ist schön, dass wir immer älter werden, und wirollen das genießen. Dass wir aber so wenig Kinder ha-en und weltweit auf einem der letzten Plätze stehen, istin Drama für die Familien- und Gesellschaftspolitik iniesem Lande. Das muss nicht so sein; das hätte auch an-ers sein können.
arauf geben wir Antworten, und zwar keine, die kurz-ristig wirken. Das weiß wohl jeder.Ich möchte ein Wort zu den innerdeutschen Verhält-issen sagen. Man kann und muss vieles kritisch überie DDR sagen, weil sie eine Diktatur war und maniese nicht akzeptieren konnte. Aber die Ostdeutschen
Metadaten/Kopzeile:
4854 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesminister Hans Eichelsind mit einer jungen Bevölkerung in das wiederverei-nigte Deutschland gekommen. Die Frauen dort und fastüberall in Europa hatten und haben mehr Chancen, Kin-derwunsch und Berufstätigkeit zu verbinden als bei unsim Westen. Darüber muss nachgedacht und daraus müs-sen Konsequenzen gezogen werden. Wir tun das.
Wir brauchen
Reformen für ein nachhaltiges Wachstum und für Kon-solidierung.
Denn eines ist klar geworden: Es gibt – anders als ich zudem Zeitpunkt betont habe, der Konsolidierungskurseingeleitet wurde und wir ein Wirtschaftswachstum hat-ten – keine Haushaltskonsolidierung ohne nachhaltigesWachstum. Es gibt allerdings auch kein nachhaltigesWachstum ohne konsolidierte Staatsfinanzen. Das einewie das andere sind zwei Seiten derselben Medaille.
– Da müssen Sie ganz vorsichtig sein! Ich habe vorhinnoch ganz freundlich über den Bericht der EU-Kommis-sion geredet.Deswegen musste der Reformstau aufgehoben wer-den, der Ihre Politik in den letzten 16 Jahren gekenn-zeichnet hatte.
Wir haben damit durch die Einleitung der Haushaltskon-solidierung, die Steuerreform und die Einführung der ka-pitalgedeckten Altersvorsorge begonnen. Aber ich stehenicht an zu sagen: Das war zu wenig. Es war zu wenig,um unser Land durch diese Fährnisse zu bringen. Wirmüssen das Reformtempo drastisch erhöhen und wirmüssen unser Land auf allen Feldern der Gesellschaftmodernisieren. Das ist das Konzept, das wir Ihnen vorle-gen. Das ist anstrengend und das muss in diesem Herbstverabschiedet werden.
Was wir Ihnen vorlegen – übrigens liegt bereits einGroßteil davon zur Beratung im Hause vor; ein weitererTeil ist schon im Bundeskabinett verabschiedet worden,sodass nur noch wenige Punkte im Kabinett verabschie-det werden müssen –, ist ein Dreiklang aus Strukturre-formen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpul-sen. Dieses Paket enthält Zumutungen für sehr viele, jafür alle. Denn wenn im öffentlichen Gesamthaushalt einDefizit von 70 bis 80 Milliarden Euro besteht, dann kanndies nicht beseitigt werden, ohne dass es alle merken. EskfpWezdsddtudaüFuePStebIslehsfgMwmwDunszeIdbmdt
Dabei sind sehr viele Besitzstände nicht nur infrageu stellen, sondern abzuschaffen. Das geht gar nicht an-ers, wenn man die Zukunft gewinnen will. Ich glaubechon, dass die Menschen dazu bereit sind, aber – das ister entscheidende Punkt – unter einer Voraussetzung:ass sie sehen, dass auch wirklich jeder seiner Leis-ngsfähigkeit entsprechend seinen Beitrag leistet.Ich sage mit aller Freundlichkeit – zu der ich auch iner Lage bin, meine Damen und Herren –,
ller Zurückhaltung und Vorsicht – wir werden nochber die Gesundheitsreform diskutieren –: Auch ich alsinanzminister stehe zu dem, was Sie verabredet habennd bin froh darüber, dass wenigstens an dieser Stellein Zeichen der Zusammenarbeit gesetzt werden konnte.assen Sie aber bei dem, was Sie mitgestalten, auf, dassie die Klientel, von der Sie meinen, dass Sie sie vertre-n müssen, genauso gerecht in die Zumutungen mit ein-eziehen, wie auch alle anderen einbezogen werden!
ch bin Graf Lambsdorff und Herrn Professor Pinkwartehr dankbar dafür, dass sie dies auf der FDP-Seite in al-r Offenheit ausgesprochen haben. Ich bitte Sie sehrerzlich, dies auch in der großen Volkspartei CDU/CSUo zu diskutieren.Denn wir werden in einer Demokratie den großen Re-ormprozess, der vor uns liegt und der enorm anstren-end ist, nur dann bewältigen können, wenn ihn dieenschen akzeptieren und diesen Weg mitgehen. Sieerden ihn aber nur dann akzeptieren, wenn sie nichteinen, einige seien privilegiert und blieben außen vor,ährend sie selbst das ganze Päckchen tragen müssten.as geht nicht an. Es unterminiert den gesamten Prozessnd damit unsere Zukunftsfähigkeit.
Zu dem ersten Punkt, den wir zu entscheiden haben,ämlich zu den Strukturreformen, will ich nur wenigagen, weil Ihnen bereits alles vorliegt oder in sehr kur-er Zeit vorliegen wird. Worum geht es? Es geht zuminen darum, die sozialen Sicherungssysteme – ich habehnen die Zahlen genannt – an die Herausforderungenes demographischen Wandels anzupassen. Es ist eineittere und harte Entscheidung, die in diesem Zusam-enhang fällig ist.Es geht dabei auch um eine völlige Neubestimmunges Verhältnisses von Solidarität und Eigenverantwor-ung. Grundsätzlich muss Solidarität gewahrt bleiben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4855
)
)
Bundesminister Hans EichelDer Kranke muss wissen, dass er das medizinisch Not-wendige bekommt, ganz unabhängig davon, wie viel erverdient. Jeder muss wissen, dass er im Alter nicht inArmut fällt. Das haben wir geschafft und das muss auchin Zukunft gelten.
Aber gleichzeitig gilt vor dem Hintergrund dieserHerausforderungen auch: Kleinere Risiken – die in derVergangenheit von der Allgemeinheit getragen werdenkonnten – müssen wir wieder selber tragen.
Sie, verehrter Herr Kollege Dr. Gerhardt, haben in die-sem Zusammenhang einmal von der Vollkaskomentalitätunserer Gesellschaft gesprochen. Daran ist sehr vielWahres. Ich bitte nur um eines: Spitzen Sie das nicht aufeinzelne Gruppen der Bevölkerung zu! Es gilt nämlichfür alle. Diese Mentalität gibt es bei Arbeitnehmern wiebei Unternehmern.
Deshalb gilt meine Feststellung, dass wir wieder bereitsein müssen, kleinere Risiken selber zu tragen, wirklichfür alle.Ich komme damit auf Ihren Zwischenruf zurück, HerrKollege Rexrodt. Sie werden nämlich in diesem Herbstdie Gelegenheit haben, bei den Strukturreformen zu be-weisen, ob Sie das auch wirklich selber meinen.
Bei den sozialen Sicherungssystemen geht es darum, dieLohnnebenkosten zu senken, weil nämlich hohe Lohn-nebenkosten ein Einstellungs- und ein Jobhindernis sind.Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit eine Grund-satzbemerkung machen –
ich könnte im Übrigen fast den Kollegen Waigel zitie-ren –: Die Versuchung, in einer Reihe von Fällen – zumBeispiel in den sozialen Sicherungssystemen – die Pro-bleme nicht wirklich zu lösen, sondern nur nach anderenFinanzquellen, nach Umfinanzierung zu suchen und dieProbleme in den Haushalt zu verschieben, ist nicht ge-ring.
– Seien Sie da einmal ganz vorsichtig. – Ich will auf die-sen Punkt nur ausdrücklich hinweisen. Wenn die Pro-bleme im System gelöst sind, kann man über die Fragereden, was die günstigste – auch die volkswirtschaftlichund für den Arbeitsmarkt günstigste – Finanzierung sei.Die Voraussetzung ist aber, dass alle anderen Problemein den Systemen gelöst worden sind. Das darf nicht etwaembtiQdsgbdAHcsHmnneisbnkamndkfK–Kinddsd
Es geht außerdem um die Flexibilisierung des Ar-eitsmarktes, um die Chancen für Ältere, um die Besei-gung von Fehlanreizen, um die Chancen für geringualifizierte, wieder eine Arbeit zu bekommen. Das istas, was mit Hartz I bis IV vorliegt und zum Teil auchchon beschlossen worden ist.Es geht auch – Herr Dr. Rexrodt, das habe ich vorhinemeint, als Sie „Richtig!“ gesagt haben – um die Flexi-ilisierung der Handwerksordnung. Es gilt nicht nurann, verkrustete Strukturen aufzubrechen, wenn es umrbeitnehmer geht. Es gilt auch dann, wenn es um dasandwerk und um viele andere Bereiche geht.
Lassen Sie mich dazu eine Grundsatzbemerkung ma-hen, die sehr viel mit der europäischen Einpassung un-erer Politik zu tun hat.
err Kollege Clement hat ein paar Mal deutlich ge-acht, dass Betriebe aus den Niederlanden oder dem-ächst aus Polen, die die Anforderungen, die wir stellen,icht stellen, bei uns auftreten und arbeiten können. Dientscheidende Frage, die wir uns jetzt stellen müssen,t, ob dann nicht auch Inländer dieselben Chancen ha-en sollten wie die Ausländer. Der Meisterbrief sollicht abgeschafft werden. Im Gegenteil, ich denke, erann an Wert gewinnen, wenn er als Herausforderungngesehen wird, der sich jeder persönlich stellt, um da-it sozusagen seinen Betrieb zu qualifizieren. Das ist es:icht staatlich verordnet, sondern als eigene Herausfor-erung, die man besteht. Da werden sie Chancen haben.
Es geht in der Agenda 2010 um die Investitionsfähig-eit der Gemeinden. Es geht um die Gemeindefinanzre-orm. Meine Damen und Herren, wir haben dazu einonzept auf den Tisch gelegt.
Vorsicht! Ich komme gleich zu Ihnen, verehrter Herralb.Darüber sind wir uns noch nicht in allen Teilen, aber den Grundsätzen einig in der Koalition. Ich sage „inen Grundsätzen einig“, weil wir genau dem folgen, wasie große Mehrheit der Gemeindefinanzreformkommis-ion beschlossen hat, nämlich die Gewerbesteuer zu mo-ernisieren.
Metadaten/Kopzeile:
4856 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesminister Hans EichelBei uns ist das klar. Es gibt Streit – das wissen wir alle –um die Frage, ob so genannte ertragsunabhängige Ele-mente einbezogen werden sollen oder nicht, und in wel-chem Umfang. Sie wissen, der Gesetzentwurf der Bun-desregierung sieht das nicht vor. Er sieht aber – darinsind wir uns einig – eine starke Verbreiterung der Be-messungsgrundlage der Gewerbesteuer und damit einegewaltige Stabilisierung vor. Das ist, glaube ich, nochnicht richtig bei den kommunalen Spitzenverbänden an-gekommen. – Das ist die gemeinsame Grundlage. Jetztreden wir im Zusammenhang mit der Frage, ob noch et-was hinzugerechnet wird oder nicht, über Einzelheiten.Ich sage Ihnen: Wenn das Gesetzgebungsverfahren mitden Anhörungen gelaufen ist, dann wird es dazu aucheine einvernehmliche Position in der Koalition geben; dabin ich mir ganz sicher.
Nun, meine Damen und Herren, komme ich zu Ihnen.Das ist eine spannende Veranstaltung. In der Kommis-sion sitzen alle Finanzminister oder auch Innenministerder CDU- bzw. CSU-geführten Landesregierungen. Allebeschließen – alle! –, es solle zum 1. Januar nächstenJahres eine grundlegende Reform geben. Die grundle-gende Reform soll aufbauen auf einer modernisiertenGewerbesteuer. Was passiert dann bei Ihnen? Ich sage andieser Stelle zum ersten Mal – und komme darauf zu-rück –, wo das Risiko liegt, das Sie für den Konsolidie-rungsprozess in Deutschland darstellen. Da sagt HerrMerz: Die Gewerbesteuer muss weg; ich will das BDI/VCI-Modell. Das ist ja eine ehrenwerte Position.
– Gut, dann nehme ich es zurück. Herr Kollege Merz,das mag eine Überinterpretation sein. Sie haben aber ge-sagt, Sie wollten einen Zuschlag auf die Einkommen-und die Körperschaftsteuer.
– Also nur die Gewerbesteuer weg? Herr Merz, dasmacht die Sache nicht besser; denn das bedeutet, dassSie zwar wissen, was Sie nicht wollen, dass Sie abernicht wissen, was Sie wollen.
Das ist doch das Problem. Das ist das Problem der ge-samten Opposition.Herr Stoiber, der sich in besonderem Maße als derje-nige aufspielt, der die Kommunen schützt, bringt es glattfertig, dass die bayerischen Kommunen im vergangenenJahr weit vor allen anderen ihre Verschuldung erhöht ha-ben. Warum weisen denn 2002 die Kommunen im wirt-schaftsstarken Bayern im Vergleich zu allen anderen denhöchsten Zuwachs bei der Neuverschuldung auf? WeilBayern – das alles kann man im Einzelnen nachweisen –mA–lvib1nldlEHEdmwwIZKdKBndhEMgeFdErH–sva
Das ist so, weil es in Bayern den geringsten kommuna-en Finanzausgleich gibt und weil dort Staatsaufgabenon den Kommunen wahrgenommen werden.
Was hört man aus Bayern? Obwohl Herr Faltlhausern der Kommission für die Modernisierung der Gewer-esteuer und für das In-Kraft-Treten der Reform am. Januar 2004 gestimmt hat, fordert der bayerische Mi-isterpräsident ein Sofortprogramm. Aber die grundsätz-iche Lösung wird in die Zukunft verschoben. Das hat iner Kommission niemand gewollt, weder die kommuna-en Spitzenverbände noch die Landesregierungen.
Herr Koch hat gefordert, dass ertragsunabhängigelemente in die Gewerbesteuer einbezogen werden.err Merz, Herr Stoiber und Herr Teufel sagen dagegen:rtragsunabhängige Elemente sollen einbezogen wer-en? Mit uns nie! – Sehr verehrte Frau Merkel, wie sollan denn zu einer Verständigung mit Ihnen kommen,enn nicht einmal im Grundsatz klar ist, ob Sie die Ge-erbesteuer modernisieren wollen oder nicht, weil es beihnen so stark widerstreitende Auffassungen gibt?
u einer Verständigung müssen wir aber kommen. Dieommunalhaushalte zu sanieren ist aber zuallererst Län-ersache; denn nach unserer Verfassung gehören dieommunen zu den Ländern. Es gibt einen Vorschlag desundes zur Sanierung der Kommunalhaushalte, den Sieicht mögen müssen. Aber wo sind denn die Vorschlägeer Länder, aus denen hervorgeht, wie die Kommunal-aushalte saniert werden können? Wo ist Ihr Vorschlag?s gibt von Ihrer Seite keinen Vorschlag, obwohl Sie dieehrheit im Bundesrat stellen. So kann das nicht weiter-ehen.
Wir sind uns in der Koalition auch über die Summeninig. Die Kommunen sollen im nächsten Jahr auf jedenall um 4,5 Milliarden Euro – anwachsend auf 5 Milliar-en Euro – entlastet werden. Eine leichte Steigerung derntlastung wird es auch in den Folgejahren geben. Da-auf kommt es an. Wir werden den Kommunen mit demaushaltsstabilisierungskonzept
jedenfalls wenn es auf die Kommunalhaushalte ent-prechend übertragen wird – eine zusätzliche Entlastungon knapp 2 Milliarden Euro verschaffen. Das bedeutetlso, dass die Kommunalhaushalte bereits im nächsten
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4857
)
)
Bundesminister Hans EichelJahr um knapp über 6 Milliarden Euro – in den Folgejah-ren ansteigend auf über 7 Milliarden Euro – entlastetwerden. Das ist ein Wort.
– Natürlich stimmen sie.Natürlich können die Kommunalhaushalte nicht ausdem Bundeshaushalt saniert werden. Der Bund leistet le-diglich einen freiwilligen Beitrag. Aber nur in einem Ge-samtpaket von Gewerbesteuerreform, Zusammenführungvon Arbeitslosen- und Sozialhilfe – auch das bedeuteteine Entlastung für die Kommunen – und einem Konsoli-dierungskonzept für alle öffentlichen Haushalte könnendie Probleme des Bundes, der Länder, der Kommunenund der sozialen Sicherungssysteme gelöst werden.
Jetzt komme ich auf einen weiteren Baustein unseresKonzepts zu sprechen: das Haushaltsstabilisierungs-gesetz im Vollzug der Haushalte 2003 und 2004. Ichmöchte darauf hinweisen, dass der Haushalt 2003 zwei-felsfrei wieder eine wesentlich höhere Nettoneuver-schuldung aufweist, die eine Verdoppelung dessen be-deutet, was wir ursprünglich veranschlagt haben. Ichwerde im Spätherbst im Zusammenhang mit der Steuer-schätzung im Kabinett und im Bundestag einen Nach-tragshaushalt einbringen.
Dieser Haushalt zeigt aber eindeutig: Alle Maßnahmen,die wir zum Zwecke der Konsolidierung seit 1999 be-schlossen haben, werden in vollem Umfang fortgesetzt.Die unbereinigten Ausgaben des Bundes sind von 1999bis 2004 insgesamt nur um 2 Prozent gestiegen. Das sindgerade einmal 0,4 Prozent pro Jahr. Das gibt es in kei-nem anderen Land. Hessen ist beispielsweise deswegenin der Bredouille, weil es in den letzten vier Jahren überdie Stränge geschlagen hat. Es muss nun alle Leistungen,die es gewährt hat, quasi wieder einsammeln. Das gilt inder Tat für uns nicht.
Das, was uns große Probleme bereitet – darauf habe ichschon hingewiesen –, sind das Wegbrechen der Steuer-einnahmen und die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Dasalles zusammen bringt den Bundeshaushalt sehr stark indie Bredouille.Wir werden aber – das ist auch mit Brüssel verabre-det – in einer solchen, von Wachstumsschwäche ge-kennzeichneten Situation dem Konjunkturabschwungnicht noch „hinterhersparen“. In dieser Phase müssen dieautomatischen Stabilisatoren wirken. Deswegen ist es indieser Situation richtig, Probleme nicht etwa durch zu-sätzliche Sparmaßnahmen zu verschärfen.
AWwdeDtdgdleshDSbnSntFTsCnkiANGagtswFtmHrrg
Damit komme ich zum Haushalt 2004.
ie Grundlage der gesamtwirtschaftlichen Eckdaten lau-et: 2 Prozent Wachstum nächstes Jahr. Dazu habe ichie unterschiedlichsten Äußerungen gelesen. Wir habenesagt – darauf komme ich nun zurück –, dass wir mitem Vorziehen der Steuerreform unseren Beitrag dazueisten wollen, dass es im nächsten Jahr wirklich zuinem Wachstum von 2 Prozent kommt. Wir wollen die-es Maß an sich verfestigender Arbeitslosigkeit nichtinnehmen.
ieses Maß an Arbeitslosigkeit ist die entscheidendetörung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, dieeseitigt werden muss, und zwar durch offensive Maß-ahmen.
Mittlerweile haben sich einige Indikatoren wieder eintückchen verändert. Auch das muss man festhalten. Amächsten Wochenende treffen wir, die EU-Finanzminis-er, uns in Stresa. Eine Woche später treffen sich dieinanzminister im Rahmen der IWF-Tagung und desreffens der G 7 in Dubai. Vermutlich werden wir fest-tellen, dass zum ersten Mal seit über einem Jahr diehancen etwas größer als die Risiken sind. Das ist nochicht gesichert. Man muss das mit aller Vorsicht sagen.Ich verweise auf den Ifo-Index zum Weltwirtschafts-lima. Ich verweise darauf, dass der Ifo-Geschäftsklima-ndex zum vierten Mal in Folge für Deutschland einennstieg – dieses Mal ist es ein starker – prognostiziert.icht nur die Zukunftserwartungen, sondern auch dieegenwartsbeurteilungen sind positiv. Ich verweiseuch auf das, was das ZEW seit längerem sagt. Übri-ens, es spiegelt nur das wider, was an den Aktienmärk-en passiert. Derartige Prognosen werden in der Wirt-chaft in der Regel nach einem halben Jahr real.Außerdem verweise ich – ich tue das ganz vorsichtig,eil ich noch nicht weiß, wie gefestigt das ist – auf harteakten wie die Zahl der Auftragseingänge bei der Indus-rie. Zum ersten Mal hat ein Institut, das Ifo in München,it Hinweis auf unser Konzept – Strukturreformen,aushaltskonsolidierung und das Vorziehen der Steuer-eform – seine Wachstumsprognose – sie lag unter unse-er – von 1,5 Prozent auf 1,75 Prozent nach oben korri-iert. Das sind jedenfalls ein paar Hoffnungszeichen.
Metadaten/Kopzeile:
4858 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesminister Hans EichelEines ist in Deutschland komplett out, sozusagenmega-out, nämlich Schwarzmalerei. Die Wirtschaft hatbegriffen, dass auch Schwarzmalerei ein Standortnach-teil ist.
Man soll die Dinge beim Namen nennen, aber nichts ka-puttreden. Ich verweise noch einmal auf das Interviewmit Jürgen Schrempp.Mein Ziel war,
bei einer ohne Gegenmaßnahmen für das nächste Jahr zuerwartenden Neuverschuldung des Bundes von 38 Mil-liarden Euro zunächst die Neuverschuldung unter dieveranschlagten Investitionen zu drücken. Mein Ziel waralso, die Neuverschuldung auf 24 Milliarden Euro zusenken. Das damit verbundene Sparpaket ist ein harterSchritt. Er hat dieselbe Größenordnung wie die von uns1999 mit allen Folgewirkungen eingeleitete Konsolidie-rung. Allerdings hat dieser Schritt erhebliche positiveFolgewirkungen für die Entlastung der Landes- undKommunalhaushalte, wenn eine gleichgerichtete Über-tragung erfolgt. Da sind sie dann wieder mit am Zuge.Dabei wird klar, dass der Weg zur Haushaltskonsoli-dierung von uns nicht verlassen wird – im Gegenteil.
Ohne dass man über den Stabilitäts- und Wachstums-pakt im Einzelnen diskutieren muss, kann man fest-stellen, dass es zum Beispiel zwischen den europäi-schen Finanzministern und den Ländern in Europatrotz mancher Differenzen eine grundlegende Überein-stimmung gibt: dass die mit der alternden Gesellschaftverbundenen Herausforderungen erzwingen, dass wir diedamit einhergehenden Belastungen in der Zukunft nichtmit hohen Schulden aus der Vergangenheit kombinie-ren dürfen. Deswegen müssen wir für einen ausgegli-chenen Haushalt sorgen, sobald das irgendwie mög-lich ist.
In einer Zeit der Wachstumsschwäche und der Stagna-tion werden wir das allerdings nicht schaffen.
Deswegen müssen wir aus dieser Situation herauskom-men.
DwnW1l1hvdT–nsSdagdHmtNambwdhlM1DbsDhgs
ir haben den Haushalt des Bundes 2004 auf1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt. Deretzte Haushalt, den Sie verantwortet haben, lag bei2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist in dereutigen Währung eine Differenz in der Größenordnungon 20 Milliarden Euro. Das ist die Konsolidierung aufer Ausgabenseite! Die wischen Sie mit nichts vomisch, weil die Zahlen ganz eindeutig sind.
Die Zahlen sind klar. Da hilft Ihr Zwischenruf auchichts mehr.
Wenn ich „Einschränkung des Staatsverbrauchs“age, dann heißt das zum Beispiel: Eingriffe bei denonderzahlungen im öffentlichen Dienst. Wir reduzierenas Weihnachtsgeld sowohl für die Pensionsempfängerls auch für die noch aktiven Bediensteten. Das Urlaubs-eld fällt weg. – Übrigens: Ich erinnere mich noch daran,ass der hessische Ministerpräsident unmittelbar vor deressenwahl noch der Meinung war, der Tarifabschlussüsse sofort und in vollem Umfang auch auf die Beam-en übertragen werden; da könne man nichts machen.och nicht einmal ein halbes Jahr später sieht man dasuch dort ganz anders. Die Realität holt Sie überall ein,eine Damen und Herren!
Ich will auf etwas hinweisen, das im Land nur wenigekannt ist: Die Stellenzahl des Bundes liegt heute, imiedervereinigten Deutschland, unter der Stellenzahl,ie die alte Bundesrepublik vor der Wiedervereinigungatte, und unter der, die die alte, kleinere Bundesrepub-ik 1970 hatte. Es gibt 287 000 Mitarbeiterinnen unditarbeiter im öffentlichen Dienst. 300 000 waren es970 in der alten Bundesrepublik.
as ist eine wirkliche Einschränkung des Staatsver-rauchs und das ist auch vernünftig; denn in einerchrumpfenden Gesellschaft muss auch der öffentlicheienst kleiner werden, weil wir anderenfalls Steuererhö-ungen in der Zukunft vorprogrammieren.Wir haben die Finanzhilfen – in dem Punkt sind wiranz allein entscheidungsfähig, weil wir nicht die Zu-timmung des Bundesrats brauchen – ordentlich abge-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4859
)
)
Bundesminister Hans Eichelbaut, nämlich seit 1998 um mehr als 30 Prozent, von11,4 Milliarden Euro auf 7,7 Milliarden Euro in diesemJahr. Im nächsten Jahr werden es 7 Milliarden Euro sein.Das ist viel mehr, als sich Herr Steinbrück und HerrKoch – darauf komme ich noch zu sprechen – vorge-nommen haben. Wir müssen da sehr viel härter herange-hen und wir werden es auch tun.
Ich bin gespannt, wie Sie reagieren, wenn wir zumBeispiel über die Agrarsubventionen – es geht nicht umdie Steinkohle; da sinken die Subventionen systematischdegressiv – reden. Ich habe dazu aus Bayern schon wie-der die alten Töne vernommen.
Wenn Sie sich als Schutzheiliger von einzelnen Subven-tionen aufspielen, meine Damen und Herren, werden Sieden Staatshaushalt nie in Ordnung bringen.
Damit komme ich zu den Subventionen, die sich aufder Einnahmeseite finden. Da sind sie ja sehr schön ver-steckt. Ich habe schon im Haushaltsausschuss gesagt:Ich glaube, dass das bayerische Modell – nein, das gibtes ja gar nicht; ich hätte aber nichts dagegen, wenn esdas gäbe, weil wir in Bayern dann schon einen Verbün-deten hätten –, das Schweizer Modell, bei dem Subventi-onen nicht mehr bei den Steuern versteckt werden –Subventionen sollen, wenn sie überhaupt gegeben wer-den, auf der Ausgabenseite stehen, damit sie jeder sehenkann, damit man sie leichter überprüfen kann und damitman leichter an sie herankommt –, ein vernünftiger Wegist. – Darüber müssen Sie bei Gelegenheit auch einmalnachdenken.
– Für die Windkraft ist nichts im Haushalt veranschlagt.Das will ich hier gar nicht diskutieren. Das sollten Siediskutieren, wenn es um die Novellierung des Erneuer-bare-Energien-Gesetzes geht.Nun komme ich auf einzelne Subventionen zu spre-chen. Da ist zunächst die Eigenheimzulage zu nennen.Ich habe vorgeschlagen, sie gänzlich zu streichen.
Der Sachverständigenrat ist dafür. Die Bundesbank istdafür. Der gesamte ökonomische Sachverstand ist dafür.Was, verehrte Frau Merkel, ist jetzt Ihre Position?
IICAgvgüEnndKk–ndsÜkdNletisWsSDicdKtrdAEefmssa
s geht um eine Subvention, die – da ist in diesem Jahroch einmal ein ordentlicher Zuwachs zu verzeichnen –achhaltig 8 bis 10 Milliarden Euro beträgt. Können Sieas wirklich noch vertreten, meine Damen und Herren?
önnen wir nicht in diesem Herbst zu dem Ergebnisommen, dass diese Subvention abgebaut wird?
Wenn wir über Finanzpolitik reden, dann will ich dazuoch einen Satz sagen. Macht es eigentlich Sinn, dasser Staat Schulden macht, damit Private Eigentumchaffen können?
ber den Punkt müssen Sie einmal nachdenken. Dasann doch keinen Sinn machen.Nächster Punkt: Wir wollen die Subvention in Former Entfernungspauschale auf die Hälfte des bisherigeniveaus zusammenstreichen. Auch daran wird nur an al-n Ecken herumgemosert. Wie sieht denn nun Ihre Posi-on aus? Das Defizit des Gesamthaushaltes liegt zwi-chen 70 und 80 Milliarden Euro.
ir können das nicht beseitigen, ohne dass die Men-chen es merken und viele etwas abgeben müssen. Sindie bereit, diesen Weg mitzugehen, meine sehr verehrtenamen und Herren? In diesem Zusammenhang kommeh wieder auf die Landeshaushalte, für die Sie doch inen meisten Fällen die Verantwortung tragen, und dieommunalhaushalte zu sprechen. Alle sind ja davon be-offen: zu 42,5 Prozent die Länder und zu 15 Prozentie Kommunen. Wir reden hier über richtig viel Geld.llein die Entfernungspauschale macht 3 Milliardenuro aus – jedes Jahr. Sie müssten doch irgendwann zuinem Ergebnis kommen.Oder wie stehen Sie zu der Abschaffung der Verein-achungsregelungen bei den Abschreibungen? Wie sollan denn jemandem erklären, dass im Dezember ange-chaffte Wirtschaftsgüter rückwirkend ab Juli abge-chrieben werden können? Das hat man früher gemacht,ls die Buchführungsmöglichkeiten noch schlechter
Metadaten/Kopzeile:
4860 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesminister Hans Eichelwaren; heute sind sie aber prima. Hierbei handelt es sichum eine reine Steuersubvention, die schön für denjeni-gen ist, der sie bekommt, die aber angesichts des Defizitsdes öffentlichen Gesamthaushaltes nicht verantwortbarist.
Nächster Punkt: Der Kampf gegen die Schwarz-arbeit ist ein schwieriges und sehr mühevolles Unter-nehmen. Über die Maßnahmen hinaus, die wir auf demVerwaltungswege ergreifen können, werden wir Ihnen indiesem Herbst in einem Gesetzentwurf Vorschläge un-terbreiten. Ich hoffe, dass wir uns über die vorgesehenenMaßnahmen gegen Schwarzarbeit und Steuerhinterzie-hung verständigen können. Wir haben zwar eine Reihevon Maßnahmen ergriffen, aber sie reichen nicht aus. Soist mittlerweile ziemlich klar, dass dem Staat allein beider Umsatzsteuer durch den so genannten Karussellbe-trug pro Jahr zwischen 12 bis 13 Milliarden Euro verlo-ren gehen. Wir werden auch da viel härter eingreifenmüssen, um dieses Problem zu lösen.Wenn es wahr ist, dass die Schattenwirtschaft inDeutschland etwa 15 bis 16 Prozent des Bruttoinlands-produkts ausmacht, dann ergibt sich daraus folgerichtig,dass wir kein Problem mit unseren Staatsfinanzen hät-ten, wenn jeder seine Sozialabgaben und Steuern sozahlte, wie es gesetzlich vorgesehen ist.
Es sind die ehrlichen Arbeitnehmer und die ehrlichenUnternehmer, die geschädigt werden, wenn wir zulassen,dass sich andere illegal bereichern. Deswegen müssenwir diese Dinge angehen. Ich setze sehr darauf, dass Siealle dabei mitmachen denn allein durch Kontrolle kannman diese Dinge nicht ausrotten. Das ist auch gar nichtmeine Vorstellung. Wir brauchen in diesem Lande wie-der eine andere Kultur und eine andere Einstellung zudiesen Dingen. Wir wollen die Steuern senken – der Vor-schlag ist ja in unserem Paket enthalten –, aber umge-kehrt muss dann auch jeder das, was er dem Staat schul-det, geben, damit nicht die Ehrlichen die Dummen indiesem Lande sind. Ansonsten schwindet nämlich dieZustimmung zur Demokratie.
Darüber hinaus müssen wir natürlich auch weitereSubventionen abbauen. Vorschläge hierfür erwarten wiraus der von den Ministerpräsidenten Koch und Stein-brück initiierten Arbeitsgruppe. Wenn die Arbeitsgruppenichts liefern sollte, werden wir selber Vorschläge ma-chen. Grundsätzlich begrüße ich natürlich, dass es dieseArbeitsgruppe gibt und sie sich dem Thema, wenn auchin Trippelschritten, langsam nähert. Ich erwarte alsokonkrete Vorschläge aus dieser Arbeitsgruppe, machemich davon aber – das sage ich ganz deutlich – nicht ab-hängig.
bVmltaGattEdsfAWgsrivKbnhuk–AvDduEsmö2E–MV
s stellt sich deswegen, meine Damen und Herren, jetztie Frage, wie der Beitrag der Finanzpolitik aussieht. Ichehe hier zwei Schwerpunkte:Zum einen brauchen wir mehr Mittel für Zukunfts-elder wie Familienpolitik, Kinderbetreuung, Bildung,usbildung, Forschung und Entwicklung.
ir haben in den letzten Jahren die entsprechenden Aus-aben gegenüber 1998 schon um 30 Prozent erhöht. Wirind dabei auch besser als vergleichbare Staaten in Eu-opa. Wir haben aber noch nicht das Niveau erreicht, dasn Skandinavien herrscht. Wir haben auch noch nicht soiel erreicht wie die Amerikaner, die Japaner und dieanadier. An dieser Stelle müssen wir also noch vielesser werden. Der Erfolg der Strategie Europas, zu ei-er der wettbewerbsfähigsten Regionen zu werden,ängt in großem Umfang davon ab, ob es uns gelingt,nser Erneuerungspotenzial in allen Bereichen zu stär-en.
Ja, wir machen es ja, indem wir die entsprechendenusgaben seit 1998 um 30 Prozent erhöht haben, alleineon 2003 auf 2004 um 6 Prozent.
azu muss man natürlich ausdrücklich sagen, dass iniesen Zahlen das Ganztagsschulprogramm enthalten istnd auch die Kinderbetreuung für unter Dreijährige.benso sind in das Finanztableau die Forschungsorgani-ationen eingearbeitet, die wieder mehr Geld bekom-en.Dasselbe gilt – ich sage das ausdrücklich – für dieffentlichen Investitionen. Die Verkehrsinvestitionen bis007 belaufen sich immerhin auf knapp 10 Milliardenuro
unter Einschluss der Maut.Die bislang für die Eigenheimzulage verwendetenittel fallen nicht ersatzlos weg. Mit 25 Prozent diesesolumens richten wir ein neues Investitionsförderpro-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4861
)
)
Bundesminister Hans Eichelgramm für die Städte und Gemeinden ein und wir schla-gen den Ländern und Kommunen vor, dasselbe zu tun.Das ist, denke ich, der richtige und moderne Weg, mitdem auf die unterschiedlichen Situationen am Woh-nungsmarkt reagiert werden kann.
Worauf kommt es bei der Finanzpolitik an, wenn siezum Wachstum beitragen soll? Auf der einen Seite ste-hen die Zukunftsaufgaben, auf der anderen Seite – dassage ich mit allem Nachdruck – geht es um die Rente.Es geht nicht so weiter, wie wir es bisher gemacht haben.Ich habe Ihnen vorhin die Zahlen genannt. Deswegenhaben wir im Haushaltsentwurf eine Absenkung desBundeszuschusses um 2 Milliarden Euro vorgesehen.Gleichzeitig muss eine Stabilisierung des Rentenversi-cherungsbeitrages erfolgen. Das alles wird ein hartesGeschäft.Meine Damen und Herren, wir werden uns angesichtsder Dramatik der Zahlen darauf konzentrieren müssen,sicherzustellen, dass Altersarmut, die wir heute Gott seiDank nicht mehr haben, trotz der dramatischen demo-graphischen Veränderungen auch in Zukunft nicht ent-steht.
Damit wir das leisten können, werden wir uns in derFinanzpolitik von vielen schönen Dingen verabschiedenmüssen.
Auch das ist ein Argument dafür, warum wir uns die Ei-genheimzulage und anderes nicht mehr leisten können.Wir sind voll dadurch gefordert, Altersarmut in der Zu-kunft zu vermeiden. Wenn Sie die vielen schönen großenUmverteilungstöpfe, die wir im Steuersystem in derMitte der Gesellschaft eingerichtet haben, behalten wol-len, dann kommen Sie um massive Steuererhöhungennicht herum. Das wäre die Alternative, aber das ist genauder Weg, den ich nicht gehen will.Ich bin froh, dass die Mehrwertsteuerdebatte einensanften Tod gestorben ist; denn der Subventionsabbau istin der Tat der richtige Weg.
Das Gesamtpaket, das wir zur Konsolidierung vor-schlagen, umfasst 14 Milliarden Euro für den Bundes-haushalt, 23 Milliarden Euro für den gesamtstaatlichenHaushalt – Bund, Länder und Gemeinden außer Acht ge-lassen; das geschieht im Rahmen der Agenda 2010 zurKonsolidierung der sozialen Sicherungssysteme.Man wird sich fragen müssen, meine Damen und Her-ren – das ist der entscheidende Punkt –, wie Konsolidie-rungspolitik in einer Phase der Stagnation aussieht.Muss sie anders sein als in einer Phase des Wirtschafts-wteelihtrDnwwas2WdtrHnssvdSdhdhmvzShdDTWwhzGdbv
as Wichtigste aber ist: Wir müssen heraus aus der Stag-ation und hinein ins Wachstum,
eil wir anderenfalls unsere Probleme nicht lösen. Des-egen legen wir dieses Konzept auf den Tisch.
Angesichts dieses Konsolidierungspaketes, das wiruf den Tisch legen, ist es auch richtig, dass wir vor-chlagen, die nächste Stufe der Steuerreform, die für005 vorgesehen ist, um ein Jahr vorzuziehen, um einenachstumsimpuls zu geben und dafür zu sorgen, dassie Finanzpolitik in einer stagnativen Phase nicht kon-aktiv wirkt. Darauf kommt es an, meine Damen underren.
Übrigens ist es schon verwunderlich, wie sich bei Ih-en die Positionen ändern. Ich denke, diese Spielchenollten wir jetzt einmal lassen. Sie waren bereit, Steuer-enkungen auch in ganz anderen Phasen vorzunehmen,öllig unabhängig davon, welche Staatsverschuldungas nach sich zieht. Ich erinnere mich lebhaft daran, wasie hinsichtlich der Steuerreform 2000 gesagt haben –as war Ihnen alles nicht genug. Ich erinnere mich leb-aft daran, was Sie vorigen Sommer erzählt haben, undaran, was Herr Koch noch vor der Landtagswahl gesagtat, nämlich das sei eine Phase, in der man Schuldenachen müsse. Die Konsequenz ist jetzt, dass Hessenon einer Ratingagentur heruntergestuft worden ist.Ich wiederhole es: Wenn man den Mut hat, nicht aus-uweichen und auch in Phasen der Stagnation hartetrukturreformen in den Sozialsystemen und im Haus-alt durchzuführen, ist man quasi gezwungen, vonseitener Finanzpolitik einen Wachstumsimpuls zu geben.eshalb wundere ich mich darüber, dass in den letztenagen in der Presse zu lesen ist, wir würden unserachstumsziel aufgeben. Wir geben es nicht auf; aberir sagen, dass es schwer zu erreichen ist. Das Vorzie-en der nächsten Stufe der Steuerreform ist ein Elementur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichenleichgewichts und zur Erreichung des Wachstums undes Beschäftigungsaufbaus. Darum geht es.Den Vorteil haben der Mittelstand wegen seiner ver-esserten Investitionsbedingungen und eine große Zahlon privaten Haushalten.
Metadaten/Kopzeile:
4862 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesminister Hans EichelWas die Finanzierung angeht, so sage ich: Wir bauenSteuersubventionen ab. Ich habe schon wieder gehört:Was Sie da machen, passt uns nicht. – Im Rahmen derUmsatzsteuer beseitigen wir einige Ungleichbehandlun-gen der Landwirtschaft.Ferner setzen wir Privatisierungserlöse ein. Dadurchwerden die 7 Milliarden Euro, die der Bund braucht, um2 Milliarden Euro reduziert. Das kann auch mehr wer-den. Aber ich kann nur das veranschlagen, was ich jetztzusagen kann. Ich will die Märkte nicht negativ beein-flussen.
Wenn es am Aktienmarkt so weitergeht, wie es gegen-wärtig der Fall ist, dann wird man möglicherweise auchfrüher über andere Privatisierungserlöse reden können,aber auch nur dann. Ich privatisiere nur, wenn es vomKurs her vertretbar ist, andernfalls nicht.Ferner haben wir eine Erhöhung der Nettokreditauf-nahme vorgesehen. Eine der Bedingungen dafür lösenwir selber ein, indem wir die Finanzhilfen weiter ab-bauen, nämlich im Zeitraum der mittelfristigen Finanz-planung jedes Jahr mindestens um 5 Prozent. Außerdembieten wir dem Bundesrat an, dass wir uns über einenweiteren Abbau steuerlicher Subventionen ab 2005 ver-ständigen, einen Abbau, der über das hinausgeht, was inunserem Konzept steht und was die Herren Koch undSteinbrück nach meinen Erwartungen vorlegen werden;denn es ist vernünftig, diesen Weg des Abbaus von Sub-ventionen konsequent weiterzugehen, egal welcher Lobby-ist jeweils gerade dagegen ist.
Ich sage ausdrücklich: Das Vorziehen der Steuer-reform, das die öffentlichen Haushalte mit insgesamt16,6 Milliarden Euro belastet, ist mit dem 23-Milliar-den-Paket längst abgegolten. Dass die Länder sagen,sie wollten noch mehr zur Konsolidierung ihrer Haus-halte tun, ist in Ordnung. Der Bund tut das ja auch.Infolgedessen kann ich das nur begrüßen. Aber ichbetone: Der Bund hat die Bedingungen geschaffen,die man vernünftigerweise schaffen kann. Es liegt amBundesrat und an den Länderregierungen, dem Vor-ziehen der Steuerreform und damit einem Wachstums-impuls in einer stagnativen Phase zuzustimmen. Dawird auch die FDP, wenn die CDU nicht will, in denLandesregierungen, in denen sie mitregiert, denke ich,ein Wort mitzureden haben. Da werden Sie sich ent-scheiden müssen.Meine Damen und Herren, dies ist eine Politik, diemit dem Dreiklang von Strukturreformen, Haushaltskon-solidierung und Wachstumsimpulsen auch unsere euro-päischen Verpflichtungen erfüllt.
Sie können – das mag Ihnen nicht passen – geradeheute Morgen im „Handelsblatt“ lesen, was der zustän-dige Kommissar der Europäischen Union dazu sagt. DieBW–dnühgdSSr–hPgE9gshnrmgknthlShHzgitdbs
Ich komme gleich darauf zurück. – Wir werden allesaransetzen, dass wir das 3-Prozent-Kriterium imächsten Jahr erfüllen. Das wird schwierig. Darum istberhaupt nicht herumzureden. Es bedarf auch eines hö-eren Wirtschaftswachstums. Es bedarf aller Anstren-ungen, die ich eben geschildert habe.In Brüssel ist übrigens bekannt – man muss sich nurie Zahlen ansehen –, dass Deutschland bei all denchwierigkeiten, die es hat, das Land mit den geringstenchätzabweichungen bei der Projektion von Finanzie-ungssalden ist.
Seien Sie vorsichtig! Ich glaube nicht, dass Sie gelesenaben, was der schwedische Ministerpräsident Göranersson, der die großen Länder zu Recht kritisiert hat,esagt hat.
r hat nämlich gesagt: Die großen Länder haben in den0er-Jahren, als wir, die kleinen, die Konsolidierung ein-eleitet haben, dies nicht gemacht. – Der Vorwurf richtetich nicht an uns; denn als wir an die Regierung kamen,aben wir die Konsolidierung sofort eingeleitet.
Hätten Sie drei Jahre früher angefangen, wären wiricht mit 1,2 Prozent Defizit, sondern – wie die kleine-en Länder – mit einem ausgeglichenen Haushalt oderit einem kleinen Überschuss in die Stagnationsphaseegangen und mit dem 3-Prozent-Kriterium gäbe eseine Probleme. Deswegen sind jetzt alle gefordert.Verehrter Herr Storm, Sie haben, wie in der Zeitungachzulesen war, gesagt, die sozialen Sicherungssys-eme seien nicht dazu da, dem Bundesfinanzminister zuelfen, das 3-Prozent-Kriterium zu erfüllen. Das ist völ-ig falsch. Das 3-Prozent-Kriterium ergibt sich aus derituation der sozialen Sicherungssysteme, des Bundes-aushalts, der Länderhaushalte und der kommunalenaushalte. Ich bin bereit, für all das die Verantwortungu übernehmen, über was ich entscheiden kann. Aber esibt Dinge, über die andere entscheiden. Deswegen sagech ausdrücklich: Bei der Konsolidierung der Sozialsys-eme, des Bundeshaushaltes, der Länderhaushalte under Kommunen ist ein Zusammenwirken aller gefordert.
Was in Europa und in Deutschland fehlt, ist nicht Sta-ilität. Deutschland ist in Sachen Stabilität der Muster-chüler der Europäischen Union.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4863
)
)
Bundesminister Hans EichelDabei bleibt es. Was aber fehlt, ist Wachstum – das istwahr –, und zwar im dritten Jahr infolge.
Deutschland hat als größte Volkswirtschaft in der Euro-päischen Union eine besondere Verantwortung.
Auch kleinere Länder, die sehr lange auf einem ziem-lich hohen Roß gesessen haben, schauen inzwischensehr nachdenklich – das Pendel ist stark zur anderenSeite ausgeschlagen – auf ihr Wachstum und ihre Haus-haltsdefizite. Polen, die Beitrittsländer und die kleinerenLänder um uns herum stellen jetzt die Frage – es istnicht nur die eine von Herrn Balcerowicz, die ich gele-sen habe –: Was ist mit eurem Wachstum? Wir wollenaus diesem Loch endlich herauskommen. – Vor uns liegteine riesige Aufgabe.
– An dem Beispiel Schweden sehen Sie, dass Sozialde-mokraten eine gute Politik machen; das ist überhauptkeine Frage.Wir müssen ein großes Paket schnüren. Unsere Ant-wort liegt in dem Dreiklang von Strukturreformen,Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpulsen. Eswird in diesem Herbst für alle in diesem Lande sehr an-strengend werden, übrigens auch für die gesetzgebendenKörperschaften. Unsere Antwort wird in Brüssel wieauch beim Internationalen Währungsfonds verstanden.Stimmen von außerhalb Deutschlands sagen: Wir hättennicht gedacht, dass Deutschland in Bewegung kommt; inDeutschland geht es richtig voran.
Darauf kommt es an.
– Ich will gar nicht mehr über die Vergangenheit reden.Wenn ich das tun würde, dann müsste ich auch über IhreVergangenheit reden. Was soll denn das? Wir müssenvorankommen.
Die Menschen wollen,
dass das Land für die Zukunft fit gemacht wird, auchwenn es schmerzlich ist. Es gibt eben keine Medizin, dienicht bitter schmeckt.hhImmBBdsdmDkwcdn–MdsSLSkeDewudWiWriIgSh
Damit komme ich zu Ihrer Verantwortung. Man kanner Meinung sein, dass die Opposition keine Vorschlägeachen muss; die Regierung muss Vorschläge machen.as ist in Ordnung. Aber die meisten Entscheidungenönnen im föderalen System – ich bin Föderalist, auchenn ich inzwischen an manchen Stellen ein Fragezei-hen setzen würde – von Bundestag und Bundesrat, inenen es gegenwärtig unterschiedliche Mehrheiten gibt,ur gemeinsam getroffen werden.
Ja, das ist ganz neu.
Es gibt drei Möglichkeiten, wie Sie sich mit Ihrerehrheit verhalten können. Sie können erstens die Lan-esregierungen ihre verfassungsmäßige Pflicht tun las-en. Das ist in Ordnung. Wir kommen damit klar, wennie die Landesregierungen nicht an die parteipolitischeeine legen wollen.
ie können zweitens eine Blockadepolitik machen – ichomme gleich noch darauf zurück –, weil Sie sich nichtinigen können.
as ist aber unverantwortlich. Drittens können Sie einigenes Konzept vorlegen, weil Sie, Frau Merkel, nichtollen – das kann ich verstehen –, dass die Bundesparteind die Union in den Ländern nicht einig sind. Aberann müssen Sie auch ein Konzept auf den Tisch legen.o sind denn Ihre Vorschläge zu den Strukturreformenn diesem Land?
as ist denn Ihr Konzept zur Haushaltskonsolidie-ung beim Bund, bei den Ländern und Gemeinden? Wasst Ihr Konzept zum Vorziehen der Steuerreform? Was isthr Konzept zur Gemeindefinanzreform? Wo sind dieemeinsamen Stellungnahmen der Union zu einigenchwerpunkten der Haushaltskonsolidierung, zur Eigen-eimzulage, zur Entfernungspauschale und zu anderen
Metadaten/Kopzeile:
4864 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesminister Hans EichelPunkten? Wo ist das gemeinsame Konzept der Union,sehr verehrte Frau Merkel? Man hat gedacht: Die mo-geln sich durch – das kann ich politisch verstehen –, umbei den Wählern besser dazustehen.
Denn nichts, was man jetzt auf den Tisch legt, ist ange-nehm. Das ist wahr; Medizin ist bitter.Nach der Hessen- und der Niedersachsenwahl habeneine Reihe Unionskollegen gesagt, nun könne man an-fangen, miteinander zu reden. Nichts ist geschehen! Siehaben wieder Zeit gebraucht. Einen ganz kleinen Teildes Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen ha-ben Sie schließlich zuwege gebracht.
Dann war die Frage: Vielleicht geht es nach der Bremen-wahl? Es ging wieder nicht.Jetzt heißt der neue Termin: Bayernwahl. Herr Kochund Herr Steinbrück werden nichts vorlegen, bevor dieBayernwahl nicht vorüber ist. Was heißt denn das? Dasheißt, dass Sie vor der Bayernwahl nicht sagen wollen,was Sie im Hinblick auf die Eigenheimzulage, die Pend-lerpauschale und viele andere Dingen vorhaben. Ist dasein Verhalten, das in dieser Situation unseres Landes an-gemessen ist?
Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass dasso ist. Wir werden aber auch den Menschen im Lande sa-gen müssen, dass das so ist.Nach der Bayernwahl ist definitiv Schluss: EntwederSie versündigen sich an diesem Lande – ich hoffe dasnicht –
oder Sie kommen nach der Bayernwahl mit einemschlüssigen Konzept oder Sie lassen die Landesregierun-gen ihre verfassungsmäßige Pflicht tun.
So viele Reformnotwendigkeiten und – auch das sageich – so viele Reformmöglichkeiten wie gegenwärtig hates nie zuvor in Deutschland gegeben. Wir müssen diejetzige Situation, die verdammt schwierig ist, nutzen. Esbraucht eine große gemeinsame Kraftanstrengung in die-sem föderalen Staat. Das erwarten die Menschen und dasist unsere Verantwortung für dieses Land und fürEuropa.Die Chancen stehen besser als je zuvor in den letztendrei Jahren, dass wir aus der Stagnation herauskommen,dass wir, wenn wir das zart keimende Pflänzchen desAufschwungs mit einer entschlossenen Politik der Struk-turreformen, der Haushaltskonsolidierung und derWtlEsVnabLpTHHgWFraKnDnh3DtOe–
s kann gelingen und es wird gelingen, wenn Sie bereitind, Ihren Teil der Verantwortung, der Ihnen nach dererfassung über den Bundesrat zugewiesen ist, zu über-ehmen. Wir sind zu jedem vernünftigen Gespräch unduch zu Kompromissen, die in der Sache weiterführen,ereit.Dies ist der Weg, Deutschland aus einer schwierigenage herauszuführen. Lassen Sie uns das gemeinsam an-acken!
Bevor ich die Aussprache eröffne, begrüße ich auf der
ribüne den Präsidenten des Bundesrechnungshofes,
errn Dr. Engels.
err Engels, ich freue mich, dass Sie an diesen Beratun-
en teilnehmen.
Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das
ort der Kollege Friedrich Merz von der CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion wurdem Wochenende in verschiedenen Zeitungen aus derlausurtagung der Fraktion der SPD am letzten Don-erstag mit den Worten zitiert: Hans, das reicht erst mal!
iese Worte hätte man auch heute Morgen sagen kön-en. Wahrscheinlich reicht es bald endgültig.Herr Eichel, das, was Sie heute Morgen dargebotenaben, war eine bizarre Veranstaltung:
0 Minuten Kritik an der Opposition!
as Einzige, was Sie offensichtlich noch mit Ihrer Frak-ion und Ihrer Regierung verbindet, ist die Kritik an derpposition.
Wer während Ihrer Rede – Herr Eichel, Sie konntens nicht beobachten – das Mienenspiel der Regierunginsbesondere das des Bundeskanzlers – gesehen hat,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4865
)
)
Friedrich Merzder konnte sich ein Bild davon machen, wie der Standdes Bundesfinanzministers in der Regierung ist.
Herr Bundeskanzler, Sie haben während dieser Rede ge-nauso wie in den letzten Tagen vor dem Abgang RudolfScharpings geschaut. Mit dem gleichen Gesichtsaus-druck haben Sie hier auf der Regierungsbank gesessen.
Sie wissen doch, dass das, was heute vorgelegt wor-den ist, keinen Bestand hat. Sie wissen doch, dass wirhier einen Haushaltsentwurf beraten, dessen Grundlageschon überholt ist, bevor er überhaupt in der ersten Le-sung im Deutschen Bundestag beraten worden ist. Sie,Herr Eichel, wissen doch, dass es so ist.
Sie kämpfen hier ganz offenkundig Ihren letzten Kampf.Sie stehen mit dem Rücken zur Wand.
Sie sind politisch, fachlich und auch persönlich geschei-tert.
Herr Eichel, in einer solchen Situation müsste die Oppo-sition eigentlich den Rücktritt des zuständigen Finanz-ministers fordern.
– Ich lasse mich durch Zwischenrufe normalerweisenicht irritieren, aber die Art und Weise, in der Sie, HerrBundesaußenminister, sich auf der Regierungsbank auf-führen, ist für einen Außenminister der BundesrepublikDeutschland unerträglich.
Es ist wirklich unerträglich, wie Sie auf der Regierungs-bank herumröhren. So hat sich noch kein deutscher Au-ßenminister benommen.
Es ist noch kein Jahr her
es war am 12. September 2002,
dHdtdgDbsdEHdvdnüHvdsSzne1SlwsspRRbbSSLSjndb
Metadaten/Kopzeile:
4866 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
– Herr Müntefering, ich sage Ihnen das zum wiederhol-ten Male von dieser Stelle aus: Wir lassen uns von Ihnen,von denjenigen, die damals abseits gestanden haben, alses darum ging, eine der größten Aufgaben dieses Landeszu bewältigen, keine Vorwürfe hinsichtlich einer fal-schen Finanzierung der deutschen Einheit machen.
Meine Damen und Herren, es gibt gegenwärtig einenhochinteressanten Vortragszyklus an der Humboldt-Uni-versität zu Berlin. Zu diesen Vorträgen werden diejenigenMänner und Frauen eingeladen, die damals in der Treu-handanstalt gesessen haben – es war parteiübergreifendKonsens, dass das die richtigen Männer und Frauen ge-wesen sind – und die schwierigste Aufgabe im Zusam-menhang mit der deutschen Einheit – man muss bessersagen: bei der Überwindung der deutschen Teilung – zubewältigen hatten. In dieser Vortragsreihe brachten alleBeteiligten, die dort bisher gehört wurden, übereinstim-mend zum Ausdruck, dass die Finanzierungsmethode,wie sie von der Regierung Kohl/Waigel gewählt wordenist, nämlich ein Drittel über höhere Verschuldung, einDrittel über die sozialen Sicherungssysteme und ein Drit-tel über höhere Steuern – diese sind erhoben worden – zufinanzieren, damals richtig gewesen ist und dass sie auchaus der Rückschau zu keinerlei grundlegenden Korrektu-ren Anlass gibt. Das muss hier gesagt werden.
Ich weiß, dass große Teile der Regierung dabei sind,die deutsche Geschichte umzuschreiben.
Meine Damen und Herren, hier geht es nicht nur um dieDetails einer Haushaltsdebatte, hier geht es um ganzgrundlegende Richtungsentscheidungen für dieses Land.Mit diesen stereotyp wiederholten Vorwürfen an die frü-hwihEbgnfOsshssgJdcnRmgübwBatBRzdlaEhLdsketMgss
s ist eine jämmerliche Leistung, die Sie damals er-racht haben. Das wollen Sie heute alle miteinander ver-essen machen.
Bevor ich auf die Haushaltsdaten eingehe, muss ichoch einige Bemerkungen machen, weil es der Bundes-inanzminister wieder einmal für richtig gehalten hat, diepposition und zum Teil auch mich persönlich zu kriti-ieren. Sie haben völlig zu Recht auf die demographi-che Entwicklung hingewiesen, Herr Eichel. Aber werat denn den demographischen Faktor in der Rentenver-icherung eingeführt und wer hat ihn wieder abge-chafft? Das war nicht die Opposition, das war Ihre Re-ierung!
etzt führen Sie lauthals Klage darüber, dass ein Dritteler Ausgaben im Bundeshaushalt in die Rentenversi-herung fließt. Wer hat das denn zu verantworten? Dochicht die Opposition. Ihre fatale Fehlentscheidung, dieentenreform so zu strukturieren, hat dazu geführt, dassittlerweile mehr als ein Drittel der Rentenauszahlun-en nicht mehr über Beiträge finanziert wird, sondernber Steuern finanziert werden muss. Das Problem ha-en Sie verursacht, Herr Eichel, nicht die Opposition.
Sie haben hier etwas zur Gewerbesteuer gesagt. Siearen nach den Koalitionsverhandlungen 1998 keinundesminister – das wurden Sie erst später –, kennenber sicherlich den dort verabschiedeten Koalitionsver-rag. In diesem Koalitionsvertrag zwischen SPD undündnis 90/Die Grünen gibt es eine Verabredung, zureform der Kommunalfinanzen eine Kommission ein-usetzen. Das muss nicht immer falsch sein. Häufig stelltie Einsetzung einer Kommission die Flucht aus der po-itischen Verantwortung dar, manchmal kann es aberuch richtig sein. Ich vermute, in diesem Fall war diesentscheidung richtig. Aber hätten Sie es nur getan. Esat über drei Jahre gedauert, bis diese Kommission inseben gerufen wurde. Sie ist im Juni 2001 berufen wor-en. Dann haben Sie dort anderthalb Jahre beraten. Esind sieben verschiedene Modelle diskutiert, zwei sindonkret gerechnet worden.Als dann die Bundesregierung – am 13. August wars wohl – ein eigenes Konzept vorlegte, waren alle Be-eiligten dieser Kommission hoch überrascht, dass nichtodell eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs oder sieben vor-eschlagen wurde, sondern ein achtes Modell. Plötzlichaßen Sie mit Ihrem Vorschlag zur Gewerbesteuer zwi-chen allen Stühlen. Das ist doch nicht das Problem der
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4867
)
)
Friedrich MerzOpposition. Es ist Ihr Problem, Herr Eichel, dass Sie dieDinge nicht im Griff haben
und dass Sie selber nicht wissen, was Sie bei der Gewer-besteuer nun wirklich machen wollen, dürfen, sollenoder müssen. Ihr Entwurf ist Ihnen in der letzten Wochedoch nicht von unserer Fraktion aus der Hand genom-men worden, sondern von Ihrer.
Herr Bundeskanzler, da Sie so fröhlich schauen:
Sie haben es für richtig gehalten, die Grünen bei dieserFraktionsklausur zu kritisieren und zum Besten zu ge-ben, was Sie da alles „zum Kotzen“ fänden. Mit Verlaub,angesichts dessen, was wenige Tage später die „Leipzi-ger Volkszeitung“ geschrieben hat, fällt es mir schwer,dem zu widersprechen:Politisch aber, um in des Kanzlers Sprachgebrauchzu bleiben, darf man „zum Kotzen“ finden, was dieMächtigen bei Rot-Grün in Sachen Vertrauen undVerlässlichkeit zustande bringen. Allein die ange-kündigte Nachbesserung des nachgebessertenEichel-Clement-Vorschlages zur finanziellen Bes-serstellung der Gemeinden ist eine Zumutung.Meine Damen und Herren, das richtet sich an Sie, nichtan die Opposition im Deutschen Bundestag.
Ich will Ihnen klar und deutlich sagen: Es gibt bei unsbei diesem sehr komplexen Thema in der Tat unter-schiedliche Auffassungen.
– Entschuldigung, auch wir sind eine Volkspartei.
– Jetzt meckert und lacht er wieder auf der Regierungs-bank herum! Ich weiß nicht, ob Sie etwas von Gewerbe-steuer und Kommunalpolitik verstehen, Herr Bundes-außenminister.Dies ist in der Tat ein komplexes Thema. Aber einesist doch klar – insofern gibt es hier eine gemeinsameVerantwortung –:
Wir wollen mit Ihnen zusammen
–dmsbWdEmbgtegw–gdwu––BsAstsrdDnirws
en Gemeinden im Jahr 2004 helfen. Den Gemeindenuss geholfen werden. Wir machen hier erneut den Vor-chlag, die Gemeinden stärker an der Umsatzsteuer zueteiligen und die Gewerbesteuerumlage abzusenken.
ir machen auch den Vorschlag, den Gemeinden aufer Ausgabenseite zu helfen. Denn nicht nur auf derinnahmenseite haben sie ein Problem, sondern nacheiner Einschätzung sogar ein größeres auf der Ausga-enseite.
Aber glauben Sie denn im Ernst, dass nach einer lan-en, fruchtlosen Debatte in der Regierung in den Mona-n September, Oktober, November und Dezember einerundlegende Reform der Kommunalfinanzen nochirklich möglich ist? Was Sie jetzt diskutieren, wärewenn es denn verabschiedet würde, wenn wir sozusa-en völlig willenlos all dem zustimmen würden, was Siea machen – Pfusch und Flickwerk. Das ist doch keineirkliche Reform.Ich biete Ihnen deswegen noch einmal an: Lassen Siens gemeinsam den Gemeinden helfen.
Für uns.
Man kann nicht alle Papiere lesen, die im Deutschenundestag vorgelegt werden. Herr Müntefering, das ge-tehe ich Ihnen gerne zu. Aber lesen Sie doch einmal dienträge, die die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dazu ge-tellt hat.Wir haben Ihnen in Form eines Antrages den konkre-en Vorschlag gemacht, den Gemeinden mit einer Ab-enkung der Gewerbesteuerumlage und mit einer höhe-en Umsatzsteuerbeteiligung zu helfen. Wir stehen zuiesem Antrag. Sie brauchen dem nur zuzustimmen.ann haben wir für das Jahr 2004 geholfen.
Meine Damen und Herren, wir reden mit Ihnen leideroch nicht über den Nachtragshaushalt 2003; das wirdrgendwann im November kommen, im Nachhinein. Wireden jetzt über den Haushalt 2004. Jedenfalls solltenir den Versuch unternehmen, einmal wieder über die-en Haushalt zu sprechen.
Metadaten/Kopzeile:
4868 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Friedrich MerzHeute Morgen hat die Vorsitzende des Finanzaus-schusses im Radio ein Interview gegeben. Sie hat dabeierstaunlich offen eingeräumt,
dass es erhebliche Probleme mit einer der ganz wesentli-chen Grundvoraussetzungen für einen soliden Haushaltgibt, nämlich mit den Wachstumserwartungen für dasJahr 2004. In der dazugehörigen Agenturmeldung – ichhabe das Radiointerview nicht hören können – steht:Nach Einschätzung der Grünen-FinanzexpertinChristine Scheel– Vorsitzende des Finanzausschusses des DeutschenBundestages –ist auch die Konjunkturannahme von 2 ProzentWirtschaftswachstum für 2004 überholt. Gegen einsolches Wachstum sprächen derzeit alle Indika-toren ...
– Zu solchen Äußerungen fällt einem dann wieder derBundeskanzler ein.Uns wird heute, am 9. September, der Haushaltsent-wurf dieser Bundesregierung für das Jahr 2004 vorge-legt. Dieser basiert auf einer Wachstumsannahme derBundesregierung von 2 Prozent. Am selben Tag, zweiStunden bevor die Beratungen im Parlament beginnen,erklärt die Vorsitzende des Finanzausschusses des Bun-destages – eine Abgeordnete der Grünen! –, dass eineder wesentlichen Grundannahmen dieses Haushaltesnicht zu halten sei, da derzeit alle Indikatoren gegen siesprächen.
Meine Damen und Herren, was sollen wir von einersolchen Politik halten?
Ich sage Ihnen: Das, was Sie hier heute vorgelegt haben,ist keine beratungsfähige Grundlage. Damit verschau-keln und verladen Sie das ganze deutsche Parlament.
Herr Kollege Merz, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Scheel?
Gerne.
t
W
D
–
n
B
D
s
D
A
d
l
d
s
s
z
n
b
f
s
g
a
g
d
s
g
m
h
r
a
Herr Merz, ich finde es beachtlich, dass Sie die Agen-
urmeldungen so intensiv lesen. Ich bitte Sie allerdings:
enn Sie schon zitieren, dann zitieren Sie auch zu Ende!
a Sie das nicht getan haben, will ich es gerne tun.
Finden Sie nicht auch, dass es darum geht, was danach
och kommt?
Als wichtigsten Punkt für den Haushalt 2004 be-
zeichnete Scheel die anstehenden Entscheidungen
zum Subventionsabbau.
ezogen auf die Indikatoren steht dort vorher noch:
Es sei nun an der Politik, darauf zu reagieren.
iese Reaktionen hat Hans Eichel in seiner Rede vorge-
tellt.
ie Union ist aufgefordert – auch das steht in dieser
genturmeldung –, die Karten auf den Tisch zu legen,
amit das Wachstum, das wir erreichen müssen, tatsäch-
ich erreicht werden kann.
Das gehört dazu, wenn man vollständig zitiert, und
azu stehe ich auch; ich halte es nämlich für richtig. Sie
ind am Zug. Sagen Sie uns endlich einmal Ihre Vor-
chläge zum Haushalt 2004, zum Subventionsabbau und
ur Gemeindefinanzreform. Davon haben wir bis heute
ichts gehört.
Frau Scheel, ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nichtesser gewesen wäre, wenn ich Ihnen diese Zwischen-rage nicht ermöglicht hätte; denn diese in eine Zwi-chenfrage gekleidete Wortmeldung hat noch einmal dasanze Dilemma Ihrer rot-grünen Finanzpolitik schlag-rtig beleuchtet.
Sie haben in dem Interview, das Sie heute Morgen ge-eben haben,
ie Opposition aufgefordert, jetzt die Gesetze zu verab-chieden, die Grundlage für die Haushaltsplanung der ei-enen Regierung sind. Das zeigt doch das ganze Aus-aß des rot-grünen Regierungschaos, mit dem wir aucheute Morgen hier konfrontiert werden. Damit Sie in Ih-er Koalition über die Runden kommen, appellieren Sien die Opposition, Gesetzen zuzustimmen, die noch gar
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4869
)
)
Friedrich Merznicht eingebracht, erst recht nicht verabschiedet sind, dieaber bereits heute die Grundlage für die Daten IhresHaushaltsplans für das Jahr 2004 darstellen.
Frau Scheel, das, was Sie tun, ist abenteuerlich.
Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank,nun legen Sie uns einen Haushalt vor, der, anders als imletzten Jahr, schon von den Plandaten her Art. 115 unse-res Grundgesetzes verletzt, weil die Ausgaben für In-vestitionen niedriger sind als das bereits in den Datenangelegte zusätzliche Defizit. Geplant sind Schulden inHöhe von 30,8 Milliarden Euro, bei Investitionen inHöhe von 24,8 Milliarden Euro.Für das Jahr 2004 kommt erneut ein beachtliches zu-sätzliches Haushaltsrisiko hinzu: Sie werden erneutSteuerausfälle einbeziehen müssen; Sie werden einenZuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit leisten müssen,der um 5 Milliarden höher sein wird, als Sie planen; Siewerden bei der Arbeitslosenhilfe drauflegen müssen undSie werden die Frage beantworten müssen, wie bei derRente Einsparungen in Höhe von 2 Milliarden realisiertwerden sollen.Meine Damen und Herren, ich will Ihnen eine Kost-probe davon geben, wie diese rot-grüne Bundesregie-rung arbeitet.Laut Haushaltsbegleitgesetz wird ein um 2 MilliardenEuro niedrigerer Zuschuss des Bundes für die Renten-versicherung veranschlagt. Das dafür notwendige Ge-setz, mit dem dieser Zuschuss zur Rentenversicherungum 2 Milliarden Euro reduziert werden soll, liegt unsnoch nicht vor. Trotzdem schreibt die Bundesregierungin dem angesprochenen Haushaltsbegleitgesetz Folgen-des:Ausgehend von der beabsichtigten Stabilisierungdes Beitragssatzes zur Rentenversicherung in 2004bei 19,5 v. H. werden die allgemeinen Bundeszu-schüsse zur Rentenversicherung um 2 MilliardenEuro jährlich reduziert. Einzelmaßnahmen zur Ab-sicherung der Stabilisierung werden später durchÄnderungen des Sozialgesetzbuches umgesetzt.Die dafür zuständige Ressortministerin, die es garnicht für nötig hält, heute Morgen hier anwesend zusein, denkt überhaupt nicht daran, Ihnen diese 2 Milliar-den Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, HerrEichel, damit Sie diese 2 Milliarden Euro in den Haus-halt einstellen können. – So etwas nennt man unseriöseFinanzpolitik, Herr Eichel.
Ganz unabhängig davon, wie Sie den Haushalt be-schließen und im nächsten Jahr umsetzen: Sie werden injedem Falle das Grundgesetz verletzen. Nun enthält dasGrundgesetz eine Ausnahmebestimmung, die eine sol-che Überschreitung der Defizitgrenzen erlaubt, undzwar zur – nicht „bei“! – Abwendung der Störung desgcGl2svmwGSdasdNnWnrdfawmmSwamWdugsiluB
So einfach kann man dies nicht machen; es war auchom Grundgesetz nicht so vorgesehen. Denn erstensüssen die Maßnahmen, die Sie beschließen, zur Ab-endung der Störung des gesamtwirtschaftlichenleichgewichts geeignet sein und zweitens muss dietörung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts anen Fakten bemessen werden können.Dazu hat Ihnen der Sachverständigenrat Folgendesufgeschrieben, und zwar nicht vor drei oder vier Jahren,ondern in seinem Gutachten 2002/2003:Der Sachverständigenrat sieht nicht, wie eine hö-here Nettokreditaufnahme geeignet sein könnte,mögliche Zielverfehlungen in Form eines zu gerin-gen Wachstums oder einer zu hohen strukturellenArbeitslosigkeit zu korrigieren. Allenfalls könnteeine höhere Staatsverschuldung bei einer schwerenRezession als geeignetes Instrument zur Abwehr ei-ner solchen Störung in Erwägung gezogen werden.Von einer Rezession kann gegenwärtig aber nichtgesprochen werden.Wir haben keine Rezession. Wir haben rezessive Ten-enzen. In zwei Quartalen ist das Wachstum unter derulllinie geblieben. Aber eine schwere Rezession ist dasicht.Im Übrigen befinden Sie sich in einem fundamentaleniderspruch, wenn Sie auf der einen Seite für dasächste Jahr ein Wachstum von 2 Prozent prognostizie-en und auf der anderen Seite im Kabinett beschließen,ie Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtseststellen zu lassen. Diesen Widerspruch müssen Sieuflösen. Das passt nicht zusammen.
Was nun allerdings aus meiner Sicht noch schwereriegt als dieser rein innerstaatliche Vorgang – den kannan vielleicht noch unterschiedlich beurteilen –, ist dieassive erneute Verletzung des Maastricht-Vertrages.ie haben eben in einer Nebenbemerkung gesagt: Das,as der spanische Ministerpräsident kann, können wiruch. Es macht die Sache nicht besser, dass es um je-anden geht, der uns politisch näher steht als Ihnen.enn die Bundesregierung bei den Verhandlungen überie Agenda 2000 zu Beginn ihrer Amtszeit etwas härternd klarer verhandelt hätte, dann wäre das, was dort zu-unsten Spaniens verabredet worden ist, nicht beschlos-en worden. Das wird uns noch sehr lange belasten. Abern Wahrheit geht diese Bemerkung über diesen eigent-ichen Sachverhalt weit hinaus.Herr Bundeskanzler, Sie haben in der letzten Woche,nbemerkt von großen Teilen der Öffentlichkeit, in dereachtung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eine
Metadaten/Kopzeile:
4870 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Friedrich MerzKurskorrektur eingeleitet, indem Sie darauf hingewiesenhaben, dass dieser Vertrag nicht Stabilitätspakt, sondernStabilitäts- und Wachstumspakt heißt. Das ist unter-schwellig mehrfach gesagt worden, darüber ist keinegrößere öffentliche Debatte geführt worden. Tatsächlichaber verändern Sie mit dem, was Sie gerade machen,nicht nur den Schwerpunkt innerhalb des europäischenStabilitäts- und Wachstumspaktes, sondern Sie walzenihn nieder.Im Zusammenwirken mit Frankreich und Italien besei-tigen Sie dieses Korsett, das wir Deutsche damals mitbesonderem Nachdruck gefordert haben, weil wirwussten, was es bedeutet, eine stabile Währung habenzu müssen. Das wird jetzt von Ihnen infrage gestellt.Das Defizit wird nicht nur bei 3,8 Prozent, sondern beimehr als 4 Prozent im laufenden Jahr liegen und damitüberschreiten Sie die Defizitgrenze von 3 Prozent ein-deutig.
– Der Pakt heißt Stabilitäts- und Wachstumspakt.
– Danke für den Zwischenruf, Herr Müntefering.Die Möglichkeit eines Defizits von bis zu 3 Prozentist eben einer der automatischen Stabilisatoren, die füreine Zeit schwieriger Haushaltslage und Konjunktur imVertrag verankert wurden – in politisch normalen Zeitengeht der Vertrag von ausgeglichenen Haushalten bzw.Haushaltsüberschüssen aus –; diese 3 Prozent bedeutendoch gerade die Möglichkeit, in schwieriger Zeit dieStaatsverschuldung etwas zu erhöhen.
Sie überschreiten diese Grenze jetzt, was der Vertragausdrücklich nicht zulässt. Im Zusammenwirken mitFrankreich und Italien wollen Sie ihn in Wahrheit besei-tigen, weil Ihnen Währungsstabilität weniger wichtig istals das Strohfeuer, das Sie mit dem, was Sie planen, inder Volkswirtschaft entfachen wollen.Das ist der Rückfall in die kreditfinanzierten Kon-junkturprogramme der 70er-Jahre,
wie wir sie unter den Regierungen des BundeskanzlersWilly Brandt und des Bundeskanzlers Helmut Schmidtschon einmal hatten.
An den Lasten der massiven Überschuldung der öf-fentlichen Haushalte tragen Bund, Länder und Gemein-den 30 Jahre später immer noch. Das ist die Wahrheit.
Sie, Herr Bundeskanzler, sind dabei, genau die Poli-tik zu wiederholen, die Ihr Vorgänger Helmut Schmidteinmal mit den Worten charakterisiert hat: „Mir sind5 Prozent Inflation lieber als 5 Prozent Arbeitslosig-kdbuzbVbUdrDsKeHdgGmnmwdusngaltObTnhSnrgwgS
Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Poß von derPD-Fraktion.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4871
)
)
Herr Kollege Merz! Meine Damen und Herren! HerrPräsident! Die 3 Prozent im Jahr 2004 können wir ein-halten
– wie Sie selbst wissen –, und zwar dann, wenn Sie IhrenKurs der Obstruktion aufgeben und endlich Ihrer staats-politischen Verantwortung für Bund, Länder und Kom-munen gerecht werden.
Dann können wir wirklich die 3 Prozent im Jahr 2004einhalten.
Das hat der Bundesfinanzminister auch heute im Einzel-nen dargestellt. Wünschenswert wäre es, wenn Sie sichbewegen und schon heute – vor der Bayernwahl – Sig-nale geben würden, dass Sie dieser Verantwortung end-lich gerecht werden wollen.
– Das ist doch das magische Datum.
Heute haben Sie im Übrigen bewiesen, dass ökonomi-sche Zusammenhänge Ihre Sache nicht sind, finanzpoli-tische ohnehin nicht. Eines muss deutlich gesagt werden:Bei aller Härte in der Auseinandersetzung hat die Artund Weise, in der Sie heute den Bundesfinanzministerauch persönlich angegangen sind, Herr Merz,
das Maß des Erträglichen und Akzeptablen bei weitemüberstiegen,
im Übrigen auch wider besseres Wissen. Man muss sichdabei schon die Frage stellen: Was bilden Sie sich ei-gentlich ein?Hans Eichel hat als Bundesfinanzminister seit 1999Enormes geleistet und tut dies noch immer.
Das gilt für die Haushaltskonsolidierung, den Umbauund die Modernisierung des Steuersystems wie auch dieReform des Bank- und Börsenwesens und der Finanz-verwaltung. Dafür gebührt ihm unser aller Respekt,meine Damen und Herren. Es ist schlicht unfair, die fi-nanziellen Probleme, die sich aus der wirtschaftlichenSituation – drei Jahre Stagnation – ergeben,
HMEmhganDodnssPDSKDBdaqZMhJhdmEngSinnszpu
as werden Sie noch lernen müssen. Gefragt sind sach-rientierte Problemlösungen, aber außer blumigen Re-en haben Sie nichts bewirkt, Herr Merz. Das aber reichticht!Im Übrigen scheuen Sie nicht davor zurück, zu täu-chen. Sie haben Hans Eichel vorgeworfen, dass er füreine Finanzpolitik 17 Millionen Ostdeutsche in dieflicht genommen habe.
as ist eine Täuschung, Herr Merz. Herr Eichel hat denachverständigenrat zitiert, der auf die ökonomischenonsequenzen der deutschen Einheit hingewiesen hat.as ist die Wahrheit. Warum täuschen Sie im Deutschenundestag die Öffentlichkeit?
Wir haben dem Einigungsvertrag im Deutschen Bun-estag mit voller Überzeugung zugestimmt. Wir habenber stets auf die ökonomischen und sozialen Konse-uenzen hingewiesen. Wir haben auch 1990 – zu einemeitpunkt, als Sie systematisch getäuscht und mit diesenitteln auch die Wahlen gewonnen haben – die Wahr-eit gesagt. Das ist die historische Wahrheit über dasahr 1990.
Im Übrigen zählen auch noch andere Tatsachen. Wiraben tatsächlich in der Koalitionsvereinbarung 1998ie Bildung einer Kommission zur Reform der Ge-eindefinanzen in Aussicht gestellt. Dann aber zogendmund Stoiber und Herr Teufel – andere haben sich ih-en angeschlossen – mit der Forderung, den Finanzaus-leich neu zu ordnen, vor das Bundesverfassungsgericht,tichwort Solidarpakt II. Das waren die Töne, die auch Ostdeutschland für Verstörung gesorgt haben. Erstachdem wir diese Neuordnung gemeinschaftlich ge-chultert hatten, konnten wir uns der anderen Aufgabeuwenden, wie jeder wissen müsste, der sich mit Finanz-olitik beschäftigt. Das ist die Wahrheit, meine Damennd Herren.
Metadaten/Kopzeile:
4872 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Joachim PoßHinsichtlich der Gemeindefinanzen gilt das, wasPetra Roth am 4. September nach dem Gespräch mit Ih-nen, Frau Merkel und anderen festgehalten hat, nämlichdass Sie über dieses Thema einen Grundsatzstreit füh-ren. Wir setzen uns mit einem Modell auseinander; Siehingegen führen einen Grundsatzstreit. Frau Roth hatvöllig zu Recht festgestellt, dass ein Sofortprogrammniemals das ersetzen kann, was die Kommunen fordernund was wir ihnen gewähren wollen, nämlich eine um-fassende Gemeindefinanzreform zum 1. Januar 2004.Darum geht es. Davon lenken Sie ab.
Die Bundesregierung hat am 13. August in mehrerenGesetzentwürfen ein umfassendes und detailliertes fi-nanz-, arbeitsmarkt- und sozialpolitisches Maßnahmen-bündel beschlossen, das von heute an Stück für Stück imBundestag beraten wird. Dieses Konzept bietet wichtigeLösungsschritte für zentrale aktuelle und strukturelleProbleme der Gesellschaft und der öffentlichen Finan-zen. In einem sehr schwierigen ökonomischen Umfeld,das der Bundesfinanzminister überhaupt nicht geleugnethat, hat Hans Eichel mit dem Haushaltsentwurf und demHaushaltsbegleitgesetz 2004 eine schlüssige und alterna-tivlose Konzeption vorgelegt. Von großer Bedeutungsind insbesondere seine Vorschläge zum nachhaltigenUmbau der Haushaltsstrukturen.Was die Opposition angeht, so herrscht leider nachwie vor ein heilloses Durcheinander; es ist überhauptkein Lösungsansatz zu sehen. Auch Herr Merz hat einensolchen Lösungsansatz nicht geliefert, wie jeder, der zu-hören kann, gemerkt haben wird.
Wo ist denn ein konkretes, ein realistisches, ein einver-nehmliches Maßnahmenbündel der Union zur Sicher-stellung der dauerhaften finanziellen Handlungsfähigkeitvon Bund, Ländern und Kommunen? Jede Maßnahme,die wir hier vorschlagen und die helfen könnte, wird vonvornherein abgelehnt. Das ist weder konstruktiv nochverantwortungsvoll und schon gar nicht zukunftssi-chernd. Wo ist also die Strategie der Union zur nötigenschnellen Belebung der Wirtschaft? Was ist aus denWahlversprechen der Union geworden, die Steuern stär-ker und schneller zu senken? Haben Sie all Ihre Wahl-versprechen – Programm „3-mal 40 Prozent“ etc. – ein-gesammelt? Dann erklären Sie doch einmal deutlich,dass Sie vor der Wahl Versprechungen gemacht haben,von denen Sie wussten, dass Sie sie niemals würden ein-halten können. Das ist die Wahrheit, meine Damen undHerren.
Im Bundestagswahlkampf galt Ihnen das Senken vonSteuern noch als ökonomisches Allheilmittel. Da müss-ten Sie uns jetzt doch ohne Wenn und Aber zustimmen,wenn die bereits vor Jahren beschlossene Steuerentlas-tung 2005 um ein Jahr vorgezogen wird.vddVidSlaBASkgmvväspafbMHlvtAhArdniMgwHtAuPA2b
Immer wenn wir etwas vorschlagen – Hans Eichel hatas heute Morgen noch einmal unterstrichen –, findenie sofort irgendwelche Gründe, diese Vorschläge abzu-ehnen. Wann wollen Sie endlich mit dieser Blockadeufhören? Wird das wirklich nach der Bayernwahl sein?isher, noch im Frühjahr, war es doch so, dass jeglicherbbau von steuerlichen Privilegien und steuerlichenubventionen von Ihnen gleich als Steuererhöhung dis-reditiert und torpediert wurde. Damit haben Sie übri-ens – was öffentlich gar nicht so bekannt ist – Maßnah-en für eine größere steuerliche Gerechtigkeiterhindert, zum Beispiel zur verstärkten Bekämpfungon Steuerhinterziehung und zur Besteuerung von Ver-ußerungsgewinnen. Sie, die Union, verhindern mehroziale und steuerliche Gerechtigkeit in der Bundesre-ublik Deutschland. Das müssen die Menschen wissen,uch diejenigen, die Ihnen in den Umfragen zustimmen.
Die Union ist im Übrigen nicht erst im Bundesrat ge-ragt, sondern bereits hier im Parlament. Wir brauchenereits hier verbindliche Antworten von Ihnen. Frauerkel wird diese Antworten morgen sicherlich geben.err Merz war dazu nicht in der Lage. Das war womög-ich ein Grund, weshalb er von der Spitze der Fraktionerschwinden musste: Er war nicht in der Lage, Antwor-en zu geben. Frau Merkel ist jetzt aber gefordert, diesentworten zu geben. Wir warten also gespannt. Wenneute keine Antworten kommen, wollen wir morgenntworten von dieser Opposition hören. Die Bevölke-ung hat ein Recht darauf, konkrete Antworten zu hören.
Wir brauchen also eine Oppositionsfraktion im Bun-estag, die sich ihrer Verantwortung stellt. Es kann dochicht sein, dass sich eine große Volkspartei wie die CDUn fast allen wichtigen Fragen zu keiner eindeutigeneinung durchringen kann oder will, nur weil ihrem re-ionalen bayerischen Partner, der CSU, Landtagswahlenichtiger sind.
Unsere Vorschläge zu den wichtigen Problemen underausforderungen liegen in detaillierten Gesetzesinitia-iven auf dem Tisch. Zum einen geht es dabei um dientwort auf strukturelle Probleme. Zum anderen geht esm die richtige Reaktion auf kurzfristige konjunkturellerobleme.uch wenn es bei den Strukturreformen der Agenda010 erst um mittel- und langfristige Wirkungen geht,edeutet das nicht, dass die Umsetzung der Struktur-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4873
)
)
Joachim Poßreformen noch weiter aufgeschoben werden darf. Verzö-gerungen bei der Umsetzung der Strukturreformen – vonwem auch immer zu verantworten – werden zu einerweiteren Verunsicherung der privaten Investoren undKonsumenten führen und so die konjunkturelle Entwick-lung in den nächsten Monaten negativ beeinflussen. Dasist die Wahrheit.
Wenn auch Sie die wirtschaftliche Entwicklung zum Gu-ten wenden wollen, dann müssen Sie eine andere Hal-tung einnehmen, dann müssen Sie die Haltung teilen,wie sie zunehmend – das ist auch erkennbar – in derWirtschaft eingenommen wird. Ihr Weg des Schwarzma-lens hat uns zusätzliche Probleme beschert. Ich hoffe,dass Sie diesen Weg bei den jetzigen Haushaltsberatun-gen verlassen werden. Es wird höchste Zeit.Wir haben als Ergänzung zu unserer Haushaltskonso-lidierungspolitik und der Agenda 2010 vorgeschlagen,die für 2005 geplante Steuerentlastungsstufe auf den1. Januar 2004 vorzuziehen. Nicht das Vorziehen, aberdie Entlastungsstufen hatten wir schon vor Jahren be-schlossen. Herr Merz wird sich bestimmt noch gut an diebemerkenswerte Bundesratssitzung vom 14. Juli 2000erinnern.
Durch das Vorziehen der für 2005 geplanten Steuer-entlastungsstufe – das ist keine übertriebene Maßnah-me – sollen diejenigen Kräfte gestärkt werden, die einekonjunkturelle Belebung in den nächsten Monaten er-warten lassen. In diesem Zusammenhang werden wiruns über die Auslegung von Art. 115 des Grundgesetzesauseinander setzen müssen, also darüber, ob das eine ge-eignete Maßnahme ist, um die Störung des gesamtwirt-schaftlichen Gleichgewichts abzuwenden. Wir sind derMeinung, dass das eine geeignete Maßnahme ist. Da derStaat darüber hinausgehend nicht so viel im Köcher hat,haben wir das vorgeschlagen.Die Union scheint uns im Grundsatz zuzustimmen.Bei dem vielstimmigen Chor der Unionssprecher ist esaber nicht immer einfach zu erkennen – sicher ist esschon gar nicht –, ob die Union das Vorziehen tatsäch-lich will. Auch darüber gab es in der bisherigen Debattekeinen Aufschluss von Herrn Merz. Die Steuerpflichti-gen werden jedenfalls durch das Vorziehen bereits imnächsten Jahr um 22 Milliarden Euro entlastet. Das isterheblich mehr als das, was im nächsten Jahr durch dasKonsolidierungspaket aus dem Wirtschaftskreislauf he-rausgenommen wird. Deshalb wird der stagnierendenWirtschaft damit bereits kurzfristig ein starker positiverImpuls gegeben, der helfen wird, das von uns ange-strebte Wirtschaftswachstum von 2 Prozent zu erreichen.Wir wissen, dass es keine Garantie für mehr Konsumund Investitionen gibt. Aber das Vorziehen bietet einegute Chance auf eine notwendige Stimmungswende undauf eine tragfähige Wirtschaftsbelebung. Bei ehrlicherund realistischer Betrachtung hat die Finanzpolitik kurz-fristig kein anderes Instrument, das ähnlich gute Erfolgs-clsSarttEdR2mBS1dbSKt–hkmfMswRrkgHinvdkSsatgas
Herr Kampeter, Sie sind heute Morgen offenkundigierhin gesetzt worden, um nicht ganz saubere Bemer-ungen zu machen.Die Menschen jedenfalls werden die Entlastungenerken. Ihre Blütenträume angesichts der schönen Um-ragewerte werden sich schnell verflüchtigen, wenn dieenschen immer mehr begreifen, dass Sie aus eigen-üchtigen, parteipolitischen und taktischen Gründen das,as jetzt wirtschaftlich notwendig ist, blockieren. Dieseolle spielen Sie und das spricht sich immer mehr he-um.
Unsere Bitte lautet deswegen: Sortieren Sie sich jetztonzeptionell und personell! Sie sind nämlich nicht auf-estellt. Frau Merkel, Herr Stoiber, Herr Koch, aucherr Merz, Sie sollten endlich etwas mehr als den partei-nternen Kampf um Ihre eigenen Karrieren in den Blickehmen. Das haben die Bürgerinnen und Bürger schonerdient.Auch im kommenden Jahr – das wissen wir – werdenie Nachwirkungen der weltweiten und mehrjährigenrisenhaften Konjunkturentwicklung sowohl bei denteuereinnahmen als auch bei den Sozialausgaben zupüren sein. Das gilt für alle öffentlichen Haushalte. Dalle öffentlichen Haushalte von der dreijährigen Stagna-ion betroffen sind, bieten die Beschlüsse der Bundesre-ierung vom 13. August dieses Jahres ganz folgerichtign mehreren Stellen Maßnahmen an, die zur fiskali-chen Entlastung nicht nur des Bundes, sondern auch der
Metadaten/Kopzeile:
4874 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Joachim PoßLänder und der Kommunen führen würden. Herr Eichelhat diese Maßnahmen benannt.Wenn Sie also auch den von Ihnen geführten Ländernund Kommunen etwas Gutes tun wollen, dann verlassenSie Ihre bisherige Haltung. Was die Bundesregierungvorgeschlagen hat, ist auch im Interesse der von Ihnengeführten Länder und Kommunen.
Wie im Vermittlungsverfahren zum Steuervergünsti-gungsabbaugesetz im Mai dieses Jahres zwischen denBeteiligten parteiübergreifend vereinbart worden ist, sollder nach wie vor erhebliche steuerliche Gestaltungs-spielraum bei der Körperschaftsteuer vermindert undsomit das Körperschaftsteueraufkommen nachhaltig sta-bilisiert werden. Ich hoffe, dass Sie Ihre Propaganda ausdem Bundestagswahlkampf 2002 nicht vergessen, wennwir im Vermittlungsausschuss demnächst wieder darüberverhandeln, dass Sie nicht alles wieder vergessen, wasSie den Menschen erzählt haben, dass Sie wirklich mit-machen, wenn es um die Stabilisierung des Körper-schaftsteueraufkommens geht. Bei Ihnen sind Reden undHandeln nämlich immer zweierlei. Wir werden Sie andiesem Punkt stellen.
Zu diesen – erforderlichen – Maßnahmen liegen seitdem 13. August dieses Jahres ausformulierte Gesetzes-änderungen vor.
– Nein, ausformulierte, gute Texte,
auch zu den Sondertatbeständen Eigenheimzulage undEntfernungspauschale. Dazu hat der Bundesfinanzminis-ter hier ausreichend Stellung genommen.
Wir werden uns in den weiteren parlamentarischen Bera-tungen im Bundestag und auch im Bundesrat noch ein-gehend damit beschäftigen. Wir werden uns damit auchnoch koalitionsintern beschäftigen. Dabei gilt eine Ziel-richtung, der Sie sich eigentlich anschließen müssten:Jede Änderung der Regierungsvorschläge muss sicher-stellen, dass die beabsichtigten Entlastungen für dieHaushalte von Bund, Ländern und Kommunen soweit wie möglich erhalten bleiben.Ich gehe davon aus, dass sich die unionsgeführtenLänder – jedenfalls die meisten – im Bundesrat dieseneinnahmeverbessernden Maßnahmen nicht mehr verwei-gern werden, nachdem ihnen ihre eigene Haushaltslagein den letzten Wochen schmerzhaft deutlich gewordeniseUwwtadshlezvEImlinlaEWnlidejubddedSdmdBvWd
ch erinnere daran, dass die Länder diese Verpflichtungit ihrer Zustimmung zum Maastricht-Vertrag ausdrück-ch übernommen haben. Also kann diese Verantwortungicht in billiger Weise beim Bundesfinanzminister abge-den werden.
s kann nicht sein, dass der europäische Stabilitäts- undachstumspakt von den teilnehmenden Staaten ein „Hi-einsparen in die Krise“ verlangt. Darüber sollte eigent-ch bei allen Klarheit bestehen. Bei sorgfältigem Lesenes Maastricht-Vertrages kann man feststellen, dass deruropäische Stabilitäts- und Wachstumspakt den kon-nkturellen Erfordernissen gegenüber alles andere alslind ist.
Herr Kollege Poß, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Schauerte?
Ja, gern.
– Ich versuche es. Ich gebe die Hoffnung, dass er beier Wahrheit bleibt, einfach nicht auf.Herr Kollege Poß, Sie haben gerade mit Recht aufine Mitverantwortung der Länder bei der Einhaltunges Stabilitätspakts verwiesen. Das ist in Ordnung. Sindie mit mir der Meinung, dass die Hauptverantwortungafür dennoch beim Bund liegt? Sind Sie nicht ebenfallsit mir der Meinung, dass es besonders erstaunlich ist,ass sich die sozialdemokratisch regierten Länder in derundesrepublik bei der Überschreitung der für die Neu-erschuldung geltenden Höchstgrenze in besonderereise schuldig machen, während das Land Bayern inieser Frage sehr gut dasteht und alle Kriterien einhält?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4875
)
)
Die bemerkenswertesten Abweichungen der letzten
Jahre sind eindeutig im Fall Hessen festzustellen. Sie
von der CDU/CSU haben in der Zwischenzeit leider das
Saarland sozusagen politisch erobert. Das Saarland und
Bremen waren Sonderfälle. Ansonsten kennen wir Län-
der mit besonderen Strukturproblemen.
Das Problem auf die Frage der Parteifarbe zu reduzieren,
wie Sie das wollen, lenkt hier ab. Der größte Sünder der
letzten Jahre, was die Abweichungen angeht,
ist derjenige, der – so hat er es versprochen – „brutalst-
möglich“ sparen will, nämlich Roland Koch. So viel zu
Ihrer Frage.
Es kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass die
von der Regierung Kohl und insbesondere vom damali-
gen Bundesfinanzminister Waigel ausgegangene deut-
sche Initiative zu einem europäischen Stabilitäts- und
Wachstumspakt die europäischen Partner zu einem öko-
nomisch unsinnigen Verhalten zwingen wollte. Ich bin
sicher, dass die europäischen Partnerstaaten zusammen
mit der Europäischen Kommission für eine ökonomisch
und politisch verantwortungsvolle Anwendung des Pak-
tes und der mit ihm verbundenen Vorschriften sorgen
werden, die beidem gerecht wird, dem Stabilitäts- und
dem Wachstumsgedanken.
Von zentraler Bedeutung für das gesellschaftliche Le-
ben und auch für die ökonomische Entwicklung in
Deutschland ist, dass es uns gelingt – davon wurde
schon gesprochen –, den Kommunen eine nachhaltige
finanzielle Perspektive zu geben. Ich will hier noch ein-
mal unterstreichen: Die Kommunen – darüber sind sich
die Kommunalvertreter parteiübergreifend einig – brau-
chen eine stabile und nachhaltig sichere Einnahme-
quelle. Ein Sofortprogramm ist kein Ersatz dafür. Bun-
desregierung und Regierungskoalition wollen, dass die
Kommunen schon im nächsten Jahr erheblich und mit
nachhaltiger Perspektive entlastet werden. Auch dafür
gilt angesichts der Mehrheiten im Bundesrat: Wir kön-
nen im Sinne der Kommunen nur erfolgreich sein, wenn
die Mehrheit im Bundesrat mitspielt.
Wenn Sie es mit den Bürgerinnen und Bürgern in den
Städten und Gemeinden gut meinen, meine Damen und
Herren, dann dürfen Sie nicht das machen, was sich hier
andeutet: Sie gönnen der Bundesregierung nicht, einen
politischen Erfolg zu erzielen.
S
e
f
b
B
t
E
e
d
B
m
d
b
R
g
u
w
k
w
n
g
d
s
R
m
h
d
d
d
n
c
d
V
d
P
P
s
t
n
Ich sage das vor dem Hintergrund anstehender Pro-
este in den Städten und insbesondere hier in Berlin, wo
inrichtungen geschlossen werden müssen. Wir können
s für die Kommunen richten, wenn sich die Union und
ie FDP ihrer Verantwortung entsprechend verhalten.
isher ist das nicht gewährleistet.
In dem Sinne, meine Damen und Herren, wünsche ich
ir noch viel Aufschluss und konstruktive Beiträge von
er Opposition im weiteren Verlauf der Haushaltsde-
atte. Ich bin gespannt, ob demnächst jemand aus Ihren
eihen das, was der Bundesfinanzminister konkret vor-
eschlagen hat, konstruktiv aufgreift
nd die Linie verlässt, die Herr Merz hier heute Morgen
ieder angedeutet hat: täuschen, diffamieren, aber jede
onkrete Antwort gegenüber der Wahlbevölkerung ver-
eigern.
Bevor ich dem Kollegen Rexrodt als nächstem Red-
er das Wort erteile, möchte ich einen kleinen Hinweis
eben. Mir liegen aus gegebenem Anlass Auszüge aus
em Wortprotokoll der heutigen Sitzung vor, in denen
owohl aus den Reihen der Koalition als auch aus den
eihen der Opposition gelegentlich Zwischenrufe ver-
erkt sind, die man als persönlich herabsetzend verste-
en könnte. Ich will das zu Beginn dieser Debatte mit
em Energieüberschuss aus der Sommerpause entschul-
igen und nicht ausdrücklich rügen, werbe aber dafür,
ass wir im weiteren Verlauf der Haushaltsdebatte die
ötige Schärfe in der Auseinandersetzung mit persönli-
hem Respekt verbinden. Ich bin sicher, das bekommt
em Klima der Debatte und schadet der angestrebten
erdeutlichung der Standpunkte nicht.
Nun hat der Kollege Rexrodt für die FDP-Fraktion
as Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie, Herrräsident, geben mir ein gutes Stichwort. Herr Kollegeoß, anstatt über den Haushalt zu sprechen, stellen Sieich hier 25 Minuten hin und beschimpfen die Opposi-ion. Nichts anderes haben Sie gemacht. Dann bezeich-en Sie deren Kritik am Desaster Ihrer Finanz- und
Metadaten/Kopzeile:
4876 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dr. Günter RexrodtHaushaltspolitik als im Maß überzogen. Das Einzige,was alle Maßstäbe sprengt, ist das Ergebnis Ihrer Fi-nanz- und Haushaltspolitik. Es ist nicht mehr akzeptabelund ein Desaster, was Sie uns hier als Haushaltsentwurf2004 vorlegen.
Es handelt sich nicht mehr nur um ein Zahleninferno,das einigen wenigen Fachleuten zugänglich ist, sonderndieses betrifft die Menschen in unserem Land, die immerhäufiger über schlechte Straßen und unpünktliche Zügeklagen; es trifft die jungen Wehrpflichtigen, die nichteinmal mehr eine Fortbildungsmaßnahme oder einenLehrgang bezahlt bekommen; es trifft die Unterneh-mensgründer und die kulturellen Einrichtungen; es trifftin besonderer Weise die neuen Länder.Aus einem Land, das mit der Wiedervereinigung einegroße Herausforderung geschultert hat und nach vorneorientiert war, ist in wenigen Jahren ein Gemeinwesengeworden, in dem sich Verzagtheit breit gemacht hat unddem es an Vertrauen in die Zukunft mangelt.
Darüber kann sich niemand freuen. Ich bin, Herr Eichel,sogar bereit, zuzugestehen, dass ich den allenthalben an-zutreffenden Pessimismus in seiner überzogenen Formund die Schwarzmalerei in ihrer überzogenen Form fürnicht berechtigt halte. Wir sind in vielen Bereichen im-mer noch ein leistungsfähiges Land. Wir sind aber nichtwegen, sondern trotz der rot-grünen Politik in den letz-ten fünf Jahren so leistungsfähig. Das ist Fakt.
Die Art und Weise, wie Sie, Herr Eichel, die Misere er-klären, indem Sie nämlich sagen, das Ganze sei mehroder weniger das Ergebnis einer schlechten weltwirt-schaftlichen Lage und des von der alten Koalition über-nommenen Schuldenberges, ist töricht und unverantwort-lich. Es muss sich angesichts dessen niemand wundern,dass der Vertrauensschwund in die Regierung immerstärker wird. Die schlechte wirtschaftliche Lage inDeutschland ist hausgemacht: Das Hinterherhinken inden letzten drei Jahren hinter den USA um durchschnitt-lich 2 Prozent und um etwa 1,5 bis 2 Prozent hinter demDurchschnitt der EU hat zu einer Wachstumslücke inDeutschland, die in der Summe 70 Milliarden Euro aus-macht, und zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in einerGrößenordnung von mindestens 500 000 in diesen dreiJahren geführt. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
– Den Maßstab, den ich anlege, müssen Sie mir überlas-sen. Tatsache ist, dass wir bedingt durch den Vereini-gungsboom bis 1995 ein überdurchschnittliches Wachs-tum hatten, dass wir im Jahre 1998 mit 2,7 ProzentWachstum wieder an der Spitze in Europa lagen, wassich in 1999 und 2000 fortsetzte, aber das Wachstum da-nach so tief wie noch nie zuvor einbrach. So stellen sichdie Fakten dar, Herr Spiller.
ntrEgmsnw–bgegAtewsebFnAHsamlableEinec4ungEwJemszIwhKkk
Die Fakten sind sehr bitter für Sie; aber Sie könnenie hier nicht mit verwirrenden Relationen, wie sie vorllen Dingen Herr Poß verwendet, verschleiern. Im Kernuss sich Wirtschafts- und Finanzpolitik daran messenssen, wie sich das Bruttoinlandsprodukt und der Ar-eitsmarkt entwickeln und ob wir am Ende auf Pumpben oder nicht. Daran müssen Sie sich messen lassen.Es bedarf nur weniger Bemerkungen, um das traurigergebnis Ihrer Politik zu beschreiben: Das Brutto-landsprodukt hinkt hinterher und wird in diesem Jahrher schrumpfen als wachsen. Die jahresdurchschnittli-he Arbeitslosigkeit erreicht 2003 mit voraussichtlich,4 Millionen Arbeitslosen ihren traurigen Höhepunktnd eine Besserung ist nicht abzusehen. Die Steuerein-ahmen des Bundes sind in einer konjunkturell schwieri-en Situation in etwa gleich geblieben; ich werde auf dieffekte der Steuerpolitik noch eingehen.Bei den Ausgaben, Herr Eichel, die im Haushaltsent-urf 2004 um etwa 8 Milliarden Euro über denen desahres 1999 liegen, ist es Ihnen nie gelungen, wirklichinschneidende Veränderungen nach unten vorzuneh-en. Der Anteil der Sozialausgaben – Sie haben eselbst gesagt – ist in dieser Zeit von 40,5 auf 45,4 Pro-ent gestiegen. Herr Eichel, keiner bestreitet angesichtshrer allgemeinen Zielbeschreibung, dass Sie sparenollen. Welcher Finanzminister wollte nicht sparen! Dasat hier jeder gesagt und das wollte auch jeder. Aber denurs verkünden und am Ende an der richtigen Stelle an-ommen, das ist zweierlei. Sie sind ganz woanders ange-ommen, als Sie vorher verkündet haben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4877
)
)
Dr. Günter RexrodtDas Ganze musste in dem Desaster enden, das wirnun haben. Sie veranschlagen 30,8 Milliarden EuroNeuverschuldung für 2004; aber realistischerweisewerden es zwischen 40 und 50 Milliarden Euro sein. Dasbestreiten Sie nicht einmal mehr. Wer so angetreten warwie Rot-Grün – und auch Sie, Herr Eichel – und nun sodasteht, wie die Bilanz es widerspiegelt, der braucht sichnicht zu wundern, wenn das Land gelähmt ist und nurnoch auf Impulse von außen wartet.Die Gründe für dieses Desaster liegen in der Tatsache,dass Sie die notwendigen Reformen, Ihren Ankündigun-gen zum Trotz, nicht oder nur unzulänglich und immerverbunden mit einem hohen Maß an Unberechenbarkeitauf den Weg gebracht haben – Reformen, an denen ange-sichts der globalen Entwicklung und des demographi-schen Desasters kein Weg vorbeigeht.Kernstück der Politik der letzten Legislaturperiodewar die Politik der Bündnisse und der runden Tische.Diese Politik, die im Grunde darauf zielt, dringend not-wendige Entscheidungen durch Konsensrunden zu um-gehen, ist total gescheitert.
Ihre Politik der Bündnisse ist in den letzten vier Jahrentotal gescheitert – vier vertane Jahre.Jetzt ziehen Sie das Tempo an; das gebe ich zu. Aberdabei sind Sie nicht der Treibende, sondern der Getrie-bene.
Sie werden von den Landtagswahlergebnissen der letz-ten Jahre getrieben. Das ist der Punkt.
Was Sie veranstalten, ist vielstimmig und kontroversund den Bürgern am Ende, selbst wenn es einmal in dierichtige Richtung geht – ich bin bereit, das zuzugeben –,nicht mehr vermittelbar. Diese Vielstimmigkeit und dieUnfähigkeit, sich auf einen Kurs zu einigen, haben zuder Vertrauenskrise und der Lähmung geführt. Die Men-schen begreifen das nicht mehr.Das ist keine leere Aussage. Das ist zum Beispiel inder Steuerpolitik so. Dort hatten Sie zwar mit Steuersen-kungen den richtigen Ansatz, haben aber die Großunter-nehmen über Jahre hinweg sehr viel stärker entlastet alsden Mittelstand.
Dies hat im Mittelstand zu Ärger, Verdrossenheit undmangelnden Investitionen geführt.
Jetzt beginnen Sie das zu korrigieren. Aber es ist zu spät.Noch dazu haben Sie den aktiven Teil des Mittelstandsund der Menschen mit Ihrer unseligen Ökosteuer über-zogen. Sie haben also aus der einen Tasche wieder he-rausgeholt, was Sie ihnen in der anderen Tasche belassenhatten.uususKlVstsDvDke–svbdwtu–hSsuwWrdsuRsbDgKfdurd
Das ist nicht Wolkenkuckucksheim. Sie bringen über-aupt nichts auf die Beine. Sie schaffen eine unmoderneteuer, die ein Fremdkörper in unserem System ist. An-tatt sie abzuschaffen, wird sie neu ausgestaltet. Das ver-nsichert die Gewerbetreibenden zusätzlich. Das wirdiederum Arbeitsplätze vernichten.
ir sagen Ja zum Vorziehen der dritten Stufe der Steuer-eform, aber nicht auf der Basis von Verschuldung, son-ern auf der Basis des Abbaus von Subventionen.In die Rentenversicherung – Kollege Merz hat daschon gesagt – fließen mittlerweile mehr als 30 Prozentnseres Haushalts. Wir warnen davor, die Probleme derentenversicherung durch eine Bürgerversicherung lö-en zu wollen. Das begräbt jeden Leistungsanreiz. Dasestraft diejenigen, die für ihr Alter selbst vorsorgen.ie Befürworter einer solchen Bürgerversicherung ver-essen, dass die Rentenkassen – im Übrigen auch dierankenkassen – mit einer solchen Versicherung allen-alls für ein paar wenige Jahre entlastet werden können,ass die Zahl der Anspruchsberechtigten dann aber steigtnd wir von neuem dasselbe Desaster haben werden.
Die FDP hat schon vor vielen Jahren eine Umsteue-ung auf mehr private Vorsorge gefordert. Was sind wiramals hier im Hause verteufelt worden. Heute nähern
Metadaten/Kopzeile:
4878 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dr. Günter Rexrodtsich die anderen Parteien unseren Vorstellungen, die wirseit Jahren haben, unter Schmerzen und unter riesigenDiskussionen an. Ich will hier gar nicht in Hybris verfal-len. Für meine Partei, für die FDP – das ist die Wahrheit –,sage ich mit Selbstbewusstsein, aber auch mit Stolz: DiePrinzipien und Leitlinien der Politik, der Sie sich jetztunter Schmerzen annähern, sind von unserer Partei seitlangem am klarsten und deutlichsten vertreten worden.Sie aber haben uns dafür gescholten.
Das sage ich mit großem Ernst und ohne die parlamenta-rische Schärfe, die hier manchmal angesagt ist.Ich warne ausdrücklich davor, dass den Krankenkas-sen die so genannten versicherungsfremden Leistun-gen aus dem Bundeshaushalt vorab erstattet werden. Da-mit wird die Büchse der Pandora mit unglaublichenFolgen für den Bundeshaushalt, Herr Eichel, geöffnet.Wenn man damit einmal anfängt, dann nimmt das keinEnde.Nun lassen Sie mich beim Haushalt 2004 – Wesentli-ches hat Herr Merz schon gesagt – noch einmal die Risi-ken in Erinnerung rufen. Das ist das eigentliche Kern-stück. Die Risiken liegen in dem bei 2 Prozentangesetzten Wachstum. Sie wissen, dass das nicht zu er-reichen ist. Die Risiken liegen ferner darin, dass Sie er-warten, aufgrund der Steueramnestie Steuern in Höhevon 2,1 Milliarden Euro einzunehmen. Dieses Geld wirdnicht zurückfließen; das wissen auch Sie. Andere Risi-ken liegen darin, dass Sie aufgrund der Bekämpfung derSteuerhinterziehung und Schwarzarbeit Mehreinnah-men erwarten. Ich weiß leider nicht, wie Sie das errei-chen wollen.Weitere Risiken liegen in Ihrem Haushaltsbegleitge-setz – die Vielstimmigkeit im Zusammenhang mit derEigenheimzulage und mit der Entfernungspauschalekennen wir alle – und in der Unsicherheit, ob die Ar-beitsgruppe Koch/Steinbrück überhaupt etwas Konkre-tes liefert.
Herr Kollege Rexrodt, denken Sie bitte an die Rede-
zeit.
Ja, ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident. –
Die Risiken liegen außerdem in den notwendigen Nach-
besserungen, die Sie in Bezug auf die Finanzen der Ge-
meinden leisten müssen.
Am größten aber ist das Risiko bei den Arbeitsmarkt-
ausgaben. Bei der Umstellung auf das neue System in-
folge von Hartz IV müssen Sie 28 Milliarden Euro aus-
geben. Rechnet man die 19 Milliarden Euro dagegen, die
das alte System heute kostet, dann ergibt sich ein Risiko
von 8 bis 9 Milliarden Euro.
In der Summe ergibt sich also ein Risiko in Höhe von
40 bis 50 Milliarden Euro. Sie sprechen aber nur von
30,8 Milliarden Euro. Das ist unverantwortlich, Herr
E
d
M
S
v
w
d
z
x
L
V
E
A
m
e
–
h
v
m
d
n
Z
E
d
v
E
d
c
d
e
–
e
g
t
w
Eine solche Politik funktioniert nur in einer offenen
olkswirtschaft. Ziehen Sie den Haushalt zurück, Herr
ichel! Am besten gehen Sie gleich mit.
Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin
ntje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichöchte nochmal mit dem Haushalt beginnen. Wenn maninmal die Kosten durch das Vorziehen der Steuerreform wir begleichen sie mit einer höheren Neuverschuldung –erausrechnet, dann ist der Haushalt in Bezug auf die In-estitionsgrenze, die uns das Grundgesetz vorschreibt,it Ach und Krach verfassungsgerecht. Wenn wir unsas aber nochmal genauer angucken, sehen wir, dass wiroch 14 Milliarden Euro einsparen müssen, um diesesiel zu erreichen. Viele Punkte sind dabei noch unsicher.s ist völlig korrekt – auch wir haben das heute getan –,ieses zu erwähnen. Kein Mensch hat da irgendetwaserheimlicht oder beschönigt.Wir werden noch Entscheidungen zur Rente, weiterentscheidungen zum Arbeitsmarkt und auch zum Abbauer Steuersubventionen treffen müssen. Die entspre-henden Gesetzgebungsverfahren laufen parallel. Aufer einen Seite schlagen Sie vor, diese Entscheidungenrst im nächsten oder im übernächsten Jahr zu treffendiesen Vorschlag kann ich Ihren merkwürdigen Redenntnehmen; Sie sind anscheinend der Meinung, das allesinge zu schnell –, und auf der anderen Seite argumen-ieren Sie, dass wir seit Jahren nicht das gemacht haben,as hätte getan werden müssen. Dazu muss ich sagen:
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4879
)
)
Antje HermenauIch verstehe Sie nicht; ich bin strategisch ratlos. Ich kannnicht nachvollziehen, was Sie umtreibt.
Als Haushälterin bin ich sehr erleichtert, dass wirnach drei Sparhaushalten, in denen es immer darumging, in einem letzten Kraftakt den Beamten sozusagendas Radiergummi aus den Händen zu winden, zu einemStrukturumbau kommen, den auch die Haushälter derrot-grünen Koalition seit langem immer wieder geforderthaben. Ich bin stolz darauf und wäre dankbar, wenn esden Haushältern aller Fraktionen gelänge, sich in denHaushaltsberatungen darauf zu konzentrieren, die struk-turellen Defizite endlich abzubauen.Meine Erfahrung aus circa zehn Jahren Haushaltsbe-ratungen im Bundestag ist, dass in dieser Zeit, also seit1993, als Herr Waigel das Konsolidierungsprogrammvorgelegt hat, der Abbau des strukturellen Defizits we-der aufseiten des Bundes noch aufseiten der Länder nen-nenswert vorangekommen ist. In dem, was wir vorlegen,liegt die Chance, sowohl dem Bund als auch den Bun-desländern die Möglichkeit zu geben, ihre Strukturpro-bleme zu lösen, die sie daran hindern, konjunkturell ver-nünftig zu reagieren.
Wenn ich mir die Rede von Herrn Merz vor Augenführe, dann muss ich ihn fragen: Warum lamentieren Sieso, Herr Merz? Sie tun so, als ob wir Ihnen etwas wegge-nommen hätten, weil wir das tun, was Sie schon immergefordert haben. Ihre Rede wirkte furchtbar wehleidig.Ich habe nicht ein einziges Mal gehört, wohin Sie eigent-lich wollen.Mein Wunsch wäre, dass wir in der Lage sind – dennder Haushalt ist nur ein Instrument, um Dinge deutlichzu machen und Prozesse zu begleiten –, auch in derHaushaltsberatung über folgende Fragen zu debattieren:Wohin wollen wir eigentlich? Wie wollen wir leben?Wie wollen sich die Deutschen in der EuropäischenUnion verhalten? Diese Fragen müssen wir beantworten.Wir als Koalition haben das Haushaltsbegleitgesetzvorgelegt. Darin sind eine ganze Reihe von strukturellenVeränderungen enthalten. Eigentlich ist das seit dem vonmir vorhin zitierten Konsolidierungsprogramm vonTheo Waigel aus dem Jahre 1993 die größte Verände-rung der Finanzströme. Wie gesagt, hier findet eine ge-samtstaatliche Entlastung statt. Nicht nur der Bund pro-fitiert davon, wenn wir zueinander finden, sondern auchdie Länder. Ich glaube, dass das taktisch aufgehen wird –egal ob Frau Merkel gestern vollmundig behauptet hat,sie werde da eine Blockade oder sonst was betreiben.Mir kam die Reaktion von Frau Merkel ein bisschen wiebei Leonid Breschnew vor, von dem der Witz kursierte,er habe, als der Zug stillstand, die Gardine zugezogenund vorgetäuscht, der Zug fahre noch.Die Öffentlichkeit ist weiter als eine ganze Reihevon Politikern, die auf der rechten Seite des Parlamentssitzen. Die Öffentlichkeit ist aufgrund der seit MonatenasDgaluhZODdDtDdhZsdrzl4bVodmswglhl6csbmeFEss9teSWE
er Haushalt begleitet das als Instrument finanzpoli-isch, nicht mehr und nicht weniger.Ich bin sehr darüber enttäuscht, dass Sie sich in dieserebatte einen schlanken Fuß machen und so tun, als obie Länder hier keine Aktien hätten. Ich habe mir einmalerausgesucht – man soll ja in Haushaltsdebatten mitahlen argumentieren –, wie hoch der Anteil der ge-amtstaatlichen Schulden, das heißt der des Bundes,er Länder, der Kommunen und der sozialen Siche-ungssysteme, am Bruttoinlandsprodukt ist: 1970, alsowei Jahrzehnte vor der deutschen Einheit,
ag er bei 18 Prozent, 1980 bei 31 Prozent und 1990 bei2 Prozent. Dann kam die deutsche Einheit. 2000 lag erei 60 Prozent. Helmut Kohl – dies zum Abschluss derergangenheitsdebatte – war eben nicht Maggie Thatcherder Göran Persson. Diejenigen Länder, die wie Schwe-en oder Finnland Mitte der 90er-Jahre Strukturrefor-en angepackt haben, weil sie sich nicht selbst über-chätzt und gedacht haben, das Wachstum werde ewigeitergehen, haben inzwischen einen Substanzaufbaueleistet, während wir unsere Substanz weiter verzehren.Die gesamtwirtschaftliche Sparquote in Deutsch-and von 1990 bis 2001 – auch diese Zahl habe ich mirerausgesucht – ist um 3,5 Prozent gesunken. In Finn-and ist sie um 11,5 Prozent und in Schweden um fastProzent gestiegen. Das heißt – wenn man es in einfa-hes Deutsch übersetzen möchte –, Deutschland lebt voneiner Substanz, weil es ihm früher gut ging. Andereauen neue Kapazitäten – auch in Richtung des Hu-ankapitals – auf. Der PISA-Schock hat nicht Finnlandreilt, sondern Deutschland. Nokia hat seinen Sitz ininnland und nicht in Deutschland.
Wo liegt jetzt unsere Zukunft? Wie bekommt man dientwicklung in den Griff, ohne eine exorbitante Ver-chuldung machen zu müssen und ohne eine neue gesell-chaftliche Spekulationsblase aufzubauen? Mitte der0er-Jahre haben viele Privatanleger an den Aktienmärk-n erlebt, was es heißt, wenn eine privatwirtschaftlichepekulationsblase zusammenbricht. Damals ging derert der Aktien steil bergab; da platzte die Blase der Newconomy. Inzwischen besteht gesamtgesellschaftlich
Metadaten/Kopzeile:
4880 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Antje Hermenauetwas Ähnliches: Die Überschätzung unserer Wachs-tumskräfte hat zu einer Art gesellschaftlichen Spekula-tionsblase geführt, weil wir alle dachten, wir könntenuns weiter neu verschulden und bekämen irgendwannein wunderbares Bruttoinlandsprodukt und wahnsinnigeZuwächse, sodass wir alles zurückzahlen könnten.Ich gehe nicht davon aus. Ich gehöre einer Partei an,die früher als sehr wachstumskritisch galt und inzwi-schen, wie ich finde, sehr realistische Wachstumspfadevorschlägt. Aber bei der Gegenseite höre ich eineWachstumsgläubigkeit heraus, die nicht gesund seinkann.Wenn man jetzt beides hinter sich lässt und sich überrealistische Wachstumspfade, und zwar über Jahre hin-weg, unterhält und das Ganze mit den Zielen abgleicht,die wir insgesamt in der Europäischen Union im Früh-jahr 2000 in Lissabon vereinbart haben, als es darumging, ganz Europa zu der dynamischsten und wettbe-werbsfähigsten Wirtschaftsregion der Welt zu machen,dann ist festzustellen: Wir müssen uns jetzt zügig ranhal-ten.Sie können – vielleicht zu Recht – mit Häme anmer-ken: Dieser Prozess hat bei Rot-Grün eine Weile gedau-ert.
Es fördert nicht gerade die Beliebtheit, wenn man keineZuwächse mehr verteilen kann, sondern wenn man imPrinzip ganz intelligent und auch ermutigend den Man-gel verwalten muss.
Diesen aber haben wir alle zusammen über Jahrzehntehinweg – jede Partei, jedes Bundesland, jede Kommuneund auch der Bund, egal wer regiert hat – aufgehäuft.Sie, Herr Rexrodt, waren einmal Wirtschaftsminister. Ichhabe das noch einmal nachgeschlagen: In den 90er-Jah-ren gab es mehrfach – 1994, 1995 und 1998 – eine Zin-seszinsfalle. Ganz so unschuldig, wie Sie gerade getanhaben, sind Sie also nicht, Herr Rexrodt; aber lassen wirdas.Mir geht es um Folgendes: Wie können wir den Über-gang von der Industriegesellschaft des 20. Jahrhundertsin die globalisierte Wissensgesellschaft des 21. Jahrhun-derts schaffen? Dabei sind die Haushalte die Steuerungs-instrumente. Deswegen sind die Strukturreformen indiesem Herbst so enorm wichtig.Seien wir ehrlich: Wenn wir es schaffen, die Bürger inöffentlichen Debatten davon zu überzeugen, dass dieStrukturreformen – ihnen stimmt nicht jeder in der Koa-lition mit freudigem Herzen zu, das wissen Sie und ichganz genau; Sie haben das mit Schmerzen beschrieben –unerlässlich sind, dann sollten auch Sie erkennen, dasswir die Zukunft gewinnen müssen.Ich erinnere daran, wie verquer Sie in der Debatteüber die Frage der Zuwanderung und bezüglich der Fa-milienpolitik – beide Bereiche hängen mit unseren de-mbWROwZlRvdhtDlwgvhAkwdsuoerdraaosEsdtidh„tsdm
Herr Austermann, Sie haben im April in einer Aktuel-en Stunde gesagt – ich habe das herausgesucht –, dieegierung fabuliere bislang nur über Reformen, es seiöllig ungewiss, ob sie sich gegen die Widerstände inen eigenen Reihen durchsetzen könne. Aber immerhinaben Sie die Agenda 2010 für einen Schritt in die rich-ige Richtung gehalten.Im Unterschied zum Frühjahr haben wir aufgrund derebatten der letzten Monate eine neue Geschäftsgrund-age. Die Koalition hat sich nämlich durchgerungen. Wirerden die Reformen umsetzen. Die Gesetzentwürfe lie-en auf dem Tisch. Im Haushaltsbegleitgesetz sind sehriele Vorschläge enthalten. Jetzt sind Sie am Zug. Wiraben nämlich den Spieß umgedreht, Herr Austermann.uch die CDU/CSU muss jetzt damit anfangen, die Zu-unft zu skizzieren, wenn sie unsere Skizzen ablehnenill. Als Haushälter wissen Sie ganz genau, dass Sie auser Debatte nicht herauskommen, wenn Sie nicht Vor-chläge vorlegen, die genauso viel Geld erbringen wiensere Vorschläge. Wir können uns gern über die eineder andere Sache unterhalten, aber in der Summe musss stimmen. Das ist Ihnen genauso klar wie allen ande-en.Ich kann Sie nur ermahnen: Dieser Herbst ist nichter Herbst der politischen Showeffekte. Jetzt geht es da-um, einen neuen Politikstil zu etablieren, der vielleichtuch mit den Herausforderungen des neuen Jahrhundertsngemessen verbunden werden kann. Die Gemeinwohl-rientierung ist nun einmal wichtiger als das parteipoliti-che Hickhack.Wir haben einen Finanzplanungsrat, in dem Herrichel und die Länderfinanzminister Empfehlungen aus-prechen können, wenn eine Landesregierung nicht iner Lage ist, das Defizit zu begrenzen. Eine solche Situa-ion gab es in den letzten zwei Jahren unter Herrn Kochn Hessen. Herr Koch in Hessen kümmerte sich einen ...arum.
Nachdem Herr Stoiber ihn richtig zusammengepfiffenat, war Herr Koch ein paar Wochen später der größteSparminator“ des Jahrhunderts. Ich frage mich da na-ürlich: Machen sie Sachpolitik oder Machtpolitik?
Herr Carstens, der Vorsitzende unseres Haushaltsaus-chusses, hat in der Debatte im März gesagt, dass seitenser Regierung, aber auch seitens der Opposition nochehr als bisher auf den Weg gebracht werden müsse. Ich
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4881
)
)
Antje Hermenaukann ihm nur beipflichten. Herr Carstens hat 1993 insehr verantwortlicher Position gewirkt, er hat 1997 mit-erlebt, wie Deutschland versucht hat, das Maastricht-Kriterium einzuhalten. Er hat 1993 an Waigels Konsoli-dierungsprogramm mitgearbeitet.Was stand vor über zehn Jahren im Konsolidierungs-programm Waigels? Da hieß es: Die zentrale finanzpo-litische Aufgabe in der derzeitigen Phase wirtschaftlicherRezession ist es, mit erneuten überzeugenden Konsoli-dierungsschritten die strukturellen Finanzierungsdefizitedes Bundes nachhaltig abzubauen und zugleich auf dennationalen und internationalen Finanzmärkten keinenZweifel aufkommen zu lassen, dass die BundesrepublikDeutschland in der Lage ist, die Herausforderungen ausder deutschen Einheit und der aktuellen Wirtschafts-schwäche mittelfristig zu bewältigen.Ich denke, zehn Jahre sind ein mittelfristiger Zeit-raum. Wir haben die Strukturkrise nicht wirklich bewäl-tigt; deswegen wurden wir von der Konjunktur so starkin die Knie gedrückt. Ich sagte bereits, dass Länder undBund nicht wesentlich mit dem Abbau des strukturellenDefizits vorangekommen sind. Ein Grund dafür liegt inder Konjunkturschwäche seit 2001.Nun liegen relevante Vorschläge auf dem Tisch. In ei-nem Zukunftsentwurf, wie wir, Rot-Grün, uns die Zu-kunft Deutschlands in der EU vorstellen, heißt es, Altesso zügig, wie es nur geht, abzuarbeiten – inzwischen ha-ben viele in der Bevölkerung begriffen, worum es geht –und Neues anzupacken. Dazu haben wir jede MengeVorschläge unterbreitet, zu denen Sie Stellung nehmenmüssen. Es ist nicht so, wie Herr Merz gesagt hat, dasswir es Ihnen zu leicht machen; vielmehr machen Sie essich selbst zu leicht.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Dietrich
Austermann, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es istheute bereits mehrfach darüber gesprochen worden, dasswir uns seit drei Jahren in einer Phase der Stagnation be-finden. Dabei wurde der Eindruck vermittelt, als habedie Politik, insbesondere die Bundespolitik, zu dieser Si-tuation überhaupt keine Ursache geliefert. Ich denke, dasmuss gründlich untersucht werden, um daraus Folgen fürkünftiges Verhalten ableiten zu können. Das ist genausowichtig bei der Frage, welche Programme man für dieZukunft entwickeln will. Wenn man sich nicht über dieUrsachen klar wird, wird man die Fehler, die in den letz-ten vier Jahren gemacht wurden, möglicherweise wie-derholen.Sehen wir uns die Situation einmal an. 1998 gab esin allen wesentlichen politischen Bereichen einen posi-tiven Trend – ich will die Vergangenheit nicht zu langebemühen und aufrollen –: Die Gemeinden hatten da-mals noch Überschüsse; auf dem Arbeitsmarkt ging dieAElwIPbgrwifmwDKZteblhhzbdbwId12rfbmmfngBDeuSwnHi
ie eine Kurve zeigt die Steuereinnahmen, die andereurve die festen Ausgaben wie Sozial-, Versorgungs-,ins- und Personalausgaben. Darin ist kein Cent für Ver-eidigung, für Familie, für Investitionen oder sonst etwasnthalten. Ab dem Jahre 2000 ist ein deutlicher Knickei den Steuereinnahmen und ein Anstieg bei den sozia-en Ausgaben zu sehen. Dieser zeigt, dass Sie eine Haus-altsänderung, eine Richtungsänderung eingeschlagenaben, die zu einer Aufblähung der konsumtiven, der so-ialen Ausgaben führte, und dass immer weniger Ausga-en für das bereitgestellt werden, was in der Zukunft vonen Menschen erwartet wird.Das haben Sie durch eine regelrechte Orgie an Steuer-elastungen und an Energiekostenbelastungen begleitet,as natürlich jeden Mut zu Investitionen genommen hat.ch kann das am Beispiel Ökosteuer und Energiepreiseeutlich machen: 1998 mussten wir für 1 Liter Sprit,50 DM bezahlen, heute müssen wir umgerechnet etwa,10 DM bis 2,20 DM bezahlen. Diese 60 Pfennig Diffe-enz treffen jeden Arbeitnehmer, der morgens zur Arbeitährt, jeden, der investiert, jeden, der sich als Spediteuretätigt usw.
Weil Sie gemerkt haben, dass das für die Arbeitneh-er fatal ist, haben Sie einen Teil davon den Arbeitneh-ern als Entfernungspauschale zurückgegeben. Jetztordern Sie uns auf, mit Ihnen zusammen die Entfer-ungspauschale zu streichen. Was bedeutet das im Er-ebnis? Sie kommen mit Konzepten, die eine zusätzlicheelastung für die Menschen darstellen, die zusätzlichenruck auf die Menschen ausüben, und sagen, das könnteine positive Perspektive sein, Sie hätten den Haushaltmstrukturiert. Nein, das ist es nicht. Das wiederholenie auch für das kommende Jahr, so wie wir es bei dem,as ersichtlich ist, erkennen können. Es sind nämlichur Rudimente eines Haushaltes erkennbar. Das ist keinaushalt, was vorgelegt worden ist. Ein Schweizer Käsest dagegen ein Betonklotz.
Metadaten/Kopzeile:
4882 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dietrich AustermannOder wie andere sagen: Sie legen Rührei vor und wirsollen nachträglich Spiegelei daraus machen. Das, wasHerr Eichel vorgelegt hat, kann kein Mensch als einenvernünftigen Ansatz bezeichnen, auf dessen Grundlageman seriös miteinander diskutieren kann.
Ich glaube, Sie sollten zunächst einmal die eigene Arbeitmachen.Das betrifft auch andere Dinge. Frau KolleginHermenau, Sie haben gesagt, ich hätte in der AktuellenStunde gesagt, wir hielten das, was der Bundeskanzlerim März als Agenda 2010 beschrieben habe, für einenbrauchbaren Ansatz. – Das ist richtig. Das haben wir da-mals, im April, noch so gesehen. Aber mittlerweile istaus der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozi-alhilfe ein bürokratisches Monstrum geworden. Jetztverlangen Sie den Ländern ab, mal eben 7 Umsatzsteuer-prozentpunkte an den Bund abzutreten, um das Ganzeauszugleichen. Man sehe sich auch die anderen Vor-schläge an, soweit sie überhaupt vorliegen.Die so genannte Agenda 2010 – Friedrich Merz sagtimmer, sie reiche gerade bis zum 20.10.; dann müsse et-was Neues vorgelegt werden – ist bis heute nicht als einfertiges, schlüssiges Konzept erkennbar, das den Wegaus der Krise, in der sich unser Land befindet, aufzeigenkann. Insofern kann man gar nicht Ja sagen. Zu nichtskann man keine Alternative entwickeln – und das, wasvorgelegt wurde, ist nichts.
– Ich werde detailliert etwas zu unseren Plänen sagen.Machen Sie sich darum keine Sorgen!Ich hätte eigentlich erwartet, dass sich der Bundes-finanzminister heute als Erstes beim deutschen Volk da-für entschuldigt, dass er es über drei Jahre lang durchfalsche Prognosen und falsche Zahlen in die Irre geführthat.
Heute hat er das erste Mal die Wahrheit gesagt –
Nettoneuverschuldung 70 bis 80 Milliarden –, weil esgar nicht anders geht und weil wir ihm die Zahlen vor-halten. In der letzten Woche klang das noch etwas an-ders. Vorletzte Woche hat er noch von 3,5 Prozent Defi-zit gesprochen.Der „Spiegel“ hat Recht. Er hat am 19. Mai diesesJahres getitelt: „Die Stunde der Wahrheit im Land derLügen“. Herr Eichel, Sie tragen einen erheblichen TeilVerantwortung für diesen Titel. Er ist gewissermaßen dieÜberschrift für Ihre Finanz- und Haushaltspolitik.Heute ist die Stunde der Wahrheit. Sie müssen endlichdamit aufhören, die Menschen darüber zu täuschen, wasSie machen und welche Wirkungen das entfaltet. Ich bindnegwAgDMhsJahndmubnusdtlSscEwIhkbmnevdgmvwmSs
enn es gibt so viele Sachverständige, die von Monat zuonat stärker gewarnt haben. Was wir zu diesem Haus-alt gesagt haben, gilt auf Punkt und Komma. Jeder un-er Redner hat Ihnen das vorgehalten. Es hat vor einemahr gegolten. Es hat vor der Bundestagswahl gegolten,ls die Menschen mit den Zahlen, die Sie vorgetragenaben, systematisch belogen worden sind.
Herr Eichel, Sie haben vorhin gesagt: Wir können esicht tun, ohne dass alle etwas merken. – Es mag ja sein,ass es so ist. Aber wenn alle etwas merken, dann nimmtan allen etwas weg. Wenn man allen etwas wegnimmtnd gleichzeitig eine Steuersenkung ankündigt, die einisschen ausgleicht, dann kann man sich davon dochicht versprechen, dass die Menschen mit großer Freudend großem Elan vor Weihnachten die Konsumtempeltürmen. Das täten sie vielleicht, wenn sie mehr Geld iner Hand hätten und sie sicher wären, dass es im nächs-en Jahr bergauf geht.Nein, Sie verfolgen das gleiche Prinzip wie bisher:inke Tasche, rechte Tasche. Auf der einen Seite hängenie eine Wurst ins Schaufenster und auf der anderen Seitetehlen Sie den Menschen den Schinken. Genau so ma-hen Sie es auch mit Ihrer vorgezogenen Steuerreform.
s ist an der Zeit, die Dinge so deutlich zu benennen,ie sie sind.Jetzt sage ich konkret etwas zu den Haushaltszahlen.n unserer Verfassung sind die Prinzipien von Haus-altsklarheit, Haushaltswahrheit, Haushaltsvollständig-eit und Wirtschaftlichkeit vorgeschrieben. Es gibt darü-er hinaus das Prinzip, dass man nicht mehr Schuldenachen darf, als man an Investitionen tätigt. Das hat ei-en Sinn: Schulden darfst du nur machen, wenn du wiein Häuserbauer dafür einen Wert schaffst.Herr Eichel, Sie haben für das nächste Jahr eine Neu-erschuldung veranschlagt, die 6 Milliarden Euro überen Investitionsausgaben liegt. Das heißt, Sie verstoßenegen die Verfassung. Wir haben mehrfach deutlich ge-acht, dass es dafür keine Ausnahmegründe gibt. Sieerstoßen aber auch gegen die Grundsätze der Haushalts-ahrheit und der Haushaltsklarheit, indem Sie Einnah-en veranschlagen, die mit Sicherheit nicht kommen.ie wissen, welche Haltung wir zur Entfernungspau-chale und zur Eigenheimzulage haben.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4883
)
)
Dietrich AustermannSie können in Ihrem Haushalt doch nicht davon aus-gehen, dass Sie das nötige Geld vom Bundesrat schongebilligt bekommen. Sie können das auch an anderenBeispielen sehen.
– Herr Poß, auf der Tribüne wurde der Präsident desBundesrechnungshofes begrüßt.
Der Bundesrechnungshof hat in diesem Jahr etwa fünf Be-richte vorgelegt, in denen massive Verstöße der Verwal-tung gegen die Sparsamkeit und den wirtschaftlichen Um-gang mit dem Geld in Deutschland festgestellt wurden.Herr Poß, der erste Vorschlag wäre,
dass Sie sich mit uns die Berichte des Rechnungshofesanschauen. Wiederholen Sie nicht ständig die alten Feh-ler, die Sie in der Vergangenheit gemacht haben!
In dem Haushaltsentwurf ist eine Reihe von Vorschlä-gen enthalten – –
– Passen Sie auf, ich bin jetzt bei Ihren Vorschlägen. – Indem Haushaltsentwurf des Finanzministers, den Sie wieimmer abnicken, ist eine Reihe von Vorschlägen enthal-ten, bei denen noch nicht einmal Ihre eigene Zustim-mung sichergestellt ist. Wie soll der Haushalt auf demKonzept für die Gemeindefinanzen aufgebaut werden,wenn dieses Konzept in Ihrer Koalition nicht Konsensist? Wie soll durch die Rentenreform, die noch nicht ein-mal als Gesetzentwurf in den Köpfen vorhanden ist, einNachlass bei den Rentenausgaben um 2 Milliarden Euroerreicht werden?Nein, Sie haben mit Ihrem Entwurf einen Haushaltaufgestellt, der nicht akzeptiert werden kann und der ge-gen die Verfassung verstößt. Sie werden uns nicht abver-langen können, dass wir sagen, dass auf der Basis dieserReform – –
– Herr Poß, Sie brauchen sich hier nicht als Brüllwurstdarzustellen. Das, was Sie vorhin hätten sagen können,haben Sie nicht gesagt und das, was gemacht werdenmuss, haben Sie nicht erkannt.
Sie müssen nicht versuchen, anderen, die die Dinge sobeschreiben, wie sie tatsächlich sind, ins Wort zu fallen.cNwkwWwwwdhdbHwdwvvDusVnDWwtiDRs
Herr Poß, im Übrigen haben Sie bei der Frage, wel-hes Land die meisten Schulden macht, Unrecht gehabt.icht weil jetzt die Wahlen in Bayern anstehen, sonderneil es den Fakten entspricht, will ich Ihnen das ganzonkret sagen.
Herr Kollege Poß, Sie haben sich vorhin mit einer be-
undernswerten Disziplin an Ihre Redezeit gehalten.
enn Sie die vorhin nicht vorgetragenen Bemerkungen
ährend der Reden von Kollegen vortragen wollen,
äre das nur begrenzt überzeugend.
Ich glaube, dass man einmal deutlich machen muss,ie die Situation bezüglich der Verschuldungspolitik inen einzelnen Bundesländern aussieht. Unsere Haus-altsgruppe war in Bayern – die Grünen waren auchort; das hat aber offensichtlich nicht zur Erleuchtungeigetragen – und hat festgestellt, dass der bayerischeaushalt eine Verschuldungsquote von 1 Prozent auf-eist, während der Bundeshaushalt nicht eine Verschul-ungsquote von 2, 3 oder 4, sondern von 16 Prozent auf-eist. Es ist also eindeutig falsch, den Bundesländernorzuwerfen, sie würden gegen die Maastricht-Kriterienerstoßen.
as gilt im Übrigen auch für das Land Hessen.Schauen Sie sich bitte einmal Nordrhein-Westfalennd andere Länder an. Welchem Land musste dennchon mehrfach bescheinigt werden, dass es gegen dieerfassung verstößt? Das war Hessen, als Hans Eicheloch Finanzminister war.
arauf muss Koch aufbauen. Jetzt ist es in Nordrhein-estfalen so, wo Steinbrück Finanzminister war. Des-egen muss man sagen: Versuchen Sie nicht, von deratsächlichen Situation abzulenken.Meine Damen und Herren, unser Land befindet sichn der stärksten Finanzkrise der Nachkriegszeit.
iese stärkste Finanzkrise der Nachkriegszeit wurde vonot-Grün verursacht – ich habe das nachgewiesen – undie wird von Rot-Grün nicht beherrscht.
Metadaten/Kopzeile:
4884 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dietrich AustermannIn den Reihen der Wirtschaft wird diese Finanzkrise sodefiniert – dies sagte der Vorstandsvorsitzende derLinde AG –, dass diese Regierung dabei ist, den Staats-bankrott für die nächste Generation zu organisieren.Ich will das an Zahlen deutlich machen. Wir hatten indiesem Jahr – –
– Dass die Leute bei diesem Thema lachen können,zeigt, dass sie das, was sie den Bürgern in der Zukunftzumuten, nicht ernst nehmen.
Auf der Regierungsbank wird bei der Frage gefeixt, obdiese Regierung dabei ist, den Staatsbankrott für dienächste Generation zu organisieren, wie es der Vor-standsvorsitzende der Linde AG gesagt hat.Ich will Ihnen das anhand konkreter Zahlen demons-trieren: Das gesamtstaatliche Defizit gemäß denMaastricht-Kriterien wird in diesem Jahr 90 MilliardenEuro, oder, in richtigem Geld ausgedrückt, etwa 180 Mil-liarden DM betragen.
– Ein altes Ding? Schauen Sie sich doch an, wie es sichentwickelt hat. 1998 lagen wir nicht einmal bei einemDrittel dieses gesamtstaatlichen Defizits. Jetzt liegen wir– gemessen anhand der Maastricht-Kriterien – bei 90 Mil-liarden Euro. Dieser Betrag wurde auch mit den Schul-den, die allein in diesem Jahr gemacht werden, ange-häuft.Man muss davon ausgehen, dass sich das gesamt-staatliche Defizit – gemessen anhand der Maastricht-Kriterien – im nächsten Jahr um 10 Milliarden Euroerhöhen, das heißt, sich in Richtung 95 bis 100 Milliar-den Euro bewegen wird. Sie können feststellen, dass inden letzten drei Jahren das Defizit jedes Jahr um etwa10 Milliarden höher war. Die Entwicklung zeigt alsoganz klar in eine dramatische Richtung. Diese Entwick-lung können Sie auch nicht dadurch beherrschen, dassSie immer mehr Schulden machen, um die Hauptkrise,nämlich die Zunahme der Arbeitslosigkeit und das Weg-brechen der Steuereinnahmen, aufzufangen. Dies ist mitzusätzlichen Schulden nicht möglich. Aber dies ist IhreAntwort.Ich sage Ihnen ganz klar: Bei dem, was Sie bishervorgelegt haben, diesem Schweizer Haushaltskäse, istdie finanzielle Basis für das, was Sie Agenda 2010 nen-nen, eindeutig weggebrochen. Wie unzuverlässig Sie alsVertrags- und Verhandlungspartner sind, können Sie da-ran erkennen, dass Herr Eichel noch im Mai dieses Jah-res – er hat es wie immer etwas später gemerkt, er ist ge-wissermaßen die Regierungsschnecke – erklärte: Dienächste Stufe der Steuerreform vorzuziehen kommtüberhaupt nicht infrage. Diese Forderung ist abwegig.Schröder hat dies noch am 14. März abgelehnt. – Heutewill man uns dafür beschimpfen, dass wir nicht dabeihrmaNgSPtSzPggFdstFhWuddOnd–nsUwNs–adehM
Herr Schmidt, dafür brauche ich keinen Zettel, dafürehme ich die Rückseite. Was auf diesem kleinen Zettelteht, ist Ihre Politik.
nsere Politik ist ganz eindeutig. Dieser Haushaltsent-urf ist unbrauchbar. Sie müssen für das Jahr 2003 einenachtragshaushalt vorlegen. Sie müssen einen Kassen-turz machen.
Es gehört doch mit dazu, dass ich auf der Basis der Re-lität Haushaltspolitik mache und in diesem Jahr mitem Sparen anfange. Ein Kassensturz muss gemacht,ine Haushaltssperre verhängt und ein Nachtrags-aushalt vorgelegt werden. Das ist der erste Vorschlag.erken Sie es sich.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4885
)
)
Dietrich Austermann– Natürlich ist das ein Vorschlag. Herr Eichel lehnt ihnaber ab. Schon im Mai hätte er eine Haushaltssperre ver-hängen können. Damit hätte man viele Milliarden ge-spart.Unser zweiter Vorschlag ist: Sie müssen erst einmalmit dem Sparen anfangen.
– Wieso „heiße Luft“? Mit diesen Vorschlägen könnenSie mindestens 4 Milliarden Euro im Verwaltungsvoll-zug sparen.
Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass in der Ver-waltung bisher die Rückseite von Blättern beschriebenund Bleistifte angespitzt werden. Die Regierung nimmtbei der Öffentlichkeitsarbeit sogar noch einen kräftigenSchluck aus der Pulle. Die Ausgaben hierfür werden imnächsten Jahr steigen. Das Motto lautet wohl: Jeschlechter die Regierung, umso mehr muss für Öffent-lichkeitsarbeit ausgegeben werden. Dort können Sie zigMillionen sparen.
Sie können auch dadurch sparen, dass Sie eine ver-lässliche Politik machen und mit der Bekämpfung desUmsatzsteuerbetruges endlich anfangen. Das, was derRechnungshof vor etwa 14 Tagen festgestellt hat, HerrEichel, ist den Eingeweihten, den Mitarbeitern in IhremHause seit langem bekannt. Ich meine diese Karussellge-schäfte in Form von Verschieben der Vorsteuern. Wir ha-ben hier seit langem Änderungen gefordert. Die Länder-finanzminister sprechen bei der Bekämpfung diesesUmsatzsteuerbetrugs von einem Einsparpotenzial – HerrPoß, hören Sie gut zu – von 20 Milliarden Euro. Andiese Sache muss man allerdings herangehen. Es reichtnicht, nur ein paar kleinere Korrekturen vorzunehmen.
– Nein, dazu liegt doch von Ihnen gar kein Vorschlagvor. Die Regel im Parlament ist: Die Regierung machtVorschläge und die Opposition macht die Alternativendeutlich.
Aber wenn nichts auf dem Tisch liegt, können wir keineAlternative entwickeln.Sie müssen ganz konkret die Entscheidung treffen,dass Sie nicht – ich habe das anhand der Grafik gezeigt –ständig die Sozialausgaben ausweiten. Mit Ihrem Kon-zept zum Arbeitslosengeld II werden zunächst einmal800 000 bis 1 Million Sozialhilfeempfänger Arbeitslo-sengeld II beziehen. Das heißt, sie bekommen eine hö-here Leistung. Anstatt das Lohnabstandsgebot zu be-achten, schöpfen Sie auch hier aus der falschen Quelle.Wir sind der Meinung, dass man bei der aktiven Ar-beitsmarktpolitik, die in einer Weise ausgeufert ist, diebMstigBwDsmeDkbhdWzeJfmuwveMzgvdqUkDebbmS
Für solch stümperhafte Steuerkonzepte, wie Sie sieaben, werden wir keine Vorschläge machen.Das entscheidende Thema im Zusammenhang miter Finanz- und Haushaltspolitik, dem wirtschaftlichenachstum und dem Arbeitsmarkt ist Folgendes: Es gibturzeit kein Vertrauen der Bürger in diesem Land inine verlässliche Regierungsarbeit.
eder von uns stellt bei seinen Besuchen in Betriebenest, dass der eine oder andere jetzt eigentlich investierenüsste und investieren könnte. Die Unternehmer sagenns aber alle übereinstimmend: Solange so gewursteltird und solange ich nicht weiß, welches Gesetz, dasielleicht noch heute gilt, aber morgen eine Veränderungrfährt, mich trifft, investiere ich nicht. Solange für dieenschen kein klarer Regierungskurs erkennbar ist, derurzeit nicht da ist – das Schädlichste an der gegenwärti-en Situation ist der Missbrauch des Vertrauens der Be-ölkerung –, konsumieren sie nicht, sondern sie haltenas Geld zurück. Wir haben zurzeit die höchste Spar-uote aller Zeiten.
nter dieser Regierung und diesen Rahmenbedingungenonsumieren die Leute nicht.eshalb ist unsere wichtigste Forderung: Betreiben Sieine verlässliche und vertrauenswürdige Politik. Dannekommen Sie auch mehr Investitionen und mehr Ar-eitsplätze. Dann bekommen Sie auch unsere Zustim-ung.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Walter Schöler,PD-Fraktion.
Metadaten/Kopzeile:
4886 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Daswaren also die „knallharten Sparvorschläge“, mit denendie Union jetzt aus der Deckung kommen wollte. Das istder Originalton vom Kollegen Dietrich Austermann inder „Welt am Sonntag“ vom 31. August.
Ich war im Übrigen noch hoffnungsvoll, als ich zu un-serer Klausur fuhr, dass Sie sich nicht wie in den letztenJahren verweigern, sondern wirklich mit eigenen Vor-schlägen aufwarten werden. Aber als ich dann nach IhrerKlausur Ihre Presseverlautbarung am 5. September las– viel Text, wenig Inhalt –, da zerbarst Ihre Ankündi-gung als Fata Morgana, weil sie nur aus heißer Luft be-stand, wie Ihre Rede gerade auch, in der Sie überhauptkeinen Vorschlag gebracht haben.
Ich habe die Befürchtung, auch nach dieser Rede wirdder Ruf in das Schattenkabinett Ihres Kollegen PeterHarry Carstensen aus Schleswig-Holstein problematischsein. Kollege Austermann wird uns sicherlich noch biszum Ende dieser Legislaturperiode erhalten bleiben. Wirwerden damit leben können.
Die sich nun in das dritte Jahr hinziehende Sta-gnation belastet alle öffentlichen Haushalte auf der Ein-nahmen- und der Ausgabenseite mit noch nicht erlebterWucht. Um die Größenordnung des Problems einmal zuverdeutlichen: Das Bruttoinlandsprodukt liegt um 80 bis100 Milliarden Euro niedriger, als wenn wir ein mittel-fristiges durchschnittliches Wachstum von jährlich1,5 Prozent gehabt hätten. Die dadurch klaffende Lückeist, abgesehen von den Kosten der Wiedervereinigung,die größte Herausforderung, vor der die Finanzpolitik jegestanden hat. Dieser Herausforderung wollen wir unsmit dem Bundeshaushalt 2004 und dem Gesamtpaket derReformgesetze der Agenda 2010 annehmen und wirwollen dieses Problem meistern.
Der Bundeshaushalt ist Teil eines Modernisierungs-programms, das auf die Förderung von Wirtschafts-wachstum und Beschäftigung zielt, ein Dreiklang, wie esder Finanzminister hier darstellte, von Strukturreformen,Haushaltskonsolidierung – –
– Sorg du einmal dafür, dass der Eurofighter so ausge-stattet wird, dass wir ihn auch einsetzen können, wennder Ernstfall eintreten sollte! Ich habe in diesem Zusam-menhang große Befürchtungen. Das ist auch ein Finanz-problem, das ihr uns in den Jahren, in denen ihr regierthabt, ins Nest gelegt habt. Davon wollt ihr heute nichtsmehr wissen.
tgSbDweesDsaRmRbewrhbhnknStwIdtMtlEHfhddWTdhn
ie Stärkung von Wachstum und Beschäftigung mussieder mehr Menschen in Lohn und Brot bringen.Wir sind die Probleme angegangen. Wenn sich jemandntschuldigen müsste, wie es der Kollege Austermannben verlangt hat, dann müssten das diejenigen aus derchwarz-gelben Regierungszeit sein, die uns 1998 einesaster hinterlassen haben.
Das Angehen der Probleme, die vor uns liegen, ist mitchmerzhaften Einschnitten verbunden. Das wissen wirlle. Es funktioniert auch nicht wie in einer chemischeneinigung nach dem Motto „Heute gebracht, morgen ge-acht“. Wir wissen doch alle, dass die Wirkung voneformgesetzen – ob Hartz I, II, III oder IV – ihre Zeitraucht. Das beweisen auch Entwicklungen in anderenuropäischen Staaten, über die heute schon gesprochenorden ist und die seinerzeit, als die damalige Regie-ung versagt hat, rechtzeitig ihre Reformen begonnenaben. Das hat in manchen Fällen einige Jahre ge-raucht.Ich weiß, dass in Deutschland eine große Ungedulderrscht. Das ist auch verständlich. Aber dass Sie Maß-ahmen schon zerreden, bevor sie in das Gesetzblattommen und Wirkung entfalten können, ist nicht in Ord-ung. Das aber ist Ihre Politik: Sie schaffen Verwirrung.ie schaffen kein Vertrauen; Sie wollen vielmehr Miss-rauen schüren. Das ist Ihr kurzsichtiges Ziel.
Wir können mit der Konsolidierung nicht warten, bisir wieder ein ordentliches Wachstum erreicht haben.m Jahr 2003 wird – das ist bereits dargestellt worden –ie Neuverschuldung des Bundes durch die konjunk-urell bedingten Steuermindereinnahmen wie auch durchehrbelastungen am Arbeitsmarkt mit einem Nach-ragshaushalt, den wir im Dezember beraten und sicher-ich auch verabschieden werden, auf rund 38 Milliardenuro steigen. Dieses Niveau verlassen wir mit demaushalt 2004 schleunigst wieder.Was die Konsolidierung angeht, erfüllen wir den Ver-assungsgrundsatz aus Art. 115 Grundgesetz – zu demeute die seltsamsten Interpretationen aus den Reihener Union vorgetragen worden sind – und zugleich auchas Maastricht-Kriterium. Daran führt kein Weg vorbei.ir sichern die Handlungsfähigkeit des Staates über denag hinaus.
Sehr interessant ist – man höre und staune –, dass esafür auch einen neuen Kronzeugen gibt, nämlich denessischen Ministerpräsidenten Koch. In den vergange-en Jahren ist er sehr exzessiv in die Verschuldung ge-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4887
)
)
Walter Schölergangen und hat nun dafür seine Quittung bekommen. Erist von den Ratingagenturen heruntergestuft worden; dasTriple A ist futsch. Das hat ihm wohl einen gehörigenSchrecken eingejagt. Denn der Verlust der Bonität isteine äußerst schlechte Empfehlung für einen Kanzler-kandidaten in spe. Nun reiße er das Ruder herum, be-hauptet er: Er will brutalstmöglich sparen. Der brutalst-mögliche Aufklärer mutiert jetzt zum brutalstmöglichenSparer. Festzuhalten ist in jedem Fall: Hessen hat mitKoch sein Triple A verloren. Die Bonität des Bundessteht hingegen außer Frage. Der Bund mit Finanzminis-ter Eichel hat sein Triple A.Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, die Regierungskoalition im Bund betreibt seitJahren Konsolidierung mit Nachdruck, aber auch mitAugenmaß. Indikator dafür ist die Entwicklung bei denAusgaben; denn die bereinigten Ausgaben liegen imEntwurf 2004 rund 8,6 Milliarden Euro oder 4 Prozentniedriger als 1998, dem letzten Jahr von Schwarz-Gelb.Das Bruttoinlandsprodukt ist hingegen im gleichenZeitraum um 15 Prozent gewachsen.Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandspro-dukt betrug 1998 unter Kohl und Waigel noch 12,2 Pro-zent. Wir haben ihn über die Jahre bis zu dem Entwurf2004 auf 9,8 Prozent zurückgeführt. Das heißt, wir ha-ben auf der Ausgabenseite schon gewaltig konsolidiert.Insofern ist unser Konzept, das sich auf dem schma-len Grat zwischen dem Konsolidierungserfordernis undder unstreitig existierenden Gefahr kontraktiver Effektebewegt, ausgewogen. Aber das Konzept entlastet denBund schon 2004 mit rund 14 Milliarden Euro. Es ent-lastet aber auch – das ist genauso wichtig – die Länderund Gemeinden 2004 um 9,1 Milliarden Euro, anstei-gend auf 11,6 Milliarden Euro bis zum Jahre 2007.Mit dem Haushaltsstabilisierungskonzept wird derZuwachs der Sozialausgaben gebremst und es werdenSubventionen abgebaut. Glauben Sie mir, wir bemühenuns, die notwendigen Belastungen sozial gerecht aufviele Schultern zu verteilen. Das fällt uns auch nichtleicht; wir machen das schweren Herzens. Das Erforder-nis einer Konsolidierung ließ uns aber keine andereWahl. Dazu gehören auch die hier schon erwähnten4 Milliarden Euro im Bereich des Arbeitsmarktes unddie 2 Milliarden Euro jährlich als Zuschuss an die Ren-tenkassen. Kürzungen beim Weihnachtsgeld und Strei-chungen beim Urlaubsgeld für Beamte, Richter undSoldaten gehören ebenso dazu wie der Abbau von Sub-ventionen in dreistelliger Millionenhöhe. Wir bitten alleGruppen, die davon betroffen sind und die ihren Anteil– gerecht verteilt – erbringen müssen, dafür um Ver-ständnis, dass wir handeln müssen.Auf der Einnahmenseite werden Steuervergünstigun-gen abgebaut oder gekürzt – ich nenne noch einmal dieEigenheimzulage und die Entfernungspauschale.Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit werden ver-stärkt bekämpft. Das sind doch Handlungsfelder, die dieOppositionsfraktionen während ihrer Regierungszeitüber Jahre sträflich vernachlässigt haben. Wir ändern dasjetzt mit unserem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämp-fvwUtrbKdvkWrhDAVdsdWdwHIwdltüZsSgshWdKsABWusb
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden die Kon-olidierung durch schon umgesetzte Gesetze, aber auchurch ein Paket von Maßnahmen, das in den nächstenochen vor Verabschiedung des Haushaltes beraten undie zweite und dritte Lesung hier im Parlament erreichenird, begleiten. Die Konsolidierung der öffentlichenaushalte ist nur durch Strukturreformen zu schaffen.ch nenne hier die moderne Arbeitsmarktverfassung, dieir vorgesehen haben. Auch die Gesundheitsreform, aufie wir uns verständigt haben und die heute einvernehm-ich – zumindest was die Koalitions- und die Unionsfrak-ionen betrifft – eingebracht wird, gehört dazu.Ich will noch auf Folgendes hinweisen. Ich bin davonberzeugt: Wir dürfen nicht in den Fehler verfallen, inukunft weiter das von manchen Sozialpolitikern ange-trebte Ziel einer verstärkten Steuerfinanzierung derysteme der sozialen Sicherung auf Kiel zu legen. Eseht nicht so weiter. Wir werden auf Dauer – das zeigtich bei den Renten – von diesem hohen Zuschusserunterkommen müssen.
ir können deshalb aus keinem Grunde auch noch an-ere Systeme, zum Beispiel gerade das System derrankenversicherung, auf Dauer durch Schulden, ge-chweige denn durch Staatsschulden finanzieren.
uch da sind Sie aufgefordert, mitzuarbeiten. – Gut,artl, machen wir das. Wir werden ja die Debatte erleben.Wir brauchen also keine Finanzierung aus Schulden.ir brauchen keine Verlagerung der Finanzprobleme innsolide Lösungen. Wir brauchen eine umfassende Kon-olidierung der Sozialversicherungssysteme. Daran ar-eiten wir.
Metadaten/Kopzeile:
4888 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Walter SchölerDas gilt auch für die Vorschläge zur weiteren Reform inder Rentenversicherung im Sinne der Generationenge-rechtigkeit, die gewährleistet sein muss.Sie sehen also, meine Damen und Herren, liebe Kol-leginnen und Kollegen: Wir haben ein Konsolidierungs-konzept. Die Opposition hingegen steht völlig blank da.
Außer leeren Ankündigungen – wir haben es eben wie-der erlebt – ist nichts zu bieten. Herr Austermann wolltebis zu 4 Milliarden Euro einsparen. Das sollte dann einknallharter Vorschlag sein. Der Vorschlag ist nicht ge-kommen, es war heute nichts davon zu hören.
Wir hingegen haben ein Paket von 14 Milliarden Euro inden Haushalt eingearbeitet. 14 bei uns, 4 bei Ihnen – dasist ein ganz eindeutiges Ergebnis.
Das ist die Wahrheit, von der der Kollege Austermanneben gesprochen hat.
Sie fordern gleichzeitig, die Neuverschuldung zusenken. Wie soll das denn zusammenpassen? Bei Ihnenwäre eine Neuverschuldung doch – nach Adam Riese –eine um 10 Milliarden Euro höhere Zusatzverschuldung.Damit lägen wir dann schon beim Basishaushalt – ohnedas Vorziehen der Steuerreform, das wir beschließen –über der Verfassungsgrenze.
Ohne das Vorziehen der letzten Steuerentlastungsstufeläge die Neuverschuldung im Haushalt 2004 unterhalbder Verfassungsgrenze. Aber Sie, die Sie schon unterKohl und Waigel in sehr fahrlässiger Weise auf Pumpgelebt und den Staat aus den Sozialkassen finanziert ha-ben, wollen jetzt das Schuldengebirge erhöhen, das Sieseinerzeit aufgebaut haben. Eine solch unsolide Politikmachen wir nicht mit.
Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Siesind unsolide und wir konsolidieren.
Im laufenden Haushalt 2003 wird die Neuverschul-dung das Volumen der Investitionsausgaben wegen desVorziehens der dritten Stufe der Steuerreform deutlichübersteigen. Das ist verfassungsgemäß, da das gesamt-wirtschaftliche Gleichgewicht angesichts eines viel zugeringen Wachstums bzw. von Stagnation sowie ange-sichts einer viel zu hohen Arbeitslosigkeit ganz offen-sichtlich gestört ist. Das bekämpfen wir mit unserenMaßnahmen, unter anderem durch das Schaffen von In-vestitionsanreizen und das Vorziehen der dritten StufedvuddwuDAsdesnkhwADmthdzDdiDdbPenwZgGDfnsctSStndDg
Die Überschreitung der Defizitgrenze im Jahr 2003at konjunkturelle Effekte, die nicht kompensierbar sind,ollten wir die Konjunktur nicht vollends abwürgen.ber das wollen Sie offensichtlich tun. Wir können dasefizit nur durch die von uns geplanten Strukturrefor-en zurückführen. Brüssel hat uns ausdrücklich bestä-igt, dass wir hier den richtigen Weg beschreiten. Des-alb wird von dort letztlich keine Rechnung kommen,as heißt, es droht kein Ungemach in Form von Straf-ahlungen.Wir sind beim Bundeshaushalt 2004 von der knappenefizitgrenze von 3 Prozent ausgegangen. Wir haltenieses Ziel nach wie vor für erreichbar, auch wenn sichn den letzten Tagen – das gilt ebenfalls für die heutigeebatte – mehr oder weniger ausgewiesene Sachverstän-ige mit höheren Schätzungen geradezu überboten ha-en. Kollege Austermann spricht inzwischen von über 4rozent. Das ist zumindest seiner Presseerklärung zuntnehmen. Aber wir wissen ja, was wir von den Prog-osen des Kollegen Austermann zu halten haben. Siearen in der Vergangenheit falsch und werden es auch inukunft sein.
Ich meine, dass es durchaus Grund für Optimismusibt. Die Konjunktursignale stehen zwar noch nicht aufrün, können aber bald von Gelb auf Grün umspringen.ie binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sindür den weiteren Konjunkturverlauf günstig. Finanzmi-ister Eichel hat dies eben in seiner Rede noch einmalehr eingehend nachgewiesen.Entscheidend wird aber neben der weltwirtschaftli-hen Entwicklung sein, Bürgern und Unternehmern Ver-rauen in die zukünftige Entwicklung zu geben. Das, wasie heute gesagt haben, bewirkt das genaue Gegenteil.ie schüren Misstrauen. Wir alle brauchen aber Ver-rauen. Sie sollten nicht so tun, als ob die Oppositionicht genauso auf das Vertrauen der Bevölkerung inie Parteien angewiesen wäre wie wir in der Regierung.as ist nun einmal unabdingbar. Wir haben noch einanzes Paket an Lasten zu tragen, bis wir das Vertrauen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4889
)
)
Walter Schölerder Bevölkerung wiederhergestellt haben. Wir wollen esdurch unsere Politik und auch mit dem Haushalt 2004fördern. Wir werden das in den Beratungen über die Ein-zelpläne – dafür haben wir bis Mitte November noch ei-nige Wochen Zeit – hinreichend belegen. Das Vertrauender Menschen in die Zukunft – davon bin ich fest über-zeugt – wird sich mit der Realisierung unserer Reform-politik wieder festigen. Wenn Vertrauen vorhanden ist,wird die aufgestaute Nachfrage sehr schnell wirksamwerden. Sie können davon ausgehen, dass die Binnen-konjunktur anspringen wird. Dafür werden unsere Mo-dernisierungspolitik und insbesondere unsere ReformenImpulse geben.Die Opposition behauptet, der Bundeshaushalt 2004enthalte Risiken. Sie versteigt sich dabei in abenteuerli-che Größenordnungen.
Herr Austermann konnte noch nie rechnen; er hat mitseiner Schwarzmalerei immer völlig danebengelegen.
Kollege Austermann, immer wenn Sie sich korrigierenmussten – das war beim letzten und auch beim vorletztenHaushalt so –, dann war das Ihre Stunde der Wahrheit.Richtig ist aber natürlich – das wollen wir gar nichtverschweigen; so ist das nun einmal –: Es gibt Risiken.Es gibt in diesem Lande keinen Propheten, der Konjunk-turentwicklungen zuverlässig voraussagen kann. Leiderhaben auch wir noch keine Methode für zuverlässige Vo-raussagen erfunden. Deshalb muss immer wieder nach-gesteuert werden.Das war auch zu Zeiten Ihrer Regierung nicht anders;auch da ist nachgesteuert worden. Ich erinnere mich andie von Ihnen immer wieder beschriebene goldene Zeitder 80er-Jahre unter Stoltenberg, als Steuern gesenktworden sind. Aber um welchen Preis? Der Preis war eineabsolute Erhöhung der Staatsverschuldung, und zwar zueinem Zeitpunkt, als überhaupt noch niemand von derdeutschen Einheit geredet hat.
Sie – kein anderer – haben die Staatsverschuldung indieser Höhe zu verantworten. Davon wollen Sie immerwieder ablenken.
Im Übrigen hat im Frühjahr die Konjunktur- undSteuerschätzung stattgefunden. Im Herbst wird dieseSchätzung wieder durchgeführt. Wenn es notwendig seinwird, dann werden wir wieder nachsteuern. Richtig istauch, dass im Haushalt einige Schätzansätze enthaltensind, für die es keine absolut sichere Berechnungsbasisgibt, zum Beispiel bei der „Brücke zur Steuerehrlich-keit“, für die es acht gute Gründe gibt, wie das „Handels-blatt“ geschrieben hat. Alle Sachverständigen erwarten,düdlitshzrhUK1gtSHzweedaSahdwStsub
önnen Sie außerdem bestätigen, dass in den Jahren von
986 bis 1989 die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland
leichzeitig um 3,5 Millionen gestiegen ist?
Wir können uns über verschüttete Milch so lange un-erhalten, wie wir wollen.
Fakt ist natürlich: Die Regierung Schmidt hat damalschulden in Höhe von 300 Milliarden DM hinterlassen.err Merz hat heute im Zusammenhang mit der Finan-ierung der deutschen Einheit über Drittelung – Stich-ort Portokasse – gesprochen: ein Drittel über Schulden,in Drittel über Mittel der Sozialversicherungssysteme,in Drittel über Steuern usw. Auch wenn man die Kostener deutschen Einheit berücksichtigt: Sie haben zu ver-ntworten, dass in den 16 Jahren Ihrer Regierung dietaatsverschuldung und die Belastung der Bürger einebsolute Rekordhöhe erreicht haben. Daran gibt es über-aupt nichts zu deuteln. Es nützt nichts, wenn Sie durchiese Zwischenfrage ablenken und sich rechtfertigenollen. Wir können das anhand der Jahresdaten in dertatistik überprüfen.
Kollege Kalb, auch nach den Reden Ihres stellvertre-enden Fraktionsvorsitzenden und Ihres haushaltspoliti-chen Sprechers Dietrich Austermann ist das Problemnverändert; Sie haben keine Vorschläge gemacht. Esleibt dabei: Das größte Risiko für den Haushalt sind
Metadaten/Kopzeile:
4890 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Walter SchölerSie, die Neinsager, die Hü-und-hott-Sager von der Op-position.
Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat – wir ken-nen sie – sind, wie sie sind; wir werden damit leben müs-sen. Aber Sie haben eine Verantwortung, wenn nicht indiesem Parlament, wo Sie in der Minderheit sind, sodoch im Bundesrat, wo Sie die Mehrheit haben. DieserVerantwortung werden Sie gerecht werden müssen. Siemüssen Ihre Vielzüngigkeit und Ihre Konzeptlosigkeitbeenden. Sie veranstalten – leider Gottes, wie ich sagenmuss – ein Machtgerangel um eine chancenlose Kanzler-kandidatur für 2006. Egal wer Ihr Kandidat wird: DiesePerson wird in diesem Machtgerangel untergehen.Sie können sich nicht erlauben, Ihre bisherige Hal-tung beizubehalten. Ich glaube, auch die Bevölkerungnähme Ihnen das nicht ab. Sie können sich auch nicht er-lauben, wie im Frühjahr noch einmal Nein zu sagen. Siehaben im Frühjahr zum Steuervergünstigungsabbauge-setz Nein gesagt, wodurch den Gemeinden 6 MilliardenEuro – Geld, das sie dringend brauchen – vorenthaltenwurden.
Ich kann Sie von der Opposition nur auffordern: Tra-gen Sie unsere Politik zur Schaffung von Wachstum undBeschäftigung bei Wahrung sozialer Gerechtigkeit mit!
Stimmen Sie unseren Gesetzentwürfen und auch demHaushaltsentwurf 2004 zu!
Nun hat der Kollege Dr. Hermann Otto Solms, FDP-
Fraktion, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Ich habe nur wenige Minuten undwill deswegen auch nur ganz wenige Bemerkungen ma-chen.Das verloren gegangene Vertrauen – Sie erkennenselbst an, dass es verloren gegangen ist – ist nur durcheine Verbesserung der Fakten zurückzugewinnen. DasSchattenboxen hier im Parlament wird Ihnen dabei nichthelfen. Auch die Versuche, die Opposition in die Verant-wortung zu ziehen, werden Ihnen nicht helfen. Das Ver-trauen werden Sie nur zurückgewinnen, wenn Sie alsEndergebnis nachhaltige Verbesserungen auf dem Ar-beitsmarkt erreichen.
IimrtpuIdgdzgDE1ArSMBzBBngkubSwrwEaPg
ie nicht bereit ist, die notwendigen Schritte mitzugehen.
Ich will mich auf die Steuer- und Finanzpolitik kon-entrieren. Mir liegt hier eine Liste der Steuerbelastun-en und der Steuerentlastungen von 1999 bis heute vor.anach kommen wir im Saldo – ich will das nicht iminzelnen vortragen – zu einer Mehrbelastung von rund5 Milliarden Euro.
ber darin sind schon die Entlastungen durch die Steuer-eform insgesamt enthalten, obwohl die zweite und drittetufe noch gar nicht in Kraft getreten sind. Das heißt: Imoment haben wir es mit einer Steuermehrbelastung derürger von 30 bis 40 Milliarden Euro gegenüber damalsu tun. Deswegen ist das verfügbare Einkommen derürger ganz stark zurückgegangen.
Wie kommen Sie eigentlich zu der Überzeugung, dieürger würden jetzt den zurückgestauten Verbrauchachholen und einen Boom auslösen? Das können siear nicht, weil sie das Geld dafür nicht haben. Dazuommen noch die gestiegenen Beiträge zur Kranken-nd Rentenversicherung. Das ist dabei noch gar nichterücksichtigt.
ie werden die Bürger nur zum Verbrauch ermutigen,enn sie bei den Beiträgen zu den gesetzlichen Siche-ungssystemen und bei den Steuern konkret entlasteterden. Beides erreichen Sie trotz Steuerreform nicht.
Jetzt komme ich zum Subventionsabbau. Herrichel, ich stimme Ihnen zu: Man muss natürlich überlle diese Punkte reden. Man kann auch über alle dieseunkte reden. Aber Sie können die steuerlichen Ver-ünstigungen nur im Zusammenhang mit einer insge-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4891
)
)
Dr. Hermann Otto Solmssamt durchgreifenden Steuerreform und Steuerentlas-tung abbauen.
Wenn Sie die Steuerbelastung so hoch lassen undgleichzeitig die Vergünstigungen abbauen, dann werdenSie natürlich ökonomischen Schaden anrichten. WennSie die Eigenheimzulage jetzt unabhängig von einerbreiteren Steuerentlastung abbauen, dann wird sich dasauf dem Wohnungsmarkt niederschlagen,
der gegenwärtig ohnehin der schwächste Teil unsererWirtschaft ist.
Das müssen Sie im Auge haben, nicht deshalb, weil ichdas sage, sondern deshalb, weil das faktisch so ist. Des-wegen kann man so, wie Sie es tun, nicht vorgehen. Manmuss die Dinge im Zusammenhang sehen. Die Steuernmüssen gesenkt, die Vorschriften und die Bürokratiemüssen abgebaut und die Systeme der sozialen Siche-rung müssen in sich reformiert werden, sodass sie nach-haltig wieder tragfähig sind.Bei Ihnen von den Grünen denken viele ähnlich, nurhandeln Sie nicht entsprechend. Deswegen verlierenauch Sie an Glaubwürdigkeit, wenn Sie diese unent-schlossene, mutlose Politik weiter betreiben, obwohl dieökonomisch denkenden Kräfte in Ihren Reihen wissen,was die Stunde geschlagen hat und was Sie tun müssten.Ich will abschließend nur noch Folgendes anmerken:Herr Eichel, wenn das Ihre erste Haushaltseinbringungs-rede gewesen wäre, hätte ich gesagt: Respekt; Sie habendie Probleme erkannt. Da das aber Ihre fünfte gewesenist, haben Sie Ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Die Leutewissen: Er hat das jedes Jahr gesagt, aber es ist nicht sogemacht worden.Jetzt ist die Zeit zu handeln. Die Regierung muss han-deln oder sie wird abgelöst werden. So ist das Gesetz derDemokratie. Ihre Vorschläge, so wie sie jetzt auf demTisch liegen, sind absolut unzureichend – in allen De-tails.
Ich erteile das Wort der Kollegin Anja Hajduk,
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichmöchte anfänglich kurz etwas zum Haushalt 2004, überden wir hier heute sprechen, skizzieren. Den Entwurf desHaushaltsplans für das Jahr 2004, der insgesamt circa250 Milliarden Euro umfasst, kann man grob in sechsTeile zerlegen: 101 Milliarden für die Alterssicherung,3gSsIdaddg–Z6Tblaktnawggakdswnsvseiti3Sultrw11Jd0df
An der Stelle gebe ich angesichts der heutigen Dis-ussionen übrigens gerne zu, dass wir mit dem Nachhal-igkeitsfaktor bei der Rente etwas einführen, was zwaricht identisch, aber in der Zielrichtung in einer durch-us ähnlichen Form schon von Ihnen vorgeschlagenorden war. Ich persönlich halte nämlich nichts davon,egenteilige Entscheidungen, die man vor fünf Jahrenetroffen hat, stur gesundzubeten. Umgekehrt hoffe ichber, dass wir dann bei der Einführung des Nachhaltig-eitsfaktors auch zusammenarbeiten. Ich denke, dass Sieiesen Weg auch mitgehen können.
Bevor ich auf den Anspruch dieses Haushaltes zuprechen komme, gestehe ich im Übrigen auch eine ge-isse Schwäche ein. So wurde vorhin bemängelt, dassoch nicht erkennbar ist, wodurch die angestrebte Kon-olidierung im Rentenbereich in einer Größenordnungon 2 Milliarden unter Zugrundelegung eines Beitrags-atzes von 19,5 Prozent erreicht werden soll. Dass wirntsprechende Vorschläge im Herbst vorlegen müssen,st richtig. Einen Teil der diesbezüglichen Kritik akzep-iere ich. Ich akzeptiere aber nicht die in meinen Augennsgesamt überzogene Kritik; darauf gehe ich noch ein.Wir haben im Haushalt eine Nettokreditlinie von0,8 Milliarden, auch bedingt durch das Vorziehen derteuerreform. Auch ich halte diese 30,8 Milliarden fürnbefriedigend. Nachdem Sie hier vorhin sehr groß undaut getönt haben, möchte ich Ihnen aber vor Augen hal-en, dass Sie von 1996 bis 1998, in den letzten drei Jah-en, in denen Sie Regierungsverantwortung trugen undo wir ein durchschnittliches Wachstum von rund,5 Prozent hatten, neue Schulden von etwas über00 Milliarden Euro gemacht haben. Wir haben in denahren 2001, 2002 und 2003, also in den vergangenenrei Jahren, wo es ein durchschnittliches Wachstum von,3 Prozent gab – zwar kennen wir für 2003 noch nichtie genauen Zahlen, aber sie werden nicht sehr hoch aus-allen –, 90 Milliarden Euro neue Schulden gemacht.
Metadaten/Kopzeile:
4892 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Anja HajdukDas ist keine Leistung, mit der man zufrieden sein kann,aber ich möchte Sie nur darauf hinweisen – –
– Lassen Sie einmal die UMTS-Milliarden außen vor. Esgeht um die reine Neuverschuldung. Wir haben dieseMilliarden ja auch zum Abbau der Verschuldung ver-wendet, was in der Sache ganz richtig war.Ich will nur darauf verweisen, dass Sie zuzeiten einesviel höheren Wachstums viel mehr Schulden aufgehäufthaben; denn zwischen 1,5 Prozent Wachstum und Stag-nation besteht eine erhebliche Differenz.
Seien Sie also ein bisschen vorsichtig mit Ihrer Kritikund überziehen Sie sie nicht. Ich lege Ihnen das nur nocheinmal dar, damit Sie zu einer gerechten Beurteilungkommen, wenn wir demnächst weiter darüber beraten.Sie können sich nicht davon freisprechen: Diese Ver-schuldung ist auch Ihre Geschichte.
Man erkennt daran – deswegen habe ich am Anfangvon den Säulen gesprochen –: Wir haben in diesemHaushalt strukturelle Mängel, angesichts derer wir unsauch bei besserer konjunktureller Lage nicht einfachausruhen können. Sie haben, wie gesagt, bei bessererkonjunktureller Lage schlechter gewirtschaftet als wirheute.
Sie drohen jetzt mit der Blockade des gesamtenHaushalts. Das halte ich für eine schwerwiegende An-kündigung. Wenn Sie das machen, setzen Sie eine Ver-antwortungslosigkeit fort, die sich vielleicht in den Vor-jahren schon gezeigt hat; ich habe gerade die Zahlengenannt. Sie werden bei den Wählern damit nicht durch-kommen. Auch Sie haben eine Verantwortung für diewirtschaftliche Erholung im Lande, die sich abzeichnet.Sie haben uns jahrelang gesagt, wir sollten die Steu-ern senken, und sind bei diesem Thema, auch zusammenmit der FDP, immer gerne vorangegangen. Wir habenseit 2001 in mehreren Stufen Steuersenkungen vorge-nommen. Das halte ich für ganz wesentlich und richtig;aber wir sollten ehrlicher in dem Punkt argumentieren,dass die heute vorhandenen Ausnahmetatbestände abge-schafft werden müssen, und zwar auch aus Gründen derGerechtigkeit. Nach der Steuerreform haben wir nichtdas Problem zu hoher Steuertarife; dann haben wir guteTarife. Aber ein Steuersystem ist dann gerecht, wenn dieLeute ihre Steuern wirklich zahlen.
DtasbanicmSDslekbrinßbshsESpdukmligkEWmAmdeHdp
Für Sie schlägt nun die Stunde der Wahrheit. Sie ha-en gesagt, die Steuerreform solle vorgezogen werden,ber nicht durch höhere Schulden. In diesem Punkt kön-en Sie mitwirken und Alternativen formulieren; aberh halte es für eine unverantwortliche Volksverdum-ung, Herr Austermann, die Sie nicht nötig haben, wennie den Vorwurf „linke Tasche, rechte Tasche“ erheben.ie Einführung niedriger Tarife für alle und die Ab-chaffung von Ausnahmetatbeständen sind gerecht, weiltztere nur einige betreffen. Wenn Sie sagen, die Sen-ung der Tarife und die Abschaffung der Ausnahmetat-estände geschehe nach dem Prinzip „linke Tasche,echte Tasche“, dann plädieren Sie für eine ungerechte,transparente Steuerpolitik. Das halte ich für einen gro-en Fehler. Da gehen wir Ihnen voran.
Von „linke Tasche, rechte Tasche“ zu reden ist eineillige Politikpolemik, die man sich bei diesem Haushalttrukturell nicht mehr leisten kann. Ich bitte Sie, ernst-aft darüber nachzudenken, ob Sie auf der Höhe der Zeitind, wenn Sie sich bei der Eigenheimzulage und derntfernungspauschale prinzipiell sperren.
ie sind unglaubwürdig in Ihrer finanzpolitischen Kom-etenz.
Ich finde es durchaus richtig, dass wir noch begrün-en müssen, was es mit dem Vorziehen der Steuerreformnd der Neuverschuldung auf sich hat. Wir sind bereit,ritisch über die Ausgabenstreichungen, die wir vorneh-en, zu reden. Aber Sie wissen, dass das Haushaltsstabi-sierungskonzept, das wir Ihnen vorlegen, schon eineanze Menge an Ausgabenkürzungen beinhaltet. Wirürzen stark im öffentlichen Dienst. Wir haben enormeinsparungen im Arbeitsmarktbereich vorgesehen.enn Sie uns da mit guten Vorschlägen toppen können,üssen wir uns im Zweifel damit auseinander setzen.ber wenn Sie ernsthaft glauben, dass dieser Haushaltit der Verkleinerung des Etats der Öffentlichkeitsarbeiter Bundesregierung saniert werden kann – das war derinzige konkrete Vorschlag in der 20-minütigen Rede vonerrn Austermann; ich habe Ihnen genau zugehört –,
ann ist das in einer so ernsten Situation lächerlich undeinlich; es tut mir Leid.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4893
)
)
Ich möchte auch etwas zum Thema Maastricht sagen.Das Maastricht-Kriterium ist im Moment sehr in derDiskussion. Ich vertrete die Auffassung, man soll nichtin dem Moment Kriterien infrage stellen, in dem mangerade Probleme mit ihnen hat. Das sage ich bezüglichder Diskussion, die es auch in unseren Reihen gibt. Ichformuliere es so: Mit Blick auf den Haushalt 2004 mussman ins Auge fassen, dass wir an diesem Maastricht-Kriterium scheitern können, weil noch nicht klar ist, wiedas Vermittlungsverfahren ausgehen wird und wie dasWachstum im November geschätzt wird. Wir haben eineZielrichtung, in der ich dem Finanzminister nicht wider-sprechen will; aber der Finanzminister weiß selber, wel-che Risiken es da gibt. Er hat sie fairerweise vor demParlament und der Öffentlichkeit beschrieben.Aber bei dem Maastricht-Kriterium wollen wir unsdarum bemühen, es einzuhalten. Wenn wir das nichtschaffen, dann – dafür plädiere ich – sollten wir die Auf-forderungen der EU ernst nehmen und die Auflagen an-nehmen. Das ist wichtig für das Zusammenspiel und Zu-sammenwirken der verschiedenen europäischen Länderim Wachstums- und Stabilitätspakt. Es nützt uns in demBemühen, unseren Haushalt strukturell auf die Beine zustellen; denn die Empfehlungen der EU und die Beob-achtung unserer Haushaltsentwicklung haben uns Haus-hältern in den letzten Jahren immer genützt. Deswegenhat die Diskussion um Maastricht meiner Ansicht nacheine unterstützenswerte Richtung, auch wenn wir im Er-gebnis noch nicht zufrieden sein dürfen.
Ich möchte zum Schluss betonen: Wenn Sie meinen,Sie könnten mit der Androhung einer Blockade gegen-über der Öffentlichkeit erfolgreiche Oppositionspolitikmachen, dann, glaube ich, haben Sie sich geschnitten.Wir werden Sie an Ihre Verantwortung erinnern. Wirwerden einklagen, dass Sie Alternativen vorlegen. Siekommen nicht so davon, dass Sie sagen können – wieHerr Koch es im Sommer getan hat –: „keine Steuerre-form zu Lasten unserer Kinder“, aber bei den Finanzie-rungsvorschlägen passen.Insbesondere dürfen Sie nicht – Sie haben ja nochZeit, darüber nachzudenken – die Hoffnung und dieChance, die in der wirtschaftlichen Erholung liegt, diesich jetzt ein bisschen zeigt, gefährden. Aber Sie hättendie Möglichkeit dazu, sie zu gefährden. Deswegen plä-diere ich dafür: Nehmen Sie Ihre Verantwortung anderswahr, nämlich in der Nennung von Alternativen undnicht in der Ankündigung einer Blockade.
Das Wort hat nun die Kollegin Gerda Hasselfeldt,
CDU/CSU-Fraktion.
r
H
b
i
G
s
g
H
f
b
e
w
R
w
g
t
i
s
r
s
d
A
d
a
d
d
v
g
b
L
E
g
d
t
i
l
d
Z
G
a
Nun versprechen die Regierung und die Koalitions-raktionen den Gemeinden im Land seit Monaten, sieekämen finanzielle Hilfe vonseiten des Bundes. Letzt-ndlich ist uns heute ein Gesetzentwurf dazu vorgelegtorden. Aber siehe da: Kein einziger Redner hat imahmen der Debatte etwas zum Inhalt dieses Gesetzent-urfs gesagt. Alles hat sich nur in Überschriften vollzo-en. Sowohl der Finanzminister als auch der stellvertre-ende Fraktionsvorsitzende haben bei diesem Punkt nurn Überschriften geredet. Sie haben von einer Moderni-ierung der Gewerbesteuer und von einer Revitalisie-ung gesprochen. Sie haben von einer Gemeindewirt-chaftssteuer geredet. Sie haben davon gesprochen, dassie Kommunen finanzielle Hilfen bekommen.
ber wo, bitte sehr, sind diese Hilfen konkret? Sie sindie Antwort darauf schuldig geblieben. Ich sage Ihnenuch, warum: Sie sind sie schuldig geblieben, weil Sie inen eigenen Reihen keine Einigkeit haben. Wir haben inieser und in der vergangenen Legislaturperiode schoniel erlebt. Aber nun ist ein Gesetzentwurf von den Re-ierungsfraktionen und der Regierung gemeinsam einge-racht worden, von dessen Inhalt sich nicht erst imaufe der Debatte, sondern bereits zum Zeitpunkt derinbringung, ja sogar schon vor der offiziellen Einbrin-ung maßgebliche – nicht nur irgendwelche – Leute auser Regierungskoalition distanzieren. So wird hier Poli-ik gemacht!
Die Kakophonie geht weiter. Vor wenigen Tagen warn der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen, dass ein Kol-ege aus dem Lager von Bündnis 90/Die Grünen Folgen-es gesagt haben soll – ich zitiere aus der „Süddeutscheneitung“ vom 5. September 2003 –:Diese Reform sei symptomatisch für den PolitikstilSchröders, moserte ein Grüner: „Erst interessiert ersich nicht dafür. Dann spricht er mit drei Wirt-schaftsbossen, und plötzlich sagt er: Jetzt machenwir da mal eine Reform – und genau so sieht dasErgebnis dann auch aus.“enau das ist Ihre Politik: Schnell wird eine Reformngekündigt, eine Überschrift und eine Botschaft
Metadaten/Kopzeile:
4894 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Gerda Hasselfeldtproduziert. Wenn es aber ans Eingemachte geht, dannbleibt man die Antwort schuldig.
Wenn die Fraktionsvorsitzende der Grünen, FrauSager, sagt, das Zahlenwerk von Hans Eichel sei untaug-lich, dann muss man sich schon fragen: Wer soll demZahlenwerk des Finanzministers glauben, wenn diesschon die eigene Koalition nicht tut? Sollen etwa dieBürger im Land den Finanzminister für glaubwürdigerhalten als die eigene Koalition? Das kann es doch nichtsein!
Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat gestern gesagt:Wenn es den Kommunen finanziell so schlecht geht,dann müssen sie halt mehr Schulden machen. – Wenn esein Problem auf dieser Ebene gibt, dann fällt Ihnen alsEinziges ein, mehr Schulden zu machen. Der Bundes-kanzler hat in seinem Sommerinterview auf die Frage,wie er die Gebührenerhöhungen der Kommunen be-werte, geantwortet, das sei nicht sein Problem, das liegein der Verantwortung der Kommunen. Ich sage ganzdeutlich: Es ist schäbig, sich so aus der Verantwortungzu ziehen, da doch bekannt ist, dass diese Regierung dieschlechte Finanzsituation der Kommunen, die sie zu ei-nem derartigen Handeln zwingt, verursacht hat. Das istder eigentliche Punkt.
Herr Kollege Solms hat in seinen Ausführungen deut-lich gemacht, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbe-dingungen und vor allen Dingen die Steuerbelastungenin den Jahren seit Ihrer Regierungsübernahme entwickelthaben. Diese negative Entwicklung ist ein wesentlicher– wenn auch nicht der einzige – Grund dafür, dass diewirtschaftliche Situation nahezu von einem Nullwachs-tum und von einer Zurückhaltung der Investoren ge-kennzeichnet ist. Es ist doch nicht von Gott gegeben,dass es kein Wachstum im Lande mehr gibt.
Sie haben zu Beginn Ihrer Regierungszeit aufgrundder guten Arbeit der Regierung Kohl eine hervorragendewirtschaftliche Situation vorgefunden. Sie haben aberdiese positive Entwicklung durch Ihre Maßnahmen ka-putt gemacht.
Damit haben Sie dazu beigetragen, dass die Steuerein-nahmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden zu-rückgegangen sind. In den ersten Jahren Ihrer Regierunggab es noch steigende Steuereinnahmen, gerade auch beider Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer ist dann aber inden Jahren 2001 und 2002 eingebrochen. Der Grundliegt zum einen in Ihrer Steuerreform und zum anderenin der permanenten Verschlechterung der wirtschaftli-chen Rahmenbedingungen im gesamten Land, für dieSie verantwortlich sind.Bei dem, was wir an Reformen für die Gemeindenvorsehen, muss die Maxime sein, alles zu tun, um Wachs-tusdtuzeluMKmgDudrFnmzf1w2mssagnegbEdkedmzgSmnek
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4895
)
)
Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von derSPD und von den Grünen, wird – mit Verlaub – keinemdieser Anliegen gerecht. Er wird nicht dem Anliegen ge-recht, sofort zu helfen, und nicht dem Anliegen, einegrundlegende Reform durchzuführen.Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen:Sie wollen jetzt – das ist zumindest bei Ihnen Konsens –die freien Berufe in die Gewerbesteuer mit einbeziehen.Ich weise darauf hin, dass der Bundeskanzler noch imvergangenen Jahr aus Anlass des Tages der freien Berufedas Gegenteil verkündet hat.
Mittlerweile sind wir es aber gewohnt, dass man auf dasWort des Bundeskanzlers nicht vertrauen darf.
Unabhängig davon sollte man sich einmal vor Augenhalten, welche Konsequenzen damit verbunden sind:700 000 zusätzliche Steuerpflichtige,
die neben ihrer Einkommensteuererklärung zusätzlicheine Gewerbesteuererklärung abgeben müssen, die ande-ren Regularien unterliegt als die Einkommensteuererklä-rung. Wenn sie die Gewerbesteuererklärung abgegebenhaben, dann können sie einen Teil der von ihnen zu zah-lenden Gewerbesteuer pauschal auf die Einkommen-steuer anrechnen. Unter dem Strich ist dies eine riesigeUmverteilungsaktion von den Haushalten des Bundesund der Länder auf die Kommunen. Das könnten wirviel einfacher haben, nämlich durch eine Änderung derGewerbesteuerumlage und ohne diesen umständlichenund verwaltungsintensiven Weg der Einbeziehung in dieGewerbesteuer.
fisSmrdsguhsnrbaEmtiegEgPsazddAnShhfsAtvsuEw
s ist reine Flickschusterei.
Ich kann daher nicht oft genug betonen, dass es darumeht, zweigleisig zu fahren und die zwei unterschiedlichenrobleme, nämlich die Finanznot der Kommunen einer-eits und die grundlegende Reform der Gemeindefinanzenndererseits, getrennt durch unterschiedliche Maßnahmenu lösen. Unser Programm liegt auf dem Tisch: Senkunger Gewerbesteuerumlage mindestens auf das Niveau,as vor Ihrer Steuerreform bestand, und Erhöhung desnteils der Gemeinden an der Umsatzsteuer.Sie haben mittlerweile eingesehen, dass das Letztereotwendig ist. Noch vor Wochen, als wir darüber vor derommerpause diskutierten,
aben Sie, als wir diesen Vorschlag auf den Tisch gelegtaben, gesagt: Das können wir nicht machen, es ist nichtinanzierbar. Die Erhöhung des Anteils an der Umsatz-teuer ist im jetzigen Programm enthalten. Das ist gut.uf dieser Basis können wir weiterarbeiten.Uns sind auch Signale einiger Mitglieder der Koali-ionsfraktionen bekannt – zum Teil kommen sie hinterorgehaltener Hand –, dass man auch bei der Gewerbe-teuerumlage unseren Vorschlag als richtungsweisendnd zielführend betrachtet.Auf eines möchte ich noch hinweisen: Nicht nur dieinnahmenseite ist wichtig, sondern mindestens genausoichtig ist die Ausgabenseite.
Metadaten/Kopzeile:
4896 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Gerda HasselfeldtAuch hierzu liegen konkrete Vorschläge in dem Antrag,den wir im Sommer eingebracht haben, für die BereicheJugendhilfe, Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und Grund-sicherung vor. Sie haben in diesen Bereichen durch IhreGesetzgebung zusätzliche Lasten auf die Gemeindenübertragen.Lassen Sie uns zunächst einmal an dem Sofortpro-gramm arbeiten, damit wir eine schnelle Entlastung zuJahresbeginn 2004 für die Gemeinden erreichen können.Danach müssen wir an die Arbeit gehen, um eine grund-legende Reform durchzuführen. Dabei ist es notwendig,dass wir ohne ideologische Scheuklappen auf der Basissolider und von allen anerkannter Berechnungen ge-meinsam mit den Kommunen an langfristig tragbarenLösungen zur Verbesserung und Verstetigung der Fi-nanzsituation der Gemeinden arbeiten. An diesen Krite-rien sollten wir uns alle miteinander messen lassen.
Nächster Redner ist der Kollege Horst Schild, SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kol-lege Merz hat heute Morgen schon mit der Legendenbil-dung angefangen und die Kollegin Hasselfeldt hat dassoeben fortgesetzt. In der Tat – Kollege Merz hat esheute Morgen gesagt – stand in der Koalitionsvereinba-rung von 1994,
dass wir in der laufenden Wahlperiode
– stimmt, seit 1998, aber ich glaube, der Kollege Merzsprach heute von 1994 – die Gemeindefinanzreform an-packen wollten.
In diesem Zusammenhang muss man aber auch daran er-innern, weshalb eine Reform in dieser Wahlperiode nichtgelingen konnte. In sehr hohem Maße hat dazu beigetra-gen, dass Ihre Parteifreunde in Bayern und Baden-Württemberg in dieser Zeit vor das Bundesverfassungs-gericht gezogen sind und den Länderfinanzausgleich inZweifel gezogen haben.
Erst als wir in der letzten Wahlperiode den Länderfi-nanzausgleich auf neue Füße stellen konnten – das wareine unabdingbare Voraussetzung –, bestand auch dieMöglichkeit, den Bereich der Kommunalfinanzen neu zuregeln.
–dc„zIdslnWMndSsrPwMzwteZZtrmnwwgkgwndSubdmgkowbG
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4897
)
)
Dann kann man darüber reden. Dann können wir aucheinschätzen, was das bringt.Das Gleiche gilt für einen höheren Umsatzsteueran-teil zugunsten der Kommunen. Die Bundesregierung hatdas vorgeschlagen. Aber wir müssen zur Kenntnis neh-men, dass seit 1997, als wir die Umsatzsteuerbeteiligungder Kommunen als Äquivalent für die abgeschaffte Ge-wKeinNsBicfCHIdvWdshenwauvDsngemawd
ei allem Für und Wider und allen Nuancierungen hoffeh, dass wir am Ende zu einem Ergebnis kommen. Da-ür möchte ich hier noch einmal werben.Danke schön.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Meister,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Wir stehen am Beginn einer Haushaltswoche.ch hätte mir zunächst einmal gewünscht, dass die Bun-esregierung einen Bundeshaushalt für das Jahr 2004orlegt, der auf der Basis unseres Grundgesetzes steht.ir haben im Jahr 2002 erlebt, dass die Neuverschul-ung höher als die Investionen war. Sie werden in die-em Jahr mit einer Neuverschuldung abschließen, dieöher als die Investitionssumme ist. Sie legen uns jetztinen Haushaltsentwurf für 2004 vor, der wieder mehreue Schulden als Investitionen vorsieht.
Dem Selbstverständnis des Deutschen Bundestagesürde es entsprechen, wenn der Bundesfinanzministeruf den Boden unseres Grundgesetzes zurückkehren undns einen verfassungsgemäßen Haushalt zur Beratungorlegen würde.
as, was er hier vorlegt, entspricht nicht dem Grundge-etz. Das müssen Sie sich anheften lassen. Ich will jetzticht auf die Gerichtsurteile in Nordrhein-Westfalen ein-ehen. Aber wenn man das in drei Jahren auf Bundes-bene tut, ist man von der Verfassungswidrigkeit nichtehr weit entfernt.
Der Bundesfinanzminister ist 1999 mit einer Visionngetreten: ausgeglichener Bundeshaushalt 2004. Dannurde gesagt: 2006. Ich frage mich heute: Was ist vonieser Perspektive übrig geblieben?
Metadaten/Kopzeile:
4898 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dr. Michael MeisterSeit 2001 steigt in jedem Jahr die Neuverschuldung. Dasheißt, wir bewegen uns nicht auf den ausgeglichenenHaushalt zu, sondern von ihm weg.
Ich verlange, dass die Bundesregierung entweder ihrePerspektive einhält und darlegt, wie wir die Neuver-schuldung auf null senken, oder offen sagt, was ihrekünftige finanzpolitische Perspektive ist. Wir könnendoch hier keine Haushaltsberatungen führen, in denendiese Fragen offen bleiben.Der Bundesfinanzminister hat uns vor zwei Jahrenhier gesagt: Die Schulden von heute sind die Steuern vonmorgen. Jetzt steigert er seit drei Jahren die Schulden.Das hat doch mit nachhaltiger Finanzpolitik nichts mehrzu tun.
Meine Damen und Herren, Sie wissen alle, dass ichaus Hessen komme. Heute ist im Laufe der Debatte Hes-sen mehrfach angesprochen worden. Der Herr Bundesfi-nanzminister hatte ja, als er sein Amt antrat, seine Refe-renzen aus Hessen. Er war dort acht Jahre langverantwortlicher Ministerpräsident. In diesen acht Jah-ren hat er es geschafft, die Gesamtverschuldung desLandes Hessen um rund 40 Prozent zu erhöhen.
Ich weiß nicht, ob ihn das qualifiziert, hier jetzt aufzutre-ten und zu sagen, er sei der Sparkommissar. Entspre-chende Referenzen aus Hessen kann er nicht vorweisen.Mit dieser Altlast haben wir heute zu kämpfen.Ich würde mir wünschen, dass wir einen Bundeskanz-ler hätten, der eine Operation Zukunftssicherung betrei-ben und ein ähnlich entschlossenes Programm wie diehessische Landesregierung vorlegen würde, um endlichden Schuldenabbau und eine seriöse Haushaltsplanungvoranzutreiben.
Die Bundesregierung finanziert momentan die Wer-bekampagne „Deutschland ist in Bewegung“.
Wenn ich mir anschaue, was am Arbeitsmarkt, im Be-reich der Neuverschuldung und im Bereich der Insolven-zen geschieht, dann muss ich sagen: Ja, Deutschland istin Bewegung, nämlich in einer massiven Abwärtsbewe-gung. Dafür braucht man nicht zu werben; das muss manbeenden und umkehren. Das müsste das Ziel sein.
Als der Bundeskanzler – er ist jetzt leider nicht anwe-send – 1998 angetreten ist, hat er gesagt, dass der Arbeits-markt, der ja einer der größeren Haushaltsrisiken ist – wirreden an dieser Stelle über ein Haushaltsrisiko in Höhevon mehr als 5 Milliarden Euro, das im Haushalt nichtgebucht ist –, Chefsache ist. Ich nehme an, er kümmertsich gerade darum, dass die Arbeitslosigkeit in Deutsch-land zurückgeht. Deshalb ist er wohl auch nicht hier.knuücdkgnshdvslauDdHDisfbv4IBwtDthedfndFfDn
Sie haben nach den Konzepten der Opposition ge-ragt. Ich nenne Ihnen die 400-Euro-Jobs. Wer hat dennach 1998 diesen Mist bei den 630-Mark-Jobs gemacht,
er dann korrigiert werden musste? Es gibt jetzt ja einerau Ministerin Schmidt, die lobend erwähnt, dass esast 1 Million neue Beschäftigte in diesem Bereich gibt.as ist kein Wunder. Hätten Sie diesen Mist nach 1998icht gemacht, dann hätten wir diese Beschäftigten
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4899
)
)
Dr. Michael Meisterschon lange. Es waren Ihre Fehler, die wir jetzt mit ei-nem hohem Aufwand korrigieren müssen.Im Deutschen Bundestag liegt ein Gesetzentwurf derCDU/CSU-Fraktion zum Bereich des Arbeitsrechts vor;wir haben einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt.Herr Poß, wo ist Ihre Mitwirkung und wo ist die Zustim-mung Ihrer Fraktion, sodass wir Deutschland im Bereichdes Arbeitsrechts voranbringen können?Bezüglich der Zusammenführung von Arbeits-losen- und Sozialhilfe haben wir einen Gesetzentwurfder hessischen Landesregierung über den Bundesrat ein-gebracht. Wir werden ihn auch hier im Deutschen Bun-destag in Form eines konkreten Gesetzentwurfs zur De-batte stellen. Frau Kollegin Hasselfeldt hat eben unsereVorschläge vorgetragen, die wir selbstverständlich in dieBeratungen einbringen.Auch bezogen auf die Zukunft der Gewerbesteuer lie-gen konkrete Gesetzestexte und ein Sofortprogramm derOpposition vor. Herr Poß, es ist eine Schimäre, wenn Sieeinfach behaupten, wir hätten keine Konzepte. Wir tunmehr, als es eigentlich Aufgabe der Opposition ist. Wirlegen konkrete Anträge und Gesetzentwürfe vor. Eswäre an Ihnen, sie nicht einfach wegzuwischen, sondernsich mit diesen Vorschlägen ernsthaft auseinander zu set-zen.
– Herr Poß, zum Haushalt und zu den Finanzen: Wir ha-ben auch zur Steuerreform und zum Vorziehen der drit-ten Stufe klare und deutliche Ansagen gemacht. Wir ha-ben gesagt, dass wir der Meinung sind, dass einVorziehen der dritten Stufe unter vier Bedingungen mög-lich ist.
Die vier Bedingungen sind:Erstens. Keine Neuverschuldung. Wir wollen keineSteuerreform auf Kosten der Zukunft finanzieren. Mitdem Haushalt, den Sie uns heute vorlegen, sind Sie andiesem Kriterium gescheitert. Sie treiben die Neuver-schuldung über die Verfassungsgrenze und auch über dieVerschuldungsgrenze des Maastricht-Vertrages.
Zweitens. Wir wollen keine Steuererhöhungen, die ei-ner Entlastung dauerhaft entgegenstehen. Was Sie zumBeispiel bei der Pendlerpauschale machen, ist nichtsanderes, als über mehrere Jahre die Steuern zu erhöhen,um das Vorziehen der Steuerreform für ein Jahr zu finan-zieren.Die Menschen in Deutschland werden von Ihrer Poli-tik hinters Licht geführt, indem sie dauerhaft stärker be-lastet werden. Dies wird zwar als Entlastung verkauft, istaber auf längere Sicht gesehen eine Mehrbelastung. Dashaben die Menschen in Deutschland auch gespürt: beider Ökosteuer, der Erhöhung der Tabaksteuer, der Versi-cdDnUbwbegpDstiWwhjusWeSvSnMFnwaMbswmshnzBnsWbülauG
ie Menschen in Deutschland merken, dass Ihre Politikicht zu Entlastungen führt, sondern dass Ihre Politik dienternehmen, die Menschen heute und in der Zukunftelastet. Deswegen ist sie falsch und muss veränderterden.
Drittens. Sie haben weiterhin deutlich gemacht: Wirrauchen Strukturreformen in Deutschland. Ich habeben einige Gesetzentwürfe angesprochen, die wir ein-ebracht haben. Im Bereich Arbeitsmarkt, Wirtschafts-olitik und Sozialsysteme müssen wir vorankommen.azu gibt es konkrete Vorlagen; aber sie müssen umge-etzt werden.An dieser Stelle unterliegen Sie, Herr Poß und Frak-on, einem gewaltigen Irrtum. Sie sind der Ansicht:enn diese dritte Stufe der Steuerreform vorgezogenird, dann wird damit die Konjunktur angeschoben. Wiraben aber in Deutschland im Wesentlichen kein Kon-nkturproblem, sondern ein Strukturproblem. Wir müs-en die Strukturprobleme lösen, wenn wir dauerhaftesachstum und eine dauerhafte wirtschaftliche Erholungrreichen wollen.
ie versuchen, sich der Lösung der Strukturprobleme zuerweigern, und setzen an dieser Stelle auf kurzfristigetrohfeuerprogramme. Diese werden aber die Problemeicht lösen.
Sie fordern, dass wir uns zu den steuerpolitischenaßnahmen äußern. Ich nehme einmal das Gesetz zurörderung der Steuerehrlichkeit heraus, die so ge-annte Brücke in die Steuerehrlichkeit. Das Gesetzurde ebenso wie die Kapitalertragsbesteuerung langengekündigt und dann verschoben. Sie glauben, dass dieehreinnahmen – diese Summe ist im Haushalt fest ge-ucht –, die Sie an dieser Stelle für den Bundeshaushaltowie für die Haushalte der Länder und Kommunen er-arten, ein wesentlicher Teil der Entlastung für Kom-unen und Länder werden, die Sie propagieren.Ich sage Ihnen: Solange bei Ihnen die Frage der Erb-chaftsteuer virulent ist und ständig jemand eine Erhö-ung dieser Steuer vorschlägt und solange Ihre Positio-en zur Vermögensteuer nicht geklärt ist – Ihre Positionur Vermögenssteuer wollen Sie irgendwann auf einemundesparteitag klären –, werden Sie zu keinem Ergeb-is kommen. Unsere Position ist, diese Steuer abzu-chaffen und sie aus dem Grundgesetz zu streichen.enn Sie nicht klären, wie die Frage der Kapitalertrags-esteuerung beantwortet wird, werden Sie niemandenber diese Brücke der Steuerehrlichkeit nach Deutsch-nd zurücklocken. Das, was Sie als Gesetz beschließennd im Haushalt gebucht haben, hat keine seriöserundlage. Deshalb werden Sie am Ende wieder Löcher
Metadaten/Kopzeile:
4900 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dr. Michael Meisterim Bundeshaushalt haben und zu keinem positiven Er-gebnis kommen.Abschließend lassen Sie mich etwas zum Korb II sa-gen. Auch mit ihm werden viele finanzpolitischen Fra-gen aufgeworfen. Wir wollen in Deutschland keine Min-destbesteuerung. Deshalb werden wir als UnionVorschlägen, die eine Mindestbesteuerung vorsehen,nicht zustimmen.
Wir sind bereit, mit Ihnen konstruktiv zu diskutieren.Dies darf aber nicht zu Beschlüssen führen, mit denendie Zahl der Insolvenzen in Deutschland nach oben ge-trieben wird.
Bei der Frage der Fremdfinanzierung bin ich der Auf-fassung, dass wir nicht nur einfach den EuGH-Beschlussumsetzen müssen, sondern dass wir auch dafür sorgenmüssen, dass Unternehmen in Deutschland investierenkönnen. Deshalb muss Ihr Gesetzentwurf in diesemPunkt geändert werden.Wir müssen uns auch um das Thema Lebens- undKrankenversicherungen kümmern. Dafür muss eineLösung gefunden werden. Ansonsten werden wir in einesehr heikle Lage kommen. Wir alle müssen uns Gedan-ken darüber machen, wie wir das Problem der Alters-sicherung und der Demographie lösen. Wenn wir die Un-ternehmen, die dazu Angebote machen, behindern,werden wir es nicht lösen.
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich hoffe, dass ich
auch Herrn Poß und seiner Truppe einige Gedanken nä-
her gebracht habe
und dass sie in Zukunft den Herrn Bundesfinanzminister
stärken und ihm bei den weiteren Debatten nicht in den
Rücken fallen werden.
Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Jörg-Otto Spiller,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Kollege Dr. Meister, ich bescheinige Ihnenneidlos: Sie können schnell sprechen.
EmeMdwlMdIBilgDzifgüERhwlpdJWdhw
ir ist das nicht klar geworden. Ich glaube auch nicht,ass den Besuchern auf den Tribünen klar geworden ist,as Ihr Konzept ist. Ich habe nicht erkannt, was Sie wol-en.Wir haben im ersten Teil – das hat mit dem Kollegenerz angefangen – überwiegend Polemik gehört. Voner Opposition kam nur Polemik.
ch glaube allerdings nicht, dass die Bürgerinnen undürger in Deutschland Polemik hören wollen, sondernch glaube, dass sie wissen wollen, was die unterschied-ichen Konzeptionen sind, um unser Land voranzubrin-en.Wir haben dafür eine klare Konzeption vorgelegt.
iese stützt sich auf drei Säulen: Wir müssen die finan-iellen Handlungsspielräume zurückgewinnen,
ndem wir eine mittelfristige Konsolidierung der öf-entlichen Haushalte betreiben, wir müssen Beschäfti-ung fördern und wir müssen die Wachstumsschwächeberwinden.
ine Wachstumsschwäche – jetzt ist der Kollegeexrodt leider nicht mehr da –
aben wir in Deutschland seit zehn Jahren. Seit 1993ar das gesamtwirtschaftliche Wachstum in Deutsch-and jedes Jahr niedriger als im Durchschnitt der Euro-äischen Union. Es macht überhaupt keinen Sinn, überie letzten drei, die letzten fünf oder die letzten siebenahre zu reden.
ir müssen uns vielmehr mit der Frage beschäftigen, woie strukturellen Belastungen liegen, die dazu geführtaben, dass wir anders als in früheren Zeiten schwächerachsen als der Durchschnitt der Europäischen Union.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4901
)
)
Jörg-Otto SpillerEs ist ganz offenkundig, dass ein Teil der Ursachen mitden Lohnnebenkosten zusammenhängt und dass es da-rauf ankommt, dass wir unsere sozialen Sicherungssys-teme auch unter schwierigen demographischen Bedin-gungen zukunftssicher machen und Arbeit nicht nochmehr verteuern, als das ohnehin der Fall ist.
Deswegen ist die erste Aufgabe unserer Politik, die fürdie strukturelle Schwäche verantwortlichen Faktoren zubeseitigen. Das haben wir mit der Agenda 2010 konkretauf den Weg gebracht.
Der zweite Bereich ist die Konsolidierung der öffent-lichen Finanzen. Dazu zählen nicht nur die Einnahmen,sondern natürlich auch die Ausgaben. In Bezug auf dieEinnahmen habe ich beim Kollegen Merz wie beim Kol-legen Austermann – auch beim Kollegen Dr. Meister –konkrete Vorschläge vermisst. Wir haben oft genug beivielen Debatten von Ihrer Seite gehört, das Prinzipmüsse sein, Sonderregelungen und Subventionen, insbe-sondere Steuersubventionen, abzubauen und dafür dieTarife zu senken.Wir senken die Tarife. Wir haben die Tarife auchschon gesenkt.Wir haben erlebt: Jedes Mal, wenn es beim Abbauvon Steuersubventionen konkret wurde,
haben Sie, auch Sie, Herr Thiele, gesagt: Aber meineKlientel darf nicht geschädigt werden.
Gestern haben wir wieder eine Erklärung von FrauMerkel zum Bundeshaushalt und zur Einhaltung derKriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes lesenkönnen. Sie sagt, für die vorgezogene Tarifsenkungmüsse eine seriöse Finanzierung verlangt werden. Manfragt sich, was die seriöse Finanzierung ist. Sie sagt, esdürfe aber in keinem Punkt irgendwo einen Abbau vonSubventionen geben. Das passt überhaupt nicht zusam-men.Die CDU/CSU ist eine zu bedeutende Partei, als dasssie solche Sprüche machen und ihrer Verantwortung aus-weichen könnte.
Man kann vielleicht sagen: Es ist nicht schlimm, wennHerr Merz reine Polemik macht; auf Herrn Merz kommtes letzten Endes nicht an. Das trifft auch für HerrnAustermann zu. Wir brauchen im Deutschen Bundestagnicht unbedingt Ihre Zustimmung. Das ist wahr.
AFDvdBsBfwBP–izAbsBndagpEdGnAWGRWswBdlrasePzeWHmEsp
ass im Haushalt – und zwar von Bund und Ländern –uf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Rücksichtenommen wird und dass Bund und Länder ihre Finanz-olitik im Sinne einer gesamtwirtschaftlich vernünftigenntwicklung ausrichten.Wir können uns nicht der Verantwortung entziehen,ass bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichenleichgewichts eine Steuerung durch die Finanzpolitikotwendig ist. Wer will denn bei mehr als 4 Millionenrbeitslosen und einem derzeit äußerst schwachenachstum leugnen, dass das gesamtwirtschaftlicheleichgewicht gestört ist? Dafür gibt es – Sie habenecht – vier Kriterien: die Stabilität des Preisniveaus, dasachstum, den Beschäftigungsgrad und das außenwirt-chaftliche Gleichgewicht. Derzeit sind zwei Kriterienirklich beeinträchtigt, nämlich das Wachstum und dieeschäftigung. Es ist durchaus verantwortungsbewusst,ie Haushaltspolitik danach auszurichten. Wir wissen al-erdings, dass es sich nicht ausschließlich um konjunktu-elle Nachfrageschwankungen handelt. Ich habe bereitsusgeführt, dass es auch strukturelle Ursachen gibt.Es wäre verkehrt, sich nur auf Defizitsteuerung zu be-chränken. Aber das machen wir nicht. Wir betreibenine auf die Verbesserung der Strukturen ausgerichteteolitik, die von einer auch auf Wachstumsimpulse set-enden Haushalts- und Finanzpolitik begleitet wird. Dasrfolgt in Übereinstimmung mit dem Stabilitäts- undachstumspakt der Europäischen Union.Ich halte es für völlig unangemessen, dass heute vonerrn Merz und gestern von Frau Merkel mit einer Pole-ik begonnen worden ist, derzufolge die Stabilität desuro gefährdet erscheint. Wir haben eine im EU-Durch-chnitt harmonisierte Steigerungsrate der Verbraucher-reise von 2 Prozent. Wir haben in Deutschland eine
Metadaten/Kopzeile:
4902 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Jörg-Otto SpillerInflationsrate von knapp 1 Prozent; das ist die niedrigsteInflationsrate in Europa. Wir haben einen stabilen undstarken Euro im Außenwert.Angesichts dessen ist es völlig deplatziert, von einerDestabilisierung der Währung zu reden. Machen Sie denLeuten keine Angst! Tragen Sie vielmehr dazu bei, dassdas Vertrauen wieder wächst! Auch die Union hat eineMitverantwortung für die Entwicklung in unserem Landinsgesamt. Wenn Sie diese Mitverantwortung im Bun-destag nicht wahrnehmen wollen, kann ich das nur be-dauern. Aber ich baue darauf, dass auch im Bundesrateine verantwortungsbewusste Mehrheit zustande kommt.Ich danke Ihnen.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
Gerhard Rübenkönig, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusseshabe ich jetzt die Aufgabe, losgelöst von der aktuellenDebatte die Entlastung der Bundesregierung für dasHaushaltsjahr 2001 zu beantragen.
In diesem Zusammenhang begrüße ich ganz herzlichden Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Herrn Pro-fessor Dr. Dieter Engels, bei dem ich mich gleichzeitigganz herzlich für die gute Zusammenarbeit bedankenmöchte.
Dank sagen möchte ich auch den Kolleginnen undKollegen im Ausschuss für die sachbezogenen und fai-ren Debatten und auch den Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern des Sekretariats.Die Entlastung der Bundesregierung ist auf den erstenBlick ein Routinevorgang, der in der Öffentlichkeitkaum zur Kenntnis genommen wird. Dies ist eigentlichschade; denn das Thema Haushalts- und Wirtschaftsfüh-rung des Bundes verdient durchaus mehr Aufmerksam-keit. Es geht um die wirtschaftliche und ordnungsge-mäße Verwendung aller Einnahmen und Ausgaben desBundes, also um die korrekte Verwendung von Steuer-mitteln. Wir reden hier immerhin über 243,1 MilliardenEuro, die der Bund im Jahre 2001 eingenommen undverausgabt hat.Der Bundesrat hat bereits im Februar grünes Licht fürdie Entlastung der Bundesregierung gegeben. Der Rech-nungsprüfungsausschuss hat die Anträge des Finanzmi-nisteriums sowie die Bemerkungen des Bundesrech-nungshofes in sieben Sitzungen ausführlich beraten unddem Haushaltsausschuss einvernehmlich die Entlastungempfohlen. Der Haushaltsausschuss hat ebenso einver-nehmlich dem Bundestagsplenum, also Ihnen, empfoh-len, die Entlastung zu erteilen.J2lmdDmKvdlg2mMhudBHssrnelhnletAZA2dtfDrNinaadlsdBszid
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4903
)
)
Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzde-batte liegen nicht vor.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage aufDrucksache 15/1502 an die in der Tagesordnung aufge-führten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung istjedoch strittig. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wünschen Federführung beim Haushaltsaus-schuss. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP wün-schen Federführung beim Finanzausschuss. Ich lasse zu-erst über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen derCDU/CSU und FDP abstimmen, also die Federführungbeim Finanzausschuss. Wer stimmt für diesen Überwei-sungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-gen? – Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmender Koalition und der beiden fraktionslosen Abgeordne-ten gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP abge-lehnt.Wer stimmt für den Überweisungsvorschlag der Frak-tionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, also dieFederführung beim Haushaltsausschuss? – Wer stimmtdagegen? – Enthaltungen? – Dieser Überweisungsvor-schlag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zu-vHwcdg1dGewHtrkuulehHdhsESHdhsulwddgnsZ
gebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zurÄnderung der Handwerksordnung und ande-rer handwerksrechtlicher Vorschriften– Drucksache 15/1481 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Metadaten/Kopzeile:
4904 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne KastnerAusschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Unionb) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu Refor-men am Arbeitsmarkt– Drucksache 15/1509 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
InnenausschussRechtsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale Sicherungc) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Pro-tokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000über die biologische Sicherheit zum Überein-kommen über die biologische Vielfalt– Drucksache 15/1519 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaft
Ausschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheitd) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia
der FDPStärkung der europäischen Raumfahrtpoli-tik – Gewinn für den Wirtschafts- und For-schungsstandort Deutschland– Drucksache 15/1230 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitVerteidigungsausschussAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten GünterBaumann, Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUUnterstützung für ehemalige politische Häft-linge umgehend sicherstellen– Drucksache 15/1524 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
RechtsausschussAusschuss für Menschenrechte und humanitäre HilfeHaushaltsausschussEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-ten Verfahren ohne Debatte.Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. Die Vorlage auf Drucksache 15/1509 – Ta-gesordnungpunkt 3 b – soll zusätzlich gemäß § 96 derGeschäftsordnung an den Haushaltsausschuss überwie-sgsüDspzissblisuGDs
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4905
)
)
– Drucksache 15/1525 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
InnenausschussSportausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GOZP 5 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPDund des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN einge-brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einord-nung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetz-buch– Drucksache 15/1514 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung undLandwirtschaftVerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenZSDWdsiddlusrtsasKgGdkednZHdK
Metadaten/Kopzeile:
4906 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Ich danke all denjenigen, die zum Kompromiss ge-standen haben und stehen – trotz unterschiedlicher poli-tischer Auffassungen. Ich danke an dieser Stelle auch alldenjenigen, die in unermüdlicher Arbeit hinter den Ku-lissen immer dafür gesorgt haben, dass das, was auf derpolitischen Ebene entschieden wurde, auch tatsächlich inGesetzesform gegossen wurde. Das waren nicht nur dieMitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Gesundheitsminis-teriums, sondern auch die der Fraktionen und der Län-derministerien. Wir haben allen Grund, ihnen zu danken.
Mit dem Kompromiss bei der Gesundheitsreformsetzt das Parlament eine gute Tradition in unserem Landfort, die Tradition, für das Wohlergehen der Menschengrundlegende sozialpolitische Fragen möglichst im Kon-sens zu beantworten. Die Bürgerinnen und Bürger kön-nen schwierige Entscheidungen akzeptieren, aber siewollen in den sozialen Sicherungssystemen in der RegelSicherheit und Planbarkeit über den Wahltermin hinaus,also jenseits der jeweiligen politischen Mehrheiten. Inder Regel ist das bei Dingen, die im Kompromisswegeentschieden wurden, in den vergangenen Jahren auch sogehandhabt worden. Niemand hat das mehr grundsätz-lich infrage gestellt. Unabhängig davon muss natürlichjedes Gesetz entsprechend der Entwicklung angepasstwerden.Der Kompromiss mit der Union zur umfassenden Re-form des Gesundheitswesens ist ein Baustein zur Umset-zung der Agenda 2010. Er ist ein wichtiger Eckpfeilerzur Verbesserung der Rahmenbedingungen für eine wirt-schaftliche Belebung und zur Schaffung von Arbeitsplät-zen in Deutschland. Alle am Kompromiss beteiligtenFraktionen und Parteien bekennen sich zu dem Ziel, Ar-beitskosten und Lohnnebenkosten zu verringern, damites gelingt, in Deutschland Beschäftigung zu schaffen.Denn eines ist klar: Alles, was im GesundheitswesenvegslcanusrnwdvGhlRhvdsabütsfkumrdEgrWioWdssägtiWsfWgr
Mit den vorliegenden Maßnahmen wird niemandberfordert. Es ist richtig, dass die Patienten und Patien-innen mehr Zuzahlungen als heute werden leisten müs-en, aber für die Versicherten sinken die Beiträge. Es giltür alle eine einkommensabhängige Überforderungs-lausel. Es gibt besondere Erleichterungen für Familiennd chronisch Kranke und – das kommt als neues Instru-ent hinzu – die Krankenkassen erhalten das Recht, An-eize für kosten- und gesundheitsbewusstes Verhaltener einzelnen Versicherten zu setzen. Damit hat es jederinzelne in der Hand, die jetzt vorgesehenen Zuzahlun-en zu reduzieren. Ich bin überzeugt, dass dieser Wegichtig ist.Mit der Gesundheitsreform werden entscheidendeeichen für umfassende strukturelle Erneuerungenm Gesundheitswesen gestellt. Ich gebe zu: Die Koaliti-nsfraktionen hätten sich mehr Wettbewerb gewünscht.enn auch beispielsweise die Details zur Neuregelunger ärztlichen Vergütung komplex und schwierig zu ver-tehen sind, so kann niemand mit Sachverstand davonprechen, dass sich mit dieser Reform nichts positiv ver-ndern würde. Im Gegenteil: Wir öffnen in allen Versor-ungsbereichen kollektivvertragliche Strukturen zuguns-en wettbewerblicher Lösungen. Wir fördern dientegrierte Versorgung bis an die Grenze des Möglichen.ir geben vielfache Anreize zur Förderung von Wirt-chaftlichkeit und Qualität in besonderen Versorgungs-ormen wie zum Beispiel den Chronikerprogrammen.ir schaffen Anreize für die Teilnahme an diesen Pro-rammen, die ja ein Quantensprung bei der Verbesse-ung der medizinischen Versorgung chronisch kranker
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4907
)
)
Bundesministerin Ulla SchmidtMenschen sind, indem Krankenkassen mit Bonuspro-grammen oder auch mit besonderen Tarifen werben kön-nen.Wir geben den Krankenkassen mehr Möglichkeitenzur Steuerung. Wir verlangen aber auch etwas: So müs-sen die Krankenkassen in Zukunft stärker als bisher Re-chenschaft über die Verwendung der Beiträge zum ei-nen bei den Leistungs-, zum anderen bei denVerwaltungs- und Personalausgaben ablegen. Damit er-höhen wir auch die Transparenz für die Versicherten. Siekönnen selbst darauf achten, ob ihre Kasse effizient ar-beitet. Angesichts der Steigerung der Verwaltungskostenin den letzten Jahren ist eine solche Maßnahme mehr alsüberfällig.
Meine Damen und Herren, wir können als Gesetzge-ber nur die Rahmenbedingungen setzen; handeln müssendie Akteure selbst.Es ist mir in der Diskussion sehr wichtig: Diese Ge-sundheitsreform ist, anders als es oft behauptet wird,kein Einstieg in den Ausstieg aus der Solidarität. Auchwenn gerade für unsere Seite die Neuregelung desZahnersatzes eine der bittersten Pillen unseres Kompro-misses ist, lassen wir die Menschen mit der jetzt gefun-denen Lösung nicht allein. Eine Privatisierung von Leis-tungen und Risiken findet mit dem Kompromiss nichtstatt. Die Menschen erhalten Wahlmöglichkeiten. Siekönnen selbst entscheiden, ob sie den Zahnersatz in dergesetzlichen oder in der privaten Krankenversicherungabsichern wollen. Für diejenigen, die sich für die GKVentscheiden, bleiben der gesetzliche Leistungsumfangmit der medizinisch notwendigen Regelversorgung unddie beitragsfreie Familienmitversicherung erhalten. Wirsind uns alle darin einig, dass wir als Gesetzgeber sehrgenau darauf achten werden, dass die Ansprüche derVersicherten durchgesetzt werden.Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele wollen esnicht glauben, aber die Gewinner und Gewinnerinnenwerden die Patienten und Patientinnen sein. Sie erhaltenmehr Wahl- und Mitsprachemöglichkeiten. Sie könnensich endlich erkundigen, wo sie die beste Behandlung ih-rer Erkrankungen bekommen. Wir überwinden die stren-gen Strukturen und starren Grenzen zwischen ambu-lanter und stationärer Versorgung. Wir öffnen überalldort, wo es notwendig ist und gewünscht wird, die Kran-kenhäuser für die ambulante Versorgung, zum Beispielzur Behandlung schwer kranker Menschen, die heutezwischen Krankenhaus und ambulanter Versorgung pen-deln müssen. Wir schaffen für diese Menschen auch inder integrierten Versorgung mehr Möglichkeiten. Wirführen Hausarztmodelle ein.Außerdem entsprechen wir einem alten Anliegen ge-rade der Bürgerinnen und Bürger der neuen Bundeslän-der: Wir werden in Deutschland künftig medizinischeVersorgungszentren, die insbesondere in Brandenburgals Gesundheitszentren bekannt sind, zulassen. Sie sindklassische Zentren der integrierten Versorgung. Damitwerden erstmals auch angestellte Ärzte und Ärztinnen inglidSpnddsvsgnBwgbÄdDzdphsTumfdhgkbtnDdsgcsrhmgwd
Der Gesetzentwurf enthält viele Regelungen, mit de-en wir die besondere Situation in den neuen Bundeslän-ern berücksichtigen und die medizinische Versorgungort stärken wollen. Unser Ziel ist, auch im medizini-chen Bereich die Angleichung der Lebensverhältnisseon Ost und West voranzubringen.Lassen Sie mich einen Punkt ansprechen, bei dem ofto getan wird, als hätten wir ihn vergessen. Inzwischenibt es ein Urteil zur Arbeitszeit der Ärzte und Ärztin-en. Auch darüber haben wir ausführlich gesprochen.ereits vor dem Urteil waren wir uns einig, dass wir er-arten, dass die Hierarchie in den Krankenhäusern ab-ebaut werden muss und dass die Krankenhäuser Ar-eitszeitmodelle schaffen, durch die den Ärzten undrztinnen Schichtarbeit ermöglicht wird. Wir wollen fürie Beschäftigen keine Arbeitszeiten von 30 Stunden.aher gibt es in diesem und im kommenden Jahr Geldur Unterstützung der Krankenhäuser, die hier einen an-eren Weg beschreiten wollen. Die Einführung der Fall-auschalen und der neuen Finanzierung in den Kranken-äusern ist ein integraler Bestandteil der Reform. Ichage ganz klar und spreche für alle Teilnehmerinnen undeilnehmer der Konsensrunde: Wir wollen, dass Ärztend Ärztinnen nicht mehr 30 Stunden am Stück arbeitenüssen. Wir setzen darauf, dass das, was schon heute inast 40 Prozent aller Krankenhäuser möglich ist, auch inen übrigen 60 Prozent endlich entsprechend gehand-abt wird.
Nicht nur in der Gesundheitspolitik, sondern in deresamten Sozialpolitik sind Sicherheit und Bezahlbar-eit für uns die entscheidenden Leitplanken. Im Alter,ei Krankheit oder in anderen schwierigen Lebenssitua-ionen kann es für jeden von uns Momente geben, in de-en wir auf die Solidarität der anderen angewiesen sind.iese Solidarität unter veränderten ökonomischen Be-ingungen in einer globalisierten Welt, aber auch ange-ichts der veränderten demographischen Entwicklung zuewährleisten ist unsere Aufgabe. Dass wir alle glückli-herweise immer älter werden und die Lebenserwartungteigt, auf der anderen Seite aber zu wenig Kinder gebo-en werden, ist die größte Herausforderung des 21. Jahr-underts.
Aus diesem Grund sind die anstehenden Sozialrefor-en notwendig. Sie sind notwendig, damit die Solidaritätewahrt bleibt und damit – das sollte nicht unterschätzterden – Gemeinsinn und Zusammengehörigkeitsgefühler Menschen gestärkt werden; denn ohne Solidarität
Metadaten/Kopzeile:
4908 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesministerin Ulla Schmidtbricht eine Gesellschaft auseinander. Dass wollen wirnicht.Deshalb werden wir auf dieser Grundlage eine breitegesellschaftliche Diskussion nicht nur um die langfris-tige Finanzierung unseres Gesundheitswesens führenmüssen. Es wird viel über die Bürgerversicherung disku-tiert. Ich habe den Eindruck, dass die Modelle noch nichtentscheidungsreif sind und dass wir noch sorgfältig prü-fen und abwägen müssen, um eine klare Perspektive auf-zuzeigen. Aber wir werden die Diskussion über dienachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung führenmüssen und auch Beschlüsse zur nachhaltigen Finanzie-rung der Alterssicherung in Deutschland fassen müssen.Auch dabei gelten für uns die beiden Gesichtspunkte Si-cherheit und Bezahlbarkeit.Wir haben in der letzten Legislaturperiode bereitsStrukturreformen in der Rentenversicherung umge-setzt. Wir haben den Einstieg in die kapitalgedeckte Zu-satzversorgung geschaffen, der damals vom KollegenSeehofer als Quantensprung in der Rentenpolitik be-zeichnet worden ist. Gleichwohl müssen wir weiterge-hen und weitere Maßnahmen auf den Weg bringen. Da-her werden wir im Herbst Maßnahmen vorstellen, diesowohl die kurz- als auch die mittelfristige Stabilisie-rung der Beitragssätze zur gesetzlichen Rentenversiche-rung zur Folge haben und die zugleich eine langfristigeKonsolidierung der gesetzlichen Rentenversicherung si-chern. Auch das wird nicht einfach. Es wird unbequem.Aber es ist der einzige Weg, der dazu führt, dass die Alters-sicherung für die Jungen bezahlbar und für die Älterenverlässlich bleibt; denn eines sollten wir nie vergessen:Nur bezahlbare Renten sind sichere Renten.Mit der anstehenden Reform der Sozialhilfe stellenwir einfache und transparente Hilfeleistungen zur Verfü-gung. Einmalige Leistungen der Hilfe zum Lebensunter-halt werden in den Regelsatz mit einbezogen. Diesbringt neben der Stärkung der Eigenverantwortlichkeitder Leistungsberechtigten für die Verwaltung erheblicheVereinfachungen. Leistungen müssen künftig nicht mehreinzeln bewilligt werden und der Einzelne kann bessermit einem eigenen Budget haushalten und eigene Priori-täten setzen.Sicherheit und Bezahlbarkeit als Leitplanken unsererSozialpolitik sind auch Kennzeichen des vorliegendenHaushalts. Wir garantieren auf der einen Seite die Be-reitstellung der notwendigen Mittel für die Sicherungund Fortentwicklung der Systeme der sozialen Siche-rung. Auf der anderen Seite trägt dieser Haushalt zu-gleich dem Kurs der strikten HaushaltskonsolidierungRechnung.In der Zukunft wird es keine Sozialpolitik mehr nachdem Motto geben: Wasch mir den Pelz, aber mach michnicht nass. Dieses Motto macht unsere sozialen Siche-rungssysteme nicht zukunftsfähig. Es verschiebt Pro-bleme, löst sie aber nicht. Wir haben keine Wahl. Wirmüssen uns den notwendigen Reformen stellen, undzwar heute. Dies sage ich auch als Mutter und Großmut-ter; denn ich möchte, dass auch unsere Kinder und En-kelkinder im Alter noch ein vergleichbares Stück Sicher-hgCHtszsvhlmbwdvgTsGwhdastwwohnkmdhnuSdKbsal
Nächster Redner ist der Kollege Horst Seehofer,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Das deutsche Gesundheitswesen ist in den letz-en Monaten – wie selten zuvor – in den Mittelpunkt derozialpolitischen Diskussion gerückt. Ich glaube, es istu Beginn dieser Beratungen über den Gesundheitskon-ens ganz wichtig, dass wir uns einmal Klarheit darübererschaffen, wo wir mit unserem Gesundheitswesen ste-en und wo die eigentlichen Probleme liegen. In denetzten Wochen und Monaten ist nämliches vieles ver-ischt worden.Wir haben es in Deutschland nicht mit einer Kriseei der Versorgung kranker Menschen zu tun. Uns be-egt – nicht zum ersten Mal, aber immer drängender –ie Finanzierungskrise in der gesetzlichen Kranken-ersicherung. Wir können auch im internationalen Ver-leich feststellen, dass unser Gesundheitswesen in alleneilen Deutschlands einen sehr hohen Versicherungs-chutz bietet, ein beinahe flächendeckendes Angebot anesundheitsleistungen bereitstellt und einen vergleichs-eise hohen Versorgungsgrad aufweist.Wenn wir also im Zusammenhang mit der Gesund-eitsreform über die Versorgungsqualität diskutieren,ann diskutieren wir nicht darüber, wie wir sozusagenus dem Keller in eine obere Etage gelangen können,ondern darüber, wie wir es schaffen können, dass wirrotz der vielen Veränderungen in der Arbeitswelt, derirtschaftlichen Schwäche, der steigenden Lebenser-artung und trotz des medizinischen Fortschritts in einerberen Etage bleiben, vielleicht sogar noch eine Etageöher kommen können.Diejenigen, die im Gesundheitsbereich in verschiede-en Berufen insbesondere als Mediziner oder als Pflege-räfte tagtäglich einen sehr kompetenten und auch hu-anen Dienst für kranke Menschen leisten, sind nichtie Verursacher der Probleme im deutschen Gesund-eitswesen. Deshalb möchte ich die Gelegenheit wahr-ehmen, den Frauen und Männern zu danken, die rundm die Uhr, ständig konfrontiert mit dem Leid, mit demchicksal von kranken Menschen und nicht selten mitem Tod, ihren Dienst für kranke Menschen mit hoherompetenz und mit sehr viel Humanität leisten. Sie ha-en unseren Dank verdient.
Wenn ich sage, dass wir weniger Probleme in der Ver-orgungsqualität haben, dann heißt das nicht, dass dortlles perfekt ist. In Menschenhand ist nichts perfekt; al-es kann noch verbessert werden. Aber in der Versor-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4909
)
)
Horst Seehofergungsqualität liegt nicht der Ansatzpunkt für eine Ge-sundheitsreform. Unser primäres Problem ist dieFinanzierungskrise. Bei allem Konsens und bei allerKonsensbereitschaft kann ich Rot-Grün die Feststellungnicht ersparen, dass die Finanzierungskrise in der gesetz-lichen Krankenversicherung Deutschlands in den letztenJahren politisch verschuldet worden ist.
– Frau Bender, wenn Sie sagen, das hätte jetzt nicht seinmüssen, dann muss ich erwidern: Bei allem Konsens undbei allen gegenwärtigen Konsensbemühungen muss manschon deutlich machen, wo die Ursache für die Kriseliegt, damit man in der Zukunft die Fehler aus der Ver-gangenheit nicht wiederholt. Einer Ihrer größten Fehlerist, 1997 und 1998 gegen mehr Eigenverantwortung imdeutschen Gesundheitswesen politisch zu Felde gezogenzu sein und 1999 die Gesundheitsreform zurückgenom-men zu haben. Wir hätten einen ganzen Rucksack weni-ger Probleme in Deutschland, wenn Sie 1999 unsere So-zialreformen nicht zurückgenommen hätten.
– Wir haben 1998 Überschüsse übergeben und die Bei-träge waren deutlich niedriger. Jetzt haben wir diehöchsten Beitragssätze in der Geschichte der gesetzli-chen Krankenversicherung. Die gesetzlichen Kranken-kassen sind enorm verschuldet, nämlich mit zwischen7 und 8 Milliarden Euro. Viele Krankenkassen könnendie Leistungen nur noch finanzieren, weil sie Schuldenaufnehmen.
Es gibt überhaupt keine Krankenkasse mehr, die die ge-setzlich vorgeschriebenen Rücklagen vorweisen kann.Ich neige bei Bewertungen nicht zum Superlativ; aberhier muss man von einer Finanzierungskrise sprechen.Es gibt sicher externe Faktoren. Aber ein Hauptgrundsind die fehlerhaften politischen Entscheidungen. Des-halb bin ich froh, dass sich Rot-Grün bei diesem Kon-sens in vielen Bereichen, was Eigenverantwortung, Frei-heit sowie Rücknahme des Staates und Rücknahme vonParagraphen betrifft, im Grundsatz in die richtige Rich-tung bewegt hat.Ich halte es für einen ganz großen Ertrag der Konsens-verhandlungen, dass es uns geglückt ist, die freie Arzt-wahl, die freie Krankenhauswahl und die freie Kranken-kassenwahl der Bürger in Deutschland zu erhalten.
Dies ist ein großes Bürgerrecht. Qualität und Effizienzkönnen Sie im Gesundheitswesen nicht mit Planwirt-schaft, sondern nur mit Wettbewerb und freier Arztwahlerhalten.
dtd–Ws–zzhEsdmbhnKKucsntddMkwsDDmwdkIPhütdasjucktt
Auch ich teile das Urteil, dass in diesem Gesetzent-urf viel mehr Strukturelemente enthalten sind, als es iner öffentlichen Diskussion gelegentlich zum Ausdruckommt. Ich sage manchmal scherzhaft zu Journalisten:ch habe Verständnis dafür, dass sie einfach nicht denlatz haben, auch über die Strukturelemente der Gesund-eitsreform zu schreiben.Meine Damen und Herren, wir haben jahrzehntelangber die Finanzierung der versicherungsfremden Leis-ungen diskutiert. Ich finde, es ist ein großer Fortschritt,ass versicherungsfremde Leistungen künftig nicht mehrus Beitragsmitteln, aus Sozialversicherungsbeiträgen,ondern aus Steuermitteln finanziert werden. Das wirdetzt Wirklichkeit. Dies wird die Krankenversicherungenm fast einen halben Prozentpunkt entlasten.Ich finde es gut, dass wir bei der Reform der ärztli-hen Vergütung Einigkeit erzielt haben. Ärzte werdenünftig für gute Qualität und nicht mehr für die Auswei-ung der Leistung bezahlt. Das wird übrigens zu qualita-iv wesentlich verbesserter medizinischer Versorgung
Metadaten/Kopzeile:
4910 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Horst Seehoferführen. Es wird also die Qualität finanziert und nicht dieMenge, die Ausweitung der Leistung.Die Budgetierung wird auch im ambulanten Bereich– im Krankenhaus ohnehin – abgeschafft. Denn sosehrman die Budgetierung zeitlich befristet als Steuerungsin-strument wählen kann, sie führt, wenn sie auf Dauer ein-geführt wird, bei den kranken Menschen zur Rationie-rung, zur Einschränkung von Leistungen. Dies hat inDeutschland in der Praxis zu der absurden Situation ge-führt – die Dauerbudgetierung war in diesem Zusam-menhang das Hauptproblem –, dass Sozialhilfeempfän-ger medizinisch umfassender versorgt wurden als diebeitragszahlenden Krankenversicherten. Denn für die ei-nen gab es ein Budget und für die anderen nicht. Deshalbist es eine zweite wichtige strukturelle Maßnahme, dassSozialhilfeempfänger künftig medizinisch wieder ge-nauso behandelt werden und die gleichen Zuzahlungenzu leisten haben wie beitragszahlende Krankenversi-cherte. Das ist ein Stück mehr Gerechtigkeit.
Nach jahrelanger Diskussion wird jetzt das Wahl-recht der Versicherten im Hinblick auf die Kostener-stattung eingeführt. Nicht Funktionäre und Institutionen,sondern niemand anders als der Versicherte, der Beiträgezahlt, hat zu entscheiden, ob er eine Kostenerstattungoder eine Sachleistung will. Es kommt zu einer Stärkungder Patientenrechte mit dem Recht auf Ausstellung einerRechnung und mit einer Beteiligung der Selbsthilfegrup-pen und Patientenverbände in Gesundheitsinstitutionen,Krankenkassen und Bundesausschüssen, wo sie mitre-den können. Denn es wird zwar oft über den Patientengesprochen; aber die Patienten sind viel zu wenig in dieEntscheidungsprozesse der deutschen Gesundheitspoli-tik eingebunden. Das ändert sich jetzt. Wir stärken diePatientenrechte massiv, ohne dass damit Bürokratie ver-bunden ist. Wir öffnen die Krankenhäuser teilweise wie-der bei schwierigen medizinischen Indikationen und beihoch spezialisierter Versorgung für die ambulante Be-handlung. Wir konnten den Menschen nicht mehr längererklären, warum eine Frau nach einer Brustamputationmit wochenlangem stationären Aufenthalt nicht zur am-bulanten Behandlung in das Krankenhaus zurückkann,in dem sie Vertrauen zum Pflegepersonal und zu denÄrzten hat. Dass sich dies jetzt ändert, ist ein großerWunsch der Bevölkerung.Wir öffnen die integrierte Versorgung mit wenigergesetzlichen Vorgaben. Ein großes Problem des deut-schen Gesundheitswesens besteht in der starren Tren-nung von stationärer und ambulanter Behandlung. Diesewird jetzt gesetzgeberisch deutlich erleichtert. Wirschreiben nicht für ganz Deutschland vor, wie das zu ge-schehen hat, sondern die Ärzte, Krankenkassen und an-dere vor Ort sollen darüber im Sinne eines freiheitlichenselbstverwalteten Gesundheitswesens entscheiden, wiesie es für richtig halten.Wir lassen medizinische Versorgungszentren zu, undzwar nicht als Spielwiese für gescheiterte Sozialingeni-eure, nicht für die Sozialversicherungen und nicht für dieöffentliche Hand. Sie kommen in unternehmerische Ver-antwortung und junge Ärzte erhalten somit die großeCVtkdPmkvmhjecwmgddsgmnwKKvleMndhfDnGmnvwakVRmDr
Wir haben auf die soziale Situation der kleinen Leuteücksicht genommen. Kein chronisch kranker Menschuss mehr als 1 Prozent seines Einkommens zuzahlen.as ist Eigenverantwortung, die zumutbar ist. Alle ande-en Menschen müssen nicht mehr als 2 Prozent aufbrin-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4911
)
)
Horst Seehofergen. Wir haben Freibeträge für die Kinder eingeführt.Für die Kinder und Jugendlichen gibt es keine Zuzah-lungspflicht und auch ein nicht berufstätiger Ehegattebekommt Freibeträge. Es gibt die klare Definition, dassdie 1 bis 2 Prozent des Einkommens Eigenverantwor-tung darstellen und der Rest in solidarischer Absiche-rung erfolgt. Es ist gewissermaßen gesetzlich definiert,was Eigenverantwortung und was Solidarität ist.Weil wir die Kraft dazu haben, werden wir auch dasoberste gesundheitspolitische Ziel in den nächsten Jah-ren finanzieren können – und zwar bei sinkenden Beiträ-gen –: Das Allerwichtigste ist – das ist noch wichtigerals die Lohnnebenkostenfrage –, dass kranke Menschendarauf vertrauen können, auch in Zukunft medizinischund pflegerisch erstklassig versorgt zu werden.Wir werden keine Unterschiede hinsichtlich desFinanzstatus, des Einkommens oder des Alters machen.Es muss beim Prinzip der Solidarität bleiben, das inder Bevölkerung hohen Respekt und hohe Wertschät-zung genießt, nämlich Jung für Alt, Stark für Schwachund Gesund für Krank. Das ist mit dieser Gesundheits-reform realisiert.
Meine Damen und Herren, Beteiligte an einem Kon-sens neigen immer dazu, den Konsens höher zu bewer-ten, als er tatsächlich ist. Trotzdem kann ich als Beteilig-ter an vielen Reformen sagen, dass es zumindest vomFinanzvolumen her – die Kostenersparnis wird in dennächsten vier Jahren über 20 Milliarden Euro betragen –ein sehr großes Werk ist. Ich darf an den Kompromissvon Lahnstein aus dem Jahr 1992 erinnern, bei dem esum ein Volumen von 5 Milliarden ging.Zum Schluss möchte ich noch auf einen Punkt hin-weisen. Eine Beitragssatzsenkung, die zu Ersparnissenund zu einer Erleichterung bei den Lohnnebenkostenführt, sowie die Einlösung unseres politischen Verspre-chens, eine erstklassige Medizin für alle sicherzustellen– das ist unsere Absicht –, werden auf Dauer nur gelin-gen, wenn die Quelle, aus der die Sozialsysteme finan-ziert werden, in der Zukunft wieder zum Sprudeln ge-bracht wird. Erstklassige Wirtschaft ist Voraussetzungfür erstklassige Gesundheitsleistungen. Deshalb sage ichan die Adresse von Rot-Grün: Sie müssen Ihre Wirt-schafts-, Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik funda-mental ändern;
denn wir können im Gesundheitswesen nicht so viel re-formieren, wie uns durch eine verfehlte Wirtschaftspo-litik auf der Einnahmeseite wegbricht.
Ich bleibe dabei: Das Werk, das durch unsere gemein-samen Reformen entsteht, ist ein großes Werk. Es warim Augenblick, in der Notsituation der gesetzlichenKrankenversicherung, parteiübergreifend zu leisten.Aber dieses Werk wird am Ende nicht gelingen, wenn esnicht zu positiven Impulsen für Wachstum und Beschäf-tdmdesnahicm–sTrghsBuBKTvdSewmfDZKutuFDwdddA
Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender,
ündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herrollege Seehofer, ich hätte erwartet, dass Sie beimhema erstklassige Finanzierung das Stichwort Bürger-ersicherung nennen. Ich denke, darüber werden wiremnächst noch reden.Vor wenigen Tagen meldete sich von unerwartetereite ein Kronzeuge dafür, dass der vorliegende Gesetz-ntwurf so schlecht nicht ist, wie gelegentlich behauptetird. Herr Hoppe, der Präsident der Bundesärztekam-er, prognostizierte, dass diese Reform in kurzer Zeitür sehr viel mehr Wettbewerb als bisher sorgen werde.as liege, so Herr Hoppe weiter, insbesondere an derulassung von Gesundheitszentren und den erweitertenooperationsmöglichkeiten zwischen Krankenhäusernnd dem ambulanten fachärztlichen Bereich.
Zugegeben, Herr Hoppe hat diese Äußerungen kri-isch gemeint. Er beschwor die aus unserer Sicht völlignrealistische Gefahr herauf, dass die niedergelassenenachärzte durch die neue Konkurrenz verdrängt würden.och ich sage Ihnen: Diejenigen, die für mehr Wettbe-erb und mehr Kooperation im Gesundheitswegen plä-ieren, hat er mit seiner Äußerung nicht schrecken, son-ern nur ermutigen können.
Meine Damen und Herren, im Kern hat der Präsidenter Bundesärztekammer Recht: Diese Reform wird allenkteuren größere Chancen für Strukturveränderungen
Metadaten/Kopzeile:
4912 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Birgitt Benderbieten als jede Gesundheitsreform vor ihr. Die Diagnose,dass das Gesundheitswesen in Deutschland vor allen ander starren Abschottung der Leistungsbereiche lei-det – und daran die Patientinnen und Patienten leiden –,wird allgemein geteilt. Die Behebung dieses Leidenswird umso drängender, als wir alle wissen, dass die Zahlder chronisch Kranken zunimmt und dass gerade sie essind, die aufeinander abgestimmte Versorgungsketten füreine gute Behandlung brauchen.Wir haben deswegen bereits im Rahmen der Gesund-heitsreform 2000 versucht, mit der Einführung der inte-grierten Versorgung einen Bereich zu schaffen, ausdem heraus allmählich mehr Kooperation zwischen Ärz-ten, anderen Gesundheitsberufen und Krankenhäusernentsteht. Aber es hat sich in den letzten Jahren gezeigt,dass die rechtlichen und wirtschaftlichen Barrieren fürdiese Zusammenarbeit so hoch sind, dass keine großeZahl neuer Versorgungsnetze entstanden ist.Genau hier liegt die wichtigste Strukturveränderungin diesem Gesetzentwurf: Zusammenarbeit wird mög-lich, sie wird sogar gefördert. Wir haben die rechtlichenSchranken abgebaut. Darüber hinaus werden bis zumJahr 2006 bis zu 600 Millionen Euro bereitgestellt, umden schlafenden Riesen Integrationsversorgung zu we-cken. Das ist auch ein Weg zu mehr Qualität.
Die Botschaft, dass mehr Zusammenarbeit möglichwird, senden auch andere Reformmaßnahmen. Die inden neuen Bundesländern erfolgreich erprobten Ge-sundheitszentren werden zur Regelversorgung zugelas-sen und endlich überall möglich. Das kommt dem Be-dürfnis der Patientinnen und Patienten nach kurzenWegen und Versorgung aus einer Hand entgegen. Durchdie Ausweitung der Hausarztmodelle erhalten die Pa-tientinnen und Patienten die Gelegenheit, selbst etwaszum Zusammenwachsen des Versorgungssystems beizu-tragen. Durch die Teilöffnung der Krankenhäuser für diefachärztliche ambulante Versorgung wird gerade fürschwer erkrankte Patientinnen und Patienten die Konti-nuität der Behandlung sichergestellt.Dieses Gesetz macht vieles möglich. Es verordnetnicht von oben herab mehr Zusammenarbeit. Aber esbietet allen Akteuren im Gesundheitswesen, den Leis-tungserbringern, den Kassen und den Patienten, dieMöglichkeit, sich für mehr Zusammenarbeit zu entschei-den. Ob diese Chance genutzt wird, wird von den Akteu-ren im Gesundheitswesen abhängen.Meine Damen und Herren, einen großen Schritt nachvorn bedeutet das Gesetz auch für die Weiterentwick-lung der Beteiligungsrechte von Patientenverbänden,Selbsthilfezusammenschlüssen und Behindertenorgani-sationen. Seit den 80er-Jahren haben wir aus der Ge-sundheitsbewegung heraus immer wieder die Kritik ge-hört, dass das Gesundheitswesen eine der letztendemokratiefreien Zonen dieser Gesellschaft sei, dass Pa-tienten nicht als Beteiligte, sondern als Objekte von Be-handlungsprozessen behandelt würden, dass das Systemeinseitig auf Kostenträger und Leistungserbringer ausge-rVUubrAdhsfGdvfhlisrsbdDsmwuGisbdeQswEwvHaADtfgtbZ
Damit tun wir auch etwas für die Qualität im Gesund-eitswesen. Denn wer wüsste besser etwas über die Qua-ität von Behandlungen zu sagen als diejenigen, die siem wahrsten Sinne des Wortes hautnah erleben?
Meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist – dasage ich für die Grünen – einerseits gut, da es den Akteu-en den notwendigen Bewegungsspielraum gibt, um un-er Gesundheitswesen gemeinsam und auf Augenhöheesser zu machen. Andererseits – auch dies sage icheutlich – weist das vorliegende Gesetz ein Defizit auf.ieses Defizit wird offensichtlich, wenn man den Ge-etzentwurf, den die Koalitionsfraktionen hier ins Parla-ent eingebracht haben, und den jetzigen Konsensent-urf einmal nebeneinander legt; denn wir sind mitnserem Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz derrundidee gefolgt, dass mehr Wettbewerb erforderlichst, um im Gesundheitswesen mehr Qualität und Wirt-chaftlichkeit hervorzubringen.Dazu sollten in allen Leistungsbereichen die Rahmen-edingungen geschaffen werden, um neben den Kassen,ie ja bereits im Wettbewerb stehen, auch die Leistungs-rbringer in den Wettbewerb zu bringen, sodass sie umualität und Wirtschaftlichkeit wetteifern. Leider ist die-er Wettbewerbsgedanke im vorliegenden Gesetzent-urf stark reduziert worden. Ich sage aber auch deutlich:r wurde zwar reduziert, aber nicht eliminiert. Es ist mirichtig, das an dieser Stelle festzuhalten.Auch die nun vorgesehenen Reformmaßnahmen – hiererweise ich wieder auf den eingangs zitierten Professoroppe – werden zu weitaus mehr Wettbewerb führen,ls das Gesundheitswesen bisher kennt. Das liegt an demusbau der Integrationsversorgung – das sind letztlichirektverträge –, an weiteren Flexibilisierungen im Ver-ragsrecht und an der Zunahme der Wahlmöglichkeitenür die Versicherten zwischen verschiedenen Versor-ungsformen. Zudem ist es in der Arzneimitteldistribu-ion gelungen, mit der wenngleich begrenzten Aufhe-ung des Mehrbesitzverbotes bei den Apotheken, derulassung des Arzneimittelversandhandels und der
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4913
)
)
Birgitt BenderPreisfreigabe für verschreibungsfreie Arzneimittel wich-tige Wettbewerbselemente einzuführen. Hier wurde eineTür aufgestoßen, damit die Schutzzäune, die den Wett-bewerb bisher verhindert haben, fallen.Trotzdem sind auf dem Weg vom ursprünglichen Ge-setzentwurf zum Konsens einige Reformmaßnahmen fürmehr Wettbewerb über Bord gegangen. Ich sage hier fürdie Grünen: Wir wollen dafür sorgen, dass diese Maß-nahmen wieder ins Boot kommen; denn wir brauchendiese Wettbewerbselemente, um Wirtschaftlichkeitsre-serven zu erschließen und die unvermeidbaren zusätzli-chen Belastungen für die Versicherten in einem sozial-staatlich akzeptablen Rahmen zu halten. Danebenbrauchen wir sie als Suchverfahren, um zu Innovationenzu kommen, die unser Gesundheitswesen dringend be-nötigt, um zukunftsfähig zu sein.
Kurzum: Dieses Gesetz ist nicht das Nonplusultra.Man merkt ihm an, dass zu seiner Durchsetzung ein Par-teienkonsens über die Koalitionsgrenzen hinaus erfor-derlich war. Große Koalitionen sind in ihrer Reformfä-higkeit nun einmal begrenzt.
– Herr Seehofer, auch Sie werden es hinter den Kulissenzugeben. – Dieses Gesetz stößt aber Türen auf, die bis-her verschlossen waren. Deswegen sagen wir: Es ist einKompromiss mit Perspektiven.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Dieter Thomae,
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Seit 1998 erleben wir, dass die Gesetzgebung
von Rot-Grün permanent in das System eingreift. Wir
stellen fest: Die Intervention funktioniert nicht.
Wenn man diesen Gesetzentwurf sehr sorgfältig liest,
muss man eindeutig feststellen, dass es auch hier ent-
scheidende Punkte gibt, deren Umsetzung weiter in die
Planwirtschaft führen würde. Herr Seehofer, ich bin
nicht so euphorisch wie Sie und viele andere; denn wenn
Sie zum Beispiel die Befugnisse des Bundesausschusses
analysieren, stellen Sie fest, welchen Einfluss letztlich
die Bundesregierung auf die Genehmigungsbehörde hat.
Der Bundesausschuss wird eine staatliche Genehmi-
gungsbehörde mit massivem Einfluss darauf, ob neue In-
vestitionen getätigt und Innovationen erreicht werden
können oder nicht – ein bürokratisches Monster!
Zudem zeigt der Gesetzentwurf eine Diskriminie-
rung der Leistungserbringer in allen Bereichen auf.
–
a
2
t
s
s
G
s
g
n
i
u
M
d
l
m
a
t
ü
A
n
s
l
W
w
m
w
a
r
i
t
g
m
s
v
G
m
S
K
a
s
K
t
Sie wollen – darüber kann man mit Recht diskutieren;
uch ich bin dafür – die integrierte Versorgung einfüh-
en. Aber wie Sie das finanziell organisiert haben, finde
ch unverantwortlich. Jedes Krankenhaus, ob Transplan-
ationszentrum, Kreiskrankenhaus oder Kinderonkolo-
ie, muss die nächsten drei Jahre 1 Prozent seines Volu-
ens für die integrierte Versorgung zur Verfügung
tellen. Ähnliche Regelungen sind für die Ärzteschaft
orgesehen. Diejenigen, die aus den unterschiedlichsten
ründen an der integrierten Versorgung nicht teilneh-
en können, werden zu Zahlungen verpflichtet. Wenn
ie wissen, was es bei der finanziellen Situation der
rankenhäuser heute für ein Kreiskrankenhaus bedeutet,
uf 1 Prozent seines Volumens zu verzichten, können Sie
ich die Folgen ausrechnen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Kirschner?
Nein, ich möchte meine Rede im Zusammenhang hal-en.
Metadaten/Kopzeile:
4914 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dr. Dieter ThomaeFinstere Kostendämpfung führt zur Missachtungmarktwirtschaftlicher Prinzipien. Ich kann mich gut anGesetzentwürfe in diesem Haus erinnern, die ähnlicheZiele hatten und mit denen man es vermieden hätte, in-novative Pharmaunternehmen mit Abschlägen zu bestra-fen. Wir haben 1997/98 solche Gesetzentwürfe einge-bracht. Wenn Sie glauben, die finanziellen Engpässe desgesetzlichen Systems damit zu beseitigen, dann irren Siesich. Sie können zwar ein bestimmtes Einsparvolumenfordern, aber damit können Sie keine vernünftige For-schungs- und Arbeitsmarktpolitik in Deutschland betrei-ben.
Die Unternehmen werden in Deutschland nicht mehrforschen und das Land verlassen. Die ersten Signale da-für haben Sie schon bekommen. Das liegt an Ihrer ver-fehlten Politik. Hätten Sie 1998 – Herr Seehofer hat esIhnen schon deutlich gesagt – nicht die Zuzahlung zu-rückgenommen und Leistungen verlagert, dann wärendiese Maßnahmen nicht notwendig gewesen.
Sie reden immer von der Förderung des Wettbewerbsin diesem System. Sie verstehen unter dem Begriff Wett-bewerb doch nur eines, nämlich die Macht der Kranken-kassen zu stärken, das heißt, den Krankenkassen einemonopolartige Stellung zu übertragen. Das kann nichtdie Zielsetzung sein.
– Beispielsweise bei Einzelverträgen.
Wenn einer Ihrer Eckpunkte schon „fairer Wettbe-werb“ lautet, dann hätten Sie auch für den Versandhan-del fairen Wettbewerb organisieren müssen. Das tun Sienicht. Fairer Wettbewerb mit dem Versandhandel istnicht gegeben: unterschiedliche Mehrwertsteuersätze,unterschiedliche Zuzahlungen, gar nicht zu reden davon,dass sich die traditionelle Apotheke an Öffnungszeitenhalten muss.Wenn Sie schon von Fairness reden, dann sollten Sieentsprechende Gesetze machen. Es gibt kein Land indieser Welt, das bei Arzneimitteln den Versandhandelüber die Landesgrenzen hinweg zulässt, auch nicht dieSchweiz oder Amerika. Sie aber wollen jetzt mit diesemGesetz den Versandhandel von anderen europäischenStaaten nach Deutschland organisieren. Warten Sie ab,bis demnächst die Arzneimittel aus Polen und Tsche-chien kommen! Dann möchte ich sehen, wie Sie dieLeistungen sicherstellen wollen.
– Doch, wenn sie in der Europäischen Union sind, gehtdas.
Vsvuz–isDsdvhdvasShdlrsnwDVsslÜMlg
ersicherungsfremde Leistungen sollen über die Tabak-teuer finanziert werden. Bisher haben wir kein Signalon Herrn Eichel, dass er diese Differenz übernimmt,m die versicherungsfremden Leistungen gegenzufinan-ieren.
Wir werden es sehen, wenn das Gesetz verabschiedett.
ie Finanztableaus von Rot-Grün haben noch nie ge-timmt und so wird es auch in diesem Fall sein. Sie wer-en sich noch wundern!Die Krankenkassen sind nicht mit 7 Milliarden Euroerschuldet, sondern die Krankenkassen sind erheblichöher verschuldet. Denn hinzugerechnet werden müssenie Verbindlichkeiten gegenüber Leistungserbringern,or allen Dingen gegenüber Krankenhäusern, die mehrls 2 Milliarden Euro ausmachen. Wie wollen Sie ange-ichts dessen Ihr Finanztableau halten?
chon heute können die Krankenkassen die Kranken-äuser nicht bezahlen, mancherorts sind die ausstehen-en Zahlungen seit mehr als drei oder vier Monaten fäl-ig. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?Ich bin nicht so optimistisch wie viele meiner Vor-edner; ich bin pessimistisch. Wenn Sie dieses Tableaueriös analysieren, dann stellen Sie fest, dass es in denächsten Jahren keine Beitragssatzsenkungen gebenird.
ass ich nicht so falsch liege, sehen Sie daran, dass dieorstände der Krankenkassen nicht bereit sind, die Aus-age zu treffen, dass in der nächsten Zeit eine Beitrags-atzsenkung erfolgt.Mit diesen Maßnahmen werden Sie das Ziel verfeh-en. Schauen Sie unseren Leitantrag an. Wir sind derberzeugung, dass unser Weg der richtige ist.Herzlichen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Helga Kühn-
engel, SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-egen! Herr Thomae, ich war doch etwas überrascht. Ei-entlich wollte ich meine Rede mit einem Dank an die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4915
)
)
Helga Kühn-MengelMitglieder der Konsensrunde beginnen und mich aus-drücklich für die gute, wenn auch anstrengende Arbeitbedanken. Ich wollte auch Ihnen danken, Herr Thomae,weil Ihre Beiträge immer sehr deutlich machen, wohindie Reise gehen würde, wenn Sie nur könnten.
Ich muss gleichzeitig Ihre Begrifflichkeiten weit zurück-weisen. Von planwirtschaftlichem Denken kann in die-sem Gesetz weiß Gott keine Rede sein.
Wir wollten mehr Wettbewerb, den Sie, solange Sie amTisch saßen, vehement bekämpft haben.
Wir haben natürlich den Ausgleich zwischen den Ärztenin Ost und West mit diesem Gesetz befördert. Das istaber ein Ausgleich, keine Haftung. Wenn wir das Arz-neimittelbudget strenger fassen, dann ist das ein wichti-ger Schritt zur Konsolidierung desjenigen Bereiches, dererheblich zu den Ausgabensteigerungen der gesetzlichenKrankenkassen beigetragen hat. Wir befördern die inte-grierte Versorgung durch eine Anschubfinanzierung undbauen bürokratische Hemmnisse ab. Das ist ein deutli-cher und wichtiger Fortschritt.Der Kompromiss ist vor dem Hintergrund einerSchritt für Schritt gewachsenen Einsicht zustande ge-kommen, dass wir den Sozialstaat umbauen müssen,wenn wir ihn erhalten wollen. Wir alle nehmen diesenSozialstaat als etwas Selbstverständliches hin. Wir ver-lassen uns darauf, dass unser Lebensstandard im Fallevon Arbeitslosigkeit nicht abrupt abnimmt und dass wirärztlich versorgt werden, wenn wir krank sind.Es ist richtig, Herr Kollege Seehofer, dass wir – auchim weltweiten Vergleich – ein sehr gutes System haben.Aber es ist auch ein teueres System, das nicht in allenFacetten wirksam und effektiv ist. Deswegen ist festzu-stellen, Herr Kollege Seehofer – diesen Ball spiele ichzurück –: Sie hätten diese Strukturreformen auch in IhrerAmtszeit längst durchführen können. Denn in den Gut-achten der Sachverständigen haben sich auch schon da-mals Hinweise auf Ineffizienzen aufgetan. Sie hättenechte Reformen durchführen können, statt sich auf Kos-tendämpfungsgesetze zu beschränken.
Im Übrigen – auch das muss ich noch kurz anmerken –hat das Bundesministerium für Gesundheit und SozialeSicherung bereits im vergangenen Jahr, also noch vordem erzielten Konsens, Zuschüsse für flexible Arbeits-zeitmodelle zur Verfügung gestellt, und zwar im Vorgriffauf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes.In Deutschland vertrauen mehr als 70 Millionen Men-schen auf das System der solidarischen Krankenversi-cherung, in dem Jüngere für Ältere, Alleinstehende fürFamilien, Gesunde für Kranke und Einkommenstärkerefür Einkommenschwächere einstehen. Dieses solidari-smEsdWmanbmliwStlusSaKVthDueFslarDinsuoetehPsrlegU
Metadaten/Kopzeile:
4916 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Helga Kühn-MengelDie breiteren Schultern müssen auch in Zukunft mehrtragen als die schwachen.Das darf nicht mit Besitzstandswahrung verwechseltwerden. Wir wollen aber eine solidarische Gesellschafterhalten, in der soziale Gerechtigkeit als essenziellesZiel anerkannt ist. Wir werden auch dafür sorgen, dassdie Gesundheits- und Sozialpolitik wegen des Anpas-sungsdruckes nicht zum bloßen Anhängsel der Wirt-schaftspolitik verkommt. Gesundheits- und Sozialpolitikmuss auf den ökonomischen Gegebenheiten basieren,das ist richtig, sie darf aber nicht zur Variablen der Wirt-schaftspolitik herabgestuft werden.
Jetzt noch etwas zum Kompromiss. Dieser Begriffhat hier oftmals einen negativen Beigeschmack; „faulerKompromiss“ und „kleinster gemeinsamer Nenner“ sindhäufig gebrauchte Redewendungen. Das war aber nichtunser Ansatz. Wer das Wünschbare verabsolutiert unddas Machbare gering schätzt, ist in der Politik fehl amPlatz. Wir sagen: do ut des – ich gebe, damit du gibst.Kompromisse sind gelebter Pragmatismus. Sie sind derKitt, der die Gemeinschaft zusammenhält. Das gilt fürStaat und Gesellschaft.Es ist richtig: Die Bürger werden stärker an denKrankheitskosten beteiligt – an vielen Stellen neu undauch schmerzhaft. Wir haben aber dafür gesorgt, dass dieKosten verträglich sind und dass Bürgerinnen und Bür-ger in vielen Feldern auch auf der Habenseite ein Plusverzeichnen.Die gesetzliche Krankenversicherung – das ist unserAnsatzpunkt – dient den Versicherten und den Patientin-nen und Patienten. Ihre Belange standen deshalb für unsim Mittelpunkt der Reform. In diesem Gesetz werdenPatienten stärker in die Entscheidungsprozesse der ge-setzlichen Krankenversicherung eingebunden. Die ent-scheidende Voraussetzung ist die Herstellung vonTransparenz über Angebote, Leistungen, Kosten undQualität. Wenn das gewährleistet ist, erhöhen sich auchWirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen.Dabei – ich sage es noch einmal – bleibt die freie Arzt-wahl erhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir indiesem Gesetz die Patientensouveränität durch mehrTransparenz, Wahlmöglichkeiten und Beteiligungsrechtegestärkt.Folgende Instrumente stehen den Versicherten ab2004 zur Verfügung: die Einführung einer Patientenquit-tung, die Einführung der intelligenten Gesundheitskarte,ein Versichertenbonus für viele Bereiche – auch für prä-ventives Verhalten; Anreize, die die Krankenkassen ih-ren Versicherten geben können –, ein Patientenbeauf-tragter als Sprachrohr für Patienteninteressen, dieInanspruchnahme von Leistungserbringern auch im EU-Ausland, Wahlmöglichkeiten bei Versicherungskonditio-nen und qualifizierte Anhörungsrechte für Patientenver-bände. Zusammen ergibt sich ein breites Spektrum vonVerbesserungen und Beteiligungen für Patienten und Pa-tientinnen.In vielen Diskussionen wird dieses Gesetz als Kosten-dämpfungsgesetz abqualifiziert. Wer das tut, hat denEQdivrBtdgumsUdVrdtIsavlnsUIwugddtPndDfFpÄvFEDWddiGg2da
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4917
)
)
Neue Wege gehen wir auch beim Zahnersatz. SeineAusgliederung aus dem Leistungskatalog der GKV warfür uns sehr problematisch; das muss hier deutlich gesagtwerden. Die befundorientierten Festzuschüsse werdenden Patienten und Patientinnen in Zukunft auch dann ge-zahlt, wenn sie eine prothetische Versorgung wählen, dieüber die Regelversorgung hinausgeht, die der Bundes-ausschuss für die jeweilige Zahnlücke festgelegt hat. Wirwerden darauf achten, dass die entstandenen Freiräumenicht missbraucht werden. Wir werden ein Abzocken derPatienten und Patientinnen durch Zahnärzte nicht dul-den.Last, but not least öffnet das GMG die Tore für mehrTransparenz im Gesundheitswesen und für eine bessereMitbestimmung der Patienten.Mein Fazit lautet: Es gibt Licht und Schatten in demvorliegenden Gesetzentwurf.
Aber insgesamt bringen wir etwas voran. Beide Seitenhaben Federn gelassen und Kröten geschluckt. Natürlichhätten wir lieber unseren ursprünglichen Gesetzentwurfumgesetzt, lieber das Zuzahlungsmodell der Ministerinin der ersten Fassung gehabt und lieber die Möglichkeitgestärkt, Einzelverträge abzuschließen. Auch die Posi-tivliste halten wir nach wie vor für ein wirksames Instru-ment. Natürlich ist es uns nicht leicht gefallen, demVerhandlungseckpfeiler der CDU/CSU nachzugeben,wonach der Zahnersatz aus dem Leistungskatalog dergesetzlichen Krankenversicherung ausgegliedert wer-den soll. Insgesamt spiegelt der vorliegende Gesetzent-wurf aber die Schnittmenge an Gemeinsamkeiten wider,die in der Gesundheitspolitik zwischen Koalition undUnion bestehen. Hier wird das geregelt, was zurzeit ge-regelt werden kann.tBsedsCEGSSzIsfBmcsnntmEakihdRiZEteRcvsmtea
Nächster Redner ist der Kollege Andreas Storm,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit derinbringung dieses gemeinsamen Gesetzentwurfes zuresundheitsreform beraten wir heute auch über denozialetat. Dabei muss man feststellen: Die Lage derozialversicherungen ist so dramatisch wie noch nieuvor in der Geschichte dieses Landes.
n allen drei großen Systemen – bei der Rente, im Ge-undheitswesen und bei der Pflege – stehen wir nachünf Jahren Rot-Grün vor den gleichen Problemen: Dieeitragssätze steigen, die Rücklagen schmelzen dahin.Die Bundesregierung hat in den letzten beiden Jahrenassiv in die Rücklagen der gesetzlichen Rentenversi-herung gegriffen. Das Ergebnis ist, dass die Beitrags-ätze trotzdem völlig aus dem Ruder laufen. Ohne er-eute Notoperationen wird der Rentenbeitrag imächsten Jahr auf 20,3 Prozent steigen. Das wäre ein his-orischer Rekordwert. Wir hatten diesen Wert schon ein-al 1998; aber damals sind noch nicht 16 Milliardenuro aus dem zweiten Rentenbeitrag an der Tankstelle,lso den Einnahmen aus der Ökosteuer, in die Renten-asse geflossen.Wenn der Finanzminister, nachdem er fünf Jahre langmmer mehr Steuergelder in die Rentenkasse gegebenat, nun – in einer Lage, in der die Beiträge aus dem Ru-er laufen – ankündigt, dass die Bundesmittel für dieente gekürzt werden sollen, dann ist dies töricht. Dasst das Gegenteil einer nachhaltigen Rentenpolitik.
Auch die Pflegeversicherung kommt aus den rotenahlen nicht mehr heraus. Es gibt noch keine endgültigeinschätzung – wir sind erst in der zweiten Jahreshälf-–, aber es zeichnet sich ab, dass wir in diesem Jahr einekorddefizit von mindestens 700 Millionen Euro errei-hen werden. Das bedeutet: Die Rücklage in der Pflege-ersicherung, die Norbert Blüm hinterlassen hat,chmilzt dahin wie Eis in der Sonne. Die Rürup-Kom-ission, die der Bundeskanzler eingesetzt hat, sagt: Spä-stens im Jahre 2007 ist der freie Teil dieser Rücklageufgebraucht; dann müssen die Beitragssätze steigen.
Metadaten/Kopzeile:
4918 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Andreas StormDas bedeutet: Im nächsten Jahr brauchen wir eine grund-legende Strukturreform der Pflegeversicherung, damitsie nicht gegen die Wand fährt.
Der Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversiche-rung lag beim Regierungswechsel im Jahre 1998 nochbei 13,6 Prozent.
Heute liegt er bei 14,3 Prozent. Ohne diese Notoperationwürde er im kommenden Jahr mindestens die 15-Pro-zent-Marke erreichen, wenn nicht gar übersteigen.
Die Ursache für die katastrophale Finanzlage des ge-samten Sozialversicherungssystems liegt aktuell wenigerauf der Ausgabenseite denn auf der Einnahmeseite. Dassdies so ist, zeigt gerade die Notoperation von Rot-Grünaus dem vergangenen Spätherbst. Das Beitragssatzsi-cherungsgesetz sollte dazu beitragen, dass die gesetzli-che Krankenversicherung in diesem Jahr konsolidiertwird. In der Tat sind die Ausgaben im ersten Halbjahr2003 nur um 1 Prozent gestiegen. Das Problem liegt da-rin, dass die Einnahmen wegen der dramatisch schlech-ten Arbeitsmarktentwicklung aufgrund einer verfehltenrot-grünen Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik mitt-lerweile rückläufig sind.
Ein Gesundheitssystem kann noch so leistungsfähigsein: Bei einer so dramatischen Einnahmeentwicklungkann es ohne Reformen nicht aufrechterhalten werden.Dies ist der Grund, weswegen die Union bereit ist, in ei-ner derart dramatischen Situation die Hand zu einer Re-form zu reichen. Es muss zumindest darum gehen, imGesundheitswesen einen Beitrag dazu zu leisten, dassdie verhängnisvolle Spirale aus steigenden Sozialabga-ben, wegbrechenden Arbeitsplätzen und erneut steigen-den Lohnnebenkosten gestoppt wird.Diesen Beitrag können wir mit diesem Gesetz leisten.Es wird bereits im nächsten Jahr in der gesetzlichenKrankenversicherung eine Konsolidierung in der Grö-ßenordnung von fast 10 Milliarden Euro ermöglichen.Der Konsolidierungsbeitrag steigt bis zum Ende dieserWahlperiode auf etwa 20 Milliarden Euro. Das bedeutet:Die Perspektive ist, dass der Beitragssatz im nächstenJahr unter die 14-Prozent-Marke und bis zum Ende die-ser Wahlperiode auf 13 Prozent oder weniger sinkenkann.
Natürlich kann kein Mensch eine Garantie dafür über-nehmen.
Aufgrund wirtschaftspolitischer Fehler kann die Arbeits-losigkeit im nächsten Jahr weiter dramatisch ansteigen.Aber wenn die Annahmen zutreffen, die zugrunde gelegtworden sind, dann werden die Beiträge in den nächstenJahren spürbar gemindert werden können. Das ist einentscheidender Fortschritt.rWlrhAwerBtdzecrw–lDi4BeagschmtwsLcbASbdrglg
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4919
)
)
Was legen wir vor? Im Zusammenhang mit der an-stehenden Zusammenlegung von Arbeitslosen- undSozialhilfe erhält die Sozialhilfe nun wieder die Auf-gabe, die ihr auch ursprünglich zugedacht war: Sie stelltdas letzte Auffangnetz in individuellen Notlagen dar undwird von der Bewältigung der Folgen der Massenarbeits-losigkeit – wofür sie nie konzipiert worden war – entlas-tet. Wer nur wegen Arbeitslosigkeit Sozialhilfe bezieht,also erwerbsfähig ist, wird in Zukunft in Form desArbeitslosengeldes II Hilfe und Unterstützung erhalten.Damit schaffen wir systematische Klarheit und entlastendie Kommunen von ihren Ausgaben für die Hilfe zumLebensunterhalt. Sozialhilfe bekommen in Zukunft nurnoch diejenigen Menschen, die etwa aufgrund einer Be-hinderung ergänzende staatliche Hilfe benötigen oderdie vorübergehend voll erwerbsgemindert sind.Auch wenn in Zukunft wesentlich weniger Menschendirekt Sozialhilfe beziehen werden, gewinnt sie als Refe-renzsystem für rund 4 Millionen Empfänger des neuenArbeitslosengeldes II erheblich an Bedeutung. Mit derKombination von Grundsicherung, Arbeitslosengeld IIund der neu geordneten Sozialhilfe unterstreichen wirdie Bedeutung einer steuerfinanzierten und damit ge-meinschaftlichen Absicherung von Lebensrisiken undvon bedürftigen Menschen. Die rot-grüne Mehrheit indiesem Hause unterstreicht damit ihre tiefe Überzeu-gung, dass das Gebot der Sozialstaatlichkeit keine Kann-leistung, die je nach Kassenlage variiert, ist, sonderneine Verfassungsaufgabe ersten Ranges.
ksHSDazdidDISldäabNBwtuaVmfsLuSpsa–dinuAPaRkwFzd
Herr Koch möchte ja am liebsten alle Sozialhilfe-ezieher mit gemeinnützigen Aufgaben befasst sehen.un halte ich ja den Aufbau eines öffentlich geförderteneschäftigungssektors – mit angemessener Entlohnung,ie sich von selbst versteht – durchaus für ein ehrenwer-es Ziel. Zu dem Verhältnis von Vollzeitarbeitsentgeltennd Sozialhilfesätzen will ich mich gar nicht äußern,ber dann stünden doch die Länder wenigstens in dererantwortung, auch entsprechende Arbeitsangebote ge-einnütziger und anderer Art vorzuhalten bzw. zur Ver-ügung zu stellen. Im Moment kämpfen wir doch haupt-ächlich mit dem Problem, dass Kommunen, aber auchänder ihre Programme der aktiven Arbeitsmarktpolitiknd damit die Hilfestellungen für diejenigen, die jetztozialhilfe beziehen, herunterfahren und kürzen. Dasasst nicht zusammen.Meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Ge-etzentwurf stärken wir die Verlässlichkeit, wir fördernber auch die Selbstbestimmung
doch, Herr Kolb –, denn der Regelsatz beinhaltet nachem neuen System auch die einmaligen Leistungen, die Form einer Pauschale zusammengefasst werden
nd vorher häufig nur unter erheblichem bürokratischenufwand gewährt wurden. Wir wissen, dass es absurderozesse darüber gab, ob diese oder jene Einzelleistungngemessen ist oder nicht. Das ist jetzt automatisch in denegelsatz mit einbezogen und aus unserer Sicht ein wir-ungsvolles Instrument zur Stärkung der Eigenverant-ortung. Auch die Möglichkeit, einen höheren eigenenrei- und Sparbetrag zu erhalten, sollte für Sozialhilfebe-ieher und Arbeitslosengeld-II-Bezieher geschaffen wer-en.
Metadaten/Kopzeile:
4920 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Markus KurthMan muss auch nach Möglichkeiten suchen, um zuvermeiden, dass Leute aus Scham, Unwissenheit oderschlichtweg aus Überforderung nicht die Ansprüche gel-tend machen, die ihnen zustehen. Nicht mehr und nichtweniger wollen wir.Auch Herr Stoiber sollte endlich einsehen, dass unserSozialgesetzbuch kein Leistungskatalog ist, aus demsich der Hilfeempfänger frei seine optimale Versorgungzusammenstellen kann; so ist es mitnichten. Es ist leidernoch immer ein bürokratisierter Paragraphendschungel,der bislang eher Sachbearbeiter und Verwaltungsjuristenbeschäftigt hat. Hier wollen wir Kapazitäten freimachen,um auch für diejenigen, die in der Sozialhilfe verbleiben,Unterstützung und Hilfe gewährleisten zu können.
Für sie stellen wir in diesem Haushalt 150 MillionenEuro bereit, um ihnen die Möglichkeit zu geben, dieneue Leistung des Arbeitslosengeldes II in Anspruch zunehmen.Lassen Sie mich noch einige Sätze zu einem neuenElement sagen, das wir in das Sozialhilferecht einführenwollen und das ebenfalls Selbstbestimmung und Eigen-verantwortung stärken soll, und zwar dem persönlichenBudget. Mit dem neuen Instrument des persönlichenBudgets, das in Rheinland-Pfalz bereits in Modellversu-chen erprobt worden ist, wollen wir Pflegebedürftigenund Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit er-öffnen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Damitsetzen wir einen wesentlichen Paradigmenwechsel in derSozialpolitik fort, denn wir machen Hilfeempfänger un-abhängig und lassen sie ihren individuellen Bedarf, so-weit es möglich ist, selbst gestalten. Sie können etwaselbstbestimmt Assistenzleistungen auf dem freienMarkt einkaufen und damit die alltäglichen Einschrän-kungen überwinden.Mit dieser Neuerung verbessern wir nicht nur die Le-bensbedingungen dieser Menschen, sondern schaffenauch die Grundlagen dafür, den Kostenanstieg in diesemBereich zu begrenzen. Denn in der Tat sind die Kostender Eingliederungshilfe mittlerweile höher als die Kos-ten der Hilfe zum Lebensunterhalt. Wir verbinden Ver-lässlichkeit und Selbstbestimmung, Effizienz und Ziel-genauigkeit der Hilfe. Das sind die Leitlinien, nachdenen wir unsere Sozialpolitik vorantreiben.Danke schön.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Detlef Parr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! LassenSie mich mit einem Dank beginnen.
WdjhdggswdmsdEddtdtabWWeWlbewggGfWbmlh4nHmsknF
Ich will mich zunächst mit dem Vorwurf beschäfti-en, dem wir uns unmittelbar nach Beendigung der Kon-ensgespräche ausgesetzt gesehen haben, nämlich dassir mehr Wettbewerb verhindert hätten. Für die FDP istie Förderung des Wettbewerbs nicht gleichbedeutendit einem einseitigen Machtzuwachs der Krankenkas-en. Wir wollen die Entscheidungs- und Nachfragemachter Versicherten und Patienten stärken.
Wenn man sich die ursprüngliche Absicht ansieht,inzelverträge zwischen Kassen und Ärzten zuzulassen,ann muss man sich fragen: Wie wollen Sie eigentlichen Versicherten erklären, dass sie zwar an hausarztzen-rierter Versorgung teilnehmen können, aber nur, wenner Hausarzt ihrer Wahl mit der Kasse auch einen Ver-rag hat? Herr Seehofer, da ist die freie Arztwahl nichtbsolut und uneingeschränkt gewährleistet, wie Sie eseschrieben haben, sondern doch eingeschränkt.
Für uns bedeutet Wettbewerb Angebotsvielfalt undahlfreiheit für den Einzelnen auf der Grundlage fairerettbewerbsbedingungen. Wenn Sie sich den Gesetz-ntwurf ansehen, dann stellen Sie aber fest, dass faireettbewerbsbedingungen nicht an allen Stellen gewähr-eistet sind. Dieter Thomae hat die Versandhandelspro-lematik angesprochen.Wahlfreiheiten, die geschaffen worden sind, Kosten-rstattung oder Selbstbehalts- oder Beitragsrückge-ährangebote finden in dem Gesetzestext leider nur zö-erlich und mit Einschränkungen Ausdruck.Wettbewerb hat für uns auch etwas mit Leistungs-erechtigkeit zu tun. Wir halten es für falsch, dass deresetzentwurf arztbezogene Regelleistungsvoluminaestlegt. Damit wird stark beschnitten, was in einemettbewerb zwingend notwendig ist, nämlich Leistungs-ereitschaft und Leistungsmöglichkeiten. Ärzte, die vonehr Patienten aufgesucht werden, die mehr leisten wol-en, sind in diesem System offenbar nicht mehr vorgese-en. Dann darf man sich nicht wundern, dass bereits0 Prozent unserer Absolventen des Medizinstudiumsicht mehr den Arztberuf ergreifen. Wie wir vor diesemintergrund das Urteil des EuGH umsetzen wollen, istir schleierhaft.
Mit fairem Wettbewerb hat auch die dreijährige pau-chale Budgetkürzung um 1 Prozent, damit die Kran-enkassen in die integrierte Versorgung investieren kön-en, nichts zu tun. Dieter Thomae hat bereits auf dieolgen dieser Zwangsfinanzierung hingewiesen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4921
)
)
Detlef ParrJetzt kommen wir zu dem wichtigsten Teil, der unsam meisten Probleme bereitet hat, weshalb wir den Weg,den Sie gemeinsam gegangen sind, nicht weiter mitge-hen können: Bei der halbherzigen, ja fast widerwilligenAusgliederung des Zahnersatzes werden die Grund-sätze des Wettbewerbs besonders mit Füßen getreten.Statt konsequent als ersten Schritt dort auf Wettbewerbund Privatisierung zu setzen, wo es einfach und über-schaubar gewesen wäre, bleiben die gesetzlichen Kran-kenversicherungen bei dem Spiel mit der wettbewerbs-und gesetzeswidrigen Möglichkeit der Quersubventio-nierung. Man kann eben zwischen zwei Systemen mitvöllig unterschiedlichen Preisbildungsmechanismennicht zu einem fairen Wettbewerb kommen.
Für uns stellt sich die Frage, ob der Zahnersatzkarrenwohl so in den Dreck gefahren werden soll, dass selbstdas zarte Pflänzchen der Ausgliederung nicht wachsenkann, und der Weg hin zur Bürgerversicherung freige-macht werden soll. Wenn wir heute in die Presseschauen und die Äußerung von Generalsekretär Scholz,der die Bürgerversicherung als Zukunftsprojekt bezeich-net, bewerten, dann müssen wir schon sehr kritisch hin-terfragen, ob das ein wettbewerblich orientiertes Zu-kunftsobjekt sein kann.
Ich möchte für die FDP nur noch erklären, dass wirzutiefst davon überzeugt sind, dass kein Weg an einersofortigen Stärkung kapitalgedeckter Versicherungs-formen vorbeiführt, wenn wir die Chance bewahrenwollen, die demographische Entwicklung erträglich ab-zufedern. Unserer Ansicht nach gewährleistet der Geset-zesvorschlag die Nachhaltigkeit nicht. Zur Generatio-nengerechtigkeit haben wir überhaupt nichts findenkönnen.Wir sind auch zutiefst davon überzeugt, dass keinWeg an weiteren Ausgliederungen von Leistungen ausder GKV vorbeiführt. Über das Krankengeld, wie vomKanzler noch am 14. März dieses Jahres selbst gefordert,private Unfälle und die gesamte Zahnheilkunde werdenwir zu diskutieren haben, wenn wir eine wirklich nach-haltige Gesundheitsreform durchsetzen wollen. Wir wol-len den Schmusekurs, die Schmusepolitik, die hier mitviel Lächeln betrieben worden ist,
nicht fortsetzen. Wir können diesen Weg nicht weiterge-hen. Wir hoffen, dass Ihr Optimismus greift. Aber ichfürchte, der Pessimismus und die Skepsis von DieterThomae werden der Realität eher gerecht werden.
Ich danke auch für die gemeinsamen Gespräche. Eswar ein angenehmes Miteinander mit falschem Ergebnis.
PKEhEzSsuAndmsmklemfsilbsatddeSuüztDühMsfuufdwd
Metadaten/Kopzeile:
4922 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Mit dieser weit gehenden Reform der Sozialhilfe, dieiesen Namen wirklich verdient, wird der Weg zu einereistung aus einer Hand nicht versperrt. Im Gegenteil:ie ersten wichtigen Schritte sind gegangen. Das wirdicht nur die Lebens- und Teilhabechancen derjenigenerbessern, die die öffentliche Hilfe zur Selbsthilfe be-ötigen. Das wird auch die Solidarität derjenigen stär-en, die ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestrei-en können und die diese notwendigen Hilfen über ihreteuern finanzieren müssen.Deshalb fordere ich Sie auf: Unterstützen Sie unsereozialreform in diesem Hause, aber auch im Bundesrat!Ich danke Ihnen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gesine Lötzsch.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Sehr geehrte Gäste! Eine ganz große Koalitionon SPD, CDU/CSU und Bündnis 90 hat sich zu einerinheitsfront zusammengeschlossen.
Gut, dass Sie alle noch wach sind. – Der Kollegeeehofer hat zwar geschworen, dass das die absoluteusnahme sein werde. Aber ich frage mich natürlich:arum braucht es diese Einheitsfront, um eine angeblicho sinnvolle Reform durchzusetzen?
ffensichtlich sind die beteiligten Parteien selbst nichton ihrem Handeln überzeugt und jeder sucht denchutz beim anderen. SPD, CDU/CSU und Bündnis 90ürchten den Zorn der Menschen, die von dieser angebli-hen Reform betroffen sein werden. Die Menschen wer-en zu Recht zornig sein.Sie haben den Entwurf eines Gesetzes zur Moderni-ierung der gesetzlichen Krankenversicherung vorge-egt. Schon der Titel ist Blasphemie.
enn es geht Ihnen nicht um die Modernisierung desesundheitssystems. Was wird hier modernisiert?ichts! Nennen wir doch lieber das Kind beim Namen:s ist ein Patientenabzockegesetz. Der Patient soll füreniger Leistung mehr bezahlen.
Leider ist die Zeit viel zu kurz, um alle Zuzahlungs-egelungen im Detail aufzuzählen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4923
)
)
Dr. Gesine LötzschDie Patienten können davon ausgehen, dass sie im Jahr2004 im allergünstigsten Fall circa 130 Euro extra zu-zahlen müssen. Im Jahre 2007 werden es im Durch-schnitt 280 Euro an Extrazuzahlungen sein.
Das deutsche Gesundheitssystem verschlingt Milliar-den. Einige verdienen sich eine goldene Nase; anderezahlen drauf. OECD-Studien belegen, dass unser Ge-sundheitssystem zwar sehr teuer ist, dass aber die Men-schen in Deutschland nicht gesünder sind als die Men-schen in den Ländern, in denen weniger Geld in dasGesundheitssystem fließt.Was Sie uns vorgelegt haben, ist ein Pharmakonzern-umsatzförderungsgesetz. Nicht umsonst haben Sie vonder Koalition sich die Positivliste abschwatzen lassen.Die Pharmalobby und die Kassenärztliche Vereinigunghaben sich wieder einmal durchgesetzt. Der Gesund-heitsmarkt wird weiter geöffnet und die Konzerne derPharmaindustrie können mit ordentlichen Umsatzsteige-rungen rechnen.
Aber auch die Arbeitgeber können sich freuen. Dennes ist gelungen, den Ausstieg aus der paritätischen Fi-nanzierung festzuschreiben. Das Krankengeld und derZahnersatz sollen in Zukunft nicht mehr durch Arbeitge-ber und Arbeitnehmer gemeinsam finanziert werden.Die Arbeitnehmer sollen die größte Last übertragen be-kommen. In Zukunft zahlt der Arbeitnehmer 53 Prozentund der Arbeitgeber nur noch 47 Prozent des Versiche-rungsbeitrages. Ich wage die Prognose, dass es nicht sobleiben wird. Ein Kollege von den Grünen hat ja schonverkündet, dass er den Faktor Arbeit weiter entlastenmöchte. Es wird laut über Kopfpauschalen nachgedacht.Wenn von der Entlastung des Faktors Arbeit gespro-chen wird, dann ist das immer nur ein anderer Ausdruckfür Lohnkürzungen. Die Kopfpauschale, die Herr Rürupund Herr Kuhn von den Grünen ins Gespräch gebrachthaben, wäre der komplette Ausstieg der Arbeitgeber ausder paritätischen Finanzierung.Doch die paritätische Finanzierung hat einen tieferenSinn. Die Arbeitgeber haben eine Verantwortung für dieGesundheit ihrer Beschäftigten. Nachtarbeit, Überstun-den und Stress führen zu Krebs, Herzinfarkt und Depres-sionen, sagen uns die Arbeitsmediziner. Allein psychischbedingte Krankheiten verursachen jährlich 24 MilliardenEuro an Kosten. Diese 24 Milliarden Euro – um nurdiese Zahl zu benutzen – würden ausreichen, um die Fi-nanzierungslücke zu schließen, die Sie mit diesem Ge-setz beseitigen wollen. Ich frage Sie, liebe Kolleginnenund Kollegen: Warum der Ausstieg aus der Parität? Wa-rum soll hier nicht das Verursacherprinzip gelten? Wa-rum muss derjenige, der Menschen krank macht, nichtdafür bezahlen?
Mit dem vorliegenden Gesetz greifen Sie nicht nurdie Gesundheit der Menschen – insbesondere die derje-nd–sGsWgPnplVdGrWfehmZtzglMzhAbtsgwerWshmSuu
Wir beraten heute über den Bundeshaushalt und überen parteiübergreifend gefundenen Kompromiss in deresundheitspolitik. Beides gehört zusammen. Denn ge-ade dieser desolate Staatshaushalt und seine negativenirkungen auf Arbeit und Beschäftigung sowie die of-ensichtliche Hilflosigkeit in der Gesundheitspolitik sinds gewesen, die die Union dazu bewogen haben, in Ver-andlungen mit der Bundesregierung einzutreten.Aus eigener Kraft hätte diese Bundesregierung es nie-als geschafft, ein Paket zu schnüren, das über eineneitraum von vier Jahren den durchschnittlichen Bei-ragssatz der gesetzlichen Krankenversicherung vonurzeit noch 14,3 auf 13 Prozent drücken kann. Ob dieselingt, hängt nicht nur von der Bereitschaft aller Betei-igten im Gesundheitswesen ab, die Instrumente undöglichkeiten anzunehmen und auch wirklich zu nut-en, die dieses Gesetz ihnen an die Hand gibt, sondern esängt vor allem auch von der weiteren Wirtschafts- undrbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung ab. Wirrauchen wieder ein nennenswertes Wirtschaftswachs-um, damit die Spirale der Arbeitslosigkeit endlich ge-toppt wird. Denn sonst werden die Beitragssatzsenkun-en nur auf dem Papier stehen, aber niemals Realitäterden.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang einmalin Wort zur landwirtschaftlichen Krankenversiche-ung sagen; sie ist heute noch nicht erwähnt worden.ir von der Union erwarten, dass auch die Krankenver-icherungsbeiträge der Landwirte sinken können. Dasaben wir in den Verhandlungen immer wieder ange-ahnt. Es darf doch nicht sein – es wäre aus unserericht auch überhaupt nicht gerecht –, dass die Landwirtend ihre Angehörigen durch die höheren Zuzahlungennd die Leistungseinschränkungen in gleichem Maße
Metadaten/Kopzeile:
4924 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Annette Widmann-Mauzbetroffen wären wie alle anderen gesetzlich Krankenver-sicherten, aber im Gegensatz zu diesen nicht von den er-warteten Beitragssatzsenkungen profitieren könnten.
Wir fordern Frau Künast und Herrn Eichel auf: Neh-men Sie die Kürzung der Zuschüsse zur landwirtschaftli-chen Krankenversicherung zurück! Sie können doch denohnehin stark gebeutelten Bauern
keine zusätzlichen Beitragssatzsteigerungen von teil-weise 40 Prozent und mehr zumuten. Meine Damen undHerren von Rot-Grün, wir wollten in diesen Verhandlun-gen gemeinsam niedrigere Beiträge für alle schaffen.Verzichten Sie auf diese Kürzung der Zuschüsse, sonstfehlt diesem Konsens die Glaubwürdigkeit und somiteine wirklich wichtige Grundlage.
Was uns heute vorliegt, ist ein Kompromiss der Ver-nunft. Wir haben eine Übereinkunft durch gegenseitigeZugeständnisse getroffen. Das ist aus unserer Sicht einPflichtprogramm, keine Kür. Wir haben nicht alles ver-hindern, aber wir haben vieles abmildern und Entschei-dendes in die richtige Richtung durchsetzen können. Ne-ben einem spürbaren Beitragssatzsenkungspotenzialhaben wir wesentliche Richtungswechsel bewirken undauch einige zentrale Kritikpunkte ausräumen können.Wir haben vor allen Dingen die Bevormundung, die Ihrerstes Gesetz noch durchzogen hat, eliminiert. Wir ha-ben die Verantwortlichkeiten der Anbieter und das Ver-antwortungsbewusstsein der Patienten durch mehr Frei-heit, mehr Wettbewerb und Selbstbeteiligung gestärkt.Wir sind uns bewusst, dass wir allen Beteiligten vielzumuten. Aber wir haben das Zutrauen in die Fähigkei-ten der Menschen. Wir sehen in den Patienten keine Bitt-steller, sondern wirkliche Beteiligte im System. Deshalbbekommen Patientinnen und Patienten sowie Selbsthil-fegruppen deutlich mehr Mitsprache- und Beteiligungs-möglichkeiten im Bundesausschuss, wenn es um Fragenihrer medizinischen Versorgung geht.Zudem eröffnen wir neue Gestaltungsmöglichkeitenfür den Versicherungsschutz: angefangen bei der Mög-lichkeit, zwischen der privaten und der gesetzlichenKrankenversicherung bei der Absicherung des Zahner-satzes zu wählen, über die Wahl der Kostenerstattung bishin zur Auswahl von spezifischen Versorgungsangebo-ten, der integrierten Versorgung, der hausarztzentriertenVersorgung und Bonusmodellen für gesundheitsbewuss-tes und präventionsorientiertes Verhalten. Hinzu kom-men Beitragsrückgewähr und Selbstbehalte für freiwilligVersicherte. Das bedeutet mehr Gestaltungs- und Mit-wirkungsmöglichkeiten für Patienten und Versicherteund mehr Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversi-cherung.Wir von der Union konnten der angestrebten Zentrali-sierung und Verstaatlichung des Gesundheitswesens einEnde setzen. Es wird kein staatliches Institut zur Steue-rung der medizinischen Behandlung von über7pawswdptwmkwAuDdÄrFsSzihszpcbVJrsPgÄddDMgwwVch
uch künftig wird es eine flächendeckende Qualitäts-nd Leistungssicherung durch Kollektivverträge geben.as Wettbewerbsmodell der Union wird dafür sorgen,ass innerhalb der Kollektivverträge ein Wettbewerb derrzte um die beste Qualifikation stattfindet und im Be-eich der integrierten Versorgung ein Wettbewerb um dierage, ob die kollektiv- oder die einzelvertragliche Ver-orgung die bessere Alternative ist.Wir haben es geschafft, den Qualitätswettbewerb imystem zu stärken, und zwar unter fairen Bedingungenwischen gleichberechtigten Marktteilnehmern; das sagech ganz bewusst. Wer immer wieder davon redet, wirätten zu wenig Wettbewerb, der weiß nicht, wovon erpricht, oder will nur kaschieren, dass er ein Monopolugunsten eines anderen, nämlich eines Kassenmono-ols, etablieren will.
An anderer Stelle beenden wir endlich einen unsägli-hen Zustand, nämlich die Budgetierung. Budgetierungedeutet in unserem System verdeckte Rationierung. Dieerunsicherung der Ärzte, nicht zu wissen, was sie amahresende für ihre Arbeit bekommen, und die Verlage-ung des Krankheitsrisikos der Versichertengemein-chaft auf die Ärzteschaft haben ein Ende. Fallendeunktwerte gehören ab dem Jahr 2006/2007 der Vergan-enheit an. Es gibt wieder Planungssicherheit. Nicht dierzte müssen das Risiko der Morbidität tragen, sonderner gesundheitliche Bedarf wird von der Gemeinschafter Kassen getragen. Dort gehört dieses Risiko auch hin.
amit haben wir wieder mehr Verlässlichkeit und mehrotivation in diesem Bereich geschaffen. Gerade jün-ere Ärztinnen und Ärzte müssen nicht mehr um ihreirtschaftliche Existenz bangen. Das ist wichtig, damitir auch in Zukunft eine flächendeckende ambulanteersorgung gerade auch in den neuen Bundesländern si-herstellen können.
Beim Zahnersatz ist der Einstieg in die lohnunab-ängige, beschäftigungsfördernde Versicherung eines
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4925
)
)
Annette Widmann-Mauzmedizinischen Leistungsbereichs geschafft. Das ist eingesundheitspolitisches Novum von weitreichender Be-deutung insbesondere für die gesetzliche Krankenversi-cherung. Wer die Abhängigkeit der gesetzlichen Kran-kenversicherung von Lohn und Gehalt problematisiert– aus meiner Sicht zu Recht –, der erlebt jetzt zum erstenMal die Wirklichkeit der Abkopplung. Das ist ein echterBeitrag, damit Arbeit in Deutschland endlich billigerwird.Den Versandhandel konnten wir zwar nicht ganzverhindern, haben aber für Rahmenbedingungen gesorgt,die einen fairen Wettbewerb zwischen Versand- und Of-fizinapotheke ermöglichen. Ich erwarte jetzt von derBundesregierung, dass sie mit dem heutigen Tag auchdie Notifizierung gegenüber der EU-Kommission einlei-tet.Wir wissen, dass dieser Kompromiss den Versicher-ten und Patienten erhebliche Lasten auferlegt.
Frau Kollegin, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ich komme zum Schluss. – Dies gilt nach Beitrags-
satzsicherungsgesetzen, Zwangsrabatten und Nullrunden
im Übrigen auch spürbar für die Ärzte und Krankenhäu-
ser, die Apotheker und die Pharmaindustrie.
Meine Damen, meine Herren, wir tragen den Kom-
promiss nicht aus Begeisterung über ein Jahrhundertre-
formwerk mit, sondern aus Verantwortung für die Versi-
cherten und die Patienten in unserem Land.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Hilde Mattheis.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Sie von der Opposition sind zum Beispiel noch nicht aufdas Thema Sozialhilfereform eingegangen. Es ist alsonoch nicht alles gesagt.
Ich möchte nun den Blick auf diesen Bereich wenden,denn es handelt sich um ein weiteres wichtiges Reform-gesetz von SPD und Grünen.„Armut bedeutet, dass über einen verfügt wird“. Die-ser Satz stammt von dem Vorsitzenden des StuttgarterVereins Tafelladen. Der Tafelladen verkauft an Bedürf-tige sehr billig Lebensmittel, die umsonst von Bäcke-reien, Großmärkten und Supermärkten kommen.
SSPsinSmePHgsfdadvnadmusaffndeFbdLjDsdnmtsktmni
Bislang standen die ausreichende Bemessung derilfe und die effiziente Abwicklung der Transferleistun-en im Mittelpunkt des Verwaltungshandelns. Mit die-em Gesetz werden – Herr Stöckel hat es bereits ausge-ührt – die Kommunen entlastet. Die Zahlen geheneutlich zurück. Die Träger der Sozialhilfe können sichuf eine Personengruppe konzentrieren, die ganz indivi-uelle Fördermaßnahmen benötigt. Dass sich die Akti-ierung außerhalb des Arbeitsmarktes für die Kommu-en mittel- und langfristig rechnet, wurde uns unternderem von dem Leiter des Sozial- und Jugendamteser Stadt Freiburg bestätigt.Darüber hinaus kann festgestellt werden: Sozialamts-itarbeiterinnen und -mitarbeiter sind hoch qualifiziertnd sehr erfahren, was die Beratung und Betreuung die-es Personenkreises mit sehr vielschichtigen Problemennbelangt. Die Sozialstrukturen und -netze zum Beispielür psychisch Kranke und für Personen mit anderen Auf-älligkeiten sind über Jahre hinweg gewachsen und kön-en umso intensiver genutzt werden. In diesem Geist istas neue Sozialhilfegesetz geschrieben, das wir heute inrster Lesung zu beraten haben.
Ein weiterer wichtiger Baustein des Förderns undorderns ist die Neubemessung der Regelsätze. Dabeiestand folgender Handlungsbedarf: Seit Jahren hat sichie bisherige Abgrenzung laufender und einmaligereistungen als nicht sachgerecht erwiesen. Für alles undedes musste bisher ein neuer Antrag gestellt werden.ies ist nicht nur ein ungeheurer Verwaltungsaufwand,ondern bedeutet auch eine große Bevormundung füriejenigen, die von Sozialhilfe abhängig sind. In deneuen Regelsatz sind hingegen bis auf wenige Ausnah-en die einmaligen Leistungen der Hilfe zum Lebensun-erhalt einbezogen.Außerdem wurde bislang nur unzureichend berück-ichtigt, dass größere Haushalte günstiger wirtschaftenönnen als kleinere. Das Ungleichgewicht zwischen äl-eren und jüngeren Kindern, Alleinerziehenden und Fa-ilien musste ausgeglichen werden. Unsere Forderungach einem Mehrbedarfsfaktor für Alleinerziehende istn diesem Zusammenhang richtig und gerecht.
Metadaten/Kopzeile:
4926 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Hilde MattheisFest steht: Durch die Pauschalierung der Regelsätzeund die andere Gewichtung der Struktur wird das Ver-fahren zur Bemessung der Regelsätze schlüssig und ein-fach.Ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu kön-nen ist ein berechtigtes Anliegen, das auch kranke, be-hinderte und pflegebedürftige Menschen haben. Dazudient die Einrichtung eines trägerübergreifenden per-sönlichen Budgets, das es den Menschen erleichtert,selbstständig Betreuungsleistungen zu organisieren undzu bezahlen. In dieses Budget, das im SGB IX verankertwird, fließen alle in Betracht kommenden Leistungenein. Das persönliche Budget wird aus der Hand einesLeistungsträgers erbracht. Das ist überschaubar undspart Verwaltungskosten. Das Gesamtbudget wird denBetroffenen auf Antrag zur Verfügung gestellt. Wir wer-den es zunächst bis 2007 zu testen und wissenschaftlichzu begleiten haben. So entsteht eine solide Datenbasis,auf deren Grundlage wir dann weitere Entscheidungenfällen können.Fördern statt Gängeln, Aktivieren statt Wegschieben,Fordern statt lediglich Anklagen – das sind die aus demGesetzentwurf erkennbaren Grundlinien. Es ist gelun-gen, ein Maßnahmenpaket zu schnüren, durch das dieMenschen, die auf unsere Solidarität angewiesen sind,nicht im Stich gelassen werden. Im Gegenzug erwartenwir zu Recht, dass sich alle im Rahmen ihrer Fähigkeitenund Möglichkeiten bemühen, aus dieser Bedürftigkeitauch wieder herauszukommen.In diesen Tagen wird immer wieder einmal populis-tisch gegen die Empfängerinnen und Empfänger der So-zialhilfe gehetzt. Dabei geht es nie um sachliche Infor-mationen und um Argumente. Nein, vielmehr sollenVorurteile bedient werden. Es soll der Eindruck entste-hen, als ob alle Leistungsempfängerinnen und -empfän-ger ihre Leistungen zu Unrecht beziehen, um sich einschönes Leben unter Palmen zu machen. Unsere Bun-desministerin Ulla Schmidt hat sofort und konsequentgehandelt.Wir verfolgen mit dieser Sozialhilfereform das Anlie-gen, Menschen Wege zu zeigen, wie sie mehr Eigenver-antwortung tragen und den Weg aus der Sozialhilfe fin-den können.Ich danke.
Das Wort hat jetzt die Ministerin für Soziales, Frauen,Familie und Gesundheit des Landes Niedersachsen, FrauUrsula von der Leyen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete! Vor we-nigen Tagen traf ich einen früheren gesundheitspoliti-smmtTltetkudRzDcbKeddblateazdPShNmDdtskBsEdsGGsteaFnpZs
urch diese Reform wird die Transparenz hinsichtlicher Angebote, der Leistungen, der Kosten und der Quali-ät ganz wesentlich erhöht. Die Stichpunkte sind vielfachchon genannt worden: Patientenquittung, Gesundheits-arte, die Möglichkeit zur Kostenerstattung, Tarife miteitragsrückgewähr oder Selbstbehalten und Bonuslö-ungen. Das macht es den Patienten möglich, auch selbstntscheidungen treffen zu können. Damit stärken wirie einzige Instanz, die Angebot und Nachfrage im Ge-undheitswesen unbürokratisch und wirkungsvoll insleichgewicht bringen kann, nämlich die Patienten.Wir alle wissen doch auch aus Erfahrung, woran unseresundheitssystem vor allem krankt – das es ist heutechon mehrfach thematisiert worden –: Der Hausarzt un-rsucht gründlich und schickt den Patienten zum Fach-rzt. Dieser lotet erst einmal alle Möglichkeiten aus. Vomacharzt geht es ins Krankenhaus. Das Krankenhaus ord-et seine Palette von Untersuchungen an. Es gibt Dop-eluntersuchungen und Informationsverluste. Das kosteteit – kostbare Lebenszeit – und Geld. Wir habenchlechte Erfahrungen mit Patienten gemacht, die zwi-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4927
)
)
Ministerin Dr. Ursula von der Leyen
schen ambulantem und stationärem Budget, zwischenRehabilitation und Pflege hin- und hergeschoben wur-den.Deshalb haben wir in dieser Reform – das sollte manbetonen – mit der integrierten Versorgung einen wich-tigen Schritt zu einer Behandlung im Verbund und damiteiner Behandlung für die Menschen und ihre Krankheitals Ganzes getan. Wir öffnen in der integrierten Versor-gung die Option, Einzelverträge abzuschließen. Das er-möglicht es uns, in diesem Segment gewissermaßen alsdeutschlandweites Modell Erfahrungen mit mehr Wett-bewerb zu sammeln, die wir auch brauchen – wir müs-sen in diesem System lernen –, ohne gleich das Kind mitdem Bade auszuschütten und das gesamte System aufWettbewerb pur umzustellen. Auch da gibt es internatio-nal negative Erfahrungen. Ich halte diesen Teil des Ge-setzes für eine wichtige und wegweisende Innovation.Aus Ländersicht ist mir zudem wichtig, dass die Pla-nungshoheit der Länder in der Krankenhausversor-gung unangetastet geblieben ist.
– Jawohl, das ist eine entscheidende Voraussetzung fürdie flächendeckende Krankenhausversorgung. Wenn wirdie ländlichen Räume – ich bin Ministerin eines Landesmit vielen ländlichen Räumen – am Leben erhalten wol-len, dann brauchen wir dort vor allem Schulen und Kran-kenhäuser. Das muss weiterhin Landesaufgabe bleibenund das ist auch gut so.
Diese Gesundheitsreform ist ein wichtiger Schritt. Siewird kurz- und mittelfristig die Stabilisierung der Finan-zen bewirken. Aber sie ist kein Endpunkt. Gesundheits-reform ist ein kontinuierlicher Prozess in einer alterndenGesellschaft. Langfristig werden auch aus Gründen derGenerationengerechtigkeit weitere Weichenstellungenzur nachhaltigen Reform der gesetzlichen Krankenversi-cherung notwendig sein. Die Diskussion darüber hatlängst begonnen. Wir müssen in absehbarer Zeit zu Ent-scheidungen kommen. Ich hoffe sehr, dass diese Ent-scheidungen bei aller Unterschiedlichkeit der berechtig-ten Interessen von einer breiten Mehrheit getragenwerden können.Die gemeinsame Gestaltung des für die ganze Gesell-schaft so wichtigen Gesundheitssystems für einen langenZeitraum muss uns allen ein hohes Gut sein. Es lohnt dieAnstrengung; denn das sind wir den zukünftigen Patien-tinnen und Patienten schuldig.Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Michael
Luther.
K
s
m
j
t
m
a
e
d
a
d
g
r
W
h
Ö
l
E
t
H
h
S
1
b
i
l
s
W
s
d
n
0
n
v
g
J
z
d
l
e
d
F
a
G
J
v
m
U
Der Bundesrechnungshof hat bereits im vergangenenahr auf die Risiken hingewiesen, die mit einer Senkungerbunden sind. Erfahrungsgemäß ist der Oktober im-er der schwierigste, weil einnahmeschwächste Monat.nd der kommt noch. Das stetige Abschmelzen der
Metadaten/Kopzeile:
4928 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dr. Michael LutherSchwankungsreserve ist ein Tanz auf dem Vulkan. Ichwill an dieser Stelle als Haushälter sagen: Es entstehenhiermit erhebliche Risiken für den Bundeshaushalt.Aber es kommt noch schlimmer. Ich zitiere aus einerInformation des VdK:Durch die Kürzung der Schwankungsreservekönnte die Rentenkasse in einnahmeschwachenMonaten mangels Rücklagen zahlungsunfähig wer-den. In diesem Fall müsste der Bund mit Steuermit-teln einspringen. Um dies zu verhindern, plant dieRegierung laut „Spiegel“, Gelder aus dem Risiko-strukturausgleich zwischen finanzstarken und fi-nanzschwachen Krankenkassen künftig auch zunutzen, um Löcher bei der Rentenversicherung zustopfen.Was heißt das? Die Schwankungsreserve dient auchzum Handling des Risikostrukturausgleichs. Das heißt:Die Kassen zahlen ein und schwache Kassen kriegenGeld. Jetzt soll im Zweifelsfalle dieses Geld zurückge-halten werden, damit man die Renten finanzieren kann.
Das ist ein „Spiegel“-Bericht. Wir sollten das zumindestin den Haushaltsberatungen thematisieren.Eines ist sicher: Noch mehr kann man die Schwan-kungsreserve nicht senken. Spätestens wenn keine Sen-kung mehr möglich ist, steht die Bundesregierung vordem Offenbarungseid und muss sagen, wie die Rentenlangfristig und ohne Tricks zu finanzieren sind.Weiterhin wurde die Scheinstabilität durch den dra-matischen Anstieg des Bundeszuschusses erkauft. DieZahlen hatte ich bereits genannt. Hier sehe ich allerdingseinen Kurswechsel der Bundesregierung, die erkennt,dass ein maßloses Wachsen des Bundeszuschusses andie Rentenkassen nicht zu finanzieren ist und eine struk-turelle Rentenreform her muss. Spät kommt die Erkennt-nis, aber sie kommt.Deshalb sollen nun angesichts leerer Kassen jährlich2 Milliarden Euro beim Bundeszuschuss eingespart wer-den. Das ist bereits im Bundeshaushalt 2004 etatisiertund im Haushaltsbegleitgesetz festgestellt. Was fehlt, istdie Umsetzung. Im Haushaltsbegleitgesetz steht ledig-lich:Die zur Stabilisierung des Beitragssatzes notwendi-gen Maßnahmen werden später durch entspre-chende Änderungen des Sozialgesetzbuches umge-setzt.Ich frage Sie, Frau Schmidt: Wie wollen Sie im nächstenJahr 2 Milliarden Euro bei den Rentnern einsparen? Wa-rum haben Sie heute dazu nichts gesagt?
Wir beraten heute den Bundeshaushalt. Der Einzel-plan 15 des Bundeshaushaltsentwurfs ist Makulatur,wenn das nicht in diesem Jahr beschlossen wird. LegenSie aus diesem Grunde die Zahlen und Fakten auf denTisch und ziehen Sie bis dahin den Bundeshaushalt zu-raHsbvMszcnB–wIwdADhscsdwoiwmmmnBTzfsd
eine Kritik – besser gesagt: meine Mahnung – richtetich an alle Gesundheitspolitiker. Dieser steuerfinan-ierte Weg wird schnell zum Holzweg, wenn im Versi-herungssystem keine strukturellen Änderungen vorge-ommen werden. Die Rente soll hierbei als mahnendeseispiel dienen.
Ich habe mich als Haushälter ausdrücklich an alle ge-andt.
ch denke, im Rahmen des Konsenses, der heute immerieder erwähnt worden ist, ist auch mir als Haushälterieses mahnende Wort erlaubt.
Ein weiteres Thema, das mir Sorgen bereitet, ist dasnspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz.ie neuen Bundesländer sollen in diesem Zusammen-ang 2004 1,84 Milliarden Euro zahlen, und zwar mittark steigender Tendenz. Das ist auf eine Rechtspre-hung zurückzuführen, die zur Folge hat, dass eine ur-prünglich vernünftige Kostenlösung für die neuen Bun-esländer zu einer fiskalischen Falle wird. Ich denke,enn wir in den neuen Bundesländern den Aufbau Ostrganisieren wollen, dann ist es nicht in Ordnung, wennhnen auf diese Art und Weise wieder viel Geld entzogenird. Es lohnt sich vielleicht, darüber zu reden, wie da-it in Zukunft umzugehen und was in diesem Zusam-enhang möglich ist.
Lassen Sie mich noch eine abschließende Bemerkungachen. Es wurde angemahnt, dass seitens der Unionichts zum SGB XII gesagt worden ist. Im Rahmen desundeshaushalts kam heute eine Vielzahl von wichtigenhemen zur Sprache. Auch das SGB XII ist ein Thema,u dem man viel hätte sagen können, aber leider war da-ür nicht genug Zeit.Aber wer sich den Gesetzentwurf ansieht, wird fest-tellen, dass es eine Vielzahl von offenen Fragen gibt,ie noch geklärt werden müssen. Das muss zwar leider
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4929
)
)
Dr. Michael Lutherdem Ausschuss vorbehalten werden, aber dort ergebensich noch genug Gelegenheiten.Recht herzlichen Dank.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereichliegen nicht vor.Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagenauf den Drucksachen 15/1525, 15/1514 und 15/1526 andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-schlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist derFall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Familie, Senioren, Frauen undJugend.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächstdie Frau Bundesministerin Renate Schmidt.Renate Schmidt, Bundesministerin für Familie, Se-nioren, Frauen und Jugend:Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! LiebeKolleginnen! Meine sehr geehrten Herren! Meine sehrgeehrten Damen!Dem Zwang zum Sparen konnte sich ... auch derEtat des Familienministeriums nicht entziehen. Ichwill hier kein Missverständnis aufkommen lassen.Keine Mark, die den Familien zugute kommt, ist zuviel. Wir werden uns sicher auch in der Zukunftnoch weitere Gedanken machen müssen, wie wirden Familienlastenausgleich noch gerechter gestal-ten können. Mir sind deshalb die Entscheidungen,die wir treffen mussten, mit Sicherheit nicht leichtgefallen, aber ich denke, dass es uns im Ergebnisnicht nur gelungen ist, unabwendbare Einsparungensozial verträglich zu gestalten, vielmehr wurde so-gar die Familienförderung ein Stück gerechter.
Ich wundere mich darüber, auf welcher Seite ge-klatscht wird; denn dies ist ein Zitat der damaligen Fa-milienministerin Hannelore Rönsch vom 8. Septem-ber 1993,
als die damalige Bundesregierung insgesamt für dasvolle Jahr des Wirksamwerdens 660 Millionen DM beimErziehungsgeld eingespart hat.
Ich stelle Ihnen die Zitate der damaligen Opposition,die ähnlich ausfielen wie Ihre heutigen Reaktionen,gerne zur Verfügung. Ich meine aber, dass diese immergleichen Rituale überflüssig sind. Wenn Mittel knappsind, wird unabhängig von der Parteifarbe – übrigensauch bei Ländern und Kommunen – gespart. DannbLwGnK4tbhd4etef1bvhicAgdGkaEIcdEwEwadsnFeZzea1zliSz1tur
Ich habe im Einzelplan 17 beim Erziehungsgeld nichtur, aber im Wesentlichen zulasten der gut verdienendenamilien einsparen müssen. Ich habe aber im Gegenzugrreicht, dass für diejenigen, die es besonders brauchen,usätzliches getan wird. Der neu eingeführte Kinder-uschlag von bis zu 140 Euro für diejenigen Eltern, dierwerbstätig sind, aber so wenig verdienen, dass es nichtuch noch für den Unterhalt ihrer Kinder reicht, wird50 000 Kinder aus dem Arbeitslosengeld II holen. Vomusätzlich erwirtschafteten Einkommen bleibt den Fami-en etwas übrig. Eigeninitiative lohnt sich also – dasicheinrichten in der Sozialhilfe nicht.Vielleicht sollten Sie bei all Ihrer Kritik gerade hieru Ihrer eigenen Verantwortung stehen. 1998 lebten,1 Millionen Kinder in der Sozialhilfe. Die Verantwor-ng dafür trägt allein die heutige Opposition. In 16 Jah-en Regierungsverantwortung haben Sie kein einziges
Metadaten/Kopzeile:
4930 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesministerin Renate SchmidtMal irgendeine Initiative ergriffen, um Armut von Kin-dern zu bekämpfen.
– Ich weiß, dass Sie das schmerzt, genauso wie mich an-deres schmerzt.Das Fraunhofer-Institut hat nun eine Zahl von zusätz-lich 220 000 Kindern im neuen Arbeitslosengeld II er-rechnet. Diese Kinder – auch das sollte uns klar sein –haben aber zuvor nicht in Wohlstand gelebt, sondern vonArbeitslosenhilfe. Diese war für Familien nicht seltengeringer als das, was sie an Anspruch in der Sozialhilfegehabt hätten.Ich behaupte auch gar nicht – das wäre eine Übertrei-bung –, dass mit dem Kinderzuschlag, der für 2004 mit125 Millionen Euro und für die Folgejahre mit 250 Mil-lionen Euro im Einzelplan 17 enthalten ist, das ProblemKinderarmut gelöst sei. Es ist aber ein erster wichtigerSchritt. Diese Sicht wird von Fachleuten und Sozial-verbänden ausdrücklich geteilt. Es ist im Übrigen einSchritt, dem weitere folgen müssen, sobald sich finan-zielle Spielräume ergeben. Leistungen zielgenau denenzugute kommen zu lassen, die sie wirklich benötigen:Das ist die Maxime dieser Bundesregierung. Vor diesemHintergrund konnte ich dank der Unterstützung HansEichels und vor allem auch des Bundeskanzlers eine aufDauer geltende steuerliche Regelung für tatsächlich Al-leinerziehende erreichen.
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtshatte uns dazu gezwungen, den bisherigen Haushalts-freibetrag für alle Alleinerziehenden abzuschmelzen.Ein Ausdehnen dieses Freibetrags auf alle Familien wärezwar verfassungsrechtlich, nicht aber finanziell darstell-bar gewesen; denn das hätte zweistellige Milliarden-beträge an Steuerausfällen beim Bund, aber auch beiLändern und Kommunen bedeutet. Ich kenne keinen ein-zigen Ministerpräsidenten eines unionsgeführten Lan-des, der eine solche Forderung gestellt hätte. Das bleibtoffenbar eine typische Oppositionsforderung und nichtmehr.
Zwischen tatsächlich Alleinerziehenden und denen innicht ehelichen Lebensgemeinschaften Lebenden müssenwir ebenfalls wegen dieses Urteils des Bundesverfas-sungsgerichts unterscheiden. Ich darf dazu den damali-gen Richter und Berichterstatter des Bundesverfassungs-gzszEWlultrhshrDshaliHpturGbtätufsmlihdbeeD4
ägt der erschwerten Haushaltsführung von Alleinerzie-enden Rechnung, die mangels Synergieeffekten im Zu-ammenleben mit anderen Erwachsenen zwangsläufigöhere Ausgaben haben. Abstand haben wir von Ände-ungen des Unterhaltsvorschussgesetzes genommen.as Einführen von Einkommensgrenzen hätte nämlicho gut wie nichts gebracht; denn diejenigen Alleinerzie-enden, die Unterhaltsvorschuss beziehen, bewegen sichm unteren Ende der Einkommensskala.
In Deutschland reduziert sich allzu häufig die fami-enpolitische Diskussion auf den materiellen Aspekt.ier liegen aber nicht unsere größten Defizite. Im euro-äischen Vergleich liegen wir bei den materiellen Leis-ngen im oberen Drittel, was nicht zuletzt ein Erfolg derot-grünen Bundesregierung ist.
emeinsam mit Luxemburg liegen wir zum Beispieleim Kindergeld an der Spitze. Bei Quantität und Quali-t der Betreuungs-, Bildungs- und Erziehungseinrich-ngen sind wir aber europäisches Schlusslicht. Diesealsche Prioritätensetzung, verbunden mit einer ideologi-ierten Debatte über den angeblichen Niedergang der Fa-ilien durch staatlich ergänzende Betreuung und angeb-ch verantwortungslose Rabenmütter,
at zu folgenden Ergebnissen geführt: Wir haben eineer niedrigsten Geburtenraten, eine niedrige Erwerbs-eteiligung von Frauen, schlechte PISA-Ergebnisse undine beschämend hohe Kinder- und Familienarmut imuropäischen Vergleich. Das müssen wir ändern.eshalb bin ich froh, dass trotz aller Sparzwänge das-Milliarden-Euro-Programm für Ganztagsschulen im
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4931
)
)
Bundesministerin Renate SchmidtHaushalt von Edelgard Bulmahn genauso unangetastetist
wie der bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich umfassendeAnsatz für den Betreuungsausbau zugunsten derKleinsten.
Beides sind Maßnahmen des Bundes, für die er keine ei-gene Zuständigkeit hat.
Aber die Bundesregierung hat erkannt, dass der Moder-nisierungsbedarf unseres Landes in diesem Bereich ge-nauso dringend ist und dass hier entsprechende Maßnah-men genauso überfällig sind wie im Bereich derGesundheits-, der Arbeitsmarkt- oder der Rentenpolitik.Wir wollen, dass sich junge Menschen ihre Kinder-wünsche erfüllen können. Wir wollen, dass damit eineaktive Bevölkerungsentwicklung eingeleitet wird, dieuns vom viertletzten Platz in der EU und von einem derschlechtesten Plätze weltweit wegbringt. Wir wissen,dass wenig Kinder nicht erst in drei oder vier Jahrzehn-ten zu Problemen in den Sozialversicherungssystemenführen werden, sondern schon heute, also ganz aktuell,weniger Wachstum und damit weniger Wohlstand fürunser Land bedeuten. Deshalb werden wir die Rahmen-bedingungen für Familien verbessern. Dies ist nochwichtiger, als dauernd über die Höhe materieller Leis-tungen zu reden.Im nächsten Jahr werde ich die notwendigen gesetzli-chen Regelungen dazu in Absprache mit Ländern undKommunen vorlegen. Dabei wird es nicht nur um Quan-titäten, sondern auch um Qualitäten gehen müssen; dennes geht nicht nur um mehr Möglichkeiten zur Vereinbar-keit für die Eltern – hierbei ist auch die Wirtschaft in er-heblichem Maße gefordert –, sondern vor allem auch umeine verbesserte Bildung und Erziehung unserer Kinder.Diese findet an erster Stelle selbstverständlich in der Fa-milie statt; sie muss aber durch öffentliche Einrichtun-gen ergänzt werden.
Wir geben in Deutschland das meiste für die Ober-stufen der Gymnasien und das wenigste für den frühenElementarbereich aus. Das ist einer der Gründe dafür,warum bei uns wie in keinem anderen Land die Herkunftso sehr über die Bildungschancen der Kinder entschei-det. Das eine Ziel heißt deshalb: mehr und bessere Kin-derbetreuungseinrichtungen. Das zweite Ziel heißt: inder „Allianz für die Familie“ mit den Wirtschaftsverbän-den und dem DGB familienfreundliche Arbeitsbedin-gungen erreichen.
DuUWgievmdbdtLbEvmasmkaInpztrbmmsGtiaIlbsn
rwerbsfähige Unterhaltsberechtigte haben zudem einenorrangigen Anspruch auf Vermittlung, auch auf Ver-ittlung eines Kinderbetreuungsplatzes. Die Bundes-gentur für Arbeit soll sicherstellen, dass dies auch reali-iert wird.Auf mein Drängen hin wurde geregelt, dass Mütternit einem schulpflichtigen Kind keine Nachmittagstätig-eit zugemutet werden kann, wenn der Arbeitsmarktuch Vormittagsstellen hergibt.
nsbesondere allein erziehende Sozialhilfeempfängerin-en, deren Schlechterstellung wir vermieden haben,rofitieren davon, dass zukünftig für Bezieher und Be-ieherinnen des Arbeitslosengeldes II Beiträge zur Ren-enversicherung gezahlt werden.Dies alles sind Beispiele dafür, dass mein Ministe-ium bei allen Reformen die Auswirkungen auf Frauenerücksichtigt, Nachteile verhindert und, wo immeröglich, Verbesserungen erreicht hat.Meine sehr geehrten Herren, meine sehr geehrten Da-en, auch auf der Seite des Zivildienstes kann ich Ent-pannung melden.
leichzeitig will ich mich bei den Wohlfahrtsorganisa-ionen und den anderen Trägern des Zivildienstes fürhre Geduld und Kooperationsbereitschaft im Hinblickuf das Einberufungsjahr 2002/2003 bedanken.
ch habe mein Versprechen gehalten: Die Kostenauftei-ung zwischen Bund und Trägern liegt für 2004 wiederei 70 Prozent zu 30 Prozent. Die Bundesarbeitsgemein-chaft der Freien Wohlfahrtspflege begrüßt die Pla-ungssicherheit. Im Zivildienstjahr 2003/2004 werden
Metadaten/Kopzeile:
4932 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesministerin Renate Schmidtim Jahresdurchschnitt circa 95 000 Zivildienstleistendeeinberufen.Ein Beispiel für erfolgreiche Schwerpunktsetzung istunser Engagement für die soziale und berufliche Inte-gration von Jugendlichen. Mit dem freiwilligen sozia-len Trainingsjahr haben wir ein Angebot geschaffen, mitdem es gelingt, diejenigen Jugendlichen zu integrieren,für die es bisher keine Angebote gab.Die bisherige Bilanz ist sehr vielversprechend. DieMittel wurden aufgestockt und in 2004 wird die erreichteHöhe erhalten bleiben. Ich erwarte von diesem Konzept,dass diejenigen Jugendlichen nachhaltig integriert wer-den, die wir bisher nicht erreicht haben oder die oft ohneden erwünschten Erfolg von Maßnahme zu Maßnahmegeschickt wurden.Keinerlei Kürzungen gibt es auch im Bereich der Se-niorenpolitik. Schutz und Sicherheit für das hohe Alterbleiben weiter ein Schwerpunkt der Arbeit. Daneben istdie Konzentration auf eine Zukunftsfrage eingeleitet:Welche Entscheidungen brauchen wir, um die Erfahrun-gen und Potenziale der Älteren für unsere Gesellschaftnachhaltig zu nutzen? Ich wehre mich dagegen, dass Al-ter mit „hilfsbedürftig“, „krank“ und „ohne Nutzen fürdie Gesellschaft“ gleichgesetzt wird.
Alte Menschen mit ihrer Lebenserfahrung werden inunserer Gesellschaft genauso wie junge Menschen ge-braucht, und zwar sowohl in der Wirtschaft als auch inder gesamten Gesellschaft. Es wäre gut, die Diskussionintensiver auf diesen Punkt zu konzentrieren, als sich mitNützlichkeitsaspekten in Bezug auf alte Menschen odermit Kosten, die Alte verursachen, zu beschäftigen. Daswürde dem gesamten Parlament wohl anstehen.
Ich freue mich auf die Diskussion in den Ausschüssenmit Ihnen über den Einzelplan 17. Ich bin gespannt, obSie, meine Herren und Damen von der Union, diesmalfinanzierbare Alternativen vorlegen werden, zum Bei-spiel zu Ihrem Familiengeld, das Sie ausweislich derletzten Pressemeldungen angeblich immer noch wollen,
oder ob Sie Konzepte zur Anerkennung von zusätzlichdrei Rentenversicherungsjahren pro Kind mit einem Fi-nanzbedarf von 12 Milliarden Euro vorlegen werden. Eswird aber dabei bleiben, glaube ich, dass dies nur Äuße-rungen ohne Substanz für Wahlreden, Presseerklärungenund Talkshows sind.Sie werden im Rahmen der Debatten erkennen: Wirunterstützen Familien als Leistungsträger der Gesell-schaft in ihrer wirtschaftlichen Eigenständigkeit durchzielgenaue Förderung. Wir schaffen eine Infrastruktur,die es jungen Menschen erlaubt, sich Kinderwünsche zuerfüllen,
uwtuWddDsHshlAJgtsfmdhgf
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Maria Eichhorn.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Frau Ministerin, Ihre Rede, auch wenn sie nocho forsch vorgetragen worden ist, kann nicht darüberinwegtäuschen, dass Sie die Familien ins Abseits stel-en.
uch eine Zeitschrift wie der „Spiegel“ hat in diesemahr, im Mai, geschrieben:
Niemand scheint sich mehr für Familienpolitik zuinteressieren, auch weil es Renate Schmidt ver-säumt hat, das Land für Familienpolitik zu interes-sieren.
Ihre Auftritte im Kabinett oder in der Fraktion be-schränken sich auf Appelle, mehr für Familien undFrauen zu tun. Dann nicken alle zustimmend undwenden sich wieder anderen Dingen zu.
Die Familienpolitik wurde bei Ihnen aufs Abstellgleiseschoben. Jetzt versuchen Sie, den bayerischen Land-agswahlkampf zu nutzen, um angebliche familienpoliti-che Erfolge zu vermarkten.Die Lebenswirklichkeit von Familien sieht nachünf Jahren Rot-Grün aber anders aus. Sie hat sich dra-atisch verschlechtert. 1998 waren 1 Million Kinder iner Sozialhilfe – auch das war natürlich schon zu viel –;eute sind es aber 1,1 Millionen Kinder, Tendenz stei-end.
Wir haben in unserer Regierungszeit die Leistungenür Familien verdreifacht.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4933
)
)
Maria EichhornWir haben mit dem Erziehungsgeld und dem Erzie-hungsurlaub sowie mit der Anrechnung von Kinderer-ziehungszeiten in der Rentenversicherung bahnbre-chende Neuerungen eingeführt.
Sie jedoch streichen und kürzen. Mit der geplanten kom-pletten Streichung der Eigenheimzulage treffen Sie inerster Linie Familien. Mit der Kappung der Pendlerpau-schale greifen Sie Familien nochmals in die Tasche. Mitder Einführung der Ökosteuer haben Sie Familien weit-aus stärker belastet als andere Bevölkerungsgruppen.Bei der Beratung des Haushalts 2003, also im letztenJahr, haben Sie, Frau Schmidt, noch behauptet, dass inkeinem Ressort zulasten von Familien gespart wird.Noch kürzlich haben Sie getönt, bei Familien würdenkeine Kürzungen vorgenommen. Die Realität sieht an-ders aus. Ihr Haushalt wurde um 7 Prozent gekürzt. Dassind 345 Millionen Euro. Knapp 70 Prozent davon ent-fallen allein auf die Kürzung des Erziehungsgeldes.
Bekanntlich sind die finanziellen Einschnitte nach derGeburt eines Kindes besonders hoch; das Erwerbsein-kommen der Eltern sinkt. Trotzdem sanieren Sie IhrenHaushalt auf Kosten junger Eltern durch drastische Re-duzierung der Einkommensgrenzen beim Erziehungs-geld. Das halten Sie noch für vertretbar? Das kann dochnicht wahr sein!
Mit diesen Einsparungen treffen Sie vor allem die El-tern, die sich entscheiden, zumindest eine bestimmteZeit bei ihrem Kind zu Hause bleiben zu wollen. Dannsagen Sie doch gleich, dass Sie das Erziehungsgeld ganzstreichen wollen. Das wäre wenigstens eine ehrlicheAussage. Schönreden hilft nicht, Frau Ministerin.Noch bei den Beratungen zum Haushalt 2003 habenSie gesagt – da zitiere ich Sie aus dem Bundestagsproto-koll –, es gebe keinerlei Einschränkungen beim Erzie-hungsgeld. So lautete Ihre Aussage. Die Realität siehtheute ganz anders aus. Sie, Frau Ministerin, richten IhrePolitik doch völlig daran aus, dass beide Eltern erwerbs-tätig sein müssen.
Das kann doch nicht richtig sein. Ich habe immer ge-dacht, dass auch Sie der Meinung wären, dass ElternWahlfreiheit besitzen sollen, also selbst entscheiden,wie sie Familie und Erwerbstätigkeit vereinbaren wol-len. Sie aber verschlechtern zunehmend die Rahmenbe-dingungen und schränken damit diese Wahlfreiheit ein.Einsparungen auf Kosten derjenigen, die Kinder erzie-hen, gehen zulasten der Zukunftsfähigkeit unseres Vol-kes.mdSvSrIIfdsblgfhgdSzdtge32nrsdlsde
ie müssten doch eigentlich das Ja zum Kind erleichtern,ielmehr bestrafen Sie aber die jungen Familien.chauen Sie nach Frankreich. Dort liegt die Geburten-ate bei 1,8.
n den skandinavischen Ländern liegt sie bei 1,7.
n Frankreich werden Familien nicht nur durch ein viel-ältiges Betreuungsangebot unterstützt – das ist richtig,as haben die –,
ondern der Erfolg des französischen Familienkonzeptesasiert auch auf der finanziellen Förderung von Fami-ien in den ersten Lebensjahren eines Kindes. In Norwe-en zahlt der Staat beispielsweise für jedes Kind unge-ähr 425 Euro im Monat. Dieser Satz liegt dreimal sooch wie die 154 Euro, die wir in Deutschland zahlen,anz abgesehen davon, dass Ihre Kindergelderhöhungen Familien nichts gebracht hat, weil Sie an anderertelle den Familien das Geld wieder aus der Tasche ge-ogen haben. Sie machen Politik nicht für Familien, son-ern gegen sie.
Um von Ihrem völligen Versagen in der Familienpoli-ik abzulenken, haben Sie nach Ausgleichsmaßnahmenesucht. Schauen wir uns doch an, was bei den Allein-rziehenden passiert ist. Zunächst haben Sie den00 000 Alleinerziehenden den Freibetrag von900 Euro weggenommen. Jetzt wollen Sie wieder ei-en neuen Freibetrag von 1 300 Euro einführen. Werechnen kann, stellt aber fest, dass das keinen Ausgleich,ondern eine Verschlechterung um mehr als 50 Prozentarstellt.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Den lächerlichen Vorschlag, pro Kind 20 Euro zu zah-
en, haben Sie schnell wieder fallen gelassen. – Bitte
ehr.
Vielen Dank, aber ich glaube, es erteilt immer nochie Präsidentin das Wort, wenn ich mir diese Bemerkungrlauben darf.
Metadaten/Kopzeile:
4934 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Nicolette KresslFrau Eichhorn, sollten Sie vielleicht bei den Beratun-gen in der letzten Legislaturperiode übersehen haben,dass der Haushaltsfreibetrag für die Alleinerziehendennicht einfach gestrichen, sondern durch einen Freibetragfür Betreuung, Erziehung und Ausbildung ersetzt wor-den ist? Ich kann Sie hier nur auffordern, diese Heuche-lei zu lassen,
zu behaupten, der Freibetrag sei einfach gestrichen wor-den und nicht durch einen fast gleich hohen Freibetrag,der pro Kind und nicht pro Haushalt gilt, ersetzt worden.Das heißt, sobald Sie zwei Kinder in einer Familie ha-ben, liegt die Höhe des neuen Freibetrages schon überdem damaligen Haushaltsfreibetrag.
Ich kann Sie nur auffordern, richtig zu rechnen und inZukunft bei der Wahrheit zu bleiben.
Frau Kollegin, wenn das stimmen würde, was Sie ge-rade gesagt haben,
dann verstehe ich nicht, warum die Alleinerziehendenund allen voran die Halbschwester von Herrn Schröderauf die Barrikaden gegangen sind und sich dagegen ge-wehrt haben, dass der Freibetrag für Alleinerziehendegestrichen wird. Ich denke, die haben Recht.
Jetzt unterscheidet das Ministerium – und verstehtdies als Beitrag zum Abbau von Bürokratie – zwischenechten und falschen Alleinerziehenden.
Ich frage Sie: Wie wollen Sie denn feststellen, wer einechter und wer ein falscher Alleinerziehender ist?
Wollen Sie Detektive anstellen? Damit könnten Sie dannvielleicht auch gleich die Arbeitslosigkeit etwas verrin-gern, Frau Ministerin.Nicht nur Alleinerziehende, sondern auch verheirateteEltern mit Kindern sind von Armut betroffen. Nun wol-len Sie einen Kinderzuschlag für Geringverdiener inHöhe von 140 Euro einführen und damit 150 000 Kinderaus der Sozialhilfe holen. Es ist gut, dass Sie unsere Ideedes Familiengeldes,
die genau dieses Ziel verfolgt, aufgreifen. Kinder aus derSozialhilfe zu holen ist ja das gemeinsame Ziel. Deswe-gen werden wir Ihren Vorschlag konstruktiv begleiten.WdwhztbuViInkdKFAKwDSwawcgoums1KgasdrlDqLmJssStein
hre Sozialexpertin Thea Dückert kam vor kurzem in ei-em Artikel in der „Welt“ zu der wegweisenden Er-enntnis: „Heute stehen Mütter mit zwei und mehr Kin-ern bei der Rente sogar besser da als Frauen ohneinder.“ Da frage ich Sie schon: Wo lebt denn dieserau? Das kann doch nicht ernst gemeint sein! Dieseuffassung ist eine Diskriminierung von Eltern, die ihreinder ganz oder zeitweise selbst erziehen wollen. Weilir uns für diese Eltern stark machen, wirft uns Frauückert ein „antiquiertes Frauenbild“ vor. An anderertelle hingegen beklagt sie die demographische Ent-icklung.Das Bundesverfassungsgericht ist anderer Meinungls Frau Dückert. Es hat im April 2001 für verfassungs-idrig erklärt, dass Mitglieder der sozialen Pflegeversi-herung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einemleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie Mitgliederhne Kinder belastet werden. Wir von der Union setzenns bei den jetzt anstehenden Reformen für eine ange-essene Berücksichtigung der Erziehungsjahre ein. Dasind wir den Müttern schuldig.
Seit einem Jahr rühmt sich die Bundesregierung eines,5-Milliarden-Euro-Programms zur Finanzierung derinderbetreuung. Aber Sie sind die Antwort schuldigeblieben, wie Sie das finanzieren wollen. Um von sichbzulenken, verbreiten Sie Zahlen über angeblichchlechte Kinderbetreuung in Bayern. Tatsache ist: Beier Betreuung der unter Dreijährigen und im Hortbe-eich steht Bayern schon längst an der Spitze aller west-ichen Flächenländer in Deutschland.
as Kinderbetreuungsangebot wurde und wird konse-uent ausgebaut. Frau Schmidt, auch wenn Sie das imandtagswahlkampf immer wieder so darstellen, stim-en die Zahlen, die Sie bringen, einfach nicht.Eines ist interessant: In der Haushaltsrede im letztenahr haben Sie von 24 Ganztagsschulen in Bayern ge-prochen. Da darf ich Sie korrigieren. Sie haben offen-ichtlich nur die Hauptschulen gezählt; denn bereits imchuljahr 2001/2002 gab es laut Statistik der Kultusminis-rkonferenz 314 offene und gebundene Ganztagsschulen Bayern. Im laufenden Schuljahr sind es sogar
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4935
)
)
Maria Eichhorn570 Ganztagsschulen. Kümmern Sie sich also um richtigeZahlen und bleiben Sie bei der Wahrheit, Frau Ministerin.
Im Übrigen sollten Sie sich einmal um die Kinderbe-treuung in Berlin kümmern. Hier haben die Vertreter derWirtschaft und der Wissenschaft kürzlich die familien-feindliche Politik von Wowereit kritisiert.Meine Damen und Herren, die rot-grüne Regierungwar mit dem Anspruch angetreten, die Gleichberechti-gung der Frauen zu verwirklichen. Doch bereits zweiJahre später hat der Deutsche Frauenrat festgestellt, eineFrauenpolitik finde bei Rot-Grün nicht statt. Haben Sieheute von Frauenpolitik viel gehört? Frau Ministerin,wir vermissen Frauenpolitik nach wie vor.
Bei der Einbringung des Haushalts 2003 beklagte dieSPD, dass Deutschland bei der Erwerbstätigkeit derFrauen am unteren Ende der Skala in Europa sei. Sieverschweigen jedoch, dass Bayern im Vergleich zu ande-ren Bundesländern mit 63 Prozent die höchste Erwerbs-quote von Frauen in Deutschland aufweisen kann.Meine Damen und Herren von Rot-Grün, die Anlie-gen junger Menschen haben Sie sträflich vernachläs-sigt. Wir haben über den Bundesrat einen ergänzendenGesetzentwurf eingebracht, um der wachsenden Gewalt-bereitschaft insbesondere der jungen Menschen zu be-gegnen. Die Erfüllung unserer Forderungen nach Ver-besserungen im Jugendschutzgesetz haben Sie aberabgelehnt. Auch beim drängendsten Problem, der Ju-gendarbeitslosigkeit, hat die Bundesregierung versagt.Eine falsche Arbeitsmarktpolitik hat die Interessen derJugend völlig außer Acht gelassen.Frau Ministerin, Sie waren vor kurzem in meiner Hei-matstadt Regensburg und haben die Koordinierungs-stelle für die deutsch-tschechische Jugendarbeit be-sucht. Sie haben dort versprochen, dass die Mittel fürden Jugendaustausch erhöht werden. Ich bin froh da-rüber, dass Sie damit auf mein Schreiben vom April rea-giert haben; denn Tandem, diese deutsch-tschechischeKoordinierungsstelle, leistet hervorragende Arbeit. Siewurde von Frau Nolte eingerichtet und konnte im Jahre2002 über 250 Begegnungen mit etwa 7 500 Jugendli-chen veranstalten bzw. organisieren. Deswegen ist esgut, dass die Mittel hierfür erhöht worden sind.Ich würde gerne noch über Seniorenpolitik sprechen.Aber Seniorenpolitik, Frau Ministerin, hat in dieser Le-gislaturperiode nicht stattgefunden. Sie haben zwar einAltenhilfestrukturgesetz angekündigt, aber weiter habenwir nichts gehört. Wir brauchen eine Politik, die sich anden individuellen Bedürfnissen der älteren Generationorientiert. Ich stimme Ihnen zu, dass wir dabei natürlichauch die aktiven Älteren im Blick haben müssen. Dabeiist es besonders wichtig, dass die älteren Arbeitnehmerdurch eine Verbesserung der Arbeitsmarktpolitik, durchQualifizierung und Weiterbildung wieder eine Chancebekommen.
AgKzlasmkuIwhFivhdndZB2e„gnla–nzS
Bei der Suche nach Lösungen sind alle gesellschaft-ichen Gruppen gefordert. Jung und Alt müssen bei dennstehenden Reformen zusammenarbeiten. Wir müs-en gemeinsam die Herausforderungen der Zukunfteistern. Frau Ministerin, Ihr Haushalt ist nicht zu-unftsfähig. Er wird den großen Aufgaben, die sichns stellen, nicht gerecht. Ich bin gespannt darauf, washnen in den Haushaltsberatungen noch einfällt, umenigstens noch eine kleine Anleihe zur Zukunftsfä-igkeit zu erreichen.
Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Ekin Deligöz.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Eichhorn, als Tochter einer Mathematikerin mussch mit Zahlen anfangen, und zwar mit der Korrekturon Zahlen.Die Zahl von 1,1 Millionen Kindern in der Sozial-ilfe ist das Ergebnis nicht dieser Bundesregierung, son-ern Ihrer Bundesregierung. Das war nämlich das Ergeb-is im Kinder- und Jugendhilfebericht 1998, das Sie vorer Wahl nicht veröffentlichen wollten, weil Ihnen dieahl zu unangenehm war.
Zweitens. Die Zahl von 341 Ganztagsschulen inayern stimmt nicht. Die reale Zahl ist 30, und das seit003 durch den Einsatz der Bundesregierung. Ich kanns Ihnen nachweisen. Vor mir liegt ein Artikel derAugsburger Zeitung“ vom 6. September 2003, in demenau das steht,
ämlich dass eine Neu-Ulmer Schule eine von 30 Schu-en in Bayern und eine von vier in Schwaben ist. Es sindlso nicht 300, sondern 30.
Ich möchte erst diese Punkte abhandeln. Danach kön-en Sie gerne eine Zwischenfrage stellen.Drittens. Die Reform der Freibeträge für Alleiner-iehende war nicht der Wunsch dieser Bundesregierung.ie wurde deswegen notwendig, weil Sie nicht in der
Metadaten/Kopzeile:
4936 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Ekin DeligözLage waren, ein Gesetz verfassungskonform zu formu-lieren.
Erst danach kam es zu der Entscheidung des Bundesver-fassungsgerichts, wodurch wir gezwungen waren, dieseÄnderung auf den Weg zu bringen. Das ist die Wahrheit.
Meine Kollegin Kressl hatte Recht. Was Sie gesagt ha-ben, ist nicht richtig.Jetzt dürfen Sie gerne eine Zwischenfrage stellen.
Frau Deligöz, ich kann jetzt nicht überprüfen, was ge-
nau in der Zeitung gestanden hat. Es muss aber richtiger-
weise heißen, dass es eine von 30 neuen Ganztagsschu-
len ist,
die im Rahmen eines 313-Millionen-Euro-Programms,
das Bayern zur Förderung und Betreuung von Schü-
lern am Nachmittag aufgelegt hat, zusätzlich eingerich-
tet werden. Zu diesem Programm gehört auch die Ein-
richtung von zusätzlichen Ganztagsschulen.
Wenn Sie diese Zahl nicht glauben, dann bitte ich Sie,
sich bei der Kultusministerkonferenz zu erkundigen. Ich
denke, die Zahlen der Kultusministerkonferenz sind
nicht anzuzweifeln; denn diese Konferenz ist nicht aus-
schließlich mit Vertretern aus CDU und CSU besetzt.
Dort sind vielmehr alle Parteien vertreten.
Ich darf Sie noch dahin gehend aufklären, dass es ver-
schiedene Formen von Ganztagsschulen gibt. Die KMK
unterscheidet drei verschiedene Formen: Es gibt Ganz-
tagsschulen in gebundener Form, die von morgens bis
abends durchgehend Unterricht machen. Daneben gibt
es Ganztagsschulen in offener Form, wobei die Betreu-
ung und Förderung der Schüler am Nachmittag im Vor-
dergrund steht. Alle Schulen dieser Formen zählt die
KMK zu den Ganztagsschulen. Demnach gibt es in Bay-
ern in diesem Schuljahr 570 Ganztagsschulen, die den
Schülerinnen und Schülern am Nachmittag unterstüt-
zend zur Seite stehen.
Liebe Kollegin Eichhorn, Sie kommen wie ich ausBayern. Ich komme aber zu dem Schluss, dass es unterdiesen 570 Schulen nur einige Ganztagsschulen gibt. Die„Augsburger Allgemeine“ nennt die Zahl 30. Sie wollensicherlich nicht die Angaben dieser Zeitung anzweifeln.
–nEangHSsuewdGrngAsBtalä–HDrJLKtegukKdLswF
s geht also um Ganztagsschulen. Sie beziehen sich aberuf ein Programm der Bayerischen Staatsregierung, dasicht Ganztagsschulen umfasst, sondern eine Hausauf-abenbetreuung am Nachmittag, die vorwiegend vonausfrauen, Rentnern und Rentnerinnen, Schülern undchülerinnen durchgeführt wird.Ein Modellversuch läuft in Regensburg. Sie könnenich das gerne einmal anschauen. Dort findet die Betreu-ng, durchgeführt von nicht qualifiziertem Personal, ininem heruntergekommenen Haus statt. Diese Betreuungird aber als Ganztagsangebot deklariert. Die Qualitätieses Angebots ist aber jenseits der Qualität, die vonanztagsschulen erbracht wird.
Wir verstehen unter einer Ganztagsschule etwas ande-es, nämlich eine qualitativ hochwertige Betreuung, dieicht einfach nebenher läuft und bei der nicht geringfü-ig Beschäftigte ein paar Stunden am Nachmittag dasnfertigen der Hausaufgaben betreuen.
Es ist also nicht richtig, was Sie sagen. Es handeltich vielmehr um 30 Schulen; das ist die richtige Zahl.ei allen anderen Schulen handelt es sich um Nachmit-gsangebote, wie zum Beispiel der Arbeitskreis „Aus-ndische Kinder“ und Ähnliches.
Ich mag die „Augsburger Allgemeine“. Das ist meineeimatzeitung. Sie sollten sie ab und zu einmal lesen.as würde Ihnen guttun.Ich will Ihnen nun aber erklären, was das Ergebnis Ih-er Politik war. Laut Shell-Studie sagen 16-, 17- und 18-ährige auf die Frage, was junge Menschen in diesemand wollen: Wir hätten gerne einen Beruf und auch einind. – Wenn man sie zehn Jahre später noch einmal in-rviewt und fragt: „Was ist aus euren Lebensträumeneworden?“, sagen sie: Entweder wir haben ein Kindnd sind zu Hause oder wir haben einen Job und dannönnen wir leider keine Kinder bekommen, weil die fürinder notwendigen Rahmenbedingungen nicht vorhan-en sind. 41 Prozent der Akademikerinnen in diesemand bekommen keine Kinder – nicht deswegen, weilie sie nicht wollen, sondern deswegen, weil sie nichtissen, wie sie Kinder mit ihrem Job vereinbaren sollen.rauen in meinem Alter, Frauen um die 30, sagen: Ich
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4937
)
)
Ekin Deligözhätte gerne ein Kind; aber ich kann keines bekommen,weil ich dann umsonst studiert bzw. umsonst meineLehre gemacht hätte.Deshalb setzt die Bundesregierung darauf, Rahmen-bedingungen, die Sie nicht geschaffen haben, einzurich-ten. Unter „Rahmenbedingungen“ verstehen wir nicht,Anreize zu schaffen, um zu Hause zu bleiben. Mit dennotwendigen Rahmenbedingungen setzen wir Anreizezur Erwerbstätigkeit. Genau das ist auch die Formel,mit der Armut bekämpft werden kann.
Ja, wir sparen auch; das ist in der Tat richtig. Wir spa-ren beim Erziehungsgeld, wobei man festhalten muss:95 Prozent der betroffenen Haushalte bleiben davon un-berührt; lediglich 5 Prozent, die Gutverdienenden, erhal-ten weniger Geld. Wir sparen auch, um zu gestalten, wasSie in all den Jahren aufgrund Ihrer ideologischen De-batten vermieden, verpasst und nicht zugelassen haben.
Dazu gehören die Ganztagsbetreuung, die Betreuung imKindergarten und die Betreuung von Kindern zwischennull und drei Jahren, Qualitätsinitiativen und das 4-Mil-liarden-Programm für die Einrichtung von Ganztags-schulen.Ich möchte noch einmal die „Augsburger Allge-meine“ von heute zitieren. Dort steht nämlich:Die Ganztagesklassen– die von der Bundesregierung finanziert werden –
an der Emil-Schmid-Schule sind … ein Hit: Mittler-weile ist die Nachfrage so groß,– also die nach Ganztagesklassen –dass es schon eine Warteliste gibt …Derzeit gibt es dort drei Ganztagesklassen. Weiter wirddarauf hingewiesen, dass die Zeugnisse derjenigenSchülerinnen und Schüler, die eine Ganztagsklasse besu-chen, deutliche Notenverbesserungen aufweisen.Das ist das Ergebnis unserer Politik. Wir investierenin die Kinder; wir investieren in die Bildung und in dieRahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf undFamilie. Wir schaffen Rahmenbedingungen, von denenSie nur träumen können.
Nun möchte ich darauf eingehen, was die bayerischeAntwort auf diese Rahmenbedingungen ist.
BZKsDtgBSIIkbubMwaArsaaUdspddoVDiudisdv
as ist das, was wir wollen: Kernzeiten in die Kinderbe-reuung aufnehmen. Genau dazu sagt Ihnen jeder Päda-oge: Das muss sein; Kinder brauchen feste Punkte inezug auf Mittagessen, Mittagsschlaf, Aufstehen undpielen. – Genau das wollen Sie abschaffen.
hre Antwort auf die Investition in Kinder und auf dienvestition in die richtigen Rahmenbedingungen ist: Sieürzen, wo es nur geht, nämlich dort, wo es um die Le-enswirklichkeit der jungen Frauen, der jungen Mütternd der jungen Männer in diesem Land geht.
Wir investieren, um die Armut zu beseitigen. Wir ha-en ein Modell, das Anreize zur Erwerbstätigkeit setzt.it einem Zuschlag von 140 Euro pro Kind investierenir in ein Grundsicherungsmodell für Familien, um sieus der Armut herauszuholen und um Anreize zu setzen.Wir machen ein Weiteres: Wir unterstützen die echtenlleinerziehenden. Ich verstehe überhaupt nicht, wa-um es so verpönt sein soll – Sie haben das gerade darge-tellt –, das zu tun. Wenn eine Mutter bzw. ein Vater esuf sich nimmt, ein Kind allein zu erziehen und die Ver-ntwortung dafür zu übernehmen, kann sie oder er nichtnterstützung genug von diesem Staat bekommen.Sie haben gesagt, die Familienministerin sei nichturchsetzungsfähig. Ich habe Ihnen nur einen Teil des-en aufgezählt, was alles in dieser Wahlperiode ange-ackt wurde. Ich bezeichne sie erstens sehr wohl alsurchsetzungsfähig. Zweitens möchte ich mich aus-rücklich bei ihr dafür bedanken, dass wir als Fachabge-rdnete eine so gute Unterstützung von ihr bekommen.ielen Dank!
enn im Gegensatz zu Ihnen ist die Familienministerinn der Realität verwurzelt, in der Wirklichkeit der Mütternd Väter. Sie ist dort, wo Kinder aufwachsen. Sie istort, wo Kinder erzogen werden. Sie investiert mit unsn die Gesellschaft.Rot-Grün setzt Rahmenbedingungen – auch inchwierigen Zeiten. Es gehört sich, dass auch Sie voner Opposition uns darin unterstützen und uns nicht da-on abhalten, unsere Politik fortzusetzen.
Metadaten/Kopzeile:
4938 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Ekin DeligözIch fände es schön, wenn Sie es endlich einmal schaffenwürden, gerade in diesem Bereich Ihre Ideologien zuverlassen und in der Lebenswirklichkeit der Mütter undVäter anzukommen.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Fricke.
Frau Präsidentin, mit der Bitte um ebenso rücksichts-volle Berücksichtigung meiner kurzen Redezeit!
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ichmuss schon sagen, ich komme mir hier ein bisschen vor,als wären wir im Maximilianeum. Es geht ständig umBayern und die Frage, was irgendwo steht. Warumwohl? Das muss ich mich dann wirklich fragen. Das giltauch für das, was Frau Deligöz gemacht hat: diese De-tailfragen und dieses Sich-daran-Festhalten. Wir unter-halten uns hier über einen Haushaltsplan. Das Komischeist: Wenn man versucht, den Landtag da hineinzuziehen,dann ist man wohl an der Kernpolitik, um die es eigent-lich geht – Frauen, Familie, Jugend, Senioren –, nichtwirklich interessiert. Dann liegt es am Redner, das zustoppen.
Wir haben einen Sparhaushalt. Frau Ministerin, ichgebe Ihnen Recht: Es ist einer, und zwar so, wie ein Ein-zelhaushalt sein muss. Jetzt geht es nicht um die Frage,dass gespart werden muss, sondern darum, wie gespartwerden muss. Da müssen wir Wege finden.
– Jetzt kommt die Frage, wo die FDP spart. Es wird sosein wie in der letzten Legislaturperiode, dass wir ein-zelne Vorschläge zum Sparen machen. Das Komischewird dann sein, dass Sie die ablehnen.
– Dass sie die nicht kennen, liegt daran, dass Sie nichtim Haushaltsausschuss sind; aber das macht ja nichts.Wir haben eigentlich großes Glück – auf der anderenSeite beklagen wir es wieder –, dass dieser Haushaltüberhaupt noch am Leben ist und einigermaßen funk-tionsfähig ist. Das liegt an der sinkenden Geburtenrate.Hätten wir wirklich die Geburtenraten, die wir für unsereSozialsysteme bräuchten, dann möchte ich nicht wissen,wie hoch die Ausgaben beim Erziehungsgeld, beim Un-terhaltsvorschussgeld und in anderen Bereichen wären.Das müssen wir einfach so sehen. Das ist etwas zynisch– das gebe ich sehr gern zu –, aber so ist die Lage imMoment.wasdkmALnmansggwMtF1ndtdfieh7tZqgAldmcVdlgiarBglwB
Es wird nachher so sein, dass junge Leute sagen:eim Zivildienst werden nur 60 Prozent der Bewerberezogen, bei der Bundeswehr 70 Prozent, dann gehe ichieber in den Zivildienst; vielleicht habe ich Glück undenn ich dann vier, fünf oder sechs Jahre später beimewerbungsgespräch bin, habe ich den Vorteil, dass ich
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4939
)
)
Otto Frickeein Jahr jünger bin und der andere seine Wehrpflichtoder seinen Zivildienst absolviert hat. Das kann nichtsein.Ich bin gespannt, liebe Kolleginnen und Kollegen vonder SPD, wie Sie dieses Problem auf Ihrem Parteitag lö-sen werden. Ich kann es mir vorstellen. Denn leider ist esso, dass, obwohl wir dieses Ministerium seit fast 50 Jah-ren haben, es aufgrund dieses so dünnen Haushaltspla-nes – wir tun hier so, als wäre das ein ganz großer Haus-haltsplan und als ginge es um sehr viele Dinge – nichtfür wichtig genommen wird. Es wird wichtig geredetund angeblich für wichtig gehalten, aber es wird nichtfür wichtig genommen, weil der Haushalt wenig Bedeu-tung hat. Die meisten finanziellen Mittel – das wissenSie ganz genau – laufen über Steuern und Finanzen undan ganz anderer Stelle, nur nicht in dem Ministerium.Außerdem muss es darum gehen, dass sich die Ministe-rin gegen einen Kanzler durchsetzen kann, der manch-mal auch unschöne Worte – in dem Falle ein G-Wort –für diese Art der Politik benutzt hat.Eine letzte Bemerkung. Ich habe gedacht, dass wir inder Bundesrepublik Deutschland bei der Frage derEigenverantwortung in die richtige Richtung gehen.
Der Finanzminister hat heute Morgen gesagt, eine Voll-kaskoversicherung – das sei einmal von der FDP gekom-men – könnten wir uns nicht mehr leisten. Das stimmt.Ich finde es aber interessant, nun zu sehen, was es fürSie bedeutet, wenn mehr Verantwortung übernommenwerden muss. Ich habe immer gedacht, das fänden allegut, bis ich erfahren habe, welche Stellung die Grünenauf ihrer Tagung in Miesbach zu der Frage bezogen ha-ben, wer für wen wie lange unterhaltspflichtig ist. Wennwir damit anfangen würden, dass Kinder zukünftig fürihre Eltern nach einer bestimmten Zeit nicht mehr unter-haltspflichtig sind oder umgekehrt – die Frage nachmöglicher staatlicher Leistung ist in diesem Falle egal –,dann entbinden wir sie von der gegenseitigen Verantwor-tung, die es in den Familien gibt.
Diese wollen wir aber doch gerade fördern und stärken,deswegen brauchen wir doch die Familien.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Sie sindder Meinung, dass das richtig ist. Ich bin gespannt, wiedie Ministerin es begründen wird, warum es falsch ist.Ich hoffe jedenfalls, dass sie das tun wird.Herzlichen Dank.
FHwsIttaDh1sgmMdm1–grstazZisSddUrsEsmilr
as ist vielerlei Dingen geschuldet und ich nehme esin. Es ist aber nicht hinnehmbar, dass Sie in den6 Jahren, in denen Sie in der Verantwortung waren, ver-äumt haben, sich anzuschauen, was in anderen Ländernemacht wurde. Dort ist die Infrastruktur für Familienit Kindern deutlich verbessert worden und damit dieöglichkeit, Familie und Beruf miteinander zu verbin-en. Hier liegen Ihre größten Versäumnisse. Wir müssenit riesengroßen Anstrengungen aufarbeiten, was Sie in6 Jahren versäumt haben.
Ich möchte im Zusammenhang vortragen, kommeleich aber gerne auf Sie zurück.Wirksame Politik hängt unter anderem vom zielge-ichteten Einsatz vorhandener Mittel ab. Das gilt insbe-ondere in Zeiten knapper Kassen. Die Einnahmesitua-ion der öffentlichen Haushalte macht es notwendig,uch die Fördermöglichkeiten in zentralen Politikfeldernu überprüfen und gegebenenfalls neu zu justieren. Dasiel darf dabei nicht aus den Augen verloren werden,nsbesondere diejenigen zu unterstützen, die wirklich auftaatliche Hilfe angewiesen sind. Sparen ist aber keinelbstzweck. Was macht es für einen Sinn, diejenigen,ie man heute besonders fördert, in Zukunft die Schul-en dafür zahlen zu lassen?
nsere Prämisse lautet also: konsolidieren und zielge-ichtet fördern.Wir gehen diesen Weg. Wir wissen, was die Men-chen bewegt. Wir setzen um, was Verlässlichkeit undntfaltungsmöglichkeiten schafft. Für das Jahr 2004piegelt das der Einzelplan 17, der Haushalt des Bundes-inisteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,m Besonderen wider. Themen, an denen sich das zeigenässt, sind zum Beispiel der Zivildienst, die Verbesse-ung der Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches
Metadaten/Kopzeile:
4940 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Anton SchaafEngagement und unsere Aktivitäten für benachteiligteJugendliche.
Trotz der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lagemüssen die Träger des Zivildienstes im kommenden Jahranstatt 50 Prozent nur noch 30 Prozent der Kosten fürdie Zivildienstleistenden tragen. Die befristete Änderungbei der Kostenverteilung für das laufende Jahr hat er-möglicht, dass die Zahl der Zivildienstleistenden im Jah-resdurchschnitt nicht dramatisch sinken musste. DieWohlfahrtsverbände hatten so die Möglichkeit, sich aufdie vorgesehenen Veränderungen einzustellen. Im Jahr2002 wurde der Zivildienst auf zehn Monate verkürzt.Darüber hinaus werden jährliche Obergrenzen für dieEinberufungszahlen festgelegt. Im Zivildienstjahr 2003/2004 werden es im Jahresdurchschnitt circa 95 000Dienstleistende sein. Damit gehen wir einen weiterenSchritt in Richtung Wehrgerechtigkeit.
Gleichzeitig sind unsere konkreten Vorgaben die Voraus-setzung für Planungssicherheit in den Verbänden und fürdie Zivildienstleistenden. Strukturelle Veränderungenwird es aber nicht geben.Lassen Sie mich an dieser Stelle mit einer Legendeaufräumen, die im Laufe dieser Debatte mit Sicherheitzu stricken versucht werden wird. Die Absenkung desEtatansatzes für den Zivildienst beruht im Wesentlichenauf zwei Gründen. Der eine Grund ist, wie Sie alle wis-sen – zumindest trifft das auf die Mitglieder des Aus-schusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zu –,ein Computerfehler, der in diesem Jahr behoben werdenmusste, wofür 30 Millionen Euro veranschlagt wurden.Der zweite Grund ist – die Diskussion stammt noch ausdem letzten Jahr –, dass wir generell um 20 MillionenEuro senken müssen. Nichts anderes ist der Grund fürden veränderten Ansatz im Zivildienst. Ich bitte Sie, andieser Stelle keine Legenden zu bilden.
Wir werden den Zivildienst weiterentwickeln. Dazuwurde die Kommission „Impulse für die Zivilgesell-schaft“ beim Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend eingerichtet. Hier werden Perspekti-ven für die Freiwilligendienste und den Zivildienst erar-beitet.Damit einher geht die Förderung von Maßnahmenund Organisationen des Ehrenamtes und der Selbsthilfe.Für das Jahr 2004 steigt auch hier der Ansatz. Hinzukommen noch die Mittel für die Freiwilligendienste imsozialen und im ökologischen Jahr. Wir unterstützen dieFähigkeit zur Selbstorganisation und stärken damit dieZivilgesellschaft nachhaltig. Unsere Maßnahmen rei-chen von der Unterstützung und der Förderung von Pro-jekten bis zu der Frage, wie der Staat seine eigenenStrukturen engagementfreundlicher gestalten kann.Meine Damen und Herren, wir haben mit dem not-wendigen Umbau des Sozialstaates begonnen. Gleich-zeitig müssen und werden wir benachteiligten Jugendli-cpsBgsnPKgdvnzsId1w1AbwöinsjudtuDOvpwnDgnlsd
is zum Dezember 2004 wird das Programm den Über-ang vom jetzigen zum neuen Leistungssystem – Zu-ammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe – eb-en. Daneben führt das Familienministerium weitererogramme in Zusammenarbeit mit Arbeitsämtern undommunen durch, die die soziale und berufliche Inte-ration Jugendlicher zum Ziel haben.Bei der Fortführung der Kinder- und Jugendplanför-erung auf hohem Niveau geht es um den Erhalt einererlässlichen Förderung für die Träger und Organisatio-en, aber auch darum, mit innovativen Modellprojektenu einer Weiterentwicklung der Hilfe für junge Men-chen beizutragen.
n der mittelfristigen Finanzplanung für 2004 waren füren Kinder- und Jugendplan des Bundes insgesamt01,19 Millionen Euro vorgesehen. Im Regierungsent-urf sind 102,19 Millionen Euro veranschlagt, alsoMillionen Euro mehr.Lassen Sie mich noch ein paar Worte zum Themausbildung sagen. Ohne staatliche Hilfe wäre das Aus-ildungssystem kaum noch aufrechtzuerhalten. Mittler-eile erbringt 40 Prozent der Ausbildungsleistung dieffentliche Hand. Nur noch ein Drittel der Unternehmenn Deutschland bildet aus, aber 100 Prozent der Unter-ehmen sind auf gut ausgebildete Mitarbeiter angewie-en.Es kann nicht sein, dass der Staat bei der Ausbildungnger Menschen die Wirtschaft ersetzen muss. Ausbil-ung muss eine grundlegende Aufgabe und Verantwor-ng der Wirtschaft bleiben.
eshalb sollten Sie, meine Damen und Herren von derpposition, endlich die Notwendigkeit einsehen, dasserbindliche Übereinkommen für die Ausbildung in derrivaten Wirtschaft zu treffen sind.Wir haben angekündigt, dass wir handeln werden,enn die Ergebnisse zu Beginn des Ausbildungsjahresicht zufriedenstellend sind.
ie Mittel, die staatlicherseits für Ausbildung zur Verfü-ung gestellt werden müssen, weil die Wirtschaft so we-ig ausbildet, könnten wir jetzt an anderer Stelle wirk-ich gut gebrauchen.Trotz Sparnotwendigkeiten können wir unsere politi-chen Schwerpunkte vernünftig setzen. Wir schaffen miter Ausarbeitung dieses Haushaltes eine gute Grundlage
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4941
)
)
Anton Schaaffür die politischen Entscheidungen in diesem und imnächsten Jahr.Wenn Sie unsere Vorschläge nicht teilen, ist das Ihrgutes Recht. Es ist dann aber auch Ihre Pflicht, andereVorschläge zu machen und den Menschen im Lande zusagen, was Sie wollen. Sie sind am Zuge.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Antje Tillmann,
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich habe die Vorstellungender Familienministerin zur Familienpolitik mit sehr vielInteresse gehört. Leider passen ihre Vorstellungen weitüberwiegend weder zu den Gesetzentwürfen, die unsvorliegen, noch zum Einzelplan 17, den wir zur Haus-haltsberatung vorgelegt bekommen haben. Die meistendieser Vorstellungen stehen weder im Gesetz noch imHaushalt.Beispiel Erziehungsgeld. Der Haushaltsentwurf siehteine Kürzung von 245 Millionen Euro vor. Mittelfristigsind es sogar 400 Millionen Euro, das ist eine Kürzungum 12 Prozent. Die Einkommensgrenzen werden ge-senkt. Frau Ministerin hat eben wieder behauptet, dassdavon nur die gut verdienenden Familien betroffenseien. Ich hoffe, sie weiß selber, dass das nicht stimmt.Denn mit der gleichzeitigen Absenkung der Ausgaben-pauschale von 27 auf 24 Prozent schließt sie gerade dieFamilien aus, die den berühmten Euro mehr verdienen,damit aus allen Förderprogrammen fliegen und de factosogar weniger haben als die tatsächlich sozial Schwa-chen.Völlig verschwiegen hat sie auch, dass von der Ent-scheidung über die Entfernungspauschale auch die Ein-kommensgrenzen beim Erziehungsgeld betroffen sind.Die Kilometerpauschale für die Fahrt zur Arbeit konntebei der Einkommensberechnung in Bezug auf das Erzie-hungsgeld bisher nämlich abgezogen werden. Das isteine weitere erhebliche Kürzung der Einkommensgren-zen um fast 1 500 Euro. Frau Ministerin, es stimmt ebennicht, dass die Empfänger niedriger Einkommen nichtbetroffen sind.
Sie haben die Ausgaben- und die Entfernungspauschaleunterschlagen. Das sind fast 5 000 Euro für die Betroffe-nen.Geradezu zynisch finde ich die Begründung zur Kür-zung des Erziehungsgeldes. Ich bin froh, dass Sie daseben nicht wiederholt haben. Im Gesetzentwurf steht,dass die Kürzung von 307 Euro auf 300 Euro bzw. von4s1ubsIgsdnowdwlg4f1IbtskbEgNWnei5wgsnUnddkgs
Als Sie das Kindergeld vor wenigen Jahren um0 Mark erhöht haben, war Ihnen kein Plakat zu groß,m diese Errungenschaft zu verkaufen. Jetzt gibt es auchei den niedrigen Einkommensgruppen massive Ein-chnitte und Sie reden von Glättung.
ch glaube, die Familien werden das nicht verstehen.
Meine letzte Bemerkung zum Erziehungsgeld: Einroßer Teil derjenigen, die durch die von Ihnen ange-trebten Änderungen aus dem Bezug des Erziehungsgel-es herausfallen, werden demnächst als arbeitslos, abericht vermittelbar verkauft bzw. geführt. Ich weiß nicht,b wir uns die Gleichstellung nicht sparen können, wennir den Eltern, die diese Leistungen auf sich nehmen,iesen Stempel aufdrücken.Das nächste Beispiel ist der Haushaltsfreibetrag. Sieurden im vergangenen halben Jahr nicht müde, öffent-ich zu verkünden, dass die Alleinerziehenden als Aus-leich für durch den Wegfall des Haushaltsfreibetrages90 Millionen Euro erhalten sollen. Sie haben ausge-ührt, dass zum 1. Januar 2004 ein Steuerfreibetrag von300 Euro eingeführt werden soll. Ich gebe zu, dass ichhre Meinung, dass man das auf allein wohnende Elterneschränken sollte, teile. Das Problem ist nur, dass Sierotzdem 190 Millionen bei den Alleinerziehenden ein-paren und dass die 300 Millionen Euro, die Sie hier ver-ündet haben, nirgendwo im Haushalt auftauchen. Dane-en ist auch im Rahmen der Änderungen desinkommensteuergesetzes in Art. 8 des Haushaltsbe-leitgesetzes kein Haushaltsfreibetrag enthalten.
irgendwo im Etat ist das Geld dafür bereitgestellt.
enn Sie beides nicht während der Haushaltsberatungenachholen, können Sie Ihr Versprechen auf keinen Fallinhalten.Das nächste Beispiel ist der Unterhaltsvorschuss. Esst völlig abstrus: Im Etat sehen Sie eine Kürzung von0 Millionen Euro vor. Gott sei Dank haben Sie ebenieder bestätigt, dass Sie im Gegensatz zu Ihrem Kolle-en Eichel keine Gesetzesänderungen vorsehen. Offen-ichtlich konnten Sie sich bei den Haushaltsansätzen abericht durchsetzen; denn der Gesetzentwurf sieht beimnterhaltsvorschuss Kürzungen in Höhe von 40 Millio-en Euro vor. In den Erläuterungen steht – ich zitiere –,ass „im parlamentarischen Verfahren angestrebt wird,ie im Haushaltsentwurf 2004 bereits vollzogene Absen-ung“ um 40 Millionen Euro rückgängig zu machen.Was sind das für Beratungsgrundlagen, wenn die Re-ierung die Politik auffordert, bei den Bereinigungs-itzungen mal eben 40 Millionen Euro zu finden. Sie
Metadaten/Kopzeile:
4942 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Antje Tillmannwissen genau, dass wir das bei diesem Etat nicht leistenkönnen. Das ist auch nicht unsere Aufgabe. Die Haus-haltsaufstellung ist Aufgabe der Regierung.Mein nächstes Beispiel ist der Kinderzuschlag. Hierkann man Sie für Ihre Öffentlichkeitsarbeit eigentlichnur loben. Alle Zeitungen titelten: FamilienministerinSchmidt führt Kinderzuschlag für bedürftige Familienvon 140 Euro ein. Ich war positiv überrascht. Leiderwich diese Überraschung eher einer Verwunderung darü-ber, mit welchem Beifall man eine solche Augenwische-rei betreiben kann. Auch dem, was Sie eben gesagt ha-ben, kann ich nicht entnehmen, dass Sie wissen, dass beiden Familien so gut wie kein Euro von den 140 Euro an-kommt. Ich zitiere aus dem Gesetzentwurf, mit dem derKinderzuschlag eingeführt werden soll:Die Einführung des Kinderzuschlags führt dazu,dass geringere Leistungen in der Grundsicherungfür Arbeitssuchende erforderlich sind.
Nur etwa ein Drittel der hier ausgewiesenen Kos-ten... sind echte Mehrkosten, die anderen zwei Drit-tel werden durch entsprechend geringere Ausgabenbei der Grundsicherung für Arbeitssuchende kom-pensiert.
Es gibt für die Familien also nur wenig bis kein Geld zu-sätzlich; das wird eingespart.
Der Name ist natürlich freundlicher: Kinderzuschlaghört sich besser an als Sozialhilfe.
Übrigens: Auch diese erforderlichen Mittel sind im Etatnicht eingestellt; sie stehen nicht im Haushalt.
Das nächste Beispiel ist der Ausbau der Kinder-betreuung. Leider gibt es auch hierzu kein belastbaresMaterial bezüglich der Mehrkosten. Als Frau Eichhorneben gesprochen hat, haben Sie auf den Haushalt ver-wiesen. Die Zahlen kenne ich sehr gut. Dort wird vorge-rechnet, dass aufgrund der Einsparungen durch Hartz beiden Kommunen 1,5 Milliarden Euro übrig bleiben sol-len, die für den Ausbau der Ganztagsbetreuung verwen-det werden können.
Der Städtetag hat Sie aber mittlerweile darauf hingewie-sen – Herr Eichel hat das bestätigt –, dass in diesen1,5 Milliarden Euro 1 Milliarde Euro Drittmittel aus derEU und dem Bund eingerechnet sind, die den Kommu-nen gar nicht mehr zur Verfügung stehen. Auch dieseZahl ist nicht belastbar und kann im Haushalt nicht nach-vollzogen werden.lizsgdBzJadnwimslid1sHdswhrlHkPwimczEIEJtewLBgNwlädPin
Es bleiben weitere recht traurige Tatsachen. Der Fami-enetat muss neben dem Verbraucherschutz mit 8,38 Pro-ent die höchsten Kürzungen hinnehmen. Dieser Trendetzt sich aus den Vorjahren fort. Seit 2001 sind die Aus-aben im Etat 17 von 5,5 Milliarden Euro auf 4,7 Milliar-en Euro gesunken, eine Kürzung von fast 14 Prozent.eim Kinder- und Jugendplan schlagen Sie uns eine Kür-ung von 8,5 Prozent vor. Warum eigentlich nur bei denugendlichen und nicht in anderen Bereichen? Ich nennels Beispiel den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit oderer öffentlichen Begleitung neuer Programme. Hier isticht gekürzt worden, aber vielleicht könnten wir uns dieirklich doofe Plakataktion mit den kleinen Kindern, die Moment läuft, sparen.
Der einzige Bereich, in dem zusätzliche Mittel bereittehen, ist Ihr eigenes Ministerium. Ich sage ganz ehr-ch: Ich bin kein Freund der pauschalen Kürzung beien Personalkosten. Auch in diesem Jahr sind wieder,5 Prozent pauschal einzusparen. Ich halte das für keineinnvolle Lösung. Wir sollten beim Personaletat in denaushaltsberatungen genau prüfen, ob sie überhaupturchsetzbar ist. Ich denke, wir sollten nicht prozentual,ondern anhand konkreter Vorgaben kürzen. Deshalberden wir uns den Stellenplan besonders genau anse-en.Aber es wird auch deutlich, dass in dem Bereich ge-ade für das letzte Jahr erhebliche Mehrkosten angefal-en sind. Dazu sage ich: Einen von Ihnen mitgetragenenaushalt muss man einhalten. Auch die freien Trägerönnen nicht einfach über 2 Millionen Euro mehr fürersonalkosten bei Ihnen einfordern. Von daher müssenir das, was wir den freien Trägern abverlangen, auchm eigenen Haus einhalten.
Die Mittel für den Zivildienst werden weiter zusam-engestrichen, obwohl noch 5 Millionen Euro zusätzli-he globale Minderausgabe im Etat vorgesehen sind undeitgleich die Mittel für freiwillige Jahre um 1 Millionuro gekürzt werden. Ich erinnere mich noch sehr gut anhre Vorstellung im letzten Jahr, als Sie erklärt haben:in Ziel könnte sein, den Zivildienst durch freiwilligeahre zu ersetzen. – Diese Auffassung kann man vertre-n. Aber wenn zeitgleich in beiden Bereichen gekürztird, wird beides nicht erreicht werden. Die jungeneute wissen nicht, wohin mit ihrem Engagement, zumeispiel in freiwilligen Jahren.Es werden zulasten bekannter und anerkannter Pro-ramme immer wieder neue Programme aufgelegt. Dieachhaltigkeit – das Lieblingswort des Bundeskanzlers –ird gerade bei der Jugendpolitik völlig missachtet. Souft zum Beispiel das Programm Sondermaßnahmen inen neuen Bundesländern aus. Ersetzt wird es durch dasrogramm „Jugend bleibt“, das – ich zitiere – „einetensivere Identifizierung der Jugendlichen mit ihren
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4943
)
)
Antje TillmannHeimatregionen ermöglichen“ soll. Ich habe Ihnenschon im letzten Jahr gesagt: Den Thüringer Jugendli-chen fehlt es nicht an Identifizierung mit ihrer Heimat,sondern ihnen fehlt es an Arbeits- und Ausbildungsplät-zen. Dabei hilft ihnen dieses 2-Millionen-Euro-Pro-gramm nicht.
Ich finde es ausgesprochen schade, dass das Verspre-chen, das im letzten Jahr in den Haushaltsberatungengemacht wurde, die Bundesprüfstelle für jugend-gefährdende Medien werde entsprechend dem erhöh-ten Aufgabenzuwachs auch einen Personalaufwuchs be-kommen, nicht eingehalten wurde. Es ist gesagt wor-den, die zusätzlichen Aufgaben, die wir alle gemein-sam beschlossen haben, wären dadurch zu bewältigen,dass Personal eingestellt wird. Ich habe schon damalsangekündigt, dass ich eine Gebührenerhebung für diePrüfung von jugendgefährdenden Medien und Filmensehr wohl mittragen werde. Aus diesen Einnahmenkönnte sich das Personal gegebenenfalls selbst finanzie-ren. Der Gesetzentwurf ist im Haushaltsbegleitgesetzenthalten. Die Einnahmeposition habe ich nirgendwogefunden und die daraus zu bezahlenden Personalstel-len leider auch nicht.Sehr geehrte Frau Ministerin Schmidt, Ihr Einzelplanbeinhaltet Unklarheiten in Höhe von 690 MillionenEuro: Gesetzentwürfe, die nicht vorliegen, Gesetzent-würfe, die im Haushalt nicht eingestellt sind und Gesetz-entwürfe, die noch nicht verabschiedet sind.
Das sind 15 Prozent Ihres Etats. Dies macht eineBeratung annähernd unmöglich. Ich hoffe sehr, dassdie aufgeworfenen Fragen und die Gesetzentwürfe biszum Berichterstattergespräch vorliegen, damit wirgemeinsam sehen können, wie wir Familienpolitik be-treiben. Sie können ganz sicher sein, dass Sie bei denVorstellungen, die wir für vernünftig halten, unsereUnterstützung erhalten werden und wir gegen denFinanzminister vielleicht das eine oder andere durch-setzen können.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat die Kollegin Irmingard Schewe-Gerigk,Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Um es vorweg zu sagen: Haushaltskonsolidierungmacht bei einem gesellschaftspolitisch so relevanten Mi-nisterium, das zudem nur einen Etat von 3 MilliardenEuro hat, überhaupt keinen Spaß. Aber wir sind nicht inden Bundestag gewählt worden, um Spaß zu haben, son-dnZmknmgmrhfwdzSwDgsnAmmlAJ–bsSfctuRekdsh
um Sparen gibt es überhaupt keine Alternative, willan nicht auf Kosten der nächsten Generation leben.Bis 2002 ist es uns gelungen, die Neuverschuldungonsequent zurückzufahren, was angesichts der über-ommenen Schulden notwendig war. Dass die Situationit der vorgezogenen Steuerreform jetzt eine andere ist,ebe ich gern zu.Auf den ersten Blick erbringt das Ministerium für Fa-ilie, Senioren, Frauen und Jugend mit einer Reduzie-ung von 7 Prozent einen der höchsten Einsparhaus-alte. Schaut man allerdings genauer hin, so stellt manest, dass es lediglich 4 Prozent sind. Frau Tillmann, icherde Ihnen das gleich erläutern. Im Wesentlichen wer-en die Kürzungen durch Änderungen beim Bundeser-iehungsgeldgesetz und dem Zivildienst erreicht. Bevorie sich pflichtgemäß lautstark aufregen, gebe ich unum-unden zu:
ie Zustimmung zur Änderung des Erziehungsgeld-esetzes war für uns Bündnisgrüne und für die SPD einechwere Entscheidung.
Vielleicht gelingt es im parlamentarischen Verfahren,och die eine oder andere Veränderung zu ermöglichen.ber natürlich müssen Sie die neuen Leistungen für Fa-ilien gegenrechnen. Ich nenne den Kinderzuschlag vononatlich bis zu 140 Euro, die Steuerentlastung für Al-einerziehende in Höhe von 1 300 Euro im Jahr und denusbau von Betreuungsangeboten für Kinder unter dreiahren.
Das werde ich gleich sagen. – Mit diesen Maßnahmenewahren wir 150 000 Kinder vor der Sozialhilfe, unter-tützen Alleinerziehende finanziell und sorgen mit derchaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen nicht nurür eine Frühförderung von Kindern, sondern ermögli-hen überhaupt erst einmal die Erwerbstätigkeit von El-ern,
nd das mit 200 Millionen Euro zusätzlich.Dieses Geld wird – das ist eine Vereinbarung – imahmen des parlamentarischen Verfahrens zwischen derrsten und dritten Lesung des Haushalts eingestellt. Sieönnen sicher sein, dass es dann enthalten ist, sonst wür-en wir es hier nicht verkünden.Das ist eine Familienpolitik, die den Menschen tat-ächlich eine Wahlfreiheit bietet. Frau Eichhorn, Sieatten von Wahlfreiheit gesprochen. Bisher hatten die
Metadaten/Kopzeile:
4944 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Irmingard Schewe-GerigkFrauen sie nicht. Sie mussten sich entscheiden, ob sieeine Familie gründen, zuhause bleiben oder in den Berufgehen wollten. Sie kennen das Resultat: Jede dritte Frauist heute kinderlos. Das ist das Ergebnis.
– Überhaupt nicht.
Hier muss die Politik Rahmenbedingungen schaffen,die beides ermöglichen, nämlich Erwerbstätigkeit undKinder. Mit den vorgeschlagenen Maßnahmen haben wirheute einen großen Beitrag dazu geleistet.Es wäre allerdings viel zu kurz gesprungen, glaubteman, dass die Gleichstellung von Frauen in der Er-werbsarbeit erledigt wäre, wenn die Kinderfrage gelöstist. Ich glaube, es war August Bebel, der sagte: Wenn dieKinderfrage gelöst ist, ist auch die Frauenfrage gelöst.
Aber dem ist nicht so. Der Anteil von 40 Prozent kinder-losen Akademikerinnen spricht dagegen; obwohl siekeine Kinder haben, erhält nur jede zehnte von ihneneine Professur oder eine Führungsposition in der Wirt-schaft. Von der tatsächlichen Gleichstellung sind wirLichtjahre entfernt.Und was die Frauen so kränkt: Trotz besserer Schul-abschlüsse und Ausbildung verdienen sie im Durch-schnitt fast 30 Prozent weniger als Männer. GesetzlicheRegelungen wären hier sicher notwendig gewesen. Diestattdessen erfolgte Vereinbarung mit den Spitzenver-bänden der Wirtschaft hat außer verlorener Zeit nunwirklich überhaupt nichts gebracht. Das Institut für Ar-beitsmarkt- und Berufsforschung hat herausgefunden,dass in 4,1 Prozent der Privatunternehmen tatsächlichbetriebliche oder tarifliche Maßnahmen der Gleichstel-lung erfolgt sind.Diese Zahlen verdeutlichen, dass es sich hier nicht nurum ein Demokratieproblem handelt, sondern dass diesauch nachhaltig Innovationen behindert. Denn mit denFrauen sind die Innovationen zu haben. Wenn wir die gutausgebildeten Frauen außen vor lassen, werden sie unsnicht gelingen. Was macht es für einen Sinn, in die Aus-bildung von Frauen zu investieren, aber ihre Potenzialenicht zu nutzen? Ich frage Sie ganz ernsthaft: Welche Ge-sellschaft kann sich das überhaupt auf Dauer leisten?
Deshalb brauchen wir nicht nur Maßnahmen zur Be-wusstseinsbildung – die sind auch nötig –, sondern dieverpflichtende Gleichstellung in den Betrieben und dieKopplung der Vergabe öffentlicher Aufträge an Maßnah-men zur Gleichstellung. Das ist das Lieblingsthemameiner Kollegin Ina Lenke. Ein erster Schritt dazu ist diezügige Umsetzung der EU-Richtlinien zur Antidiskrimi-nierung.
–debtej5nmAadKnpwdzhdSrvwDhsfAWkdWtvu
ie haben bereits darauf hingewiesen. Die alte Finanzie-ungsregelung 70 : 30 wurde, wie von der Ministerinersprochen, wiederhergestellt, sodass – das halte ich fürichtig – die Träger jetzt Planungssicherheit haben.
ie Verbände haben sich dafür bedankt, dass Wort ge-alten wurde.Lassen Sie mich noch einen Satz zu den jungen Men-chen sagen, die jetzt die Schulen verlassen. Ich halte esür einen Skandal, dass immer noch mehr als 100 000usbildungsplätze fehlen.
enn die Wirtschaft ihrer Verantwortung nicht nach-ommt, sollten wir konsequent sein und eine Ausbil-ungsplatzumlage beschließen.
Ich komme zum Schluss. Reformen sind notwendig.ir stellen die Weichen und übernehmen die Verantwor-ung für das Leben mit Kindern, für bessere Chancenon Jugendlichen, für eine gerechte Teilhabe von Frauennd für ein Alter in Würde.Vielen Dank.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4945
)
)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Ina Lenke, FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
Schaaf, Sie haben keine Zwischenfragen zum Zivildienst
zugelassen und Sie wissen auch, warum.
Denn obwohl nur noch jeder zweite junge Mann zum
Zwangsdienst – zum Zivildienst oder zur Wehrpflicht –
einberufen wird, sprechen Sie immer noch von Einberu-
fungsgerechtigkeit. Sie ist aber extrem ungerecht und
das dürfen wir nicht zulassen. An dieser Stelle muss die
Opposition immer wieder den Finger auf die Wunde le-
gen.
Wie Sie wissen, will die FDP die Wehrpflicht und so-
mit auch den Zivildienst abschaffen. Wir haben in der
vergangenen Legislaturperiode auch schon eine Konzep-
tion erstellt, Herr Schaaf.
Wenn das auch Ihre Fraktion und die Fraktion der Grü-
nen getan hätten, dann wären wir schon weiter und
bräuchten keine Unterausschüsse und Ähnliches.
Der Ministerin will ich zum Thema Zivildienst eines
sagen: Frau Ministerin, Sie sollten ehrlich sein. Wenn
Sie die Anzahl der Zivildienstleistenden in den Einrich-
tungen kürzen, dann fehlen sie dort. Wenn Sie ihnen
dann statt 50 Prozent bis zu 70 Prozent der Kosten für
die Zivildienstleistenden in Aussicht stellen, dann kön-
nen sie sich sozusagen ein Ei darauf pellen.
– Nein, die sehen das nicht anders. Wenn Sie mit ihnen
reden, dann merken Sie, dass sie das genauso sehen wie
ich.
– Sie haben völlig Recht, Herr Fricke. Die hängen doch
am Tropf; was sollen sie denn sagen?
Ich komme jetzt zum Haushalt. Der Gesamthaushalt
von Rot-Grün ist von der schlechten Wirtschaftslage und
der hohen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet.
Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Dümpe-Krüger zu?
Nein, die lasse ich jetzt nicht zu.BvFbHrdggEdnm3Edkzhdg–GIwASnhw–HgfRbbluHd
erkündeten Sie sehr selbstbewusst: Wir fangen mit derrauen- und Familienpolitik jetzt erst richtig an. 1998egann also der Aufbruch in die neue Zeit. Was ist imaushalt 2004 davon zu spüren? – Die ziel- und orientie-ungslose Familienpolitik der Bundesregierung wird anrei Beispielen deutlich. Beim Bundeserziehungsgeld-esetz haben Sie 2001 großmäulig die Einkommens-renzen für das Erziehungsgeld erhöht. Jetzt sollen dieinkommensgrenzen mit Ihrem Haushaltsbegleitgesetzrastisch abgesenkt werden. Für die ersten sechs Monateach Geburt des Kindes wollen Sie die Einkom-ensgrenzen der Eltern von bisher 51 000 Euro auf0 000 Euro senken. Die monatlichen Zahlungen an dieltern – das hat auch eine andere Kollegin gesagt – wer-en bei Ihnen von 460 auf 450 Euro geglättet. Das istein Glätten. Seien Sie bitte ehrlich und sagen Sie „kür-en“.Zweitens: der Haushaltsfreibetrag für Alleinerzie-ende. Bei der Unterstützung der Alleinerziehenden ister Bundesregierung wirklich peu à peu die Puste ausge-angen.
Natürlich! Sie haben das in den letzten Jahren, Frauriese, auch begründen müssen, damit Sie noch hinterhrer Regierung stehen.Wir suchen jetzt die echten Alleinerziehenden. Wirerden im Ausschuss einmal schauen: Was sind echtelleinerziehende, was sind unechte Alleinerziehende?ie werden dann die Prüfungen bestätigen. Ich sage Ih-en: Schlüssellochprüfungen, wo eine echte Alleinerzie-ende und wo eine unechte Alleinerziehende ist, lassenir als Liberale nicht zu.
Frau Griese, die Erklärung Ihres Finanzstaatssekretärs,errn Halsch, dass es verfassungsrechtliche Problemeeben könnte, teile ich.Sie sind augenscheinlich bisher nicht in der Lage, ein-ache und für die Bürger und Bürgerinnen verständlicheegelungen einzuführen.Drittens. Jetzt komme ich zur steuerlichen Absetz-arkeit von Haushaltshilfen. Neid und Missgunst ha-en Sie mit dem fiesen Ausdruck „Dienstmädchenprivi-eg“ geschürt. Die FDP will aber, dass Frauen, die Berufnd Familie miteinander vereinbaren wollen, personelleilfe im Haushalt haben. Wir, Frau Böhmer, wollenoch keine Schwarzarbeit.
Metadaten/Kopzeile:
4946 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Ina LenkeVon daher wollen wir da etwas ändern. Sie haben 2002die steuerliche Absetzbarkeit von sozialversicherungs-pflichtigen Arbeitsplätzen in Privathaushalten gestri-chen. Die Verwirrung ist groß.
Sie schenken doch der Bevölkerung keinen reinen Weinein, wo Sie sparen müssen. Ermöglichen Sie den Men-schen, ihre familiäre Zukunft auf langfristig verlässli-chen politischen Rahmenbedingungen zu planen!Zur versprochenen Kinderbetreuung, Frau Ministe-rin, hätte ich gerne noch ein Wort von Ihnen gehört. Siehaben gesagt: 1,5 Milliarden Euro ab 2004. Jetzt lese ichin Ihrer Pressemitteilung vom 19. August: Aus dem Jahr2004 wird das Jahr 2005. In den sechs Jahren, die Sie inder Regierung sind, haben Sie also nur Luftschlösser pro-duziert. Wenn Sie erst im Jahre 2005 anfangen, dann frageich mich, was aus Ihren Versprechungen geworden ist.Ich will zum Schluss sagen: Wir von der FDP habengute, wir haben bessere Konzepte: gleiche Freibeträgefür Kinder, volle steuerliche Absetzbarkeit der Kinder-betreuungskosten, Abschaffung der Steuerklasse V,
Vielfalt der Kinderbetreuung durch bessere ganzheitli-che Konzepte mit Tagesmüttern und gleiche Chancen fürFrauen auf dem Arbeitsmarkt.
Dazu haben wir detaillierte Konzepte in den Bundestageingebracht, mit frauenpolitischen Schwerpunkten.
Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Danke, Frau Präsidentin. Ich komme jetzt zum
Schlusssatz.
Meine Damen und Herren, solange eine verfehlte
Wirtschafts- und Steuerpolitik unser Land lähmt und das
Jobwunder ausfällt, wird es auch für Frauen schwierig
sein, sich auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen. Denken
Sie daran: In der Wirtschafts- und in der Steuerpolitik
haben Sie bisher noch nichts erreicht. Da sehen Sie ganz
alt aus.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Christel Humme,
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-nen! Was haben wir uns alles in dieser Debatte anhörenmuZNgKsNNmIbSgaBpflzRgFwdviLsKkdkhKvuDA
Ich habe die Debatte mit Spannung verfolgt und ei-entlich erwartet, dass ich heute auch von Ihnen einmalonzepte bekomme und nicht immer ein großes, fett ge-chriebenes Nein.
ein zum Erziehungsgeld, Nein zur Eigenheimzulage,ein zur Kilometerpauschale – Nein war das bestim-ende Element Ihrer Reden.
ch glaube, das ist nicht das, was wir brauchen. Was wirrauchen, sind schlüssige familienpolitische Konzepte.Frau Eichhorn, ich habe wirklich nicht erwartet, dassie heute das Familiengeld noch einmal ins Spiel brin-en. Deshalb bin ich darauf gar nicht vorbereitet. Aberuch das wird wahrscheinlich dem Wahlkampf inayern geschuldet sein; denn wenn man sich das Wahl-rogramm der CSU in Bayern anschaut, dann stellt manest, dass es im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Fami-ie und Beruf überhaupt kein familienpolitisches Kon-ept enthält. Dort ist nur von einem Familiengeld dieede. Aber wie Sie das finanzieren wollen, steht nir-endwo. 31 Milliarden Euro würde es kosten, wenn dasamiliengeld, wie Sie es fordern, umgesetzt würde. Dasäre unseriös, aber auch ungerecht; denn Sie würdenas Geld nach dem Gießkannenprinzip an alle Familienerteilen, egal wie viel Einkommen sie haben. Das wären höchstem Maße ungerecht.
ast, but not least: Ein Familiengeld ist unmodern. Dasagt Ihnen sogar der sozialpolitische Berater von Rolandoch, Herr Professor Jürgen Borchert. Er hat eindeutiglar gemacht, dass das Familiengeld ein Irrweg ist.
Ich gebe Ihnen Recht, wenn Sie darauf hinweisen,ass die Rahmenbedingungen schwierig sind. Das isteine Frage. Wir können das nicht leugnen. Aber des-alb dürfen wir nicht wie Sie, liebe Kolleginnen undollegen von der CDU/CSU, die Augen vor der Realitäterschließen. Wir sind diejenigen, die handeln müssen,m den Tanker Deutschland wieder flott zu machen.
as tun wir in der Tat – hören Sie genau zu – mit unserergenda 2010. Mit ihr reformieren wir heute unsere So-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4947
)
)
Christel Hummezialsysteme, damit der Sozialstaat morgen weiter rei-bungslos funktionieren kann. Wir machen heute eineHaushaltskonsolidierung und sparen Mittel ein, damitwir auch in Zukunft über den notwendigen Handlungs-spielraum verfügen. Wir machen heute eine Steuerreformund verzichten auf Steuereinnahmen, damit die Konjunk-tur wieder anspringt und gleichzeitig neue Arbeitsplätzegeschaffen werden. Das alles tun wir im Interesse der Fa-milien. Wir stellen die Familien nicht ins Abseits, wieSie, Frau Eichhorn, behaupten. Im Gegenteil: Die Fami-lien stehen nach wie vor im Mittelpunkt unserer Politik.
Die Erneuerungskur, die ich gerade beschrieben habe,ist aber nicht – das ist klar – zum Nulltarif zu haben.Manche Einsparungen und Entscheidungen – daraufwurde schon hingewiesen – sind sicherlich auch für unsschmerzhaft. Ich möchte aber in Erinnerung rufen, dasswir bisher eine Familienpolitik gemacht haben, die dieFamilien in höchstem Maße unterstützt hat.
Schauen Sie sich einmal an, was wir bisher geleistet ha-ben! Keine andere Bundesregierung hat das bisher ge-schafft: mehr Kindergeld, mehr Freibeträge und mehrBAföG auch für Alleinerziehende. Daher ist der Haus-haltsfreibetrag – das wurde vorhin schon deutlich ge-macht – nicht vollkommen weggefallen. Wir haben dieFamilien finanziell in höchstem Maße unterstützt, wie esvorher keine andere Regierung getan hat.
Wir setzen unsere Politik fort. Die Bundesregierung– auch das ist neu – stellt Geld zur Verfügung bzw. ver-zichtet auf Geld für den Ausbau der Betreuung von unterDreijährigen und der Ganztagsschulen.Frau Lenke, Sie behaupten, dass Kinder nicht geför-dert würden. Schauen Sie sich doch einmal genau an, wasdas Vorziehen der letzten Stufe unserer Steuerreformbringt. Wenn man als Beispiel eine Familie nimmt, dieüber ein jährliches Einkommen von rund 40 000 Eurobrutto verfügt – das ist die Grenze, ab der es künftig viel-leicht kein Erziehungsgeld mehr geben wird; davon wer-den 5 Prozent der Familien betroffen sein –, dann stelltman fest, dass diese Familie ab 2004 ganze 3 000 Euromehr im Portemonnaie haben wird als noch zu Zeiten Ih-rer CDU/CSU-FDP-Regierung. Ich denke, das ist einganz wichtiger Erfolg für alle Familien mit Kindern undfür Alleinerziehende. Man darf nicht vergessen, dass dasnicht nur für 2004, sondern auch für alle Folgejahre gilt.
Richtig ist, dass wir zum ersten Mal viel für die Familienausgeben. Richtig ist aber auch, dass die knappen Fi-nanzmittel uns jetzt zwingen, unsere Maßnahmen mehrdenn je auf Zielgenauigkeit und Effizienz zu überprüfen.Diese Hausaufgabe haben wir gemacht.Wir wollen – das ist das Ziel des Haushalts 2004 – un-sere Familienpolitik noch wirksamer machen. UnsereFdHzmIvdksAhIIietBu–SmvrzaNnsfv–una
ch habe es gerade gesagt: Ganze 5 Prozent werden da-on betroffen sein. Wir werden aber gleichzeitig – auchas wurde schon gesagt – die Familien im unteren Ein-ommensbereich fördern. Wir werden damit – das istehr wichtig – ihre Selbsthilfekräfte stärken, wir werdenrbeitsanreize schaffen und wir helfen den Alleinerzie-enden mit einem Steuerfreibetrag.
ch denke, das ist gerechte Familienpolitik.
ch danke der Ministerin, dass es ihr gelungen ist, genaun diesem Bereich zusätzliche Mittel in den Haushaltinzustellen.Wir machen die Familienpolitik auch durch Investi-ionen in die Zukunft wirksamer. Deshalb bauen wir dasetreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren ausnd schaffen mehr Ganztagsschulen.
Wann schaffen wir die Rahmenbedingungen? Lassenie mich an dieser Stelle einmal feststellen: Ich freueich darüber, dass der Ausbau der Ganztagsschulen inollem Gange ist. Ich nenne als Beispiel das Land Nord-hein-Westfalen, aus dem ich komme: Ute Schäfer, dieuständige Ministerin, hat unser mit 4 Milliarden Eurousgestattetes Programm als Initialzündung genutzt.ordrhein-Westfalen hat eigenes Geld in die Hand ge-ommen, den Bundeszuschuss obendrauf gepackt undchafft jetzt Hunderte neuer Ganztagsschulen.
Ich muss natürlich auch noch ein paar Wermutstrop-en verteilen: Meine sehr verehrten Damen und Herrenon der Union
ich würde jetzt nicht so lachen –, acht von den neunnionsgeführten Ländern beteiligen sich bisher leidericht an diesem Programm und haben noch kein Geldbgerufen.
Metadaten/Kopzeile:
4948 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Christel HummeDiejenigen Länder, die Geld abgerufen haben, stehenunter sozialdemokratischer Verantwortung. Ich denke,das verdeutlicht, dass Sozialdemokraten und Sozialde-mokratinnen eine Familienpolitik machen, die gewähr-leistet, dass Eltern diejenigen Rahmenbedingungen vor-finden, die sie brauchen, um so leben zu können, wie siees wünschen, und nicht so, Frau Eichhorn, wie andere esihnen vorschreiben wollen.
Das Folgende kann man nicht oft genug sagen, damites endlich einmal in alle Köpfe geht: Es geht tatsächlichum die Entscheidungsfreiheit; denn 80 Prozent der jun-gen Menschen – Frauen und Männer – wollen beides,Erwerbsarbeit und Familie. Ich empfehle Ihnen: LesenSie die jüngste Studie des Instituts für Wirtschaftsfor-schung von Ende August! Dort steht, dass teilzeitbe-schäftigte Mütter mit ihrem Leben sehr zufrieden sind,viel zufriedener als Mütter, die wegen der Kinder auf Er-werbsarbeit verzichten. Das bestätigt die Richtigkeit un-seres Weges in der Familienpolitik.
– Das ist nicht pauschal.Sind Familie und Beruf vereinbar, stimmt nicht nurdie Lebenszufriedenheit der Mütter, sondern stimmenauch die Bildungschancen der Kinder. Das lehrt unsPISA; denn in allen europäischen Ländern, wo in Ganz-tagsschulen und in die elementare Bildung von Kindernschon von klein an investiert wird, überzeugt der Bil-dungserfolg.Die Herkunft darf auch bei uns nicht länger über dieBildungschancen von Kindern entscheiden. Ich fügehinzu: Über die Bildungschancen darf auch nicht ent-scheiden, in welchem Bundesland ein Kind geborenwird.
Unsere Politik schafft Chancengleichheit. Die früheFörderung der Kinder und Ganztagsschulen schaffen denRahmen dafür, jedes Kind entsprechend seinen Fähig-keiten zu fördern. Für die Kinder bedeutet das bessereLebenschancen, für die Frauen bedeutet das bessere Er-werbschancen und für die deutsche Wirtschaft bedeutetdas besser ausgebildete Fachkräfte.Die ökonomischen Vorteile liegen auf der Hand:Stimmt die Kinderbetreuung, werden mehr Frauen er-werbstätig. Frau Lenke, eine höhere Frauenerwerbsquoteführt zu einem stärkeren Ausbau des Dienstleistungssek-tors und damit zu mehr Arbeitsplätzen. Neue Arbeits-plätze bedeuten Abbau der Arbeitslosigkeit und einebessere Bewältigung des demographischen Wandels.Auch hier zeigt sich: Unser Ansatz ist der richtige!Ein Drittel der 1965 geborenen Frauen wird kinderlosbleiben. Die meisten davon verzichten freiwillig aufKinder, weil sie ihrem Beruf Priorität einräumen. Aber:KDBgGruuiuHFBqmdsHedaTHrrdThvgnbddgRZck
ber auch von Ihnen.Vielen Dank.
Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege
homas Dörflinger, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministe-in, über weite Strecken Ihrer Rede zur Einbringung Ih-es Einzelplans war ich etwas erstaunt, weil die Worte,ie Sie gefunden haben, dem geähnelt haben, in weiteneilen zumindest, was Ihr Kabinettskollege Hans Eicheleute Morgen geboten hat. Wie der Kollege Kampeterorhin zutreffend bemerkte, sind Sie zwar präsidial ein-estiegen, was auch an die Worte erinnerte, die Sie kurzach der Bundestagswahl im Ausschuss gefunden ha-en, aber Sie haben dann große Teile Ihrer Redezeitarauf verwandt, den Versuch zu unternehmen, es soarzustellen, als habe die Familienpolitik 1998 erst be-onnen.
Nun gehöre ich nicht zu denjenigen, die sagen, dieegierung aus Union und FDP hätte 1998 paradiesischeustände hinterlassen. Wir haben vieles geschafft, man-hes aber auch nicht. Diesen Schuh – ich bin da selbst-ritisch – ziehe ich mir durchaus an. Aber komplett aus-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4949
)
)
Thomas Dörflingerzublenden, dass beim Regierungsantritt von HelmutKohl im Herbst 1982 das Kindergeld bei 50 DM
und beim Amtsabtritt der Regierung von Helmut Kohl1998 bei 220 DM lag,
dass in dieser Zeit Kinderfreibeträge im Steuerrecht erstwieder eingeführt werden mussten,
dass Kindererziehungszeiten in der Rente zunächst ein-mal ins Recht Eingang finden mussten, dass auch derRechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz erst veran-kert werden musste – ich könnte noch vieles andere nen-nen –,
finde ich nicht in Ordnung und das lasse ich Ihnen soauch nicht durchgehen.
Nun ist es ja nicht so, Frau Humme, dass 1998 die Fa-milienpolitik begonnen hätte. Wenn es so wäre, wie Siees dargestellt haben,
dann müsste die Fanpost zur Familienpolitik dieser Bun-desregierung täglich waschkörbeweise entweder imMinisterium oder aber im Kanzleramt eingehen
und hätten Sie kein Problem damit, im Unterschied zuanderen in diesem Haus, Ihr Projekt 18 in wenigen Ta-gen zumindest in einem Bundesland erfolgreich umzu-setzen.
Ich will ein paar Beispiele dafür nennen, was mir andiesem Haushalt aufgefallen ist. Zunächst einmal fälltauf, dass das einzige Kapitel, das einen deutlichen Auf-wuchs erfährt, das Bundesministerium selbst ist. Daswird begründet mit Fehlplanungen zum Personalhaus-halt, die offensichtlich im Jahr 2002 passiert sind. Ichstelle zunächst einmal fest, dass dies der buchhalterischeund haushälterische Beleg des eigenen Versagens undder schlampigen Arbeit im Bundeshaushalt 2003 ist. Dasist nun einmal Fakt. Ich bin gespannt, ob ich in den Aus-schussberatungen erfahre, ob denn beispielsweise diePersonalkosten, die 2002 zu wenig etatisiert wordensind, zumindest für 2004 fortfolgende ausreichend ein-geplant werden; sonst haben wir in den Beratungen zumEtat 2005 – für den Fall, dass Sie die noch erleben –
das gleiche Problem wie heute.izhrjsÖsngsgfdFmVVGzwZiIzudrKSudd1egvEimFsdwEkdskd
ch frage mich, warum Sie eigentlich nicht die Zeit nut-en, in der das Zuwanderungsgesetz noch beraten wird,m das von uns und von vielen Betroffenen eingefor-erte Gesamtkonzept für eine Sprachförderung von Mig-antinnen und Migranten vorzulegen. Wo bleibt dasonzept?
tattdessen schreiben Sie die Kürzungen der Jahre 2001nd 2002 fort. Auch das ist eine Form von Kontinuität iner Politik.Der dritte Punkt ist haushälterisch bestimmt nicht be-eutend; denn es geht um 260 000 Euro. In der3. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages hatine Enquete-Kommission getagt, die den Namen „Soenannte Sekten und Psychogruppen“ trug, geleiteton meiner früheren Fraktionskollegin Ortrun Schätzle.iner der Aufträge, den die Kommission seinerzeit inhrem Abschlussbericht formulierte, bestand darin, dassan auf diesem Gebiet forschen und sich das in dieserrage federführende Bundesministerium engagierenollte. Beim Blick in den Haushalt stellte ich fest, dassie 260 000 Euro, die 2003 noch im Haushalt enthaltenaren, im Etatentwurf für 2004 gestrichen wurden.ine Enquete-Kommission ist nicht irgendein Debattier-lub, der irgendetwas auf einem Blatt aufschreibt, son-ern ein Organ des Deutschen Bundestages, dessen Be-chlüsse nicht so einfach beiseite gewischt werdenönnen. Ich wünschte mir, Sie würden dem Auftrag,en die Kommission seinerzeit in der 13. Legislatur-
Metadaten/Kopzeile:
4950 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Thomas Dörflingerperiode formuliert hat, auch im Etatentwurf für 2004Rechnung tragen.
Vierter Punkt. Ich war heute Nachmittag mit einerGruppe von Kommunalpolitikern aus meinem Wahlkreiszusammen und habe an die Adresse der Damen und Her-ren des Gemeinderates die Frage gerichtet: Was würdenSie sagen, wenn Ihr Bürgermeister Ihnen einen Haushaltvorlegt, in dem bei der Gewerbesteuer sowie der Grund-steuer A und B Beträge stehen, die wesentlich höher lie-gen als die im Haushalt des Vorjahres und für die dierechtliche Grundlage aber eigentlich erst noch geschaffenwerden muss? Die Kommunalpolitikerinnen und Kom-munalpolitiker sagten: Dann würden wir ihm helfen – derBürgermeister war dabei. Im Einzelplan 17 sind eineFülle von Haushaltsansätzen enthalten, die ausgehendvon Gesetzesvorhaben ermittelt wurden, die dem Deut-schen Bundestag entweder erst seit gestern vorliegenoder erst in den kommenden Wochen vorgelegt werden.Das ist alles andere als eine seriöse Haushaltspolitik,meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ich nenne beispielsweise die, wenn ich mich richtigerinnere, von Ihnen auch angesprochene Neuerung beimUnterhaltsvorschussgesetz. 250 Millionen Euro sind2003 etatisiert worden, 200 Millionen Euro sind für2004 vorgesehen. Das ist nicht Gegenstand des Haus-haltsbegleitgesetzes. Deshalb frage ich: Wann kommtdie gesetzgeberische Vorlage, die Sie ermächtigt, diesenBetrag hier im Haushalt zu veranschlagen? Ein zweitesBeispiel: Die Neuerungen im Zusammenhang mit demBundeserziehungsgeld, die im Haushaltsbegleitgesetzstehen, hängen bekanntermaßen von der Zustimmungdes Bundesrates ab. Nach den Erfahrungen, die Sie mitdem so genannten Steuervergünstigungsabbaugesetz ge-macht haben, ist es alles andere als seriös, vielmehr grobfahrlässig, einen Betrag, der sich erst aus einem Geset-zesvorhaben ergibt, eins zu eins in den Bundeshaushaltzu übertragen. Im Zusammenhang mit dem so genanntenSteuervergünstigungsabbaugesetz mussten wir ja erfah-ren, dass von dem, was das BMF wollte, nach den Bera-tungen im Bundestag und im Bundesrat so gut wie nichtsübrig geblieben ist.
Sich auf eine konkrete Buchung in dieser Hinsicht einzu-stellen ist bestenfalls abenteuerlich.
Ich will ein Wort zum Zivildienst sagen, weil diesesThema auch Gegenstand einer Korrespondenz zwischenIhrem Hause, Ihnen persönlich und mir war. Ich fand esschon sehr erstaunlich – um das einmal ganz vorsichtigzu formulieren –, dass bei der konstituierenden Sitzungder parlamentarischen Begleitkommission zu der vonIds–FmBadunaTtzngiMalmwdmnFdgeHlaEmngrlewmO
s ist keine Arbeitsgrundlage für ein deutsches Parla-ent, wenn derart viele Luftbuchungen Gegenstand ei-es Haushalts sind, dass man sich schier an den Kopfreifen und sich fragen muss, wer da schlussendlich ge-echnet hat. In den Ausschussberatungen haben Sie Ge-egenheit, aus dieser bisher sehr löchrigen Grundlageine beratungsfähige Haushaltsvorlage zu machen. Ichürde mich freuen, wenn Sie dies tun.Herzlichen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums des Innern. Das Wort hat Bundesministertto Schily.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4951
)
)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-
gen!
Herr Minister, einen Augenblick bitte noch. Ich bitte
die Kolleginnen und Kollegen, die dieser Debatte nicht
beiwohnen wollen, den Saal zu verlassen.
Bitte schön, Herr Minister.
Die Zahlen des Einzelplanes 06 im Haushalt 2004,den wir heute beraten, sind Ausweis einer soliden, ver-lässlichen und erfolgreichen Innenpolitik der Bundesre-gierung.
Sie können insbesondere bei den Sicherheitsinstitutioneneine kontinuierlich gute finanzielle Ausstattung ver-zeichnen, zum Teil sogar mit einem deutlichen Zuwachs.
Das ist in Zeiten knapper Haushaltsmittel bekanntlichkeine Selbstverständlichkeit, sondern ein klarer Beweisfür das entschiedene Engagement der Bundesregierungfür die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger inDeutschland.Selbstverständlich muss sich auch das Innenressortsolidarisch an der Konsolidierung der Staatsfinanzen be-teiligen. Daher haben wir in einigen Bereichen Ein-schränkungen vornehmen müssen. Wir haben uns aberauch dadurch finanzielle Spielräume verschafft, dass wirdie Verwaltungsstrukturen gestrafft und modernisiert ha-ben.Wenn Sie sich die Haushaltspositionen im Einzelnenanschauen, dann stellen Sie fest, dass der Einzelplan 06insgesamt 4,093 Milliarden Euro umfasst. Das ist gegen-über dem Ansatz im Finanzplan 2004 eine Erhöhung um168 Millionen Euro oder rund 4,3 Prozent.Unser besonderes Augenmerk galt selbstverständlichder Gewährleistung der inneren Sicherheit. Die Gewähr-leistung der inneren Sicherheit ist eine Schwerpunktauf-gabe meines Ressorts.
Ich glaube, angesichts der Bedrohungslage ist dasauch eine pure Selbstverständlichkeit. Aber wir dürfenangesichts der Bedrohungslage durch den internationa-len Terrorismus nicht darüber hinweggehen, dass es denMenschen auch Sorgen bereitet, wenn ihnen im AlltagKdds1besvbvsVPsgeezKdsgazfbgrbzWfhutldGhdbewalfA
Aufgrund des guten finanziellen Rahmens haben wiruch die technische Ausstattung des Bundesgrenzschut-es verbessern können, indem wir die Hubschrauber-lotte modernisiert und hochseetüchtige Patrouillenbooteeschafft haben.Wir haben beim Bundeskriminalamt für eine sehrute finanzielle Ausstattung sorgen können. Ich will da-auf hinweisen: Im internationalen Vergleich ist die Ar-eit des Bundeskriminalamtes hoch anerkannt. Es gehörtu den besten Einrichtungen der Polizei auf der ganzenelt. Deshalb, glaube ich, bedarf es auch einer solideninanziellen Ausstattung.Ich will das Bundeskriminalamt bei dieser Gelegen-eit dazu beglückwünschen, dass das neue Auskunfts-nd Fahndungssystem, Inpol-neu, jetzt seinen Wirkbe-rieb aufnehmen konnte. Ich habe in der Presse vieles ge-esen, was mit der Realität und den Qualitätsmerkmalenieses Systems nichts zu tun hat. Ich wiederhole: Meinlückwunsch geht an das Bundeskriminalamt für dieseervorragende technische Einrichtung,
ie sich nicht zuletzt dadurch auszeichnet, dass sie aus-aufähig ist. Das ist kein abgeschlossenes, sondern einntwicklungsfähiges System, das auch weiterentwickelterden wird.Lassen Sie mich von dieser Stelle aus allen Polizeibe-mtinnen und Polizeibeamten – das gilt selbstverständ-ich nicht nur für die Polizei des Bundes, sondern auchür die Polizei der Länder – für die von ihnen geleisteterbeit sehr herzlich danken.
Metadaten/Kopzeile:
4952 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesminister Otto SchilyWir können froh darüber sein, eine so zuverlässige undrechtsstaatlich denkende Polizei zu haben, die eine hochprofessionelle und engagierte Arbeit leistet. Sie gewähr-leistet nicht nur die Sicherheit der Bürgerinnen und Bür-ger in unserem Vaterland, sondern auch außerhalb unse-rer Landesgrenzen.Es gibt eine große Zahl von Bundeskriminalbeamtenund Bundesgrenzschutzbeamten als Verbindungsbeamtein vielen Ländern. Es gibt in anderen Staaten Einsätzevon Polizeibeamten des Bundes und der Länder, die ichin mein Lob einbeziehe. Besonders hervorheben möchteich die hervorragende Arbeit der Polizeibeamtinnen und-beamten in Afghanistan, einem sehr gefährlichen Ge-biet.
Ihre Arbeit findet international allerhöchste Anerken-nung. Sie dient zwar in erster Linie der Sicherheit Af-ghanistans, aber indirekt auch der Sicherheit unseresLandes.Bei dem Entführungsfall in Algerien, der sich späternach Mali verlagert hat und der in den letzten Monatenviel Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit gefunden hat,ist ebenfalls die Arbeit vieler Sicherheitsbeamten zuwürdigen. Ich glaube, es ist nicht zuletzt – ich sage so-gar: zuallererst – diesen Beamtinnen und Beamten zuverdanken, dass dieses Entführungsdrama glücklich be-endet werden konnte. Deshalb schulden wir auch diesenBeamtinnen und Beamten großen Dank.
Ich möchte an dieser Stelle eine Bemerkung machen.Wer sich mutwillig einer Gefahr aussetzt und dannglaubt, wir würden in jedem Fall das Leben unserer Poli-zeibeamtinnen und -beamten aufs Spiel setzen, der irrtsich gewaltig.
CSU): Da haben Sie Recht! Die sollten auchzahlen!)Ich kann einige sehr provokante Bemerkungen, die ichgelesen habe, nicht akzeptieren. Ich will in diesem Zu-sammenhang darauf hinweisen, dass niemandem einLeid geschehen oder ein Haar gekrümmt worden ist, derdie Leistungen von Touristikunternehmen, die in Alge-rien tätig sind, in Anspruch genommen hat. Nur die Per-sonen, die glaubten, sich auf eigene Faust in dieses Ge-biet begeben zu müssen, sind in Schwierigkeitengeraten.
Diese Bemerkung möchte ich als klaren Hinweis für dieZukunft verstanden wissen.
Gegenüber vielen anderen Ländern in Europa und inder Welt haben wir den Vorzug, dass wir ein Bundesamtfür Sicherheit in der Informationstechnik eingerichtethh5ZtiBuLAdgazLBddsvshfmudpwnsdb–sAgnds–s–ddn
Wir haben eine entsprechende Arbeitsgruppe einge-etzt, die alle organisatorischen Vorbereitungen für dieusschreibung trifft. Sie werden sehen, dass wir entge-en einigen Unkenrufen – ich hoffe, Sie beteiligen sichicht daran – zumindest in den Regionen, in denen 2006ie Fußballweltmeisterschaft ausgetragen wird, über die-en modernen Polizeifunk verfügen werden.
Ich bin ein Optimist und nicht ein Pessimist; das wis-en Sie doch von mir.
Auch die haushaltsmäßige Absicherung wird stattfin-en, Herr Kollege.Heute beschränken sich Innenpolitik und die Fragen,ie uns dabei beschäftigen, wahrlich nicht auf unsereationalen Grenzen. Innenpolitik ist vielmehr im inter-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4953
)
)
Bundesminister Otto Schilynationalen Raum, insbesondere im europäischen Raum,angesiedelt. Auch dort sind wir gut aufgestellt. Wir sindder Motor der europäischen Innenpolitik; das können wirmit großem Selbstbewusstsein sagen. Das wird in deneuropäischen Mitgliedstaaten anerkannt. Wir haben ge-rade zur Verbesserung der inneren Sicherheit entspre-chende Vorschläge gemacht. Wir sind an vielen Initiati-ven nicht nur im Rahmen der Europäischen Union,sondern auch im Rahmen der Zusammenarbeit der G-8-Staaten beteiligt.Meine Damen und Herren, mein Schicksal ist es, dassich in den 14 Minuten, die mir zur Verfügung stehen,alle Bereiche meines Ressorts abdecken soll. Das ist mirwie immer nicht möglich. Ich sehe auf die Uhr: Es blei-ben mir gerade noch 37 Sekunden, um meine Rede abzu-schließen.Deshalb mache ich an dieser Stelle eine Schlussbe-merkung, die auf ein Datum zielt, das zwei Jahre zurück-liegt. Ich kann mich noch gut erinnern: Am11. September vor zwei Jahren war ich bei der Vorberei-tung meiner Haushaltsrede. Dann erreichte mich dieNachricht von dieser Katastrophe. Wenn wir an diesenTag zurückdenken, erschauern wir alle über dieseschrecklichen Verbrechen.Wir müssen leider sagen, dass diese Bedrohung unge-achtet großer Erfolge, die wir im Kampf gegen den in-ternationalen Terrorismus erzielt haben, wahrlichnicht aus der Welt ist. Diese Bedrohung ist nach wie vorernst zu nehmen. Aber wir sollten darüber nicht verges-sen, dass wir in diesem Kampf auch Erfolge erzielt ha-ben. Dies ist nicht zuletzt auf die Entschlossenheit diesesHohen Hauses – dafür bedanke ich mich – zurückzufüh-ren, gesetzliche Grundlagen für unsere Sicherheitsinsti-tutionen im Kampf gegen diesen Terrorismus zu schaf-fen.Dass das nicht umsonst war, entnehme ich einemSatz, den ich vor einigen Wochen in einer Agenturmel-dung gelesen habe:Ich bin sicher, dass die Sicherheitsgesetze eins undzwei und die massive Alarmierung der Sicherheits-behörden nach dem 11. September uns bisher vorweiteren Anschlägen bewahrt haben.Das ist ein Satz von Günther Beckstein, dem bayeri-schen Innenminister. Ich stimme ihm zu.Das darf aber nicht heißen, dass wir nicht nach-schauen – darüber werden wir in den Ausschüssen undhier in diesem Hause zu reden haben –, ob an der einenoder anderen Stelle gesetzlicher Ergänzungsbedarf be-steht
und ob es nicht an der einen oder anderen Stelle im ad-ministrativen Bereich Veränderungen bedarf. Wir habenzwar viel erreicht und haben die Zusammenarbeit der Si-cherheitsinstitutionen erheblich optimieren können.Aber sicherlich gibt es noch an der einen oder anderenStelle etwas zu tun. An Arbeit fehlt es nicht.fnrszdKwmahReddmAhICH9AgmsWüTmgauaNdlZrnsthAdG
Das Wort hat der Kollege Thomas Strobl von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Wir führen diese Debatte heute, am. September 2003, zwei Jahre nach den schrecklichennschlägen von New York und Washington. Übermor-en ist der zweite Jahrestag des 11. September 2001. Wirüssen feststellen, dass unser Land und wir als Deut-che keinesfalls außer Gefahr sind. Wir dürfen in unsererachsamkeit nicht nachlassen. Wir stimmen mit Ihnenberein, Herr Bundesinnenminister: Vor internationalemerrorismus und insbesondere vor gewaltbereitem Isla-ismus muss nach wie vor gewarnt werden.In den Düsseldorfer Terroristenprozessen haben An-eklagte ausgesagt, dass es al-Qaida-Terrorzellen unternderem in Düsseldorf, Köln, Essen und Krefeld gebend dass in der Vergangenheit ein Sprengstoffanschlaguf die Düsseldorfer Altstadt geplant worden sei. Dieseachricht wurde zwar publiziert, aber sie hat lange nichtie öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, die sie eigent-ich verdient hätte. Leider kann es keinen ernsthaftenweifel daran geben, dass Deutschland für gewaltbe-eite Islamisten und für den internationalen Terrorismusicht nur Ruhe- und Rückzugsraum war oder ist, waschon schlimm genug wäre. Wir dürfen uns nicht derrügerischen Illusion hingeben, wir könnten nicht voneute auf morgen vom Ruhe- und Rückzugsraum zumktionsraum und zum Ziel terroristischer Angriffe wer-en.Der stereotype Hinweis auf eine erhöhte abstrakteefährdungslage reicht zur Gefahrenabwehr nicht aus.
Metadaten/Kopzeile:
4954 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Thomas Strobl
Selbstverständlich ist es richtig, dass man eine Gefah-renlage nicht unnötig dramatisieren und hierdurch dieBevölkerung nicht unnötig in Angst und Schrecken ver-setzen sollte. Richtig ist aber auch, dass die Menscheneinen Anspruch darauf haben, über drohende Gefahrenrechtzeitig, vollständig und wahrhaftig unterrichtet zuwerden.
Nicht nur das: Die Bevölkerung verlangt von den po-litisch Verantwortlichen zu Recht, dass sie all jene Maß-nahmen ergreifen, die in einem demokratischen Rechts-staat ergriffen werden können – und nach unsererAuffassung auch ergriffen werden müssen –, um dasLand so gut wie eben möglich vor terroristischen Angrif-fen und Verbrechen aller Art zu schützen. Dieser Ver-pflichtung wird Rot-Grün bis zur Stunde nur unzurei-chend gerecht.
Dabei verkennen wir nicht, dass die Bundesregierungnach dem 11. September 2001 zwei Gesetzespakete zurBekämpfung terroristischer Bedrohungen vorgelegt hat,die – im Übrigen mit den Stimmen der Union –
vom Deutschen Bundestag beschlossen worden sind.Richtig ist aber auch, dass die Koalition bis zur Stundenicht das beschlossen hat, was eigentlich zur Abwehrterroristischer Gefahren hätte beschlossen werden kön-nen und müssen, sondern nur das, worauf man sich mitMühe und Not bei Rot-Grün hat einigen können. Das isterkennbar zu wenig.
Es genügt im Übrigen nicht, die Bedrohung durch deninternationalen Terrorismus in regelmäßigen Abständenwortreich zu beklagen. Was alleine zählt, sind Taten.Herr Bundesinnenminister, ich habe am vergangenenSonntag mit Interesse Ihr Interview im „Tagesspiegel“gelesen.
Was Sie zur Biometrie und zur Rasterfahndung ausge-führt haben, findet meine volle Zustimmung. Zwischendem, was Sie sagen, und den Taten der Koalition und derBundesregierung gibt es allerdings einen himmelweitenUnterschied. Wenn ich Ihre Aussagen zur Biometrienehme und in den Einzelplan 06 schaue, den wir heuteberaten, muss ich beim Thema Bundesgrenzschutz unterdem Titel 0625 auf Seite 139 lesen:Gegenüber dem Vorjahr entfallene Titel: Kosten füreine biometrisch unterstützte Grenzkontrolle.DTssrBEikAuBGaaaaguVeZZsWmsdggdGS
orbei sind die Zeiten, in denen der Innenminister mitinem geradezu kuriosen Argument für das rot-grüneuwanderungsgesetz geworben hat.
ur Erinnerung: Nach zunächst erfolgreichem Verfas-ungsbruch durch den damaligen Bundesratspräsidentenowereit war das rot-grüne Zuwanderungsgesetz zu-indest schon teilweise in Kraft getreten. Endgültigollte dies am 1. Januar dieses Jahres geschehen. Nach-em im ersten Halbjahr 2002 die Asylbewerberzahlenegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres zurück-egangen waren, wusste der Bundesinnenminister miter ihm eigenen Brillanz hierfür sofort den wahrenrund. Originalzitat des Bundesinnenministers Ottochily:Offensichtlich haben die Verabschiedung des Zu-wanderungsgesetzes und die intensive Diskussionauch nach außen hin deutlich gemacht, dass miss-bräuchliche Asylaufenthalte in Deutschland künftigerheblich rascher beendet werden können. Nachder Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes ist miteinem weiteren signifikanten Rückgang der Zahlder Asylanträge zu rechnen. Wer – wie die Union –das Zuwanderungsgesetz aus wahltaktischemKalkül ablehnt, verhindert eine wirkungsvolleSteuerung und Begrenzung der Zuwanderung inDeutschland.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4955
)
)
Thomas Strobl
Im Juli vergangenen Jahres haben Sie, Herr Bundes-innenminister, noch einen draufgesetzt – ich zitiere –:Die weiter rückläufigen Zahlen sind die Vorauswir-kungen des Zuwanderungsgesetzes.
Mit In-Kraft-Treten des Gesetzes wird sich dieserTrend noch verstärken.Am 18. Dezember vergangenen Jahres hat das Bun-desverfassungsgericht das Zuwanderungsgesetz fürverfassungswidrig und nichtig erklärt.
Wäre auch nur ein einziger Satz des Innenministers rich-tig gewesen, hätten die Asylbewerberzahlen nach seinerLogik sprunghaft ansteigen müssen. Tatsächlich ist je-doch genau das Gegenteil eingetreten. Sie sind nach derEntscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nochweiter zurückgegangen. In den offiziellen Verlautbarun-gen seines Ministeriums hieß es in der Folgezeit diesbe-züglich nur noch kurz und trocken: Asylbewerberzahlweiter rückläufig; Asylbewerberzahlen auch im Aprilrückläufig; Asylbewerberzahlen auf geringstem Standseit 1987; Asylzugang unverändert auf niedrigem Ni-veau usw. usw.
Einen Hinweis auf das Zuwanderungsgesetz konnte manin Ihren Pressemitteilungen, Herr BundesministerSchily, in der Folgezeit erstaunlicherweise nicht mehrfinden. Gäbe es wirklich gute und überzeugende Argu-mente für das rot-grüne Zuwanderungsgesetz, hätte derBundesinnenminister sicherlich darauf verzichtet, ein sokurioses Argument wie die Vorauswirkung des Zuwan-derungsgesetzes auf Asylbewerberzugangszahlen zustrapazieren.
Der Vorgang zeigt, dass es selbst für den Bundesinnen-minister schwer ist, Argumente für das rot-grüne Zu-wanderungsgesetz zu finden.Wir haben keinen Mangel an Zuwanderung, sondernleider – das ist wahr – einen unübersehbaren Mangel anIntegration.
Deshalb ist nicht mehr Zuwanderung, sondern mehr In-tegration das Gesetz der Stunde.
Wir wollen die ohnehin große Zuwanderung nachDeutschland steuern und begrenzen und in puncto Inte-gisVrwavaoszwgtWunlfdnNGewDvnddssrdvd
In Kürze werden wir im Vermittlungsausschuss dieerhandlungen über das Gesetz beginnen. Unsere Ände-ungsvorschläge liegen auf dem Tisch. Wir als Unionerden sachlich und konstruktiv verhandeln. Es ist nunn der Koalition, auf Argumente wie das eben zitierteon Herrn Bundesminister Schily zu verzichten und vorllen Dingen die entscheidende Frage zu beantworten,b man nicht nur zu redaktionellen und kosmetischen,ondern auch zu substanziellen Änderungen des Geset-es bereit ist.Einem Gesetz, das Zuwanderung nach Deutschlandeiter ausweiten würde, einem Gesetz, das bei der Inte-ration weit hinter dem zurückbleibt, was dringend ge-an werden müsste, werden wir nicht zustimmen.
ir werden einem Gesetz, das unserem Land schadetnd nicht nützt,
icht zustimmen. Einem Gesetz, welches letztlich Aus-änderfreundlichkeit nicht fördert, sondern ausländer-eindlichen Parolen Zulauf verschafft, können und wer-en wir nicht zustimmen, heute nicht und morgen auchicht.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Silke Stokar voneuforn, Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kein Er-ignis der vergangenen Jahre hatte so tief greifende Aus-irkungen auf die Innenpolitik wie der 11. September.ie schrecklichen Anschläge des 11. September habenor zwei Jahren – der Herr Innenminister hat daran erin-ert – hier zu einer Unterbrechung der Beratungen überen Haushalt des Innenministeriums, geführt. Ich denke,ass die rot-grüne Koalition gerade im gesetzgeberi-chen Bereich alles Notwendige getan hat, um einechnelle und geschlossene Antwort auf diese neue He-ausforderung zu finden.In der Diskussion um den 11. September vermisse ichie Einbeziehung der vielen Fachtagungen und Beiträgeon Fachleuten, die es in den vergangenen zwei Jahrenazu gegeben hat. Ich habe viele Dinge nachgelesen.
Metadaten/Kopzeile:
4956 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Silke Stokar von NeufornIn all diesen Diskussionen ist mir deutlich geworden,dass nach dem 11. September von einem erweitertenSicherheitsbegriff ausgegangen wird. Ich merke, dassdie insbesondere von der CDU/CSU vertretene traditio-nelle Meinung, Innenpolitik bedeute, nationale Gesetzeimmer weiter zu verschärfen, nichts, aber auch gar nichtsmit dem erweiterten Sicherheitsbegriff zu tun hat, derauf den Fachtagungen von Sicherheitsexperten aus denverschiedensten Richtungen vertreten wird.Ihre Innenpolitik orientiert sich an Grundsätzen, diein Friedenszeiten gut waren. Wir haben aber nicht nurdie Anschläge des 11. September gehabt. Wir erlebenauch zunehmend regionale Konflikte und leider auch zu-nehmende Kriege. Es ist einfach so, dass die innereSicherheit Deutschlands heute auch zum Beispiel in Af-ghanistan verteidigt wird.Zu einem erweiterten Sicherheitsbegriff gehört – dashat der Innenminister hier auch noch einmal sehr deut-lich gemacht – heute auch der Dialog zwischen den Reli-gionen und ein Ausgleich zwischen Arm und Reich.Diese Erkenntnis fehlt in Ihrem Denken und in IhrenÜberlegungen. Die alte, ausgrenzende Debatte zum Zu-wanderungsgesetz, die Sie, Herr Strobl, gerade wiedereröffnet haben, gehört dagegen gerade nicht dazu.
Deutschland ist ein Einwanderungsland; das istRealität. Der Islam ist die drittgrößte Religion in Europa.Ich denke, ein EU-Beitritt der Türkei würde einen wich-tigen Weg eröffnen und einen Beitrag dazu zu leisten,dass der Islam und die Kultur der westlichen Rechtsstaa-ten, die wir hier im guten alten Europa haben, miteinan-der vereinbar werden.
Ich bitte Sie, das bei dieser Auseinandersetzung um dasZuwanderungsgesetz zu bedenken.Sie haben hier in Ihrer Rede deutlich gemacht, dassSie in weiteren Verhandlungen eine Verschlechterungdes jetzt bestehenden Ausländergesetzes erreichen wol-len. Das macht für uns keinen Sinn. Das Ausländerge-setz ist veraltet. Wir brauchen in Deutschland ein moder-nes Zuwanderungsgesetz. Wir sagen deutlich: Wie allegesellschaftlichen Gruppen – von der großen Mehrheitder Kirchen, Gewerkschaften und insbesondere auch derWirtschaft wird dies so vertreten – wollen auch wir eineVerbesserung des Status quo.
Herr Strobl, ich möchte noch auf zwei andere interes-sante Bereiche zu sprechen kommen, die Sie angespro-chen haben, nämlich auf den Digitalfunk und die Bio-metrie. Ich bin nicht ganz glücklich damit, wie in diesemHaushalt die Bund-Länder-Finanzierung gelöst wurde.Ich denke, dass wir uns einmal Gedanken darüber ma-chen müssen, ob es so weitergehen kann, dass der Bunddie Hauptlasten für die Auslandseinsätze der PolizeiüwksdbDL–Au–wbdsgrsbdPbtemkdhDdsPngWedSwFicwuSz
as funktioniert so nicht. Ich bin sehr für eine andereösung.
Das will ich Ihnen sagen. Gerade in Bayern gab es eineuseinandersetzung darüber. Dort heißt es: Wir schützennsere Grenzen in einem vergrößerten Europa selbstdas sollen die Gebirgsjäger tun – und deshalb müssenir Wert darauf legen, dass wir beim Digitalfunk densel-en Standard haben wie Österreich. – Welches Systemer BGS oder die anderen Länder einführen, ist Bayernchnurzegal. Sie müssen einmal etwas mehr ins Detailehen!Ich möchte auch etwas zur Biometrie sagen und da-auf hinweisen, vor welcher Auseinandersetzung wir hiertehen. Wir haben als Grüne längst beschlossen, dass einiometrisches Merkmal in den Pass aufgenommen wer-en kann. Das ist schon lange kein Streitpunkt mehr.riorität hat für mich die Frage der Finanzierung. Wir ha-en in Deutschland ungefähr 7 000 Einwohnermeldeäm-r; meiner Meinung nach sind das erheblich zu viele. Ichöchte von Ihnen wissen, warum in diesen Zeiten dernappen Kassen – dies gilt ja nicht nur für den Bund, son-ern auch für die Länder – dieses Thema für Sie Prioritätat. Unser deutscher Pass ist absolut fälschungssicher.ie USA haben gerade beschlossen, dass der EU-Passen Sicherheitsbedürfnissen der USA entspricht. Warumollten wir heute 7 000 Einwohnermeldeämter und dieolizei, die ja entsprechende Lesegeräte bräuchte, mit ei-er nicht ausgereiften Technik ausstatten?Ich möchte erst einmal wissen, an welches Merkmaledacht wird.
ir Grüne wollen eine Sicherheitstechnik, die nicht zuinem Ausbau der Überwachung führt. Wir stimmen fürie Einführung eines biometrischen Merkmals, wenn esinn macht, wenn die Finanzierung möglich und es not-endig ist. Zuvor habe ich aber noch eine Reihe vonragen.
Meine Redezeit ist leider gleich zu Ende. Herr Strobl,h habe mich darauf eingelassen, auf Ihre Rede zu ant-orten.Ich möchte zum Schluss ein Wort zu den Beamtinnennd Beamten, insbesondere zu den Polizeibeamten undoldaten sagen. Es ist uns schwer gefallen, die Novelleum Sonderzuwendungsgesetz mit ihren Kürzungen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4957
)
)
Silke Stokar von Neufornauf den Weg zu bringen. Ich möchte hier auch im Namenmeiner Fraktion deutlich machen: Wir möchten über die-sen Bereich, über eine soziale Staffelung und die Siche-rung von Leistungsprämien, im Innenausschuss ein offe-nes Gespräch führen. Wir strecken gegenüber denGewerkschaften und dem Deutschen Beamtenbund zueinem konstruktiven Dialog die Hand aus.Es wäre gut, wenn wir im Innenausschuss zu all denFragen der Reform des öffentlichen Dienstrechtes ingroßer Einigkeit sehr schnell eine Anhörung vereinbar-ten, um über fundierte Vorschläge beraten zu können.Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich dankeIhnen.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Max Stadler von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Frau Stokar ist immerhin lernfähig; denn ich darfdaran erinnern, dass die Anhörung, die die FDP zu dergeplanten Reform im Beamtenrecht und den einschnei-denden Kürzungen bei der Beamtenbesoldung beantragthatte, von Ihnen vor wenigen Wochen noch abgelehntworden ist. Wenn Sie nun plötzlich doch dazu bereitsind, dann kann ich das nur begrüßen.
In einer Haushaltsdebatte wie der heutigen ist zuRecht von mehreren Rednern der Opposition immer wie-der der Rücktritt dieser Bundesregierung oder einzelnerMinister gefordert worden. Vielleicht wird es Sie daherüberraschen, dass ich sage: Wenn diese Bundesregierungschon nach wie vor im Amt ist, bin ich froh, dass einWechsel im Amt des Bundesinnenministers in der Som-merpause nicht in der Weise vollzogen worden ist, wiedies in manchen Teilen der Presse angekündigt wordenwar.
Beizeiten wurde kolportiert, dass man den SPD-General-sekretär in dieses Amt wegloben wolle, weil man mitihm und seiner Amtsführung als Generalsekretär nichtmehr einverstanden sei.
Das hätte dieses Bundesinnenministerium nicht ver-dient. Dazu ist es zu wichtig und die Aufgabe zu verant-wortungsvoll. Dafür braucht man schon einen Ministervon politischer Statur. Das heißt nicht, Herr MinisterSchily, dass wir mit allem, was sich in der Innenpolitikabspielt, zufrieden sein könnten.
pdBgodzstrgjucDsgzlilsGaardligtebvwwaÜPhwWWcgn
enn dieser hat das Vorschlagsrecht für die Neubeset-ung –, dass die grüne Fraktion nicht in der Lage gewe-en ist,
ermingerecht einen Vorschlag für die Nachfolge einzu-eichen. Sie wissen, dass die Amtszeit von Dr. Jacob ab-elaufen ist und dass wir aufgrund Ihres Zögerns erstetzt in der Lage sind, über seinen Nachfolger zu beratennd zu entscheiden. Dabei wird – dafür sehe ich deutli-he Anzeichen – der Datenschutz, so wie er vonr. Jacob verdienstvollerweise vertreten worden ist, ineinem Stellenwert erhalten und vielleicht sogar gestei-ert werden müssen.
Im Zuge der innenpolitischen Debatte der letztenwei Jahre haben – nach dem 11. September war das völ-g verständlich – in der alten Abwägung zwischen staat-ichen Eingriffsbefugnissen und der Achtung der Privat-phäre die staatlichen Eingriffsmöglichkeiten deutlich anewicht gewonnen. Daher ist es nicht falsch, wenn nunllmählich eine Gegenbewegung einsetzt, und zwar un-bsichtlich von denjenigen gefördert – ich meine, es wa-en nicht die Innenminister, sondern die Justizministerer Länder –, die den absurden Vorschlag in die Öffent-chkeit gebracht haben, dass man künftig Schornsteinfe-er – oder wie wir sagen: Kaminkehrer – und Hausmeis-r dazu verpflichtet, Wohnungen zu verwanzen. Ichringe das als ein Beispiel dafür, dass seither in der Be-ölkerung die Sensibilität für den Schutz der Privatheitieder gestiegen ist; denn dieser Vorschlag ist vielen zueit gegangen. Deswegen wird diese Diskussion um daslte Spannungsverhältnis neu zu führen sein.
brigens sieht man auch an anderen Beispielen in derraxis, dass manches, was man auf den Weg gebrachtat, vielleicht doch nicht so wirkungsvoll ist oder zueit geht. Ich habe mir von der Justizministerinerwigk-Hertneck sagen lassen, dass in Baden-ürttemberg Videokameras zur Überwachung öffentli-her Plätze wieder abgebaut werden, weil sie nicht denewünschten Erfolg erbracht haben und sich die Krimi-alität auf andere Plätze verlagert.
Metadaten/Kopzeile:
4958 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dr. Max StadlerZu weit gegangen sind Sie, eine sehr große Koalitionvon SPD, Grünen und Union, bei der Neugestaltung desWaffengesetzes. Das ist so bürokratisch geblieben wie esimmer war, aber es enthält auch Neuerungen, die rechts-staatlich bedenklich sind. Bei dem Begriff der Unzuver-lässigkeit, der für den Jagdschein von Bedeutung ist,werden neuerdings Straftaten herangezogen, die keiner-lei Bezug zum Waffenführen haben.
Die Regelung ist so ausgestaltet worden, dass Straftatenherangezogen werden, die mehr als zehn Jahre zurück-liegen. Das halte ich wirklich für rechtsstaatlich bedenk-lich.
Die FDP vertritt in der Innenpolitik immer die Auf-fassung, dass wir weniger neue Gesetze brauchen alsvielmehr eine optimale Ausstattung der Sicherheitsbe-hörden. Deswegen ist die Einführung des Digitalfunkssehr wohl ein Thema, egal ob man in diesem Haushalts-entwurf schon dafür Mittel benötigt oder nicht. Auf kei-nen Fall darf Wirklichkeit werden, was heute in der„Welt“ dargestellt worden ist, nämlich dass man mit derEinführung des Digitalfunks bis zum Jahr 2010 wartenmüsste. Ich will der Fairness halber aber auch sagen:Dies ist ein kompliziertes Thema, das nicht in der allei-nigen Verantwortung des Bundesinnenministers liegt,sondern auch der Mitarbeit der Länder bedarf.Zwei Anmerkungen noch am Schluss in Kürze. FrauStokar von Neuforn hat am Ende das Beamtenrecht an-gesprochen. Ich will nur eines sagen: All die vollmundi-gen Versprechen, Öffnungsklauseln im Tarifbereich wür-den auch benutzt werden, um Verbesserungen in derBesoldung einzuführen, haben sich nicht bestätigt.
Es handelt sich vielmehr um eine reine Sparmaßnahme,was wir schon immer vorhergesagt haben.Ein letzter Punkt – das ist in dieser Debatte noch nichterwähnt worden –: Ich bin wegen des Art. 28 Abs. 2 desGrundgesetzes der Meinung, dass auch wir als Innenpo-litiker Verantwortung für die Selbstverwaltung der Kom-munen und damit für die Finanzausstattung der Kommu-nen tragen. Sie gehen leider den völlig falschen Weg,wenn Sie die Freiberufler in die Gewerbesteuer einbezie-hen
und somit entweder deren Steuerlast erhöhen wollenoder dort, wo diese verrechnet wird, mehr Bürokratieeinführen, was wir auch nicht brauchen können.
EFsEFDiwzCZKdDbzSHKsaRgpgsIBdidwrud
as wäre ein Modell für eine vernünftige Innenpolitik,n der die FDP die ihr gemäße Rolle mit Erfolg ausübenürde, nämlich zwischen Ihren fehlerhaften Ansichtenu vermitteln, die leider sowohl die SPD als auch dieDU haben. Dasselbe gilt für das, was Herr Strobl zumuwanderungsgesetz gesagt hat. Auch dazu liegt einompromissvorschlag der FDP vor. Wir laden Sie ein,arauf zuzugehen.
enn Sie sehen: In der Innenpolitik ist viel zu tun. Wireteiligen uns an der Debatte wie immer konstruktiv undielführend.
Das Wort hat jetzt der Kollege Rüdiger Veit von der
PD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Lieber Kollege Max Stadler, als ehemaligerommunalpolitiker, aber auch als immer noch zugelas-ener Rechtsanwalt und damit Freiberufler stimme ichusdrücklich zu, dass wir den Kommunen durch eineevitalisierung der Gewerbesteuer Finanzkraft zurück-eben wollen, aber bitte schön nicht mit einem Schon-ark und einem Artenschutz für Freiberufler. Auch dieehören dazu, aber auch die Kapitalgesellschaften sollenich beteiligen.
ch darf mich etwas flapsig äußern, weil ich selber diesererufsgruppe angehöre.Ansonsten hat bei den Vorrednern die Anerkennunger Politik bzw. die Zustimmung zur Politik des Bundes-nnenministers und auch zu diesem Haushalt überwogen.
Deswegen wird es Sie nicht wundern, dass sich auchie rot-grüne Koalition mit diesem Haushaltsplanent-urf wie auch mit dem Minister und seinen Mitarbeite-innen und Mitarbeitern zufrieden erklärt
nd ihnen ausdrücklich für all die Mühe dankt, die iniesem Entwurf zum Ausdruck gekommen ist.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4959
)
)
Rüdiger VeitLieber Herr Zeitlmann und lieber Herr Strobl, Sie ha-ben geglaubt, zwei Punkte haushaltstechnisch kritisierenzu können. Dazu möchte ich Ihnen eine Erwiderung zu-teil werden lassen; denn vielleicht sind Sie wenigstensbereit, die Faktenlage zur Kenntnis zu nehmen.Sie haben bemängelt, dass es keine Haushaltsansätzeim Bereich des Digitalfunks gebe. In der Tat weistSeite 14 des Einzelplans einen Leertitel aus. Die Frageist aber, warum das so ist. Der Einzelplan enthält diesenLeertitel, weil der maßgebende Beschluss der Minister-präsidenten erst nach der Drucklegung erfolgte und die-ser Titel erst jetzt mit Leben erfüllt werden kann.Schließlich kann man in diesem Bereich nicht im Wegedes vorauseilenden Gehorsams tätig werden.
Auch was die Biometrie angeht, liegen Sie ein biss-chen schief. Wir haben für den Einsatz der Biometrie amFlughafen Frankfurt im Haushaltsjahr 2003 2 MillionenEuro und 2004 500 000 Euro veranschlagt.Im Zusammenhang mit dem Haushalt des BSI darfich Ihnen kurz vortragen, für welche StudienmaßnahmenMittel vorgesehen sind: BioFace IV und V, BioISO-Standardisierungsaktivitäten und smartcardbasierte bio-metrische Zutrittskontrolle, abgekürzt BioKON.
Soweit hier aber darüber diskutiert wird, dass nochsehr viel Entwicklungsarbeit vor uns liege und dass allesso unklar sei, möchte ich darauf hinweisen – das möchteich meiner Kollegin Stokar sagen –: Beim Besuch desInnenausschusses bei der Bundesdruckerei durften wirdoch miterleben, wie technisch zuverlässig die Gesichts-felderkennung schon ist. Wenn der gute Eindruck sicherauch damit zusammenhing, dass es bei einer sympathi-schen Person, nämlich unserer Ausschussvorsitzenden,vorgeführt wurde, so denke ich doch, dass wir gar nichtmehr so viel Pionierarbeit leisten müssen.
– Ich bin dafür. Das halte ich für die am wenigsten ein-schneidende Maßnahme.
Ich schäme mich meines Gesichtes nicht und kann ande-ren nur empfehlen, das gleiche gemäßigte Selbstbe-wusstsein an den Tag zu legen. Wenn man erkannt wird,ist es doch vergleichsweise egal, ob es durch einenFreund oder eine Videokamera geschieht oder ob einPolizeibeamter feststellt, dass eine Person mit dem Ge-sicht auf ihrem Ausweis übereinstimmt. Mit einem ha-ben Sie nämlich Recht, Frau Stokar: Wir haben bei derBundesdruckerei auch erfahren, dass unsere Personal-dokumente absolut fälschungssicher sind. ProblematischidaGlttIÄnlBg4bgMnhtddGbBbednvSdrkWdTlabidrerrgwu
Die 4,093 Milliarden Euro, die im Einzelplan 06 ver-nschlagt sind, machen zwar lediglich 1,63 Prozent desesamthaushaltes aus, aber wir von der rot-grünen Koa-ition sind letztlich der Überzeugung, dass der so gestal-ete Haushalt maßvoll ist und den Reformnotwendigkei-en unserer Gesellschaft im Kompetenzbereich desnnern durch manche Straffungen und organisatorischenderungen gerecht wird. Er vernachlässigt nicht die in-ere Sicherheit – das haben Sie auch anerkannt – vor al-em aber gefährdet er auch nicht die Freiheitsrechte desürgers.Ich denke, es ist bemerkenswert, dass bei einer Stei-erung von saldierten 168 Millionen Euro – nämlich,3 Prozent für den gesamten Einzelplan – der Personal-estand im Geschäftsbereich des BMI seit 1998 um ins-esamt 17,2 Prozent reduziert werden konnte. Allein iministerium selbst wurden rund 2,4 Prozent des Perso-alkörpers abgebaut. Das allein ist an sich noch kein ho-er Wert. Wenn es – auch im Interesse der Beschäftig-en – um soziale Gerechtigkeit geht, bedeutet dies, dassie breiten Schultern mehr tragen sollen und müssen alsie schwachen und dass wir allen gesellschaftlichenruppen nur das zumuten können, wozu wir auch selbstereit sind.Es heißt aber – etwa im Bereich des BGS oder beimSI – auch, dass wir an neuen oder erweiterten Aufga-en orientiert sehr wohl Personaleinsparungen oder Ver-infachungen vornehmen und entsprechende Zuwächseort zu verzeichnen sind, wo sie nötig sind. Das ist mei-es Erachtens in der Tat Ausdruck eines verantwortungs-ollen Sparens.Noch nicht ausreichend erwähnt wurde an diesertelle, dass im Rahmen der Umsetzung des Beschlusseser Bundesregierung vom 9. Juli 2003 unter Federfüh-ung des BMI eine Reihe von Maßnahmen zum Büro-ratieabbau auf folgenden Handlungsfeldern auf deneg gebracht worden ist: Arbeitsmarkt und Selbststän-igkeit, Wirtschaft und Mittelstand, Forschung undechnologie, Zivilgesellschaft und Ehrenamt, Dienst-eistungen und Bürgerservice. Das BMI selbst ist mitcht Projekten an der Initiative beteiligt, die allesamtürgerorientiert sind und die gute Fortschritte machen,ndem sie die amtliche Statistik vereinfachen, das Bun-esreisekostengesetz novellieren, die Reform des Tarif-echts im öffentlichen Dienst oder beispielsweise auchine Vereinfachung des Melde- und des Passwesens vo-antreiben.
Zur inneren Sicherheit wurde angesichts eines histo-ischen Datums einiges gesagt. Ich bitte meinen Kolle-en und Freund Gerold Reichenbach um Verständnis,enn ich deswegen die Bereiche THW, Katastrophen-nd Zivilschutz bei der Gelegenheit ausklammere und in
Metadaten/Kopzeile:
4960 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Rüdiger Veitden verbleibenden drei Minuten Redezeit abrupt zu ei-nem anderen Feld komme.Jetzt zitiere ich nicht wie Otto Schily HerrnBeckstein, sondern jetzt zitiere ich Otto Schily selbst. Erhat einmal gesagt:Wer unsere Musikschulen schließt, gefährdet die in-nere Sicherheit.Er hat damit gemeint, dass wir uns Gedanken darübermachen müssen, in welcher Vielfalt im musischen Be-reich, bei der Sportförderung oder bei Maßnahmen zurpolitischen Bildung, schließlich aber auch bei Maßnah-men der Integrationsleistung und damit bei Sprachkur-sen Leistungen im Sinne der Gewährleistung des innerenFriedens erbracht werden können.
Jetzt ruft Herr Burgbacher mir zu und gibt mir dasnächste Stichwort: Viel zu wenig! – Ich verkneife mir ander Stelle allzu ausführliche Bemerkungen zu den be-merkenswerten Höhenflügen, Herr Kollege Strobl, zudenen Sie eben angesetzt haben. Ich habe den Eindruckgehabt, Sie haben sich da ein bisschen verheddert. Dasklang so, als hätte der Bundesinnenminister sagen müs-sen: „Um Gottes willen, jetzt kommen mehr Asylbewer-ber, weil das Zuwanderungsgesetz nicht kommt“. Viel-leicht haben Sie aber auch umgekehrt allen Ernstes dieAuffassung vertreten – ich habe gedacht, das sei einHörfehler –, das Zuwanderungsgesetz und das neue Aus-länderrecht seien ausländerfeindlich. Das war, mit Ver-laub gesagt, krauses Zeug und nicht sehr logisch.
Das diente dazu, Redezeit zu füllen. Ich bin fest davonüberzeugt, dass selbst Sie das besser können.Wir wollen zurückkommen zum Haushalt. Im Be-reich des Bundesamtes für die Anerkennung auslän-discher Flüchtlinge, BAFl, ist das Plansoll von128 Millionen Euro im Jahre 2002 auf 298 MillionenEuro im Jahre 2003 erhöht und im vorliegenden Haus-haltsentwurf nur noch ganz geringfügig reduziert wor-den. Mit In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzeswird das BAFl zu einem umfassenden Kompetenzzen-trum für Migration und Integration ausgebaut. Zur Um-setzung ist vorgesehen, dem dann so genannten BAMF,also dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, fürdie Durchführung von Sprachfördermaßnahmen insge-samt 171,5 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.Mit dem Förderkonzept wird die Integration der Aus-länder und Spätaussiedler, für die der Bund die alleinigeVerantwortung trägt, aufeinander abgestimmt. Künftigwird es daher möglich sein, für beide Zuwanderungs-gruppen die gleichen Kurse anzubieten und eine gemein-same Beschulung durchzuführen. Mittel zur Integrationvon Ausländern stehen auch dem BMI seit dem Jahr2000 zur Verfügung, nämlich zunächst 511 000 Euro,dann aufwachsend bis zu 1 Million Euro im Jahre 2004.nmtddddtkSIhhrSz–sPthanwtencMtHdbwSskIdg
Diese Platte mögen Sie nicht hören, aber es ist ja wahr.Lassen Sie sich nun doch einmal loben, wenn ichage: Wenigstens die Selbsterkenntnis hinsichtlich desroblems ist da. Sie können jetzt aber nicht sagen: „Hal-et den Dieb“; denn wir können unter schwierigen Haus-altsbedingungen weniger Geld zur Verfügung stellen,ls wir eigentlich wollen. Das können Sie jedenfallsicht als Mittel und als Argument nehmen, um das Zu-anderungsgesetz auszubremsen. Deswegen bin ich gu-er Hoffnung, dass wir uns im Vermittlungsverfahren aufinen vernünftigen Kompromiss werden einigen kön-en – vielleicht und gerade auch mithilfe der FDP; sol-he Angebote nehmen wir gerne an.Insgesamt richte ich noch einmal einen Dank an deninister und an alle Mitarbeiter. Sie haben die volle Un-erstützung seitens der Koalitionsfraktionen für diesenaushalt.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Norbert Barthle von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wireraten heute über den Einzelplan 06, zu dem auch derichtige Bereich des Sports gehört. Herr Ministerchily, dass Sie keine Zeit gefunden haben, etwas zu die-em Bereich zu sagen, möchte ich Ihnen angesichts Ihrernappen Redezeit nicht vorwerfen.
ch werfe Ihnen auch nicht vor, dass Sie kein Herz füren Sport hätten. Im Gegenteil: Ich attestiere Ihnen so-ar, dass Sie eines haben. Aber, Herr Minister, der Sport
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4961
)
)
Norbert Barthlebraucht nicht nur Ihr Herz, sondern auch Ihren Daumenund Ihren Zeigefinger; denn darum geht es bei den Haus-haltsberatungen.In diesem Zusammenhang lohnt sich vielleicht auchein Blick über den Tellerrand hinaus. Bei der vorange-gangenen Debatte über den Einzelplan 17 ist darauf hin-gewiesen worden, wie wichtig der Koalition die Ganz-tagsbetreuung ist und dass trotz der katastrophalenHaushaltslage – man muss fast von organisiertem Staats-bankrott reden – zusätzliches, frisches Geld für solcheideologischen Lieblingsprojekte zur Verfügung steht.Deshalb bitte ich Sie, Herr Minister, dass Sie nicht nur inSonntagsreden darauf hinweisen, wie wichtig der Sportfür unsere Gesellschaft ist, wie groß seine Erziehungs-leistungen, die in den Vereinen stattfinden, bei den Ju-gendlichen sind und wie sehr sein Beitrag zur Integrationzu würdigen ist, sondern dass Sie auch den Sportetat ent-sprechend ausstatten.
Wer sich über den Zustand des deutschen Sports kun-dig machen wollte, der hat in den vergangenen Tagenreichlich Gelegenheit dazu gehabt: die Leichtathletik-WM in Paris, das Fußballspiel gegen Island und die Aus-fälle unseres Nationaltrainers. Gerade jetzt sind unsereBasketballer bei der EM in Schweden ausgeschieden.Bei der Universiade in Daegu waren wir froh, dassDeutschland überhaupt im Medaillenspiegel erschienenist. Man kann diese Beispielkette beliebig fortsetzen.Die Menschen fragen, wo eigentlich die Ursachen da-für liegen. Liegt es an mangelndem Fortune oder an derBundesregierung? Spaß beiseite, es liegt nicht nur an derBundesregierung. Aber es gibt – hören Sie gut zu, HerrWiefelspütz – folgende drei Parallelen zwischen der Si-tuation im Sport und den Etatberatungen bzw. der Situa-tion im Bundeshaushalt: Viel zu lange hat man von derSubstanz gelebt und sich in Sicherheit gewiegt, einStück weit das Erbe vervespert. Viel zu lange hat mansich vor einer realistischen Bestandsaufnahme gedrückt.Und viel zu lange hat man es versäumt, umzusteuern, da-mit auch künftig Erfolge gesichert sind; denn Erfolgefallen weder im Sport noch in der Finanz- und Haus-haltspolitik vom Himmel.
In Ihrem Schwerpunktpapier zum Sporthaushalt ist zulesen:Auch die Sportförderung leistet ihren Beitrag zurKonsolidierung des Bundeshaushalts.Die Sportler dürfen sich also freuen. Auch wenn keinesportlichen Leistungen mehr möglich sind, leisten siedoch etwas für den Bundeshaushalt. Die doppelte Ironiewird besonders deutlich, wenn man fragt, was eigentlichkonsolidiert wird; denn die Verschuldung wächst Jahrfür Jahr. Sie nimmt 2003 zu und steigt 2004 ins Uner-messliche. Wenn gespart wird, dann tut man es an derfb–1nwdttnzgwhHugnmAgdES–zsglseEzSeKevdwadtvlmnW
Die werden auch nicht von Herrn Schily bezahlt.Die Sportförderung soll im Jahr 2004 gerade noch10 Millionen Euro betragen. Das sind 23 Millionen we-iger als 2003 und 90 Millionen weniger als 2002. Nuneisen Sie zu Recht darauf hin, dass hier die Mittel fürie Förderung der Stadien in Berlin und Leipzig enthal-en sind. Ich darf Sie daran erinnern, dass Sie diese Mit-el im vergangenen Jahr in den Etat eingestellt und sieicht als Sondertitel geführt haben, um Ihre Kürzungenu kaschieren und um den Vereinen weiszumachen, wieroßzügig die Bundesregierung den Sport fördert. Jetzt,o diese Förderung ausläuft, können Sie also nicht be-aupten, dass das damit nichts zu tun habe. Hier fehlenaushaltsklarheit und Haushaltswahrheit an allen Eckennd Enden. Auch im Vergleich zu 1998, als Sie die Re-ierungsverantwortung übernommen haben, ist ein Mi-us von de facto 4 Millionen Euro festzustellen. Rechnetan die Ausgaben für die Bewerbung Leipzigs für dieustragung der Olympischen Spiele 2012 und die Aus-aben für die Fußball-WM 2006 heraus, dann zeigt sich,ass dem Sport gegenüber 1998 sogar 11,7 Millionenuro weniger zur Verfügung stehen. Das hat also mit dentadien nichts zu tun.
Unser Vorschlag ist, bei den Investitionen nicht weiteru kürzen. In diesen Bereich fließen pro Jahr im Durch-chnitt mehr als 10 Millionen Euro weniger als 1998. Ins-esamt stehen für Sportinvestitionen also über 40 Mil-ionen Euro weniger zur Verfügung. Dafür haben Sie ge-orgt.Wir schlagen vor, dass das Geld, das durch den Sportingenommen wird, in den Sport zurückfließt.
s gibt zum Beispiel zur Fußball-WM 2006 Sportmün-en, die verkauft werden. Durch den Verkauf dieserportmünzen erzielt die Bundesregierung einen Brutto-rlös von 185,9 Millionen Euro. Zieht man davon dieosten von 95,5 Millionen Euro ab, verbleibt ein Netto-rlös von 90,4 Millionen Euro. Diese Münzen werdenon Sportfans in der Annahme gekauft, dass das Geld,as sie dafür ausgeben, dem Sport zur Verfügung steht.Was passiert damit in Wirklichkeit? 30 Millionen Euroerden für das Organisationskomitee der Fußball-WMusgegeben; das ist sozusagen Kulturprogramm. Under Rest von über 60 Millionen Euro? Der Finanzminis-er kann natürlich auf die rechtlichen Zusammenhängeerweisen und sagen: Das verschwindet in meinen Etat-öchern. Ich meine, aus Sicht des Sports wäre es ange-essen, dass das Geld, das durch diesen Verkauf einge-ommen wird, dem Sport zur Verfügung gestellt wird.enn das geschähe, könnten Sie nicht nur die zentralen
Metadaten/Kopzeile:
4962 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Norbert BarthleMaßnahmen des Sports und vor allem den Sportstätten-bau wieder besser ausstatten, sondern auch den „Golde-nen Plan Ost“ wieder aufleben lassen.Im Wahlkampf haben Sie für den „Goldenen PlanOst“ 50 Millionen Euro versprochen. Es wurden dannzunächst 15 Millionen Euro. Dann wurden die Mittel auf10 Millionen Euro gekürzt und jetzt soll dieser Plan ganzgestrichen werden. Für die neuen Bundesländer ist dasein ganz fatales Signal. Es ist höchste Zeit, das zu än-dern. Wir fordern Sie auf, wenigstens wieder 15 Millio-nen Euro einzustellen.
Herr Barthle, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich schließe mit meinem Appell sowohl an Herrn
Schily als auch an die gesamte Bundesregierung an: Zei-
gen Sie nicht nur ab und zu bei großen Veranstaltungen
ein Herz für den Sport, sondern geben Sie den Adern des
Sports das Blut, das gebraucht wird, um künftig wieder
Erfolge erzielen zu können.
Danke.
Als letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich hat der
Kollege Wolfgang Zeitlmann von der CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Der Bundesinnenminister hat hier – wie kann es an-ders sein? – einen zeitlichen Bogen zum 11. Septembervor zwei Jahren geschlagen. Natürlich haben wir uns allean das Grauen und an das Gefühl des Schreckens von da-mals erinnert. Es ist sicherlich richtig, zu fragen: Habenwir in den vergangenen zwei Jahren wirklich alles ge-tan? Ist die Bedrohungslage in der Tat so, dass man sichzurücklehnen und vielleicht glauben machen kann, wirhätten alles zur Abwendung jeglicher Gefährdungen ge-tan?Wenn ich mir den letzten Verfassungsschutzberichtanschaue, dann stelle ich fest, dass wir in Anbetracht derdort geschilderten Gefährdungen durch Extremistennicht von Entwarnung sprechen können. Ich bin derLetzte, der hier irgendeine Verunsicherung kundtun will,indem er behauptet, es gebe irgendeine konkrete Gefähr-dung. Ich frage mich aber manchmal: Muss in einemLand immer erst irgendetwas passieren, bevor man zuhandeln beginnt? Wenn wir wüssten, dass wir in absehba-rer Zeit ein schreckliches Ereignis zu bewältigen hätten,würden wir dann nicht rückblickend feststellen, dass wireigentlich noch dieses und jenes hätten vorlegen müssen?
–nMibdeznmclwdnTcsbEFzRbw–dvdhndbümd
Herr Schily, Sie selbst haben in einem Interview miter „FAZ“ gesagt – heute haben Sie es bestätigt –, dasss bei biometrischen Merkmalen hier und da Ergän-ungsbedarf gibt. Ich halte das für richtig. Ich frage michun: Muss es zwei Jahre dauern, bis wir zu Stuhle kom-en? Auch jetzt ist noch gar nicht klar, ob ein entspre-hender Gesetzentwurf mehrheitsfähig ist. Zwei Jahreang ist im Grunde nichts passiert, außer dass geprüfturde. Muss das immer so lange dauern?
Angesichts dessen, wie sich bei uns – zugegeben:urch die Rechtsprechung – Extremisten tummeln kön-en, hätte ich erwartet, Herr Minister, dass Sie dashema nicht wie der Weihnachtsmann nur so ein biss-hen streifen,
ondern dass Sie die Kernprobleme etwas eingehenderehandeln. Zu den Kernproblemen zählt, wie wir mitxtremisten umgehen. Da nenne ich zum Beispiel denall Kaplan.
Ich glaube nicht, dass wir im bilateralen Verhältnisur Türkei die dortigen Verhältnisse quasi deutschemichterrecht entsprechend verändern können. Das Pro-lem, dass die Maßstäbe, die deutsche Richter anlegen,eltweit – –
Das können Sie nehmen, wie Sie wollen. Wenn auseutscher Sicht beurteilt wird, ob irgendwo auf der Weltergleichbare Maßstäbe wie bei uns gelten, dann wirdas im Zweifel immer zu unseren Lasten gehen. Daseißt: Leute wie Kaplan werden immer hier bleiben kön-en. Da frage ich mich, Herr Minister: Hätten Sie hierazu nicht einiges ausführen müssen?Für völlig unwürdig halte ich – da nehme ich Sie einisschen aus – die Debatte in den vergangenen Monatenber das geplante Zentrum gegen Vertreibungen. Fürich ist zutiefst unverständlich, dass in unserem Land,essen Volk ein solches Schicksal
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4963
)
)
Wolfgang Zeitlmannertragen hat – bei uns leben 15 Millionen Menschen, dievertrieben wurden; der Leidensdruck ist nach diesen vie-len Jahrzehnten vielleicht nicht mehr in dem ursprüngli-chen Maße vorhanden; meine Generation hat da imGrunde kein eigenes Erleben mehr –, überhaupt darüberdiskutiert wird,
ob man so etwas machen kann, ob man das internationalabstimmen muss. Das ist doch überhaupt keine Frage! Ineiner freien Gesellschaft wird ein solches Zentrum gegenVertreibungen natürlich gemäß der historischen Wahr-heit aufgebaut werden müssen. Kein Mensch diskutiertetwas anderes. Die Ursachen für das Kriegsgeschehenmüssen klargestellt werden. Man kann nicht einseitig ir-gendwelche Aufrechnungen betreiben. Aber dass mansich abhängig macht
und ausländische Meinungen dazu hört, ob es ein sol-ches Zentrum in Berlin geben kann, halte ich für unmög-lich. So etwas wird in der Bevölkerung in Anbetrachtunserer Vergangenheitsdebatten nicht verstanden.
Herr Schily, eine letzte Bitte, weil wir uns dem3. Oktober nähern. Ich beobachte seit vielen Jahren dieFeierlichkeiten zum Nationalfeiertag. Wir sollten unsintern oder parteiübergreifend einmal darüber unterhal-ten, ob das bisherige Prozedere, dieser Wanderzirkus,dass am 3. Oktober jeweils ein anderes Bundesland Ortder Feierlichkeiten ist, beibehalten werden sollte. Zuüberlegen wäre doch, nach Ablauf der 16 Jahre, wenn je-des Land einmal dran war – das ist ja noch einige Jahrehin –, in einem neuen Zyklus eine zentrale Feierlichkeitdurchzuführen, sodass wir von diesem Wanderzirkus ab-kommen.
Das ist als Vorschlag gedacht. Wir sollten die Dinge viel-leicht ein bisschen sinniger gestalten. Wir haben in derVergangenheit einmal überprüft, wer sich von uns Bun-despolitikern denn dieser Last des Wanderns unterzogenhat. Die Präsenz war nicht sehr gut. Das sollte Ansatz-punkt zum Nachdenken sein.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
Otto Schily das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen!Ich kann ja verstehen, dass Sie von mir eigentlich erwar-ten, dass ich in 14 Minuten alle diese Fragen wie „Gol-dgagDsMErSdsEeZdeFiakevggdmE–ahTbnrEngnfziadgMnsS
in Mann, der wegen Anstiftung zum Mord zu vier Jah-en Freiheitsstrafe verurteilt worden ist – auch diesetrafe kann man mit einem Fragezeichen versehen, denniese Anstiftung hat zu einem Mord geführt –, hat in un-erem Lande nichts zu suchen. Deshalb bedauere ich dientscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln, von derin Innenministerkollege, den Sie kennen, Herreitlmann, gesagt hat, sie sei eine skandalöse Entschei-ung. Ich mache mir zwar diesen Wortgebrauch nicht zuigen, weil ich natürlich auch vor einer richterlichenehlentscheidung den nötigen Respekt habe, aber auchch halte die Entscheidung für falsch. Sie beruht nämlichuf der Unterstellung, dass Kaplan, wenn er in die Tür-ei zurückbefördert würde, dort keinen fairen Prozessrhielte, weil man durch Folter erzwungene Aussagenerwerten würde.Die Türkei hat unter Hinweis auf die in der Türkeieltende Rechtslage erklärt, dass durch Folter erzwun-ene Aussagen in einem Strafprozess dort nicht verwen-et werden dürfen. Übrigens steht das auch im Zusam-enhang mit dem Besuch des Ministerpräsidentenrdogan in Deutschland, der sich vorgenommen hatman mag die neue Regierung ja sehen, wie man will;uch die weltpolitischen Zusammenhänge kann man se-en, wie man will –, rechtsstaatliche Standards in derürkei durchzusetzen. Da er selber in Haft gesessen hat,ringt er vielleicht auch Erfahrungen mit, die ihn bei sei-em Engagement in dieser Richtung besonders motivie-en. Auch deshalb müssen wir dafür sorgen, dass dientscheidung dieser Richter korrigiert wird.
Unabhängig davon, dass der Bundeskanzler und Mi-isterpräsident Erdogan bereits noch einmal miteinanderesprochen haben, werde ich mit meinem türkischen In-enministerkollegen Aksu Gespräche aufnehmen – hof-entlich kommt das Treffen in wenigen Tagenustande –, um noch einmal eine zusätzliche Erklärungn dieser Richtung herbeizuführen. Ich hoffe, dass dannlle politischen Kräfte in dieser Frage zusammenstehen,
amit wir diesen Fall so abschließen können, wie es ihmebührt.Ich verbinde das mit einem Hinweis: Ich bin nicht dereinung, dass wir alle gesetzlichen Möglichkeiten, dieach dem geltenden Ausländerrecht heute bestehen, aus-chöpfen, um Personen, die eine Gefahr für die innereicherheit Deutschlands darstellen, die Tür zu weisen.
Metadaten/Kopzeile:
4964 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)Otto SchilyAn der einen oder anderen Stelle sollte man da vielleichtauch einmal schauen, ob im Landesvollzug immer alldas geschieht, was geboten ist.Danke schön.
Herr Kollege Zeitlmann, wollen Sie erwidern? –Nein. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-ministeriums für Verbraucherschutz, Ernährungund Landwirtschaft.Bevor ich der Bundesministerin Renate Künast dasWort erteile, sollten wir noch einen Augenblick warten,damit der Austausch der Abgeordneten stattfindenkann. – Frau Künast, bitte.Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft:Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren Abgeordnete! Die bisherigen Debatten zum Haushalt2004 haben ja gezeigt, dass es zur nachhaltigen Konsoli-dierung der Staatsfinanzen keine Alternative gibt. Daswar ja wohl das Thema des Tages. Dabei geht es insbe-sondere um Generationengerechtigkeit, dass wir alsonicht sorglos auf Kosten künftiger Generationen lebendürfen, und um Nachhaltigkeit in allen Politikbereichen.Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit be-deuten in der Finanzpolitik – vor finanzpolitischen Er-wägungen kann sich auch dieser Haushalt nichtschützen – zweierlei, nämlich dass man einerseits Aus-gaben kontrolliert – das heißt, man muss auch manchelieb gewonnenen Subventionen abbauen, vor allemwenn sie der Umwelt schaden oder nicht zu rechtfertigensind – und andererseits Zukunftsinvestitionen in Struktu-ren tätigt, die auch den nachfolgenden Generationen, denjungen Landwirten Möglichkeiten eröffnen.Deshalb war klar, dass auch das BMVEL seinen Bei-trag zum Subventionsabbau leisten muss. Das triffthauptsächlich jenen Bereich, in den bislang viele Mittelgeflossen sind: den Agrarbereich. Insbesondere müssenwir uns fragen, ob – und wenn ja, warum – hier Leistun-gen gewährt werden, die über das hinausgehen, was an-dere gesellschaftliche Gruppen vom Staat erhalten, obalso keine Gleichbehandlung stattfindet. Insgesamtschließt der Regierungsentwurf des Einzelplans mit5,2 Milliarden Euro ab, das sind 430 Millionen Euro we-niger als im Etat 2003. Damit kann und muss man sagen,dass dieser Einzelplan einen ganz erheblichen Beitragzur Haushaltskonsolidierung leistet.Bei diesen Summen kommen wir an der Agrarsozial-politik nicht vorbei, für die in diesem Haushalt aber nochimmer über 70 Prozent der Mittel des Einzelplans 10veranschlagt werden.
–m–ksK–wmhmDScvtsBsKhhwzvfnsrGezgdvna
Und in entsprechender Stimmung sind!Wir erbringen die Einsparungen auch bei der Kran-enversicherung der Landwirte. Ziel ist es, die landwirt-chaftliche Krankenversicherung der gesetzlichenrankenversicherung anzupassen.
„Gnädige Frau“ dürfen Sie schon sagen; ich finde esunderbar, wenn wir hier mittelenglische Umgangsfor-en pflegen – was bei dem letzten Redebeitrag zum vor-erigen Thema nicht der Fall war. Ich finde es gut, wennan hart in der Sache und immer fein im Benimm ist.
ann streitet es sich auch besser.Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht an dertelle vor, dass der Bundeszuschuss zur landwirtschaftli-hen Krankenversicherung künftig auf der Grundlageon 85 Prozent statt von bisher 100 Prozent der Leis-ungsaufwendungen der Altenteiler berechnet werdenoll. Darüber reden wir in vielen Gesprächen mit denetroffenen, den Verbänden und den Ländern. Dabeiind auch die Ergebnisse der im Konsens zwischen deroalition und der CDU/CSU beschlossenen Gesund-eitsreform zu berücksichtigen, die auch für den Bundöhere Einsparungen bringen.Ich möchte diesen Bereich besonders ansprechen,eil ich glaube, dass er im Moment ein Kernthema ist –u Recht.Wir haben erste Gespräche dazu geführt, die mich zu-ersichtlich stimmen, dass wir eine vertretbare Lösunginden können, die nicht so aussieht wie das, was Sie an-ehmen, indem Sie schlicht und einfach die Einspar-umme umlegen und behaupten, es käme in einigen Be-eichen zu Beitragserhöhungen von bis zu 40 Prozent.enau das wollen wir vermeiden.
Ich wollte Ihnen aber nicht mit dem Haushaltsentwurfine schnell gestrickte Lösung vorlegen, weil eine Viel-ahl von Gesprächen, auch mit den Krankenkassenträ-ern, erst nach Einbringung des Haushalts geführt wer-en können.Es geht in diesem Haushalt zudem um den Abbauon Steuervergünstigungen. Das bezieht sich zum ei-en auf die Begrenzung der Umsatzsteuerpauschalierunguf nicht buchführende Betriebe und die Senkung des
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4965
)
)
Bundesministerin Renate KünastDurchschnittssatzes der Pauschalierung von 9 auf7 Prozent. Zum anderen bezieht es sich auf die Verringe-rung der Steuervergünstigung beim Agrardiesel um ins-gesamt 157 Millionen Euro. Dazu führen wir eine be-triebliche Obergrenze ein. Auch das war keine einfacheEntscheidung. Aber die Obergrenze von 10 000 Liternpro Betrieb bedeutet, dass kleinere Betriebe an dieserStelle nicht belastet werden.Wenn man Gelder einsparen muss, kommt man nichtumhin, sich zu überlegen, wie man eine ausgewogeneBelastung oder Entlastung schaffen kann und wer anwelcher Stelle eher einen Ausgleich benötigt als andere.
Meine Damen und Herren, das ist nur die eine Seite,der schwierige Teil der Finanzpolitik. Viel schöner istder andere Teil, nämlich das Tätigen von Zukunftsin-vestitionen. Wir haben in diesem Zusammenhang in die-sem Jahr einiges erreicht.
Die Ergebnisse von Luxemburg sind von der Landwirt-schaft durchaus positiv aufgenommen worden.
Ich will Ihnen auch sagen, warum.Sie haben selbst gesehen, dass der Bauerntag in die-sem Jahr in Freiburg in weiten Teilen anders abgelaufenist als das, was man normalerweise gewohnt ist. Es warein nachdenklicher Bauerntag, der sich auch mit derFrage beschäftigt hat: Wie kann man die finanziellenPlanungen und Festlegungen bis 2013 und die Luxem-burger Beschlüsse mit der Entkoppelung und der obliga-torischen Modulation umsetzen?Wir haben einen finanziellen Rahmen geschaffen. Mitder Stärkung der zweiten Säule haben wir im Übrigenauch Perspektiven für die ländliche Entwicklung ge-schaffen. Das ist in Ost und West gleichermaßen wich-tig. Es gibt dort eine inhaltliche Neuausrichtung, zumBeispiel ein Mehr an Möglichkeiten, Qualitätspro-gramme zu unterstützen. Es geht um Dinge, die dieLandwirte heute schon tun. Aber für diese Bemühungen,dass sie in einem hohen Qualitätssegment produzierenund damit auch bei der internationalen Konkurrenz ihrenTeil auf dem Markt finden, kann man sie in Zukunftauch finanziell ausstatten.Wir haben auch die Möglichkeit – darüber wird mitden Bundesländern aktiv geredet –, die Betriebsprämie,die einige Nachteile hat, in Flächenprämien umzuwan-deln. Ich bin recht sicher, dass wir noch vor Weihnachtenmit den Bundesländern gemeinsam ein System vereinba-ren, damit die Landwirte klar sehen, wo es langgeht. Esgeht also darum, keine lange Debatte im Bundesrat zuführen, sondern schon vorher eine Einigung zwischenBund und Ländern darüber herzustellen, wie wir aus die-sdwVgk–swm––sekudaWBrmdsvgAadgdbdlnfsBcwiBM8t
Jetzt rufen Sie dazwischen: „Nicht wollen müssten,ondern was notwendig ist!“. Dann frage ich mich aber,arum mich Ihre Fraktion noch vor zwei Jahren so vehe-ent bekämpft hat.
Genau, wunderbar. Ich weiß es. Deshalb wird Bayernwie andere Länder auch – sicherlich eine große Unter-tützung dabei leisten, die Grünlandprämie bundesweitinzuführen.Wir haben in diesem Haushalt Prioritäten für Zu-unftsinvestitionen geschaffen; denn wir überlegenns: Wie kann man Qualität verstärken? Wie kann manie gemeinsame Verarbeitung und Vermarktung, auchuf dem Erzeugergenossenschaftssektor, unterstützen?ie kann man zusätzliche Standbeine aufbauen?Das heißt erstens: Es ist nicht nur im Haushalt desMVEL, sondern auch im Haushalt des Bundesministe-iums für Umweltschutz eine breite Palette an Förder-aßnahmen für die erneuerbaren Energien enthalten,ie, wenn man diese zusammen sieht, auch im Biomas-ebereich viele Möglichkeiten und Chancen bietet, dieiele Landwirte längst nutzen. Des Weiteren haben wirünstige Fördermöglichkeiten für Biogasanlagen imgrarinvestitionsförderprogramm der Gemeinschafts-ufgabe. Das ist ein Standbein, das man nutzen kann undas zukünftig gute Chancen hat.Zweitens: der ökologische Landbau. Dieses Pro-ramm wird in Zukunft mit einigen Veränderungen inen Bereichen fortgeführt, in denen besonderer Förder-edarf besteht.Drittens: der Verbraucherschutz. Kernstück bleibter vorsorgende Verbraucherschutz. Das heißt, wir wol-en die Risikobewertung und das effektive Risikoma-agement, mit dem wir, glaube ich, gut gefahren sind,ortführen. Ich hoffe auch in diesem Jahr auf Ihre Unter-tützung beim Ausbau der beiden Einrichtungen, demundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsi-herheit und dem Bundesinstitut für Risikobewertung,eil wir da noch Personal- und Sachmittel brauchen.Der Verbraucherpolitik messen wir – ich glaube, dasst einhellige Auffassung in diesem Haus – eine großeedeutung zu. Deshalb bleiben in diesem Haushalt dieittel für die Verbraucherzentrale Bundesverband bei,8 Millionen Euro, der Zuschuss an die Stiftung Waren-est bei 6,5 Millionen Euro. Ich glaube, in diesen Tagen
Metadaten/Kopzeile:
4966 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Bundesministerin Renate Künastkann man sagen, dass ein Gleichbleiben der Beträge fastschon eine Steigerung ist.Der vierte Punkt, der mir in diesem Haushalt – auchinhaltlich – wichtig ist, ist das Thema „gesunde Ernäh-rung“. Auch das ist eine Investition in die Zukunft.
Wir alle wissen, dass das Thema „massives Überge-wicht“ nicht mehr allein ein Problem der USA ist, woherwir es aus Film, Fernsehen oder eigener Anschauungkennen, sondern wir haben das Problem hier auch. DieZahl der chronischen Erkrankungen bei Jugendlichennimmt zu: Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes Typ 2.Das alles sind Dinge, die wir bitte schön nicht später imRahmen der Krankenkassendebatte hinsichtlich der Kos-ten für eine langjährige Chronikbehandlung diskutierenwollen. Deshalb fördern wir mit unseren Mitteln zurVerbraucheraufklärung in Höhe von 12,5 Millionen Euroim nächsten Jahr speziell Maßnahmen der Ernährungs-aufklärung bei den Verbraucherzentralen. Voraussetzungdafür ist eine Kofinanzierung durch die Bundesländer.Ich sehe mit Sorge, dass diverse Bundesländer glauben,dies sei eine gute Sparmöglichkeit.Ich glaube, dass Verbraucheraufklärung und das Vermit-teln von Informationen über Ernährung bis hin zu Ver-tragsgestaltungen im Alltag ganz wichtige Punkte sind.Wir alle wissen, dass es immer mehr Insolvenzen vonPrivatpersonen gibt. An der Stelle sollten wir diese Pri-vatpersonen unterstützen und aufklären.
Angesichts der Vorgaben, die wir beachten müssen,und angesichts der Finanzprobleme, die wir haben,glaube ich, dass wir einen ganz guten und auf die Zu-kunft ausgerichteten Haushalt vorgelegt haben.
Das Wort hat die Kollegin Ilse Aigner von der CDU/
CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Ich möchte zunächst ein paar grund-sätzliche Anmerkungen zum Haushalt machen. Wieheute in der Finanzdebatte schon angesprochen, beratenwir einen Haushalt, der auf ziemlich tönernen Füßensteht, um nicht zu sagen: Er ist auf Sand gebaut.
– Er ist wirklich auf Sand gebaut. Herr Schöler, Sieselbst müssten es am besten wissen. – Obwohl der Haus-halt auf Sand gebaut ist und sozusagen das Erdgeschossschon einsturzgefährdet ist, beraten wir über die Innen-edgktwagbag7bIdaKsgrPgrZncwdt–w–cBpßvntheuvBu
Frau Ministerin, Sie haben den Einzelplan 10, der dierößte Kürzung aller Einzelpläne in Höhe von,4 Prozent aufweist, zu verantworten. Diese Kürzungetrifft nicht, wie man vielleicht meinen könnte, eineshrer Prestigeobjekte. Nein, es geht bei den Landwirtenirekt an die Substanz, nämlich – Sie haben es selbstngesprochen – im Bereich der landwirtschaftlichenrankenversicherung.Sie haben die Situation – um es etwas freundlich zuagen – schöngeredet. Sie haben auch die Zahlen schön-erechnet. Sie rechnen nämlich mit Beitragssatzsteige-ungen von durchschnittlich 32 Prozent. In Rheinland-falz kann die Steigerung aber sogar 48 Prozent betra-en, wie es in Ihrer Unterlage steht. Die Sozialversiche-ungsträger haben uns glaubhaft versichert, dass Sie Ihreahlen schöngerechnet haben; denn Sie kalkulierenicht ein, dass diejenigen, die momentan freiwillig versi-hert sind, sehr schnell diese Versicherung verlassenerden. Die Belastung aufgrund der Erhöhung wirdann also auf weniger aktive Landwirte verteilt. Bei-ragssatzsteigerungen von durchschnittlich 45 Prozentin der Spitze können es 68 Prozent sein – sind zu er-arten.
Das ist in der Tat leider wahr.
Auf der anderen Seite sollen die Beiträge zur gesetzli-hen Krankenversicherung gesenkt werden. Bei denäuerinnen und Bauern steigen sie aber durch die ge-lante Kürzung der Zuschüsse auf bis zu 22 Prozent. Au-erdem haben die Landwirte noch die Zuzahlungen zuerkraften. Mir soll mal einer erklären, wie das funktio-ieren soll. Es ist unglaublich. So machen Sie das Sys-em kaputt. Wenn das Ihre Absicht ist, dann sagen Sie eseute offen, damit man sich darauf einstellen kann.
Ihr Handeln ist auch deshalb so unverständlich, weils sich um einen der wenigen Bereiche handelt, der EU-nd WTO-verträglich ist. Die Zuschüsse zur Kranken-ersicherung sind Bestandteil der so genannten Greenox, eine der wenigen Maßnahmen, die den Bäuerinnennd Bauern direkt helfen, die Benachteiligungen, die es
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4967
)
)
Ilse Aigneraufgrund der hohen Standards in der BundesrepublikDeutschland gibt, auszugleichen. Sie begründen die Kür-zung damit – Herr Staatssekretär Diller hat dies in einemSchreiben ausgeführt –, dass die Zuschüsse eine Subven-tion seien.
Herr Staatssekretär, in Ihrem eigenen Subventionsbe-richt ist die landwirtschaftliche Krankenversicherungnicht explizit aufgeführt. Ich kann es Ihnen zeigen.
– Ja, da schauen wir mal auf der nächsten Sitzung nach.Interessant ist auch, dass in diesem Bericht andereVersicherungsträger, wie zum Beispiel die Knappschaft,nicht aufgeführt werden.
Darüber steht nichts im Subventionsbericht. Es geht ei-gentlich immer nur um die landwirtschaftliche Kranken-versicherung. Sie haben in diesem Bereich der Sozial-versicherung in den letzten Jahren, in denen Sie dieVerantwortung tragen, Kürzungen in Höhe von755 Millionen Euro vorgenommen. Angesichts dieserKürzung für einen einzigen Berufsstand drängt sich ei-nem schon der Verdacht auf, dass es ein Rachefeldzuggegenüber einem Berufsstand ist, der Ihre Partei offen-sichtlich nicht wählt.
Sie setzen sehr auf die bäuerliche Landwirtschaft, derauch ich sehr nahe stehe. Mich stört, dass Sie mit diesenMaßnahmen insbesondere die bäuerliche Landwirt-schaft, die sehr personalintensiv ist, treffen. Durch IhreMaßnahmen werden hauptsächlich mitarbeitende Fami-lienmitglieder getroffen.Ich nenne ein anderes Beispiel. In den Erläuterungenzum Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes steht – ichzitiere –:Entscheidende wirtschaftliche Wachstumsimpulsewerden mit dem Vorziehen der dritten Stufe derEinkommensteuerreform von 2005 auf 2004 ver-bunden sein … Die Finanzierung der entstehendenZinsbelastung wird durch eine Änderung des Um-satzsteuergesetzes sichergestellt. Hier soll dieDurchschnittssatzbesteuerung für buchführendeLandwirte wegfallen. Gleichzeitig wird die Vor-steuerpauschale von 9 auf 7 Prozent bei Land- undForstwirten abgesenkt.Es kommen noch mehrere Tatbestände hinzu. Es ist aberbezeichnend, dass die ersten zwei Tatbestände allein dieLandwirtschaft treffen.Diese Maßnahme trifft wiederum in erster Linie diekleinen und mittleren Betriebe. Die Pauschalierung wareine Verwaltungsvereinfachung, die für beide Seiten, so-wsrSSwiSsRlaAsdsftrßbss–fSringrEaKgcvdghEcdin„bla2rdnwwu
s werden über 70 Milliarden Euro in die Rentenversi-herungssysteme transferiert. Ich frage mich, warum beier Landwirtschaft andere Maßstäbe angelegt werden.Ein weiteres Lieblingskind von Ihnen – ich sage das Anführungsstrichen – ist die GemeinschaftsaufgabeAgrarstruktur und Küstenschutz“. Auch hierbei ha-en Sie erneut Kürzungen vorgenommen. Insgesamt be-ufen sich die Kürzungen während Ihrer Amtszeit auf30 Millionen Euro. Dadurch entgehen uns Kofinanzie-ungsmittel vonseiten der Länder. Wir wissen natürlich,ass nicht alle Länder die vollen Summen abrufen kön-en; auf alle Fälle gehen aber Mittel verloren. Auch Sieissen, dass Mittel, die vonseiten der EU bereitgestellterden, ebenfalls verloren gehen. Baden-Württembergnd Bayern haben für ihre Umweltprogramme die
Metadaten/Kopzeile:
4968 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Ilse Aignerbereitstehenden Mittel der EU abgerufen, die ansonstenebenfalls verloren gegangen wären.
Ihre Streichungen beziehen sich auf die Titel, die di-rekt an die betroffenen Bäuerinnen und Bauern gehen.Ihre Prestigeobjekte halten Sie hingegen aufrecht. DasProgramm „Zuschüsse zur Förderung des ökologi-schen Landbaus“, das Sie selbst angesprochen haben,möchte ich herausstellen: Sie haben den Eindruck er-weckt, es handele sich um eine Hilfe zur Umstellung.Wenn ich mir in der Auflistung die einzelnen Titel an-sehe, stelle ich fest, wofür die 20 Millionen vorgesehensind, nämlich für reine Informationskampagnen: Infor-mationsveranstaltungen, Ökolandbau auf Messen, Öko-verarbeitung auf Messen, Inno- und Informationspreis,Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Informationskampa-gne und so weiter und so fort. Ich könnte Ihnen das allesvorlesen.
Im Grunde sind die 20 Millionen Euro rein für Öffent-lichkeitsveranstaltungen vorgesehen. Im Öffentlichkeits-titel sind aber lediglich 1,35 Millionen Euro vorgesehen.Das ist eine Irreführung der Bevölkerung. Sie legen einriesiges Programm auf, das nichts anderes als Öffent-lichkeitsarbeit ist.
– Unerhört!Sehr geehrte Frau Ministerin, abschließend sei mir einHinweis gestattet. Sie waren in der vergangenen Wochein meinem Wahlkreis, im Landkreis Miesbach. Die ört-lichen Grünen haben sich gerühmt, dass der Ökoanteilan der bäuerlichen Landwirtschaft dort bei über 20 Pro-zent liegt. Das stimmt. Das ist aber mit Sicherheit nichtder Erfolg Ihres Ökolandbauprogramms und nicht derErfolg der örtlichen Grünen. Das ist gute Strukturpolitikbei uns in Bayern gewesen. Das muss ich Ihnen ehrlichgesagt einmal ins Stammbuch schreiben.
Nicht zuletzt haben Sie den Ökolandbauern mit IhremÖkosiegel mit Sicherheit keinen Gefallen getan. LetztesWochenende haben nicht wenige Landwirte ihre Milchverschenkt oder verschüttet, weil sie von der Molkereikeine Preise mehr bekommen, die kostendeckend sind.Durch die Einführung Ihres Ökosiegels haben Sie einenPreisverfall auf dem Ökomarkt herbeigeführt, der sozu-sagen sagenumwoben ist.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Aigner.
T
a
a
s
w
r
w
d
D
d
h
S
t
I
s
g
–
is
v
Ü
S
a
s
–
S
ti
n
G
m
w
s
V
h
a
P
Genau dazu komme ich jetzt.Dies soll Deutschland dann vor dem Ruin retten. Dast im Übrigen neben der Abschaffung des Flächentarif-ertrages der einzige konkrete Vorschlag der CDU zurberwindung der Wachstumsschwäche der Wirtschaft.onst hören wir vonseiten der Opposition nichts anderesls einen vielstimmigen Chor völlig gegensätzlicher Vor-chläge. Diese Vorschläge haben nur eines gemeinsamdie Debatte heute hat das eindeutig nachgewiesen –:
ie zeigen die völlige Handlungsunfähigkeit der Opposi-on, wenn die Zeiten schwieriger werden, wenn esichts mehr zu verteilen gibt.
äbe es eine Technische Anleitung „Heiße Luft“,üsste die CDU/CSU-Fraktion insgesamt stillgelegterden.
Die Konjunkturschwäche in Deutschland dauert an,elbst wenn erste Anzeichen für eine Belebung derolkswirtschaft wahrzunehmen sind. Verbunden mit derohen Arbeitslosigkeit gibt es erhebliche Einnahme-ber auch Ausgabeprobleme. Deshalb dürfen wir dasflänzchen Konjunktur nicht kaputtsparen, müssen aber
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4969
)
)
Manfred Helmut Zöllmergleichzeitig die notwendigen Konsolidierungsmaßnah-men durchführen. Es wird mit uns keinen Marsch in denVerschuldungsstaat geben, wie das die CDU/CSU-ge-führte Bundesregierung 16 Jahre praktiziert hat.
Vor uns liegt ein Haushaltsentwurf, der sich diesenHerausforderungen stellt und nicht den Eindruck er-weckt, alles könne so bleiben wie bisher. Zur Konsoli-dierung müssen alle Bereiche beitragen. Keiner kannhiervon ausgenommen werden. Mit diesem Haushaltbringen wir Strukturreformen auf den Weg und betreibenWachstumskonsolidierung.
– Ja, das wäre doch gar nicht so schlecht. Das wäre docheinmal was. Ich meinte jedoch Haushaltskonsolidierung.
Der Bundeshaushalt 2004 sieht dabei auch für denEinzelplan des Bundesministeriums für Verbraucher-schutz, Ernährung und Landwirtschaft erhebliche Kür-zungen vor. Diese schmerzlichen Einschnitte sind ge-nauso notwendig wie angesichts der skizziertenRahmenbedingungen unvermeidbar. Neben diesen Ein-sparungen muss dieser Bereich auch seinen Beitrag zurFinanzierung des Vorziehens der dritten Stufe der Steu-erreform leisten.Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger in diesemLand – dazu gehören natürlich auch die Landwirte –deutlich entlasten und damit das zarte Pflänzchen Kon-junktur düngen.
– Wir sind ja im Landwirtschaftsbereich. – Dies bedeutetaber auch, dass eingefahrene Wege verlassen werdenmüssen. Subventionen, deren Kürzung von der Opposi-tion gebetsmühlenartig gefordert werden, müssen danneben auch gekürzt werden. Hier muss sich die Opposi-tion einmal eindeutig erklären. Denn oft genug machenwir die Erfahrung: Wenn es konkret wird, sind immerandere Subventionsbereiche gemeint. Das haben wir beiganz vielen Bereichen deutlich gesehen und jetzt ebenauch. Welche Subventionen nach Ihrer Meinung gekürztwerden sollen, das sagen Sie uns nicht.
– Ich spreche zum Thema. Das ist das Thema, bei demdie CDU/CSU in eine Denkstarre verfallen ist und kei-nerlei konkrete Vorschläge machen kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie-rung verfolgt – das wird mit diesem Haushalt deutlich –weiterhin konsequent das Ziel einer Neuausrichtungder nationalen Agrarpolitik hin zu einer wettbewerbsfä-htDpstLpedwNwmbmAmüdinefAkCssnIlivAhLDd2insm
ngesichts der EU-Osterweiterung, angesichts der im-er kritischer werdenden Diskussion in Deutschlandber Subventionen, angesichts unserer Interessen beien WTO-Verhandlungen war ein Paradigmenwechsel der Landwirtschaft notwendig. Er ist in Luxemburgrreicht worden. Frau Bundesministerin Künast hat dortür Deutschland klug und erfolgreich agiert.
uf der Basis dieser Beschlüsse werden wir die Zu-unftsfähigkeit der Landwirtschaft sichern. Es gilt, diehancen zu nutzen und sie zum Wohle der Landwirt-chaft umzusetzen.Was macht die Opposition? Sie von der CDU/CSUpielen Ihr traditionelles Doppelspiel und hoffen, dass esiemandem auffällt.
hr Wirtschaftsflügel setzt sich für umfassende Handels-beralisierungen und den Abbau bestehender Agrarsub-entionen ein. Der Agrarflügel der CDU/CSU versucht,ttac beim Blockieren von Veränderungen noch zu über-olen. Das ist die Situation.
iebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition:iese Art der Arbeitsteilung werden wir Ihnen nichturchgehen lassen.
Die Vorschläge der Bundesregierung für den Haushalt004 liegen auf dem Tisch. Wir werden diese Vorschläge den weiteren Beratungen sorgfältig prüfen. Wir wis-en, dass das Einsparvolumen erreicht werden muss. Esacht doch wenig Sinn, den Agrardiesel dauerhaft zu
Metadaten/Kopzeile:
4970 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Manfred Helmut Zöllmersubventionieren, wenn die Landwirtschaft mit dem Bio-diesel über eine eigene Energiequelle verfügt.
Eine solche Dauersubvention ist gesellschaftlich nicht zuvermitteln. Wir wollen im Rahmen der parlamentari-schen Beratungen auch die Chance für strukturelle Re-formen nutzen. Unzumutbare Belastungen wird es mituns nicht geben. Ihre Kritik werden wir erst dann ernstnehmen können, wenn Sie wirklich alternative Einspar-vorschläge vorlegen. Das haben Sie bisher nicht ge-macht.Verehrte Kolleginnen und Kollegen, immer wiedergewinnt man den Eindruck, viele betrachten den Ver-braucherschutz als eine Dreingabe, als eine Art Sahne-häubchen für einige wenige. Viele meinen, der Verbrau-cherschutz störe nur eine erfolgreiche Wirtschaft. Diesist ein grundlegender Irrtum. Verbraucherschutz ziehtsich durch nahezu alle Lebensbereiche unserer Bürgerin-nen und Bürger und durch die unterschiedlichsten Poli-tikfelder und ist eine wichtige Aufgabe. Dabei wollenwir vom reinen Verbraucherschutz zu einer aktiven undgestaltenden Verbraucherpolitik kommen. Verbrauche-rinnen und Verbraucher müssen in allen Bereichen gutinformiert sein. Es muss ihnen die Möglichkeit gegebenwerden, sich für qualitativ hochwertige und nachhaltigeProdukte und Dienstleistungen zu entscheiden. Dies giltnicht zuletzt im Hinblick auf das Zusammenwachsen derEuropäischen Union und durch die Globalisierung.Transparenz und Information sind die schärfsten Waf-fen wirksamer Verbraucherpolitik. Deshalb fließen wei-terhin die notwendigen Mittel an die wichtigen Verbrau-cherinstitutionen wie die Stiftung Warentest und dieVerbraucherzentralen, die in diesem Sinne tätig sind.Hier finden keinerlei Kürzungen statt. Auch für weiter-gehende Maßnahmen zur Aufklärung der Verbraucherin-nen und Verbraucher stellen wir erhebliche Mittel zurVerfügung. Dies wird auch in Zukunft so bleiben. Diesmacht deutlich: Diese Bundesregierung macht Ernst mitdem Verbraucherschutz.Das haben wir auch in vielen anderen Bereichen deut-lich gemacht, etwa bei der Änderung des Telekommuni-kationsgesetzes. Dort wurde dem Missbrauch der 0190-Nummern ein Riegel vorgeschoben.
Aber auch in vielen anderen Bereichen, etwa im Bereichder Finanzdienstleistungen, wird der Verbraucherschutzeine entscheidende Rolle spielen. In einem Zehnpunk-teprogramm der Bundesregierung zur Stärkung vonUnternehmensintegrität und zum Anlegerschutz geht esgerade auch um die Verbraucherthemen Haftung, Vergü-tung, Transparenz, Qualität und Unabhängigkeit.Wir nehmen die Verbraucherinnen und Verbraucherernst. Uns geht es darum, dass Verbraucherinnen undVerbraucher als gut informierte Partner auf AugenhöhedgSgrwbcnisnwKHdswnrswfseKsskSnie–MesgMsDW
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Christel Happach-
asan, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!err Zöllmer, ich habe den Eindruck, Ihnen hat ein an-erer Einzelplan vorgelegen als mir. Ich finde viele Bei-piele, die Sie genannt haben, in meinem Exemplar nichtieder.Frau Ministerin, es kann bei diesem Haushalt nichtur um eine Konsolidierung der Finanzen gehen. Daseicht nicht aus. Wir brauchen eine Stärkung der Wirt-chaftskraft. Wir brauchen ein stärkeres Wirtschafts-achstum, um die Arbeitslosigkeit abzubauen. Dafürinde ich keine Signale im Einzelplan 10.An der Haushaltspolitik der Regierung lässt sich able-en, wohin die Reise gehen soll. Der Einzelplan 10 weistin Minus von 7,4 Prozent auf. Das ist kritisiert worden.onkret heißt das: Landwirtschaft und Ernährungswirt-chaft sowie die rot-grüne Wortschöpfung „Verbraucher-chutz“ sind für diese Bundesregierung – egal was sie er-lärt – Marginalien von nur noch untergeordnetem Wert.Sie, Frau Ministerin, spüren das. Weshalb sonst habenie zum Beispiel das Übergewicht von Kindern zu ei-em Thema gemacht? Ich stimme Ihnen durchaus zu: Esst ein ganz wichtiges Thema. Aber es ist durchaus nichtin klassisches Thema der Landwirtschaft.
Es ist nicht populär, sondern wichtig. Ich möchte dieinisterin in diesem Punkt durchaus unterstützen. Abers ist natürlich kein immanentes Thema der Landwirt-chaft.In Deutschland hat die Landwirtschaft eine sehr vielrößere Bedeutung, als dieser Haushalt widerspiegelt.aßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebechwächen, werden sehr viel mehr Menschen ineutschland zu spüren bekommen als nur die Landwirte.er die Landwirtschaft zerstört, nimmt dem ländlichen
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4971
)
)
Dr. Christel Happach-KasanRaum seine Lebenskraft, nimmt Menschen in ländlichenRegionen ihre Heimat, zerstört eine in Jahrhunderten ge-wachsene Kulturlandschaft. Die Heckenstruktur inSchleswig-Holstein gründet sich auf die Mitte des18. Jahrhunderts.Die Hälfte der Menschen in Deutschland lebt in länd-lichen und halbstädtischen Regionen. Jeder Bildbandvon Deutschland zeigt ganz selbstverständlich Kultur-landschaften als Beispiele für die Schönheit unseresLandes: Rapsfelder am Nord-Ostsee-Kanal, Weinbergean der Mosel, die Kirschblüte im Alten Land, Almwie-sen am Alpenrand. Die Liste ließe sich verlängern.Selbst die Bundeshauptstadt Berlin brüstet sich mit ihrenacht landwirtschaftlichen Betrieben.Doch von der Schönheit des Landes können Land-wirte nicht leben. In dem Agrarbericht der Bundesregie-rung wird ausgewiesen, dass das Einkommen je Arbeits-kraft in den landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebenzurzeit 17 Prozent unter dem gewerblichen Vergleichs-lohn liegt. Das heißt, Landwirte sind nicht auf Rosen ge-bettet. Im Schnitt arbeiten sie mehr als andere und ver-dienen weniger. Landwirte sind damit nicht dieklassischen Subventionsempfänger, als die Sie sie hierdargestellt haben, Herr Zöllmer.
Die Stimmung in der Landwirtschaft ist vielerorts vonResignation gekennzeichnet.Jede Skandalmeldung, egal wie berechtigt sie ist,wird pauschal allen Betrieben angelastet, auch wenn sienichts damit zu tun haben. Das erzeugt ein Gefühl derOhnmacht. Die BSE-Krise hat 2 Milliarden Euro gekos-tet. Sie steckt den Landwirten noch immer in den Kno-chen. Sie hatte ihren Ausgangspunkt in Großbritannien.Die Ausbreitung der Krankheit wurde durch ein eklatan-tes Versagen der EU-Veterinäre verursacht.
Herr Zöllmer, Sie haben hier eine falsche Darstellungder Dinge abgegeben.Die rot-grüne Agrarpolitik hat einen entscheidendenAnteil an der schlechten Stimmung in der Landwirt-schaft. Darauf geben Sie mit diesem Haushalt keine an-gemessene Antwort. Es sind verschiedene Kürzungenvorgesehen, die so nicht stehen bleiben dürfen.Zunächst nenne ich die Kürzung des Zuschusses zurlandwirtschaftlichen Krankenkasse. Der landwirt-schaftliche Strukturwandel ist seit der Gründung derKrankenkasse im Jahre 1972 die Begründung für denZuschuss. Der Strukturwandel hat sich beschleunigt. DieKürzung des Zuschusses bedeutet eine Erhöhung desBeitragssatzes um im Schnitt 40 Prozent. Diese Maß-nahme ist unsozial, sie belastet die Betriebe, die um ihreExistenz kämpfen.Daneben nenne ich die Kürzungen bei der Gemein-schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstrukturund des Küstenschutzes“. Ich finde es zynisch, dass dieRegierung darauf hofft, dass die Länder zu wenige Fi-nezrsblarkLnnRnWdVnAHdrcsiznLEKvddHgwnhisZkpn
Ein Kürzungsvorschlag genügt diesem Kriterium,err Kollege Zöllmer: Die Rückführung der Mittel inen Bundesprogrammen „Tiergerechte Haltungsverfah-en“ und „Ökolandbau“ ist richtig. Der äußerst zögerli-he Mittelabfluss zeigt, dass Rot-Grün mit seinen Vor-tellungen von der so genannten Agrarwende gescheitertst. Weder für gute Worte noch für Geld sind die Betriebeu diesen Maßnahmen bereit; denn sie rechnen sichicht.
Schon jetzt sind die Beihilfen des Staates an dieandwirtschaft in Deutschland niedriger als in anderenU-Mitgliedstaaten. Nach Angaben der Europäischenommission gewährt Deutschland Beihilfen in Höheon 0,08 Prozent des Sozialproduktes, die Niederlandeagegen 0,26 Prozent. Die Botschaft dieses Haushalts anie Landwirte heißt doch: Zieht euch warm an. – Dieaushaltspolitik für 2004 entspricht damit der bisheri-en Leitlinie rot-grüner Politik: Schwächung der Land-irte, wo immer es geht.
Herr Kollege Ostendorff, die Grünen schielen dabeiach dem Beifall der Umweltverbände, die alle wieder-olt sagen, dass eine Maßnahme nur dann in Ordnungt, wenn die Landwirtschaft jammert. Herr Kollegeöllmer, die Landwirte zahlen den Preis für die Unfähig-eit der SPD, mit dem grünen Partner tragfähige Kom-romisse auszuhandeln.Ich komme nun zu einigen eklatanten Beispielen fürationale Alleingänge und ein Politikversagen der SPD:
Metadaten/Kopzeile:
4972 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Dr. Christel Happach-KasanZunächst nenne ich die Hennenhaltungsverordnung.Der Tierschutzbeauftragte der SPD machte auf die ver-heerenden Folgen dieser Verordnung aufmerksam.
Die Schweinehaltungsverordnung ist ein weiteresBeispiel für die gleiche Problematik. Daneben nenne ichdas Tierarzneimittelgesetz. Die gemeinsame Initiativeder vier Fraktionen, das Gesetz in sieben Punkten zu än-dern und es praxistauglich zu machen, ging ins Leere;die SPD setzte sich nicht durch. Schließlich sind die No-velle des Baugesetzbuches und die Modulation zu nen-nen. Es gibt weitere Beispiele.Herr Zöllmer, Sie kritisieren bei der CDU/CSU, dasssie einmal Hü und einmal Hott sagt und nach zwei Sei-ten argumentiert. Das machen Sie doch ganz genauso.
Sie sind die Opposition in der Regierung. Die SPD folgtdamit dem Beispiel der Grünen, die zum Beispiel inSchleswig-Holstein den Ausbau der Infrastruktur im Ko-alitionsvertrag unterschreiben, gleichzeitig dagegen abereinen Protest organisieren. Den Grünen bringt das Wäh-lerstimmen, der SPD ein Umfragetief. Liebe Kollegin-nen und Kollegen, darüber sollten Sie einmal ein wenignachdenken.
Im Agrarbericht von Schleswig-Holstein führt der zu-ständige grüne Minister aus, dass 20 Prozent der Arbeits-plätze im nördlichsten Bundesland direkt oder indirektvon der Landwirtschaft abhängen. Das dürfte in anderenBundesländern ähnlich sein. Das macht deutlich: DieAusgleichszahlungen der EU werden von den Landwir-ten nicht genutzt, um in der Toskana Urlaub zu machen,sondern sie werden investiert. Die Aufträge stärken diemittelständischen Betriebe im ländlichen Raum.Arbeitsplätze in der Landwirtschaft sind kapitalinten-siv. Im Vorfeld von Basel II bekommen Landwirte dieZurückhaltung der Banken bei der Vergabe von Kreditenzu spüren. Die rot-grünen Wettbewerbsverzerrungen,insbesondere für Veredelungsbetriebe, führen dazu, dassjeder Landwirt einmal mehr überlegt, ob er angesichtsdes in Deutschland bestehenden Politikrisikos weitereInvestitionen wagt. Das ist kein Plan für den Abbau derArbeitslosigkeit. Dies führt vielmehr zur Verlagerungvon Arbeitsplätzen ins Ausland.Damit sind wir unmittelbar beim Thema Verbrau-cherschutz. Es ist Ziel der Landwirtschaft und muss esbleiben, gesundheitlich einwandfreie Produkte bei gerin-ger Belastung der Umwelt herzustellen, und Ziel der Er-nährungswirtschaft, sie zu hochwertigen Endproduktenzu verarbeiten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährungstellt der heimischen Obst- und Gemüseproduktion einglänzendes Zeugnis aus. Für Importware gilt das nichtim selben Umfang. Im „Focus“ der letzten Woche wurdeüber unerlaubt hohe Mengen an Pflanzenschutzmittelnbei Importware berichtet. Pflanzenschutzmittel, die beiuns verboten sind, gelangen über den Import von ObstaDrhSfav–kdngbstcdddjAdidibtifSrgalipuKdv
Auch der Ökolandbau – das wissen Sie selbst – ist dafüreine Alternative; denn für ihn werden Produktionsbe-ingungen vorgeschrieben, aber die Endprodukte werdenicht geprüft. Dies garantiert zum Beispiel das Gütesie-el in Schleswig-Holstein – ein wundervolles Beispiel.Über Kontrolle allein kann die Sicherheit von Le-ensmitteln nicht gewährleistet werden; denn Kontrollenind immer nur punktuell. Die rot-grüne Misstrauenskul-ur schafft nicht Sicherheit, sondern vermehrt die Unsi-herheit.Der Aktionismus in einigen Bereichen verschleiert,ass es durchaus Felder gibt, bei denen Handlungsbe-arf besteht, die ich zwar sehe, die aber nicht öffentlichiskutiert werden. Thema Verbraucherschutz: Es gibt inedem Jahr Todesfälle durch Salmonelleninfektionen.uch der vermehrte Medikamenteneinsatz bei der Bo-enhaltung von Geflügel ist ein wichtiges Thema.Thema Ökolandbau: Im Ökolandbau werden nochmmer historische Pflanzenschutzmittel wie Kupferhy-roxid angewandt, die den Boden schädigen. Auch dasst keine nachhaltige Produktion. Es fehlen Fortschritteei der Nachhaltigkeit der Lebensmittelproduktion. Be-riebsmitteleinsatz und Umweltbeeinträchtigung müssenn Bezug zur Erntemenge gesetzt werden. Eine Überprü-ung der Maßnahmen in der BSE-Bekämpfung auf ihreinnhaftigkeit ist dringend überfällig. Wir brauchen An-eize für eine Landwirtschaft, die sich von EU-Forderun-en unabhängig macht.Vor diesem Hintergrund braucht die Regierung nichtuf andere Aktionsfelder auszuweichen, die ohne wesent-che Probleme sind. Der Wald braucht bessere Holz-reise, aber keine Novellierung des Waldgesetzes mit demnvermeidlichen Mehr an bürokratischen Regelungen.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.
Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Ministerinünast hat mit ihrer unqualifizierten Aussage vom Endees Waldsterbens keine Basis für Vertrauen geschaffen.Aus meinen Ausführungen folgt: Die FDP lehnt denorgelegten Einzelplan 10 ab.Danke.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4973
)
)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Jella Teuchner von der
SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen undKollegen! Wenn Sie sich den Einzelplan 10 anschauen,dann werden Sie feststellen, dass wir bei der Verbrau-cherpolitik – das ist keine rot-grüne Wortschöpfung,Frau Kollegin Happach-Kasan – einen klaren Schwer-punkt gesetzt haben. Alle Ausgaben werden auf demsel-ben hohen Niveau fortgeschrieben. Davon ausgenom-men ist lediglich die Biosiegelkampagne, die wiegeplant ausläuft. Angesichts der Rahmenbedingungen istdieses Bekenntnis zum Verbraucherschutz ein klarer Er-folg.
Ziel unserer Politik ist es, den Verbraucherinnen undVerbrauchern eine eigenverantwortliche Konsument-scheidung zu ermöglichen. In vielen Bereichen ist diesrelativ problemlos möglich. Der technologische Fort-schritt sorgt aber genauso wie die wichtiger werdendeEigenverantwortung in der Daseinsvorsorge für kom-plexe Produkte, deren Qualität oft nicht wirklich einge-schätzt werden kann. Kaum jemand versteht einen Ver-trag über eine Lebensversicherung wirklich, obwohl dasfür die meisten Menschen der wichtigste Vertragsab-schluss überhaupt ist. Informationspflichten sind hiereine Maßnahme, die andere ist eine unabhängige Infor-mation. Das kostet Geld und das haben wir in diesenHaushalt eingestellt.
Letzte Woche veranstaltete die SPD-Bundestagsfrak-tion einen Kongress zur Verbraucherpolitik. Im Rahmendieses Kongresses hat der Präsident des Ifo-Instituts,Professor Dr. Hans-Werner Sinn, auf die Notwendigkeiteiner aktiven Verbraucherpolitik hingewiesen. Aufzahlreichen Märkten gibt es ein Informationsungleichge-wicht, das dazu führt, dass sich gute Qualitäten nicht aufden Märkten durchsetzen können. Die notwendigenPreise können derzeit nicht erzielt werden. Um gegenzu-steuern, bedarf es – so die Aussage von Hans-WernerSinn – unabhängiger Informationen.Er hat dabei explizit die Stiftung Warentest und Qua-litätslabels genannt. Bei uns hat er damit offene Türeneingerannt. Die Stiftung Warentest und der vzbv werdenauf dem Niveau von 2003 gefördert. Die Aufklärung derVerbraucher wird nach dem Auslaufen der Biosiegel-Kampagne auf dem Niveau von 2002 fortgesetzt. Dasheißt, dass wir die Finanzierung der Verbraucherarbeitverstetigt haben. Im Gegensatz zu den Ländern, die viel-fach die Mittel für die Verbraucherzentralen streichen,sind wir damit ein verlässlicher Partner der Verbrauche-rinnen und Verbraucher.
DsbndPabtBrmrzzdPbDzfwgfvngmudnwdwtBnTeucsLdPrdlFmFvc
Verbraucherpolitik kann damit ein Motor für die Er-eugung qualitativ hochwertiger Produkte sein. Wennie Verbraucherinnen und Verbraucher die Qualität vonrodukten nicht wirklich einschätzen können, dannleibt der Preis als alleiniges Entscheidungskriterium.as heißt, bessere Produkte werden sich nicht durchset-en, weil sie mehr kosten. Erst wenn die bessere Qualitätür die Verbraucherinnen und Verbraucher sichtbar wird,ird sie auch zu einem Entscheidungskriterium. Die Ener-ieverbrauchskennzeichnung bei Hausgeräten ist ein er-olgreiches Beispiel. Daraus müssen wir lernen, eineerständliche und auch eine vergleichbare Kennzeich-ung herzustellen. Das ist möglich.Hier sind vor allem die Unternehmen gefordert. Sieeben viel Geld für die Werbung aus, die kaum Infor-ationen über Produktqualitäten enthält. Solange wirns aber laut Werbung zwischen einem Auto entschei-en müssen, das steile Berge hinauffahren kann, und ei-em, das enge Kurven fahren kann, solange brauchenir diese notwendigen Informationen von anderen. Beien Autos übernehmen die Medien diese Information,ie zum Beispiel die Berichterstattung über die Interna-ionale Automobilausstellung zeigt. In vielen anderenereichen muss die Verbraucherpolitik diese Informatio-en bereitstellen.Finanzierung von Beratung und Vertretung ist nur eineil der Verbraucherpolitik. Eingebettet muss dies inine Politik sein, die die Interessen der Verbraucherinnennd Verbraucher ausreichend berücksichtigt. Wir brau-hen in vielen Bereichen Transparenz. In der Landwirt-chaft diskutieren wir ständig über Kennzeichnung undabels, in der Gesundheitspolitik haben wir gerade miter Gesundheitsreform Regelungen vorliegen, die denatienten besser über die Versorgung informieren. Da-über hinaus brauchen wir einen rechtlichen Rahmen,er es den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermög-icht, ihre Rechte durchzusetzen. Auch hier haben wirortschritte erzielt. Verwiesen sei auf die Schuldrechts-odernisierung oder auf die laufende Überprüfung derahrgastrechte. Auch in diesem Bereich sind wir einerlässlicher Partner der Verbraucherinnen und Verbrau-her.
Metadaten/Kopzeile:
4974 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Jella TeuchnerWir haben auf unserem verbraucherpolitischen Kon-gress von den Verbraucherverbänden viel Zuspruch fürunsere Politik bekommen. Es wurde aber vor allem einesdeutlich: Die Diskussion um die Verbraucherpolitik hatzwar an Bedeutung gewonnen, Verbraucherinteressensind aber weiterhin schwer organisierbar. Auch deshalbist die Förderung der Vertretung der Verbraucherinnenund Verbraucher wichtig. Wir brauchen ein starkes Ver-braucherministerium in Verbindung mit einem schlag-kräftigen vzbv, damit die Verbraucherinnen und Ver-braucher eine hörbare Stimme bekommen.Mit dem Haushalt 2004 führen wir fort, was wir inden letzten Jahren aufgebaut haben: eine verlässlicheFinanzierung der Verbraucherpolitik auf einem hohenNiveau. Gleichzeitig setzen wir verschiedene Initiativenum. Der Aktionsplan der Bundesregierung oder das Stra-tegiepapier der SPD-Bundestagsfraktion sind neue Im-pulse innerhalb der Verbraucherpolitik.
Die Verbraucherpolitik hat damit an Bedeutung gewon-nen. Dem tragen wir im Haushalt 2004, aber auch in un-serer täglichen Politik Rechnung.
Nächster Redner ist der Kollege Albert Deß, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieDebatte zum Haushalt bietet die Gelegenheit, zwei Jahrenach der so genannten Agrarwende Bilanz
zu ziehen und über die Haushaltsansätze zu diskutieren.Ilse Aigner hat die Haushaltsansätze angesprochen. Ichmöchte mich deshalb auf die Bilanz aus der agrarpoli-tischen Entwicklung in unserem Land konzentrieren.Laut Agrarbericht 2003, den wir vor der Sommer-pause diskutiert haben, hatten die deutschen Landwirteim vergangenen Wirtschaftsjahr ein Einkommensminusvon 7 Prozent. Für das heutige Wirtschaftsjahr ist einEinkommensrückgang von bis zu 20 Prozent angekün-digt worden.
Statt weitere Kürzungen, Belastungen und Einschnitteim Agrarhaushalt anzukündigen, müsste die Bundes-ministerin an das Rednerpult treten und einen agrarpoli-tischen Offenbarungseid leisten.
DD1dmgeindmwBlKdtLhhm5vcudgwDeGbElMldjKdDuengiAm
Bei der Einkommensminderung von 20 Prozent, diem Agrarbericht aufgeführt war, sind aber – dafür kön-en Sie allerdings nichts, Frau Ministerin – die Folgener Dürre, die sich auf die deutsche Landwirtschaft, zu-indest in den betroffenen Gebieten, massiv auswirkenird, noch nicht berücksichtigt.Das Verhalten der Bundesregierung – auch was dieehandlung der Landwirte in den Dürreregionen anbe-angt – können die Landwirte nur mit Verbitterung zurenntnis nehmen. Ich habe der Presse entnommen, dasser französische Landwirtschaftsminister durch die be-roffenen Regionen gereist und sich in Gesprächen mitandwirten und ihren Familien vor Ort ein Bild gemachtat, nach Paris zurückgekehrt ist und dann angekündigtat, dass die französischen Bauern in den Dürreregionenit einem nationalen Hilfsprogramm in Höhe von00 Millionen Euro rechnen können.Sie, Frau Ministerin, sollten einmal angeben, wieiele Dürreregionen Sie schon besucht haben. Sie besu-hen lieber Bioeisveranstaltungen mit Informationennd Spaß, wie es in der Einladung geheißen hat. Aberen Bauern in Deutschland ist längst der Spaß vergan-en, wenn sie den Namen Künast hören.
Auch den Verbrauchern wird der Spaß noch vergehen,enn ein immer größerer Teil der Agrarproduktion voneutschland ins Ausland verlagert wird. Dafür gibt esin konkretes Beispiel. An der bayerisch-tschechischenrenze ist auf tschechischer Seite eine große Hühnerfa-rik gebaut worden. Dort werden über 63 Millionenier produziert. Diese 63 Millionen Eier werden vor al-em auf dem bayerischen und dem übrigen deutschenarkt landen und werden unsere Hühnerhalter – vor al-em unsere bäuerlichen Hühnerhalter – in große Be-rängnis bringen.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wäreetzt notwendig, dass die Ministerin, statt dass sie überlimawandel schwadroniert, Programme auflegt, soass auch in Deutschland den Bauern in den betroffenenürreregionen geholfen werden kann. Ich finde, dass esnverantwortlich ist, in dieser schwierigen Zeit den Bau-rn in Deutschland weitere 400 Millionen Euro wegzu-ehmen. Frau Ministerin, was Sie hier tun, sind Tritteegen jemanden, der bereits am Boden liegt. Das findech nicht in Ordnung, gerade was die Kürzungen imgrarsozialbereich anbelangt.
Ilse Aigner hat die Zahlen schon angesprochen; ichöchte sie wiederholen. 218 Millionen Euro Kürzun-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4975
)
)
Albert Deßgen in der landwirtschaftlichen Krankenkasse bedeutenmassive Beitragssteigerungen. Die Landwirtschaft– deshalb ärgert mich das so – zahlt laut Rheinisch-Westfälischem Wirtschaftsinstitut netto bereits über einehalbe Milliarde Euro Ökosteuer, damit im übrigen So-zialbereich das Geld vorhanden ist. Der Landwirtschaftwird hier Geld weggenommen, ohne dass in den Agrar-sozialbereich etwas zurückfließt. Hier wird jetzt zusätz-lich Geld weggenommen.Der Kollege Rudi Kraus sitzt hier. Er war Staatssekre-tär bei Norbert Blüm und wir haben damals die Agrar-sozialreform beschlossen. Diese Agrarsozialreform1995 ist mit der damaligen Opposition, der SPD, abge-stimmt worden. Der Kollege Ottmar Schreiner war in al-len Verhandlungen dabei. Die SPD hat damals im Bun-destag und im Bundesrat zugestimmt. Kaum war dieSPD, war Rot-Grün in der Regierungsverantwortung,sind massive Kürzungen beim Altersgeld vorgenommenworden, was zum 1. Januar 1999 zu Beitragssteigerun-gen von bis zu 110 Prozent geführt hat. Jetzt werden dieKürzungen im Agrarsozialbereich in der Krankenkassevorgenommen. Nehmen Sie diese Kürzungsvorschlägezurück! Ich stelle hier schon ernsthaft die Frage an Rot-Grün, ob Sie Ihr soziales Gewissen an der Garderobe desDeutschen Bundestages abgegeben haben. Diese Kür-zungen können den Bauern nicht zugemutet werden.
Ich weiß, dass sich auch viele Kolleginnen und Kollegenin der SPD über das, was hier vorgeschlagen wird, är-gern. Wir werden dies so nicht hinnehmen.Wir haben jetzt wochenlang die Debatte mitverfolgt,dass im übrigen Krankenkassenbereich der Beitragssatzvon etwas über 14 auf 12,5 Prozent abgesenkt werdensoll. In der Landwirtschaft würde diese Kürzung dazuführen, dass der Beitrag von 14 auf 20 Prozent des Ein-kommens ansteigen würde. So kann man mit der Land-wirtschaft nicht umgehen! Wir werden dies entspre-chend anprangern und werden auch versuchen, dort, wouns Einflussmöglichkeiten gegeben sind, diese unsozialeKürzung zu verhindern.
Herr Kollege, ganz offenkundig sind Sie mit einer
Zwischenfrage einverstanden! – Bitte schön.
Auch wenn es schon spät ist, muss ich noch eine
Frage stellen. Herr Deß, heute Morgen haben die Kolle-
gen aus Ihrer Fraktion der Koalition vorgeworfen, der
Haushalt sei nicht ausreichend konsolidiert und da
müsste es noch viel mehr Anstrengungen geben.
Ich höre jetzt von Ihnen den Vergleich mit den Franzo-
sen, die 500 Millionen Euro für den Dürreausgleich be-
r
s
–
w
s
l
m
m
d
e
D
d
b
J
s
m
r
h
B
d
u
s
z
a
e
g
r
d
w
o
v
w
n
Ja, natürlich, ich musste aber sagen, was ich fragen
ill. – Insofern möchte ich Sie fragen, wie Sie die Kon-
olidierungsforderungen Ihrer haushaltspolitischen Kol-
egen mit Ihren ständigen eigenen Forderungen nach im-
er mehr Geld, in diesem Fall für den Agrarbereich,
iteinander vereinbaren wollen?
Frau Kollegin, wenn die ganzen Ökospielereien aus
em Haushalt herausgenommen werden, kommt schon
ine ganz beträchtliche Summe zusammen.
as, was von Frau Künast im Haushalt eingeplant ist,
ient auch nicht den Ökobauern. Im Gegenteil, die Öko-
auern sind heute schlechter gestellt, als dies vor zwei
ahren der Fall war. Dieses Geld ist auch in den Sand ge-
etzt; denn wir können aus der Presse überall entneh-
en, dass der Absatz von Ökoprodukten europaweit
ückläufig ist. Die größte schwedisch-dänische Molkerei
at beispielsweise erst vor kurzem alle Verträge mit den
iobauern in Schweden und Dänemark gekündigt, weil
er Absatz nicht mehr gegeben war. Ich finde es deshalb
nverantwortlich, dass bei uns so viel Geld herausge-
chmissen wird, ohne dass es den Ökobauern wirklich
ugute kommt.
Frau Kollegin Eichstädt-Bohlig, es ist mit Sicherheit
uch möglich, darüber nachzudenken, ob es tatsächlich
ine Gleichbehandlung von ähnlichen Sozialsystemen
ibt. Deshalb müsste ich an Sie eigentlich die Frage zu-
ückstellen: Ist im Haushalt eine Kürzung der Mittel für
ie Knappschaft in gleicher Größenordnung eingeplant,
ie es bei der Landwirtschaft der Fall ist?
Herr Kollege, glücklicherweise sieht die Geschäfts-
rdnung Rückfragen des Redners an das Plenum nicht
or.
Dafür eröffnet sich aber nun die Möglichkeit, eine
eitere Zusatzfrage – diesmal aus den Reihen der eige-
en Fraktion – zu beantworten.
Bitte, Herr Kollege Straubinger.
Metadaten/Kopzeile:
4976 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Herr Kollege Deß, sind auch Sie der Meinung, dass
alle Programme für Aufklärung und Ökolandwirtschaft,
die im Einzelplan 10 aufgeführt sind, nur Subventions-
programme für Werbeagenturen darstellen?
Ich kann Ihre Frage in aller Kürze mit Ja beantworten,
lieber Kollege Max Straubinger. Der Bundesrechnungs-
hof sollte einmal genau prüfen, wohin die für diese Pro-
gramme eingestellten Gelder fließen. Er hat ja Frau
Künast bereits wegen ihrer Personalpolitik kritisiert.
Vielleicht wird er auch hier Kritik an der Bundesministe-
rin üben.
Angesichts meiner kurzen Redezeit möchte ich noch
auf einen anderen Punkt hinweisen, nämlich auf das
Agrardieselgesetz. Frau Kollegin, ich bin damit einver-
standen, dass die deutschen Landwirte einen bestimmten
Steuersatz beim Agrardiesel zahlen müssen. Er ist übri-
gens der höchste in ganz Europa. Ich verlange zwar
nicht, ihn zu senken. Aber ich fordere Frau Künast auf,
sich dafür einzusetzen, dass Agrardiesel europaweit
gleich besteuert wird. Damit könnten wir leben.
Ich habe noch nie gehört, dass Frau Künast hier beson-
dere Aktivitäten in Brüssel entwickelt hat. Tatsache ist,
dass die deutschen Bauern beim Agrardiesel 135 Prozent
mehr zahlen als ihre französischen Kollegen. Das ist
knallharte Wettbewerbsverzerrung. Damit kann die deut-
sche Landwirtschaft nicht leben.
Des Weiteren schlage ich vor, dass die Bundesregie-
rung Verordnungen und Gesetze zurücknimmt, die sie
im nationalen Alleingang erlassen hat.
Den deutschen Bauern werden doch nur Knüppel zwi-
schen die Beine geschmissen. Ich kann kurz einige auf-
zählen: Die Bundesregierung sollte sofort das nationale
Modulationsgesetz von Januar dieses Jahres zurückneh-
men; denn der bürokratische Aufwand, den dieses Ge-
setz verursacht, kostet mehr Geld, als aufgrund dieses
Gesetzes verteilt wird. Die Bundesregierung sollte
außerdem die Legehennenhaltungsverordnung zu-
rücknehmen.
Hier werden Tierschutz und Verbraucherschutz nur vor-
gegaukelt. Es gibt in Berlin ein Gauklerfest, auf dem
kann die Ministerin auftreten. Sie sitzt hier doch am fal-
schen Platz.
Jetzt besteht die große Gefahr, dass die Schweinever-
haltungsverordnung
–
t
w
S
li
s
n
d
m
w
v
v
tu
s
w
W
d
te
v
B
f
F
f
W
h
d
K
n
N
K
w
L
m
s
Weiteren Belastungen der deutschen Landwirtschaft
uss Einhalt geboten werden. Durch das UVP-Gesetz
ird beispielsweise das Errichten von Stahlbauten un-
erhältnismäßig erschwert. Die geplante Baurechtsno-
ellierung wird in Zukunft Investitionen in der Tierhal-
ng verhindern.
Die Rücknahme all dieser Maßnahmen, die den deut-
chen Bauern massive Nachteile bringen – das dürfen
ir nicht zulassen –, würde überhaupt kein Geld kosten.
enn Knüppelwerfen eine olympische Disziplin wäre,
ann wären Sie, Frau Ministerin, Goldmedaillenanwär-
rin. Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit.
Wir leiden unter einer dilettantischen und ideologisch
erbrämten Agrarpolitik. Der größte Wunsch unserer
auern ist, dass die rot-grüne agrarpolitische Geister-
ahrt schnellstens gestoppt wird. Rot-Grün, insbesondere
rau Künast und der Kanzler, sorgen sonst bis 2006 da-
ür, dass die deutschen Bauern mit Karacho gegen die
and gefahren werden.
Frau Ministerin, irgendwo müssen Sie besondere Fä-
igkeiten haben: Es ist schon ein besonderes Kunststück,
ass man bei dieser Trockenheit den agrarpolitischen
arren so in den Dreck fährt, wie Sie das fertig bringen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Ich erteile dem Kollegen Friedrich Ostendorff, Bünd-is 90/Die Grünen, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Nach so viel Schimpfe von der Oppositionollen wir zur Sachlichkeit zurückkehren.
In den nächsten Wochen wird an vielen Orten imand das Erntedankfest gefeiert. Eine gute Ernte kannan – das weiß jeder von uns – nicht fordern; man kannie aber auch nicht garantieren oder genehmigen. Natur,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4977
)
)
Friedrich OstendorffDürre und Flut sind etwas, womit Bäuerinnen und Bau-ern schon immer gelebt haben. Das gehört zu unseremBeruf, auch wenn es in diese Zeit, in der wir an Sicher-heit gewöhnt sind, nicht so recht passen will.Ich glaube, es ist gut und richtig, dass die Gesellschaftden Landwirten, die durch die Dürre in ihrer Existenzgefährdet sind, Hilfe gewährt. Dementsprechend handeltunsere Ministerin und das findet unsere volle Unterstüt-zung.
Wenn diese Woche in Cancún bei der WTO über denAbbau der weltweiten Handelshemmnisse verhandeltwird, dann werden es insbesondere die Agrarsubventio-nen sein, die wiederum im Zentrum der Kritik stehen.Dieser Kritik haben wir uns zu stellen. Wenn wir für un-sere Landwirtschaft weiterhin etwas tun wollen, dannmüssen wir es schon so einrichten, dass es auch vor derWTO Bestand hat. Auch deshalb ist das Ergebnis, dasMinisterin Künast im Juni in Luxemburg erzielt hat– nämlich die Hilfen produktionsunabhängig und mög-lichst als Flächenprämien zu gewähren –, so wichtig.
Wenn wir denjenigen aus der Opposition, die diese Re-form verhindern wollten, gefolgt wären, hätten wir amEnde jeden Handlungsspielraum verloren.Warum steht denn die Landwirtschaft – sie wird in ei-nem Atemzug mit der Steinkohle genannt, die quasi dasSynonym für negative Subventionierung ist –
immer wieder so heftig in der Kritik, wenn es um Sub-ventionen geht? Die Agrarlobby und die Agrarpolitikhaben in den vergangenen Jahrzehnten ein System ge-schaffen, das für niemanden mehr zu durchschauen ist.Sie haben sich nicht die geringste Mühe gemacht, dasSystem der Öffentlichkeit plausibel zu erklären. DerGrund dafür, dass denjenigen immer wieder zugestimmtwird, die den Agrarhaushalt als Steinbruch nutzen wol-len, ist, dass man es nicht besser weiß.Die Zeiten haben sich aber geändert. Bloßes Beharrenauf alten Besitzständen reicht nicht mehr aus. Ange-sichts der Haushaltslage muss den Mitbürgern jede Hilfeneu erklärt und gerechtfertigt werden. Das ist gut so;denn in Wahrheit brauchen wir Landwirte uns nicht zuverstecken:Zum einen sind die Subventionen für die Landwirt-schaft bereits in den vergangenen Jahren überproportio-nal gesunken. Die neuesten Zahlen des Subventions-berichts belegen: Die Subventionen in Deutschland sindvon 2000 bis 2002 in einem Umfang von800 Millionen Euro abgebaut worden. Die Landwirt-schaft hat die Hälfte davon getragen.Zum anderen gibt es sehr gute Gründe dafür, dassLandwirte einen Teil ihres Einkommens direkt von derGesellschaft erhalten; denn die Landwirtschaft, zumin-dLwldPwuismrduuGEtetDVdwsUwMSdLpuBuaHcevAvrrmPfKlAs
nd den anderen Bauern das Geld wegnehme.Was wir von Rot-Grün tun, ist eine Förderung dermweltfreundlichen Landwirtschaft – sie ist von deresellschaft gewollt – durch Beratung, Forschung undntwicklung. Meine Damen und Herren von der Opposi-ion, das ist die Zukunft für unsere Bäuerinnen und Bau-rn. Sie von der CDU/CSU glauben immer noch. Sie tä-en der Landwirtschaft etwas Gutes, wenn Sie blind demeutschen Bauernverband das Wort reden.Auf der anderen Seite müssen sich natürlich auch dieerbraucherinnen und Verbraucher sowie insbesondereer Handel fragen lassen, welche Landwirtschaft sieollen. Zu Dauertiefstpreisen kann kein Betrieb die ge-ellschaftlichen Leistungen erbringen, die uns laut dermfragen so viel wert sind. Rund 40 Prozent der land-irtschaftlichen Wertschöpfung sind im Bereich derilcherzeugung angesiedelt. Milch ist das wesentlichetandbein der bäuerlichen Landwirtschaft; doch geradeie Milchbetriebe trifft es derzeit besonders hart: Aldi,idl und Co. lassen sich von ihrem unerbittlichen Milch-reiskampf nicht abbringen. Im Gegenteil: Sie zwingenns Bauern immer mehr in die Knie. Dass selbst wiriomilchbauern am letzten Wochenende gestreikt habennd unsere Milch für zwei Tage nicht an die Molkereibgegeben haben, ist ein deutliches Warnsignal an denandel, aber auch an Verbraucherinnen und Verbrau-her. Für 31 Cent pro Liter können wir keine Biomilchrzeugen. Ebenso wenig deckt ein Milcherzeugerpreison 25 Cent pro Kilogramm Milch die Kosten und denrbeitslohn auf konventionellen Betrieben.Wir haben in Deutschland und in der EU allerdingsor Jahrzehnten den Fehler gemacht, dass wir als Vo-aussetzung für maßvolle Lohnabschlüsse die Nah-ungsmittelpreise niedrig gehalten haben. In der Folgeussten die sinkenden und nicht kostendeckendenreise, die die Bauern erhielten, durch staatliche Beihil-en aufgestockt werden. Aus heutiger Sicht war dies einardinalfehler. Als Bauer sage ich: Ich würde lieber al-eine vom Preis für meine Produkte am Markt leben.
ber das war eine Entscheidung auf politischer Ebene undchmerzte auch so lange nicht, wie der Staatshaushalt
Metadaten/Kopzeile:
4978 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Friedrich Ostendorffgenügend abwarf. Das ist heute anders. Aus dieser Situa-tion wieder herauszukommen tut weh.Verschärft wird die Herausforderung noch dadurch,dass die Landwirtschaft seit Jahrzehnten einen rasantenStrukturwandel durchlebt. Das merken wir besondersbei den Sozialversicherungen, wo auf einen aktivenLandwirt mittlerweile ein Altenteiler, sprich: landwirt-schaftlicher Rentner, kommt. Zusammen mit den mitver-sicherten Familienangehörigen sind das drei Leistungs-empfänger pro aktivem Landwirt. Demgegenüber sinddie Zahlen der allgemeinen Renten- und Krankenversi-cherung noch glänzend. Dies macht die besondere Pro-blemlage der Landwirtschaft und die enorme Herausfor-derung, vor der wir stehen, deutlich.Aber anstatt sich dieser Aufgabe zu stellen und kon-struktiv mitzuarbeiten, wollen Sie von der CDU/CSUeinfach jede Reform verhindern und fordern stattdessenin alter Manier vollmundig mehr Geld für die Landwirt-schaft. Wo leben Sie denn eigentlich?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie-rung hat mit ihrem Haushaltsentwurf 2004 und dem Ent-wurf des Haushaltsbegleitgesetzes einen Vorschlag ge-macht, wie der Sparzwang umgesetzt werden kann. Ichkann Ihnen versichern, dass das Verbraucherschutzminis-terium und die Fraktionen der Regierungskoalition inten-siv alle Möglichkeiten diskutieren und alles daransetzenwerden, um den Beitrag, den auch die Landwirtschaft zurKonsolidierung des Bundeshaushalts leisten muss, fürdie Gesamtheit der bäuerlichen Betriebe so sozial ausge-wogen wie möglich zu gestalten. Dies wird nicht leicht,aber wir werden es schaffen.
Das Wort hat nun der Kollege Dr. Peter Jahr, CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Erste Vorbemerkung. Der Haushalt ist die inZahlen gegossene Politik einer Regierung. Das trifftselbstverständlich auch auf den Haushaltsentwurf desBundes 2004 zu. Dieser Entwurf – das sei hier nur amRande bemerkt – würde sich vorzüglich als Anlage zurBegründung eines Insolvenzantrags eignen. Der Bundes-haushalt dokumentiert keinen Willen zu einer aktivenPolitik. Deutschland ist nahezu insolvent. Der Verfasserhat es leider noch nicht gemerkt.
Zweite Vorbemerkung. Agrarpolitik und Politik fürden ländlichen Raum gehören nicht zum Schwerpunktdieser Bundesregierung. Während sich das Volumen desGhDmwk2s1fdLdrs7Ed2rDrrßssshsSl2MmmeüFnn–wDdznzFsf
Ja, bei uns in Sachsen dürfen die großen Flugzeugeeiterfliegen. Da können Sie ganz beruhigt sein.Anstatt endlich eine Mehrgefahrenversicherung ineutschland zu etablieren und diese, wie in fast allen an-eren europäischen Ländern, auch staatlich zu unterstüt-en, nehmen Sie, Frau Künast, unseren Landwirten imationalen Alleingang noch einmal 2 Prozent der Direkt-ahlungen weg. Schon aus diesen Gründen wird meineraktion den vorliegenden Entwurf ablehnen. Außerdemehen wir erheblichen Nachbesserungsbedarf.Unser Standpunkt und unsere Forderungen sind ein-ach nachvollziehbar: Uns geht es schlicht und ergrei-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4979
)
)
Dr. Peter Jahrfend darum, Wettbewerbsnachteile für die deutscheLandwirtschaft innerhalb der Europäischen Union abzu-bauen.
Das heißt im konkreten Fall: keine Kürzung beimAgrardiesel, keine Kürzung der Zuschüsse zur landwirt-schaftlichen Krankenkasse, keine Abschaffung der Um-satzsteuerpauschale und Einführung einer Mehrgefah-renversicherung.
Die entsprechenden Änderungsanträge wird meine Frak-tion vorlegen. Wir gehen dabei von Folgendem aus:Wenn es um die Konsolidierung des Haushaltes durchKürzungen geht, dann sollten diese Kürzungen auch ge-recht und nachvollziehbar sein. Ich kann ganz einfachnicht verstehen, dass die Landwirte überproportional zurKonsolidierung beitragen sollen. Das ist ungerecht undunserem Berufsstand nicht zu vermitteln.
Ich möchte Sie, meine Damen und Herren von der SPDund von den Grünen, bitten, diesen Anträgen unsererFraktion, die gut für die deutsche Landwirtschaft sind,zuzustimmen. Dazu haben Sie im Ausschuss die Chance.Zum Schluss noch ein Wort an die Bundeslandwirt-schaftsministerin. Zu meiner Studienzeit in Leipzig gabes einen Professor Else, der gelegentlich zu uns Studen-ten, wenn er mit unserer Leistung unzufrieden war, ge-sagt hat: „Auch Sie, meine Damen und Herren, werdendie deutsche Landwirtschaft nicht kaputtkriegen. Dashaben vor Ihnen schon ganz andere versucht.“
Wenn ich an Sie denke, liebe Frau Künast, muss ich Ih-nen gestehen, dass ein Großteil meiner politischen Moti-vation diesem Zitat entspringt, weil es haargenau auf diederzeit von Ihnen betriebene Agrarpolitik zutrifft.Danke schön.
Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin
Waltraud Wolff, SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-ren! Gemäß der alten Weisheit: „Wer schnell hilft, hilftdoppelt“ würde ich gerne auf einige Punkte aus der Redevon Deß eingehen. Wenn Sie zuhören, Herr Deß, erhal-ten Sie vielleicht eine Antwort auf Ihre Frage nach Kom-pensationsleistungen für Dürreschäden. Ich kann sie Ih-nen beantworten: Die Mittel, die von LänderseiteavKWfD–BwrnDpgVfzurAdprdozuARwuvwDSdswSgLdtiBobwAsw
Ich hätte jetzt auch von Ihnen, Herr Deß, ein wenigeifall erwartet.Dass dieses Jahr nicht einfach zu bewältigen seinird, habe ich schon im Frühjahr in meiner Haushalts-ede gesagt. Die Gründe dafür sind ganz schnell ge-annt: Das liegt zum einen an der wirtschaftlichen Lageeutschlands, an der Reform der gemeinsamen Agrar-olitik in Europa und an den WTO-Verhandlungen. Dieemeinsame Agrarpolitik Europas und die jetzige WTO-erhandlungsrunde sind für die hiesigen Bauern sowieür die europäische und die weltweite Agrarwirtschaftukunftsweisend. Man kann sagen: Dieses Jahr standnd steht voll im Zeichen der internationalen Verände-ungen.Meine Damen und Herren, was die europäischegrarpolitik angeht, so hat die Gemeinschaft Ende Juniieses Jahres den Rahmen bis 2013 gesteckt. Schwer-unkte sind die weitgehende Entkoppelung von den Di-ektzahlungen – das wissen wir –, die Stärkung der För-erung der ländlichen Räume, die Einführung derbligatorischen Modulation und die Bindung der Direkt-ahlungen an die Einhaltung von Umwelt-, Tierschutz-nd Lebensmittelstandards. Damit wird die künftigegrarpolitik immer mehr gesellschaftspolitischen Zielenechnung tragen. Außerdem ist sie ein weiterer und sehrichtiger Schritt, um die Landwirtschaft zu unterstützennd auch ihr Bild in der Gesellschaft weiter positiv zuerändern.Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, icheiß, dass sich viele von Ihnen gerne als Sprachrohr deseutschen Bauernverbandes benutzen lassen und dassie ihm gern dienen. Der Bauernverband bemängelt,ass die vorgesehenen GAP-Regelungen unzureichendeien und dass es zu Einkommensverlusten kommenerde.
ie benutzen auch die kommenden WTO-Verhandlun-en schon jetzt dazu, den Untergang der europäischenandwirtschaft zu beschreien. Solche Bilder werden lei-er immer und immer wieder gern von CDU/CSU-Poli-kern und Funktionären benutzt, die entweder keinenlick für gesellschaftspolitische Veränderungen habender ihre vermeintliche Klientel mit schäbigen Parolenedienen wollen, ganz nach dem Motto: Landwirtschaftie vor 50 Jahren, das ist das, was wir wollen.
ber das ist anmaßend und erfolgt wider besseres Wis-en. Seien Sie doch ehrlich und sagen Sie den Bauern,as Sie wissen, nämlich dass für die grüne Branche
Metadaten/Kopzeile:
4980 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Waltraud Wolff
genauso wie für alle anderen Wirtschaftsbereiche gilt:Wer nicht innovativ ist und hohe Standards einhält, derwird sich auf dem Markt nicht behaupten können.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit der Re-form der gemeinsamen Agrarpolitik den Standard fest-gesetzt haben, den wir brauchen, um international beste-hen zu können. Wir wissen, dass die WTO gerade imBereich der Amber- und der Blue-Box Subventionsab-bau verlangt. Das heißt, die beschlossenen Subven-tionsumschichtungen sind wichtig. Wir müssen wegvon Marktstützungen und wir müssen Prämienzahlungenverringern. Wir müssen Einkommenszahlungen entkop-peln und weiter Umweltprogramme unterstützen. Das istnotwendig, um die Landwirtschaft zu erhalten.
Positiver Nebeneffekt ist, dass die Landwirtschaft auchnoch umweltgerechter wird.
Meine Damen und Herren, die EU-Agrarreform kamgenau zum richtigen Zeitpunkt, um jetzt optimal vorbe-reitet in die WTO-Verhandlungen gehen zu können.Auch der Opposition dürfte bekannt sein, dass ein inter-nationales Ziel der vierten Welthandelsrunde ist, denHandel weiter zu liberalisieren. Ich bin mir sicher, dasskein Politiker einer Oppositionspartei die WTO-Ver-handlungen tatsächlich wegen der Landwirtschaft schei-tern lassen will. Aus diesem Grund finde ich es ganz per-sönlich umso trauriger, dass gerade Ihre Fraktion in derletzten Zeit nicht ein einziges Mal zu konstruktiver Zu-sammenarbeit in der Lage war.
Meine Damen und Herren, für die Gegenfinanzierungder EU-Programme steht auch in Zukunft die Gemein-schaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und desKüstenschutzes“ mit 770 Millionen Euro zur Verfügung.Auch im Einzelplan 10 werden wir Kürzungen vorneh-men müssen. Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegenvon der Opposition, dass Sie von der schwierigen Welt-wirtschaftslage nichts wissen wollen. Sie gehen auchnicht mit einem einzigen Wort auf die besonders schwie-rige Lage Deutschlands ein. Kein anderes europäischesLand musste wie wir zur Überwindung der deutsch-deut-schen Teilung billionenschwere Kosten schultern. DassSie den Schuldenberg ausblenden, den Sie uns aus IhrerRegierungszeit hinterlassen haben,
ändert nichts, aber auch überhaupt nichts an der Tatsa-che, dass er unserer Volkswirtschaft enorm geschadet hatund noch immer schadet.
Herr Deß, Sie könnten jetzt ruhig einmal zuhören.Sie greifen den Bundesfinanzminister zum einen an,eil er Ihrer Ansicht nach zu wenig spart. Andererseitsritisieren Sie, wenn er spart, dass er spart. Ich finde dasurios. Das ist ganz nach der Manier: Wir wissen nicht,as wir wollen, aber das mit ganzer Kraft.
Die Einsparsumme, die wir in unserem Haushaltsplanufbringen müssen, beläuft sich im nächsten Jahr aufirca 418 Millionen Euro. Ich bin der Auffassung, dassiese Einsparungen möglichst sozial gerecht verteilt wer-en sollten. Der Kabinettsentwurf sieht im Bereich derandwirtschaftlichen Krankenversicherung Kürzun-en von circa 218 Millionen Euro vor. Seit Jahren redenir über den Erhalt eines eigenständigen landwirtschaft-ichen Sozialversicherungssystems. Aus Einspargründenaben wir schon in der letzten Legislaturperiode die Neu-rganisation der Träger vorgenommen. Ich sage hier aberanz deutlich, dass Einsparungen in Höhe von 218 Mil-ionen Euro bei der Krankenversicherung schlichtwegnmöglich sind. Da stimme ich der Opposition zu. Ausarlamentariersicht muss ich das ganz kritisch betrach-en.
Ich will Ihnen sagen, warum. Durch die Gesundheits-eform entlasten wir die Beitragszahler der gesetzlichenrankenkassen. Deshalb ist es natürlich im Gegenzugicht zu vermitteln, wenn die Versicherten in der land-irtschaftlichen Krankenversicherung durchschnittlicheeitragssteigerungen von circa 30 Prozent hinnehmenüssen. Durch die Besonderheiten im landwirtschaftli-hen Bereich würde es sogar zu Steigerungen von bis zu0 Prozent kommen.
ch meine, dieser Einsparvorschlag des Kabinetts musseändert werden. Dazu haben wir das Parlament.Frau Ministerin, ich habe Ihren Ausführungen sehrufmerksam zugehört. Ich bin sehr froh, dass Sie sichchon mit den Trägern ins Benehmen gesetzt haben. Ichenke, wenn wir die Träger ins Boot holen, dann werdenir es gemeinsam schaffen, hier zu einer guten Lösungu kommen.
Ich bitte Sie von der Opposition, mich nicht falsch zuerstehen: Ich will nicht an der Einsparsumme rütteln.s geht mir einzig und allein darum, wo wir sparen. Daibt es vonseiten der SPD keine Tabus und keine Denk-erbote. Wir werden hart zu arbeiten haben, um sozialerechte Lösungen hinzubekommen. Aber wir wollenei der Krankenversicherung die einseitige Belastunger Landwirte in den alten Bundesländern vermeiden.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4981
)
)
Waltraud Wolff
Genauso wichtig ist es dann aber auch, eine einseitigeBelastung der Betriebe im Osten der Republik zu verhin-dern. Deshalb kann beim Agrardiesel nur eine lineareKürzung und nicht die Einführung einer Subventions-obergrenze von 10 000 Litern pro Betrieb die Lösungsein.Wir reden über den Haushalt des Ministeriums fürVerbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Dasheißt, dass ökologisch und verbraucherschutzpolitischrelevante Bereiche weiterhin inhaltliche Schwerpunktebilden. Beispielsweise setzen wir uns auch in Zukunftfür die Mineralölsteuerbefreiung in Bezug auf Biodieselein.Der Haushalt, sehr geehrte Frau Ministerin, ist unterden Einsparvorgaben sehr schwierig aufzustellen. Des-halb möchte ich Ihnen herzlich Danke sagen für die inIhrem Hause geleistete Arbeit. Ich bin sicher, wir wer-den gemeinsam eine gute Lösung finden.Zum Schluss wünsche ich Ihnen persönlich, dass Sieab morgen bei den WTO-Verhandlungen in Cancunebenso große Erfolge für Deutschland erzielen können,wie Sie das bei der EU-Agrarreform getan haben.Herzlichen Dank.
Letzte Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Ulla
Heinen, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!Frau Teuchner, die Verbraucherpolitik, die Sie vorhinhier skizziert haben, ist wirklich fern jeder Realität undmeines Erachtens ein reines Traumgebilde. Schön wär’s,könnte man dazu auch sagen. Sie haben beispielsweisedie 0190er-Nummern erwähnt und dargestellt, was füreinen tollen Erfolg Sie mit Ihrer Politik auf diesem Ge-biet erreicht haben.Dazu muss ich eines sagen: Wenn wir nicht gewesenwären, wenn die von uns regierten Bundesländer nichtgewesen wären, wenn meine Kollegin MartinaKrogmann im Wirtschaftsausschuss nicht gewesen wäre,dann wäre aus dem 0190er-Gesetz niemals ein wirkli-ches Schutzgesetz für die Verbraucherinnen und Ver-braucher geworden, sondern reines Larifari.
Ihre Verbraucherpolitik ist bestenfalls eine reine Ankün-digungspolitik. Mittlerweile finden wir diese reine An-kündigungspolitik auch im Bundeshaushalt wieder. Dasmöchte ich Ihnen gerne einmal anhand von ein paar Bei-spielen erläutern.Es gibt die Projektliste zum Thema Verbraucherauf-klärung, die schon von mehreren Rednern erwähntwnagIwnagVtzbmdubbefmwomcSmdznHwFnSgcwDzdedcwgwehev
Frau Ministerin, Sie haben uns angekündigt, Verbrau-herpolitik als Querschnittsaufgabe zu sehen. Nennenie das eine Querschnittsaufgabe? Ist das die Wahrneh-ung der Verbraucherinteressen in allen Bereichen? Ister nachhaltige Konsum für Sie wichtiger als Initiativenum elektronischen Geschäftsverkehr oder zum Inter-et? Wir erleben doch zurzeit, welche Dimensionen derandel im Internet mittlerweile angenommen hat undelche Probleme damit verbunden sind.Lassen Sie mich ein anderes Beispiel nennen: dieachbeiräte. Dass der Verbraucherschutz in Ihrem Mi-isterium eine wichtige Rolle einnehmen soll, habenie uns bei den vergangenen Haushaltsberatungen mit-eteilt. Schon damals haben Sie auf den wissenschaftli-hen Beirat „Verbraucher- und Ernährungspolitik“ ver-iesen, der neu eingerichtet wurde. So weit, so gut.ieses Vorhaben findet ganz klar unsere Unterstüt-ung. Umso verwunderter war ich, nun zu lesen, dasser Mittelbedarf bei den Mitgliedern von Fachbeirätenrhöht worden ist, und zwar wegen der Intensivierunger Arbeiten des Agrarbeirats, aber auch des Verbrau-herbeirats.Ich habe mir das Heft angeschaut, in dem aufgeführtorden ist, wie viel Geld für welche Maßnahmen ausge-eben worden ist und welche Arbeiten Sie intensivierenollen. Dabei habe ich unter dem Punkt „Fachbeiräte“ntdeckt, dass Sie die Formulierungen aus dem Haus-altsentwurf 2003 wortgleich übernommen haben, aberine Anhebung der Beiträge für 2004 verlangen. Daserstehe ich nicht. Ich wäre dankbar, wenn Sie uns
Metadaten/Kopzeile:
4982 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003
)
)
Ursula Heinenzumindest in den Ausschussberatungen dafür eine Erklä-rung geben würden.
Ein weiteres Thema, bei dem Sie sich ebenfalls keinengroßen Ruhm erworben haben, ist die Neuorganisationder Behörden in Ihrem Aufgabenbereich. Es geht insbe-sondere um das Bundesamt für Verbraucherschutz undLebensmittelsicherheit bzw. um das Bundesinstitut fürRisikobewertung. In diesem Bereich ist ein zusätzlicherBürokratieaufwand entstanden. So sind etwa Zuständig-keiten der Biologischen Bundesanstalt für Land- undForstwirtschaft auf das Bundesamt für Verbraucher-schutz und Lebensmittelsicherheit übertragen worden.
Aber es wird nicht eine Behörde durch die andere er-setzt. Die Biologische Bundesanstalt bleibt weiterhin amGenehmigungsverfahren beteiligt. Das heißt, es ist einezusätzliche Genehmigungsstufe eingeführt worden. Dashat nun wirklich nichts damit zu tun, dass man die Zahlder Behörden verringern und Bürokratiehemmnisse be-seitigen will, um es für die Unternehmen in Deutschlandeinfacher zu machen.
Damit haben Sie mehr und nicht weniger Bürokratie inDeutschland geschaffen.
Wie ist Ihr Anliegen, ein Bundesinstitut für Produkt-sicherheit zu gründen, mit Ihren Vorstellungen vereinbar,die Zahl der Bundesbehörden insgesamt zu verringern?Die Bundesregierung schreibt in ihrem aktuellen Berichtvon August 2003, dass das Institut nach wie vor geplantsei. Aber daran schließt sich folgende Anmerkung an:Die fachlichen und strukturellen Überlegungen zurErrichtung des Instituts sind noch nicht abgeschlos-sen.Da bleibt noch Hoffnung, dass dieses Institut nichtkommt.Wir haben schon bei der Neuorganisation der Behör-den darauf hingewiesen, dass sowohl das Bundesamt fürVerbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit als auchdas Bundesinstitut für Risikobewertung personell durch-aus in der Lage sind, nicht nur im Bereich der Lebens-mittelsicherheit zu arbeiten. Sie haben die Strukturen,auch in anderen Bereichen tätig zu werden. Ich meine,wir brauchen hierfür kein zusätzliches Bundesinstitut.
Allen Rednerinnen und Rednern hier im Haus ist dieUnabhängigkeit der Stiftung Warentest – FrauTeuchner hat das schon erwähnt – ein wichtiges Anlie-gen. Wir stimmen der Koalition durchaus zu. Auch wirs6eudtkSmzbShasbdregergnbtebkfnpsnggMv
In Ihrer Rede haben Sie die Arbeit der Verbraucher-entralen angesprochen. In der Tat stehen viele Ver-raucherzentralen in den Bundesländern leider vor derchließung, weil sie kaum noch Mittel zur Verfügungaben. Das hat etwas damit zu tun, dass die Länder, aberuch viele Kommunen aufgrund Ihrer Finanzpolitikchlicht und ergreifend nicht mehr in der Lage sind, Ver-raucherzentralen angemessen mitzufinanzieren.
Die Verbraucherzentralen in den Bundesländern wer-en vom Bund unterstützt, aber nur im Ernährungsbe-eich. Eine Kollegin von der FDP, Frau Kopp, hat einentsprechende Frage an den zuständigen Staatssekretärestellt, der das in seiner Antwort bestätigt hat. Letzt-ndlich bedeutet das, dass die Bundesregierung nur be-eit ist, die Ernährungsberatung zu finanzieren – sie istut und wichtig und sie wird zunehmend wichtiger –,icht aber andere Beratungen, die bei der Arbeit der Ver-raucherzentralen ebenfalls eine wichtige Rolle spielen.
Keine Spur von Projekten zur Beratung bei der Al-rsvorsorge! Frau Teuchner, Sie haben vorhin die Le-ensversicherungen erwähnt. Die Bundesregierungönnte doch genauso gut Projekte zu den Themen Miet-ragen oder Produkt- und Energieberatung fördern undicht nur Projekte im Ernährungsbereich. Verbraucher-olitik ist nicht nur Ernährungspolitik, sondern betrifftchlicht und ergreifend alle Bereiche.
Die Haushaltslage insgesamt ist prekär. Sie bietet kei-en Anlass und keinen Spielraum für politisch-ideolo-isch motivierte Eskapaden. Vielmehr ist solide Arbeitefragt. Wir wünschen uns, dass Sie in den nächstenonaten an diesem Haushalt arbeiten und dann einenernünftigen Plan vorlegen.Danke schön.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 9. September 2003 4983
(C)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe
damit die Aussprache.
Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Mittwoch, den 10. September
2003, 9 Uhr, ein.
Dann beginnen wir mit der Beratung des Etats des
Kanzleramtes. Wer auf den Plätzen sitzen bleibt, die er
gerade eingenommen hat, ist morgen früh nah am Ort
des Geschehens. All denen, die von dieser Option keinen
Gebrauch machen wollen, wünsche ich noch einen schö-
nen Abend und eine gute Nacht.
Die Sitzung ist geschlossen.