Rede von
Dr.
Rudolf
Vogel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bemerkung meines verehrten Kollegen Dr. Lütkens über das deutsche Büro für Friedensfragen gibt mir Veranlassung, hier noch einmal ganz kurz auf die Rolle dieses Büros einzugehen und Mißverständnisse zu zerstreuen. Herr Dr. Lütkens hat von einer „Verschwendung öffentlicher Mittel" gesprochen, die eintreten würde, falls man das Büro über den 1. April noch länger bestehen ließe. Lassen Sie mich dazu offen einige Sätze sagen.
Auch Herr Dr. Lütkens hat nicht bestritten — und ich glaube, das kann niemand bestreiten, der die Arbeit des Büros verfolgt hat —, daß dieses Büro eine überaus nützliche Arbeit in einer Zeit geleistet hat, in der — das möchte ich einmal mit allem Nachdruck sagen — nicht alle deutschen Ministerpräsidenten voll und ganz begriffen hatten, was in diesen Jahren von 1945 bis 1948 zu tun notwendig war. Und es wird meinem Empfinden nach auch später einmal anerkannt werden müssen, daß die Ministerpräsidenten der amerikanischen Zone von sich aus einen wirklichen Fortschritt erzielt hatten, als sie sich damals zusammenschlossen, um ein solches Büro zu gründen. Die Vorteile daraus erntet heute die Deutsche Bundesrepublik, die ja vorher nicht das Material sammeln konnte, das sie heute so notwendig braucht.
Nun etwas über die Zukunft dieses Büros. Bis zum 1. April sind dafür 200 000 DM in dem Haushaltsplan, der Ihnen vorliegt, eingesetzt worden. Darüber hinaus soll das Büro aufgelöst werden, oder es sollen auf der anderen Seite seine Angehörigen in die kommende Organisationsstelle des konsularisch-wirtschaftlichen Dienstes eingegliedert werden.
Ich möchte dazu folgendes sagen. Es wäre meinem Empfinden nach ein schwerer, nicht wiedergutzumachender Fehler, wenn man ein Büro, dessen Arbeit anerkannt ist und auch von Herrn Dr. Lütkens nicht bestritten wird. abrupt am 1. April auflösen würde, ohne daß man vorher zumindest einen zweiten Gedanken etwas näher geprüft hat, als es Herr Dr. Lütkens getan hat, nämlich den Gedanken, ob es nicht notwendig wäre, bei uns in Deutschland etwas Ähnliches zu errichten, wie es nicht nur die Engländer, sondern auch die Vereinigten Staaten in Gestalt des Chatham House, d. h. also einer Forschungsstelle für auswärtige Angelegenheiten, unterhalten. Das ist eine Angelegenheit, über die wir uns im Auswärtigen Ausschuß noch einmal werden unterhalten müssen. Denn gerade ein Volk wie das unsere, dessen Verwaltung so jäh seinen Zusammenhang mit früher verloren hat, das völlig von vorn anfangen muß und für das alle außenpolitischen Beziehungen und Beobachtungen von großer, ich möchte fast sagen, von entscheidender Wichtigkeit sein werden, — ein solches Volk kann eine Forschungsstelle nicht entbehren, die über die Parteien hinaus sich bemüht, bestimmte Tatbestände vorurteilsfrei zu ergründen und sie nachher dem kommenden Außenministerium und dem Auswärtigen Ausschuß darzubieten.
Ich glaube, daß gerade ein solches Büro sehr wohl in der Lage wäre, dafür ein überparteiliches Forum zu bilden, wo sich Opposition und Regierungsparteien gemeinschaftlich, unbeirrt vom Tagesstreit, über die Fragen unterhalten, aussprechen und zu einer gemeinsamen Lösung kommen können, die unser gemeinsames außenpolitisches Anliegen darstellen. Man sollte diese Möglichkeit nicht von vornherein dadurch verschütten, daß man von einer „Verschwendung öffentlicher Gelder" spricht, die in keinem Falle gegeben wäre, und daß man von vornherein eine Tür zuschlägt, die besser offengehalten werden würde im Interesse nicht nur des Verhältnisses von Opposition und Regierung, sondern auch im Gesamtinteresse der Außenpolitik des deutschen Volkes.
Wer Gelegenheit hatte, einmal in London die bemerkenswert gut ausgestatteten Räume des Chatham House zu besichtigen, wer dort die große Bibliothek von über 60 000 Bänden ansehen durfte und wer sieht, was die Vereinigten Staaten und was selbst ein kleines Land wie Belgien dafür ausgeben, um sich in dieser Beziehung auf der Höhe der Zeit zu halten, der wird sicher Verständnis dafür haben, daß auch wir in Deutschland alles daransetzen sollten, um zu einer ähnlichen Institution zu gelangen.
Ich glaube, daß das Büro für Friedensfragen auf Grund seiner bisherigen Arbeit sehr wohl der Ansatzpunkt für eine solche Organisation sein könnte. Daß dabei parteipolitische Gesichtspunkte keine Rolle zu spielen brauchten, wird auch Herr Dr. Lütkens wissen. Denn er weiß genau, daß die personelle Zusammensetzung des Deutschen Büros für Friedensfragen vor einem halben Jahre noch zum mindesten eine Zweidrittelbesetzung aller leitenden Posten mit SPD-Mitgliedern zeigte und daß trotzdem nicht davon gesprochen werden könnte, das Büro habe eine einseitige
Stellungnahme bezogen. Die Arbeiten des Büros stehen der Regierung heute in einem sehr kritischen Zeitpunkt zur Verfügung, und ich glaube, wenn wir in Zukunft ein solches Forschungsinstitut hätten, würden künftige Regierungen sich erheblich leichter tun.