Rede von
Dr.
August
Dresbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, dieses sehr variierbare Thema vom Standpunkt der Verwaltung und vor allen Dingen vom Standpunkt der unteren Preisbehörde zu betrachten. Meine politischen Freunde und ich begrüßen die Entschließung des Ausschusses, nach der die Pflicht zur Publizistik wesentlich ist, und ich schließe mich dem Herrn Vorredner insofern an, als ich auch die Preisauszeichnungsvorschriften in vollem Umfange unter diese Publizistik eingerechnet wissen möchte. Aber für diese Dinge braucht man dann keine besonderen Behörden, keine besonderen Preisverwaltungen; das können statistische Ämter machen, die-die Großstädte und auch Großkreise durch kommunale Initiative schon längst ins Leben gerufen haben.
Ich möchte aber ausdrücklich vor dem Antrag der Wirtschaftlichen Aufbauvereinigung auf Festsetzung von Handelsspannen warnen. Meine Damen und Herren, das ist ja zunächst nicht als zentralistischer Akt der Bundesregierung möglich. Auf alle Fälle muß die Kontrolle wohl unten liegen, und damit berührt sich nun das Arbeitsgebiet dessen, was man als Preisverwaltung zu bezeichnen gewohnt ist: Preisbehörde, Preisüberwachungsstelle, Preisbildungsstelle, deren Aufgaben neuerdings in den Wirtschaftsministerien der Länder liegen.
Bei dem Bericht des Ausschusses ist mir auch nicht ganz klar, was nun unter lebensnotwendigen Erzeugnissen zu verstehen ist. Ich glaube, das ändert sich doch von Jahr zu Jahr. Wir sehen im Jahre 1950 schon manches als lebensnotwendig an, was im Jahre 1947 anders gesehen wurde. Ich darf mir hier eine kleine Bemerkung erlauben. Ich habe meine Jugendzeit in den Bergen und Büschen des Bergischen Landes verlebt. Vor 50 Jahren galt die Zahnbürste noch nicht als lebensnotwendig. Gott sei Dank ist sie es jetzt geworden.
— Auch dem Herrn Abgeordneten Loritz scheint nicht ganz klar zu sein, was lebensnotwendig ist.
— Ich will es Ihnen beweisen, Herr Kollege Loritz; denn Sie fordern in einem andern Antrag die Freigabe der Preisbindung für Bier.
Ist das nicht etwas gefährlich für Sie, wenn Sie sich als Bayer gegen die Lebensnotwendigkeit von Bier aussprechen?
— Bitte, sehen Sie sich Ihren eigenen Antrag an.
Wenn man dem Antrag Loritz nachgeben wollte, würde das die vollkommene Ingangsetzung der Preisüberwachungsbehörden, der ganzen Preisverwaltung bedeuten, und diese Preisverwaltung, Herr Kollege von der Sozialdemokratischen Partei, ist doch tatsächlich fast am Ende, auf alle Fälle bei der unteren Preisbo-
börde. Entschuldigen Sie, Sie werden mir als Landrat in der britischen Zone doch einen gewissen Einblick zutrauen. Ich sehe diese Dinge nun schon 5 Jahre lang. Womit beschäftigt sich denn die untere Preisbehörde noch? Mit der Festsetzung von Mietpreisen für Wohnungen, Einzelzimmer, von Pensionspreisen und Grundstückspreisen. Bei letzteren wird sie durch die bekannten Nebenabreden regelmäßig bemogelt und belogen. Aber sie beschäftigt sich kaum noch mit Fragen der Handelsspannen, und ich kann eigentlich feststellen: manchmal ist es doch nur ein lebhaftes Existenzkampfstreben, noch dazubleiben.
Jedenfalls steht fest, daß die Fülle der Erlasse Gott sei Dank sehr nachgelassen hat; denn diese Erlasse behandelten manchmal Dinge komischer Art. Man braucht nur an die Ersatzstoffe zu denken. Was haben die Sekretäre und die Schreiber bei der unteren Preisbehörde denn damit gemacht außer „erstens: gesehen; zweitens: zu den Akten!"? Sie konnten doch nichts damit anfangen. Und wenn wir auch ehrenamtliche Gutachter beispielsweise aus den Gewerkschaftskreisen herangezogen haben, dann waren das Beruhigungspillen in den unruhigen Zeiten, aber gewirkt hat es schließlich auch nicht. Man soll eben Sekretären und Angestellten nicht so komplizierte Dinge wie die Prüfung und die Festsetzung von Handelsspannen zumuten. Sie kriegen doch in der Verwaltung heute für die TOA keine tüchtigen Kaufleute mehr; die sitzen doch wieder in ihrem ureigenen Job drin. Ich kann auch — Gott sei Dank, sage ich — mit dem Herrn Wirtschaftsminister feststellen, daß die meisten der Schreibkräfte und der Arbeitskräfte der Preisbehörden wieder verschwunden sind. Bei uns zum Beispiel sitzen sie meistens im Amt für Soforthilfe, sofern wir sie für tauglich befunden haben.
Meine Damen und Herren! Wir haben Zeiten hinter uns, in denen die Verwaltung und gerade die untere Verwaltung, die am meisten im Blickfeld der Menschen liegt, arg in Mißkredit gekommen ist, weil wir in dem Zusammenbruch der Bewirtschaftung ein solches Auseinanderklaffen von geltendem Recht und Wirklichkeit erlebt haben. Polizei und Justiz haben sich ja gar nicht mehr ernstlich bemüht, dem geltenden Recht Geltung zu verschaffen.
— Auch nachher! — Verschonen wir doch die Verwaltung mit Dingen, die sie wirklich nicht exerzieren kann. Es hat einmal ein Preuße
— Wilhelm von Humboldt — ein Buch über die Grenzen der Wirksamkeit des Staates geschrieben. Beherzigen wir diese Schrift, wenn sie auch schon über 100 Jahre alt ist!