Herr Präsident, meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik lagen die beiden Drucksachen Nr. 257 und 471 vor. Es handelt sich
um die Einschränkung überhöhter Handelsspannen, ein Thema, das in den letzten Monaten und Jahren fast zum Schlagwort geworden ist. Diese Tatsache kam auch in der Beratung des Ausschusses zum Ausdruck. Bei der Untersuchung der von den Antragstellern vorgebrachten Preisbeispiele ergab sich, daß eine Überhöhung der Handelsspannen bei den noch preisgebundenen Waren nicht nachzuweisen war.
Im übrigen zeigte die Diskussion, daß nicht völlige Eindeutigkeit über den Begriff „Handelsspannen" besteht und daß häufig Erzeugungs- und Bearbertungskos.en fälschlicherweise in den Begriff mit einbezogen werden. Diese Unklarheit behnuerte die Beratung und führte dazu, daß man sich vielfach nicht eindeutig über die zahlenmäßige Erfassung der Preisbeispiele einigen konnte. Sehr häufig wird eine falsche Auffassung hinsichtrich der Begriffsbestimmung vertreten, indem zum Beispiel in der Art der Bezeichnung „Handelsspannen" nur die Gewinne für den Handel gesehen werden, keinesfalls aber eine Abgeltung für die Kosten, die in der Verteilung der Waren und Erzeugnisse enstehen. Ein anderes Problem scheint darin zu liegen, daß man glaubt, die Handelsspannen seien heute im Zeichen der Marktwirtschaft noch irgendein Preisregulativ. In dem Augenblick, wo man von der Zwangswirtschaft abging, in dem Produktionsmenge und Verteilungskontingente sowie die für die einzelnen Waren und Zeitabschnitte festgelegten Preise nicht mehr bestanden, ist die Handelsspanne letzten Endes nichts anderes als das Ergebnis einer marktwirtschaftlichen Beobachtung, nämlich die Differenz zwischen Einstands- und
Verkaufspreis, wie sie sich aus Angebot und Nachfrage und einer gewissen Sättigung des Marktes automatisch bildet. In diesem. Falle kann man natürlich von einer Einengung oder Erweiterung der Handelsspannen durch behördliche Zwangsmaßnahmen nicht mehr sprechen.
Wir glauben übrigens, bei der Behandlung des Gegenstandes im Ausschuß auch festgestellt zu haben, daß man häufig von der Leistung des Handels eine falsche Vorstellung hat und daß man diese Leistungen des Handels wesentlich unterschätzt. In der Ausschußberatung wurde diese Überlegung an einem Beispiel sehr deutlich. Es wurde von den Antragstellern die Frage des Kartoffelpreises und dessen Berechnung in die Diskussion geworfen. Dabei konnte aber berichtet werden, daß gerade seitens des Handels die Aufgaben und die Funktionen wesentlich größer sind als nur bezüglich Verteilung der anfallenden Kartoffeln. Vergessen wir nicht, daß heute sehr viele Menschen in Deutschland nicht mehr über die notwendigen Räumlichkeiten verfügen, um eine Einlagerung für lange Zeit vornehmen zu können, und daß praktisch diese Lagerhaltung eine zusätzliche Belastung des Handels, sowohl raummäßig als auch arbeits- und kapitalmäßig, darstellt.
Diese Betrachtung der echten Handelsleistungen führt natürlich dazu, daß man mit Recht fragt, welche Aufwandsentschädigungen für die Arbeiten, die der Handel bei der Verteilung und der Lagerhaltung der Güter erbringen muß, erwartet werden dürfen.
Es scheint weiter bei der Diskussion Einigkeit darüber bestanden zu haben, daß man bei der gegenwärtigen Lage auf dem Markte, nämlich der Entwicklung der preissenkenden Tendenzen, in vielen Fällen, wie es in der Diskussion zum Ausdruck kam, schon von einem Preisverfall spricht und daß man dann eine Behandlung der Frage der Handelsspannen oder gar der überhöhten Handelsspannen als einen Anachronismus ansehen muß. Wir haben vielfach bei den Überlegungen zu einzelnen Preisen, die in die Diskussion geworfen wurden, festgestellt, daß z. B. beim Lebensmittelhandel eine ganze Reihe von sogenannten sozial kalkulierten Artikeln vorhanden sind, die eine so geringe Spanne tragen, daß diese nicht einmal die Kosten deckt, die mit der Verteilung und Lagerung dieser Waren verbunden sind.
Es ist an einem anderen Beispiel vom Herrn Abgeordneten Loritz versucht worden nachzuweisen, daß die Spannen im Viehhandel wesentlich übersetzt seien. Wir konnten aber im Ausschuß zu diesem Spezialgebiet keine einheitliche Stellung beziehen.
Die Untersuchungen der vorgetragenen Preisbeispiele ergaben, wie gesagt, keine Anhaltspunkte für eine Überhöhung der Handelsspannen. Es wurde auch von seiten eines Vertreters der SPD darauf hingewiesen, daß durch ein Memorandum, das im Auftrage der Leiter der Preisbildungsstellen der Länder im Dezember 1949 erstellt worden ist, der Nachweis erbracht war, daß diese noch preisgebundenen Handelsspannen nicht überhöht sind. Dagegen wurde der Versuch gemacht, darauf hinzuweisen, daß in den sogenannten freien Preisen im Handel
noch Beobachtungen zu machen wären, die auf eine Überhöhung gewisser Spannen schließen ließen.
Grundsätzlich kam der Ausschuß zu der Überlegung, daß zunächst einmal die Frage aufgeworfen werden müsse, ob die Behandlung dieses Themas zur Legislative oder bereits zur Exekutive gehört. Natürlich kann man sich sehr gut vorstellen, daß eine Interpellation oder auch eine Anfrage bei den zuständigen Ministerien über Einzelbeobachtungen auf der Preisseite zu einer Klärung irgendwelcher Mißverständnisse führen würde.
Im Anschluß an diese Überlegungen kamen wir im Ausschuß überein, dem Hohen Hause vorzuschlagen, um einen möglichst weitgehenden Überblick auf dem Gebiet der Handelsspannen zu bekommen, die Drucksachen Nr. 257 und Nr. 471 gemeinsam zu behandeln und einen Antrag des Ausschusses vorzulegen, der dahin gehen soll, die Bundesregierung zu ersuchen, die Entwicklung der Handelsspannen bei Lebensmitteln und lebensnotwendigen Erzeugnissen durch laufende Beobachtung zu überprüfen und Preistreibereien sowie Kettenhandel zu verhindern. Zu diesem Zweck sind die Erzeuger- und Großhandelspreise laufend zu veröffentlichen. Die Regierung wird ersucht, dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik bis zum 1. Juli 1950 über ihre Beobachtungen und Maßnahmen zu berichten.
Dazu muß allerdings auf Grund der Beratungen im Ausschuß noch eins klargestellt werden. Es soll nach dem Willen der Mehrheit des Ausschusses mit diesem Antrag keinesfalls wieder eine Aktivierung der unteren Preisüberwachungs-
und -bildungsstellen auf der Kreis- und Bezirksebene erfolgen. Vielmehr will man sich, gestützt auf die amtliche Statistik, damit begnügen, diese Beobachtungen durchzuführen.
Ich darf das Hohe Haus namens des Ausschusses für Wirtschaftspolitik bitten, diesem Antrag zuzustimmen.