Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Einzelplans IV kann es sich jetzt nicht mehr so sehr darum handeln, über das zu sprechen, was in der Vergangenheit geschehen ist. Die Tatsache, daß — wenigstens das, was das in Schlangenbad vorgeschlagene Bundesamt für Besatzungstragen und Auswärtige Angelegenheiten angeht - bisher so gut wie nichts geschehen ist und schon mehr denn 6 Monate vergangen sind, ohne daß an die organisatorischen Aufgaben, deren Inangriffnahme im Interesse des Volkes und dieser .Bundesrepublik notwendig sind, mit Ernst herangegangen worden ist, ist der Grind, daß ich darüber zu sprechen habe, was nun endlich geschehen muß. Wir bedauern, daß die Errichtung von Auslandsvertretungen, von konsularischen Vertretungen, wie sie uns nunmehr schon seit langem zugebilligt sind, immer weiter hinausgezögert wird. Jeder Verzug auf diesem Gebiet hemmt den Ausbau der weltwirtschaftlichen Beziehungen, zögert ihn hinaus. Da dieser Ausbau aber notwendig ist, um so schnell wie möglich die Eingliederung unserer Volkswirtschaft in den Kreislauf der Weltwirtschaft zu erreichen, ist ein Verzug, wie ich glaube, kaum entschuldbar.
Der Herr Bundeskanzler scheint noch nicht einmal einen Plan, einen sachgerechten, umfassenden und vernünftigen Plan fur den Aufbau dieser Außenhandelsvertretungen, dieser konsularischen Vertretungen, ausgearbeitet zu haben, und selbst
mit den wenigen Behörden dieser Art, die zu errichten uns die hohe Kommission bisher bewilligt hat, kommt er nicht voran.
Es wäre bedauerlich, wenn etwa auf seiten der Hohen Kommission Hemmungen dahin vorlagen, daß das sachlich Erforderliche geschähe, um uns wirtschaftlich mit denjenigen anderen Ländern der Welt in Verbindung zu bringen, die für unsern Außenhandel wichtig und mit denen Beziehungen für unsere Wirtschaft unbedingt erforderlich sind. Jedoch kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, daß es im Bundeskanzleramt bei der Betreibung dieser ganzen Angelegenheit an der nötigen Klarheit und dem erforderlichen Nachdruck fehlt.
Bisher sind uns im Haushaltsausschuß, was die im Ausland zu errichtenden konsularischen Vertretungen angeht, im wesentlichen zwei Dinge bekanntgemacht worden. Man hat uns von gewissen recht vagen Planungen für eine Reihe solcher Auslandsbehörden erzählt, und man hat von den Prinzipien der Personalpolitik gesprochen, die, soweit es diese Auslandsbehörden angeht, in Anwendung kommen sollen. Noch keine einzige dieser Vertretungen ist aber bis heute, obwohl wir uns dem 1. April bedenklich nähern, errichtet worden, und es scheint noch nicht einmal so, daß auch nur eine, was ihre Spitze anlangt, endgültig besetzt ist. Die Personalauswahl für diese Vertretungen scheint unendliche Schwierigkeiten zu machen, und zwar aus Gründen, die kaum in der Sache liegen dürften. Wenn das so weiter geht, werden wir wohl in diesem Jahre überhaupt nicht mehr zu der Errichtung von konsularischen Vertretungen kommen.
Mit den uns vorgelegten Richtlinien für die Personalpolitik im Bereich dieser Behörden kann man sich im wesentlichen einverstanden erklären. Meine Fraktion begrüßt es, daß Aussicht besteht, bei diesen Behörden in größerer Anzahl Frauen zur Arbeit heranzuziehen, und wir hoffen, daß die Regierungsparteien dem Herrn Bundeskanzler bei diesem lobenswerten Versuch, die Sache der Gleichberechtigung der Frauen praktisch zu fördern, nicht noch in den Arm fallen werden. Wir begrußen es auch, daß bei den Auslandsvertretungen keine früheren Mitglieder der Nazipartei eingestellt werden sollen; doch ist uns das nicht genug. Wir halten auch die Verwendung solcher Beamten im Ausland oder sonst überhaupt an sichtbarer Stelle in der Verwaltung, insbesondere in der Ministerialbürokratie, für unvertretbar, insbesondere solcher Beamten, die an der Politik während der Nazityrannei dadurch beteiligt waren, daß sie an wichtigen Stellen in der Verwaltung aktiv mitgewirkt haben.
Solche Leute mögen im Einzelfall durchaus ehrenwerte Männer sein, jedoch haben sie sich im Sinne der griechischen Tragödie schicksalhaft in Schuld verstrickt. Sie sind für unsere Demokratie, sie sind auch um des Ansehens dieser Demokratie im Ausland willen nicht mehr an sichtbarer Stelle im Inoder Ausland verwendbar. Mit Denazifizierung und „Persilschein" ist es hier nicht getan. Gerade unter dem Gesichtspunkt des Respekts, den wir für unser neues Gemeinwesen im Ausland langsam wieder aufzubauen haben werden, wäre es wohl gerade Pflicht des Herrn Bundeskanzlers, mit Ernst darum besorgt zu sein, daß hier kein Schaden geschehe.
Es wird abzuwarten sein, wieweit sich die Praxis der Personalpolitik im Bereich des Bundeskanzleramtes und der Außenvertretungen mit den Erklärungen decken wird, die wir zunächst darüber bekommen haben. So sehr man, wie gesagt, diese Erklärungen begrüßt, so wenig kann man die Bemerkung unterdrücken, daß die Festlegung solcher Prinzipien einigermaßen hypokratisch erscheinen könnte, wenn sie nur auf die Auslandsbehörden, nicht aber auch im Rahmen des gesamten Bundeskanzleramtes und darüber hinaus in allen Ministerien dieser Bundesrepublik angewandt würden.
Ich versage es mir, an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt auf einzelne Fälle einzugehen, in der Hoffnung, daß der Herr Bundeskanzler und das ganze Kabinett noch Gelegenheit nehmen werden, etwaige Hedlereien in den Ministerien zu bereinigen. Möge man vorgehen wie in dem Fall Grabendorf alias Grabinski. Die stillschweigende Bereinigung — wenn sie erreichbar wäre und wenn diese Regierung in der Lage wäre, sie durchzuführen — würde auch für uns und im Interesse unseres werdenden Staatswesens für alle Zeiten wohl das Beste sein. Immerhin würde es mich interessieren, was inzwischen aus einem gewissen Herrn Ehrich geworden ist, den der Herr Minister für die Verbindung mit dem Bundesrat in seine nähere Umgebung gezogen hatte. Es handelt sich hier um einen Herrn, der mehr als 15 Jahre als Gauleiter oder Landesgruppenleiter in verschiedenen Ländern des europäischen Kontinents tätig gewesen ist.
Seine Beschäftigung in einem Ministerium der demokratischen Bundesrepublik ist in unseren Augen nicht zu verantworten.
Man hat gehört, er sei entlassen worden. Ist er, Herr Bundeskanzler, entlassen worden, oder ist es etwa wahr, daß er wieder in demselben Ministerium einen Platz gefunden hat, wobei der Herr Minister dieses im Gegensatz zu den klassischen Ministerien romantischen Ministeriums
der Meinung Ausdruck gegeben haben soll, daß es nicht Angelegenheit des Herrn Bundeskanzlers sei, sich um die Personalpolitik in den einzelnen Ministerien zu kümmern?
Nach meiner Ansicht ist das die Übertragung der Oberbürgermeisterei von Stade etwa auf die Gesichtspunkte der Politik dieser Bundesrepublik.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich, Herr Bundeskanzler, auch noch eine Frage an Sie richten, die sich auf Herrn Globke bezieht. Auf diesen Herrn hat man, glaube ich, schon einmal, wenn nicht zweimal, von dieser Stelle aus Bezug genommen. Es ist bekannt, daß er der Kommentator der Nürnberger Gesetze war.
Vielleicht war er auch der Referent zu der Gesetzgebung, die in den Nürnberger Gesetzen ihren Niederschlag gefunden hat? Es scheint, daß der Herr
Bundeskanzler Herrn Globke neuerdings eine Art
Oberaufsicht in den gesamten Personalfragen im
Bereich des Bundeskanzleramtes übertragen hat.
Wenigstens ist das so, wenn man den Berichten,
den vertraulichen Berichten der DPA folgen darf.
Das scheint mir allerdings eine einigermaßen befremdliche Entwicklung. Ich frage den Herrn Bundeskanzler heute, ob ihm bekannt ist, daß Herr Globke als Zeuge in den Nürnberger Prozessen ausgesagt hat, und ob es ihm bekannt ist, welche Aussagen er dort gemacht hat. Ich möchte den Herrn Bundeskanzler anschließend fragen, ob ihm nicht nur die Aussagen des Herrn Globke, sondern auch gewisse andere Vorgänge bekannt sind, die sich in diesem Zusammenhang abgespielt haben sollen.
Wir halten es sachlich für unbedingt erforderlich, daß bei dem Aufbau des Staatssekretariats für Besatzungsfragen und Auswärtige Angelegenheiten - oder ich sage besser: des Bundesamts für diese Auswärtigen Angelegenheiten — des zukünftigen Außenminsteriums, wie man wohl sagen darf, die Beschäftigten so ausgewählt werden, daß alle Schichten des Volkes zur Mitarbeit herangezogen und alle die Demokratie als Institution und als Gedankenwelt bejahenden Meinungen berücksichtigt werden. Ich bin nicht sicher, daß auch nur im Bereich des Bundeskanzleramtes dieser Selbstverständlichkeit Rechnung getragen wird. Sollte es ,nicht geschehen, so könnte das nur schlechte Folgen haben für die allmähliche Gesundung, die allmähliche Konsolidierung unseres öffentlichen Lebens und darüber hinaus für die Einrichtung eines möglichst leistungsfähigen Verwaltungskörpers. Denn es scheint klar, daß der Mangel an befähigten Kräften in diesem Land, daß die Niveausenkung in Können und Leistung in Deutschland so bedenklich ist, daß auf keine Kraft verzichtet werden- kann, die geeignet wäre, an diesen Aufgaben mitzuarbeiten.
Dieser Gesichtspunkt müßte auch bei der Besetzung der leitenden Stellen in wichtigen Auslandsbehörden berücksichtigt werden. Was mehr oder minder unverbürgt über die Versuche zu hören ist, Generalkonsuln auszuwählen, erfüllt alle, die es mit diesem Land wohlmeinen, mit Unbehagen und mit Zweifeln darüber, ob bei solcher Art des Vorgehens der politischen Wichtigkeit der Sache und auch der Wirkung im Ausland Rechnung getragen werde. Herr Ehrhard hat wohl versucht, einen faulen Witz zu machen, als er sich zum Generalkonsul in Liberia anmeldete. Weniger spaßhaft ist es aber, wenn wir es erleben, daß Vorschläge auf Besetzung der leitenden Stellen in den wichtigeren Auslandsvertretungen unter dem Gesichtspunkt des Faktionenstreits innerhalb der Regierungsparteien gemacht werden.
Das überschreitet nach unserem Geschmack das Maß des politisch Erträglichen. Es darf auf keinen Fall dahin kommen, daß die Auslandsvertretungen zum Abschiebebahnhof für mißliebige Abgeordnete der Regierungsparteien gemacht werden.
Bei der Einrichtung der größeren Konsulate hat sich der Herr Bundeskanzler dafür entschieden, diesen Behörden durch Auswahl von Politikern eine gewisse Bedeutung und politische Betonung zu geben. Es scheint uns politisch nicht ohne Bedenken, daß man den Anschein zu erwecken sucht oder es gar tatsächlich anstrebt, daß diesen Auslandsvertretungen, diesen Generalkonsulaten, gleichsam hintenherum der Charakter diplomatischer Vertretungen gegeben werden soll. Die Erfahrungen, die der Herr Bundeskanzler in der Zwischenzeit in der Frage gewonnen haben sollte, ob z. B. das amerikanische Generalkonsulat nach Washington oder nach New York zu senden sei, sollten ihn meiner Meinung nach veranlassen, sich die ganze Frage noch einmal im Prinzip zu überlegen.
Jedoch würde es uns interessieren zu hören, ob der Herr Bundeskanzler etwa so operiert hat, daß ihm zu guter Letzt von der anderen Seite eine offizielle — soll ich sagen: Weisung erteilt wurde, wie er sich zu verhalten hat. Und wenn das so ist, glaubt der Herr Bundeskanzler nicht mit uns, daß es besser sei, sich solchen Zurechtweisungen lieber nicht auszusetzen? Unserer Ansicht nach wird es klug sein, sich hier wie überhaupt allgemein im Rahmen des Besatzungsstatuts zu halten. Wir sollten nicht mehr scheinen wollen, als wir wirklich als Staatswesen sind.
Man sollte nicht mehr erstreben, als was uns außenpolitisch zuträglich sein kann. Das Geltungsbedürfnis von nouveaux riches, deren Hervorkommen die Wirtschaftspolitik dieser Regierung in Deutschland mehr und mehr fördert, läßt sich nicht mit Nutzen auf der politischen Ebene und insbesondere nicht auf der außenpolitischen Ebene nachahmen. Das gilt insbesondere auch für die Repräsentation seitens der Beamten. Wenn die Regierung mit ihren Forderungen für die Auslandsbehörden im nächsten Jahr in den Haushaltsausschuß geht, hoffen wir nichts von Ansätzen für Repräsentationsgelder und ähnliche Posten für die beamteten Konsuln und Generalkonsuln zu finden. Sie wie alle Beamte im Ausland werden das deutsche Volk würdig zu vertreten haben, d. h. sie
werden es in seiner Armut mit Würde zu vertreten haben.
Nicht nur als unentbehrliche Zentralstelle für die Konsulate, die ja andernfalls völlig in der Luft hängen würden, sondern auch aus anderen sehr triftigen Gründen ist es nach unserer Meinung nunmehr erforderlich, daß endlich und schnellstens eine rationell organisierte Zentralstelle für die Bearbeitung a 11 e r Angelegenheiten geschaffen wird, die Auswärtige Angelegenheiten sind und normalerweise von einem Außenministerium bearbeitet würden.
Dabei kann und muß nur auf das verzichtet werden, was das Besatzungsstatut ausdrücklich der Hohen Kommission vorbehält. Dieser Behörde &ne politische Abteilung anzuschließen. ist unbedingt erforderlich und mit keinem Buchstaben im Besatzungsstatut untersagt worden. Daß der Hohen Kommission die Wahrnehmung der Auswärtigen Angelegenheiten vorbehalten ist, meint ia nur, daß der Regierung solche selbständige Aktionen gegenüber anderen Staaten im Prinzip, nicht einmal im einzelnen. untersagt sind. die sich aus der Souveränität selbst herleiten. Keinesfalls kann und darf dieser Vorbehalt dahin verstanden werden, deß für diese Regierung und für das deutsche Volk außenpolitische Angelegenheiten tabu wären. Die Regierung muß sich und darf sich für die internationale Entwicklung interessieren, sich über sie informieren, sich über sie eine Meinung bilden und die so gewonnenen Erkenntnisse bei allen ihren politischen Schritten nach innen und gegenüber den Besatzungsmächten nach bestem Vermögen zur Geltung bringen. Man hat nicht gehört, daß Japan kein Außenministerium behalten habe. und es wäre widersinnig und nicht einmal im Interesse der Besatzungsmächte erwünscht. wenn der Zustand andauerte, der unter der Führung des Herrn Bundeskanzlers seit nunmehr einem halben Jahr besteht.
Es ist dringend, daß unter der obersten Leitung des Herrn Bundeskanzlers endlich eine solche außenpolitische Behörde eingerichtet werde. und es ist ebenso erforderlich. daß ihr ein Staatssekretär als dem Kabinett und dem Herrn Bundeskanzler verantwortlicher Behördenleiter vorgesetzt werde. Dieser Aufgabe und dieser in der sachlichen Notwendigkeit begründeten Pflicht hat der Herr Bundeskanzler sich aus völlig unverständlichen Gründen bisher entzogen. Nach Art einer Radiobastelei. möchte man sagen. werden hier und da kleine Büros errichtet. Auf diese Weise kann ein vernünftig funktionieren der Behördenapparat nicht aufgebaut werden. Mit solcher Apparatur ist eine Information nicht zu sichern. kann eine ruhige Abwägung dessen, was geschehen kann und muß, nicht angestellt werden. ist vernünftiger und verantwortlicher Rat nicht zu haben.
Es besteht im übrigen Grund, daran zu zweifeln, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, er fände Widerstände bei der Hohen Kommission, richtig ist; hat der Herr Bundeskanzler doch bereits vor mehreren Monaten und wiederholt nach einem Staatssekretär für diese Behörde Ausschau gehalten und mindestens einmal meinen politischen Freunden gegenüber seine Ernennung als bevorstehend angekündigt.
Ich habe schon erwähnt, daß die Regierung der Bundesrepublik sich in ihrer außenpolitischen Tätigkeit im Rahmen des Besatzungsstatuts zu halten selbstverständlich verpflichtet ist. Auch politische
Klugheit gebietet, daß sie wie jede andere Regierung sich nicht an Aufgaben heranwage und sich nicht in Dinge mische, denen weder unsere innere Struktur noch unsere realen Möglichkeiten der praktischen Mitarbeit sich gewachsen zeigen dürften. Das Rationale der deutschen Politik muß darin liegen, sich in Selbstdisziplin zu versagen, auch im Detail zu versagen, was ihr im Grundsatz verboten ist. Der Herr Bundeskanzler ist mehr als einmal der Gefahr nicht entgangen, die hier liegt. Wir vermissen eine gewisse Selbstdisziplin bei der Betreibung der Außenpolitik. In der auswärtigen Politik hat die Hohe Kommission treuhänderisch gewisse Aufgaben zu erfüllen, die ihr reserviert sind. Es wäre gefährlich, ja verhängnisvoll, seitens der Bundesregierung Aufgaben anzufassen, welche, wenn schon etwas getan werden soll, von der Hohen Kommission in die Hand zu nehmen wären, oder gar von anderer Seite sich etwa zu Aktionen verleiten zu lassen, die ihr, der Hohen Kommission, wahrzunehmen obliegen, wenn schon überhaupt etwas vom Boden dieser Bundesrepublik aus geschehen sollte.
Während es manchmal wenigstens so scheint, als überhöbe sich der Herr Bundeskanzler, wenn er in Interviews über ich weiß nicht welche Fragen zwischen Pazifik und Atlantik Äußerungen macht,
ist es andererseits klar, daß der Herr Bundeskanzler es dort zu handeln unterläßt, wo er Nützliches für sich und Wichtiges für dieses Staatswesen erreichen könnte.
Damit nicht genug. Das bisher von dem Herrn Bundeskanzler Geplante ist Stückwerk, und die von ihm bisher geplanten Büros können wegen ihrer Streuung nur unbefriedigende Arbeit leisten.
Es ist nicht nötig, auf diese einzelnen Bruchstücke jetzt einzugehen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen. daß der Haushaltsausschuß dieses Hauses über das inzwischen auf den Bund übergegangene Friedensbüro einen klaren Beschluß gefaßt hat. Es soll mit dem 1. April dieses Jahres, in welcher Form immer, eingestellt werden Die Weiterführung dieser Stelle. die früher nützliche Arbeit geleistet hat, als ein Forschungsinstitut. wie es offenbar neuerdings geplant wird, würde nichts anderes als eine Verschwendung öffentlicher Mittel bedeuten,,
weil besser ausgerüstete und geeignete wissenschaftliche Institute in Deutschland seit langem vorhanden sind. Anstatt ein Friedensbüro in ein Forschungsinstitut umzuwandeln, kommt es darauf an, offen eine Abteilung innerhalb dieses Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten einzurichten, die sich mit den politischen Fragen befaßt. Nur wenn eine solche Abteilung im Rahmen einer zentralen Behörde, nämlich dieses Bundesamts für Auswärtig Angelegenheiten, systematisch ;die politischen Fragen, die an es herantreten. bearbeiten kann, kann man Stetigkeit, Zweckmäßigkeit und vernünftige Beurteilung der internationalen Strömungen bei der Arbeit des Herrn Bundeskanzlers und der Regierung als Gesamtheit erreichen. Die internationale Politik eines Landes, zumal eines Landes in so schwieriger Lage wie der, in der sich Deutschland befindet, kann nicht betrieben werden, wie man mit einem Finger Klavier spielt, noch kann es geschehen mit Träumereien am französischen Kamin.
Deshalb ist es geboten, daß der Bundeskanzler sich und jeder nach ihm kommenden Regierung schnellstens ein geeignetes Instrument für die Bewältigung der Aufgaben an die Hand gibt, die sich täglich an ihn und an uns alle herandrängen. Es wird hier mit über das Sein und das Wohl des ganzen Volkes entschieden, und der erreichbare Beste dürfte kaum gut genug sein, um mit den Aufgaben, die es zu lösen gilt, fertigzuwerden.
Es wäre möglich, mehr als ein Beispiel dafür anzuführen, wie sehr die Führung dieser Angelegenheiten der auswärtigen Politik, denen wir nicht ausweichen können, unter der mangelhaften Technik dieser Führung und unter der mangelnden Apparatur gelitten hat. Die Ausflüge in die internationale Politik, die wir noch in den letzten Tagen wieder, aber auch schon vorher erlebt haben, deuten auf einen schweren Mangel in der Konstruktion des Behördenapparates, den der Herr Bundeskanzler bisher zu seiner Verfügung hat. Man fühlt sich bei diesen Vorgängen fatal an die Vorgänge und Zustände erinnert, die aufgedeckt wurden, als im Jahre 1908 der damalige Kaiser Wilhelm II. eine Reihe von Interviews an den „Daily Telegraph" gegeben hatte.
In der berühmten Debatte des Reichstags vom November 1908 traten die Führer fast aller Parteien geschlossen als Kritiker einer Art von Politik auf, wie wir sie heute wieder erleben. Meine Damen und Herren, wenn Sie, wie ich es getan habe, die Reden lesen, die aus Anlaß dieses Vorfalls im damaligen Reichstag gehalten wurden, so werden Sie fast in allen diesen Reden finden, daß die Führer der Parteien sich stießen an der irrationalen Unberechenbarkeit, der eruptiven Improvisation der Politik des persönlichen Regimes, und daß sie ebenfalls fast alle die Mängel geißelten, die sich in der Apparatur des Auswärtigen Amtes offenbart hatten. Freiherr von Hertling, der Führer der damaligen Zentrumsfraktion, wies in einer seiner Art angemessenen vorsichtigen Weise in einer Erklärung der gesamten Fraktion darauf hin, daß Kundgebungen dieser Art von solcher politischen Tragweite künftig unterbleiben müßten, weil sie das Ansehen des Landes aufs schwerste gefährdeten.
Die Presse, Herr Bundeskanzler, ist kein geeignetes Instrument für die Außenpolitik. Interviews sind kein Ersatz für einen sachgerecht und zweckmäßig organisierten Beamtenkörper, wie wir ihn wünschen. Es ist die Sache eines Ministers, in diesem Falle also des Herrn Bundeskanzlers, die Richtlinien der Politik festzulegen und zu bestimmen; die praktische Ausfüllung dieses Rahmens aber ist eine andere Sache. Das unglückliche Interview mit Mr. Kingsbury Smith wäre wohl anders ausgefallen, hätte der Herr Bundeskanzler sich mit mit internationalen Fragen kontinuierlich beschäftigten Beamten, mit einer solchen Behörde und einem in solchen Fragen erfahrenen Leiter vorher beraten können. Ein Mensch, will er auf etwas pfeifen, darf sich im Tone nicht vergreifen. Es ist nicht die beste Erklärung für den Inhalt dieses Interviews, daß es Noten an alle verteilt außer an den Interviewten selbst, daß ein zudem überarbeiteter Politiker, bar jeder sachgerechten Beratung, sich Aufgaben aufbürden zu müssen glaubte, die ordentlich durchzuführen infolge einer von eben diesem Politiker zu verantwortenden Fehlkonstruktion seiner eigenen Apparatur auch einem andern unmöglich gewesen wäre.
Meine Damen und Herren, im Staats- wie im Wirtschaftsleben ist das Delegieren von Macht und Funktion eine politische und eine menschliche Weisheit. Vernünftig verteilte Verantwortungen sind das Fundament der demokratischen Verwaltung, freiwillig geteilte Verantwortungen sind ihre Lebenskraft. Wir würden es wünschen, daß der Herr Bundeskanzler, was den Bereich der Auswärtigen Angelegenheiten angeht, entsprechend dieser Maxime verfahren würde.
Zu diesem Problem liegt ein Antrag des Zentrums in Drucksache Nr. 785 vor, der allerdings nach unserer Ansicht nicht weit genug geht, weil er nicht versucht, das Problem an der Wurzel zu fassen. Es käme aber darauf an, eine möglichst gründliche Bereinigung der augenblicklichen Situation herbeizuführen. Wir sind der Ansicht, daß es nunmehr an der Zeit wäre, wie wir das in unserem Antrag Drucksache Nr. 786 vorschlagen, an die Bildung eines Staatssekretariats oder ich sage besser: eines Bundesamtes für Auswärtige Angelegenheiten und Besatzungsfragen gemäß den Schlangenbader Beschlüssen heranzugehen und einen dem Herrn Bundeskanzler und dem gesamten Kabinett verantwortlichen Staatssekretär vorzustellen.
Ich bitte Sie daher, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, damit, gestützt auf einen solchen Beschluß und auf die Autorität des Hohen Hauses, der auswärtige Ausschuß endlich sich an die Beratung der Pläne des Herrn Bundeskanzlers hinsichtlich der Errichtung dieser Behörde begeben kann.