Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 55. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Matthes, die Liste der abwesenden Mitglieder des Hauses bekanntzugeben.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Schütz, Dr. Müller , Frau Dr. Probst, Frau Dr. Gröwel, Dr. Gerstenmaier, Dr. Gülich, Bettgenhäuser, Schönauer, Frau Schroeder, Dr. Becker (Hersfeld), Dirscherl, Frau Dr. Jlk, Margulies, Dr. Middelhauve, Dr. Hamacher und Wittmann. Entschuldigt fehlen die Herren Abgeordneten Schmitz, Dr. Wahl, Imig, Brandt, Neumann, Reitzner, Böhm, Renner, Paschek und Müller (Hannover).
Außerdem fehlen die Abgeordneten Heiland und Wehner.
Meine Damen und Herren! Ich habe ferner auf folgendes hinzuweisen. Gemäß soeben erfolgter Vereinbarung im "Ältestenrat soll die gestern an den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen überwiesene Drucksache Nr. 722 betreffend Kontrollmaßnahmen bei den Arbeitsämtern an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen werden. — Ich darf das Einverständnis des Hauses damit feststellen.
Ich darf weiter darauf hinweisen: wir haben in der Annahme, daß wir gegen Mittag mit der Beratung der Einzelpläne und der Schlußabstimmung über den Haushalt fertig werden, im Ältestenrat soeben eine Ergänzung der Tagesordnung für heute nachmittag beschlossen, die Ihnen im Laufe der nächsten ein bis zwei Stunden als Drucksache vervielfältigt zugehen wird.
Meine Damen und Herren! Wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein. Einziger Tagesordnungspunkt:
Fortsetzung der Dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 (Drucksachen Nr. 768, 682, 670 bis 681 und 223).
Wir kommen zur Einzelberatung der Einzelpläne und der Einzelbesprechung der jeweiligen Abänderungsanträge.
Ich rufe auf:
Einzelplan I — Bundespräsident und Bundespräsidialamt.
Es liegt dazu ein Abänderungsantrag der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffern I, Il und III vor. Ich bitte ausdrücklich, sich das immer zu merken, damit wir nachher bei der Abstimmung um so leichter fahren.
Wird das Wort seitens der Herren Antragsteller gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Wird sonst das Wort gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über den Einzelplan I.
Wer für die Abänderungsanträge auf Drucksache Nr. 779 Ziffern I, II und III ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Mit Mehrheit abgelehnt.
Wer nunmehr für den Einzelplan I in der nach der zweiten Lesung vorliegenden Fassung im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. -- Das erste war nach der übereinstimmenden Meinung des Vorstandes die Mehrheit. Damit ist der Einzelplan I in der dritten Lesung verabschiedet,
Ich rufe auf:
Einzelplan II — Bundestag.
Dazu liegen folgende Abänderungsanträge vor: Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 und Änderungsantrag der Fraktion der Bayernpartei Drucksache Nr. 780, welcher mit dem Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 inhaltlich übereinstimmt. Ferner liegt ein
Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 778 Ziffer 4 a, b und c vor.
Ich eröffne die Aussprache. Wird seitens der Herren Antragsteller das Wort zu den Abänderungsanträgen gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete _Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Etat des Bundestags hat den Haushaltsausschuß in eingehenden Beratungen beschäftigt. Es ist erfreulich, feststellen zu können, daß im ganzen gegenüber den Ansätzen ein Betrag von 1 531 000 DM eingespart werden konnte. Bei diesen Beratungen hat das Problem, das gestern hier angeklungen ist, auch eine Rolle gespielt, nämlich die Frage, den Ausgabenansatz nach den Einnahmemöglichkeiten zu beschränken. Dabei wurde das Beispiel der Familie erwähnt, die ja auch mit dem auskommen muß, was ihr zur Verfügung steht. Das ist ein sehr lobenswerter Grundsatz, nur ist das eine Art von Kollektivbetrachtung. Es gibt Familien, die auskommen können, und es gibt Familien, die nicht auskommen können. Zu denen, die von dem Unglück verfolgt sind, nicht auskommen zu können, zählt auch jeder öffentliche Haushalt; denn bestimmte Größen können jahraus, jahrein in einem öffentlichen Haushalt nicht fest vorausgesetzt werden. Es ändert sich ständig etwas. Sp ist auch allein schon angesichts der sozialen Lage immer mit unangenehmen Überraschungen auf finanzpolitischem Gebiet zu rechnen.
Um so größer war die Verantwortung, die im Haushaltsausschuß zum Ausdruck kam, die Ausgaben des Bundestags auf ein vernünftiges und erträgliches Maß zu beschränken. Nun treten aber im Rahmen dieser Etatberatung eine ganze Reihe von Problemen auf, mit denen sich auch der Antrag meiner Fraktion Drucksache Nr. 778 beschäftigt, beispielsweise das Problem der Rechtsverhältnisse an den Bundestagsgebäuden. Man hat uns gesagt, daß hier eine Stiftung errichtet werden soll. Wir haben den Wunsch — und das drückt sich in unserem Antrag aus —: Um die Unklarheiten hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse und Unterhaltspflichten der vom Bundestag benützten Gebäude und Grundstücke zu bereinigen, soll der Präsident des Bundestags ersucht werden, im Benehmen mit der Bundesregierung und der Regierung des Landes Nordrhein-Westfalen eine alsbaldige Regelung vorzubereiten, die dem Bundestag die Möglichkeit bietet, sich über das Ausmaß der Verpflichtungen zu unterrichten, die den Etat des Bundes belasten sollen. Wir wissen gar nicht, welches Glück uns in Hinsicht auf diese in Aussicht gestellte Stiftung noch beschert werden soll. Wir möchten gerne wissen, was die Elle kostet. Aus diesem Grund bitten wir das Präsidium des Hauses, größtes Gewicht darauf zu legen, so rasch als möglich eine Klärung dieser Rechtsverhältnisse herbeizuführen. Denn davon hängt eine Reihe von Maßnahmen ab, an deren Lösung der Bundestag und jeder einzelne Abgeordnete sehr interessiert sein dürften.
Es ist der Öffentlichkeit viel zuwenig bekannt, daß mindestens rund 250 Abgeordnete dieses Hauses überhaupt keinen Arbeitsplatz haben,
daß sie gar keine Möglichkeit zu ernsthafter Arbeit haben. Die Abgeordneten erhalten aus dem ganzen Land und vorzugsweise aus ihrem Wahlkreis Briefe und Drucksachen; sie werden mit Papier überflutet. Während der fast die ganze Woche dauernden Inanspruchnahme hier im Bundeshaus fehlt ihnen aber die technische Möglichkeit, diese Dinge zu erledigen. Das ist ein Zustand, der des Parlaments unwürdig ist!
Das ist ein Zustand, der die Abgeordneten daran hindert, ihre Pflicht so zu erfüllen, wie sie sie gern erfüllen möchten. Das ist ein Zustand, der unbedingt so rasch wie möglich behoben werden muß.
Wir haben allerlei Sorgen in dieser Hinsicht. Ich will nur ganz wenige nennen. Wir haben vor kurzem hier in diesem Raume anläßlich einer Art von Ortsbesichtigung den unverbindlichen Vorschlag unseres Herrn Präsidenten über eine technische Abstimmungsanlage entgegengenommen, um die Abstimmung zu erleichtern. Wir haben in der Zwischenzeit das schöne System des Hammelsprungs eingeführt. Es liegt wohl von keiner Fraktion ein Antrag vor; aber ich glaube, daß nach den Grundsätzen der Sparsamkeit — wenn die Anlage nicht sehr billig gestaltet werden kann — doch der Versuch gemacht werden muß, diese Ausgabe zu unterlassen.
Es liegen noch andere Dinge vor. Vor mir liegt eine sogenannte Hausverfügung. Gerade wenn wir eine speditive Arbeit des Bundestags sicherstellen wollen, dann müßten Dinge unterlassen werden, wie sie sich hier aus einer Art I von Bürokratismus ergeben, der nicht erfreulich genannt werden kann. Da ist in einer Hausverfügung vom 9. März angeordnet, daß die Materialausgabe — also die Ausgabe von Papier und Matrizen für die Herstellung von Ausschußberichten — nur zweimal in der Woche erfolgen soll. Die Konsequenz daraus ist, daß der Abgeordnete, wenn er gerade Papier braucht, um seinen Schriftwechsel zu erledigen, betteln gehen oder eine Anleihe machen muß oder daß die Stenotypistinnen des Hauses von Tür zu Tür wandern müssen, um sich eine Matrize zu leihen, weil es ausgerechnet erst Montag ist und man sonst keine Matrizen bekommen kann. Ich glaube, es gehört zu einer glatten Erledigung der Geschäfte, daß auch derartige Kleinigkeiten unterbleiben.
Eine große Sorge aber, die uns hier bewegt und die ich im Namen meiner Fraktion zum Ausdruck bringen darf, bezieht sich auf das Bewirtschaftungsverhältnis des Restaurants. Da ergeben sich Widersprüche, speziell ein Hauptwiderspruch, für dessen Lösung ich die besondere Aufmerksamkeit des Herrn Präsidenten erbitte. Es ist feststehende Tatsache, daß dem Herrn Präsidenten ein Vertrag erst bekannt geworden ist, nachdem der Kündigungstermin für diesen Vertrag bereits abgelaufen war.
Ich möchte Ihnen ganz nüchtern und sachlich nur folgenden Sachverhalt unterbreiten.
Der Organisationsausschuß des Bundestags erhielt von dem Vertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und Herrn Paul La Roche vom
25. August 1949 erst Kenntnis, als der im Vertrag vorgesehene Kündigungstermin abgelaufen war. Der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestags und danach der Präsident haben den Vertrag für den Bundestag als nicht verbindlich erklärt. Das dürfte Rechtens vollkommen in Ordnung gehen. Im Haushaltsausschuß hat - nach dem Protokoll vom 28. 2. 50 — folgende Besprechung zur Klärung des Sachverhalts stattgefunden. Nun darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige wenige Sätze aus dem Protokoll vom 28. Februar 1950 verlesen:
-Der Vorsitzende
— es war der Herr Abgeordnete Schoettle —
verweist auf den inzwischen dem Ausschuß vorliegenden Vertrag zwischen dem derzeitigen Restaurationspächter, Herrn Paul La Roche, und dem Land Nordrhein-Westfalen. Nach einer vom Vorsitzenden eingelegten Pause, damit sich die Mitglieder des Ausschusses mit dem Inhalt des Vertrages vertraut machen können, nimmt bei Fortsetzung der Beratungen zunächst Abgeordneter Ritzel Stellung zu dem vorliegenden Vertrag. Er betont, daß die in dem Vertrag enthaltene Rechtsverpflichtung des Rechtsnachfolgers, also des Bundestags, nicht besteht. Weiterhin fragt Abgeordneter Ritzel an, ob der Inhalt des Vertrags einem Angehörigen der Verwaltung des Bundestags, insbesondere Herrn Direktor Troßmann, früher bekannt gewesen ist als zum Zeitpunkt der Beratungen des Haushaltsausschusses. Direktor Troßman teilt mit, daß dies nicht der Fall ist.
Tatsächlich aber steht heute laut Bericht des
Untersuchungsausschusses Restaurationsbetrieb
vom 23. März 1950 folgendes fest:
Herr La Roche unterstreicht, daß er die
Kenntnis des Vertrages unterstellt habe,
— ich zitiere wieder —
da derselbe bereits im Oktober 1949 vom Büro Bundeshauptstadt an die Verwaltung des Bundestags übergeben sei. Auf Rückfrage bei Herrn Amtsrat Gorris wurde mitgeteilt, daß der Vertrag tatsächlich auf Ersuchen des Herrn Direktor Troßmann Ende September 1949 abgeschickt worden ist.
Abschrift des Begleitbriefs liegt -vor. Derselbe trägt jedoch kein Datum. Überdies teilt Herr Amtsrat Gorris mit, daß durch ein Versehen der Vertrag zwischen dem Lande Nordrhein-Westfalen und Herrn Paul La Roche dem Schreiben nicht beigefügt gewesen sei, sondern erst etwa zwischen dem 10. und 15. Oktober 1949 auf diesbezügliche Reklamation des Herrn Direktors Troßmann nachgereicht sei.
Es ist also ein „kleiner" Widerspruch vorhanden, um dessen Aufklärung ich den Herrn Präsidenten bitte. Der Widerspruch ist um so wichtiger, als dieses Verfahren bis heute dem Bundestag einen Verlust von zirka 20 000 DM durch nicht ausgenutzte Einnahmemöglichkeiten gebracht haben dürfte.
Meine Damen und Herren! Wir haben in der jüngsten Vergangenheit wieder Gelegenheit gehabt, ausländische Parlamentarier hier zu
empfangen. Ich glaube, daß es nützlich sein würde, wenn Wir uns hier schon heute darüber im Prinzip schlüssig werden könnten, für den Empfang und die Bewillkommnung ausländischer Parlamentarier, wie dies in ausländischen Parlamenten auch üblich ist sofern nicht die Beträge, die dem Herrn Präsidenten dafür zur Verfügung stehen, in Frage kommen — einen kleinen Betrag einzustellen.
Eine Frage, die stark an die Arbeitsmöglichkeiten des Parlaments rührt, bezieht sich auf das, was ich Dokumentationsdienst nennen möchte. Wir haben schwächliche Ansätze zu einer Bundestagsbibliothek. Unser aller Wunsch geht dahin, daß diese Bundestagsbibliothek mit möglichst geringen Mitteln und vielleicht durch Spenden und Stiftungen recht bald auf einen ansehnlichen Stand gebracht werden könnte. Das steht auch im Zusammenhang mit der Frage der Belastung der Abgeordneten, von der die Öffentlichkeit keine Ahnung hat. Die Öffentlichkeit hat immer die Ansicht, die ich vor kurzem irgendwo in der Zeitung las; da hieß es: 200 Abgeordnete haben geredet, was tun die anderen 200? Es ist schade, daß die Öffentlichkeit noch keine Tonbildaufnahmen von den Ausschußsitzungen haben kann, die oft bis Mitternacht, ja bis 5 Uhr morgens gehen, die morgens in aller Herrgottsfrühe anfangen und die die Kräfte der Abgeordneten unausgesetzt in einer Weise in Anspruch nehmen und verzehren, von der sich die wenigsten Kritiker eine Vorstellung zu machen vermögen.
Es wäre nützlich und für die Arbeit des Parlaments und des einzelnen Abgeordneten wertvoll, wenn im Zusammenhang mit der besseren Ausstattung der Bibliothek des Bundestags einige Fachkräfte damit beauftragt werden könnten, nach dem Muster anderer Parlamente eine Art von Dokumentationsdienst durchzuführen.
Das steht allerdings, Herr Kollege Leuchtgens, im Widerspruch zu Ihren Sparmaßnahmen.
Sie wünschen ja, daß die Aufwendungen für dic Bibliothek gekürzt werden. Nun, Herr Kollege Leuchtgens — wir kennen uns ja schon seit 25 Jahren Sie sind mir nicht böse, ich halte Sie als Träger des Kulturgedankens auch gerade in dieser Frage für besserungsfähig,
und ich hoffe sehr, daß Sie in bezug auf die Ausstattung der Bibliothek des Bundestags als Arbeitsmaterial der Abgeordneten doch demnächst eine andere Haltung einnehmen werden. Vielleicht wird Ihnen das schon um deswillen ganz leicht: wir haben einmal durchgerechnet, daß durch die Anträge, die Sie in der letzten Woche hier vertreten und zum Druck gegeben haben, allein 800 DM Druckkosten entstehen. Es wäre vielleicht möglich, da die eine oder andere Einsparung vorzunehmen.
An den Herrn Präsidenten des Hohen Hauses habe ich namens meiner Fraktion auch unter Hinweis auf den Antrag Drucksache Nr. 778 eine
besondere Bitte zu richten. Sie finden dort unter Ziffer 4:
Mit dem von dem Personal zu wählenden Betriebsrat hält der Präsident regelmäßige Besprechungen sowie weitere Sitzungen nach Bedarf ab. Der Präsident sorgt für die objektive Wahrung der gesetzlichen Rechte des Betriebsrats und seiner einzelnen Mitglieder.
Ich bekenne mich als Urheber dieses Antrags, nachdem ich festgestellt habe, daß bisher im Janauar eine einzige Sitzung des Betriebsrats mit dem Herrn Präsidenten stattgefunden hat, daß seitdem alle Blätter schweigen und daß es ganz nützlich wäre, wenn eine engere und intensivere Zusammenarbeit zwischen Präsidium und Betriebsrat zustande käme, vor allem eine Sicherung des Rechtes der Mitwirkung des Betriebsrats bei der Einstellung und Entlassung von Angestellten des Bundestags.
In diesem Zusammenhang darf ich mir erlauben, an die endliche Regelung der Frage der Überstundenvergütung für das Personal dieses Hauses zu erinnern. Auch da liegt einiges im argen. Ich sage nicht, daß das den Herrn Präsidenten angeht, aber es geht die Verwaltung des Bundestags an. Es geht nicht an, daß seit Januar keine Überstundenregelung für das Personal mehr erfolgt ist, während die Leute bis tief in die Nacht hinein und auch sonntags in Anspruch genommen werden. Es geht schließlich auch nicht an, daß dem Haushaltsausschuß eine Eingabe des Betriebsrats in der Frage der Überstunden meines Wissens bis zur Stunde vorenthalten worden ist.
Ich möchte auch gern wissen, welches Ergebnis die Untersuchungen im Zusammenhang mit der fristlosen Entlassung des Leiters der Beschaffungsstelle haben. Sie wissen ja, da ist ein Mann entlassen worden, der so allerlei dunkle Geschäfte letzten Endes auf dem Rücken des Deutschen Bundestages getätigt hat. Es ist ein Mann, dessen Strafregisterauszug plötzlich aus den Akten verschwunden war,
und kein Mensch wußte, wie plötzlich dieser Strafregisterauszug nach längerer Zeit wieder in den Akten auftauchen konnte.
Das sind Methoden der Verwaltung, die nicht so ganz in Ordnung zu sein scheinen. Ich glaube der Herr Präsident wird sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er hier einmal mehr nach dem Rechten sieht - trotz seiner Belastung.
In der Frage der Untersuchung dieser Vorgänge wäre es nun vielleicht nützlich, wenn erwogen werden könnte, den Rechnungshof einzuschalten. Dann hätten wir eine wirklich objektive Berichterstattung über das, was da vorgegangen ist. Es wäre auch nützlich, festzustellen, inwieweit der damalige Verwalter der Beschaffungsstelle gegen gewisse andere Gesetze — sagen wir, gegen die Zollgesetzgebung bei der Verwendung und beim Verkauf nicht banderolierter amerikanischer Zigaretten — verstoßen hat und wie es sich mit dem Verstoß in Bezug auf die Nichtbeachtung der Bestimmungen hinsichtlich der Konzession eines Wirtschaftsbetriebes verhält.
Aber das Prinzipielle, die grundsätzliche Lehre aus diesem Vorfall dürfte doch sein -- und das glaube ich namens meiner Fraktion mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringen zu müssen —, daß die Herkunft der Beamten und der Angestellten, die in diesem Hause tätig sind, soweit sie schon vorhanden sind, noch nachträglich aufs gründlichste untersucht wird,
daß in jedem Falle ein Strafregisterauszug eingefordert wird und daß bei der Neueinstellung von Angestellten und Beamten die Herkunft nicht minder gründlich geprüft wird.
Zu dem Kapitel „Personal- und Betriebsangelegenheiten" abschließend noch den Wunsch, daß recht bald die zum Teil unter aller Kritik stehende Schlafgelegenheit für die Fahrer der Abgeordneten einer Besserung unterzogen werden möge.
Nun, meine Damen und Herren, gestatten Sie mir einige Bemerkungen über unser Parlament selbst. Wir sind in der öffentlichen Kritik in der letzten Zeit wirklich nicht gerade gut weggekommen. Das könnte der stärkste Mann nicht behaupten. Wir müssen feststellen, daß sehr viele Kritiker an sich vom Wesen des Parlaments wenig Ahnung haben,
und desto unbeschwerter läßt sich ja über das Parlament sprechen.
Was wir hier haben, ist die Plattform, die in jedem Volk mit einer gesunden Demokratie vorhanden sein muß, die Plattform für eine Diskussion als Ausdrucksmittel der Demokratie. Meine Damen und Herren, aus dem notwendigen Zusammenprall der Meinungen allein entsteht nach demokratischen Prinzipien die notwendige Kopfklärung. Wir brauchen diese Kopfklärung um so mehr, als doch in weiten Teilen, millionenfach, in unserem Volk noch der frühere Begriff „Führer befiehl, wir folgen dir" derart starke Wurzeln geschlagen hat, daß die Menschen das Wesen der Demokratie — sich ausdrückend in Diskussion und schließlich in einem vernünftigen anständigen Kompromiß noch nicht begriffen haben.
Was wir aber auch brauchen, ist eine absolut korrekte Geschäftsführung im Rahmen unseres Parlaments. Diese Geschäftsführung, die Durchführung der Aufgaben des Präsidenten muß getragen sein von dem Willen, die Arbeiten zu fördern und gerecht und unparteiisch zu sein.
Es hat keinen Sinn, den Versuch zu machen, eine Demokratie aufzubauen, wenn irgendwelche Möglichkeiten dieser Art verschüttet werden durch das Übergewicht irgendwelcher polizeistaatlicher Begriffe. Ein Präsident ist der Hüter der Ordnung, der Hüter der Objektivität, der Hüter der Freiheit des Parlaments. Aber er ist schließlich kein Feldwebel. Ich sage nicht, daß er das sei; aber er ist verpflichtet, dafür zu sorgen, daß mit einer gewissen inneren Größe, mit einem gewissen überlegenen Humor sich anbahnende Gegensätze ausgeglichen werden, ehe sie aufeinanderprallen können.
Wir beanstanden beispielsweise die nach unserer Auffassung abwegige Anwendung des § 91 der Geschäftsordnung. Sie wissen, daß wir wiederholt darüber gesprochen haben; und aus diesem Grunde haben wir in Drucksache Nr. 778 ebenfalls unter 4. b) einen entsprechenden Antrag gestellt, der dem Geschäftsordnungsausschuß die Verpflichtung auferlegen soll, hier einen Vorschlag auszuarbeiten. Das bezieht sich auch auf Dinge, die wir bereits im Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität in bezug auf die Behandlung oder die Bewertung von Ordnungsrufen besprochen haben. Es ist die Art nicht immer richtig gewesen, in der hier von verschiedenen Präsidenten Ordnungsrufe aus zum Teil unverständlichen Anlässen und absolut mißverständlich erteilt worden sind. Auch hier — wir verzeichnen ja solche Beispiele in der Praxis — hilft ein gewisser Humor statt eines tödlichen Ernstes sehr oft dazu, daß wir leichter über gewisse Dinge, gewisse Spannungen und Schwierigkeiten hinwegkommen.
— Was meinen Sie?
— Sehr wahr, dann muß man eben einen Präsidenten wählen, der Humor hat!
Sehen Sie, zur Stellung des Präsidenten: ich erinnere mich sehr deutlich an eine Beratung im Haushaltsausschuß. Sie war am gleichen Tage vormittags, als der Herr Präsident nachmittags oder nachts einen nach unserer Auffassung sehr falschen Schritt getan hat. Wir haben damals in jener Sitzung anläßlich der Haushaltsberatung sehr deutlich erklärt, daß kein Zweifel daran bestehen könne, daß der Präsident des Deutschen Bundestages der zweite Mann im Staate sei.
Nach dem Bundespräsidenten kommt nun einmal nach dem Grundgesetz der Präsident des Bundestages, und dann erst kommt der Herr Bundeskanzler. Aus dem Grunde und aus dieser Rangordnung heraus haben wir es auch gar nicht gern gesehen, daß sich der Herr Präsident unter dem Eindruck des geschwungenen Zeigefingers des charmanten Herrn Bundeskanzlers im Falle Seuffert zu Maßnahmen bewegen ließ, die absolut nicht unsere Billigung finden konnten.
Ich glaube, daß sich die Mängel, die unsere Geschäftsordnung und besonders die- falsche Anwendung des § 91 der Geschäftsordnung offenbart, ausgezeichnet durch die vom Ausschuß für die Geschäftsordnung ausgearbeitete Hausordnung beheben ließen, wenn sie nur bald Gnade vor den Augen der Fraktionen und vor den Augen des Herrn Präsidenten gefunden haben würde. Vielleicht wäre man mit ihr schon in den letzten Tagen in der Lage gewesen, einige überflüssige Differenzen und Spannungen zu vermeiden.
Der Ruf unseres Parlaments, die Seriosität unserer Arbeit und das Streben nach der Erreichung des Zieles, das uns wohl allen gemeinsam ist, nämlich im Dienste unseres Volkes das
Beste zu leisten und für eine deutsche Gleichberechtigung zu sorgen, die trotz aller schönen Reden von anderer Seite noch nicht vorhanden' ist, — dieser Wunsch dürfte demnächst vielleicht auch dazu führen, daß wir uns einmal mit dem Problem der gleichberechtigten Beteiligung unserer Republik und unseres Parlaments im Rahmen der Interparlamentarischen Union in Genf zu befassen haben. Wir dürften auch der Förderung der europäischen Einigungsbewegung unsere Aufmerksamkeit zuwenden müssen. Dazu aber gehört vor allen Dingen noch eines, meine Damen und Herren: Die Würde und das Ansehen des Parlaments müssen in erster Linie von uns, den Abgeordneten, gewahrt und gesichert werden.
Abschließend will ich auf eine Angelegenheit hinweisen, für die ich auch beim besten Willen zum Verständnis für Agitation einfach kein Verständnis aufbringen kann. Vor mir liegt der Auszug aus der „Teck-Rundschau" vom 20. März 1950 aus Kirchheim. Ich muß gestehen, daß ich selbst das Blatt früher noch nie gesehen habe; es ist meiner Aufmerksamkeit entgangen.
— Oh, das weiß ich; ich meine das Blatt, Herr Kollege Bausch, von dessen Bedeutung ich bisher noch nicht durchdrungen war. Aber ich finde dort einen Bericht über die Rede eines Abgeordneten dieses Hohen Hauses.
— Der Kollege wird sicher nichts dagegen haben, wenn ich seinen Namen nenne; er hat sicher das Bedürfnis, zu seinen Taten, die ich Untaten nennen möchte, zu stehen. Es ist der Herr Kol-. lege Dr. Ott, der sich unabhängig nennt.
Ich nenne Ihnen aus dem, was Herr Dr. Ott dort
— in Kirchheim wohl — in einer Versammlung produziert hat, nur einen einzigen Fall als Muster dafür, wie Parlamentarier das Parlament in den Kot ziehen, meine Damen und Herren.
Es heißt in diesem Bericht:
Auch in den Ausschüssen, sagte Herr Abgeordneter Dr. Ott, werde vielfach unproduktive Arbeit geleistet.
So habe zum Beispiel ein 27-gliedriger Ausschuß am Freitag vormittag die Frage behandelt, wann der Präsident des Bundestages einen Ordnungsruf erteilen dürfe. Zu einem Ergebnis sei der Ausschuß nicht gekommen, jedoch müßten allein an Diäten für diese Ausschußsitzung 810 DM aufgebracht werden.
Herr Kollege Dr. Ott, diese Behauptung ist von A bis Z unwahr!
Es handelte sich um die 22. Sitzung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität vom 17. März 1950. Die Sitzung begann vormittags um 9 Uhr 10 Minuten. Auf der Tagesordnung standen:
1. Beratung des Antrages der Fraktion der KPD und der Fraktion der SPD, Drucksachen Nr. 689 und 707.
Berichterstatter Abg. Dr. von Merkatz.
2. Geschäftsordnung des Vermittlungsausschusses des Bundestages und des Bundesrates nach Art. 77 des Grundgesetzes. Berichterstatter Abg. Dr. Arndt.
3. Interpretation des § 89 der Vorläufigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages betreffend Sachen Ordnungsrufe;
— das meint Herr Dr. Ott —
Berichterstatter Abg. Dr. Arndt und Abg. Mende.
4. Interpretation des § 48 der Vorläufigen Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages.
Berichterstatter Abg. Dr. Arndt.
In dieser Vormittagssitzung wurde das von dem Herrn Abgeordneten Dr. Ott erwähnte Problem der Interpretation der Geschäftsordnung behandelt. Kein Abgeordneter bezog für diese Ausschußsitzung auch nur einen Pfennig Diäten.
Am Nachmittag war eine Plenarsitzung. Der Herr Abgeordnete Dr. Ott hat die Wahrheit unterschlagen, daß die Abgeordneten ihre Anwesenheit zur Plenarsitzung selbstverständlich, wie es ihre Pflicht ist, zur unbezahlten, unhonorierten Teilnahme an nicht nur einer, sondern an vielen Ausschußsitzungen benützt haben.
Meine Damen und Herren, man wäre in bezug auf diese Art der öffentlichen Kritik am Parlament versucht zu sagen: So das geschieht am grünen Holz, was soll am dürren werden!
Ich glaube, es wäre sehr sehr nützlich, wenn sich die Kritik, die notwendige Kritik am Parlament und seinen Arbeiten auf dem Boden und der Ebene der Sachlichkeit vollziehen würde.
Damit würden wir dem deutschen Volk einen weit höheren Dienst leisten als durch derart demagogische Unterstellungen und Verdrehungen. Schließlich, _meine Damen und Herren, darf doch eines nicht aus unserem Denken verschwinden: Wir haben etwas hinter uns, ein grauenhaftes Erlebnis hinter uns, wir haben den Untergang einer Demokratie — im Jahre 1933 — hinter uns.
- Wollen Sie wieder dasselbe? Meine Herren von den Kommunisten, Sie sind ja doch die schlimmsten Totengräber der Demokratie gewesen.
Soll ich Sie erinnern an Ihr Zusammenspiel im preußischen Landtag im Juni 1932 mit den Nationalsozialisten zusammen?
Sie haben die allerletzte Veranlassung, sich irgendwie als Demokraten zu deklarieren.
Das glauben Ihnen überhaupt nur noch die Dümmsten in unserem Volk.
— Wer stimmte der Hitlerschen Außenpolitik zu? Diese Frage will ich Ihnen gern beantworten. Der Hitlerschen Außenpolitik beim Einmarsch in Polen stimmte die Sowjetunion zu.
Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung zum Schluß. Ich glaube, es ist die Pflicht jedes wirklichen Demokraten, dafür zu sorgen, daß dieses Parlament aus seiner seriösen Arbeit heraus draußen im Volk jenes Vertrauen gewinnt, das die Voraussetzung dafür ist, damit wirklich wertvolle Arbeit im Dienste eben dieses Volkes geleistet werden kann.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Herr Abgeordneter Matthes.
Es sprechen die Herren Abgeordneten Loritz, Matthes, Dr. Ott.
Herr Abgeordneter Loritz, bitte!
— Also bitte, Herr Abgeordneter Bausch.
Ich möchte nur eine Bemerkung zu den Anträgen machen, die mein Herr Vorredner soeben besprochen hat, zu den Anträgen auf Drucksache Nr. 778. Die Anträge unter Ziffer 4 Buchstaben a und b beziehen sich im wesentlichen auf die Geschäftsordnung für den Bundestag. Ich möchte darum bitten, daß dieser Teil der Anträge an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität überwiesen wird. Dann möchte ich weiter darum bitten, über den Antrag Drucksache Nr. 778, Ziffer 4 Buchstabe c getrennt abzustimmen. Über diesen Antrag können wir uns sofort schlüssig werden. Meine Partei ist bereit, diesem Antrag Ziffer 4 c ihre Zustimmung zu geben.
Das Wort hat weiter Herr Abgeordneter Matthes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Freunde schließen sich den Schlußworten des verehrten Kollegen Ritzel vollinhaltlich an. Lassen Sie mich, bevor ich wenige Bemerkungen zu diesen Schlußbemerkungen des Kollegen Ritzel mache, noch etwas sagen im Hinblick auf die Wünsche des Hohen Hauses, die in so reichem Maße nicht nur an das Präsidium des Bundestages, sondern ebensosehr an die Verwaltung und die Mitglieder des Organisationsausschusses wegen Zurverfügungstellung von. geeigneten Arbeitsplätzen herangetragen worden sind. Wenn man als geruhsamer Beobachter durch dieses Haus geht und einmal Winkel und Eckchen aufsucht, die den vielen Besuchern dieses Hauses, die von nah und fern hierhereilen, kaum ins Auge fallen, dann wird man feststellen können, daß in Kellerwinkeln
und in Kellerecken Kollegen mit ihrer Schreibmaschine sitzen, Kollegen ihrer Sekretärin an diesen Stellen Diktat geben. Wer in den letzten Wochen und Monaten kleine und kleinste bauliche Veränderungen in diesem Hause gesehen hat, der hat dabei immer wieder feststellen dürfen, daß diese baulichen Veränderungen vorgenommen worden sind, um eben geeignete Arbeitsplätze für die Mitglieder des Hauses zu schaffen. Es ist der Sache nicht gedient, daß wir hier und da eine Wand herausreißen und eine neue ziehen.
So hat der Organisationsausschuß diese Fülle von Beschwerden und diese Fülle von Wünschen, die an ihn herangetragen worden sind, nunmehr in emsiger Arbeit gesichtet und insofern zu verwirklichen versucht, daß wir dem Präsidium des Hauses noch in der kommenden Woche unsere Pläne greifbar zur Gestaltung unterbreiten können im Hinblick auf einen Zwischentrakt bzw. die Verlängerung des Südflügels dieses Hauses, um in diesem Neubau für rund 250 Abgeordnete Arbeitsplätze zu schaffen und um dort sieben Ausschußsitzungszimmer erstellen zu können.
In Verhandlungen, die wir in den letzten Tagen mit einem Beauftragten des Herrn Bundesfinanzministers gehabt haben, haben wir die Bitte zum Ausdruck gebracht, auch die Frage, die Kollege Ritzel hier angeschnitten hat, zu behandeln, nämlich auf die rechtlichen Besitzverhältnisse dieses Hauses noch einzuwirken, um auch die Besitzer dieses Hauses an dieser Frage zu interessieren. Wir glauben heute schon, den Mitgliedern des Hohen Hauses mitteilen zu können, daß in allerkürzester Zeit, vielleicht schon beim Zusammentritt nach den Osterferien, dieses Projekt der Reife entgegengeführt werden kann.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch ein ganz kurzes Wort über die Kritik an diesem Hause sagen. Ich habe es nicht verstanden und werde es nicht verstehen, daß Mitglieder dieses Hauses — ich sage das auch auf die Gefahr hin, mir einen Ordnungsruf zuzuziehen, denn ich finde keine andere Erklärung dafür — in einer geradezu demagogischen Art und Weise dieses Hohe Haus draußen herunterziehen.
Ich weiß nicht, ob die Fraktion eines Mitglieds dieses Hauses hinter ihm steht, wenn es darum geht, Mittel zu bewilligen, die ja schließlich auch in den Haushalt des Bundestags fallen. Ich glaube, wenn wir uns mit den Mitgliedern dieser Fraktion unterhielten, dann ständen sie bestimmt nicht hinter ihrem Fraktionsvorsitzenden. Und ich glaube, Herr Kollege Loritz kann sich ruhig etwas mehr mäßigen, wenn er hier diesen Platz einnimmt.
Meine Damen und Herren! Wir haben es ja alle in Erinnerung. Ich richte diese Adresse nicht allein an Sie, Herr Kollege Loritz, auch an andere Mitglieder dieses Hohen Hauses, die sich darüber aufregen. Wenn ich draußen gegen die Diäten wettere, dann muß ich so konsequent sein, diese meine Diäten insgesamt irgendeinem Wohlfahrtsinstitut zur Verfügung zu stellen.
Herr Kollege Loritz,
in diese Einzelheiten will ich mich nicht verlieren. Ich behaupte jedenfalls, daß Sie nicht ohne Diäten
aus diesem Hause gehen, und diese Behauptung können Sie nicht widerlegen.
Wir, die wir so viel Verantwortungsgefühl im Herzen tragen, wie Sie es auch für sich in Anspruch nehmen, legen keinen Wert darauf, das Volk draußen in dieser demagogischen Art anzusprechen.
Ich wiederhole: draußen, nicht in diesem Hause. Ihre Demagogie draußen in Versammlungen ist durch nichts zu überbieten.
Wenn hier Kollege Ritzel dem Kollegen Leuchtgens erklärt, daß er auf der einen Seite Sparsamkeit walten lassen will, auf der anderen Seite aber durch seine eigene Arbeit und durch Antragstellung, von der er sich von vornherein darüber klar ist, daß sie in diesem Hause keine Annahme und Beachtung findet, 800 DM Kosten verursacht, dann ist das kein Einzelfall. Summieren Sie das einmal für ein ganzes Jahr! Ich wünschte nur, daß unser Volk draußen unsere Arbeit mehr objektiv kritisieren und würdigen und nicht so sehr auf die Demagogie Gewicht und Wert legen würde.
Ich bekam vor 14 Tagen aus meinem Wahlkreis einen Brief, in dem die Frage aufgeworfen wurde: Wo waren Sie am Freitag um die und die Zeit, als die Abstimmung im Plenum erfolgte? — Sie erinnern sich an diesen Freitag, Spätnachmittag und Abend. Ich konnte erfreulicherweise mitteilen, daß ich im Hause weilte. Das ist eine Selbstverständlichkeit für denjenigen, der durch das Vertrauen des Volkes hierher geschickt ist. Wir, die versuchen, unsere Pflicht bis zur äußersten Konsequenz zu erfüllen, haben die Kritik unserer Arbeitgeber nicht zu fürchten, denn der Wähler ist unser Arbeitgeber. Unsere Auftraggeber sind die Wähler und Wählerinnen, und ihnen obliegt es, ihre Abgeordneten zur Verantwortung zu ziehen. Dann kommen wir im Plenum sehr schnell zu einer geordneten Geschäftsführung und zu einer geordneten Arbeitsweise.
Ich wünschte weiterhin und möchte das auch vor aller Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen, daß die Sachlichkeit und Fachlichkeit, die in den Ausschüssen obwaltet, endlich Platz im Plenum greifen wollte. Dann wäre alles im besten Fluß. Dann brauchten wir kein Schnellzugstempo, um unsere Vorlagen hier zu verabschieden. Wir sollten uns alle, jeder von uns, 'darüber klar sein, daß. wir mit einer Propagandawalze in diesem Hause keine Herzen gewinnen und keine Aufbauarbeit leisten. Wenn wir uns mit der Frage in der Zukunft zu befassen haben, wie wir den Schutz dieser jungen Demokratie herbeiführen, dann wollen wir alle lieber tatsächlich dafür Sorge tragen, diese Demokratie durch harte, sachliche, objektive Arbeit im Herzen dieses Volkes zu verankern. Dann werden wir jederzeit bereit sein, draußen Rede und Antwort zu stehen. Dann kann ich Ihnen allerdings sagen, haben wir von links und vom Radikalismus rechts nichts zu fürchten.
— Der schaltet aus, der ist nur vorübergehend, Herr Kollege Hilbert. — Unsere Wähler und Wählerinnen im Bundesgebiet werden recht bald dahinterkommen, wieweit sie dem Abgeordneten Loritz folgen können. In dieser Beziehung sehe ich nicht die große Gefahr. Die große Gefahr sehe ich darin, daß wir uns nicht befleißigen, möglichst bald hier in diesem Hohen Hause zu wirklich sachlicher
Arbeit überzugehen, wie wir sie in den Ausschüssen erleben. Wenn wir diesem Beispiel folgen, dann dürfen Sie überzeugt sein, sind auch die Bewohner unseres jungen Staatswesens diesem Staatswesen und auch seinem Parlament wirklich mit ihrem Herzen und in Liebe zugetan. Das liegt einzig in unserer Hand, und damit meine ich alle.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Ott.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, daß mir Gelegenheit gegeben wird, auf diese Anschuldigungen vor diesem Hohen Hause zu antworten. Ich habe nicht einmal, sondern x-mal gehört, wie man sich von dieser Stelle aus schon über die unsachliche Wiedergabe in der Presse von Ereignissen, die draußen geschehen sind, und auch von Abgeordnetenreden beschwert hat. Ich will nur, bevor ich auf den Kern eingehe, eine Kostprobe geben. Man schreibt zum Beispiel: „Ein eigenartiger Seelsorger! Pfarrer Ott organisiert Knüppelgarde".
Und dann:
Die Deutsche Gemeinschaft hat am Freitagabend in Nürtingen eine Kundgebung abgehalten. Bei den Ausführungen des Redners Pfarrer Ott hat sich die Rednertribüne mit Leuten gefüllt, die Ott als seinen Saalschutz bezeichnet.
Wie war es mit der Füllung dieser Rednertribüne? — Hier die Antwort: Der wahre Sachverhalt war folgender: Der Saal und alle Tribünen waren bereits vor Beginn der Kundgebung überfüllt, und noch immer verlangten weitere Teilnehmer Einlaß. Um den großen Tribünenraum auszunutzen, schickten einige verantwortliche Männer die noch hereinströmenden Menschen, 'darunter zahlreiche Schwerkriegsbeschädigte, Zeitungsberichterstatter, Frauen und einige Amerikaner der Besatzungsdienststelle dorthin. Das also war der Saalschutz vom Bundestagsabgeordneten Dr. Ott.
In Kirchheim/Teck habe ich — auch damit hat sich Herr Abgeordneter Ritzel beschäftigt — folgendes gesagt: Es werden nicht nur im Parlament, sondern auch in den Ausschüssen oft Themen behandelt, für die das Volk gar kein Verständnis hat. Und das wiederhole ich hier!
Wenn zum Beispiel in dem Ausschuß, in dem ich erst vor wenigen Tagen war, das Thema behandelt wurde, wann der Herr Präsident einen Ordnungsruf erteilen darf, und wenn für einen Ausschuß pro Mann 30 DM bezahlt werden, so daß Ausschüsse, in denen 27 Mitglieder sitzen, die Summe von 810 DM kosten,
dann hat das Volk für derartige Arbeiten 'kein Verständnis.
— Das ist keine Lüge, sondern das sind Tatsachen!
Es wurden hier im Parlament Themen gewälzt, für die das Volk kein Verständnis hat, besonders nicht dafür, daß man so lange darüber debattiert.
Aber das ist ganz klar: die Presse hat, wenn es gegen Dr. Ott geht, immer recht. Das scheint selbstverständlich zu sein!
Wenn ich gerade von der SPD durch Monate hindurch angegriffen worden bin und dann zu diesen Angriffen auch Stellung nehme wie zum Beispiel in Reichenbach, wo man mir — den Zettel habe ich sogar hier — einen Zettel auf das Rednerpult legt, welche Angriffe die SPD gegen mich gestartet hat, und ich dann darauf antworte, dann ist das selbstverständlich ein „Großangriff gegen die SPD".
Herr Abgeordneter Dr. Ott, darf ich Ihnen einmal einen guten Rat geben: Beschränken Sie sich lediglich auf die Vorhaltungen, die Ihnen seitens des Herrn Abgeordneten Ritzel gemacht worden sind.
Sie kommen sonst zu weit von der Sache ab.
Das, was Herr Abgeordneter Ritzel mir vorhält, ist so nicht geschehen.
Ich kann nach wie vor wiederholen, was ich gesagt habe, und das ist keine Herabsetzung des Hohen Hauses. Ich habe hier schon andere Dinge gehört. Ich habe erst neulich in der Zeitung gelesen, daß ein Redner — auch ein Abgeordneter — gesagt hat, die Abgeordneten wären die bestbezahlten Arbeitslosen.
Ich glaube, das ist ein Wort, zu dem man hier vor diesem Hause eher Stellung nehmen könnte.
Im übrigen habe ich es gar nicht nötig, darauf einzugehen; denn das Haus — lest doch alle Berichte durch! — hat alle Veranlassung, sämtliche Reden durchzustudieren und einmal aufs Korn zu nehmen, und dann wird man ja sehen, ob der Dr. Ott oder vielleicht ein anderer mehr geschadet hat. Ich auf jeden Fall nicht!
Ich bin vielleicht der einzige unabhängige Abgeordnete. Es fällt mir oft schwer, hier zu reden. Warum? Weil man sofort die Gegenstimmung von links bis rechts — mit wenigen Ausnahmen — merkt; denn was ich sage, ist selbstverständlich einmal ganz „unwichtig", während ein anderes Mal, wenn man mal nicht im Parlament ist, die Stimme so „wichtig" ist, als ob der ganze Parlamentsbetrieb nicht weitergehen könnte, wie zum Beispiel die AZ berichtet. Ich möchte Herrn Abgeordneten Paul hier einmal fragen: Wer betreibt mehr Demagogie: ich oder Ihr Blatt in Württemberg, die „Abendzeitung", die dauernd solche Berichte lanciert?
Herr Abgeordneter Ott, ich bitte Sie, sich jetzt an die Sache zu halten, weil Sie sonst nicht fertigwerden. Wir haben den Einzelplan II über den Bundestag vor uns.
Dann möchte ich Sie bitten, sich einmal die Reden durchzulesen, die gerade von
seiten der Bayernpartei gehalten worden sind, und
sich zu überlegen, was diese Reden gekostet haben.
Ich sage nochmals: Ich bin genau so gewählter Vertreter des Volkes wie jeder andere und habe das Recht, hier zu reden und meine Wähler in meinem Kreis, in Stadt und Land zu vertreten. Das Urteil des Volkes draußen — merkt euch das, meine Herren! — wird nicht von mir gebildet, sondern das hat das Haus bereits selbst gebildet.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmid.
Meine Damen und Herren! Vor einigen Tagen ist im Ältestenrat der Antrag gestellt worden, dieses Haus möge so bald als möglich einen Ausschuß wählen, der eine Ehrenordnung aufstellt,
und das Haus möge alsdann einen Ehrenrat bestellen: Früher kam man in den Parlamenten ohne solche Einrichtung aus.
Früher genügte es, die Geschäftsordnung richtig zu handhaben, man konnte sich darauf verlassen. daß die Abgeordneten draußen — wenn sie vor ihren Wählern sprachen — sich in einer Weise benahmen, daß einem der Gedanke an die Notwendigkeit von Ehrenordnungen nicht zu kommen brauchte.
Das hat sich offenbar geändert, und da die Institutionen den Verhältnissen angepaßt werden müssen und die Verhältnisse so sind, wie ich sie schilderte, scheint mir die Bestellung eines Ehrenrats und die Verabschiedung einer Ehrenordnung eine dringende Notwendigkeit zu sein.
Ich bitte Sie, zu bedenken, was ein Abgeordneter tun soll, dem es widerfährt, daß ein anderer Abgeordneter des Hauses — es war Herr Dr. Ott — auf einer Versammlung mit Bezug auf ihn und mit Nennung seines Namens sagt, daß er — ich in diesem Falle — vier Gehälter à 2000 Mark usw. beziehe; daß dieser Mann auf einem internationalen Kongreß seine deutsche Sprache verraten habe und daß man schon an seinem Körnerumfang feststellen könne, daß seine Partei eine Bonzenpartei sei usw. usw.
Soll ich denn dem Mann auf seine Versammlungen nachreisen und seinem Publikum sagen, was es gehört habe, sei nicht wahr?
Solange keine Ehrenordnung da ist, bleibt in solchen Fällen nur die Möglichkeit der Selbsthilfe. Ich habe zur Selbsthilfe gegriffen und dem Herrn Dr. Ott gesagt, so benehme sich kein Politiker, sondern ein Strauchdieb!
Es ist eine merkwürdige Sache, daß sich hier jemand zum Hüter der Ehrenhaftigkeit der Abgeordneten und zum Kritiker ihrer so „unendlichen" Bezüge aufwirft, der es nicht verschmäht, sich in der
Anwesenheitsliste einzutragen, ohne nachher den Sitzungssaal zu betreten.
Vielleicht kann man die Anwesenheitsliste vom 3. März daraufhin nachsehen.
Er behauptet vor seinen Wählern, er habe sich so verhalten müssen, wie ich es schilderte, weil er einen Großangriff auf die SPD habe starten müssen.
Nun, die SPD — eine lokale Stelle dieser Partei: Reichenbach an der Fils —
hat ihn aufgefordert, sich einer Diskussion zu stellen. Herr Dr. Ott hat es vorgezogen, nicht zu kommen.
Und dann hat er einen seiner Wirbel angerichtet
und deklariert hier für einen. Großangriff, was man,
wenn man in poetischer Sprache reden wollte, eher
dem Surren einer Schmeißfliege vergleichen könnte.
Damit, meine Damen und Herren, habe ich gesagt, was ich zu dieser Sache und zu dem Verhalten des Herrn Dr. Ott zu sagen hatte.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine Damen und Herren, ich wollte eigentlich nicht das Wort ergreifen,
tue es nun aber doch auf die Erklärungen des Sprechers der DP hin.
Wir haben zurzeit die Beratung des Haushaltsplans des Bundestags.
Es ist bedauerlich genug, daß die sachliche Beratung durch die persönlichen Angriffe gegen mich und andere in das allgemeine Fahrwasser persönlicher Beschimpfungen gekommen ist.
Darf ich Ihnen eines sagen:
Weder ich noch meine Freunde von der WAV bestreiten dem Bundestag das Recht, die Gelder zu bekommen, die er für ein reibungsloses und gutes Funktionieren seiner Arbeiten braucht. Auch in der zweiten Lesung haben wir keine Anträge gestellt, die die Aktivität des Bundestags irgendwie herabmindern könnten. Wir sind im Gegenteil der Auffassung, daß gerade die Wirksamkeit des Bundestags gegenüber der Regierung nach Möglichkeit gesteigert werden muß, weil der Bundestag gegenüber der Regierung das übergeordnete Organ ist, wie heute schon ein Redner richtig gesagt hat. Es wäre außerordentlich gut, wenn sich der Bundestag bemühen würde, Redner mit anderer Auffassung, als sie die Mehrheit des Hauses hat, Redner auch
kleiner Fraktionen oder Gruppen zum Wort kommen zu lassen.
Meine Damen und Herren, Sie sagen: ich rede oft genug. Das ist meine Sache.
Ich rede so oft, wie ein neuer Tagesordnungspunkt zur Debatte steht und wir von der Fraktion irgend etwas dazu zu bemerken haben.
Aber dafür, wie ich bei meinen Reden jeweils unterbrochen werde, sind die amtlichen Stenogramme ja die besten Zeugen, und diese stenographischen Berichte habe ich wiederholt in Versammlungen vorgelesen.
— Daß Sie mich jetzt wiederum unterbrechen, ist für jeden, der zuhört, die typische Illustration dessen, was wir an den Arbeiten des Bundestages auszusetzen haben.
Es ist einfach unmöglich, hier drei Sätze in Ruhe zu sprechen
und etwas zu sagen, ohne daß man versucht, mich niederzuschreien. Wenn ich nicht zufällig ein gutes Sprachorgan hätte,
würde ich mich schon rein stimmenmäßig gegenüber Ihrem konzentrischen Hereinschreien gar nicht durchsetzen können.
— Ja, Sie sind einer der Hauptschreier, Herr Abgeordneter Strauß, mir gegenüber; das ist bekannt.
Meine Damen und Herren, ich erkläre Ihnen nochmals: das Geld, das der Bundestag zum Arbeiten braucht, soll ihm bewilligt werden; und wir sind die ersten, die das tun. Wir wenden uns nur gegen einen übertriebenen Aufwand, sei es z. B. bei Neubauten. Ich persönlich bin der Auffassung, daß die Ausgaben nicht so riesengroß geworden wären, wenn nicht seinerzeit diese unglückliche Lösung der Hauptstadtfrage getroffen worden wäre.
— Hören Sie bitte diesen Zwischenruf hier: „Die Eierpreise" ruft mir der Mann hier zwischendurch zu!
Sie machen mit solchen Zwischenrufen die Arbeit des Bundestages lächerlich! Das ist der Herr Vizepräsident, der einen solchen Zwischenruf macht.
— Jedenfalls einer Ihrer Leute.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Ruhe. Wir kommen mit dieser Debatte um so schneller zu Ende, je reibungsloser sie vor sich geht.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie machen die Arbeiten des Parlaments lächerlich, wenn Sie mit selchen Zwischenrufen kommen, die überhaupt nichts mit der Sache zu tun haben, sondern nur deshalb mir von Ihnen entgegengeschleudert werden, um mich aus der Fassung zu bringen.
— Was ich sage, will ich Ihnen gleich erklären. Ich sage draußen, daß es ein Skandal sondergleichen ist, wie man hier herinnen niedergeschrien wird. Jawohl, das ist ein Skandal, und das habe ich überall erklärt.
Schreien Sie ruhig die Kleinen und Schwachen in diesem Hause nieder, aber wundern Sie sich dann nicht, wenn in der Weltöffentlichkeit draußen unser kleines und schwaches Deutschland auch niedergeschrien wird und wenn Sie dann nicht dagegen sagen können, wie Sie es sonst tun könnten, die Gerechtigkeit fordere es, daß gerade die Schwachen und die Kleinen nicht unterdrückt, sondern gehört werden.
Das hängt alles zusammen!
Was nun meine Diäten-betrifft — ich muß dazu sprechen, nachdem hier die Sprache darauf gebracht wurde; i c h hätte es sonst weiß Gott nicht getan —, so sage ich Ihnen dazu eines: Selbstverständlich lebe ich nicht von der Luft. Ich beziehe 500 DM pro Monat, das ist das alte Fixum; nicht 600 wie Sie, sondern 500 DM, und dazu 30 DM für den Sitzungstag, wobei ich sehr oft An- und Abfahrtstage nicht berechne.
Davon muß ich die Unkosten abziehen, die ich habe: mein Telefon in München, die Schlafwagenplätze zweimal in der Woche herauf und hinunter,
und verschiedenes andere. Das ist es.
Und so ist es richtig, daß mir im letzten Monat 370 Mark netto geblieben sind nach Abzug dieser Ausgaben. Sonst beziehe ich keinen Pfennig! Ich mache es aber keinem von Ihnen zum Vorwurf, wenn er sich die 200 oder wieviel Mark Auslagenersatz für Ausgaben, die ihm entstehen und die er nachweisen sollte, bei der Bundestagskasse zusätzlich abhebt. Ich tue es jedenfalls nicht!
Aber darüber habe ich kein Wort 'gesprochen. Ich habe mich gegen etwas ganz anderes gewandt. Ich habe mich dagegen gewandt, daß die Ausgaben so stark heraufgesetzt worden sind, und wir waren die ersten, die sich gegen die überhöhte Anwendung der Kilometergelder ausgesprochen haben.
Leider habe ich nicht die Möglichkeit gehabt, als
ich Ende September da hineinleuchten wollte, — —
Herr Abgeordneter, dieser Punkt gehört nicht zum Thema. Wir sind nicht bei der Beratung des Diätengesetzes. Ich bitte, zur Sache zu reden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Es wurde mir aber vorgeworfen! Leider hatte ich damals nicht die Möglichkeit, hineinzuleuchten! Das muß ich sagen, nachdem Sie mir vorgeworfen haben, was ich an Diäten beziehe. Ich bin einer der geringsten Diätenbezieher im Hause!
Nun möchte ich noch eines bezüglich des Haushalts des Bundestages sagen. Je sparsamer der Bundestag eingerichtet ist, um so eher bildet er eine würdige Vertretung unseres armen und darniederliegenden Volkes.
Aus diesem Grunde und nur aus diesem Grunde stellen wir unsere Abänderungsanträge und haben sie nicht bloß zum Haushalt des Bundestags, sondern auch zu den Etats anderer Ministerien gestellt. Das, meine Herren Kollegen, bitte ich Sie doch endlich einmal berücksichtigen zu wollen, nicht einem immer zu unterstellen, man würde diese Anträge stellen, nur um Ihnen widersprechen zu wollen.
Nein, die Leute draußen im Volk verlangen es, weil nämlich der Bundestag heute weiß Gott nicht mehr verglichen werden kann und verglichen werden darf mit dem Reichstag von früher oder mit sonst einem Parlament eines Landes, das nicht durch zwei verlorene Weltkriege hindurchgegangen ist, das nicht Millionen und Millionen armer Teufel heute noch in Holzbaracken und in Bahnhofsbunkern wohnen hat. Schauen Sie nur hinüber zum Bahnhofsbunker sogar hier in Bonn!
Das hat aber nichts mit dem Haushalt des Bundestags zu tun.
Das hat insofern etwas damit zu tun, als wir bei allen Haushaltsaufstellungen mit der größtmöglichen Sparsamkeit vorgehen sollten, und das ist es, was die WAV gefordert hat im Interesse unseres armen deutschen Volkes!
Meine Damen und Herren, es haben sich noch drei Redner gemeldet.
Ich appelliere jetzt an die Herren, die noch sprechen werden, die sachliche Beratung unseres Haushaltsplanes nicht allzu lange hinauszuzögern. Wenn noch drei Herren reden, so könnten sie meines Erachtens in einer Viertelstunde fertig sein. Es ist jetzt bereits halb zwölf, und wir sind noch beim Einzelplan II. Ich will keinen Vorschlag auf Beschränkung der Redezeit der Herren machen, die sich noch gemeldet haben. Das würde ich nicht für fair halten, weil auch die anderen Herren schon ohne Begrenzung der Redezeit gesprochen haben Ich appelliere also an' diese drei Herren.
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Ott!
— Ich kann niemandem das Wort verweigern. Herr Abgeordneter Dr. Ott hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich wiederhole ganz kurz nochmals, daß die von Herrn Professor Dr. Carlo Schmid gemachten Angaben nicht den Tatsachen entsprechen. Dafür sind Zeuge alle Versammlungsteilnehmer, die damals in Reichenbach anwesend waren. Es war nicht die Rede von einer Zahl, sondern davon, daß Sie, Herr Professor, Professor sind, Minister sind, Vizepräsident sind, Abgeordneter und stellvertretender Staatspräsident usw.
— Das ist nicht gesagt worden. Es soll einer kommen, der das sagen kann. Das ist eine offensichtliche Lüge, Herr Professor Carlo Schmid, das möchte ich hier betonen. Wenn das berichtet worden ist, ist das eine offensichtliche Lüge. Das können die über 800 Anwesenden bezeugen.
Sie meinen, derjenige, der das berichtet hat, habe eine Lüge ausgesprochen?
Jawohl, Herr Präsident. Wegen mir, Herr Professor, brauchten Sie kein Ehrengericht hier einzurichten,
das möchte ich Ihnen nur sagen, sondern das sollten Sie einrichten für diejenigen, die schon vor dem 14. August nichts anderes konnten, als nur persönliche Angriffe gegen mich zu starten. Aber, wie gesagt, wenn man antwortet, dann ist das sofort ein „Angriff". Im übrigen will ich mich hier im Parlament nicht mit derartigen persönlichen Auseinandersetzungen befassen.
- Ich bin gar nicht in der Lage, alle Zeitungen ringsum zu lesen. Ich habe dieses Blatt, das Sie vorgelesen haben, heute zum ersten Mal vorgelegt bekommen. Abgesehen davon möchte ich sagen, daß ich es nicht abonniert habe und daß es mir auch nicht zugeschickt wird. Wo soll ich es hernehmen? Ich lese vor allem Ihre Blätter, vor allem die AZ von Stuttgart, die sich dauernd und eingehend mit meiner Person befaßt.
Dann, Herr Professor Schmid, will ich Ihnen noch etwas sagen.
Herr Abgeordneter, ich rufe Sie zum erstenmal zur Sache!
Ich werde mich nie aufregen, wenn jemand zu mir sagt, daß ich klein bin; und wenn ich umgekehrt sage, Herr Professor Carlo Schmid: Sie haben eine Leibesfülle,
so ist das doch aus dem Zusammenhang herausgerissen, aber keine persönliche Beleidigung Ihnen gegenüber. Ich bedaure nur, daß Sie, den ich so schätze,
so kleinlich sein können, auf 'derartige Dinge einzugehen. Das bedaure ich sehr.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich habe nur für einen Augenblick das Wort erbeten, um zu 'einigen Feststellungen des Herrn Kollegen Ritzel Stellung zu nehmen. Er hat zunächst behauptet, ich habe alle Beträge für die Bücherei streichen wollen. Das trifft zu. Ich habe dabei aber
ausdrücklich erklärt, daß dies in der Absicht geschah, hier eine gemeinsame Bibliothek einzurichten. Was er in dieser Richtung gesagt hat, geht also durchaus fehl.
Dann hat er den Geschmack entwickelt, zu sagen, meine Anträge hier im Hause hätten 800 Mark gekostet. Es ist richtig, ich habe vier Anträge gestellt, die gedruckt worden sind. Die vier ersten Anträge, die ich gestellt habe, sind nicht gedruckt worden, sondern sind, wie ich mit Herrn Dr. Geisler besprochen hatte, ohne weiteres zu den Akten genommen worden. Von den anderen vier Anträgen also hat Herr Ritzel behauptet, sie kosteten 800 Mark. Es mag sein, daß sie so viel kosten. Aber dann möchte ich doch zu bedenken geben, daß seit Bestehen des Bundestages bereits 790 Anträge gestellt worden sind. Vielleicht nimmt sich Herr Ritzel bei seinem etwas nach Detektiv schmeckenden Vorgehen auch einmal die Mühe, festzustellen, wieviele Anträge von der Sozialdemokratie gestellt worden sind, was -diese Anträge kosten und was ihr Effekt ist.
— Diese Frage ist nicht überflüssig. Ich hätte sie ja -gar nicht angeschnitten; wenn man aber dem parlamentarischen Betrieb hier Achtung im Volk verschaffen will, -darf man von solchen Kinkerlitzchen wahrhaftig nicht reden.
— Wenn ich die Anträge gestellt habe, so habe ich sie aus Gewissenhaftigkeit und Überzeugung gestellt, und wenn Sie den Anträgen zugestimmt hätten,
dann hätten wir eine Ersparnis von 3 bis 4 Millionen Mark erzielt. Zu diesem Zweck kann man schon Anträge stellen, und zu diesem Zweck kann man auch Anträge bezahlen.
Im übrigen, meine Damen und Herren: wenn Sie Ihre Arbeit weiterhin herabsetzen wollen, dann entfesseln Sie nur eine solche Debatte, wie wir sie heute morgen gehabt haben. Wenn wir uns darüber streiten, was die Reden des einzelnen kosten und was die Anträge des einzelnen kosten, wenn wir das alles hinaustragen an die Öffentlichkeit, dann wird man wirklich sagen: das ist eine Katzbalgerei sondergleichen!
Herr Abgeordneter, einen solchen Ausdruck muß ich zurückweisen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Solche Dinge erhöhen das Ansehen des Bundestages wahrhaftig nicht. Wer hier Anträge stellt, was diese Anträge kosten und was die Reden kosten, das wollen wir uns doch wirklich nicht vorwerfen; denn dann steigen wir auf eine Stufe hinunter, die uns beim Volk tatsächlich lächerlich macht.
Herr Abgeordneter Euler zur Geschäftsordnung!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mir scheint, was an wichtigen Gesichtspunkten zum Haushaltsplan des Bundestages vorgetragen werden konnte, ist geschehen. Ich beantrage Schluß der Debatte.
Wird zu diesem Geschäftsordnungsantrag das Wort gewünscht?
- Es ist noch ein Redner vorgemerkt.
— Es ist nur noch e i n Herr vorgesehen. Dann darf ich den Antrag vielleicht -dahin abändern, daß Schluß der Rednerliste beantragt wird. Darf ich insoweit die Zustimmung des Hauses feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch.
Das Wort hat als letzter Herr Abgeordneter Hohl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist sehr bedauerlich, daß wir uns in dieser Sitzung mit Ausführungen von Mitgliedern dieses Hohen Hauses befassen müssen, die es vorziehen, draußen im Volk über dieses Parlament Dinge zu verbreiten und Behauptungen aufzustellen, die, ich möchte sagen, mehr als ungeheuerlich sind. Wir wissen alle, wie schwer es die junge Demokratie heute hat, sich durchzusetzen, um sich wirklich fest auf die Beine zu stellen. Dabei müssen wir es erleben, daß draußen im Volk von einzelnen Abgeordneten Dinge verbreitet werden, die nicht nur nicht der Wahrheit entsprechen, sondern die vor allen Dingen dazu angetan sind, der jungen Demokratie größten Schaden zuzufügen. Deshalb ist es, so bedauerlich das auch sein mag, notwendig, sich von dieser Stelle aus mit den Ausführungen einzelner Redner zu beschäftigen.
Der Kollege Loritz
— jawohl, Herr Kollege Loritz! — hat in allerjüngster Zeit versucht, jetzt auch in Hessen vorzudringen
und auch Hessen mit all dem zu beglücken, was er dem deutschen Volk glaubt sagen zu müssen. Um Sie darüber zu informieren, was sich der Abgeordnete Loritz in der allerjüngsten Zeit in seinen Äußerungen über dieses Hohe Haus geleistet hat, gestatten Sie mir bitte, Herr Präsident, dem Hause einen kurzen Auszug aus dem Bericht einer Teilnehmerin an einer Versammlung vorzulesen, die vor kurzem, vor ungefähr acht Tagen, in Limburg stattgefunden hat.
— Es ist sehr interessant, Herr Abgeordneter Loritz, daß Sie alles, was andere sagen, als Lüge abzutun belieben.
Es würde zu weit führen, jede Einzelheit des dreistündigen Tobens wiederzugeben. Darum beschränke ich mich darauf, einige Stilblüten herauszugreifen. Nach diesem Bericht hat der Herr Abgeordnete Loritz u. a. folgendes erklärt:
Im Gegensatz zu den Abgeordneten der Regierungsparteien beziehe ich nur 320 DM monatlich
— Lassen Sie mich doch bitte einmal das vorlesen! —
und verzichte auf das Kilometergeld, um wenigstens von mir aus die wahnwitzigen und sinnlosen Ausgaben des Bundestages nicht noch zu vergrößern. Allerdings kann ich mir auch kein Kotelett zu 4 DM leisten und bin infolgedessen schlank, im Gegensatz zu den vollgefressenen Bonzen der CDU/CSU.
Ich bitte, jetzt in Ruhe zuzuhören.
Ich komme soeben von der Beratung des Haushaltes
— das ist also alles das, was Herr Loritz nach dem Bericht gesagt hat —
und bin völlig fassungslos darüber, in welch unverantwortlicher Weise man in Bonn die saueren Steuergelder einfach zum Fenster herausschmeißt, und das für Abgeordnete, die man bei den Abstimmungen aus den Wirtschaften herausholen muß, weil sie zu faul und zu gleichgültig sind, ihrer Pflicht zu genügen.
Die alten Versagerparteien haben sich mit den unfähigen Männern von früher wieder nach vorn gespielt, so vor allen Dingen die Leute des ehemaligen Zentrums, der heutigen CDU. Sie waren damals vor 1933 an der entsetzlichen Arbeitslosigkeit schuld, genau wie heute die völlig gescheiterte und unfähige Regierung Adenauer an der jetzigen Arbeitslosigkeit, die böswillig von Herrn Adenauer verursacht ist,
da genügend Geld vorhanden ist, um mit einem Schlag die Arbeitslosigkeit zu beseitigen.
Außenpolitisch hat Adenauers völlig unmögliche Taktik es erreicht, heute einem Scherbenhaufen gegenüberzustehen. Dazu hat er Deutschland Frankreich angeboten, damit Deutschland von der Karte verschwinde.
Dann noch einige Sätze weiter in dem Bericht:
Durch unerhörten Mißbrauch der Steuergelder gehe in dem Saustall Bonn alles vor die Hunde.
— Dann weiter:
Das ganze Abgeordnetensystem
sei undeutsch und öffne der Korruption Tür und Tor. Auch in Bonn munkele man von Bestechungsaffären. Allerdings habe er da die Beweise noch nicht in der Hand.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist beschämend, mehr als beschämend, daß man solche Äußerungen dem Hohen Hause von dieser Stelle aus bekanntgeben muß
und daß es Abgeordnete dieses Hohen Hauses gibt, die ihre Aufgabe derart auffassen, in diesem Sinne draußen im Volk tätig zu sein, anstatt ihre ganze Kraft dafür einzusetzen und mit allen Mitteln in sachlicher Art und Weise mitzuhelfen, um die ungeheure Not unseres Volkes zu meistern.
— Herr Kollege Loritz, wenn Sie so viel, wie Sie es vorhin getan haben, von Sparsamkeit reden, dann sage ich Ihnen: den allergrößten Dienst in bezug auf Sparsamkeit würden Sie diesem Hohen Hause und unserem deutschen Volke leisten, wenn Sie in wirklicher Sachlichkeit mit Ihrer gesamten Fraktion in allen Dingen mitarbeiten würden.
Denn die größte Sachlichkeit ist die größte Sparsamkeit nicht allein für dieses Haus, sondern für unser ganzes deutsches Volk. Deswegen sollten sich alle befleißigen, in diesem Sinne zu arbeiten und nicht da draußen mit dieser ungeheuren Verhetzung mit dazu beizutragen, unsere junge Demokratie schlechtzumachen.
Die Zeit ist viel zu ernst dazu, derartige Dinge draußen im Volk zu verbreiten. Jeder Abgeordnete sollte sich schämen, draußen in unserem Volk überhaupt in diesem Sinne Äußerungen zu tun, die in gar keiner Weise der Wahrheit entsprechen und die nur dazu angetan sind, eine ungeheure Verhetzung und Aufhetzung draußen im Volk zu bewirken.
Meine Damen und Herren! Nachdem das Haus dem Antrag auf Schluß der Rednerliste vorhin zugestimmt hat, stelle ich auch gleichzeitig damit den Schluß der Aussprache bzw. der Einzelbesprechung zu Einzelplan II fest.
Wir kommen zunächst zu den Abstimmungen über die vorliegenden Abänderungsanträge. Ich bitte, die Drucksache Nr. 778 zur Hand zu nehmen. Bei Drucksache Nr. 778 haben wir über Ziffer 2 abzustimmen. Ferner haben wir über den der Sache nach gleichlautenden Antrag Drucksache Nr. 780 abzustimmen.
Wer für den Abänderungsantrag der Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 und der Drucksache Nr. 780 gleichen Inhalts ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit. Infolgedessen ist der Abänderungsantrag abgelehnt.
Der Herr Abgeordnete Bausch hatte eine getrennte Abstimmung bei den Abänderungsanträgen Drucksache Nr. 778 Ziffer 4a, b und c beantragt. Ich
nehme auch das Einverständnis der Herren Antragsteller an, daß wir getrennt abstimmen.
— Ich bitte Sie, das zu erläutern.
Meine Damen und Herren! Ich wiederhole noch einmal den Antrag des Herrn Abgeordneten Bausch, den Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 4a und b an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zu überweisen. Ich lasse über diesen weitergehenden Antrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist die Überweisung des Abänderungsantrages Drucksache Nr. 778 Ziffer 4a und b an den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu dem Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 778 Ziffer 4c. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte uni die Gegenprobe. — Fast 'einstimmig angenommen.
Damit sind die Abänderungsanträge erledigt.
Ich rufe nunmehr den Einzelplan II im ganzen unter Berücksichtigung der Abänderungsanträge auf. Wer für Einzelplan II ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke und bitte um die Gegenprobe. — Gegen eine geringe Minderheit angenommen.
Wir kommen nunmehr zu
Einzelplan Ha - Haushalt der Bundesversammlung.
Irgendwelche Abänderungsanträge liegen nicht vor. Wer für Einzelplan IIa in der vorliegenden Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich danke. Angenommen.
— Bitte Gegenprobe! — Gegen wenige Stimmen angenommen.
Wir kommen nunmehr zu
Einzelplan III — Haushalt des Bundesrats.
Es liegt kein Abänderungsantrag vor. Wer für Einzelplan III ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich danke und bitte um die Gegenprobe.
— Gegen eine geringe Minderheit angenommen. Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Mellies.
Meine Damen und Herren! Es liegen mehrere Anträge vor, die sich auf alle Einzelpläne beziehen. Ich glaube, es liegt im Interesse unserer Arbeit, wenn wir diese Anträge vor Beginn der Abstimmung über die weiteren Einzelpläne erledigen. Soweit ich es im Augenblick übersehen kann, handelt es sich um die Anträge auf Drucksache Nr. 778 Ziffer 1 bis 3, auf Drucksache Nr. 779 Ziffer 1 und 2, auf Drucksache Nr. 780 und auf Drucksache Nr. 790 Ziffer 1 und 2. Außerdem würden noch die Anträge auf Drucksache Nr. 777 und auf Drucksache Nr. 793 in Frage kommen. Ich hatte mit den Kollegen von der Zentrumspartei bereits gesprochen. Sie waren bereit, eine gewisse Abänderung vorzunehmen. Diese müßte hier vorgetragen werden. Diese Anträge können nicht durch einfachen Beschluß des Bundestags erledigt werden. Dazu ist eine Änderung durch Gesetz erforderlich. Ich bitte den Herrn Präsidenten, die soeben von mir genannten Drucksachen zunächst aufzurufen und darüber für alle Einzelpläne abstimmen zu lassen.
Sie haben den Herrn Abgeordneten Mellies zur Geschäftordnung gehört. Wird das Wort dazu gewünscht?
Zur Geschäftsordnung Herr Abgeordneter Schoettle!
Meine Damen und Herren! Ich mache auf eine Tatsache aufmerksam, die vielleicht der Aufmerksamkeit des Hauses entgangen ist. Ich weiß nicht, ob wir jetzt bei dieser Abstimmung die Anträge zu allen Plänen erledigen können. In der Drucksache Nr. 768, Zusammenstellung der Beschlüsse aus der zweiten Beratung des Haushaltsgesetzes, ist auf Seite 2 folgendes gesagt: „Neu wird in den Einzelplänen XIV, XVI und XVII in Kap. 1 Tit. 1 der Ausgaben je eine Stelle Besoldungsgruppe B 2: 1 Staatssekretär eingefügt." Meine Fraktion hat zwar ihre Anträge aus der zweiten Lesung wieder aufgenommen. Aber für den Fall, daß sich eine Mehrheit für die Bestätigung der Beschlüsse der zweiten Lesung hier finden sollte, möchte ich doch darauf hinweisen, daß der Haushaltsausschuß in all den Fällen, in denen der Staatssekretär gestrichen worden ist, an die Stelle des Staatssekretärs einen Ministerialdirektor gesetzt hat. Wenn Sie die Beschlüsse der zweiten Lesung in dieser Form bestätigen, haben die Ministerien nicht nur einen Staatssekretär, sondern auch noch einen Ministerialdirektor. Das heißt, wir schenken dann der Verwaltung praktisch eine Stelle, die sie gar nicht braucht und die sie nicht haben dürfte. Ich bitte Sie, das zu berücksichtigen, wenn wir zur Abstimmung kommen.
Ich frage noch einmal, ob das Wort zu dem Geschäftsordnungsantrag des Herrn Abgeordneten Mellies gewünscht wird, über die genannten Drucksachen jetzt vorweg einheitlich abzustimmen, weil sie sämtliche Einzelpläne betreffen. Ich halte das für eine Vereinfachung des Verfahrens. — Ich höre keinen Widerspruch. Wir verfahren danach.
Herr Abgeordneter Bausch!
Meine Damen und Herren! Zu dem, was soeben der Herr Kollege Schoettle bemerkt hat, möchte ich folgendes sagen: Wir sehen es als selbstverständlich an, daß die Ministerialdirektorstellen, die der Haushaltsausschuß bewilligt hat, gestrichen werden, falls die Staatssekretäre, wie das in der zweiten Lesung vorgesehen ist, hier akzeptiert werden.
— Ja, dann muß die Drucksache geändert werden.
Herr Abgeordneter Dr. Bertram wünscht noch zur Sache zu sprechen.
Ich nehme an, daß die geschäftsordnungsmäßige Behandlung vom Hause gebilligt ist. Ich möchte zur Sache, nämlich zur Frage der
Anrechnungsfähigkeit der Abgeordnetenbezüge auf die Bezüge der Minister, die zugleich Abgeordnete sind, bzw. auf die Bezüge der Staatssekretäre, die zugleich Abgeordnete sind, noch einmal kurz Stellung nehmen. Ich hatte das bereits in der zweiten Lesung getan. Wir haben dementsprechend die Anträge gestellt, die in der Drucksache Nr. 777 und in der Drucksache Nr. '193 vor Ihnen liegen. Es ist richtig, daß diese Anträge im Haushaltsplan nur als Erläuterungen erscheinen können und daß damit die Rechtsbeziehungen zwischen dem Bund einerseits und den Ministern bzw. Staatssekretären andererseits noch nicht geregelt werden. Im Reichstag von 1870 finden wir das Beispiel, daß Bismarcks Etat gestrichen werden sollte und daß Bismarck dann in der Versammlung erklärt hat: Sie können mir hier ruhig im Haushalt mein Reichskanzlergehalt streichen; ich beziehe es doch und werde sonst das Reich verklagen. Dieses Beispiel hat also historisches Gewicht. Deshalb ist es notwendig, neben einer entsprechenden Aufnahme der Bestimmungen in die Erläuterungen des Haushaltsplans noch eine entsprechende Entschließung zu fassen, wodurch die Bundesregierung ersucht wird, die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, sei es durch eine Abänderung- des Ministerbesoldungsgesetzes, sei es durch eine Abänderung der Besoldungsordnung, sei es endlich durch eine Abänderung des zu schaffenden Diätengesetzes. Im Wege welcher dieser drei gesetzlichen Möglichkeiten diese Abänderung aufgenommen werden soll, mag sich die Regierung überlegen. Wir haben deshalb einen weiteren Antrag, der in Ergänzung unserer Anträge eben dem Herrn Präsidenten vorgelegt worden ist, mit folgendem Wortlaut eingereicht:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, beschleunigt dem Bundestag entsprechende Gesetzesvorlagen vorzulegen, durch die bei Ministern und Staatssekretären, die gleichzeitig Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind, bei ihren Bezügen diejenigen Beträge in Anrechnung gebracht werden, die sie in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete erhalten.
Ob daher die Anrechnung bei den Diäten oder bei den Ministergehältern oder bei den Aufwandsentschädigungen erfolgen soll, ist eine Frage, die der späteren gesetzlichen Regelung durch diese Bundesgesetze noch überlassen bleiben müßte. Der Antrag selber wäre zur Ergänzung des Haushaltsgesetzes erforderlich.
Meine Damen und Herren! Wir sind uns darüber klar, daß wir entsprechend dem Antrag Mellies über die in Frage kommenden Anträge, die sämtliche Einzelhaushaltspläne betreffen, insgesamt abstimmen und insoweit uns bereits in der sachlichen Aussprache darüber befinden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.
Meine Damen und Herren! Ich bin an sich mit dem Herrn Kollegen Dr. Bertram der Meinung, daß diese Frage nicht in das Haushaltsgesetz gehört. Ich glaube aber, wir sollten nicht ein Ersuchen an die Regierung richten, ein Gesetz vorzulegen, sondern wir sollten diese Frage dort behandeln, wo sie behandelt werden muß, nämlich im Diätengesetz. Ich bitte deswegen namens meiner Fraktion, diese beiden Anträge der Zentrumspartei an den Geschäftsordnungsausschuß
zu überweisen, damit sie dort Berücksichtigung finden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Erler. — Ach, Verzeihung, vor Ihnen hatte sich Herr Abgeordneter Dr. Lütkens gemeldet.
— So, in Ordnung. Sie kommen auch dran.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte in aller Kürze die Anträge unter den ersten drei Ziffern der Drucksache Nr. 778 begründen. Es handelt sich um einen mehr formellen Antrag und zwei Anträge mit sachlicher Auswirkung.
Zunächst der formelle Antrag. Wir wiederholen unseren Antrag aus der zweiten Lesung, wonach in allen Einzelplänen der Tit. 19, „Reisekosten", in die normalen Reisekosten, Tit. 19 a, und in die Reisekosten, die zwischen Frankfurt und Bonn anläßlich der Verlegung des Bundessitzes hierher entstanden sind, Tit. 19 b, aufgegliedert werden soll. Warum? Ein Haushaltsplan muß mehreren Grundsätzen folgen. Er muß wahr sein, er muß klar sein und er muß darüber hinaus die Vergleichbarkeit mit den entsprechenden Ausgaben der anderen Jahre enthalten. Diesen Grundsatz der Vergleichbarkeit würden wir gefährden, wenn wir den normalen Reisekostenaufwand, der in anderen Jahren mit jeder Verwaltungs- und Regierungstätigkeit verbunden ist, dem anormalen Aufwand für die Reisetätigkeit zwischen Frankfurt und Bonn gegenüberstellen, der zwangsläufig dadurch entstanden sein muß, daß die Regierung noch zweiteilig ist, und den wir decken müssen. Die Verwaltung kommt in ein ganz schiefes Licht, wenn sie hier nichtzusammengehörige Posten zusammenwirft. -
Deshalb ist es notwendig, diesen Posten aufzugliedern.
Ich darf Ihnen sagen, daß wir in der Beratung des Ergänzungsgesetzes beim Kapitel der allgemeinen Finanzverwaltung noch auf einen Posten von über 6 Millionen DM kommen werden, der dort veranschlagt ist, weil die bisher eingesetzten Posten für die Verlegung der Dienststellen von Frankfurt nach Bonn nicht ausreichen. In dieser Globalsumme von über 6 Millionen DM sind eine ganze Reihe von einzelnen Dingen enthalten, die uns bisher noch nicht genau bekannt sind, zum Beispiel auch Reisekosten, zum Beispiel auch Trennungsentschädigungen. Es handelt sich doch um recht erhebliche Summen. Die Reisekosten allein in den Haushaltsplänen, die uns jetzt vorliegen, machen zusammen 236 300 DM aus, die Trennungsentschädigungen 617 900 DM und die Kosten für Familienheimfahrten 60 400 DM. Und das alles doch nur für ein halbes Jahr und außerdem auch nur für die halbe Regierung! Wir haben hier nur 8 Pläne beraten, und die 6 größten Pläne, nämlich für die alten Verwaltungen, stehen noch aus. Wir müssen also, um auf den Jahresbetrag zu kommen, den uns dieser ganze Aufwand hier kostet, diesen Betrag mit 4 malnehmen. Es handelt sich immerhin um Beträge in der Größenordnung von etwa 21/2 Millionen DM. Damit hier Klarheit darüber geschaffen wird, was durch besondere einmalige Umstände bedingt und was normaler Verwaltungsaufwand ist, bitten wir Sie also, im Interesse der sauberen Abgrenzung diesem Antrag zuzustimmen. Sachlich
ändert sich dadurch nichts. Es wird nicht ein Pfennig gespart oder mehr ausgegeben, aber wir haben die Dinge sauberer veranschlagt.
Nun zu den beiden sachlichen Anträgen; einmal, die Dienstaufwandsentschädigung für die Bundesminister auf 4 800 DM im Jahre festzusetzen. Dieser Antrag hat schon eine erheblichere finanzielle Auswirkung. Bei seiner Annahme würden wir im Jahre 98 400 DM einsparen. Warum tun wir das? Ich kann die Begründung vielleicht gleich mit den beiden anderen Dingen zusammenfassen. Wir wünschen, daß die Dienstaufwandsentschädigung für Staatssekretäre gestrichen wird. Wir wünschen weiter in Ziffer 3 unseres Antrags, daß mit Ausnahme der Pläne für den Bundespräsidenten und für den Bundeskanzler die übrigen im Tit. 24 ausgeworfenen Beträge, die dem Minister für außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlicher Veranlassung in besonderen Fällen zur Verfügung stehen, auf die Hälfte herabgesetzt werden. Das gibt noch einmal eine Ersparnis von 130 000 DM im Jahr, in dem halben Jahr, um das es sich hier handelt, eine Ersparnis von 65 000 DM. Insgesamt würde sich die finanzielle Auswirkung unserer Anträge auf rund eine Viertelmillion im Jahr belaufen.
Warum wünschen wir das? Sie haben aus den bisherigen Beratungen doch mit aller Deutlichkeit gesehen, daß es unserer Fraktion nicht darauf ankommt, die Regierung oder Verwaltung an irgendeinem Punkt an der Arbeit zu hindern. Daß wir den Haushaltsplan insgesamt ablehnen, ist bei der politischen Konstellation dieses Hauses — weil die Zustimmung zum Haushaltsplan ein Vertrauensausdruck gegenüber einer Regierung ist, zu der wir halt politisch kein Vertrauen haben — eine Selbstverständlichkeit. Aber im übrigen haben die Beratungen im einzelnen doch ergeben, daß wir durchaus mit uns reden ließen, wenn es um sachliche Bedürfnisse ging. Hier sind wir nun wirklich der Meinung, daß das sachliche Bedürfnis nach Repräsentation nicht so groß ist, wie es nach den ausgesetzten Beträgen hier den Anschein hat.
Abg. Dr. Wuermeling: Warum bejahen Sie
es denn in den Ländern?)
— Wir diskutieren ja hier augenblicklich den Bundeshaushalt. Ich bin bereit, auch an einer entsprechenden Stelle, dort, wo meine Fraktionsfreunde es tun müßten, in den Länderhaushalten nämlich, die gleichen Gedanken zu vertreten, Herr Dr. Wuermeling! Warum auch nicht?
— Auf alle Fälle darf ein schlechtes Beispiel woanders kein Vorbild für den Bundestag sein, sondern dann müssen wir Vorbild für die andern sein. Das ist dann unsere Aufgabe. Ich bin durchaus der Meinung, wir sollten es mit dem Wort halten: der Fisch stinkt vom Kopf. Fangen wir also oben an, bei diesen Dingen auf die nötige Ordnung zu sehen.
Der Staatssekretär ist dem Minister zur Erfüllung seiner dienstlichen und nicht zur Erfüllung seiner repräsentativen Verpflichtungen beigegeben. Deswegen brauchen wir für den Staatssekretär neben seiner sonst anständigen Dotierung nicht noch eine Aufwandsentschädigung.
Auch die übrigen Minister haben nicht die gleiche repräsentative Aufgabe, wie sie selbstverständlich dem Bundeskanzler als dem augenblicklich einzigen Träger der außenpolitischen Funktionen in der Regierung zukommt. Bei ihm wollen wir nicht um einen
Pfennig in diesen Dingen markten, auch nicht N beim Bundespräsidenten. Dort liegen echte repräsentative Aufgaben für die Bundesrepublik vor, bei den übrigen Ministern nicht in dem gleichen Umfang; ihre Tätigkeit ist eine mehr fachliche. Ich bitte, doch immer daran zu denken, daß wir in außergewöhnlichen Zeiten leben, die auch außergewöhnliche Maßnahmen rechtfertigen. Eine solche außergewohnliche Maßnahme wäre es, wenn wir uns bei der durchaus notwendigen Repräsentation in bestimmten Fällen auf das der heutigen Lage unseres Volkes entsprechende Maß beschränken. Wir sind ja gar nicht so finster, daß wir Ihnen die ganzen Ansatze streichen wollen, aber wir bitten Sie, sie auf das Maß zurückzuführen, das unserer heutigen Lage entspricht. Ich glaube, bei einem Betrag von rund einer Viertelmillion DM an den verschiedensten Posten lohnt es sich doch schon, darüber einmal ernsthaft zu reden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bausch.
Ich möchte zu dem Antrag Drucksache Nr. 768 noch folgenden Ergänzungsantrag stellen:
In den Einzelplänen:
XIV — Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau — und XVI — Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen — wird je eine Stelle Besoldungsgruppe B 4 — ein Ministerialdirektor — gestrichen.
Verzeihung, das kommt doch erst nachher?
Dann darf ich die Aussprache über die Anträge, die für alle Einzelhaushaltspläne gemeinsam gelten, als abgeschlossen bezeichnen.
Wir kommen nunmehr zum Aufruf. Ich rufe einzeln auf. Ich bitte, alle Drucksachen zur Hand zu nehmen. Ich darf vor der Abstimmung vielleicht noch einmal sämtliche in Frage kommenden Drucksachen aufführen, damit alle Damen und Herren sie bereit haben: Drucksachen Nr. 778, 779, 780, 790, 777, 793, 750. DM sind also die Abänderungsanträge, die für alle Einzelhaushaltspläne gelten. -
Ich rufe zunächst auf: Wer für den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 778 Ziffern 1, 2 und 3 ist, —
— Ich bin ja eigentlich schon in der Abstimmung.
-- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach.
Da der Antrag der kommunistischen Fraktion Drucksache Nr. 779 unter Ziffer 1 weitergehend als die anderen Anträge ist, bitte ich den Präsidenten, darüber zuerst abstimmen zu lassen.
Wir haben nun einmal die Reihenfolge so festgelegt. Ich habe Ihren Antrag auch aufgerufen; er kommt gleich an zweiter Stelle.
Wer für den Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffern 1, 2 und 3 ist, — —
Wer für Ziffer 2 des Antrags Drucksache Nr. 778 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich entscheide, das letztere war die Mehrheit. -Danach ist Ziffer 1 des Antrages Drucksache Nr. 778 abgelehnt.
— Wer für den Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Demnach ist die Ziffer 2 des Abänderungsantrags Drucksache Nr. 778 angenommen.
— Wir sind mitten in der Abstimmung.
— Verzeihung, ich verstehe gar nicht. Ich habe klar und deutlich mehrmals auseinandergesetzt, worum es sich handelt. Muß ich das dem Haus noch einmal auseinandersetzen?
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 3. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit. Danach ist die Ziffer 3 des Antrags Nr. 778 abgelehnt.
— Nein, abgelehnt, ich bitte Sie!
— Es wird der Wunsch geäußert, die Zahl der Stimmenthaltungen festzustellen. Ich sehe keine Enthaltungen.
Wir kommen jetzt zur Ziffer I des Abänderungsantrags Drucksache Nr. 779. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Eindeutig mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen zu dem Antrag Drucksache Nr. 779 Ziffer 2. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Eindeutig mit Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zum Antrag Drucksache Nr. 780.
Der ist praktisch durch die Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 erledigt.
— Meine Damen und Herren, ich bin eigentlich mitten in der Abstimmung.
Ich möchte nur darauf hinweisen, daß über diesen Antrag bereits zweimal abgestimmt worden ist; vor 10 Minuten ist dieser Antrag abgelehnt und soeben ist er angenommen worden. — Welche Abstimmung soll nun gelten?
Ich möchte das dahin erläutern: Die Anträge Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 und Drucksache Nr. 780 sind ihrem Inhalt nach identisch. Da der Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 vorhin angenommen worden ist,
ist demnach der Antrag Drucksache Nr. 780 erledigt gewesen.
— Zur Abstimmung, aber n u r zur Abstimmung!
Ich stelle fest, daß die Abstimmung über die hier in Rede stehenden Anträge zweimal vorgenommen worden ist, und zwar einmal bei der Beratung des Einzelplans II. Da sind die Anträge Drucksache Nr. 778 Ziffer 2 und Nr. 780 abgelehnt worden, und bei diesem Haushaltsplan haben wir sie angenommen. Die Frage des Kollegen Bausch, was eigentlich gelten solle, ist vollkommen berechtigt.
Verzeihung, das war eine Sonderabstimmung für den Einzelplan II. Danach ist beantragt worden, über alle Anträge, die die weiteren Haushaltspläne gemeinsam betreffen, auch gemeinsam abzustimmen. Es ist also gar nichts daran zu machen.
Wir kommen jetzt zum Antrag Drucksache Nr. 790. Wer für Ziffer 1 des Antrags Drucksache Nr. 790 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke, ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, das erste war die Mehrheit. Demnach ist Ziffer 1 des Antrags Drucksache Nr. 790 angenommen.
— Verzeihung, ich habe das soeben hier festgestellt.
— Gut, meine Damen und Herren, dann machen wir einen Hammelsprung über den Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 1. Ja-Sager bitte rechts, NeinSager links, diejenigen, die sich der Stimme enthalten wollen, durch die Mitte. Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 1!
- Dann darf ich zwei Abgeordnete bitten, als Hilfsschriftführer einzutreten.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Die Auszählung ist beendet. Ich bitte die Schriftführer um Ermittlung des Ergebnisses.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Abstimmungsergebnis bekannt: Für den Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 1 sind abgegeben worden 193 Stimmen, dagegen 150, bei 8 Enthaltungen.
Meine Damen und Herren! Was die Ziffer 2 des Antrags Drucksache Nr. 790 anlangt, so ist diese durch die vorhin erfolgte Annahme der gleichlautenden Ziffer des Antrags Drucksache Nr. 778 als erledigt zu betrachten.
— Bitte!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
In unserem Antrag ist insbesondere eine Erhöhung des Dispositionsfonds für den Flüchtlingsminister von 10 000 auf 20 000 DM vorgesehen, Drucksache Nr. 790 Ziffer 2.
Das kommt ja nachher bei der Abstimmung über den Einzelplan.
Ich möchte widersprechen, wenn Sie sagen, der Antrag sei erledigt.
Ziffer 2, hatte ich gesagt.
Also Ziffer 2 ist nicht insgesamt erledigt! Ich wollte dies nur geschäftsordnungsmäßig feststellen!
Wir kommen jetzt zum Änderungsantrag des Zentrums Drucksache Nr. 777. Ich bitte aber, daß jedes Mitglied dieses Hauses diese Drucksache vor sich hat, ehe wir zur Abstimmung schreiten, damit keine Mißverständnisse entstehen. Ich rufe noch einmal auf Antrag Drucksache Nr. 777. Haben alle Damen und Herren den Änderungsantrag vor sich? — Sind Sie alle soweit, daß ich zur Abstimmung schreiten kann? Wer für den Antrag Nr. 777 —
— Verzeihung, hier liegt ein Antrag vor: In dem Antrag Drucksache Nr. 777 werden zunächst die Worte „und Staatssekretären" gestrichen. Darüber müßten wir extra abstimmen. Nun hat aber Herr Abgeordneter Dr. von Brentano vorhin beantragt, den Antrag Nr. 777 an den zuständigen Ausschuß zu überweisen. An welchen, bitte?
— Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß und Haushaltsausschuß.
Der Antrag auf Überweisung ist der weitestgehende Antrag. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. — Wer für Überweisung des Antrags Drucksache Nr. 777 an den Geschäftsordnungs- und den Haushaltsausschuß ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu einem handschriftlichen Antrag.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, den Zentrumsantrag Drucksache Nr. 793 zur Hand zu nehmen, der ebenfalls für sämtliche Einzelpläne gilt.
Ist das Haus damit einverstanden, daß auch Nr. 793 an die beiden zuständigen Ausschüsse, Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß sowie Haushaltsausschuß geht?
— Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer dafür ist, daß der Antrag Drucksache Nr. 793 an den Geschäftsordnungs- und Immunitätsausschuß einerseits und an den Haushaltsausschuß andererseits geht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war eindeutig die Mehrheit.
Ich bitte, jetzt den Antrag Drucksache Nr. 750 zur Hand zu nehmen. — Haben alle Damen und Herren die Drucksache Nr. 750?
— Ich werde das gern tun, ich muß ihn aber haben.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Abgeordneten Bausch und Genossen — Drucksache Nr. 750 — betreffend Dienstaufwandsentschädigung für Bundesminister und Staatssekretäre lautet:
Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird ersucht — —
Ja, das ist ja aus dem Haushaltplan des Jahres 1950!
Verzeihung, das gilt ja erst für den Haushaltsplan 1950. Darüber kann erst nach Abschluß- der Abstimmung über den diesjährigen Haushaltsplan abgestimmt werden.
Wir sind doch beim Haushaltsplan 1949/50. Das machen wir also nach Schluß der Abstimmung über den jetzigen Haushaltsplan.
— Die Frage ist geschäftsordnungsmäßig entschieden.
Es liegt noch ein handschriftlicher Antrag der
Frau Abgeordneten Wessel und Fraktion vor: Die Bundesregierung wird ersucht, beschleunigt dem Bundestag entsprechende Gesetzesvorlagen vorzulegen, durch die bei Ministern und Staatssekretären, die gleichzeitig Abgeordnete des Deutschen Bundestages sind,
bei ihren Bezügen diejenigen Beträge in Anrechnung gebracht werden, die sie in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete haben.
Auch das gehört zu dem Geschäftsordnungsantrag des Herrn Abgeordneten von Brentano.
— Ist schon überwiesen. Sind die Antragsteller damit einverstanden? — Dann ist das erledigt.
Damit haben wir also alle diejenigen Anträge, die alle siebzehn Haushaltspläne angehen, erledigt.
Wir kommen nunmehr zum
Einzelplan IV -- Bundeskanzler und Bundeskanzleramt.
Dazu liegen folgende Anträge vor: Antrag der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer IV, ferner eine Entschließung der SPD Drucksache Nr. 786 und eine Entschließung des Zentrums Drucksache Nr. 785.
Ich eröffne die Einzelbesprechung des Einzelplans IV. Als erster hat sich Herr Abgeordneter Dr. Lütkens gemeldet.
Ich darf noch eine Frage aufwerfen. Wollen wir durchtagen?
— Können wir das nicht in Ruhe besprechen? Es ist jetzt 12 Uhr 30. Wir sind beim Einzelplan IV. Ich glaube, wir würden unter Umständen um 13 Uhr in eine etwas schwierige Lage kommen, weil sich diese oder jene Mitglieder des Hauses inzwischen zum Mittagessen begeben. Entweder man entschließt sich, durchzutagen. oder wir beraten bis 13 Uhr 30, legen eine Stunde Mittagspause ein und fangen pünktlich 14 Uhr 30 wieder an. Ist das Haus damit einverstanden?
Ich stelle meinen Vorschlag, bis 13 Uhr 30 durchzutagen, eine einstündige Mittagspause einzulegen und dann um 14 Uhr 30 mit den Beratungen wie-
der zu beginnen, zur Abstimmung. Wer für diesen Vorschlag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich stelle eine überwältigende Mehrheit fest. Ich danke Ihnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Lütkens.
Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Einzelplans IV kann es sich jetzt nicht mehr so sehr darum handeln, über das zu sprechen, was in der Vergangenheit geschehen ist. Die Tatsache, daß — wenigstens das, was das in Schlangenbad vorgeschlagene Bundesamt für Besatzungstragen und Auswärtige Angelegenheiten angeht - bisher so gut wie nichts geschehen ist und schon mehr denn 6 Monate vergangen sind, ohne daß an die organisatorischen Aufgaben, deren Inangriffnahme im Interesse des Volkes und dieser .Bundesrepublik notwendig sind, mit Ernst herangegangen worden ist, ist der Grind, daß ich darüber zu sprechen habe, was nun endlich geschehen muß. Wir bedauern, daß die Errichtung von Auslandsvertretungen, von konsularischen Vertretungen, wie sie uns nunmehr schon seit langem zugebilligt sind, immer weiter hinausgezögert wird. Jeder Verzug auf diesem Gebiet hemmt den Ausbau der weltwirtschaftlichen Beziehungen, zögert ihn hinaus. Da dieser Ausbau aber notwendig ist, um so schnell wie möglich die Eingliederung unserer Volkswirtschaft in den Kreislauf der Weltwirtschaft zu erreichen, ist ein Verzug, wie ich glaube, kaum entschuldbar.
Der Herr Bundeskanzler scheint noch nicht einmal einen Plan, einen sachgerechten, umfassenden und vernünftigen Plan fur den Aufbau dieser Außenhandelsvertretungen, dieser konsularischen Vertretungen, ausgearbeitet zu haben, und selbst
mit den wenigen Behörden dieser Art, die zu errichten uns die hohe Kommission bisher bewilligt hat, kommt er nicht voran.
Es wäre bedauerlich, wenn etwa auf seiten der Hohen Kommission Hemmungen dahin vorlagen, daß das sachlich Erforderliche geschähe, um uns wirtschaftlich mit denjenigen anderen Ländern der Welt in Verbindung zu bringen, die für unsern Außenhandel wichtig und mit denen Beziehungen für unsere Wirtschaft unbedingt erforderlich sind. Jedoch kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß es im Bundeskanzleramt bei der Betreibung dieser ganzen Angelegenheit an der nötigen Klarheit und dem erforderlichen Nachdruck fehlt.
Bisher sind uns im Haushaltsausschuß, was die im Ausland zu errichtenden konsularischen Vertretungen angeht, im wesentlichen zwei Dinge bekanntgemacht worden. Man hat uns von gewissen recht vagen Planungen für eine Reihe solcher Auslandsbehörden erzählt, und man hat von den Prinzipien der Personalpolitik gesprochen, die, soweit es diese Auslandsbehörden angeht, in Anwendung kommen sollen. Noch keine einzige dieser Vertretungen ist aber bis heute, obwohl wir uns dem 1. April bedenklich nähern, errichtet worden, und es scheint noch nicht einmal so, daß auch nur eine, was ihre Spitze anlangt, endgültig besetzt ist. Die Personalauswahl für diese Vertretungen scheint unendliche Schwierigkeiten zu machen, und zwar aus Gründen, die kaum in der Sache liegen dürften. Wenn das so weiter geht, werden wir wohl in diesem Jahre überhaupt nicht mehr zu der Errichtung von konsularischen Vertretungen kommen.
Mit den uns vorgelegten Richtlinien für die Personalpolitik im Bereich dieser Behörden kann man sich im wesentlichen einverstanden erklären. Meine Fraktion begrüßt es, daß Aussicht besteht, bei diesen Behörden in größerer Anzahl Frauen zur Arbeit heranzuziehen, und wir hoffen, daß die Regierungsparteien dem Herrn Bundeskanzler bei diesem lobenswerten Versuch, die Sache der Gleichberechtigung der Frauen praktisch zu fördern, nicht noch in den Arm fallen werden. Wir begrußen es auch, daß bei den Auslandsvertretungen keine früheren Mitglieder der Nazipartei eingestellt werden sollen; doch ist uns das nicht genug. Wir halten auch die Verwendung solcher Beamten im Ausland oder sonst überhaupt an sichtbarer Stelle in der Verwaltung, insbesondere in der Ministerialbürokratie, für unvertretbar, insbesondere solcher Beamten, die an der Politik während der Nazityrannei dadurch beteiligt waren, daß sie an wichtigen Stellen in der Verwaltung aktiv mitgewirkt haben.
Solche Leute mögen im Einzelfall durchaus ehrenwerte Männer sein, jedoch haben sie sich im Sinne der griechischen Tragödie schicksalhaft in Schuld verstrickt. Sie sind für unsere Demokratie, sie sind auch um des Ansehens dieser Demokratie im Ausland willen nicht mehr an sichtbarer Stelle im Inoder Ausland verwendbar. Mit Denazifizierung und „Persilschein" ist es hier nicht getan. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Respekts, den wir für unser neues Gemeinwesen im Ausland langsam wieder aufzubauen haben werden, wäre es wohl gerade Pflicht des Herrn Bundeskanzlers, mit Ernst darum besorgt zu sein, daß hier kein Schaden geschehe.
Es wird abzuwarten sein, wieweit sich die Praxis der Personalpolitik im Bereich des Bundeskanzleramtes und der Außenvertretungen mit den Erklärungen decken wird, die wir zunächst darüber bekommen haben. So sehr man, wie gesagt, diese Erklärungen begrüßt, so wenig kann man die Bemerkung unterdrücken, daß die Festlegung solcher Prinzipien einigermaßen hypokratisch erscheinen könnte, wenn sie nur auf die Auslandsbehörden, nicht aber auch im Rahmen des gesamten Bundeskanzleramtes und darüber hinaus in allen Ministerien dieser Bundesrepublik angewandt würden.
Ich versage es mir, an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt auf einzelne Fälle einzugehen, in der Hoffnung, daß der Herr Bundeskanzler und das ganze Kabinett noch Gelegenheit nehmen werden, etwaige Hedlereien in den Ministerien zu bereinigen. Möge man vorgehen wie in dem Fall Grabendorf alias Grabinski. Die stillschweigende Bereinigung — wenn sie erreichbar wäre und wenn diese Regierung in der Lage wäre, sie durchzuführen — würde auch für uns und im Interesse unseres werdenden Staatswesens für alle Zeiten wohl das Beste sein. Immerhin würde es mich interessieren, was inzwischen aus einem gewissen Herrn Ehrich geworden ist, den der Herr Minister für die Verbindung mit dem Bundesrat in seine nähere Umgebung gezogen hatte. Es handelt sich hier um einen Herrn, der mehr als 15 Jahre als Gauleiter oder Landesgruppenleiter in verschiedenen Ländern des europäischen Kontinents tätig gewesen ist.
Seine Beschäftigung in einem Ministerium der demokratischen Bundesrepublik ist in unseren Augen nicht zu verantworten.
Man hat gehört, er sei entlassen worden. Ist er, Herr Bundeskanzler, entlassen worden, oder ist es etwa wahr, daß er wieder in demselben Ministerium einen Platz gefunden hat, wobei der Herr Minister dieses im Gegensatz zu den klassischen Ministerien romantischen Ministeriums
der Meinung Ausdruck gegeben haben soll, daß es nicht Angelegenheit des Herrn Bundeskanzlers sei, sich um die Personalpolitik in den einzelnen Ministerien zu kümmern?
Nach meiner Ansicht ist das die Übertragung der Oberbürgermeisterei von Stade etwa auf die Gesichtspunkte der Politik dieser Bundesrepublik.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich, Herr Bundeskanzler, auch noch eine Frage an Sie richten, die sich auf Herrn Globke bezieht. Auf diesen Herrn hat man, glaube ich, schon einmal, wenn nicht zweimal, von dieser Stelle aus Bezug genommen. Es ist bekannt, daß er der Kommentator der Nürnberger Gesetze war.
Vielleicht war er auch der Referent zu der Gesetzgebung, die in den Nürnberger Gesetzen ihren Niederschlag gefunden hat? Es scheint, daß der Herr
Bundeskanzler Herrn Globke neuerdings eine Art
Oberaufsicht in den gesamten Personalfragen im
Bereich des Bundeskanzleramtes übertragen hat.
Wenigstens ist das so, wenn man den Berichten,
den vertraulichen Berichten der DPA folgen darf.
Das scheint mir allerdings eine einigermaßen befremdliche Entwicklung. Ich frage den Herrn Bundeskanzler heute, ob ihm bekannt ist, daß Herr Globke als Zeuge in den Nürnberger Prozessen ausgesagt hat, und ob es ihm bekannt ist, welche Aussagen er dort gemacht hat. Ich möchte den Herrn Bundeskanzler anschließend fragen, ob ihm nicht nur die Aussagen des Herrn Globke, sondern auch gewisse andere Vorgänge bekannt sind, die sich in diesem Zusammenhang abgespielt haben sollen.
Wir halten es sachlich für unbedingt erforderlich, daß bei dem Aufbau des Staatssekretariats für Besatzungsfragen und Auswärtige Angelegenheiten - oder ich sage besser: des Bundesamts für diese Auswärtigen Angelegenheiten — des zukünftigen Außenminsteriums, wie man wohl sagen darf, die Beschäftigten so ausgewählt werden, daß alle Schichten des Volkes zur Mitarbeit herangezogen und alle die Demokratie als Institution und als Gedankenwelt bejahenden Meinungen berücksichtigt werden. Ich bin nicht sicher, daß auch nur im Bereich des Bundeskanzleramtes dieser Selbstverständlichkeit Rechnung getragen wird. Sollte es ,nicht geschehen, so könnte das nur schlechte Folgen haben für die allmähliche Gesundung, die allmähliche Konsolidierung unseres öffentlichen Lebens und darüber hinaus für die Einrichtung eines möglichst leistungsfähigen Verwaltungskörpers. Denn es scheint klar, daß der Mangel an befähigten Kräften in diesem Land, daß die Niveausenkung in Können und Leistung in Deutschland so bedenklich ist, daß auf keine Kraft verzichtet werden- kann, die geeignet wäre, an diesen Aufgaben mitzuarbeiten.
Dieser Gesichtspunkt müßte auch bei der Besetzung der leitenden Stellen in wichtigen Auslandsbehörden berücksichtigt werden. Was mehr oder minder unverbürgt über die Versuche zu hören ist, Generalkonsuln auszuwählen, erfüllt alle, die es mit diesem Land wohlmeinen, mit Unbehagen und mit Zweifeln darüber, ob bei solcher Art des Vorgehens der politischen Wichtigkeit der Sache und auch der Wirkung im Ausland Rechnung getragen werde. Herr Ehrhard hat wohl versucht, einen faulen Witz zu machen, als er sich zum Generalkonsul in Liberia anmeldete. Weniger spaßhaft ist es aber, wenn wir es erleben, daß Vorschläge auf Besetzung der leitenden Stellen in den wichtigeren Auslandsvertretungen unter dem Gesichtspunkt des Faktionenstreits innerhalb der Regierungsparteien gemacht werden.
Das überschreitet nach unserem Geschmack das Maß des politisch Erträglichen. Es darf auf keinen Fall dahin kommen, daß die Auslandsvertretungen zum Abschiebebahnhof für mißliebige Abgeordnete der Regierungsparteien gemacht werden.
Bei der Einrichtung der größeren Konsulate hat sich der Herr Bundeskanzler dafür entschieden, diesen Behörden durch Auswahl von Politikern eine gewisse Bedeutung und politische Betonung zu geben. Es scheint uns politisch nicht ohne Bedenken, daß man den Anschein zu erwecken sucht oder es gar tatsächlich anstrebt, daß diesen Auslandsvertretungen, diesen Generalkonsulaten, gleichsam hintenherum der Charakter diplomatischer Vertretungen gegeben werden soll. Die Erfahrungen, die der Herr Bundeskanzler in der Zwischenzeit in der Frage gewonnen haben sollte, ob z. B. das amerikanische Generalkonsulat nach Washington oder nach New York zu senden sei, sollten ihn meiner Meinung nach veranlassen, sich die ganze Frage noch einmal im Prinzip zu überlegen.
Jedoch würde es uns interessieren zu hören, ob der Herr Bundeskanzler etwa so operiert hat, daß ihm zu guter Letzt von der anderen Seite eine offizielle — soll ich sagen: Weisung erteilt wurde, wie er sich zu verhalten hat. Und wenn das so ist, glaubt der Herr Bundeskanzler nicht mit uns, daß es besser sei, sich solchen Zurechtweisungen lieber nicht auszusetzen? Unserer Ansicht nach wird es klug sein, sich hier wie überhaupt allgemein im Rahmen des Besatzungsstatuts zu halten. Wir sollten nicht mehr scheinen wollen, als wir wirklich als Staatswesen sind.
Man sollte nicht mehr erstreben, als was uns außenpolitisch zuträglich sein kann. Das Geltungsbedürfnis von nouveaux riches, deren Hervorkommen die Wirtschaftspolitik dieser Regierung in Deutschland mehr und mehr fördert, läßt sich nicht mit Nutzen auf der politischen Ebene und insbesondere nicht auf der außenpolitischen Ebene nachahmen. Das gilt insbesondere auch für die Repräsentation seitens der Beamten. Wenn die Regierung mit ihren Forderungen für die Auslandsbehörden im nächsten Jahr in den Haushaltsausschuß geht, hoffen wir nichts von Ansätzen für Repräsentationsgelder und ähnliche Posten für die beamteten Konsuln und Generalkonsuln zu finden. Sie wie alle Beamte im Ausland werden das deutsche Volk würdig zu vertreten haben, d. h. sie
werden es in seiner Armut mit Würde zu vertreten haben.
Nicht nur als unentbehrliche Zentralstelle für die Konsulate, die ja andernfalls völlig in der Luft hängen würden, sondern auch aus anderen sehr triftigen Gründen ist es nach unserer Meinung nunmehr erforderlich, daß endlich und schnellstens eine rationell organisierte Zentralstelle für die Bearbeitung a 11 e r Angelegenheiten geschaffen wird, die Auswärtige Angelegenheiten sind und normalerweise von einem Außenministerium bearbeitet würden.
Dabei kann und muß nur auf das verzichtet werden, was das Besatzungsstatut ausdrücklich der Hohen Kommission vorbehält. Dieser Behörde &ne politische Abteilung anzuschließen. ist unbedingt erforderlich und mit keinem Buchstaben im Besatzungsstatut untersagt worden. Daß der Hohen Kommission die Wahrnehmung der Auswärtigen Angelegenheiten vorbehalten ist, meint ia nur, daß der Regierung solche selbständige Aktionen gegenüber anderen Staaten im Prinzip, nicht einmal im einzelnen. untersagt sind. die sich aus der Souveränität selbst herleiten. Keinesfalls kann und darf dieser Vorbehalt dahin verstanden werden, deß für diese Regierung und für das deutsche Volk außenpolitische Angelegenheiten tabu wären. Die Regierung muß sich und darf sich für die internationale Entwicklung interessieren, sich über sie informieren, sich über sie eine Meinung bilden und die so gewonnenen Erkenntnisse bei allen ihren politischen Schritten nach innen und gegenüber den Besatzungsmächten nach bestem Vermögen zur Geltung bringen. Man hat nicht gehört, daß Japan kein Außenministerium behalten habe. und es wäre widersinnig und nicht einmal im Interesse der Besatzungsmächte erwünscht. wenn der Zustand andauerte, der unter der Führung des Herrn Bundeskanzlers seit nunmehr einem halben Jahr besteht.
Es ist dringend, daß unter der obersten Leitung des Herrn Bundeskanzlers endlich eine solche außenpolitische Behörde eingerichtet werde. und es ist ebenso erforderlich. daß ihr ein Staatssekretär als dem Kabinett und dem Herrn Bundeskanzler verantwortlicher Behördenleiter vorgesetzt werde. Dieser Aufgabe und dieser in der sachlichen Notwendigkeit begründeten Pflicht hat der Herr Bundeskanzler sich aus völlig unverständlichen Gründen bisher entzogen. Nach Art einer Radiobastelei. möchte man sagen. werden hier und da kleine Büros errichtet. Auf diese Weise kann ein vernünftig funktionieren der Behördenapparat nicht aufgebaut werden. Mit solcher Apparatur ist eine Information nicht zu sichern. kann eine ruhige Abwägung dessen, was geschehen kann und muß, nicht angestellt werden. ist vernünftiger und verantwortlicher Rat nicht zu haben.
Es besteht im übrigen Grund, daran zu zweifeln, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, er fände Widerstände bei der Hohen Kommission, richtig ist; hat der Herr Bundeskanzler doch bereits vor mehreren Monaten und wiederholt nach einem Staatssekretär für diese Behörde Ausschau gehalten und mindestens einmal meinen politischen Freunden gegenüber seine Ernennung als bevorstehend angekündigt.
Ich habe schon erwähnt, daß die Regierung der Bundesrepublik sich in ihrer außenpolitischen Tätigkeit im Rahmen des Besatzungsstatuts zu halten selbstverständlich verpflichtet ist. Auch politische
Klugheit gebietet, daß sie wie jede andere Regierung sich nicht an Aufgaben heranwage und sich nicht in Dinge mische, denen weder unsere innere Struktur noch unsere realen Möglichkeiten der praktischen Mitarbeit sich gewachsen zeigen dürften. Das Rationale der deutschen Politik muß darin liegen, sich in Selbstdisziplin zu versagen, auch im Detail zu versagen, was ihr im Grundsatz verboten ist. Der Herr Bundeskanzler ist mehr als einmal der Gefahr nicht entgangen, die hier liegt. Wir vermissen eine gewisse Selbstdisziplin bei der Betreibung der Außenpolitik. In der auswärtigen Politik hat die Hohe Kommission treuhänderisch gewisse Aufgaben zu erfüllen, die ihr reserviert sind. Es wäre gefährlich, ja verhängnisvoll, seitens der Bundesregierung Aufgaben anzufassen, welche, wenn schon etwas getan werden soll, von der Hohen Kommission in die Hand zu nehmen wären, oder gar von anderer Seite sich etwa zu Aktionen verleiten zu lassen, die ihr, der Hohen Kommission, wahrzunehmen obliegen, wenn schon überhaupt etwas vom Boden dieser Bundesrepublik aus geschehen sollte.
Während es manchmal wenigstens so scheint, als überhöbe sich der Herr Bundeskanzler, wenn er in Interviews über ich weiß nicht welche Fragen zwischen Pazifik und Atlantik Äußerungen macht,
ist es andererseits klar, daß der Herr Bundeskanzler es dort zu handeln unterläßt, wo er Nützliches für sich und Wichtiges für dieses Staatswesen erreichen könnte.
Damit nicht genug. Das bisher von dem Herrn Bundeskanzler Geplante ist Stückwerk, und die von ihm bisher geplanten Büros können wegen ihrer Streuung nur unbefriedigende Arbeit leisten.
Es ist nicht nötig, auf diese einzelnen Bruchstücke jetzt einzugehen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen. daß der Haushaltsausschuß dieses Hauses über das inzwischen auf den Bund übergegangene Friedensbüro einen klaren Beschluß gefaßt hat. Es soll mit dem 1. April dieses Jahres, in welcher Form immer, eingestellt werden Die Weiterführung dieser Stelle. die früher nützliche Arbeit geleistet hat, als ein Forschungsinstitut. wie es offenbar neuerdings geplant wird, würde nichts anderes als eine Verschwendung öffentlicher Mittel bedeuten,,
weil besser ausgerüstete und geeignete wissenschaftliche Institute in Deutschland seit langem vorhanden sind. Anstatt ein Friedensbüro in ein Forschungsinstitut umzuwandeln, kommt es darauf an, offen eine Abteilung innerhalb dieses Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten einzurichten, die sich mit den politischen Fragen befaßt. Nur wenn eine solche Abteilung im Rahmen einer zentralen Behörde, nämlich dieses Bundesamts für Auswärtig Angelegenheiten, systematisch ;die politischen Fragen, die an es herantreten. bearbeiten kann, kann man Stetigkeit, Zweckmäßigkeit und vernünftige Beurteilung der internationalen Strömungen bei der Arbeit des Herrn Bundeskanzlers und der Regierung als Gesamtheit erreichen. Die internationale Politik eines Landes, zumal eines Landes in so schwieriger Lage wie der, in der sich Deutschland befindet, kann nicht betrieben werden, wie man mit einem Finger Klavier spielt, noch kann es geschehen mit Träumereien am französischen Kamin.
Deshalb ist es geboten, daß der Bundeskanzler sich und jeder nach ihm kommenden Regierung schnellstens ein geeignetes Instrument für die Bewältigung der Aufgaben an die Hand gibt, die sich täglich an ihn und an uns alle herandrängen. Es wird hier mit über das Sein und das Wohl des ganzen Volkes entschieden, und der erreichbare Beste dürfte kaum gut genug sein, um mit den Aufgaben, die es zu lösen gilt, fertigzuwerden.
Es wäre möglich, mehr als ein Beispiel dafür anzuführen, wie sehr die Führung dieser Angelegenheiten der auswärtigen Politik, denen wir nicht ausweichen können, unter der mangelhaften Technik dieser Führung und unter der mangelnden Apparatur gelitten hat. Die Ausflüge in die internationale Politik, die wir noch in den letzten Tagen wieder, aber auch schon vorher erlebt haben, deuten auf einen schweren Mangel in der Konstruktion des Behördenapparates, den der Herr Bundeskanzler bisher zu seiner Verfügung hat. Man fühlt sich bei diesen Vorgängen fatal an die Vorgänge und Zustände erinnert, die aufgedeckt wurden, als im Jahre 1908 der damalige Kaiser Wilhelm II. eine Reihe von Interviews an den „Daily Telegraph" gegeben hatte.
In der berühmten Debatte des Reichstags vom November 1908 traten die Führer fast aller Parteien geschlossen als Kritiker einer Art von Politik auf, wie wir sie heute wieder erleben. Meine Damen und Herren, wenn Sie, wie ich es getan habe, die Reden lesen, die aus Anlaß dieses Vorfalls im damaligen Reichstag gehalten wurden, so werden Sie fast in allen diesen Reden finden, daß die Führer der Parteien sich stießen an der irrationalen Unberechenbarkeit, der eruptiven Improvisation der Politik des persönlichen Regimes, und daß sie ebenfalls fast alle die Mängel geißelten, die sich in der Apparatur des Auswärtigen Amtes offenbart hatten. Freiherr von Hertling, der Führer der damaligen Zentrumsfraktion, wies in einer seiner Art angemessenen vorsichtigen Weise in einer Erklärung der gesamten Fraktion darauf hin, daß Kundgebungen dieser Art von solcher politischen Tragweite künftig unterbleiben müßten, weil sie das Ansehen des Landes aufs schwerste gefährdeten.
Die Presse, Herr Bundeskanzler, ist kein geeignetes Instrument für die Außenpolitik. Interviews sind kein Ersatz für einen sachgerecht und zweckmäßig organisierten Beamtenkörper, wie wir ihn wünschen. Es ist die Sache eines Ministers, in diesem Falle also des Herrn Bundeskanzlers, die Richtlinien der Politik festzulegen und zu bestimmen; die praktische Ausfüllung dieses Rahmens aber ist eine andere Sache. Das unglückliche Interview mit Mr. Kingsbury Smith wäre wohl anders ausgefallen, hätte der Herr Bundeskanzler sich mit mit internationalen Fragen kontinuierlich beschäftigten Beamten, mit einer solchen Behörde und einem in solchen Fragen erfahrenen Leiter vorher beraten können. Ein Mensch, will er auf etwas pfeifen, darf sich im Tone nicht vergreifen. Es ist nicht die beste Erklärung für den Inhalt dieses Interviews, daß es Noten an alle verteilt außer an den Interviewten selbst, daß ein zudem überarbeiteter Politiker, bar jeder sachgerechten Beratung, sich Aufgaben aufbürden zu müssen glaubte, die ordentlich durchzuführen infolge einer von eben diesem Politiker zu verantwortenden Fehlkonstruktion seiner eigenen Apparatur auch einem andern unmöglich gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, im Staats- wie im Wirtschaftsleben ist das Delegieren von Macht und Funktion eine politische und eine menschliche Weisheit. Vernünftig verteilte Verantwortungen sind das Fundament der demokratischen Verwaltung, freiwillig geteilte Verantwortungen sind ihre Lebenskraft. Wir würden es wünschen, daß der Herr Bundeskanzler, was den Bereich der Auswärtigen Angelegenheiten angeht, entsprechend dieser Maxime verfahren würde.
Zu diesem Problem liegt ein Antrag des Zentrums in Drucksache Nr. 785 vor, der allerdings nach unserer Ansicht nicht weit genug geht, weil er nicht versucht, das Problem an der Wurzel zu fassen. Es käme aber darauf an, eine möglichst gründliche Bereinigung der augenblicklichen Situation herbeizuführen. Wir sind der Ansicht, daß es nunmehr an der Zeit wäre, wie wir das in unserem Antrag Drucksache Nr. 786 vorschlagen, an die Bildung eines Staatssekretariats oder ich sage besser: eines Bundesamtes für Auswärtige Angelegenheiten und Besatzungsfragen gemäß den Schlangenbader Beschlüssen heranzugehen und einen dem Herrn Bundeskanzler und dem gesamten Kabinett verantwortlichen Staatssekretär vorzustellen.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, damit, gestützt auf einen solchen Beschluß und auf die Autorität des Hohen Hauses, der auswärtige Ausschuß endlich sich an die Beratung der Pläne des Herrn Bundeskanzlers hinsichtlich der Errichtung dieser Behörde begeben kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Euler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auf Drucksache Nr. 786 namens der Koalitionsparteien eine kurze Erklärung abgeben und den Antrag begründen, die Entschließung der SPD an den zuständigen Ausschuß, den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten, zu überweisen und dabei auch die Dringlichkeit der Ausschußberatung hervorzuheben.
Die Koalitionsparteien teilen die Auffassung, daß wir einer zuverlässigen Apparatur bedürfen, die eine stetige Politik der Pflege unserer Beziehungen zu den Besatzungsmächten und ihren Kommissaren und zu den anderen europäischen Mächten ermöglicht, eine Politik, die sich tunlichst der Improvisationen enthält, die sich auch der üblichen Formen und Methoden bedient, sich auf gründliche völkerrechtliche und staatsrechtliche Vorarbeit und zuverlässige Informationen gründet. Nur sind die organisatorischen Möglichkeiten zahlreicher, als sie dem Antrag der SPD zugrunde liegen. Es bedarf sehr ernsthafter Erwägungen, ob man die Apparatur so organisiert, wie das der Antrag der SPD wünscht.
Es gibt noch drei andere Möglichkeiten. Die eine davon hat der Herr Vorredner bereits erwähnt, nämlich ein Bundesamt -unter einem Staatssekretär zu errichten, das nicht dem Bundeskanzleramt eingegliedert ist, wohl aber dem Bundeskanzler untersteht. Es gibt weiter die dritte Möglichkeit, daß man das selbständige Bundesamt einem anderem Ministerium eingliedert. Schließlich gibt es die vierte Möglichkeit, daß man die Zuständigkeit eines bereits bestehenden Ministeriums auf die Übernahme der Besatzungsfragen und der auswärtigen Angelegenheiten ausdehnt und diesem Mini-
sterium dann zur Bewältigung der Aufgaben einen entsprechenden Staatssekretär beigibt.
Zur Prüfung all dieser Möglichkeiten beantragen die Koalitionsparteien die Überweisung des Entschließungsantrages der sozialdemokratischen Fraktion an den zuständigen Ausschuß.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Fragen der Organisierung der auswärtigen Politik müssen von uns Deutschen mit ganz besonderer Vorsicht behandelt werden, vor allem im gegenwärtigen Augenblick.
Ich hätte es deswegen außerordentlich begrüßt, wenn der Herr Abgeordnete Lütkens mich vorher darüber ins Bild gesetzt hätte, was er hier vorzutragen beabsichtigte.
Er war ja dazu in der Lage, weil er seine ganze Rede schriftlich vorbereitet hatte. Ich finde, das sollte doch allgemeiner Brauch sein, wenn Angriffe gegen einzelne Persönlichkeiten, die hier mit Namen genannt werden, vorgetragen werden, damit die betreffende Regierungsstelle auch in der Lage ist, das Material zur Stelle zu haben, um sofort darauf zu antworten.
Auf diese Weise, wie sie der Herr Abgeordnete
Lütkens eben hier zu zeigen beliebt hat, entsteht
in der Öffentlichkeit für die betreffenden Beamten
oder Angestellten ein höchst unangenehmer Zwischenzustand, den man doch vermeiden könnte.
Meine Damen und Herren! Das möchte ich vorausschicken. Ich füge hinzu, daß ich Herrn Lütkens sehr vorsichtig und zurückhaltend antworten werde. Ich glaube, das ist nötig im deutschen Interesse, das nun in diesem Falle vor parteipolitischem Interesse geht. Unsere Absicht war und ist, im gegebenen Augenblick im Bundeskanzleramt zwei Staatssekretariate einzurichten, eines für den inneren Teil und eines für den auswärtigen Teil. Wenn das bisher nicht geschehen ist, so können Sie davon überzeugt sein, daß sehr triftige Gründe dafür vorhanden sind. Ich möchte hier doch betonen, daß die Fragen der auswärtigen Politik über den Petersberg gehen,
und zwar nach dem Besatzungsstatut,
und daß man daher diese ganze Materie nun wirklich mit etwas vorsichtiger Hand behandeln muß, um nicht — Herr Lütkens sprach von einer Zurechtweisung — wirklich eine Zurechtweisung zu bekommen. Ich habe bisher noch keine bekommen, Herr Lütkens.
Was nun die Frage der konsularischen Vertreter angeht, so scheinen mir in den Ausführungen des Herrn Dr. Lütkens doch einige Widersprüche enthalten zu sein. Wenn Herr Dr. Lütkens ausführt, daß diese konsularischen Vertreter sich streng in dem Rahmen halten müßten, der ihnen durch die Entscheidungen der Alliierten gesetzt sei, so übersieht der Herr Dr. Lütkens folgendes. Jeder, der heutzutage als Beamter der Bundesrepublik Deutschland ins Ausland geht, wird dort nicht nur von der Auslandspresse, sondern auch von zahlreichen Persönlichkeiten des Auslands in politischen Dingen angesprochen werden. Ich halte es daher für richtig, daß wir uns zwar im wesentlichen — darin unterscheide ich mich von Herrn Dr. Lütkens, ich bin nicht so folgsam wie er gegenüber dem Besatzungsstatut
die Herren nach ihren Fähigkeiten aussuchen, als Generalkonsuln oder Konsuln tätig zu sein, daß wir aber gleichzeitig auch Persönlichkeiten hinausschicken, die nun, wenn sie im Auslande politisch befragt werden, nicht als Ignoranten dastehen, sondern entsprechende Auskunft geben können,
daß sie also in dem Sinne Aufgaben erfüllen, die sonst ein diplomatischer Vertreter erfüllt haben würde.
Meine Damen und Herren! Das kennzeichnet Ihnen die ganze Schwierigkeit unserer Situation. Es kommt noch ein weiteres hinzu, und damit gehe ich auf die Ausführungen von Herrn Dr. Lütkens ein. Ich bin bestrebt, nach Möglichkeit Herren hinauszuschicken, die nicht in irgendeiner Weise durch die Vorgänge der letzten Jahrzehnte belastet sind.
Sie werden verstehen, daß zur Vertretung deutscher Interessen, konsularischer und etwa angegliederter Interessen im Auslande eine gewisse Erfahrung außerordentlich wünschenswert ist. Wenn man nun nicht Herren bekommt, die diese Erfahrung in dem früheren Auswärtigen Amt erhalten haben, muß man jedenfalls unter den ersten Vertretern Persönlichkeiten ausfindig machen, die die Fähigkeiten haben, auch ohne vorherige Schulung solchen Aufgaben gerecht zu werden. Es wird Herrn Dr. Lütkens bekannt sein — denn er scheint ja über manche Vorgänge in den Bundesministerien besser unterrichtet zu sein als ich —,
daß wir Kurse zur Heranbildung konsularischer Vertreter eingerichtet haben, weil wir eben, verehrter Herr Lütkens, —
— Das wissen Sie nicht?
— Na, ich nehme an, daß das Hohe Haus-gelegentlich auch einmal Zeitungen liest,
wenigstens von meinem Platz aus sehe ich, daß bei gewissen Reden sehr viele Zeitungen gelesen werden.
Also, meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß das auch im Haushaltsausschuß erörtert worden ist,
daß wir eine Schule eingerichtet haben oder — lassen Sie mich den Ausdruck Schule vermeiden — eine Organisation, um in Kursen von je 25 Bewerbern uns geeignete Vertreter heranzubilden. Es wird vielleicht auch Herrn Dr. Lütkens bekannt sein — wenn auch nicht aus diesem Hause, dann von außerhalb dieses Hauses —, daß bei der Auswahl
der Männer und der Frauen, die hier herangebildet werden sollen, alle Stände berücksichtigt werden sollen. Es wird vielleicht Herrn Dr. Lütkens auch bekannt sein, daß wir zum Beispiel Wert darauf legen, bei den großen Konsulaten, bei dell. Generalkonsulaten, auch — na, lassen Sie mich den Ausdruck einmal gebrauchen — Attachés zu verwenden, die gerade auf sozialem und auf dem Arbeitsgebiet bekannt sind und Erfahrungen haben.
Sie werden aus diesen wenigen Andeutungen, die ich Ihnen hier nur machen konnte, ersehen, daß es sich um eine ungewöhnlich schwere Aufgabe handelt, und ich glaube, daß die Kritik des Herrn Dr. Lütkens in vieler Hinsicht weit über das Ziel hinausschießt. Ich meine, man sollte — und insbesondere sollte das auch Herr Dr, Lütkens tun, der Sprecher in auswärtigen Angelegenheiten für die große Fraktion der SPD — vorher mit mir Fühlung nehmen. Ich bin gerne bereit, Herrn Dr. Lütkens jede Auskunft zu geben, die ich ihm geben kann. Soviel ich weiß, ist Herr Dr. Lütkens von seiner Fraktion damit beauftragt, sein besonders Augenmerk auf das Bundeskanzleramt zu lenken.
— Ja, soviel ich weiß, hat Herr Lütkens die Aufgabe, den Bundespräsidenten, das Bundeskanzleramt, und ich weiß nicht, was noch, zu betreuen.
— Ja, das habe ich gerade gestern gehört,
als ich vom Herrn Bundespräsidenten erfuhr, daß Herr Dr. Lütkens beim Herrn Bundespräsidenten gewesen ist und ihn um einige Auskünfte gebeten habe.
Da habe ich sehr bedauert, daß Herr Dr. Lütkens den Weg zu mir bisher noch nicht gefunden hat.
Wenn er den Weg zu mir gefunden hätte, würde er sehr viel mehr Auskunft bekommen haben, als ich hier, in der Öffentlichkeit, ihm zu geben in der Lage bin.
Aber sehen Sie, meine verehrten Damen und Herren, wir sollen keine Außenpolitik treiben, weil das ein Reservatrecht der Hohen Kommissare ist. Wir können aber ohne Außenpolitik nicht leben. Wir haben dann weiter keinen Apparat von früher mehr. Diejenigen Herren, die in dem früheren Apparat gewesen sind, können wir nur mit großer Vorsicht und Auswahl heranziehen, um uns ihre Erfahrungen nutzbar zu machen,
weil das, was wir dort schaffen wollen, sich deutlich von dem abheben soll, was früher gewesen ist.
Das, meine Damen und Herren, ist unsere ungemein schwierige Lage, und ich wäre außerordentlich dankbar, wenn man uns dabei helfen würde, auch bei den Erörterungen hier im Plenum des Bundestags. Es war eigentlich so: die Ausführungen — ich kann nicht sagen d e r Tenor, denn es waren mehrere Tonarten in der Rede des Herrn Dr. Lütkens — liefen darauf hinaus, daß wir auf der einen Seite zwar als Leute erscheinen, die gar nichts tun, auf der anderen Seite aber — und das hat er mir mehrfach freundlicherweise eingeschärft — als Leute, die über die Grenzen, die
ihnen durch das Besatzungsstatut gesetzt sind, hinausgehen.
Ich werde ja die Rede des Herrn Dr. Lütkens im Stenogramm noch zu lesen bekommen, und vielleicht werde ich auf Grund dieser Rede Herrn Dr. Lütkens, sobald wir hier mal ein bißchen Ferien haben, bitten, mich mal im Kanzlerhause zu besuchen. Da werde ich mich mit ihm über viele Fragen, die er heute hier angeschnitten hat und über die ich mich hier leider nicht unterhalten kann, in den vier Wänden meines Zimmers unterhalten können.
Auf zwei spezielle Fragen nur möchte ich aber eingehen. Er hat zwei Namen genannt, einmal den Namen Ehrich und dann den Namen Globke. Der Name Globke ist ja nicht zum ersten Male in diesem Saale hier genannt worden. Es ist über den Herrn Globke sehr ausführlich schon gesprochen worden. Ich kann mich deswegen sehr kurz fassen und kann Ihnen nur sagen, .verehrter Herr Lütkens, daß die Angelegenheit des Herrn Globke von den Besatzungsbehörden auf das minutiöseste durchprüft worden ist. Ich bin der Auffassung, daß ein Deutscher nicht noch minutiöser als die Besatzungsbehörden sein soll.
Meine Damen und Herren, dann zu dem Fall Ehrich. Da hat Herr Lütkens zu 90 % richtig gehört. Ich habe gehört, daß Herr Ehrich von Herrn Minister Hellwege eingestellt worden ist. Es wurde mir gleichzeitig mitgeteilt, daß Herr Ehrich — ich glaube, ich bin in den Dingen nicht so erfahren, wie heißt das, was war er in Italien? —
— Landesgruppenleiter in Italien gewesen ist. Das schien mir allerdings eine Vorbildung zu sein, die ihn nicht besonders dafür geeignet erscheinen läßt, in einem Bundesministerium tätig zu sein.
Ich habe das dem Herrn Kollegen Hellwege gesagt. Herr Kollege Hellwege hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß Herr Ehrich in Gruppe V eingestuft sei.
— Ich bin ja noch nicht fertig, meine Damen und Herren ! — Herr Kollege Hellwege hat mich also darauf aufmerksam gemacht, daß man sich nach seiner Auffassung damit ruhig zufrieden geben könne. Es scheint mir bei der Einstufung in die verschiedenen Stufen sehr viel grober Unfug vorgekommen zu sein.
Eine Einstufung in die Gruppe V, wenn jemand vorher Landesgruppenleiter gewesen ist, scheint mir etwas sonderbar zu sein.
Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich einen früheren Landesgruppenleiter für nicht geeignet halte, in einem Bundesministerium tätig zu sein.
Ich habe das dem Kollegen Hellwege gesagt. In der Zwischenzeit ist noch neues Material gegen Herrn Ehrich aus seiner früheren Tätigkeit her an mich herangekommen, das meine Auffassung, daß Herr Ehrich in einem Bundesministerium
nicht wünschenswert ist, noch bestätigt. Ich werde mich mit Herrn Kollege Hellwege an Hand dieses Materials noch weiter unterhalten. Ich zweifle nicht, daß dieser Fall eine Erledigung in dem Sinne finden wird, wie ihn das öffentliche Interesse Deutschlands verlangt.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch folgendes sagen. Wir finden augenblicklich in gewissen Nachbarländern, die ich nicht nennen will, ziemlichen Widerstand, weil man glaubt, wir betrieben zuviel Außenpolitik. Einstweilen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir nur das Recht, eine Koordinierungsstelle für konsularische Vertretungen auf diesem Gebiete einzurichten. Ich begrüße es, daß diese ganzen Fragen einmal in einem Ausschuß besprochen werden. Das eine versichere ich Ihnen: sobald die Zeit reif geworden ist — dazu gehört nicht nur unser Wille, dazu gehört auch die Entscheidung, die eine andere Seite zu fällen hat —, wird die Zusammenfassung erfolgen und wird ein Staatssekretariat eingerichtet werden, und hoffentlich werden wir auch bald zu einem Außenminister kommen. Aber zur Zeit ist das eben nicht möglich. Wir müssen deswegen versuchen, so gut und so schlecht wir können — na, sagen wir mal: etwas zu tun, was ungefähr Außenpolitik ist.
Dazu, verehrter Herr Dr. Lütkens, gehören auch Interviews. Sehen Sie mal, der Herr Kingsbury Smith ist ein sehr bekannter amerikanischer Journalist, dessen Artikel in 2000 amerikanischen Zeitungen abgedruckt werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, man würde sehr unklug sein. wenn man die Möglichkeit, den breitesten Kreisen des amerikanischen Volkes gewisse Aufklärungen zu geben, nicht wahrnehmen würde.
— Ich weiß nicht, wer den Zwischenruf wegen der „Aufklärung des deutschen Volkes" gemacht hat.
— Das tun Sie ja schon redlich!
— Ich hoffe, daß ich mich in absehbarer Zeit auch in diesem Hause über diese ganzen Fragen einmal mit Ihnen weniger gehemmt unterhalten kann, als ich augenblicklich bin. Bisher, Herr Lütkens, habe ich den Eindruck, als ob diese Interviews zwar manchen Stellen im Ausland außerordentlich unbequem gewesen und auf die Nerven gegangen sind; ich habe aber auch von maßgebenden Stellen des Auslands unter der Hand eine Antwort bekommen, mit der ich hoch zufrieden sein kann.
Vor allem, meine Damen und Herren, wird niemand bestreiten können, daß durch diese Interviews die Weltöffentlichkeit auf die Fragen, die
für uns Deutsche entscheidend sind, in einer Weise
hingelenkt worden ist, wie es nötig gewesen ist.
Also, Herr Dr. Lütkens, sobald Sie hier und auch ich etwas Zeit haben, bitte ich Sie, ins Kanzleramt zu- kommen. Wir setzen uns dann in Ruhe zusammen, ich nehme Ihre Rede zur Hand, und ich werde Ihnen dann über sehr vieles, was Sie gesagt haben, Auskunft geben können.
Das Wort hat der Herr Minister Hellwege.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat bereits erklärt, daß der Fall Ehrich einer Prüfung unterzogen werden wird.
Bisher liegt jedoch meinem Hause kein persönlich belastendes Material gegen Herrn Dr. Ehrich vor.
Meine Damen und Herren! Anläßlich der Debatte zur Frage der Entnazifizierung, die wir am 23. Februar hier in diesem Hause geführt haben, sind auch gerade seitens der Sozialdemokratie ausgezpichnete Worte des Herrn Erler gefallen, indem er in seinen Ausführungen für eine Amnestie für die Jugend bis zum Jahrgang 1913 eintrat.
— Vielleicht sind Sie so freundlich und lassen mich einmal ausreden, was ich sagen will.
Herr Dr. Ehrich gehört dem Jahrgang 08 an.
— 08, Herr Dr. Greve! Da hat also Herr Dr. Ehrich vielleicht 1932 zum erstenmal die Gelegenheit gehabt, zu wählen.
Alle Unterlagen, die ich bisher vorliegen habe, bezeugen übereinstimmend, daß Herr Dr. Ehrich damals als junger Mensch unbeschadet seiner politischen Grundeinstellung eine menschliche Haltung gezeigt hat — und davon, meine Damen und Herren, bin ich ausgegangen —, die ihn als einen Mann von Charakter erscheinen lassen.
Herr Dr. Ehrich ist außerdem nicht als Beamter,
sondern als Angestellter in meinem Hause tätig,
meine Herren von der Sozialdemokratie. Herr Dr. Lütkens, ich stehe nicht in dem Verdacht, Romantiker zu sein, sondern ich glaube, von mir sagen zu können, daß ich mit beiden Füßen auf der Erde stehe, — —
— Darf ich Ihnen sagen: ich habe nicht die Ehre gehabt, auf der Oberbürgermeisterei in Stade zu sitzen; vielleicht wenden Sie Ihren Blick einmal nach Stade und, meine Herren von der Sozialdemokratie, vielleicht wenden Sie auch einmal den Blick in Ihre Ministerien, die Sie in den einzelnen Ländern wahrnehmen! Ich stehe hier nicht als Ankläger, aber ich habe 12 Jahre lang als Mensch zweiter Klasse gelitten, und ich will nicht, daß es wieder in Deutschland Menschen zweiter, dritter, fünfter Klasse gibt.
Ich bin durchaus bereit, in eine Klärung der Frage einzutreten, dann mag man aber auch, wenn belastendes Material vorliegt, Herr Dr. Greve, dieses belastende Material meinem Ministerium und dem Herrn Bundeskanzler bekanntgeben.
Man sollte nicht immer, wie es so oft geschieht, das Wort „christlich" im Munde führen, aber ich glaube, in diesem Moment darf ich als christlicher Politiker einmal sagen: Der Herr Jesus Christus hat einmal gesagt: „Wenn Du zum Gotteshause gehst und Du wirst alsdann dessen eingedenk, daß Dein Bruder etwas wider Dich hat, dann kehre um, versöhne Dich mit Deinem Bruder und dann gehe in das Gotteshaus."
Hier sagt uns Jesus Christus ganz deutlich, daß nicht erst Mord dort geschieht, wo einer getötet wird, sondern schon dort, wo man ihm die Gemeinschaft verweigert; und das geschieht, indem man hier Vorwürfe anbringt, die man bisher meinem Ministerium nicht vorgelegt hat.
Sehen Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, in Ihren eigenen Ministerien nach und dann befassen Sie sich mit uns!
Meine Damen und Herren! Das Haus hatte beschlossen, um 13 Uhr 30 Minuten eine Pause eintreten zu lassen. Wir haben 13 Uhr 45 Minuten. Ich unterbreche die Sitzung; Fortsetzung 14 Uhr 45 Minuten.
Die Sitzung wird um 14 Uhr 51 Minuten wieder aufgenommen.
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Beratung des Einzelplans IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts - fort.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niebergall.
Niebergall: : Meine Damen und Herren Herr Dr. Lütkens hat die Methoden der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers in einigen sehr wichtigen Punkten kritisiert. Mit seiner Kritik könnte man sich einverstanden erklären, und doch muß man sagen, daß sie im Grunde daneben trifft. Herr Dr. Lütkens hat die Methoden der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers kritisiert, aber nicht den Inhalt dieser Außenpolitik. Herr Dr. Adenauer hat selbst auf eine so bescheidene Kritik in einer Art und Weise geantwortet, die man als unerträglich bezeichnen muß. Auf eine vor aller Öffentlichkeit hier im Parlament vorgetragene Kritik geht der Herr Bundeskanzler sachlich so gut wie gar nicht ein, sondern er verweist den Kritiker darauf, daß er die Möglichkeit habe in seinem „Cabinet" empfangen zu werden und sich dort zwischen vier Wänden zu unterhalten.
Der Herr Bundeskanzler kann anscheinend auf das von ihm stets angewandte Verfahren in der politischen Praxis nicht verzichten. Er kann nur in den Vorstellungen einer Geheimdiplomatie denken, sprechen und organisieren. Der Herr Bundeskanzler verweigert vor diesem Hause die von ihm verlangte Auskunft. Er gibt statt dessen offen zu erkennen, daß er höchst persönlich. die Unterrichtung des deutschen Volkes über seine Politik für überflüssig und schädlich hält. In jedem anderen Lande wäre ein Ministerpräsident, der sich ein solches Verfahren erlaubt, keine vierundzwanzig Stunden mehr an der Macht.
— Lachen Sie nur: wer zuletzt lacht, lacht am besten.
— Das sind wir und nicht Sie!
Er gibt statt dessen offen zu erkennen, daß sein ganzes Verfahren auf einer Art und Weise beruht, die man nur als Provokation gegenüber dem Volk und Parlament bezeichnen kann. Es ist bezeichnend, daß in diesem Hause die sogenannten Herrenreiter-Methoden fortgesetzt werden.
Der Herr Bundeskanzler hat auch heute erneut wieder seine Interviews mit dem Auslande verteidigt. Ich frage Sie: Wem dienen diese Interviews? — Es ist doch so, daß die Tips dazu vom Ausland gegeben werden.
Diese Leute sind interessiert daran, daß das Volk in Westdeutschland vor ihren monopolistischen Kriegsplan gespannt wird.
Die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler ausgerechnet zu jenem Mann in England, Winston Churchill, beste Beziehungen hält, der Tag und Nacht zum Kriege hetzt, ist bezeichnend und sagt alles.
Aber nicht nur das, der Herr Bundeskanzler selbst hat in seinem letzten Interview die Sozialistische Sowjet-Union in einer Art und Weise angegriffen,
daß das unter normalen politischen Umständen die schwersten politischen Folgen für das deutsche Volk gehabt hätte. Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler,
— das ist ja gewöhnlich so —, glauben Sie mit einer solchen Methode — —
— was ich spreche, bestimme ich und nicht Sie! —
— mit einer solchen Methode den nationalen Interessen unseres Volkes zu dienen? Ich glaube der Herr Bundeskanzler täte besser daran, das deutsche Volk aufzuklären über bestimmte Remilitarisierungspläne,
über den Atlantikpakt und die Marshallplanmaßnahmen. Das wäre besser, als das Ausland aufzuklären.
— Das hat ja einen Bart!
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort zur deutsch-französischen Union des Herrn Bundeskanzlers.
Wenn jemand in Deutschland das Recht hat, von der deutsch-französischen Verständigung zu sprechen, so sind es die deutschen Widerstandskämpfer, diejenigen, die seit 1918 konsequent gegen die deutschen und französischen Imperialisten angekämpft haben. Ich frage mich, wie viele von diesen Herren auf diesen Bänken sitzen. Wir jedenfalls haben uns seit 1918 konsequent für eine deutsch-französische Verständigung eingesetzt. In unseren Reihen wurde keine Kriegshetze geduldet. Wir haben keine Forderungen an das französische Volk erhoben. Im Gegenteil, wir sind immer für beste politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zum französischen Volk_ eingetreten; das tun wir auch heute noch.
Weder dem deutschen noch dem französischen Volk ist mit dem Vorschlag von Dr. Adenauer, der von außen diktiert wurde, mit der deutschfranzösischen Union, gedient, sondern lediglich den Monopolisten an der Ruhr und an der Seine, Herrn Pferdmenges in Deutschland und Herrn de Wendel in Frankreich.
Nun noch einige Bemerkungen ,zu den Abänderungsvorschlägen meiner Fraktion.
— Das weiß ich; ihr lehnt alles ab, am Ende lehnt ihr euch selber ab.
Der Herr Bundeskanzler fordert im Haushalt des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramtes unter Kap. 1 Tit. 4 für einen Bevollmächtigten der Bundesrepublik in Berlin -sage und schreibe 165 700 DM. Die Kommunistische Fraktion ist der Meinung, die Bevölkerung von Berlin wird selbst regeln, was in Berlin zu regeln ist, und die Bevölkerung in Westdeutschland wird alles tun, da-mit auch in Berlin alles geregelt wird. Die Einsetzung eines Bevollmächtigten für Berlin ist kein Beitrag zu einer Einigung von Berlin und ganz Deutschland. Im Gegenteil, seine Tätigkeit wird wesentlich dazu beitragen, die Spaltung zu vertiefen. Das Volk in Westdeutschland hat keinerlei Interesse, mit dem Gehalt für einen solchen Bevollmächtigten irgendeine Parteisuppe zu bezahlen.
— Aber Sie haben ein Recht dazu?
Eine geeinte deutsche demokratische Republik ist notwendig, und kein Bevollmächtigter. Deshalb beantragen wir Streichung des Kap. 1 Tit. 4. Wir sind der Auffassung, daß die freiwerdenden Gelder den Kriegsversehrten, Witwen und Waisen zur Verfügung gestellt werden sollten.
Der Herr Bundeskanzler fordert in Kap. 2 eine Summe von 1 226 660 DM für eine Verbindungsstelle zu den Hohen Kommissaren. Die Kommunistische Fraktion ist der Auffassung, daß, wenn der Petersberg schon Befehlsausgabestelle ist und Befehle erteilt, eine Verbindungsstelle nicht notwendig ist. Im Zeitalter der Atombombe und des hohen Standes der Militärtechnik genügt, um Befehle zu erteilen, ein Telefonanruf oder ein Kurier. Wir sind der Meinung, nicht durch Verbindungsstellen werden diese Fragen gelöst, sondern nur dadurch, daß die Besatzungsmächte abziehen, daß ein gerechter Friedensvertrag geschaffen und
die Einheit unseres Vaterlandes hergestellt wird. Die kommunistische Fraktion beantragt deshalb die Streichung dieser Ausgaben und Überweisung dieses Betrages an die Arbeitslosen.
Der Herr Bundeskanzler fordert in Kap. 3 897 900 DM für das Presse- und Informationsamt. Die Kommunistische Fraktion ist der Auffassung, daß es sich bei dem Pressebüro um eine Dementiermaschine handelt, das heißt, ich will kein anderes Wort für dieses Pressebüro gebrauchen. Wir denken gar nicht daran, den Koalitionsparteien ein Pressebüro zu finanzieren. Wir beantragen deshalb die Streichung dieser Summe und die Überweisung dieser Gelder an die Siedler und Ausgebombten
Der Bundeskanzler fordert im Kap. E 12 Tit. 7 einen Zuschuß für ein deutsches Friedensbüro. Die Kommunistische Fraktion unterstützt jede Bewegung, die wirklich dem Frieden dient, aber für ein Büro, das der Hetze dient — und dem ist so —, für ein Büro, das die Kriegspläne der Westmächte fördert, können wir keinen Pfennig bewilligen. Wir fordern deshalb die Streichung dieser Gelder und die Überweisung dieser Gelder
an, die Kriegsversehrten. — Wir bringen unser Geld selber auf, nicht bei der Schwerindustrie, wie Sie.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung meines verehrten Kollegen Dr. Lütkens über das deutsche Büro für Friedensfragen gibt mir Veranlassung, hier noch einmal ganz kurz auf die Rolle dieses Büros einzugehen und Mißverständnisse zu zerstreuen. Herr Dr. Lütkens hat von einer „Verschwendung öffentlicher Mittel" gesprochen, die eintreten würde, falls man das Büro über den 1. April noch länger bestehen ließe. Lassen Sie mich dazu offen einige Sätze sagen.
Auch Herr Dr. Lütkens hat nicht bestritten — und ich glaube, das kann niemand bestreiten, der die Arbeit des Büros verfolgt hat —, daß dieses Büro eine überaus nützliche Arbeit in einer Zeit geleistet hat, in der — das möchte ich einmal mit allem Nachdruck sagen — nicht alle deutschen Ministerpräsidenten voll und ganz begriffen hatten, was in diesen Jahren von 1945 bis 1948 zu tun notwendig war. Und es wird meinem Empfinden nach auch später einmal anerkannt werden müssen, daß die Ministerpräsidenten der amerikanischen Zone von sich aus einen wirklichen Fortschritt erzielt hatten, als sie sich damals zusammenschlossen, um ein solches Büro zu gründen. Die Vorteile daraus erntet heute die Deutsche Bundesrepublik, die ja vorher nicht das Material sammeln konnte, das sie heute so notwendig braucht.
Nun etwas über die Zukunft dieses Büros. Bis zum 1. April sind dafür 200 000 DM in dem Haushaltsplan, der Ihnen vorliegt, eingesetzt worden. Darüber hinaus soll das Büro aufgelöst werden, oder es sollen auf der anderen Seite seine Angehörigen in die kommende Organisationsstelle des konsularisch-wirtschaftlichen Dienstes eingegliedert werden.
Ich möchte dazu folgendes sagen. Es wäre meinem Empfinden nach ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Fehler, wenn man ein Büro, dessen Arbeit anerkannt ist und auch von Herrn Dr. Lütkens nicht bestritten wird. abrupt am 1. April auflösen würde, ohne daß man vorher zumindest einen zweiten Gedanken etwas näher geprüft hat, als es Herr Dr. Lütkens getan hat, nämlich den Gedanken, ob es nicht notwendig wäre, bei uns in Deutschland etwas Ähnliches zu errichten, wie es nicht nur die Engländer, sondern auch die Vereinigten Staaten in Gestalt des Chatham House, d. h. also einer Forschungsstelle für auswärtige Angelegenheiten, unterhalten. Das ist eine Angelegenheit, über die wir uns im Auswärtigen Ausschuß noch einmal werden unterhalten müssen. Denn gerade ein Volk wie das unsere, dessen Verwaltung so jäh seinen Zusammenhang mit früher verloren hat, das völlig von vorn anfangen muß und für das alle außenpolitischen Beziehungen und Beobachtungen von großer, ich möchte fast sagen, von entscheidender Wichtigkeit sein werden, — ein solches Volk kann eine Forschungsstelle nicht entbehren, die über die Parteien hinaus sich bemüht, bestimmte Tatbestände vorurteilsfrei zu ergründen und sie nachher dem kommenden Außenministerium und dem Auswärtigen Ausschuß darzubieten.
Ich glaube, daß gerade ein solches Büro sehr wohl in der Lage wäre, dafür ein überparteiliches Forum zu bilden, wo sich Opposition und Regierungsparteien gemeinschaftlich, unbeirrt vom Tagesstreit, über die Fragen unterhalten, aussprechen und zu einer gemeinsamen Lösung kommen können, die unser gemeinsames außenpolitisches Anliegen darstellen. Man sollte diese Möglichkeit nicht von vornherein dadurch verschütten, daß man von einer „Verschwendung öffentlicher Gelder" spricht, die in keinem Falle gegeben wäre, und daß man von vornherein eine Tür zuschlägt, die besser offengehalten werden würde im Interesse nicht nur des Verhältnisses von Opposition und Regierung, sondern auch im Gesamtinteresse der Außenpolitik des deutschen Volkes.
Wer Gelegenheit hatte, einmal in London die bemerkenswert gut ausgestatteten Räume des Chatham House zu besichtigen, wer dort die große Bibliothek von über 60 000 Bänden ansehen durfte und wer sieht, was die Vereinigten Staaten und was selbst ein kleines Land wie Belgien dafür ausgeben, um sich in dieser Beziehung auf der Höhe der Zeit zu halten, der wird sicher Verständnis dafür haben, daß auch wir in Deutschland alles daransetzen sollten, um zu einer ähnlichen Institution zu gelangen.
Ich glaube, daß das Büro für Friedensfragen auf Grund seiner bisherigen Arbeit sehr wohl der Ansatzpunkt für eine solche Organisation sein könnte. Daß dabei parteipolitische Gesichtspunkte keine Rolle zu spielen brauchten, wird auch Herr Dr. Lütkens wissen. Denn er weiß genau, daß die personelle Zusammensetzung des Deutschen Büros für Friedensfragen vor einem halben Jahre noch zum mindesten eine Zweidrittelbesetzung aller leitenden Posten mit SPD-Mitgliedern zeigte und daß trotzdem nicht davon gesprochen werden könnte, das Büro habe eine einseitige
Stellungnahme bezogen. Die Arbeiten des Büros stehen der Regierung heute in einem sehr kritischen Zeitpunkt zur Verfügung, und ich glaube, wenn wir in Zukunft ein solches Forschungsinstitut hätten, würden künftige Regierungen sich erheblich leichter tun.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Lütkens.
Meine Damen und Herren! Um mich nicht noch einem weiteren Vorwurf auszusetzen, daß ich den Herrn Bundeskanzler nicht rechtzeitig über das informiert habe, was geschehen würde, möchte ich die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses darauf richten, daß der Herr Bundeskanzler, an den ich mich zu adressieren haben werde, zur Zeit nicht anwesend ist.
Was die Ausführungen des Herrn Abgeordneten der Kommunistischen Partei angeht, daß in der Methode Richtiges, zur Sache wenig Richtiges gesagt worden sei, so möchte ich ihm, was das Verhältnis der Methode zur Sache anlangt, an eine Äußerung des Premierministers der Sowjetunion erinnern, der vor einigen Jahren während des Krieges gesagt hat, der Kommunismus passe zum deutschen Volk wie der Sattel zur Kuh.
— Da müssen Sie sich Ihre eigenen Publikationen ansehen.
Was die Antwort, die mir der Herr Bundeskanzler gegeben hat, angeht, so habe ich dazu eine Reihe von Bemerkungen zu machen. Es ist ja nicht das erstemal, daß in diesem Hohen Hause von Personen, die in der Ministerialbürokratie angestellt sind, die Rede gewesen ist, und die Herren, von denen ich heute gesprochen habe, sind schon vorher in diesem Hohen Hause oder in seinen Ausschüssen erwähnt worden. Ich vermag eigentlich nicht einzusehen, wieso es insbesondere nicht der Pflicht der Abgeordneten dieses Hohen Hauses entsprechen würde, Mißstände, die sie zu sehen glauben, aufzudecken und auf politische Schäden, die sie zu sehen glauben, hinzuweisen. In keiner Weise könnte ich mich mit den Ausführungen des Herrn Bundeskanzlers einverstanden erklären, die dahin gingen, daß ein Deutscher in den Fragen der Personalpolitik nicht minutiöser sein solle als die Besatzungsmächte. Was meine Fraktion angeht, so glaube ich sagen zu dürfen, daß wir uns mit den Entscheidungen der Besatzungsmächte in dieser Frage weder im Positiven noch im Negativen unbedingt identifizieren zu müssen verpflichtet fühlen. Es kommt ja gerade darauf an, wie mir scheint, daß das deutsche Volk und die verantwortlichen Stellen dieser Regierung nach besten Kräften versuchen, jene Selbstbereinigung noch zu vollziehen, die bisher ausgeblieben ist.
Ich bin einigermaßen erstaunt gewesen, vom Herrn Bundeskanzler zu hören, daß ich ihn nicht vorher über das informiert hätte, was ich heute etwa sagen würde. Ich sah in keiner Weise Veranlassung dazu. Es handelt sich um eine Haushaltsdebatte, und bei der Haushaltsdebatte handelt es sich per se um die ernsteste Angelegenheit, -der sich dieses Hohe Haus einmal im Jahr zu
unterziehen hat. Es handelt sich per se um eine Angelegenheit, bei der alle möglichen Fragen von Gewicht, so wie wir sie sehen, aufgeworfen werden müssen. Es muß daher von jedem Minister und auch dem Herrn Bundeskanzler erwartet werden, daß Fragen aufgeworfen werden, die ernsthaft betrachtet werden müssen. Darüber hinaus wundere ich mich außerordentlich, diesen Vorwurf hier zu hören, und ich glaube, daß meine politischen Freunde derselben Ansicht sein werden, seitdem es sich nun doch seit Monaten um die Frage handelt, daß seitens des Bundeskanzlers keine Informationen weder an die Opposition noch an die Ausschüsse dieses Hohen Hauses noch an dieses Hohe Haus selbst gegeben werden.
Mir scheint, daß dieser Vorwurf ins Leere trifft oder wie ein Bumerang auf den zurückgeworfen werden mußte, der ihn hier geaußert hat.
Im Auswärtigen Ausschuß, das ist richtig, ist schon seit Wochen von den Fragen, die ich personhch heue hier auszuwerfen die Ehre gehabt habe, die Jude gewesen. Der Herr Bundeskanzler hat uns vor Wochen die Vorlage eines Organisationspians
in diesem Ausschuß versprochen. Bis heue ist dieser Organisationsplan im Auswartigen Ausschuß nicht vorgelegt und infolgedessen heuere Moghchkeit einer sachlichen Debatter über heces Piobiem der Boden entzogen worden. Wir hortten sehr, daß nunmehr sowohl der Ausschuß wie dieses Hohe Haus, aber auch die Bundesregierung ernsthaft an die Losung der schwebenden Fragen herangehen werden.
Ich habe es außerordentlich bedauert, daß der Herr Bundeskanzier es fur richtig befunden hat, den Herrn Bundespräsidenten in die Debatte in diesem Hohen Haus zu ziehen. Ich fur meine Person kann ihm auf diesem Wege nicht folgen. Ich kann zu den Bemerkungen, die er in diesem Zusammenhang gemacht hat, nur sagen, daß ich jedenfalls von seiten des Herrn Bundeskanzlers bis zum heutigen Tag eine Aufforderung, mit thin über irgendwelche Fragen zu sprechen, nicht bekommen habe. Es wird mir aber ein außerordentliches
Vergnügen sein, der von ihm heute ausgesprochenen Aufforderung bei nachesse Gelegenheit Folge zu leisten, wenn ich die Ehre haben werde, ein Interview mit ihm zu haben.
Seitens der FDP ist ein Antrag eingereicht worden, die Angelegenheit, -die wir heute hier beraten haben, zunächst in den Auswareigen Ausschuß zu leiten. Ich bin der Meinung, daß es nicht richtig wäre, mit dieser sehr dringenden Angelegenheit so zu verfahren, wie man das oft macht, indem man Angelegenheiten zunächst an den Ausschuß verweist. Nach den Erfahrungen, die wir bisher im Ausschuß gemacht haben, kann das bedeuten, daß wir nach einem halben J ahr oder nach drei Monaten hier erneut diese Debatte zu führen haben werden. Ich möchte den Antrag der FDP sehr gerne dahin verstehen, daß mit ihm gemeint ist, daß der Auswärtige Ausschuß morgen schon — denn er ist für morgen einberufen worden — sich mit einem Skelett dessen, was in den Anträgen niedergelegt ist, beschäftigt und mit einem von diesem Ausschuß dann gemeinsam auszuarbeitenden Vorschlag noch morgen in dieses
Plenum kommt, damit noch morgen der Wille 1 dieses Hohen Hauses seinen Ausdruck findet.
Meine Damen und Herren! Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt der Zentrumsantrag Drucksache Nr. 785 vor, wonach ein Staatssekretariat für Besatzungs- und auswärtige Angelegenheiten mit den dort näher angegebenen Stellen in den Etat eingebaut werden soll. Der Herr Bundeskanzler hat geglaubt, eine solche Position in seinem Etat entbehren zu können. Uns ist das nicht ganz verständlich; denn selbst wenn man davon ausgehen sollte, daß die Stelle eines Staatssekretärs im Augenblick entweder nicht opportun oder noch nicht zulässig wäre, so muß man doch sagen, daß jetzt, wegen der Zwölftelung der Mittel für 1950, die Einrichtung dieser Etatposition absolut erforderlich sein müßte. Im übrigen bezweifeln wir aber auch die Inopportunität einer solchen Einrichtung, denn schließlich kann es den Alliierten vollkommen gleichgültig sein, wer diese Behörde leitet, die die Verbindung zu den alliierten Stellen herstellt.
Wenn man die Behandlung insbesondere der allgemeinen auswärtigen Angelegenheiten in der Vergangenheit betrachtet, so muß man feststellen, daß sie etwas zu kurz gekommen sind. Nicht nur die eben von Herrn Dr. Lütkens schon erwähnte lückenhafte, schleppende oder gar nicht erfolgte Informierung des Ausschusses über Angelegenheiten dieser Art gibt Veranlassung, zu fordern, daß eine besondere Spitze dieses Büros eingesetzt wird, sondern auch die Art und Weise der Behandlung der einzelnen Fragen, die in dieses Ressort gefallen sind. Es fehlt auch die notwendige Koordinierung. Wenn man zum Beispiel sieht, daß sich andere Ministerien als das Bundeskanzleramt um diese Fragen in einem andern Sinne als der Bundeskanzler selbst bemüht haben, so ergibt sich daraus zwingend der Schluß, daß der Bundeskanzler und die ihm bisher zur Seite stehenden Beamten nicht die Zeit gefunden oder nicht die Routine mitgebracht haben, sich um diese Angelegenheiten so zu kümmern, wie das notwendig ist. Es ist also nach unserer Ansicht dringend erforderlich, daß diese Position nunmehr in den Etat eingerückt wird.
Es sei mir bei dieser Gelegenheit auch gestattet, die Frage der Zweckmäßigkeit des Behördenaufbaus bei dieser Sparte des Bundeskanzleramtes einmal aufzuwerfen. Es sind zur Zeit um die Organisation unserer Auslandsvertretungen verschiedene Abteilungen der gleichen Verwaltung bemüht. Ob und inwieweit eine Koordination stattgefunden hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Das einzige, was an Koordination bisher festgestellt werden konnte — dem Ausschuß wurde ein Bericht darüber ja auch noch nicht gegeben —, war, daß sämtliche Behördenleiter, die in diesen Stellen eine Rolle spielen, einer ganz bestimmten gesellschaftlichen Schicht und studentischen Herkunft entsprachen bzw. entstammten, und das scheint bisher fast die einzige Anforderung und Voraussetzung für die leitenden Stellen der Personalverwaltung dieser
Abteilung gewesen zu sein. Ich würde begierig sein, über eine andere Qualifikation demnächst etwas zu erfahren. Also auch die Personalpolitik unter der einheitlichen Leitung eines Staatssekretärs könnte ich mir erheblich befriedigender vorstellen, als sie sich zur Zeit unter dem überbeschäftigten Herrn Bundeskanzler persönlich anläßt.
Dann hat der Herr Bundeskanzler die Schule, oder wie er sich später ausdrückte: die Vorbereitungskurse, die in Speyer stattfinden, erwähnt. Ich könnte mir denken, daß allein das Milieu, die Umwelt und die Möglichkeiten, die eine Stadt wie Hamburg bietet, besser geeignet wären als gerade Speyer. Ich könnte mir vorstellen, daß eine andere -Stadt — nennen wir Stuttgart oder welche auch sonst-immer — dafür geeignet wäre,
und so erhebt sich die Frage: warum gerade Speyer? Sollte der Umstand dafür Veranlassung gegeben haben, daß zufällig der Leiter dieser Kurse in oder bei Speyer seinen Wohnsitz hat? Eine so auf die Person zugeschnittene Einrichtung scheint doch immerhin etwas merkwürdig.
Dann will ich meine und meiner Fraktion Verwunderung über die Erklärung nicht verhehlen, die die beiden in diesem Punkt maßgeblichen Minister, der Bundeskanzler sowohl wie der Bundesratsminister, zu dem Fall Dr. Ehrich gegeben haben. Wenn diese beiden Herren in ihren Grundgedanken so wenig aufeinander abgestimmt sind, wie sich das bisher ergeben hat, dann ist das nur ein Grund mehr — und darauf zurückzukommen behalten wir uns vor —, die Existenzberechtigung dieses Bundesratsministeriums zu bezweifeln.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die vorliegenden Abänderungsanträge und Entschließungen.
Ich rufe zunächst auf den Antrag der KPD Drucksache Nr. '779 Ziffer IV. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nun zu dem Entschließungsantrag der SPD Drucksache Nr. 786.
— Da ist zunächst der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten gestellt worden. Ich bitte diejenigen, die für den Überweisungsantrag sind, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Minderheit; das erste war die Mehrheit. Der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß ist also angenommen.
Wir kommen nun zu dem Antrag der Zentrumsfraktion Drucksache Nr. 785. Ich bitte diejenigen, die der von der Fraktion des Zentrums beantragten Entschließung zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist also abgelehnt.
Wir müssen nunmehr noch über den Einzelplan IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramtes — abstimmen. Wer für die Annahme dieses Haushaltes ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist der Einzelplan IV angenommen.
Wir kommen nun zu
Einzelplan V — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshall-Plans — für das Rechnungsjahr 1949.
Dazu liegen folgende Streichungsanträge vor: Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 778 Ziffer 5, Antrag der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer V, Antrag der Fraktion des Zentrums Drucksache Nr. 790 Ziffer 3. Außerdem ist noch über den Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 2 abzustimmen.
Meine Damen und Herren, darf ich die Bitte aussprechen, Wortmeldungen bei den Schriftführern schriftlich anzubringen. Es ist sonst schwer, die Übersicht zu behalten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Ich beantrage getrennte Abstimmung über Abs. 1 und Abs. 2 des Antrags der Zentrumsfraktion Drucksache Nr. 790 Ziffer
2. Es kann durchaus sein, daß einige Mitglieder dieses Hauses zwar nicht damit einverstanden sind, daß die zur Verfügung der Minister stehende Summe von 10 000 DM auf 1 000 DM gekürzt wird, wohl aber damit einverstanden sind, dem Flüchtlingsministerium eine höhere Summe, nämlich 20 000 DM, zur Verfügung zu stellen. Wir wissen genau, daß der Betrag von 20 000 DM keine erhebliche Summe darstellt; aber wir wissen auf der andern Seite, daß gerade im Rahmen des Haushalts des Flüchtlingsministeriums eine solche Summe besonders notwendig ist. Es handelt sich um eine freundliche Geste, die wir gerade dem Flüchtlingsministerium erwiesen haben wollten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache über Einzelplan V geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung.
Wir stimmen zunächst ab über die gleichlautenden Streichungsanträge Drucksachen Nr. 778 Ziffer 5, Nr. 779 Ziffer V und Nr. 790 Ziffer
3. Wer für diese drei Anträge ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Damit sind die Anträge abgelehnt.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 2. Dazu ist getrennte Abstimmung gewünscht. Ich stelle zunächst den Abs. 1 dieser Ziffer 2 zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist zweifellos mit großer Mehrheit abgelehnt.
Jetzt stimmen wir über den Abs. 2 der Ziffer 2 ab. Ich bitte diejenigen, die für die Annahme sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist zweifellos die Mehrheit. Der Antrag ist bei einer erheblichen Zahl von Enthaltungen abgelehnt.
Da es sich bei dem Haushalt dieses Ministeriums zum ersten Mal um die Frage der Dienstaufwandsentschädigung der Bundesminister und Staatssekretäre handelt, können wir bei der Abstimmung über den Einzelplan V noch über den Antrag Drucksache Nr. 750 abstimmen. Es handelt sich um den Antrag der Abgeordneten Bausch und Genossen. Ich bitte diejenigen, die für die Annahme des Antrags sind, die Hand zu erheben.
— Es handelt sich um eine Entschließung.
— Wir haben ja auch vorhin über Entschließungen abgestimmt, die sich auf Einzelhaushalte beziehen, und zwar auch für das nächste Jahr.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Bausch.
Meine Damen und Herren, es ist richtig, daß von dem Herrn Präsidenten heute früh vorgeschlagen wurde, über diese Entschließung erst am Schluß der Beratungen der dritten Lesung abzustimmen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß wir in den letzten Stunden über eine ganze Anzahl von Entschließungen ähnlicher Art abgestimmt haben. Ich sehe nicht ein, warum nun über diese Entschließung nicht auch soll ab gestimmt werden können.
Ich möchte deshalb bitten, daß jetzt über diese Entschließung abgestimmt wird.
Meine Damen und Herren, ich möchte keine lange Geschäftsordnungsdebatte haben. Man kann die Sache natürlich so oder so machen. Es ist bereits bei verschiedenen Haushalten über Entschließungen abgestimmt worden. Wenn aber vom Haus gewünscht wird, daß die Abstimmung über alle Entschließungen an den Schluß kommen soll, bin ich damit einverstanden. Eben wird mir aber mitgeteilt, daß außer diesem Antrag keine weiteren Anträge auf Entschließungen vorliegen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Wir haben heute morgen, nachdem beschlossen worden war, diesen Entschließungsantrag am Schluß der Debatte zu behandeln, die Dienstaufwandsentschädigung für Staatssekretäre mit 150 zu 139 Stimmen überhaupt gestrichen. Es hätte keinen Sinn, die gleiche Abstimmung noch einmal vorzunehmen. Der Antrag Drucksache Nr. 750 ist durch die inzwischen
erfolgte Abstimmung über Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 1 überholt.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Bausch.
Ich muß bestreiten, daß durch die heute morgen erfolgte Abstimmung die Entschließung, die wir eingebracht haben, überholt ist. Im übrigen möchte ich nochmals betonen, daß wir heute morgen über eine ganze Reihe von Entschließungen abgestimmt haben, die keinesfalls unmittelbar mit den Haushalten zusammenhingen. Ich möchte nur an die Entschließung gemäß Antrag Drucksache Nr. 778 Ziffer 4 c erinnern, die auch nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Haushaltsplan steht. Ich sehe gar keinen Grund dafür ein, daß wir die Abstimmung über unsere Entschließung jetzt nicht sollen durchführen können.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren, es ist wirklich unbegreiflich, daß wir uns heute so lange über diese Dinge hier unterhalten müssen. Bei dem jetzt vorliegenden Antrag handelt es sich um eine Angelegenheit des Haushaltsplans für 1950. Der liegt keineswegs vor. Es besteht auch gar kein Anlaß, diese Dinge in irgendeiner Form zu präjudizieren. Für das Haushaltsjahr 1949, über dessen Plan wir jetzt zu beraten und zu beschließen haben, ist die Sache durch die Abstimmung heute morgen klargestellt. Wir werden, wenn der Haushaltsplan 1950 vorliegt, genügend Gelegenheit haben, über diese Dinge zu sprechen und dann unsere Entschlüsse zu fassen. Ich glaube, wir können doch mitten in der Abstimmung über den Haushaltsplan 1949 nicht jetzt plötzlich über einen Entschließungsantrag zum Haushalt 1950 Beschluß fassen.
— Das würde doch allen geschäftsordnungsmäßigen Gepflogenheiten widersprechen.
Meine Damen und Herren, der Sachverhalt ist so: es sind bereits einige Entschließungen zum Haushaltsplan 1950 angenommen worden.
Aber da hier widersprochen wird und da dieses Verfahren, jetzt über Entschließungen abzustimmen, der heute morgen vom Herrn Präsidenten ausgesprochenen Ankündigung widerspricht, sehe ich davon ab, diesen Antrag Drucksache Nr. 750 jetzt zur Abstimmung zu stellen.
— Nach Schluß der gesamten Beratung des Haushaltsplans!
Wir kommen nunmehr noch zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 790 Ziffer 2, den Antrag des Zentrums. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, — —
— Das ist erledigt.
Dann muß noch abgestimmt werden über den gesamten Plan, den Einzelplan V, Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Marshallplans für das Rechnungsjahr 1949. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die für Annahme dieses Haushaltsplanes sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. - Das erste war die Mehrheit. Der Haushaltsplan V ist angenommen.
Wir kommen nun zur Beratung des
Einzelplans VI - Haushalt des Bundesministeriums des Innern für das Rechnungsjahr 1949.
Dazu liegen vor die Anträge der Abgeordneten Brese und Genossen Drucksache Nr. 782, Antrag der Fraktion der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer VI und der Antrag der Bayernpartei Drucksache Nr. 794.
Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht.
- Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben Ihnen schon anläßlich der zweiten Beratung des Haushaltsplans des Bundesinnenministeriums zu zeigen versucht, daß gerade dieses Ministerium hypertrophisch besetzt ist, daß gerade in diesem Ministerium eine Unzahl von Ministerialdirektoren- und Ministerialdirigenten- und vor allem von Ministerialrats-und Oberregierungsratsstellen drinnen sind. Diese Besetzung wird keineswegs dazu beitragen, den Arbeitsgang des Ministeriums reibungsloser werden zu lassen, sondern nur dazu beitragen, die Arbeit zu komplizieren.
Wir haben diesbezügliche Anträge bereits gestellt; sie wurden von Ihnen das letzte Mal abgelehnt. Wir wissen, daß ihnen auch diesmal das gleiche Schicksal widerfahren würde.
Aber weil Sie heute früh glaubten, an unseren Sparvorschlägen etwas aussetzen zu können, weil Sie heute früh, als ich hier für Sparsamkeit plädierte, glaubten, mich durch Zwischenrufe schon beleidigender Art immer und immer wieder unterbrechen zu müssen, als Sie mich mit Hohn und Spott überschütteten,
nachdem ich Ihnen erklärte, daß unser Volk hinter diesen Sparanträgen steht, möchte ich Ihnen doch jetzt noch einiges zur Kenntnis bringen:
Wenn in Bonn Haushaltsberatungen stattfinden, so begegnet diese Kernfrage unseres staatlichen Lebens bei den Abgeordneten auch einem recht geringen Interesse. Bisweilen fehlten von über 400 Abgeordneten bis zu 330.
- Nein!
Ich fahre fort:
Zwar hat der Haushaltsausschuß die Positionen der Regierungsvorlagen bereits um etwa eineinhalb Millionen DM gekürzt;
es wurde aber immerhin das nette Sümmchen von etwa 27 Millionen bewilligt,
ohne daß sich die Abgeordneten viele Gedanken darüber gemacht hätten.
Unser Staat ist arm und kann viele berechtigte Forderungen von schwer Notleidenden nicht erfüllen. Man stutzt deshalb, wenn man erfährt, daß für die Büchereien der Regierung im Zeitraum vom 21. September 1949 bis 31. März 1950 308 600 DM eingesetzt sind, an Schreib- und Zeichenbedarf 275 300 DM. An Unterhaltskosten treffen auf jeden Regierungswagen 5 457 DM, innerhalb von 6 Monaten, eine Summe also, mit der gleich ein neuer Wagen beschafft werden könnte.
Wenn also der Bundeswirtschaftsminister die Kritik der Oberkommissare an der deutschen Verschwendungssucht als unberechtigt zurückzuweisen sucht, so kann man sich leicht vorstellen, was er unter Verschwendung einerseits und „sozialer Marktwirtschaft" andererseits versteht. Daß aber keine Partei sich gedrängt fühlt, laut und eindringlich vor solchem Aufwand zu warnen, trägt mit zu der Vertrauenskrise bei, in der sich die Parteien auch dann befinden, wenn sie selber sich dessen nicht einmal bewußt sein sollten.
Das hat nicht der „böse Loritz" gesagt, das hat niemand von der WAV geschrieben, sondern das i hat eine Zeitung geschrieben, die wirklich nicht im Verdacht steht, der WAV nahezustehen, das hat die „Süddeutsche Zeitung" geschrieben in ihrem Leitartikel: „Streiflicht" von heute, in der Nummer von Donnerstag, dein 30. März 1950! Diese Zeitung hat nur das ausgedrückt, was der weitaus überwiegende Teil unseres Volkes draußen denkt. Aber wenn, da drinnen steht, keine Partei habe gegenüber unserem Volk soviel Verantwortungsgefühl, das hier zu sagen, und alle Parteien hätten zu all diesen unerhörten Dingen geschwiegen, zu diesen Etatansätzen, die über das Maß des Erträglichen weit hinausgehen, dann erkläre ich Ihnen: wir von der WAV und ich persönlich werden dazu nicht schweigen, und wir haben dazu auch nicht geschwiegen.
— Bitte, wenden Sie sich mit Ihren geistvollen Zwischenrufen an die „Süddeutsche Zeitung", die doch in Ihrem Bezirk so verbreitet ist, und dann machen Sie es mit denen aus, daß hier einmal ein weißer Rabe auch in einer großen Zeitung es gewagt hat, sich in diese Ausgabenwirtschaft einzumischen.
— Schreien Sie nicht gegen mich, sondern versuchen Sie — —
— Was ist das? Eine SPD-Zeitung ist das? Das ist der beste Witz, den ich je gehört habe!
Daß die „Süddeutsche Zeitung" eine SPD-Zeitung sei, das ist der beste Witz, den ich während dieser Haushaltsdebatte von den Herren der Regierungsparteien bisher gehört habe!
Darf ich Ihnen eines zum Schluß sagen: Wollen Sie, bitte, jetzt noch, im letzten Moment, anläßlich der dritten Beratung des Haushaltsplanes, endlich einmal Sparentwürfe annehmen! Ich fordere Sie von den Regierungsparteien, nachdem Sie unsere Anträge abgelehnt haben, auf: Seien doch Sie jetzt die Leute, die vorangehen! Stellen Sie jetzt im letzten Moment die entsprechen den Abänderungsanträge, und unser Volk wird Ihnen dankbar sein. Aber wenn wir bis zum äußersten gekämpft haben für sparsame Etats, dann, bitte, schütten Sie nicht die Schale Ihres Hohns und Spottes über uns aus, sondern setzen Sie sich auseinander mit unserem Volk, das Einfachheit und Sparsamkeit will und dringend nötig braucht. Das möchte ich Ihnen noch sagen auf Grund der Debatte, die heute früh hier stattfand, und auf Grund Ihrer so „geistvollen" Zwischenrufe gegen mich heut in der Frühe!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Brese.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Erler hat schon bei der Berichterstattung zu der ersten Lesung des Etats des Innenministeriums darauf hingewiesen, daß bei der Haushaltsberatung starke Meinungsverschiedenheiten auftraten bezüglich der Zuständigkeit für das Veterinärwesen. Diese Beratungen haben dazu geführt, daß in der ersten Lesung im Haushaltsausschuß das Referat, dem u. a. die Aufgaben des Veterinärwesens obliegen, gestrichen wurde.. Bei der zweiten Lesung ist dann allerdings nach der Mitteilung des Herrn Regierungsvertreters, daß zwischen dem Innenministerium und dem Landwirtschaftsministerium eine Einigung zustande gekommen sei, dieses Referat wieder eingesetzt worden.
Vor Ihnen liegt nun der Antrag Drucksache Nr. 782, wonach die Stelle eines Regierungsdirektors — A 1 b — und die Stelle eines Regierungsoberinspektors — A 4 b 1 — gestrichen werden sollen. Dieser Antrag verfolgt den Zweck, diese Abteilung im Innenministerium wieder zu streichen und das Aufgabengebiet der Veterinärverwaltung bzw. die Angelegenheiten des ganzen Veterinärwesens wieder dem Landwirtschaftsministerium zu übertragen. Dieses Referat ist im Stellenplan mit dem folgenden Aufgabengebiet ausgewiesen: a) allgemeine Fragen des tierärztlichen Prüfungswesens, b) Zulassung zu tierärztlichen Heilberufen und c) Fragen der Überwachung von Lebensmitteln tierischer Herkunft. Die Antragsteller sind der Meinung, daß das bezeichnete Aufgabengebiet in das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gehört. Gestatten Sie mir zu unserem Antrag einige Worte.
Ein Rückblick auf die geschichtliche Entwicklung zeigt folgendes: In der Zeit vor 1918 war dieses Aufgabengebiet den Landwirtschaftsministerien der einzelnen Länder unterstellt. Im
Reiche gab es in der damaligen Bismarckschen Verfassung noch kein Reichsministerium für Landwirtschaft, sondern dieses Ressort war dem Innenministerium angegliedert. In dem großen Lande Preußen dagegen war dieses Aufgabengebiet dem Landwirtschaftsministerium unterstellt. In der Weimarer Zeit ist es dann dem Reichsernährungsministerium zugewiesen worden, und dieses Ministerium hat diese Abteilung bis zum Dritten Reich behalten. Erst als dann keine gewählte Volksvertretung mehr da war und die Bürokratie allein entscheiden konnte, sind diese Aufgaben dem Innenministerium übergeben worden. Dabei muß ich allerdings feststellen, daß im Jahre 1943 eine Abmachung getroffen wurde, nach der dieses Aufgabengebiet wieder an das Ernährungsministerium zurückgegeben werden sollte. In diesem Zusammenhang möchte ich auch noch darauf hinweisen, daß in fast allen anderen Ländern, beispielsweise in Dänemark und in Amerika, dieses Aufgabengebiet der Landwirtschaftsverwaltung unterstellt ist.
Das Kabinett selbst hat sich ebenfalls auf den Standpunkt gestellt, daß diese Dinge vom Bundesministerium für Ernährung; Landwirtschaft und Forsten betreut werden sollten. Der Bundesrat hat sich in zwei Sitzungen mit der gleichen Frage befaßt und ist gleichfalls einhellig zu der Überzeugung gekommen, daß, um Kompetenzschwierigkeiten zu vermeiden, das gesamte Veterinärwesen dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eingegliedert werden sollte. Lediglich in der russischen Zone Deutschlands ist dieses Aufgabengebiet geteilt. Wir haben aber gehört, daß sich diese Teilung dort sehr schlecht bewährt hat und daß man auch drüben dazu übergehen will, die Zuständigkeit für diese Fragen ausschließlich dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu übertragen.
Sie sehen also, die gesamte geschichtliche Entwicklung geht dahin, das Veterinärwesen vom Landwirtschaftsministerium betreuen zu lassen.
Aber nicht nur die geschichtliche Entwicklung zeigt das, sondern es ist auch der Wunsch der in Frage kommenden Stellen. Die westdeutsche Tierärztekammer hat sich an den Herrn Bundeskanzler gewandt mit der Bitte, dieses ganze Aufgabengebiet dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu übertragen. Sie hat sich weiter in einem Brief vom März auch an alle Abgeordnete des Hauses mit einer ausführlichen Begründung und mit der Bitte gewandt, diesem Zustand ein Ende zu machen, daß hier wegen der Kompetenzschwierigkeiten die Aufgaben, die da zu lösen sind, gefährdet werden.
Welche Aufgaben sind zu lösen? Es ist folgendes. Hier ist es nicht etwa damit getan, die Fleischbeschau zu überwachen, oder es ist nicht damit getan, darüber zu wachen, daß die Krankheiten der Tiere nicht auf die Menschen übertragen werden können, sondern vor allen Dingen ist hier doch das ganze Gebiet des Veterinärwesens zu überwachen. Das ist heute besonders wichtig. Bei den vielen Einfuhren drohen der Landwirtschaft Seuchengefahren. Ich erinnere nur an die Maul- und Klauenseuche, an die Hühnerpest, an die Lungenseuche und an alle möglichen Seuchen, die jetzt unsere Land
wirtschaft von außen her gefährden. Wenn dieses Aufgabengebiet nicht in einer Hand zusammengefaßt ist, so besteht die Gefahr, daß wagen der Kompetenzschwierigkeiten Verzögerungen eintreten, wenn irgendwelche Maßnahmen getroffen werden sollen.
Wenn wir einen Schutz gegenüber den von den Tieren auf den Menschen übertragbaren Krankheiten haben wollen, so müssen wir vor allen Dingen doch auch die Krankheiten bei den Tieren beobachten und bekämpfen. Ich denke hier an Milzbrand, abortus Bang und an alle anderen ansteckenden Krankheiten, die auch auf den Menschen übertragen werden können. Es ist von unseren Gegnern darauf hingewiesen worden, daß die Polizeigewalt bei dem Ministerium des Innern liege und daß das dafür spreche. auch diese Aufgabengebiete von dem Ministerium des Innern mit in die Hand nehmen zu lassen. Aber, meine Damen und Herren, dem ist ja nicht so. Denn die Polizeigewalt liegt in den Händen der Länderregierungen, und wir wissen sehr gut, daß man von dort mit polizeilichen Maßnahmen diesen Bestimmungen genügend Nachdruck geben kann.
Deswegen haben wir diesen Antrag eingereicht, und ich bitte im Namen der Unterzeichneten - und ich kann wohl sagen im Namen der gesamten Landwirtschaft und der Westdeutschen Tierärztekammer — um Annahme dieses Antrages.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat den Antrag gestellt, die Stelle des Leiters der Abteilung III des Innenministeriums statt mit einem Beamten der Gruppe B 4, einem Ministerialdirektor, nur mit einem Ministerialrat der Gruppe A 1 a zu besetzen. Ein Ministerialdirektor gibt der Abteilung ein Gewicht, das ihr nach der Verfassung nicht zusteht. Es besteht bei einer solchen Besetzung die Gefahr, daß die Abteilung Sachgebiete an sich reißt, die über ihre verfassungsmäßige Zuständigkeit hinausgehen.
Bekanntlich kommt der Appetit ja mit dem Essen, und sogar auf kulturellem Gebiet ist das der Fall, wie das Kollege Höpker-Aschoff gestern bewiesen hat. Er hat einen so gesegneten Appetit entwickelt, daß er sogar in Schüsseln naschen will, die gar nicht für ihn aufgetragen sind,
nämlich in der Münchener Pinakothek.
Die Bilder aus .dem Düsseldorfer Besitz, die gestern zur Debatte standen, sind auf legalem Weg durch Erbschaft innerhalb der Wittelsbacher Familie in den Besitz des Kurfürsten Karl Theodor gelangt und kamen dann nach München. Da befinden sie sich nun schon seit 170 Jahren. Es ist doch eigentlich sehr pikant, daß ausgerechnet ein prominenter Hinterbliebener des preußischen — na, man soll von Toten gut reden, wollen wir mal sagen: Machtstaates, hier Korrekturen vornehmen will. Er will da Korrekturen vornehmen zugunsten der Bundesgebäude hier in Bonn.
Ich glaube ja nicht, daß die Münchener das Bild von Jan Steen „Der preisgekrönte Redner" zum Schmuck dieses Saales herausgeben wollen. Wir möchten vorschlagen, daß wir dafür den „Höllensturz der Verdammten" hier hereinhängen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Ehlers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die dritte Lesung des Haushaltsplanes des Ministeriums des Innern bringt naturgemäß die Themen der zweiten Lesung wieder. Ich vermag nicht einzusehen, daß die Argumente, die gegen die Kulturabteilung des Innenministeriums in der dritten Lesung angeführt werden, überzeugender sind, als die in der zweiten Lesung vorgetragenen.
— Ich bedauere natürlich auch, unter Umständen mit meinem verehrten Kollegen Strauß nicht ganz einer Meinung zu sein. Aber wir sind uns darüber klar geworden — und diese Dinge sind im Haushaltsausschuß auch hinreichend besprochen worden —, daß wir die Angelegenheiten des kulturellen Lebens auf der Bundesebene nicht einfach degradieren können. Es ist gar kein Zweifel, daß in dem Antrag der Bayernpartei, die Leitung der Abteilung III, der kulturellen Abteilung des Innenministeriums, einem Ministerialrat zu übertragen, der Wunsch und der Wille zu einer Degradierung zum Ausdruck kommt. So geht das nicht. Bei der Betrachtung der kulturellen Fragen, insbesondere der Schulangelegenheiten, können wir uns immer wieder des Eindrucks nicht erwehren, daß das Zusammenleben und das gemeinsame Handeln der deutschen Länder noch sehr viel zu wünschen übrig lassen. Wir glauben, daß die kulturelle Abteilung des Innenministeriums hier Aufgaben hat, die, wenn sie wahrgenommen werden, in gar keiner Weise den Verdacht aufkommen lassen, daß es sich hier um machtstaatliche Ansprüche handelt, sondern es handelt sich ganz einfach um nationale Anliegen, die wir gemeinsam zu vertreten haben.
Ich möchte noch etwas zu dem Antrag des verehrten Herrn Kollegen Brese sagen, um jedenfalls nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, daß der Haushaltsausschuß über diese Angelegenheit leichtfertig hinwegeggangen sei. Der Haushaltsausschuß hat sich mit dieser Frage der Unterbringung des Veterinärwesens lang und breit befaßt. Ich muß sagen, daß das, was die Herren Vertreter der Tierärzteschaft uns dort vorgetragen haben, nicht immer in der gleichen Zielrichtung gegangen ist. Ich habe an einem Tage gehört, sie wünschten, daß diese Angelegenheiten einheitlich im Innenministerium bearbeitet werden. Ich habe am nächsten Tage von den gleichen Herren einen Brief bekommen, in dem sie ebenso überzeugend nachweisen, daß das einheitlich im Landwirtschaftsministerium erledigt werden müßte.
— Die Hauptsache ist — das ist richtig und
wurde immer wieder vorgetragen —, daß sie
einheitlich in einem Ministerium erledigt wer-
den. Ich glaube nicht — und das ist nach meiner Überzeugung auch Grundlage der Entscheidung des Haushaltsausschusses gewesen —, daß wir diese Frage endgültig entscheiden und einheitlich regeln können, weil uns von beiden Seiten immer wieder Gesichtspunkte vorgetragen worden sind, die durchaus wesentlich sind. Es läßt sich nicht verkennen, daß das Innenministerium in der Wahrnehmung der Aufgaben der Lebensmittelüberwachung, auch der Überwachung der Lebensmittel tierischer Herkunft, polizeiliche Befugnisse wahrnimmt — auch wenn sie zum Teil durch die Länderbehörden durchgeführt werden müssen —, die man notwendigerweise und sinnvollerweise im Innenministerium läßt.
Wir sehen also hierin keine Grundsatzentscheidung, sondern werden durchaus bereit sein, der Entscheidung der Mehrheit des Hauses nachzugeben. Der Haushaltsausschuß hat nur gemeint, daß er den Regelungen, die im Rahmen der Organisationsgewalt der Regierung getroffen worden sind, und den Vereinbarungen, die zwischen dem Innenminister und dem Ernährungsminister getroffen worden sind, entsprechen und die Haushaltsansätze dementsprechend beschließen sollte. Das ist geschehen. Wenn das Haus glaubt, zu einer anderen Regelung kommen zu sollen, wird es wahrscheinlich der Mehrheit des Haushaltsausschusses gleichgültig sein, wo diese Ansätze erfolgen, wenn nur die ordnungsmäßige Wahrnehmung der Aufgaben gesichert ist.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich aber noch ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Loritz sagen. Ich empfinde es langsam als unerträglich, daß der Herr Abgeordnete Loritz jede Gelegenheit benutzt, um zum Ausdruck zu bringen, daß er und seine politischen Freunde gegenüber der Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Vertreter der Meinung des deutschen Volkes seien.
Ich muß es mir als Abgeordneter des deutschen Volkes verbitten, daß der Herr Abgeordnete Loritz hier ständig den Eindruck erweckt, als ob er es sei, der die Meinung und die Wünsche und die Anliegen der Mehrheit des deutschen Volkes verkörpere.
Es ist völlig untragbar, wenn ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages glaubt, auf diese Weise eine parteipolitische Propaganda betreiben zu können, wenn er glaubt, vor der Öffentlichkeit den Eindruck ,erwecken zu sollen, als ob die übrigen Mutglieder dieses Hohen Hauses sich über alle von ihm vorgetragenen Fragen und die von ihm gestellten Anträge — wie er es aus dem Aufsatz zitierte — keine Gedanken gemacht hätten. Es scheint mir so ,zu sein, daß die übrigen Mitglieder des Hauses sich über die Arbeit einer Regierung, über die Notwendigkeiten eines Ministeriums und die darin zu erfüllenden Aufgaben wesentlich mehr und sachverständiger Gedanken gemacht haben als der Herr Abgeordnete Loritz. Allerdings benutzen sie diese Gedanken nicht dazu, um damit Propaganda zu treiben und Spaltungen im deutschen Volke herbeizuführen, die wir um des Lebens unseres Volkes willen nicht wollen. Wir leben von der sachlichen Arbeit und, Gott sei Dank, nicht von der Pro- I paganda.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Hammer.
Meine Damen und Herren! Der sehr verehrliche Herr Kollege Brese hat hier einen Antrag seiner Freunde begründet, einen Teil der veterinärmedizinischen Abteilung wieder aus dem Innenministerium herauszunehmen und ins Landwirtschaftsministerium zurückzuverlegen.
— Den Rest, um ganz unmißverständlich zu sein. Ich muß diesem Antrag leider widersprechen. Ich bitte Sie, doch einmal von folgendem Beispiel auszugehen, um die ganze Situation richtig beurteilen zu können. Als ich vor 30 Jahren noch Student der Medizin war, nahm ich davon Kenntnis, daß etwa 6 % aller Tuberkuloseerkrankungen bei den Menschen in Deutschland Erkrankungen waren, die von dem Typus bovinus, von dem Rindertuberkelbazillus verursacht waren. Wissen Sie, daß bis zum heutigen Tag der Anteil dieses Rindertyps an der menschlichen Tuberkulose in Deutschland bis auf 40 % gestiegen ist?
Das bedeutet, daß die Einschränkung, die Bekämpfung der Rindertuberkulose, die Sterilisation der Milch oder irgendwie die Unschädlichmachung der Keime der Rindertuberkulose eine Existenzfrage für die deutsche Bevölkerung ist. An keinem Beispiel kann man eindeutiger beweisen, daß es nicht zweierlei Arten von Medizin gibt, eine Veterinärmedizin und eine Humanmedizin, sondern daß es nur eine medizinische Forschung und Wissenschaft gibt, und zwar im Interesse der Gesunderhaltung der deutschen Menschen.
Die Herren Kollegen von der anderen Fakultät, die Veterinäre — das möchte ich doch zur Richtigstellung feststellen — waren nicht grundsätzlich der Ansicht, daß ihre Abteilung in das Landwirtschaftsministerium gehört. Sie hatten nur den Wunsch, daß diese Abteilung insgesamt in einer Hand liegt. Als die Dinge so weit gelaufen waren, daß der größere Teil ins Landwirtschaftsministerium kam, haben sie deshalb gesagt: in Gottes Namen, dann ganz hinüber, damit wir zusammen sind. Das war also keineswegs eine Ansicht, die von der Ansicht der Ärzte abgewichen ist. Es kann nicht anders sein, gesundheitspolizeiliche Maßnahmen liegen nun einmal beim Innenministerium, nicht nur in den Dingen der Landwirtschaft, nicht nur in den Dingen der Tierzucht, sondern auch auf ganz anderen Sachgebieten.
Ich glaube nicht, daß Sie etwa auf die Idee kämen, die Beurteilung der Giftigkeit eines Spielzeugs wegen Bleigehalts einer Handelskammer zu überlassen, sondern Sie würden sich auf den Standpunkt stellen, der einzige, der dazu in der Lage ist, entscheidende Urteile abzugeben, ist der Arzt, ist die Gesundheitsabteilung.
Ich schlage Ihnen daher vor: lehnen Sie den Antrag des Herrn Kollegen Brese ab, und lassen SR die Referenten, die im Haushalt des Innenministeriums noch drinstehen, dort stehen, wo sie sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Decker hat gemeint, die Bilder in der alten Pinakothek seien Wittelsbacher Hausgut. Nun, Herr Kollege Decker, diese Bilder sind Gemälde der Niederländer Schule, der flämischen Schule und der holländischen Schule und sind in Düsseldorf erworben worden, als dort noch kein Wittelsbacher oder Münchener herrschte. Diese Wittelsbacher sind dann als Erben in dieses Land gekommen. Sie haben nicht nur das ganze Land an sich genommen, sondern auch diese Bilder. Das Land haben sie dann nachher verloren, weil es ihnen Napoleon wieder abgenommen hat, aber die Bilder haben sie mit nach München genommen. Nur das wollte ich feststellen.
Im übrigen, Herr Kollege Decker, scheinen Sie noch immer nicht gelernt zu haben, die Preußen zu lieben, und Sie sollten es eigentlich tun. Denn, Herr Kollege Decker, wenn der große Preußenkönig nicht gewesen wäre und den Bayern zweimal geholfen hätte — einmal 1742 und zum zweitenmal 1778 — dann wäre das schöne Bayernland eine österreichische Provinz geworden.
Und die Wittelsbacher hätten sich dann damit abfinden müssen, ihre Herrscherkünste entweder in der Toskana oder in den österreichischen Niederlanden auszuüben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! In dem fröhlichen Zickzackkurs zwischen Tiermedizin und Kunst muß ich noch einmal auf die Tiermedizi i zurückkommen und das Haus bitten, den Antrag Brese, Drucksache Nr. 782, abzulehnen. Die medizinischen Gründe dafür hat Ihnen Herr Dr. Hammer vorgetragen. Die verwaltungsmäßigen sind folgende: Das Ausbildungswesen zu den Heilberufen liegt im Innenministerium, folglich wohl auch zu den tiermedizinischen Heilberufen. Dasselbe gilt für die Zulassung zu den Heilberufen. Es ist also eine absolute Verwandtschaft mit einem Arbeitsgebiet gegeben, das unumstritten im Innenministerium liegt. Vor allen Dingen aber haben sich der Herr Kollege Niklas — von Beruf Tierarzt — und ich über die Aufteilung der Arbeitsgebiete verständigt. Die Verständigung hat dem Haushaltsausschuß vorgelegen und ist von ihm gebilligt worden. Sie können überzeugt sein, daß der Herr Kollege Niklas das Seine getan hat, um an der Tiermedizin für das Landwirtschaftsministerium zu retten, was immer nur für ihn zu retten war. Er hat seine Interessen dort bestens vertreten. Anerkennen Sie bitte jetzt die Vereinbarung, die da getroffen worden ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dannemann.
Dannemann . Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich der Auffassung des Herrn Bundesministers des Innern nicht folgen kann. Der Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft hat sich in einer der ersten seiner Sitzungen auch mit der Frage beschäftigt, wohin das Gebiet der Veterinärmedizin gehört.
Nach den seinerzeit getroffenen Empfehlungen der Ministerpräsidenten war vorgeschlagen worden, dieses Gebiet wiederum dem Innenministerium einzuverleiben. Wir sind der Auffassung, daß das Hauptschwergewicht in der ganzen Tierheilkunde heute nicht in der direkten Bekämpfung, sondern in vorbeugenden Maßnahmen liegt. Infolgedessen sind wir von seiten der Landwirtschaft der Auffassung, daß die Veterinärmedizin früher eine Angelegenheit des Landwirtschaftsministeriums gewesen ist und es auch in Zukunft wieder werden muß.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Antrag Brese und Genossen auf Drucksache Nr. 782. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Das letzte ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir kommen zum Antrag der KPD auf Drucksache Nr. 779 Ziffer VI. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt ab über Drucksache Nr. 794, Antrag der Bayernpartei. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen jetzt ab über den gesamten Haushaltsplan des Bundesministeriums des Innern für das Rechnungsjahr 1949. Ich bitte diejenigen, die für Annahme dieses Haushalts sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Haushalt ist angenommen.
Wir kommen nun zum
Einzelplan VII — Haushalt des Bundesministeriums der Justiz — für das Rechnungsjahr 1949.
Hierzu liegt ein Abänderungsantrag der KPD auf Drucksache Nr. 779 Ziffer VII vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Abänderungsantrag der KPD auf Drucksache Nr. 779 Ziffer VII. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist mit überwiegender Mehrheit abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Haushalt des Bundesministerium der Justiz, Einzelplan VII. Ich bitte diejenigen, die für Annahme des Haushalts sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Haushalt ist angenommen.
Wir kommen nun zu
Einzelplan XIV - Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau — für das Rechnungsjahr 1949.
Es liegen dazu vor ein Abänderungsantrag der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer VIII und ein handschriftlicher Antrag des Abgeordneten Bausch und Fraktion, der folgendermaßen lautet:
Im Einzelplan XIV — Haushalt des Ministeriums für Wohnungsbau — wird eine Stelle Be-
soldungsgruppe B 4 — Ministerialdirektor — gestrichen.
Das Wort wird nicht gewünscht. — Die Aussprache
ist geschlossen. Wir kommen also zur Abstimmung.
Wir stimmen zunächst ab über den Antrag der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer VIII. Ich bitte diejenigen, die für die Annahme des Antrags sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die überwiegende Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über den soeben verlesenen Antrag des Abgeordneten Bausch und Fraktion. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Wir stimmen nunmehr ab über Einzelplan XIV — Haushalt des Bundesministeriums für Wohnungsbau. Ich bitte diejenigen, die für Annahme des Haushalts sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Haushalt ist angenommen.
Ich rufe nun auf den
Einzelplan XV - Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen für das Rechnungsjahr 1949 .
Dazu liegen vor: Der Antrag der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 781 Ziffern 1 und 2, der Antrag der Bayernpartei Drucksache Nr. 799 und die Entschließung der Deutschen Partei Drucksache Nr. 765 Ziffer 2.
Wortmeldungen liegen nicht vor?
- Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern abend ist im Beamtenrechtsausschuß vom Innenministerium mitgeteilt worden, daß der Gesetzentwurf für die Betroffenen aus dem Artikel 131 Ende April dem Hohen Hause vorgelegt wird. Demgemäß beantragen wir, daß unsere Entschließung der Regierung als Material für dieses Gesetz überwiesen wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag gestellt, das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen umzubenennen und umzuorganisieren in ein Bundesministerium für Angelegenheiten kriegsgeschädigter Personen. Damit würde das Aufgabengebiet dieses Ministeriums wesentlich erweitert. Die Begründung hierfür haben wir Ihnen bereits in der zweiten Lesung gegeben. Zur Abkürzung der Debatte möchte ich diese Gründe nicht noch einmal wiederholen; wir halten sie in vollem Umfange aufrecht. Wir weisen nur auf die Bedeutung hin, die es haben wird, wenn alle die Aufgaben, die zur Behebung der Not und des Elends der Flüchtlinge, Kriegsversehrten, Kriegerwaisen, Kriegerwitwen und nicht zuletzt der Bombengeschädigten zu lösen sind, in einer Hand, in einem Ministerium aufeinander abgestimmt und abgewogen werden können.
Weiterhin stellen wir den Antrag auf die Errichtung eines Referates für Flüchtlingsausgleich. Die
Bedeutung und Dringlichkeit dieser Aufgabe I spricht für sich.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Tichi.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wenden uns mit aller Entschiedenheit gegen die Anträge der Bayernpartei in den Drucksachen Nr. 799 und 781, das Bundesministerium für Angelegenheiten der Vertriebenen als Bundesministerium für kriegsgeschädigte Personen zu bezeichnen. Wir verstehen ganz genau die Tendenz der Bayernpartei, die dahin geht, die Bedeutung dieses Ministeriums abzuschwächen und es zu bagatellisieren, es mit einer Gruppe von Menschen zu belasten, die mit den Vertriebenen als solchen nichts gemein hat.
„Kriegsgeschädigte" ist ein sehr weiter Begriff. Jeder zweite Mensch in Westdeutschland kann sich als kriesgeschädigt bezeichnen. Der Begriff „Heimatvertriebene" müßte der Bayernpartei bekannt und klar sein. Es sind Menschen, die ihr Vermögen, ihre Existenz, vor allem ihre Heimat, kurz alles verloren haben und die eines ganz besonderen Schutzes bedürfen und deren Not und Elend nicht bagatellisiert werden darf.
Als Heimatvertriebene anerkennen wir mit großer Genugtuung die einmütige Haltung des ganzen Hauses zum Haushaltsplan des Bundesministeriums für Angelegenheiten der Vertriebenen. Damit wurde nicht nur die Bedeutung dieses Ministeriums, sondern auch die Bedeutung des ganzen Flüchtlingsproblems anerkannt. Der Bundesminister für Heimatvertriebene und sein Ministerium sind Repräsentanten von 8 Millionen Menschen, die in den westdeutschen Ländern zu den Heimatvertriebenen zählen, und darin liegt die große Bedeutung des Bundesministeriums für Heimatvertriebene. Nachdem das Flüchtlingsproblem kein deutsches Problem ist, greift es auch in unsere Außenpolitik ein und muß international gelöst werden. Deshalb hat auch der Bundesminister für Heimatvertriebene zu außenpolitischen Fragen Stellung zu nehmen. Er hat im Ministerrat die Sorgen und Nöte seiner Schicksalsgenossen zu vertreten und sich für sie einzusetzen. Wir wünschen, daß seine Position stark und fest sei.
Uns sind die Widerstände bekannt, die im Ministerrat, vor allem auch im Bundesrat liegen. Wir wollen, daß ein Flüchtlingsgesetz geschaffen wird für das gesamte Bundesgebiet, in dem die Kompetenz des Flüchtlingsministeriums auf fester Grundlage verankert werden muß. Aber ein Flüchtlingsgesetz, so wie wir es in Bayern haben, ohne Strafsanktionen, hat keine Bedeutung.
Ich hatte heute vormittag Gelegenheit, der Sitzung des Ausschusses für Heimatvertriebene beizuwohnen, an der auch der Bundesminister Dr. Lukaschek teilnahm. Am 2. Dezember 1949 hat dieses Hohe Haus einmütig die Gleichstellung der heimatvertriebenen Ruheständler mit den einheimischen beschlossen. Dieser Beschluß, der Zehntausenden von Menschen, die in Not leben, berechtigte Hoffnungen gemacht hat, ist bis heute nicht ausgeführt worden. Die Leute sind heue enttäuscht. Wir wissen ganz genau, daß die Widerstände gegen die Realisierung dieses Beschlusses des Bundestages vor allem beim Bundesfinanzminister Schäffer liegen, der sich gegen die Realisierung dieses
Beschlusses gestellt hat. Wenn wir heute hören — das habe ich heute vormittag gehört —, daß 20 Millionen als Überbrückungshilfe für diese Zwecke auf zwei Monate bewilligt werden, dann glaube ich, daß es sehr ernst um diese Frage ist. Ich halte es für unmöglich, daß die Bundesregierung und vor allem der Bundestag, bevor sie auf Osterferien gehen, diese Frage nicht erledigen. Es ist notwendig, daß hier endlich Klarheit geschaffen wird, damit wir die Leute, die in ihrer Not und ihrem Elend auf die Lösung dieser Frage warten, nicht dem Nihilismus oder der Verzweiflung preisgeben. Das wollte ich sagen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache Nr. 781 wirft sehr weitgehende Organisations- und Finanzprobleme auf. Ich bin nicht der Ansicht, daß wir über diesen Antrag schon heute entscheiden können. Ich habe deswegen gestern auch noch einmal mit Herrn Bundesminister Dr. Lukaschek gesprochen. Wie er mir mitteilte, hatte das Kabinett noch keine Gelegenheit, sich mit der Frage zu beschäftigen. Ich darf aber darauf hinweisen, daß mir von verschiedenen Seiten der Kriegsgeschädigten, insbesondere auch der Bombengeschädigten, das besondere Interesse an einer besseren ministeriellen Betreuung übermittelt wurde. Deshalb möchte ich den Vorschlag machen, den Antrag Drucksache Nr. 781 dem Haushaltsausschuß als federführend und außerdem dem Ausschuß für Heimatvertriebene zur Stellungnahme zu überweisen
— Ziffer 1, einverstanden! — und über die beiden Ziffern getrennt abzustimmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Strauß.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der Bayernpartei auf Drucksache Nr. 781 geht wohl auf den Grundsatz zurück, daß zwischen den Heimatvertriebenen und Bombengeschädigten — die Kriegsbeschädigten will ich hier nicht mit hereinnehmen, Herr Dr. Decker, das ist eine grundsätzlich andere Gruppe; es ist vorhin hier von den Kriegsbeschädigten gesprochen worden; diese Gruppe aus dem Arbeitsministerium herauszunehmen, erschien mir verwaltungsmäßig und versorgungsmäßig als nicht zweckentsprechend —, daß zwischen den Gruppen der Kriegsgeschädigten, der Heimatvertriebenen und der Bombengeschädigten weitgehend gemeinsame Interessen -bestehen und sie deshalb auch weitgehend ' gemeinsam in ein und derselben verwaltungsmäßigen Betreuung zusammengefaßt werden können.
Nur ist hier auch wieder die gleiche Überlegung anzustellen, die, glaube ich, damals auch von der Bayernpartei gegen das Heimatvertriebenen-Ministerium angestellt wurde, eine Überlegung, die auch von weiten anderen Kreisen damals vorgenommen wurde, ob man nämlich damit, daß man ein Ministerium für einen bestimmten Personenkreis schafft, wirklich auch diesem Personenkreis dient, ob man damit nicht sogar die wirkliche aktive Arbeit der Verwaltung für diesen
Personenkreis behindert. Wir haben uns damals anders entschieden und das Ministerium für Angelegenheiten der Heimatvertriebenen gegründet. Wir haben dieser Gründung zugestimmt, weil dieser Personenkreis über die Interessen der Bombengeschädigten hinaus eine besondere — lassen Sie mich das Wort einmal sagen — nationale Aufgabe für uns darstellt.
Wenn wir heute wieder diese Frage eines Ministeriums für die Angelegenheiten aller kriegsgeschädigten Personen aufgreifen, dann, glaube ich, muß das auch mal von der verwaltungsmäßigen Seite, nicht allein von der haushaltsmäßigen Seite aus geprüft werden. Es muß ja wohl in absehbarer Zeit einmal ein Kriegsschädengesetz, wie wir es nach dem ersten Weltkrieg gehabt haben, kommen. Dann ist die Frage: Ist das zweckmäßigerweise in einem solchen Ministerium unterzubringen, oder bleibt es nicht besser bei den Ministerien, die normalerweise ohnehin mit der Ausarbeitung dieser Gesetze befaßt sind?
Ich bitte deshalb, durchaus dem Vorschlag des Herrn Kollegen Dr. Nöll von der Nahmer zuzustimmen, daß wir diesen Antrag Ziffer 1 den beiden genannten Ausschüssen überweisen, um diese Frage sachgemäß zu prüfen. Vielleicht kann auch noch ein weiterer Ausschuß, der Ausschuß für die innere Verwaltung, zur Prüfung mit einbezogen werden.
Für das abgelaufene Haushaltsjahr glaube ich, daß eine solche rückwirkende Umbenennung — sie würde ohnehin hier keine Mehrheit finden — zwecklos wäre. Für das neue Haushaltsjahr muß man diese Frage einmal von allen notwendigen Seiten her überprüfen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Ausprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst zu dem Antrag der Bayernpartei Drucksache Nr. 781. Es ist getrennte Abstimmung beantragt. Wir stimmen zunächst über Ziffer 1 ab. Es liegt ein Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Heimatvertriebene und an den Haushaltsausschuß vor. Der Ausschuß für Heimatvertriebene ist als federführender Ausschuß vorgesehen.
— Also der Haushaltsausschuß ist als federführend vorgesehen. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag auf Ausschußüberweisung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag auf Ausschußüberweisung ist angenommen.
Wir stimmen nun über Ziffer 2 der gleichen Drucksache ab. Ich bitte diejenigen, die für Annahme sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über die im Änderungsantrag der Deutschen Partei Drucksache Nr. 761 unter Ziffer 2 aufgeführte Entschließung. Es ist beantragt, sie der Bundesregierung als Material zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Es ist also im Sinne dieses Antrages beschlossen.
Der Antrag Drucksache Nr. 799 ist zurückgezogen.
Wir kommen nun zur Abstimmung über Einzelplan XV — Haushalt des Bundesministeriums für
Angelegenheiten der Vertriebenen. Ich bitte diejenigen, die für Annahme dieses Haushaltes sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Haushalt ist angenommen.
Wir gehen über zum
Einzelplan XVI — Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen.
Dazu liegen vor der Antrag der KPD Drucksache Nr. 779 Ziffer IX, der Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 790 Ziffer 4 und der Antrag der SPD Drucksache Nr. 791 Ziffer 1. Diese Anträge sind gleichlautend. Außerdem liegt noch ein handschriftlicher Antrag Bausch vor:
Im Einzelplan XVI — Haushalt des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen — wird eine Stelle Besoldungsgruppe A 4
— Ministerialdirektor — gestrichen.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung, und zwar zunächst über die gleichlautenden Streichungsanträge, die ich vorhin verlesen habe. Ich bitte diejenigen, die für die Annahme dieser Anträge sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzere ist die Mehrheit. Die Anträge sind abgelehnt.
Wir stimmen nun ab über den Antrag Bausch und Fraktion. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen.
Da die Streichungsanträge abgelehnt sind, kann ich wohl den Haushaltsplan als angenommen er- klären.
Wir gehen über zum
Einzelplan XVII — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates.
Dazu liegen Streichungsanträge vor von der KPD: Drucksache Nr. 779 Ziffer X, vom Zentrum: Drucksache Nr. 790 Ziffer 5, von der SPD: Drucksache Nr. 791 Ziffer 2.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel.
Meine Damen und Herren! Seitens der Zentrumsfraktion liegt der Antrag auf Streichung dieses Ministeriums vor. Wir haben diesen Antrag aus Ersparnisgründen gestellt. Nachdem wir aber heute morgen die Ausführungen des zuständigen Herrn Ministers zum Fall Ehrich gehört haben, sind wir auch aus politischen Gründen der Auffassung, daß dieses Ministerium gestrichen werden muß.
Es interessiert uns hier nicht einzig und allein der Fall Ehrich; uns interessiert nur die Auffassung die von dem zuständigen Herrn Minister zu diesem Fall eingenommen worden ist.
Wir sind nämlich der Meinung, daß es hier nicht auf den Mann, auf die Persönlichkeit allein, auf seine menschlichen Qualitäten, sondern in der Tat darauf ankommt, wie ein zuständiger Minister seine politische Vergangenheit beurteilt.
Der Herr Bundeskanzler hat dem Redner der I SPD-Fraktion gegenüber erklärt, es wäre besser gewesen, er hätte im Interesse des deutschen Namens einige Ausführungen nicht gemacht. Wir von der. Zentrumsfraktion sind der Meinung, daß die Darlegungen von Herrn Minister Hellwege hinsichtlich der politischen Beurteilung des Falles Ehrich unserer deutschen Auffassung zu diesen Fragen gerade nicht sehr gut getan haben. Meine. Fraktion wird sich vorbehalten, die Bundesregierung in einem gesonderten Antrag, der nicht bei diesem Haushaltsplan zur Behandlung kommen soll, einmal nach der politischen Einstellung ihrer Beamten zu fragen. Uns interessiert dabei nicht der kleine Pg.; uns interessiert aber, ob und in welcher Zahl Beamte in Funktionen der Bundesregierung tätig sind, die auch während der Hitlerzeit bestimmte Funktionen ausgeübt haben. (Händeklatschen beim Zentrum und bei der SPD.)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine Vorrednerin hat schon geschildert, daß über die allgemeine Stellungnahme zu diesem Ministerium hinaus aus Anlaß des Auftretens des Herrn Ministers hier im Parlament heute morgen noch eine besondere Stellungnahme erforderlich ist. Wir möchten auch das Haus in dieser Angelegenheit noch vor eine besondere Entscheidung stellen. Wir werden einen Eventualantrag einbringen, der folgendermaßen lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Im Einzelplan XVII, Haushalt des Bundesministeriums für die Angelegenheiten des Bundesrats, wird das Ministergehalt gestrichen.
Für den Fall, daß eine Mehrheit des Hauses für
die Aufrechterhaltung dieses Ministeriums aus
sachlichen und politischen Gründen sein sollte,
muß sie sich doch darüber entscheiden, ob sie angesichts des katastrophalen Eindrucks, den das
Auftreten des Ministers hier heute morgen gemacht hat, diesen Minister weiter für tragbar hält.
Ich glaube, jedes weitere Wort der Begründung könnte nur die Begründung selbst abschwächen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist für mich eine Ehrenpflicht, für meinen Fraktionskollegen, Herrn Minister Hellwege, hier einzutreten angesichts dieser in jeder Weise unverständlichen — wie soll ich mich hier ausdrücken —,
in jeder Weise unverständlichen Anwürfe. Ich muß nun doch dieses Wort gebrauchen.
Meine Damen und Herren! Es war bisher immer ein guter Brauch in unserer deutschen Verwaltung und in unserem deutschen Staatswesen, daß der Vorgesetzte — und der Minister ist der Vorgesetzte in seinem Hause — für seine Beamten eingetreten ist.
Das war ein alter guter Brauch.
Meine Damen und Herren! Alle diese Dinge sind noch nicht restlos überprüft. Es gehört sich für einen deutschen Minister, als Chef seines Personals für seine Leute einzutreten.
Wenn 1933 mancher Behördenchef für seine Untergebenen eingetreten wäre, wäre manch ein Unheil nicht passiert. Sie werden sich selbst an diese Zeit erinnern.
— Davon ist gar keine Rede. Nein, meine Damen und Herren, ich bin genötigt, diesem alten guten Rechtsgrundsatz hier stattzugeben. Alle diese Fragen bedürfen noch der gründlichen Ueberprüfung.
Wenn Sie aber wissen wollen, wie es sich mit dem Herrn Dr. Ehrich verhält, der in Gruppe V entlastet worden ist, und zwar nicht im Wege eines Persilscheins, — mir hat der Kollege Hellwege in sehr eingehender Weise diese Dinge geschildert: Der Vorsitzende der Entnazifizierungskammer, der zu diesem Entlastungsspruch gekommen ist, hat selber sehr Schweres in diesen zwölf Jahren in seiner eigenen Familie erlebt und war bestimmt nicht zugunsten von Herrn Dr. Ehrich eingenommen. Er hat in der Begründung des Spruches, der Herrn Dr. Ehrich in Gruppe V klassifizierte, gesagt, daß diese Entlastung erfolge. um Herrn Dr. Ehrich die Möglichkeit der Betätigung im öffentlichen Leben wiederzugeben.
Das ist kein Persilschein.
Dann ein zweites. Zur Entlastung von Dr. Ehrich sind bei dem Entnazifizierungsverfahren eine Reihe von Entlastungsurteilen hoher Geistlicher des In-und Auslandes beigezogen worden. Alle diese Dinge werden, wie sich das gehört, nach den Vorgängen heute in diesem Hause nochmals einer sehr eingehenden Prüfung unterzogen.
Aber ich bitte, doch Verständnis dafür zu haben, und im Falle eines Mannes, der in zwölf Jahren der Terrorherrschaft in Deutschland — ich meine Herrn Minister Hellwege — viel Mut bewiesen hat. deshalb, weil er wie ein anständiger Vorgesetzter für seine Untergebenen zunächst einmal eintritt. hier nicht Schlußfolgerungen zu ziehen, die vollkommen abwegig sind.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Ich habe heute morgen bei der Erörterung dieses Falles Ihnen gesagt, daß mir in der Zwischenzeit noch Material über diesen Herrn zugegangen sei. das doch die Bedenken,, die ich gegen ihn auf Grund seiner früheren Tätigkeit habe, noch verstärke.
Ich habe in der Zwischenzeit festgestellt, daß die- ses Material Herrn Kollegen Hellwege noch nicht zugegangen ist, sondern daß Herr Dr. Ehrich vorgeladen ist, um sich zu diesem Material zu äußern. Ich halte es für richtig, daß man nicht den Stab über jemandem bricht, ohne ihm Gelegenheit gegeben zu haben, sich zu äußern.
Ich habe Ihnen heute morgen schon gesagt, und ich habe das auch dem Herrn Kollegen Hellwege gegenüber schon früher zum Ausdruck gebracht — ich sage das offen, obgleich das ja erkennen läßt, daß wir beide, Herr Kollege Hellwege und ich, zur Zeit nicht völlig dieselbe Ansicht haben —, daß die Tätigkeit als Landesgruppenleiter in Italien mir keine geeignete Vorstufe zu sein scheint, um in unserer Bundesregierung tätig zu sein. Dabei bleibe ich auch. Das ist meine Meinung, und ich bin der Auffassung, daß, ganz gleichgültig wie der Betreffende nun ist, die deutsche Öffentlichkeit das nicht verstehen würde.
Ich bin der Auffassung, daß wir namentlich in einer so überhitzten und bewegten Zeit wie der unsrigen auch auf solche Empfindungen der deutschen Öffentlichkeit Rücksicht nehmen müssen.
Aber, lassen Sie mich ein Wort über Herrn Kollegen Hellwege sagen. Er ist eben von Fräulein Wessel außerordentlich scharf angegriffen worden. Ich glaube, daß Fräulein Wessel Herrn Hellwege unrecht getan hat. Ich kenne Herrn Hellwege seit einer Reihe von Jahren aus dem Zonenbeirat in Hamburg; dort habe ich ihn kennengelernt. Ich kann Ihnen nur sagen, meine Damen und Herren, Herr Hellwege ist ein Mann, der es mit seinen Pflichten wirklich ernst nimmt. Ich bin fest überzeugt, wenn Herr Hellwege das Material sieht, das ich in der Zwischenzeit gesehen habe, und wenn ich in Ruhe mit ihm darüber sprechen werde, wie die deutsche Öffentlichkeit solchen Dingen gegenübersteht, dann wird Herr Hellwege auch einsehen, daß das eben nicht geht.
— Ja, meine Damen und Herren, nach dem Grundgesetz ist die Stellung des Bundeskanzlers gar nicht so stark, wie Sie glauben.
Im übrigen entspricht es mehr meiner Natur zu überzeugen.
Aber die Sache wird in Ordnung kommen; ich habe Ihnen das gesagt. Ich bin der Auffassung, man sollte bei so wichtigen Angelegenheiten wie diejenigen sind, die wir hier zu erledigen haben, nicht wegen einer Person allzu viel Zeit mehr verlieren.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmid.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat dem Herrn Bundesminister Hellwege so gut zugeredet, wie man sonst nur einem lahmen Gaul zuzureden pflegt.
Hoffentlich tut es seine Wirkung.
Ich möchte dem Kollegen von Merkatz antworten. Herr von Merkatz, es hat sich hier nicht darum gehandelt, daß der Herr Bundesminister Hellwege für die Ehre eines seiner Beamten einzustehen hatte, es hat sich darum gehandelt, daß er für die von ihm getroffene Entscheidung einzustehen hatte, auf Grund deren ein Landesgruppenleiter der NSDAP in seinem Ministerium angestellt worden ist.
Es hat hier niemand Herrn Dr. Ehrich in seinem persönlichen Wert angegriffen, sondern man hat es nicht richtig gefunden, daß ein Minister einen Mann mit der Vergangenheit dieses Herrn mehr oder weniger unbesehen auf eine Spruchkammerentscheidung hin als Beamten oder als in Beamtenfunktion tätigen Angestellten eingestellt hat. Darum hat es sich gehandelt, und darauf zielt die beantragte Zensur. Es handelt sich auch gar nicht darum, in Dr. Ehrich den Nationalsozialisten von einst zu treffen. Es ist durchaus möglich, daß auch bei ihm eine innere Wandlung vor sich gegangen ist. Ich will das gar nicht bestreiten. Ich kenne Fälle, bei denen so etwas gesagt werden kann und gesagt werden muß. Aber es ist doch so: eine bestimmte Vergangenheit schafft gewisse Vermutungen für die Beurteilung eines Mannes, und ich habe den Eindruck, als ob es sich bei Dr. Ehrich um einen Karrieristen von einst handelt, der auch heute wieder Karriere machen möchte.
Mir ist an dem Herrn nicht so sehr verdächtig, daß er diesen oder jenen Dienstgrad hatte, sondern daß er so hurtig zur Verfügung steht, wo es wieder einmal gilt, Stellen zu vergeben.
Das macht mir den Mann verdächtig und das macht ihn mir — bis zum Beweis des Gegenteils - reichlich unsympathisch. Er sollte ein bißchen mehr Schamgefühl aufgebracht haben.
Ja, Herr Kunze, darum handelt es sich.
— Ein Mann, der Landesgruppenleiter war, sollte fünf Jahre nach dem entsetzlichen Unglück, das die Leute, für die er stand, über uns gebracht haben, nicht schon wieder da stehen wie der Swinegel im Märchen: „Da bin ich!" Er sollte warten und sollte schweigen. Ich kenne Leute, die warten und die schweigen, weil sie wissen, daß sie für etwas zu bezahlen haben, was ihnen einmal widerfahren ist. Und wenn man dem Dr. Ehrich vorwerfen kann, daß er nicht genügend Schamgefühl hatte, dann kann man dem Herrn Bundesminister Hellwege vorwerfen, daß er zum mindesten nicht sehr viel Fingerspitzengefühl gehabt hat.
Das Wort hat der Herr Minister Hellwege.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin de m Hause nach den Worten von Herrn Professor Schmid eine Rechenschaft schuldig. Ich habe nicht etwa leichtfertig gehandelt.
Herr Dr. Ehrich hatte sich im September beworben. Ich habe drei Monate lang Erkundigungen — nun unterstellen Sie doch bitte nicht etwas, was nicht vorhanden ist, Herr Dr. Schmid - über die Person des Herrn Dr. Ehrich eingezogen. Das Material des Herrn Bundeskanzlers, das neue Material, liegt mir nicht vor. Wir werden selbstverständlich in eine Prüfung eintreten müssen.
Außerdem, meine Herren, — —
Lassen Sie mich, Herr Dr. Greve, zu Wort kommen. Für mich war entscheidend, daß ich ihn nicht als Beamten, sondern als Angestellten in meinem Ministerium verwendet habe.
Ich habe eine Auskunft des Anklägers von Braunschweig vorliegen; das ist der Vizepräsident des Oberlandesgerichts, Herr Dr. Wilhelm Holland, der 1933 seinen Posten zur Verfügung stellen mußte. Ich darf vielleicht, mit Genehmigung des Herrn Präsidenten, einmal dieses Urteil, das für mich entscheidend gewesen ist. hier verlesen. Ich verteidige mich nicht. Ich habe das Material, Herr Kollege, das belastend gegen Ehrich sein soll, wie Sie aus den Worten des Herrn Bundeskanzlers gehört haben, bis heute bei mir nicht vorliegen. Es ist mir avisiert worden. Ich darf diesen Brief kurz verlesen:
Ich erinnere mich des Entnazifizierungsverfahrens des Herrn Dr. Ehrich noch genau, und es freut mich, zu hören, daß er in Ihrem Geschäftsbereich Verwendung gefunden hat. Ich führte im Sommer des vergangenen Jahres den Vorsitz in der Entnazifizierungsverhandlung. Nach den Angaben im Fragebogen mußte die politische Belastung des Herrn Dr. Ehrich im ersten Augenblick als schwer angesehen werden.
Der Verlauf der Entnazifizierungsverhandlung ergab jedoch ein außerordentlich günstiges Bild seiner politischen Tätigkeit und seiner charakterlichen Einstellung.
Dr. Ehrich gab offensichtlich der Wahrheit in jeder Beziehung die Ehre und hat damit bei den Mitgliedern des Entnazifizierungsausschusses ein recht gutes Bild seiner Persönlichkeit hinterlassen. Er versuchte nichts zu verheimlichen und zu vertuschen.
In diesem Sinne fährt Dr. Holland fort.
Dieser Brief war für mich entscheidend und beeinflußte mich, so daß ich glaubte, Herrn Dr. Ehrich in meinem Ministerium verwenden zu können.
Im übrigen habe ich noch ein Weiteres getan. Der Gemeinderat der Gemeinde Bornum, wo die Sozialdemokratie führend ist, wurde befragt, und Ihre Parteifreunde haben sich für Herrn Dr. Ehrich verwendet.
Meine Damen und Herren! Wenn keine weiteren Wortmeldungen erfolgen — und ich stelle fest: dies ist der Fall —, dann schließe ich die Aussprache über Haushaltsplan XVII.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über die Abänderungsanträge. Ich bitte daher die Damen und Herren, folgende Drucksachen zur Hand zu nehmen: zunächst die Drucksache Nr. 779, Antrag der KPD, Ziffer X, ferner den Zentrumsantrag auf Drucksache Nr. 790 Ziffer 5 und schließlich die Drucksache Nr. 791, Antrag der SPD, Ziffer 2. Sämtliche drei Anträge sind gleichlau-
tend. Ich darf das Einverständnis des Hauses annehmen, daß wir daher über diese drei Anträge gemeinsam abstimmen. — Ich höre keinen Widerspruch. Wer für die Anträge auf den Drucksachen Nr. 779 Ziffer X, Nr. 790 Ziffer 5 und Nr. 791 Ziffer 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich stelle fest: das war die Mehrheit. Die drei Anträge sind abgelehnt.
Wir kommen jetzt noch zu dem Antrag, den Herr Abgeordneter Mellies überreicht hat und der dahin lautet: Im Einzelplan XVII — Haushalt des Bundesministeriums für Angelegenheiten des Bundesrates — wird das Ministergehalt gestrichen. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Nunmehr kommen wir zur Gesamtabstimmung über den Einzelplan XVII. Wer für den Einzelplan XVII in der vorliegenden Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Ich erkläre den Einzelplan XVII für angenommen.
Wir kommen nunmehr zum
Haushaltsgesetz
nach den Beschlüssen der zweiten Beratung. Abänderungsanträge hierzu liegen erst bei § 10 vor. Ich darf daher aufrufen: Wer für §§ 1, — 2, — 2a, — 3, — 4, — 5, — 6, — 7, — 8 — und 9 — ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit sind diese Paragraphen angenommen.
Zu § 10 liegt der Änderungsantrag der SPD auf Drucksache Nr. 792 vor. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -- Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte war die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Wer nunmehr für § 10 in der vorliegenden Fassung, — für die §§ 11, — 14, — 15, — Einleitung und Überschrift — ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die genannten Paragraphen und Einleitung und Überschrift sind angenommen. .
Damit, meine Damen und Herren, haben wir die Einzelabstimmungen beendet und kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Entwurfs eines Gesetzes über die vorläufige Aufstellung und Ausführung des Bundeshaushaltsplans und über die vorläufige Rechnungsprüfung sowie über die vorläufige Haushaltsführung im Rechnungsjahr 1949 samt den anliegenden 17 Haushaltsplänen im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Ich erkläre damit den Gesetzentwurf mit den Anlagen der Haushaltspläne 1949/50 in dritter Lesung für angenommen und verabschiedet.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 750. Es handelt sich um den Antrag der Abgeordneten Bausch und Genossen, der die Gestaltung des Haushaltsplanes 1950/51 betrifft. Ich bitte, die Drucksache Nr. 750 zur Hand zu nehmen.
— Aus der Mitte des Hauses ist gerufen worden: Überweisung an den Haushaltsausschuß.
— Verzeihung, der Antrag ist mir hier zugerufen worden, so daß ich zunächst über den weitergehenden Antrag abstimmen lassen müßte.
— Sie haben doch alle die Drucksache vor sich.
— Dann werde ich in Abweichung von den Gepflogenheiten
— den Damen und Herren, die die Drucksache nicht zur Hand haben, den Antrag vorlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht. im Haushaltsplan des Bundes für 1950 die Dienstaufwendsentschädigung
der Bundesminister mit 4800 DM und die der Staatssekretäre mit 2400 DM jährlich zu bemessen.
— Das ist ein Antrag.
Meine Domen und Herren, ich lasse jetzt abstimmen. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 750 ist, den bitte ich. die Hand zu erheben.
— Der Antrag auf Überweisung ist nicht formgerecht gestellt; das muß zugegeben werden Also bitte. wer für den Antrag Drucksache Nr. 750 ist, den bitte ich, die Hand 7U erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mein Damen und Herren, wir sind uns hier oben in der Beurteilung des Ergebnisses der Abstimmung nicht einig. weil sieh 1 eine Anzahl von Abgeordneten, wie wir von hier oben aus benenntet haben, der Stimme enthalten haben. Es bleibt also nicht anderes übrig, als den Hammelsprung zu machen.
Ich bitte. daß durch die rechte Tür diejenigen kommen, die i a sagen, durch die linke Tür diejenigen, die nein sagen, durch die mittlere Tür diejenigen. die sich der Stimme enthalten.
Sind die drei Türen mit je zwei Schriftführern besetzt?
— Einen Moment! Wollen' Sie bitte noch einen Abgeordneten als Schriftführer rufen. vielleicht Herrn Matthes oder Frau Albertz! — Frau Albertz ist bereits an der Ja-Tür. An der Mitteltüre fehlt noch ein Schriftführer; vielleicht darf ich Sie, Herr Kollege Pannenbecker, bitten. — Sind nun alle Türen besetzt?
Wir beginnen mit der Abstimmung. Bitte, die
Türen öffnen!
Ich bitte die Damen und Herren des Hauses, die noch nicht abgestimmt haben, sich in den Saal zu begeben; ich lasse sonst sofort die Türen schließen.
— Aber selbstverständlich; das ist mir schon gemeldet worden.
Ich bitte, die Türen zu schließen. — Ich erkläre die Abstimmung für beendet und bitte die Damen und Herren, die ihres Amtes als Schriftführer ge-
waltet haben, mir das Ergebnis der Zählung mitzuteilen,
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 750 bekanntzugeben: für den Antrag 125, dagegen 166 Stimmen bei 35 Stimmenthaltungen. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat hat heute früh beschlossen, Ihnen eine Ergänzungstagesordnung zur heutigen Tagesordnung vorzuschlagen. Ehe wir zur Beratung dieser Ergänzungstagesordnung übergehen, werden zunächst die Herren Minister Blücher und Dr. Erhard eine
Erklärung betreffend Verhandlungen über Berlin abgeben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister Blücher.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist nicht notwendig, auf die verschiedenen Erklärungen der Bundesregierung zu verweisen, die sie über Berlin abgegeben hat. Es war damals nur selbstverständlich, daß wir, nachdem ein in Berlin eigens gebildeter Ausschuß seine Beratungen abgeschlossen hatte, in Berlin zur Verfügung standen, um mit diesem Ausschuß über das Berliner wirtschaftliche Leben, seine Förderungen und den Wiederaufbau der Berlinar Wirtschaft zu verhandeln. Der Ausschuß setzte sich zusammen aus Vertretern des Magistrats, der Gewerkschaften und der Wirtschaft. Er war zu fertigen Vorschlägen über das Ausmaß der für Berlin wünschenswerten Hilfe gekommen, als wir am Montag und Dienstag in Berlin verhandelten. Die amerikanischen Vertreter der Marshallplanverwaltung bewiesen ihr besonderes Interesse an dem Abschluß der Verhandlungen dadurch, daß sowohl der in Deutschland residierende Leiter der Marshallplanverwaltung, Mr. Hanes, als auch der Botschafter K a t z als Vertreter der Marshallplanverwaltung für ganz Europa als Gäste an der Schlußsitzung teilnahmen.
Die Haltung der Vertreter der Bundesregierung konnte im Grundsatz von vornherein nur eindeutig klar sein. Wir beide, Herr Professor Erhard und ich, waren uns dessen bewußt, daß alles geschehen muß, was immer geschehen kann. Darüber hinaus wußten wir, daß es nicht auf ein kleinliches Rechnen mit dem Stift ankam, sondern darauf, diese große Entscheidung unter dem einen Gesichtspunkt zu sehen, daß Berlin seine geschichtliche und politische Aufgabe nur erfüllen kann, wenn wir es nicht nur lebensfähig erhalten, sondern noch lebensfähiger gestalten, als es heute ist.
Das war der Grund dafür, daß wir mit den Vorschlägen, die wir morgen dem Kabinett noch formell vorlegen werden, weit über das bisher genannte Ausmaß hinausgegangen sind.
Nach diesen Beschlüssen wird es sich um drei große und verschiedene Kreise von Aufgaben handeln, die uns gestellt sind und die unverzüglich erfüllt werden sollen. In erster Linie geht es darum, etwas Wirkungsvolles gegen die Berliner Arbeitslosigkeit zu unternehmen, die bekanntlich prozentual etwa dreimal so groß ist wie die im Bundesgebiet. Aus diesem Grunde hatten unsere Berliner Freunde ein umfangreiches Arbeitsbeschaffungsprogramm vorgelegt, das es zu finanzieren gilt. Dieses Arbeitsbeschaffungsprogramm sieht in erster Linie diejenigen Arbeiten an allen Verkehrswegen vor, die zur Aufrechterhaltung des Berliner Lebens und zu seiner Erleichterung notwendig sind.
An zweiter Stelle stehen sanitäre Aufgaben. An dritter Stelle stehen im Interesse von Leib und Leben der Berliner Bevölkerung und ihres Verkehrs auch diejenigen Beseitigungen von Resten aus dem Luftkrieg, die sonst gefährlich werden könnten.
An vierter Stelle — auf weite Sicht vielleicht das Wichtigste — stehen dann die Aufräumungsarbeiten auf Betriebsgrundstücken, die dazu dienen sollen, daß diese Betriebsgrundstücke eben für Neuinvestitionen und damit für neuen Arbeitsbeginn vorbereitet werden.
Zu unserer Freude steht aber auch für diese so sehr abgeschlossene Berliner Bevölkerung eine um- fangreiche Arbeit an den Grünflächen und an ihrer Wiederbepflanzung auf dem Programm. Ich darf vor allen Dingen an den Berliner Tiergarten, eines der Berliner Sinnbilder, erinnern, der wieder für die Berliner Bevölkerung die so dringend notwendige Erholungsstätte werden soll.
Wir haben uns entschlossen, morgen früh dem Kabinett eine sehr umfangreiche Hilfe vorzuschlagen, die zusammen mit all den anderen Maßnahmen, die geplant sind, hoffentlich dazu beitragen wird, im Laufe der nächsten Monate insgesamt etwa hunderttausend Menschen vom Berliner Arbeitsmarkt wegzunehmen und wieder in eigene Arbeit und eigenen Brotverdienst hineinzubringen.
Diese Hilfe besteht darin, daß wir aus den GARIOA-Mitteln für die nächsten vier Monate zunächst ie 20 Millionen DM bereitstellen, daß wir darüber hinaus — und vor allen Dingen für dann anlaufende produktivere Betriebsaufräumungsarbeiten usw. — einen Fonds von 50 Millionen DM aus GARTOA-Mitteln zur Verfügung stellen und daß wir fest vereinbart haben.- daß im Monat Juni eine erneute Besprechung in Berlin zwischen den Vertretern Berlins und uns auf Grund fertig vorliegender Programme stattfindet, um die begonnene große Bekämpfung der Arbeitslosigkeit nahhaltig fortführen zu können, und zwar in voller Einmütigkeit über die Ziele und über die Arbeitsgegenstände zwischen den Vertretern Berlins und uns. Das ist der erste Teil des Programms.
Der zweite betrifft die vielleicht schmerzensreichste Aufgabe. Wenn von Berlin gesprochen wird, dann sind wir uns stets darüber im klaren, daß man die Berliner Wirtschaft und die Wirtschaft unseres Bundesgebietes miteinander nicht vergleichen kann, weil die Berliner Wirtschaft ganz unvergleichbar mehr gelitten hat. Sie hatte infolge des Währungseingriffs im russischen Besatzungsgebiet von Mai 1945 nicht die Möglichkeit, in der Reichsmarkzeit mit dem Aufbau von Anlagen und der Wiederversorgung mit Vorräten in gleichem Umfang voranzuschreiten wie unsere Wirtschaft. Sie hat dann unter Betriebsentnahmen und Demontagen unvergleichlich viel mehr gelitten. Sie hat ihre Betriebsmittel in der Zeit völlig verloren, als es darum ging. trotz des Ahgeschlosseneins durchzuhalten, und als sie auf die Luftbrücke angewiesen war, damit die geschichtliche Aufgabe Berlins erfüllt werden konnte. Es kommt alles darauf an. die Berliner Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig zu machen. Es kommt darauf an,
sie in die gleichen Wettbewerbsbedingungen, die
unsere hiesige Wirtschaft hat, hineinzubringen.
Daher ist es selbstverständlich, daß die aus dem Bunde bisher nach Berlin gegebenen Mittel ihre Fortsetzung und ihre Verstärkung finden müssen. Es ist mir ein Anliegen, hier auf den ersten Teil des Satzes zurückzukommen, den ich eben aussprach. Es hat namlich manchmal, da die Publizität eine unzulängliche war - und hier trifft zweifellos auch uns als Verwaltung eine Schuld -, den Anschein gehabt, als ob für die Berliner Anliegen in der Vergangenheit nichts geschehen sei. Das trifft nicht zu. Von 1 Milliarde und 50 Millionen DM Darlehensfreigabe bis zum 31. Dezember 1949 sind weit über 90 Millionen DM auch nach Berlin gegangen. Daran wollen wir festhalten, und nach dem, was wir heute geplant haben und planen können, wird die Berliner Wirtschaft etwa 10 % der zukünftigen Gegenwertmittel erhalten. Das bedeutet: für Berlin wird, wenn ich die Auszahlungszeiträume nehme, für 12 bis 16 Monate ein Betrag von rund einer Viertelmilliarde DM zur Verfügung stehen, der zu den vorher genannten 130 Millionen DM hinzukommt. Es wird sicherlich aller Anspannung bedürfen, um ini Berliner Raum diese Investitionsmittel richtig und so schnell wie möglich einzusetzen. Es wird natürlich auch darauf ankommen, daß ein möglichst großer Teil dieser Mittel in Berlin verbleibt, daß also die Berliner Wirtschaft in jedem nur möglichen Umfange die Investitionsgüter selbst liefert.
Die dritte große Aufgabe ist es nun, den Absatz für die gewerbliche Gütererzeugung Berlins sehr viel mehr zu stärken, als das bisher der Fall gewesen ist. Wir müssen noch über das in den letzten Monaten Erreichte hinauskommen. Lassen Sie mich aber, bevor hierüber der Herr Bundeswirtschaftsminister spricht, noch einige Worte sagen. Es ist für uns, als Herr Stadtrat Klingelhöfer jene Zahlen vorlegte, die sich aus den letzten Monaten ergeben, als wir sehen konnten, in welchem Umfange trotz aller Leiden dieser Stadt die Arbeitsleistung des einzelnen zugenommen hat, als wir sehen konnten, wie auch das gesamte Sozialprodukt sich gesteigert hat, kein Zweifel gewesen, daß das Wort des Berliner Oberbürgermeisters richtig ist, daß nämlich Berlin nicht krank, sondern nur schwach ist. Wir sind infolgedessen auch der Ansicht, daß Investitionen dieses Umfangs sich lohnen.
Über die vielen Maßnahmen, um den Warenverkehr aus Berlin heraus zu stärken, wird also der Herr Bundeswirtschaftsminister sprechen. Ich möchte nur eines sagen: die lebendige Hilfe von ganz Westeuropa für Berlin wird sich als das Ergebnis einer Besprechung erweisen, die am Montag dieser Woche stattgefunden hat und in deren Verlauf die am Marshallplan teilnehmenden Länder von Europa angehalten worden sind, auch ihrerseits vor allen Dingen darauf zu achten, daß Bestellungen nach Berlin gelegt werden.
Meine Damen und Herren! Wir hatten selber das Gefühl, daß der vorgestrige Tag für Berlin ein guter Tag gewesen ist. Wir glauben, daß damit etwas wirklich Wesentliches und etwas Heilsames geschehen ist. Wir hoffen, daß die Berliner Bevölkerung, die immer ungebrochen in ihrem Mut dagestanden hat, aus diesem Beweis des Zusammengehens neue sittliche Kraft erhält. Wir waren glücklich, daß dieser unser Eindruck von den Freunden in Berlin geteilt wurde und daß am
Abend dieses Tages der Berliner Oberbürgermeister erklärt hat, daß seit langer Zeit dies der erste glückliche Tag für Berlin gewesen sei,.
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Vereinbarungen, die Ihnen soeben Herr Minister Blücher voi getragen hat, lagen eingebettet in sehr eingehenden Unterhaltungen über die Maßnahmen, die geeignet sind, die Berliner Wirtschaft zu starken, ihre Produktivität zu verbessern und sie immer mehr der Effizienz der westdeutschen Wirtschatt anzugleichen. Seit einem Dreivierteljahr
hat die Berliner Wirtschaft eine Zunahme ihrer Produktion um 75 °/o erfahren. Das ist eine Belebung, aie doch bemerkenswert ist und für die gesunde Struktur der Berliner Wirtschaft spricht, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß der absolute Produktionsstandard noch immer sehr weit hinter dem in der Bundesrepublik zurückbleibt. Im Juni vorigen Jahres hat der Absatz der Berliner Industrie und des Berliner Gewerbes in das Bundesgebiet monatlich rund 30 bis 35 Millionen Mark betragen. Er konnte in der Zwischenzeit auf 85 Millionen Mark im, Monat gesteigert werden. Alle Beteiligten waren sich bei der Besprechung darüber klar, daß es entscheidend darauf ankommt, für die Berliner Wirtschaft eine weitere Umsatzbelebung in Richtung eines Güterabsatzes nach dem Bundesgebiet sicherzustellen. Der Erfolg wird heute um so größer sein, als in der Zwischenzeit der Geldabfluß aus Berlin vollkommen abgeebbt ist, so daß man also annehmen kann, daß jede Umsatzmehrung, die in Berlin erreicht wird, auch effektiv der Berliner Wirtschaft für dauernd zugute kommt.
Die Berliner Wirtschaft leidet neben dem Mangel an Investitionskapital als Folge der Währungsreformen und als Folge der Auszehrung durch die Blockade vor allen Dingen auch an einem Mangel an Betriebsmitteln. Das Berliner Bankwesen und die Kreditinstitute verfügen zwar an sich über ein Kreditpotential aus den Ausgleichsforderungen und aus dem möglichen Rediskont. Aber den Berliner Betrieben ermangelt allenthalben die Kreditwürdigkeit nach kaufmännischen Grundsätzen. Deshalb wird morgen auch im Kabinett eine Vorlage beraten werden, derzufolge der Bund mit einer Garantie über 20 Millionen DM Berlin in die Lage versetzen soll, das von mir gekennzeichnete Kreditvolumen im Ausmaß von 100 Millionen zu bewegen. Es ist die Auffassung des Magistrats, der Banken und aller beteiligten Kreise in Berlin, daß jenes Ziel damit erreicht werden kann und daß diese Ergänzung notwendig ist, um die erhöhte Produktivität, insbesondere aus den Investitionen, auch praktisch auswerten zu können.
Die weiteren Besprechungen haben sich im wesentlichen auf Maßnahmen der Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen erstreckt. Hier im Bundesgebiet ist jetzt bereits Vorsorge getroffen worden, daß in den nächsten Monaten immer mehr Wirtschaftler nach Berlin kommen, um sich unmittelbare Einblicke zu verschaffen und vor allen Dingen die Berliner Atmosphäre verspüren und erleben zu können. Denn ich glaube, daß die
menschlich-persönhchen Beziehungen die beste Grundlage für eine Ausweitung des gegenseitigen Warenaustauschs, insbesondere des Absatzes Berliner Waren nach dem Bundesgebiet sein werden.
Ich habe der Berliner Wirtschaft und dem Berliner Magistrat vorgeschlagen — und ich habe dabei die volle Zustimmung aller beteiligten Kreise gefunden —, die Berliner Wirtschaft stärker als bisher für den Export zu intensivieren. Sie wissen, daß der deutsche Export im Zuge der Liberalisierungspolitik eine glückliche Entwicklung zeigt, daß das Ressentiment gegen deutsche Waren im Ausland, soweit es vorhanden war, sichtbar nachläßt. Und wenn das schon für deutsche Produkte im allgemeinen gilt, dann wird es ganz besonders für Berliner Erzeugnisse gelten. Es sind Pläne im Gange, um durch die Schaffung eines besonderen Berliner Exportzeichens geschlossene Ausstellungen zu veranstalten, auf Messen gemeinsam in Erscheinung zu treten und entsprechende Werbemaßnahmen durchzuführen. Nach allen Erfahrungen, die ich sonst im Aus-lande sammeln konnte, glaube ich in Anschauung der starken, würdigen und beherrschten Haltung, die Berlin an den Tag gelegt hat, damit rechnen zu können -- und diese Hoffnungen werden von Berlin geteilt —, daß eine stärkere exportpolitische Aktivität Früchte zeitigen wird.
Meine Damen und Herren! Es ist sicher, daß die Injektionen, die wir Berlin auf kreditpolitischem Gebiet geben, sich nur dann auf die Dauer fruchtbar auswirken werden, wenn es dazu gelingt, die Berliner Produktion zu steigern und gleichzertig für dieses erhöhte Sozialprodukt vornehmlich auch Absatz im westlichen Bundesgebiet zu schaffen.
Es wurde die Frage erörtert, ob nicht durch die Schaffung günstiger Verkehrsbedingungen — so beispielsweise durch eine kurze Fluglinie Hannover—Berlin — noch ein Übriges getan werden konnte, um die beiden Wirtschaftsgebiete —die natürlich eine Einheit darstellen und darstellen sollen — noch enger miteinander zu verbinden.
Es ist auch geplant, das Berliner graphische Gewerbe dadurch starker zu aktivieren, daß mit der Besehaftigung dieser Industrie gleichzeitig die Werbemittel geschaffen werden, um sowohl hier im Bundesgebiet als auch im Ausland für Berliner Waren Propaganda zu machen.
Vom ersten Tag bis in die letzte Minute der Besprechungen ist es ganz deutlich geworden, daß auf beiden Seiten das ehrliche aufrichtige Streben vorhanden ist, Berlin immer vollkommener in den Wirtschaftskörper der Bundesrepublik einzubauen. Vor allen Dingen soll Berlin auch in der weiteren Ausgestaltung des Interzonenverkehrs und möglicherweise auch in dem Warenaustausch mit den Südostländern stärker zur Geltung kommen. Die Treuhandstelle für den Interzonenverkehr ist bereits voll in Berlin tätig. Im ganzen gesehen glaube ich also, daß die organischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen durch den besonderen Impuls, den sie durch die Kreditförderung erhalten, uns in Berlin ein gutes Stück der Lösung nähergebracht haben.
Meine Damen und Herren! Sie haben die Erklärungen der beiden Herren Minister gehört. Wird das Wort gewünscht? — Bitte Herr Abgeordneter Dr. Suhr. Dr. Suhr : Meine Damen und Herren! Es ist kein Zweifel, daß die Verhandlungen, die in diesen Tagen in Berlin über das Arbeitsbeschaffungsprogramm, stattgefunden haben, einen weiteren Fortschritt in der Entwicklung Berlins bedeuten. Die Berlin er sind insbesondere den Amerikanern für die Hilfeleistung dankbar, die ihrer Initiative mit entspringt. Wir danken auch der Bundesregierung für das, was sie hierbei geleistet hat; aber ich darf betonen, daß hier kein falscher Eindruck über die Hilfeleistung entstehen darf. Es darf nicht in der Öffentlichkeit der Eindruck bestehen, als ob die Mittel, von denen der Herr Vizekanzler gesprochen hat, nun etwa aus Bundesmitteln Berlin zur Verfügung gestellt würden, als ob damit der Bevölkerung des Westens etwas entzogen würde.
Es handelt sich hier um zusätzliche Mittel, die wir dankbar begrüßen, zu denen die Bundesregierung eine Hilfestellung leistet.
Ich darf auch noch folgendes dazu sagen. Wenn hier davon gesprochen worden ist, daß hunderttausend Menschen durch diese Mittel in Arbeit kommen würden, dann muß ich darauf hinweisen, daß eine raschere Durchführung jener Beschlüsse des Bundestags vom 21. Oktober 1949 auch das ihre dazu beigetragen hätte. Meine Damen und Herren, es mag im Augenblick undankbar erscheinen, wenn ich diese Dinge erwähne.
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.
Meine Damen und Herren! Herr Suhr ist offenbar von ganz falschen Voraussetzungen ausgegangen. Die Herren
Minister, die eben gesprochen haben, werden noch einmal klarstellen, was in Berlin vereinbart worden ist.
Ich habe nur aus folgendem Grunde das Wort ergriffen: Es liegt mir daran, gegenüber dem Ausland, auch gegenüber dem Osten, festzustellen, daß es sich hier um besondere Leistungen der Bundesrepublik Deutschland handelt
und daß wir diese Aufwendungen gern bringen, um Berlin zu halten. Das Ausland soll erkennen, daß wir Berlin unter allen Umständen halten wollen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Angelegenheiten des Marshallplanes.
Blücher, Bindesminister für Angelegenheiten des Marshallplanes: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß soeben der Herr Abgeordnete Suhr etwas hat anklingen lassen, was sachlich nicht richtig ist. Ich möchte mich daher etwas weniger zurückhaltend als vorhin äußern.
Ich habe meine Äußerungen in dem Bewußtsein getan, daß wir — und ich weiß, auch mit Ihrem Einverständnis — dabei sind, nicht nur etwas wirtschaftspolitisch Wesentliches zu tun, sondern daß wir dabei auch sehr stark an unsere politische Aufgabe dachten
<Widerspruch und Unruhe bei der SPD.)
— an unsere allgemeine deutsche und nicht an die parteipolitische Aufgabe, meine Damen und Herren —,
und deswegen möchte ich etwas feststellen: Wir haben weder unter dem Druck der Amerikaner noch unter dem Druck der Berliner, sondern ausschließlich aus der Überzeugung unseres Gewissens heraus gehandelt,
und nur so. Alles andere ist eine Geschichtsklitterung und ist allerdings in dieser Stunde, in der es in Berlin auf die deutsche Einheit mehr als je zuvor ankommt, außerordentlich gefährlich.
Zweitens möchte ich feststellen: Es sind Mittel die wir der Verwendung in der Bundesrepublik entziehen.
Wir wissen das genau: wir bekommen dafür keinen Pfennig von einer anderen Seite, sondern wir müssen uns eben in dieser Beziehung den Riemen enger ziehen. Das wollen wir um Berlins willen, weil wir wissen, daß Berlin eine gesamtdeutsche Angelegenheit ist.
Aber beides in aller Deutlichkeit auszusprechen, schien mir notwendig zu sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Tillmanns.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon einmal vor einigen Wochen bei einer Aussprache über eine Hilfsmaßnahme für Berlin eine ähnliche, ich möchte sagen: nicht ganz glückliche Behandlung erlebt wie heute. Muß es denn immer sein, so frage ich, daß, wenn hier über diese wichtige nationale Angelegenheit gesprochen wird, solche Dissonanzen in Erscheinung treten? Ich glaube, wir würden der großen Aufgabe, die vor uns steht, dienen, wenn wir das vermeiden.
Es kann doch darüber füglich kein Zweifel sein, daß die erheblichen Mittel, die jetzt nach den Erklärungen, die wir eben gehört haben, nach Berlin fließen, für Investitionen und andere wirtschaftliche Aufgaben im engeren Bundesgebiet nicht mehr zur Verfügung stehen. Insofern handelt es sich um eine echte Hilfe der deutschen Bundesrepublik für Berlin. Wenn es auch richtig ist, daß in dem ERP-Vertrag eine solche Beteiligung Berlins vorgesehen ist,
und wenn es auch weiter richtig ist, daß uns noch weitere Aufgaben für Berlin bevorstehen und wir nicht der Auffassung sein dürfen, als könnten wir uns nunmehr in der Frage Berlin zur Ruhe setzen, so sollten wir Berliner Vertreter heute doch mit allem Nachdruck und aller Deutlichkeit erklären, daß wir der deutschen Bundesregierung, insbesondere den Herren Ministern, die diese Verhandlungen in Berlin geführt haben, von ganzem Herzen dankbar sind.
Wenn das Wort nicht weiter gewünscht wird — und ich stelle fest: dies ist der Fall —, dann schließe ich die Aussprache.
Meine Damen und Herren! Ich bitte nunmehr, die Ergänzungs-Tagesordnung vorzunehmen. Wir kommen zzunachst zu Punkt 1:
Erste, zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die VVerlängerung der Geltungsdauer des Gesetzes über Notmaßnahmen auf dem Gebiet der Elekirizitais- und Gasversorgung vom 10. Juni 1949 (WiGBl. S. 87) (Drucksache Nr. '769).
Wir sind 'uns heute früh im Ältestenrat darüber einig geworden, daß wir die erste Beratung durch die dem Gesetz beigefügte gedruckte Begründung als erledigt ansehen. Darf ich das Einverständnis des Hauses damit feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch. Damit erkläre ich die erste Beratung des Gesetzentwurfs in der Drucksache Nr. 769 für beendet.
Wir kommen zur zweiten Beratung. — Das Wort wird nicht gewünscht. — Ich rufe auf: Wer für die §§ 1 und 2 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist mit Mehrheit bei Enthaltungen angenommen.
Wer für die Bezeichnung des Gesetzes ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Wieder mit Mehrheit bei Enthaltungen angenommen.
Bei der Einleitung ist, da wir ja keine Ausschußberatung vornehmen, zu berücksichtigen, daß der Bundesrat in die Einleitung eingelochten hat:
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats das folgende Gesetz beschlossen,
0 Wer für diese Einleitung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei Enthaltungen mit Mehrheit angenommen.
Damit erkläre ich die zweite Lesung des Gesetzes auf Drucksache Nr. 769 für beendet.
Wir kommen zur dritten Beratung. Das Wort wird nicht gewünscht. Wer für das soeben in der Fassung der zweiten Beratung angenommene Gesetz auf Drucksache Nr. 769 stimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist mit Mehrheit bei Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren, wir kommen damit zu Punkt 2 der Ergänzung der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der WAV und über den Änderungsantrag des Abg. Dr. Horlacher und Genossen betreffend Einschränkung überhöhter Handelsspannen .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen nach § 88 der Geschäftsordnung für die Berichterstattung zehn Minuten und eine Gesamtredezeit der Fraktionen von sechzig Minuten nach dem üblichen Verteilungsschlüssel vor.
Als Berichterstatter erteile Ich Herrn Abgeordneten Naegel das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik lagen die beiden Drucksachen Nr. 257 und 471 vor. Es handelt sich
um die Einschränkung überhöhter Handelsspannen, ein Thema, das in den letzten Monaten und Jahren fast zum Schlagwort geworden ist. Diese Tatsache kam auch in der Beratung des Ausschusses zum Ausdruck. Bei der Untersuchung der von den Antragstellern vorgebrachten Preisbeispiele ergab sich, daß eine Überhöhung der Handelsspannen bei den noch preisgebundenen Waren nicht nachzuweisen war.
Im übrigen zeigte die Diskussion, daß nicht völlige Eindeutigkeit über den Begriff „Handelsspannen" besteht und daß häufig Erzeugungs- und Bearbertungskos.en fälschlicherweise in den Begriff mit einbezogen werden. Diese Unklarheit behnuerte die Beratung und führte dazu, daß man sich vielfach nicht eindeutig über die zahlenmäßige Erfassung der Preisbeispiele einigen konnte. Sehr häufig wird eine falsche Auffassung hinsichtrich der Begriffsbestimmung vertreten, indem zum Beispiel in der Art der Bezeichnung „Handelsspannen" nur die Gewinne für den Handel gesehen werden, keinesfalls aber eine Abgeltung für die Kosten, die in der Verteilung der Waren und Erzeugnisse enstehen. Ein anderes Problem scheint darin zu liegen, daß man glaubt, die Handelsspannen seien heute im Zeichen der Marktwirtschaft noch irgendein Preisregulativ. In dem Augenblick, wo man von der Zwangswirtschaft abging, in dem Produktionsmenge und Verteilungskontingente sowie die für die einzelnen Waren und Zeitabschnitte festgelegten Preise nicht mehr bestanden, ist die Handelsspanne letzten Endes nichts anderes als das Ergebnis einer marktwirtschaftlichen Beobachtung, nämlich die Differenz zwischen Einstands- und
Verkaufspreis, wie sie sich aus Angebot und Nachfrage und einer gewissen Sättigung des Marktes automatisch bildet. In diesem. Falle kann man natürlich von einer Einengung oder Erweiterung der Handelsspannen durch behördliche Zwangsmaßnahmen nicht mehr sprechen.
Wir glauben übrigens, bei der Behandlung des Gegenstandes im Ausschuß auch festgestellt zu haben, daß man häufig von der Leistung des Handels eine falsche Vorstellung hat und daß man diese Leistungen des Handels wesentlich unterschätzt. In der Ausschußberatung wurde diese Überlegung an einem Beispiel sehr deutlich. Es wurde von den Antragstellern die Frage des Kartoffelpreises und dessen Berechnung in die Diskussion geworfen. Dabei konnte aber berichtet werden, daß gerade seitens des Handels die Aufgaben und die Funktionen wesentlich größer sind als nur bezüglich Verteilung der anfallenden Kartoffeln. Vergessen wir nicht, daß heute sehr viele Menschen in Deutschland nicht mehr über die notwendigen Räumlichkeiten verfügen, um eine Einlagerung für lange Zeit vornehmen zu können, und daß praktisch diese Lagerhaltung eine zusätzliche Belastung des Handels, sowohl raummäßig als auch arbeits- und kapitalmäßig, darstellt.
Diese Betrachtung der echten Handelsleistungen führt natürlich dazu, daß man mit Recht fragt, welche Aufwandsentschädigungen für die Arbeiten, die der Handel bei der Verteilung und der Lagerhaltung der Güter erbringen muß, erwartet werden dürfen.
Es scheint weiter bei der Diskussion Einigkeit darüber bestanden zu haben, daß man bei der gegenwärtigen Lage auf dem Markte, nämlich der Entwicklung der preissenkenden Tendenzen, in vielen Fällen, wie es in der Diskussion zum Ausdruck kam, schon von einem Preisverfall spricht und daß man dann eine Behandlung der Frage der Handelsspannen oder gar der überhöhten Handelsspannen als einen Anachronismus ansehen muß. Wir haben vielfach bei den Überlegungen zu einzelnen Preisen, die in die Diskussion geworfen wurden, festgestellt, daß z. B. beim Lebensmittelhandel eine ganze Reihe von sogenannten sozial kalkulierten Artikeln vorhanden sind, die eine so geringe Spanne tragen, daß diese nicht einmal die Kosten deckt, die mit der Verteilung und Lagerung dieser Waren verbunden sind.
Es ist an einem anderen Beispiel vom Herrn Abgeordneten Loritz versucht worden nachzuweisen, daß die Spannen im Viehhandel wesentlich übersetzt seien. Wir konnten aber im Ausschuß zu diesem Spezialgebiet keine einheitliche Stellung beziehen.
Die Untersuchungen der vorgetragenen Preisbeispiele ergaben, wie gesagt, keine Anhaltspunkte für eine Überhöhung der Handelsspannen. Es wurde auch von seiten eines Vertreters der SPD darauf hingewiesen, daß durch ein Memorandum, das im Auftrage der Leiter der Preisbildungsstellen der Länder im Dezember 1949 erstellt worden ist, der Nachweis erbracht war, daß diese noch preisgebundenen Handelsspannen nicht überhöht sind. Dagegen wurde der Versuch gemacht, darauf hinzuweisen, daß in den sogenannten freien Preisen im Handel
noch Beobachtungen zu machen wären, die auf eine Überhöhung gewisser Spannen schließen ließen.
Grundsätzlich kam der Ausschuß zu der Überlegung, daß zunächst einmal die Frage aufgeworfen werden müsse, ob die Behandlung dieses Themas zur Legislative oder bereits zur Exekutive gehört. Natürlich kann man sich sehr gut vorstellen, daß eine Interpellation oder auch eine Anfrage bei den zuständigen Ministerien über Einzelbeobachtungen auf der Preisseite zu einer Klärung irgendwelcher Mißverständnisse führen würde.
Im Anschluß an diese Überlegungen kamen wir im Ausschuß überein, dem Hohen Hause vorzuschlagen, um einen möglichst weitgehenden Überblick auf dem Gebiet der Handelsspannen zu bekommen, die Drucksachen Nr. 257 und Nr. 471 gemeinsam zu behandeln und einen Antrag des Ausschusses vorzulegen, der dahin gehen soll, die Bundesregierung zu ersuchen, die Entwicklung der Handelsspannen bei Lebensmitteln und lebensnotwendigen Erzeugnissen durch laufende Beobachtung zu überprüfen und Preistreibereien sowie Kettenhandel zu verhindern. Zu diesem Zweck sind die Erzeuger- und Großhandelspreise laufend zu veröffentlichen. Die Regierung wird ersucht, dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik bis zum 1. Juli 1950 über ihre Beobachtungen und Maßnahmen zu berichten.
Dazu muß allerdings auf Grund der Beratungen im Ausschuß noch eins klargestellt werden. Es soll nach dem Willen der Mehrheit des Ausschusses mit diesem Antrag keinesfalls wieder eine Aktivierung der unteren Preisüberwachungs-
und -bildungsstellen auf der Kreis- und Bezirksebene erfolgen. Vielmehr will man sich, gestützt auf die amtliche Statistik, damit begnügen, diese Beobachtungen durchzuführen.
Ich darf das Hohe Haus namens des Ausschusses für Wirtschaftspolitik bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und darf noch einmal nach § 88 der Geschäftsordnung die Zustimmung des Hauses zur Festsetzung einer Gesamtredezeit von 60 Minuten feststellen. — Ich höre keinen Widerspruch.
Als erstem erteile ich das Wort zur Aussprache dem Herrn Abgeordneten Loritz. Fünf Minuten, bitte!
Meine Damen und Herren! Der. Ältestenrat und der Herr Präsident haben mir gnädig fünf Minuten Redezeit für ein außerordentlich wichtiges Thema zugebilligt, über das man, weiß Gott, länger zu reden hätte.
— Machen Sie nur so fort, die Demokratie lächerlich zu machen!
Präsident Dr, !Köhler: Der Redner muß immer mit Unterbrechungen rechnen; das ist eine alte parlamentarische Gewohnheit.
Sie können einen so unterbrechen, daß man keinen ganzen Satz mehr sprechen kann, Herr Präsident.
— Wenn Sie das Gerechtigkeit nennen, -- ich nenne das ganz anders!
Meine Damen und Herren! Ich will innerhalb dieser paar Minuten versuchen, Ihnen einiges darzulegen. Wir sind durch den Antrag des Ausschusses keineswegs befriedigt. Er stellt eine Verwässerung unseres Antrages dar. Trotzdem werden wir mit für den Antrag des Ausschusses stimmen, weil in ihm vielleicht ein klein wenig von dem enthalten ist, was wir wünschen.
Es ist nicht richtig, wenn es der Herr Berichterstatter so hingestellt hat, als sei es dem Antragsteller nicht gelungen nachzuweisen, daß bei einer Reihe wichtigster Lebensmittel tatsächlich überhöhte Großhandelsspannen bestehen. Diese Behauptung des Berichterstatters ist nicht richtig, und ich möchte Ihnen hier gleich einiges aus dem Ausschuß erzählen.
Wir haben gerügt, daß die Handelsspannen für Milch viel zu hoch sind.
— Das will ich Ihnen gleich sagen, Herr Kollege Hilbert. Es wurde erklärt, die Handelsspanne sei nicht so gewaltig; sie betrage von 24 Pfennig Ablieferungspreis, die der Bauer bekommt, wenn er die Milch frei Molkerei abliefert, bis 36 Pfennig beim Preis, den der Konsument in der Stadt zu zahlen hat. Das ist aber keineswegs die ganze Handelsspanne. Sie wäre an sich schon sehr hoch: von 24 Pfennig auf 36 Pfennig; aber sie ist noch nicht vollständig. Vielleicht wußten sämtliche Herren des Ausschusses nicht, daß die Milch 11/2 % abgerahmt wird, bevor sie in den Großstädten verkauft wird.
Oder vielleicht wird sie noch mehr abgerahmt
— ja, Herr Zwischenrufer, das kann sein —, und diese Abrahmung verteuert gerade den Preis der Milch noch weiter. Denn wenn Siè das hinzurechnen, wenn Sie an den Kleinabnehmer in den Städten Vollmilch wieder verkaufen würden, dann würde die Handelsspanne nicht von 24 auf 36 Pfennig, sondern von 24 auf 40 Pfennig oder noch mehr zu berechnen sein.
Das ist selbstverständlich eine Handelsspanne, keine Verarbeitungsspanne,
denn das bißchen, was die Milch behandelt wird
— manchmal sogar mit Wasser behandelt wird —, können Sie nicht eine Fabrikation oder einen Erzeugungsvorgang nennen. Das mögen sich die Herren, die mir diese Zwischenrufe machen, eigens gesagt sein lassen!
- Die Abrahmung der Milch kommt noch hinzu.
Wenn Sie das alles berechnen, dann werden Sie
selbst sehen, daß die Handelsspanne für die
Milch unerträglich hoch ist. Dazu kommt noch
der Ausgleichsfonds für die Milch, von dem Sie,
Herr Kollege Spies aus dem Allgäu, sehr genau
wissen, daß das allein schon eine Belastung von einigen Pfennigen je Liter Milch darstellt.
Wir sagen nichts gegen den Kleinhandel. Dieser hat so gut wie nichts von seiner mühevollen Tätigkeit. Auch heute bekommt der Bauer für die Milch kaum mehr als in Friedenszeiten, als der Milchpreis auch schon 21 oder 22 Pfennig je Liter betrug.
Es ist hier die Großhandelsspanne vor allem, die zu bekritteln und zu bemängeln ist.
So wie bei der Milch ist es bei einer ganzen Reihe anderer wichtigster Erzeugnisse.
— Ja, das kann Ihnen. passen, wenn die Zeit um ist, damit Sie keine solchen Beispiele mehr hören können.
Wir haben Ihnen nachgewiesen — ich habe Beispiele in dem Ausschuß genannt —, wie bei dem Verkauf von importierten Fischkonserven aller Art die Handelsspannen außerordentlich übersetzt sind. Ich habe Ihnen schon im Plenum bei der ersten Beratung unseres Antrags 'gesagt, daß eine Büchse Fischkonserven, die für 60 Pfennig frei deutsche Grenzstadt eingeführt wurde, mit 2 und 2,20 DM in den Städten verkauft wurde. Das war damals im November, und ich kann Ihnen die genauen Unterlagen geben, Herr Zwischenrufer. Das sind alles Großhandelsspannen, die unter gar keinen Umständen verantwortet werden können.
Bezüglich der Großhandelsspanne für Schlachtvieh — --
Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre Redezeit abgelaufen ist.
— hat ' man es seitens des Ausschusses nicht einmal für nötig befunden, die zuständigen Fachleute zu fragen, um festzustellen, welche Riesenverdienste durch den Großhandel hier auf Kosten der Landwirtschaft genau so wie auf Kosten der städtischen Verbraucher gemacht wurden.
Herr Abgeordneter, ich bitte, zu Ende zu kommen.
Meine Damen und Herren, es ist unmöglich, im Zeitraum von wenigen Minuten, noch dazu immer von Ihnen unterbrochen, hier auf die Dinge noch weiter einzugehen. Wir werden im Juli dieses Jahres die Regierung fragen, welche Feststellungen sie gemacht hat, und dann werden wir — dessen seien Sie sicher - noch mit anderen Anträgen auf diesem Gebiet kommen. Wir sind von dieser Erklärung des Ausschusses noch nicht befriedigt. Wir werden dafür sorgen, daß auch auf diesem Gebiet die Wahrheit an den Tag kommt, damit unsere Verbraucher etwas von Gerechtigkeit verspüren können
und unsere Verbraucher zusammen mit der Landwirtschaft einen vernünftigen Preis bekommen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kurlbaum. 12 Minuten!
Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde haben dem Antrag des Ausschusses ihre Zustimmung gegeben. Allerdings halten wir es für notwendig, zu der sehr allgemeinen Fassung dieses Antrags unsere Stellung auch noch im einzelnen zu präzisieren, insbesondere weil auch der Herr Bundeswirtschaftsminister bei der ersten Aussprache über diesen Punkt in sehr breiter Weise auf seine allgemeine Wirtschaftspolitik eingegangen ist und schließlich, weil ich auch feststellen mußte, daß der Bericht des Berichterstatters heute nicht alles ganz sachlich wiedergegeben hat.
Wie stellen wir uns . nun die Preisüberwachung vor? Das möchten wir im einzelnen hier darlegen, damit wir nicht mißverstanden werden. Für ein erstes wichtiges Mittel halten wir die Preisauszeichnungspflicht. Wir haben uns gefreut, daß sich die Verwaltung im Ausschuß verpflichtet hat, auch in Zukunft für die öffentliche Preisauszeichnung in den Läden einzutreten, und wir würden es sehr begrüßen, wenn auch der Herr Bundeswirtschaftsminister seine Stellung dazu eindeutig klarstellen würde, insbesondere da wir immer wieder feststellen müssen, daß bestimmte Kreise versuchen, diese Preisauszeichnungspflicht in dem Sinne einzuengen, daß gesagt wird, sie könnte auf Güter mit hohen Preisen nicht angewendet werden, und da wir gerade befürchten, daß durch diese Auslegung die Auswirkungen illusorisch werden.
Dann legen wir den allergrößten Wert darauf, daß die in dem Antrag des Ausschusses verlangte Veröffentlichung der Preise auch wirklich stattfindet, und es sollen das nicht nur die Großhandelspreise sein, sondern auch insbesondere die Importpreise. Wir erwarten, daß man bei diesen Veröffentlichungen nicht allzu schamhaft verfährt.
Schließlich komme ich nun zu dem sehr wichtigen Punkt der lokalen Preisbehörden. In diesem Punkt muß ich den Berichterstatter korrigieren. Denn unsere Partei hat keineswegs den Standpunkt mitvertreten, daß diese Behörden auf lokaler Basis nicht arbeiten könnten.
— Na, gut! Das ist mir jedenfalls in den Ausführungen des Berichterstatters nicht so klar geworden.
Die lokalen Preisbehörden brauchen wir deshalb, meine Damen und Herren, weil es doch ganz ausgeschlossen ist, daß man wirklich den Dingen nachgeht, wenn diese Preisüberwachung durch eine zentrale Behörde stattfindet, die sich fern der Wirklichkeit mehr oder weniger nur mit Statistik beschäftigt. Wir haben immer wieder die Erfahrung gemacht, daß man letzten Endes zu einer Durchleuchtung der Preisvorgänge nur kommen kann, wenn der Preisprüfer, ausgehend von dem ausgezeichneten Preis im Laden, rückwärts verfolgt, wie dieser Preis entstanden ist. Und dabei stehen wir gerade auch auf dem Standpunkt, daß der letzte Händler durchaus ein Interesse daran hat, darzutun, daß
die hohen Preise teilweise gar nicht durch ihn selbst zustande kommen, sondern im Gegenteil durch die ersten Stufen des Handels und insbesondere den Importeur, von dem ich vorhin schon gesprochen habe. -
In diesem Zusammenhang muß ich es außerordentlich bedauern, daß der Herr Bundeswirtschaftsminister, obwohl ich damals darum gebeten habe, solche Äußerungen nicht zu tun, in der Plenarverhandlung nochmals gesagt hat, er sei dafür, die Preisbehörden auf der Basis der Städte und Landkreise zum Teufel zu jagen. Meine Damen und Herren! Mit solchen Dingen kommen wir, glaube ich, nicht weiter. Der Herr Bundeswirtschaftsminister darf sich dann auch nicht darüber wundern, wenn er in den Verdacht kommt, daß er durch solche Äußerungen diese Behörden erst aktionsunfähig machen will, um dann nachher nachzuweisen, daß mit solchen Behörden überhaupt nichts erreicht werden könnte. Vielleicht erleben wir es demnächst einmal, daß ein Minister, wenn er auf dem Standpunkt steht, daß die Soforthilfe- oder die Lastenausgleichsabgaben zu groß sind, uns erklärt, auch die Finanzämter müßten zum Teufel gejagt werden.
Nun haben wir in dem Zusammenhang auch wieder einmal das Schlagwort von der Majestät des Kunden gehört. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir sollten damit doch aufhören. Im Zusammenhang mit dieser Diskussion sprechen wir doch in erster Linie von den Wirtschaftsbereichen, die lebensnotwendig sind und wo die Versorgung noch nicht funktioniert, noch nicht ausreichend ist. Da sollten wir doch mit dem dummen Schlagwort von der Majestät des Kunden endlich aufhören.
Dann ist davon gesprochen worden, ob man der Wirtschaft noch solche Kontrollen zumuten könnte. Ich finde, man sollte viel eher fragen, ob man denn dem Verbraucher auch zumuten kann, daß er heute beinahe zwei Jahre nach der Währungsreform immer noch mit teilweise überhöhten Preisen belastet wird. Herr Professor Erhard hat auch in der Plenarsitzung am 26. 2. überhaupt Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen Preisüberwachung geäußert. Er hat im Gegenteil behauptet, daß durch Festlegung von irgendwelchen Richtspannen oder Richtpreisen eine Preisentwicklung nach unten verhindert würde. Meine Damen und Herren, es hat ja niemand von uns jemals daran gedacht, die Preise nach unten zu begrenzen.
Außerdem liegt doch ein Trugschluß dabei vor. Wir freuen uns selbstverständlich auch, wenn in richtiger, wohlgemerkt richtiger Vorausschätzung einer besseren Versorgung die behördlichen Eingriffe vermindert werden - wir stehen gar nicht an, das zu sagen —, aber wir legen Wert darauf, daß das auch in richtiger Voraussicht der Entwicklung der Marktlage geschieht, und wir legen Wert darauf, daß, wenn nachher die Preise nicht steigen und die Dinge sich günstig entwickeln, die Sache dann nicht so dargestellt wird, als wäre das durch die Aufhebung der Preiskontrolle erreicht, während es vielmehr doch durch die reichlichere Versorgung dazu gekommen ist. Daß das umgekehrt durchaus nicht der Fall zu sein braucht, daß im Gegenteil bei zu frühzeitiger Freigabe dieser Kontrollen die Preise
sich sehr schnell nach oben bewegen können, haben wir im ersten Halbjahr nach der Währungsreform zur Genüge erlebt. — Bitte, meine Herren, ich gebe Ihnen ja ohne weiteres zu, daß die Dinge sehr verschieden sind, aber gerade auf diese Differenzierung kommt es an. Darauf werde ich später noch einmal zu sprechen kommen.
Ich begrüße es, daß der Bundeswirtschaftsminister in der Plenarsitzung auch ausdrücklich zugegeben hat, daß die Versorgung teilweise auch heute noch problematisch ist. Wer den Wirtschaftsbericht der Verwaltung für Wirtschaft vom Januar gelesen hat, der wird feststellen, daß auch dort praktisch dasselbe steht. Und schließlich, meine Damen und Herren, was die Wirksamkeit solcher Bindungen anlangt, stellen wir uns doch nicht ein so furchtbares Armutszeugnis aus, insbesondere Sie, meine Herren win der
Wirtschaft! Gibt es denn wirklich in den Kreisen der Produzenten und Händler ausschließlich Leute, die sich von nichts anderem als dem Streben nach dem allerhöchsten Gewinn leiten lassen? Gibt es vielmehr nicht auch dort Leute, die einen Sinn für Gerechtigkeit und Schonung des Verbrauchers haben? Nach meiner Ansicht und nach der Ansicht meiner Parteifreunde kommt es im Gegenteil darauf an, diesen positiven Kräften den Rücken zu stärken. Das kann man aber selbstverständlich nicht dadurch tun, daß man nur allgemeine moralische Appelle an sie richtet, sondern es muß klar werden, daß den negativ eingestellten Kräften und Sündern materielle Nachteile erwachsen. Das kann in sehr einfacher Form dadurch geschehen, daß Importeuren, die überhöhte Spannen nehmen, die Importgenehmigung versagt wird. Wenn in diesem Zusammenhang immer wieder gesagt wird, auf die einzelne Spanne komme es nicht an, es komme auf die Gesamtrentabilität des Handels an, dann möchte ich zu erwägen geben, daß diese Gesamtrentabilität eben wegen der überhöhten Spannen und der daraus entstandenen Übersetzung des Handels erst in Frage gestellt wird.
So stellen wir uns einen Wiederaufbau der Wirtschafts- und Preismoral vor. Was wir in den letzten zwei Jahren hier auf dem Gebiet gesehen haben, das sieht mir — nehmen Sie es mir nicht übel — mehr wie eine Selbstdemontage dieser Preismoral aus.
Das waren die Dinge, die unmittelbar mit dieser Preispolitik zusammenhängen.
Lassen Sie mich noch auf einige wichtige Punkte hinweisen, die mittelbar mit der Preispolitik zusammenhängen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat des öfteren darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, durch unsere Handelsverträge die Lücken in den Versorgung auszufüllen, die wir teilweise noch haben. Was für ein besseres Mittel als die Preisüberwachung gibt es denn, um festzustellen, wo überhöhte Preise sind und wo wir wirksam im Wege der Handelsverträge noch eingreifen müssen?
Dann zu dem viel diskutierten Thema einer Monopolkontrolle. Wie stellen Sie sich praktisch die Wirksamkeit eines Monopolamtes vor? Wie will das Monopolamt praktisch feststellen, wo sich monopolistische Bestrebungen geltend
machen, wenn nicht durch eine Überwachung der Preise? Überhöhte Preise sind nämlich das allerbeste Anzeichen für monopolistische Bestrebungen. Wer also wirklich eine Monopolkontrolle will, der muß auch eine wirksame Preisüberwachung wollen, und wer die wirksame Preisüberwachung nicht will, der will auch keine Monopolkontrolle.
Schließlich komme ich noch auf die Bedeutung einer wirksamen Preiskontrolle im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit zurück. Wir haben uns sehr gefreut, daß die Regierung sich auf dem Gebiet der Kreditpolitik, zu einer etwas liberaleren Politik durchzuringen scheint. Wer aber diese lebensnotwendigen Dinge in den näheren Zusammenhängen kennt, der weiß ganz genau, daß die Grenzen einer solchen Kreditpolitik letzten Endes in der Preisentwicklung liegen, und zwar auf allen Gebieten. Wer sich der Mittel beraubt, einen stärkeren Einfluß auf die Preise auszuüben, der beraubt sich selber dieses Mittels einer etwas liberaleren Kreditpolitik und schränkt sich selber in der Möglichkeit einer Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ein.
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Ich bin sofort fertig.
Nun noch etwas ganz Allgemeines. Ich habe mich darüber gefreut, daß der Bundeswirtschaftsminister zugegeben hat, es gebe in einzelnen Zweigen überhöhte Handelsspannen usw. Ich habe selbst den Standpunkt vertreten: wir wissen ganz genau, daß der Wettbewerb unter bestimmten Voraussetzungen auch seine gesunden Wirkungen haben kann. Es besteht Einigkeit darüber, daß die Verhältnisse auf den einzelnen Marktgebieten sehr verschieden sind, und — damit komme ich schließlich zu dem Endgültigen, Allgemeinen — wenn wir feststellen müssen, daß die Diagnose auf den einzelnen Gebieten unterschiedlich ist, müssen wir auch wohl zugeben, daß die Therapie verschieden sein muß. Wir wollen doch endlich einmal aufhören, über das Prinzip der freien Marktwirtschaft und über das Prinzip der Lenkung zu streiten. Wir wollen uns doch darauf beschränken, zu untersuchen: in welchen Bereichen können wir etwas mit dem Wettbewerb und der freien Marktwirtschaft anfangen, und in welchen Bereichen können wir mit den anderen Methoden des staatlichen Einflusses und der Lenkung etwas machen? Daß Sie, meine Herren von der Mitte und von der Rechten, diesen Methoden der Beeinflusssung und der staatlichen Lenkung durchaus nicht so abgeneigt sind, das haben wir auf dem Gebiet der Landwirtschaft schon feststellen können.
Ich glaube also abschließend sagen zu können, daß wir allen diesen Dingen nur dann näherkommen können, wenn wir endlich so weit kommen, nicht mehr über Prinzipien zu streiten, sondern uns darüber unterhalten, mit welchen wirtschaftlichen Mitteln und auf welchen Gebieten wir zu einer wirklich preiswerten und guten Versorgung des Verbrauchers kommen können. Dabei müssen wir uns aber vor allen Dingen vor dem Dogmatismus hüten, der meiner Ansicht
nach von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister in zu starkem Maße vertreten wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dresbach.
Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, dieses sehr variierbare Thema vom Standpunkt der Verwaltung und vor allen Dingen vom Standpunkt der unteren Preisbehörde zu betrachten. Meine politischen Freunde und ich begrüßen die Entschließung des Ausschusses, nach der die Pflicht zur Publizistik wesentlich ist, und ich schließe mich dem Herrn Vorredner insofern an, als ich auch die Preisauszeichnungsvorschriften in vollem Umfange unter diese Publizistik eingerechnet wissen möchte. Aber für diese Dinge braucht man dann keine besonderen Behörden, keine besonderen Preisverwaltungen; das können statistische Ämter machen, die-die Großstädte und auch Großkreise durch kommunale Initiative schon längst ins Leben gerufen haben.
Ich möchte aber ausdrücklich vor dem Antrag der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung auf Festsetzung von Handelsspannen warnen. Meine Damen und Herren, das ist ja zunächst nicht als zentralistischer Akt der Bundesregierung möglich. Auf alle Fälle muß die Kontrolle wohl unten liegen, und damit berührt sich nun das Arbeitsgebiet dessen, was man als Preisverwaltung zu bezeichnen gewohnt ist: Preisbehörde, Preisüberwachungsstelle, Preisbildungsstelle, deren Aufgaben neuerdings in den Wirtschaftsministerien der Länder liegen.
Bei dem Bericht des Ausschusses ist mir auch nicht ganz klar, was nun unter lebensnotwendigen Erzeugnissen zu verstehen ist. Ich glaube, das ändert sich doch von Jahr zu Jahr. Wir sehen im Jahre 1950 schon manches als lebensnotwendig an, was im Jahre 1947 anders gesehen wurde. Ich darf mir hier eine kleine Bemerkung erlauben. Ich habe meine Jugendzeit in den Bergen und Büschen des Bergischen Landes verlebt. Vor 50 Jahren galt die Zahnbürste noch nicht als lebensnotwendig. Gott sei Dank ist sie es jetzt geworden.
— Auch dem Herrn Abgeordneten Loritz scheint nicht ganz klar zu sein, was lebensnotwendig ist.
— Ich will es Ihnen beweisen, Herr Kollege Loritz; denn Sie fordern in einem andern Antrag die Freigabe der Preisbindung für Bier.
Ist das nicht etwas gefährlich für Sie, wenn Sie sich als Bayer gegen die Lebensnotwendigkeit von Bier aussprechen?
— Bitte, sehen Sie sich Ihren eigenen Antrag an.
Wenn man dem Antrag Loritz nachgeben wollte, würde das die vollkommene Ingangsetzung der Preisüberwachungsbehörden, der ganzen Preisverwaltung bedeuten, und diese Preisverwaltung, Herr Kollege von der Sozialdemokratischen Partei, ist doch tatsächlich fast am Ende, auf alle Fälle bei der unteren Preisbo-
börde. Entschuldigen Sie, Sie werden mir als Landrat in der britischen Zone doch einen gewissen Einblick zutrauen. Ich sehe diese Dinge nun schon 5 Jahre lang. Womit beschäftigt sich denn die untere Preisbehörde noch? Mit der Festsetzung von Mietpreisen für Wohnungen, Einzelzimmer, von Pensionspreisen und Grundstückspreisen. Bei letzteren wird sie durch die bekannten Nebenabreden regelmäßig bemogelt und belogen. Aber sie beschäftigt sich kaum noch mit Fragen der Handelsspannen, und ich kann eigentlich feststellen: manchmal ist es doch nur ein lebhaftes Existenzkampfstreben, noch dazubleiben.
Jedenfalls steht fest, daß die Fülle der Erlasse Gott sei Dank sehr nachgelassen hat; denn diese Erlasse behandelten manchmal Dinge komischer Art. Man braucht nur an die Ersatzstoffe zu denken. Was haben die Sekretäre und die Schreiber bei der unteren Preisbehörde denn damit gemacht außer „erstens: gesehen; zweitens: zu den Akten!"? Sie konnten doch nichts damit anfangen. Und wenn wir auch ehrenamtliche Gutachter beispielsweise aus den Gewerkschaftskreisen herangezogen haben, dann waren das Beruhigungspillen in den unruhigen Zeiten, aber gewirkt hat es schließlich auch nicht. Man soll eben Sekretären und Angestellten nicht so komplizierte Dinge wie die Prüfung und die Festsetzung von Handelsspannen zumuten. Sie kriegen doch in der Verwaltung heute für die TOA keine tüchtigen Kaufleute mehr; die sitzen doch wieder in ihrem ureigenen Job drin. Ich kann auch — Gott sei Dank, sage ich — mit dem Herrn Wirtschaftsminister feststellen, daß die meisten der Schreibkräfte und der Arbeitskräfte der Preisbehörden wieder verschwunden sind. Bei uns zum Beispiel sitzen sie meistens im Amt für Soforthilfe, sofern wir sie für tauglich befunden haben.
Meine Damen und Herren! Wir haben Zeiten hinter uns, in denen die Verwaltung und gerade die untere Verwaltung, die am meisten im Blickfeld der Menschen liegt, arg in Mißkredit gekommen ist, weil wir in dem Zusammenbruch der Bewirtschaftung ein solches Auseinanderklaffen von geltendem Recht und Wirklichkeit erlebt haben. Polizei und Justiz haben sich ja gar nicht mehr ernstlich bemüht, dem geltenden Recht Geltung zu verschaffen.
— Auch nachher! — Verschonen wir doch die Verwaltung mit Dingen, die sie wirklich nicht exerzieren kann. Es hat einmal ein Preuße
— Wilhelm von Humboldt — ein Buch über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates geschrieben. Beherzigen wir diese Schrift, wenn sie auch schon über 100 Jahre alt ist!
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Horlacher.
Ich weiß, daß ich nur ein paar Minuten Redezeit habe. Gott gebe mir die Stärke, daß ich in den paar Minuten recht viel sage!
Es ist mir ja nicht gegeben, auf der Lauer zu liegen, um die niedrigen Instinkte des Volkes herauszusuchen und immer eine schöne radikale Agitationsrede ohne jedes Sachverständnis zu halten.
Der Herr Kollege Loritz versteht von der Kalkulation des Milchpreises wirklich soviel wie eine Sau von einem. Fürstenpalast.
Herr Abgeordneter Horlacher, ich nehme an, Sie haben das nur metaphorisch gemeint.
Bei der Milchpreiskalkulation muß man nämlich verschiedene Dinge unterscheiden.
Herr Abgeordneter Loritz, bitte keine Dialoge!
Herr Abgeordneter Loritz, ich habe Sie doch in keiner Weise gemeint. Beziehen Sie doch nicht Dinge auf sich, die ich gar nicht angenommen habe.
Bei der Milchpreiskalkulation muß man verschiedene Dinge unterscheiden.
Man muß nämlich beachten, daß ein Teil der Milch als Frischmilch hinausgegeben wird, während ein anderer Teil der Milch verarbeitet werden muß, wodurch Verarbeitungskosten entstehen. Man kann nicht den Erzeuger- und den Verbraucherpreis einfach einander gegenüberstellen, sondern man muß mit dem rechnen, was zwischen Erzeugung und Verbrauch liegt. Ich kann das hier im einzelnen nicht ausführen; aber ich möchte mich mit aller Entschiedenheit dagegen wenden, daß der Abgeordnete Loritz draußen behauptet, Tausende Liter Milch werden im Allgäu weggeschüttet.
Das ist nur so zu erklären, daß der Abgeordnete Loritz nicht weiß, welche Veränderungen auf dem Milchmarkt vor sich gegangen sind.
Kein Mensch mag mehr die Magermilch, und die ganze Zwangswirtschaft mit ihren einschränkenden Maßnahmen ist hier überflüssig geworden. Diese Magermilch geht in den Futtertrog der Bauern zurück, um hier die Schweineproduktion zu steigern.
- Also, Herr Abgeordneter Loritz, Sie sehen,
daß ich mich von dem Vergleich mit der Sau
und dem Fürstenpalast nicht zu weit entfernt habe.
Meine Redezeit ist aber jetzt gleich abgelaufen. Ich bitte das Hohe Haus, die Ausführungen des Herrn Loritz nicht so tragisch zu nehmen, wie sie wirklich sind.
Es hat ja früher kleine Herzöge gegeben, und die waren immer 'bemüht, ein paar Spaßetelmacher zu unterhalten, und warum soll der Bundestag sich das nicht auch leisten!
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Loritz hat soeben erklärt, er sei beleidigt worden. Ich weiß nicht, ob er damit gegen mich den Vorwurf erheben wollte, zu Unrecht keinen Ordnungsruf erteilt zu haben. Ich habe mit Absicht keinen Ordnungsruf erteilt. Wenn ein Kollege von dem anderen behauptet, er verstehe nichts von milchwirtschaftlicher Kalkulation, so ist das keine Beleidigung. Und wenn der betreffende Redner das Ausmaß des Unverständnisses in einer Weise zum Ausdruck bringt, die als folkloristisch bezeichnet werden konnte, so ist es erst recht keine Beleidigung.
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
- Das ist ein Wort, dessen Bedeutung mir unbekannt ist, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren! Mit dem Antrag der WAV und dem Abänderungsantrag des Herrn Kollegen Dr. Horlacher wurde eine sehr wichtige Frage angesprochen. Mir steht eine Fülle von Material über überhöhte Handelsspannen zur Verfügung. Das betrifft insbesondere die Arzneimittel, aber auch eine ganze Reihe anderer lebenswichtiger Produkte. Ich "glaube, man kann die Frage der überhöhten Handelsspannen nicht behandeln. ohne auf das Preisgefüge als solches einzugehen. Was soll man von Erklärungen der Bundesregierung halten, z. B. von der Rede des Herrn Bundeskanzlers vom 23. September, worin er anläßlich der Geldabwertung erklärte, daß im Zusammenhang damit keinerlei Preissteigerungen eintreten würden? Wir haben zu verzeichnen, daß der Butterpreis gestiegen ist, und heute morgen geht durch die Zeitungen die Meldung, daß jetzt auch der Brotpreis erhöht werden soll. Wir Kommunisten sind der Meinung, daß man mit allen Mitteln gegen diese Maßnahmen der Regierung einschreiten und von der Regierung fordern muß, daß sie den Preis *des Brotes auf dem gegenwärtigen Stand beläßt.
Obwohl der Antrag der WAV und der Antrag des Kollegen Horlacher sehr lendenlahm sind, werden wir ihnen unsere Zustimmung geben; sie bedeuten immerhin einen Tropfen auf einen heißen Stein.
Es hat sich noch der Abgeordnete Mensing zum Wort gemeldet. Herr Abgeordneter Mensing, die Redezeit Ihrer Fraktion ist konsumiert.
Ich hoffe aber, daß das Haus generös genug sein wird, es mir nachzusehen, wenn ich dem Abgeordneten doch noch das Wort erteile.
Meine Damen, meine Herren! Ich bedauere, daß mir nicht die Möglichkeit gegeben wird, zu diesen Dingen ausführlich Stellung zu nehmen. Ich möchte daher zum Tatsächlichen kurz folgendes feststellen. Das Handwerk und die Gewerbetreibenden bekennen sich restlos zur Auffassung des Wirtschaftsministers, daß im Zeitalter einer freien Wirtschaft mit Preisüberwachungsstellen und Festsetzung von Preisen endlich Schluß gemacht werden muß.
Wer sich in den letzten Jahren mit dieser Materie beschäftigt hat, der weiß, daß besonders die Kreise auf der unteren Ebene der Gewerbetreibenden — es handelt sich um die kleinen und mittleren Betriebe — in erster Linie ein Opfer der Preisüberwachungsstellen geworden sind. Sie werden auch wissen, daß die Festsetzung der Preise auf dem Ernährungssektor, von dem ich etwas verstehe, sich weniger nach sachlichen Gesichtspunkten richtete; diese Preise waren vielmehr, um den Ausdruck zu gebrauchen, ausgesprochen politische Preise. Heute, im Zeitalter des Warenüberhanges, wird die alte kaufmännische These „Angebot und Nachfrage regeln die Preise" sich wieder durchsetzen.
Das, was jetzt beschlossen worden ist, wird von weitesten Kreisen der Gewerbetreibenden als eine Diffamierung aufgefaßt werden, und ich lege namens dieser Kreise hier im Bundesparlament Verwahrung ein gegen die Beibehaltung derartiger Überwachungsmethoden. Preisüberwachung und Preisschilderzwang müssen Vergangenheit sein! Wir wollen nicht, daß eine Bürokratie am Leben bleibt, die lediglich dazu da ist, Handwerk und Gewerbe in die Zange zu nehmen.
In den letzten Jahren wurde uns täglich demonstriert, daß die Preisbehörden über den anständigen Gewerbetreibenden herfielen. Den Schwarzhändlern, die an jeder Straßenecke standen, geschah nichts.
Die Situation war schließlich so, daß die an-
ständigen Gewerbetreibenden, die sich an die Gesetze hielten, ein Opfer der Entwicklung wurden. Solche Zeiten aber wollen wir vom Handwerk und Gewerbe nicht wieder erleben!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Stegner. — 8 Minuten!
Meine Damen und Herren! Der Bericht des Herrn Kollegen Naegel über die Ar-
Deutscher Bundestag — 53. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den O. März 1950. 2085
beit des Wirtschaftsausschusses hat den Gang der Ausschußverhandlungen sehr eingehend und klar dargestellt. Der Wirtschaftsausschuß hätte auch keine Gelegenheit gehabt, über dieses Thema, dessen Behandlung heute eigentlich offene Türen einrennt, zu verhandeln, wenn nicht 'der Antrag der WAV die Debatte darüber ausgelöst hätte. Wir haben unseren Kollegen Loritz bisher als Eiersachverständigen, als Eierpreissachverständigen besonders geschätzt, und nach den Kenntnissen, die er hier in bezug auf die Entrahmung von Frischmilch und die „Bewässerung" von Frischmilch an den Tag gelegt hat,
hätte man annehmen können, daß er schon jahrzehntelang im Milchgroßhandel tätig gewesen ist.
Ich hoffe aber im Interesse der Verbraucher, daß das nicht der Fall gewesen ist,
— Ja, Herr Loritz, Ihre Ausführungen im Ausschuß waren nicht von so großer Sachkenntnis getragen, daß man den Eindruck gehabt hätte, Sie hätten die Dinge so gründlich durchstudiert!
— Herr Loritz, ich muß noch ein paar Worte zur Sache sagen; ich hoffe, daß ich damit auch Sie überzeugen kann.
— Ja, wenn Sie das für vergeblich halten, ich fühle mich dazu verpflichtet.
Meine Damen und Herren! Die Preisentwicklung seit der Währungsreform ist eigentlich so klar, daß der Antrag der WAV im gewissen Sinne offene Türen einrennt. Das unterliegt gar keinem Zweifel. Ich stehe nicht auf dem Standpunkt des Kollegen Kurlbaum, daß man zwischen frei verkäuflichen Waren und bewirtschafteten Waren — —
— Einen Augenblick! Ich stehe also nicht auf dem Standpunkt, daß man die Abgrenzung zwischen Marktwirtschaft und Bewirtschaftung gewissermaßen von oben her vornehmen sollte.
Wir haben doch die Tatsache zu verzeichnen, daß das- Angebot auf dem Markt zu einem Teil aus Waren besteht, die der Bewirtschaftung nicht mehr unterliegen. Dort gestalten sich die Preise weitgehend nach den Wettbewerbsverhältnissen. Wir haben in den letzten Monaten beobachten können, daß die Zahl der sogenannten Mangelwaren derjenigen Artikel, die dem freien Wettbewerb unterliegen, immer geringer wird, so daß an sich mit der Preisauszeichnungspflicht, für die wir auch sind, der Forderung nach Preisüberwachung durch den Verbraucher vollauf Genüge getan ist.
Die Preisgestaltung der bewirtschafteten
Waren, insonderheit also der Lebensmittel, reguliert sich doch nach ganz anderen Grundsätzen. Wir werden in Kürze in diesem Hohen Hause auch gewisse Gesetze zu behandeln haben, die auf die Preisgestaltung der Lebensmittel und der
landwirtschaftlichen Produkte nicht ohne Einfluß bleiben werden.
- Das ist aber keine Frage der Handelsspannen, Herr Loritz. Wir haben uns hier nur über die Handelsspannen und nicht über die Preisgestaltung zu unterhalten. Das ist ein sehr großer Unterschied! Ich verweise auf die sehr ausführlichen Mitteilungen des Kollegen Naegel über den Sinn der Handelsspannen.
Ich glaube also, meine Damen und Herren, daß der Ausschuß mit seinem Antrag der Situation Genüge getan hat und daß die auf der unteren Ebene noch bestehenden Preisstellen absolut ausreichen werden, die wenigen Überwachungsfunktionen auszuüben. Aus der Konkurs- und Vergleichstatistik können Sie heute sehen, daß die ungesunden Großhandelsbetriebe — gegen diese kann sich ja der Antrag bezüglich der überhöhten Handelsspannen überhaupt nur richten — durch den natürlichen Gang der Dinge nach und nach aus der Wirtschaft ausgemerzt werden. Lassen wir diese Entwicklung ihren Gang gehen, und wir werden zu einer vernünftigen Preisbildung auf der unteren Ebene kommen.
In diesem Sinne möchte ich Sie bitten, dem Antrag des Ausschusses zuzustimmen und eine Ausweitung dieser Angelegenheit als unzeitgemäß nicht mehr vorzusehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hält den Vorschlag des Ausschusses für ausreichend, aber auch notwendig. Wenn ich dazu das Wort nehme, so tue ich es insbesondere deshalb, weil ich ein Spezialkollege von Herrn Loritz bin, nämlich ein Jurist,
und daher von der wirtschaftlichen Seite gar
nichts verstehe, vermutlich ebensowenig wie er.
Um so mehr verstehe ich aber von der verwaltungsmäßigen Seite und möchte den Herren- von der SPD dazu eines sagen.
Es ist sicherlich zweifelhaft, ob die eine radikale oder die andere radikale Richtung der Weisheit letzter Schluß ist. Aber Sie müssen sich nicht wundern, meine sehr geehrten Herren Sozialdemokraten, wenn nun einmal der Behördenapparat in einen furchtbaren Mißkredit gekommen ist. Ich glaube, es wird die allgemeine Volksmeinung, auch die Ihrer Anhänger, in den einzelnen Bezirken sein, daß die Preisbehörden gerade auf der unteren Ebene in einer Weise versagt haben, die zum Himmel schreit.
— Nein, sondern weil man für diese spätgeborenen Behörden nur die sonst kaum noch verwendungsfähigen Beamten aufbrachte und weil man nun einmal mit Anweisungen und Erlassen von
oben her auch das letzte kleine Geschäft steuern wollte. Zwar haben das zunächst die Nationalsozialisten getan — während der Kriegswirtschaft sogar in gewissem Umfang verständlich —, aber nach 1945 hat man- das mit einer Begeisterung wieder aufgegrifffen, die allen Wissenden einfach unverständlich war. Deswegen glaube ich, daß man durch die Abschaffung dieser unmöglichen Steuerungsbehörden in der Tat dem Wunsche der breitesten Volksschichten gerecht wird.
Um so weniger aber — und das möchte ich besonders betonen — ist es möglich, dem Eigennutz jedes einzelnen Mannes freien Spielraum zu lassen. Die Preisnotierung und die Beobachtung dessen, was geschieht, halten wir für dringend erforderlich. Wir halten es aber für unmöglich, daß irgendeine Behörde, die von Handelsspannen vielleicht ebensowenig versteht wie ich, sich anmaßt, hier regulierend, steuernd und befehlend einzugreifen. Welche Maßnahmen erforderlich sind, wird die Praxis ergeben. Daß es dort noch Auswüchse gibt, wissen wir alle. Diesen Auswüchsen muß begegnet werden, und dazu dient ja dieser Antrag, den das Haus möglichst einstimmig annehmen möge.
Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 622 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -- Gegenprobe. — Angenommen.
Meine Damen und Herren, wir hätten nunmehr den Punkt 3 der Ergänzungstagesordnung — das deutsch-französische Wirtschaftsabkommen — aufzurufen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Euler zur Geschäftsordnung. — Sie wollten doch die Absetzung beantragen?
Meine sehr geehrten Damen und Herren! An und für sich stehen noch zwei Punkte auf der Tagesordnung. Aber wenn sie abgewickelt würden, würden wir wahrscheinlich bis gegen 8 Uhr, wenn nicht noch darüber hinaus tagen müssen. Da einige Punkte der ' morgigen
Tagesordnung ausgefallen sind, möchte wir vorschlagen, jetzt die Sitzung zu schließen und die beiden letzten Punkte der heutigen Tagesordnung auf die morgige zu übertragen, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, sich heute abend noch ausgiebig zu besprechen.
Das Wort hat zur Geschäftsordnung der Abgeordnete Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegen den Geschäftsordnungsvorschlag des Herrn Kollegen Euler ist nichts einzuwenden unter der Voraussetzung, daß die Punkte, die wir jetzt absetzen, dann als erste Punkte der morgigen Tagesordnung behandelt werden.
Ist das Haus damit einverstanden?
— Dann werden wir die beiden Punkte heute nicht behandeln, sondern sie auf die morgige Tagesordnung setzen.
Ich habe noch folgendes bekanntzugeben: Heute abend, eine halbe Stunde nach Schluß der Plenarsitzung, findet im Zimmer 12 des Südflügels eine Sitzung des Ausschusses für Angelegenheiten der inneren Verwaltung statt. Die FDP hat um 20 Uhr Fraktionssitzung,
— die CDU anschließend. Die nächste Sitzung des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten findet morgen 8 Uhr 30 statt. Es wird der heute überwiesene Antrag behandelt werden.
Damit, meine Damen und Herren, ist unsere heutige Tagesordnung erschöpft. Ich berufe die nächste Sitzung ein auf morgen, Freitag, den 31. März 1950, 10 Uhr.
Die Sitzung ist geschlossen.