Meine Damen und Herren! Fragen der Organisierung der auswärtigen Politik müssen von uns Deutschen mit ganz besonderer Vorsicht behandelt werden, vor allem im gegenwärtigen Augenblick.
Ich hätte es deswegen außerordentlich begrüßt, wenn der Herr Abgeordnete Lütkens mich vorher darüber ins Bild gesetzt hätte, was er hier vorzutragen beabsichtigte.
Er war ja dazu in der Lage, weil er seine ganze Rede schriftlich vorbereitet hatte. Ich finde, das sollte doch allgemeiner Brauch sein, wenn Angriffe gegen einzelne Persönlichkeiten, die hier mit Namen genannt werden, vorgetragen werden, damit die betreffende Regierungsstelle auch in der Lage ist, das Material zur Stelle zu haben, um sofort darauf zu antworten.
Auf diese Weise, wie sie der Herr Abgeordnete
Lütkens eben hier zu zeigen beliebt hat, entsteht
in der Öffentlichkeit für die betreffenden Beamten
oder Angestellten ein höchst unangenehmer Zwischenzustand, den man doch vermeiden könnte.
Meine Damen und Herren! Das möchte ich vorausschicken. Ich füge hinzu, daß ich Herrn Lütkens sehr vorsichtig und zurückhaltend antworten werde. Ich glaube, das ist nötig im deutschen Interesse, das nun in diesem Falle vor parteipolitischem Interesse geht. Unsere Absicht war und ist, im gegebenen Augenblick im Bundeskanzleramt zwei Staatssekretariate einzurichten, eines für den inneren Teil und eines für den auswärtigen Teil. Wenn das bisher nicht geschehen ist, so können Sie davon überzeugt sein, daß sehr triftige Gründe dafür vorhanden sind. Ich möchte hier doch betonen, daß die Fragen der auswärtigen Politik über den Petersberg gehen,
und zwar nach dem Besatzungsstatut,
und daß man daher diese ganze Materie nun wirklich mit etwas vorsichtiger Hand behandeln muß, um nicht — Herr Lütkens sprach von einer Zurechtweisung — wirklich eine Zurechtweisung zu bekommen. Ich habe bisher noch keine bekommen, Herr Lütkens.
Was nun die Frage der konsularischen Vertreter angeht, so scheinen mir in den Ausführungen des Herrn Dr. Lütkens doch einige Widersprüche enthalten zu sein. Wenn Herr Dr. Lütkens ausführt, daß diese konsularischen Vertreter sich streng in dem Rahmen halten müßten, der ihnen durch die Entscheidungen der Alliierten gesetzt sei, so übersieht der Herr Dr. Lütkens folgendes. Jeder, der heutzutage als Beamter der Bundesrepublik Deutschland ins Ausland geht, wird dort nicht nur von der Auslandspresse, sondern auch von zahlreichen Persönlichkeiten des Auslands in politischen Dingen angesprochen werden. Ich halte es daher für richtig, daß wir uns zwar im wesentlichen — darin unterscheide ich mich von Herrn Dr. Lütkens, ich bin nicht so folgsam wie er gegenüber dem Besatzungsstatut
die Herren nach ihren Fähigkeiten aussuchen, als Generalkonsuln oder Konsuln tätig zu sein, daß wir aber gleichzeitig auch Persönlichkeiten hinausschicken, die nun, wenn sie im Auslande politisch befragt werden, nicht als Ignoranten dastehen, sondern entsprechende Auskunft geben können,
daß sie also in dem Sinne Aufgaben erfüllen, die sonst ein diplomatischer Vertreter erfüllt haben würde.
Meine Damen und Herren! Das kennzeichnet Ihnen die ganze Schwierigkeit unserer Situation. Es kommt noch ein weiteres hinzu, und damit gehe ich auf die Ausführungen von Herrn Dr. Lütkens ein. Ich bin bestrebt, nach Möglichkeit Herren hinauszuschicken, die nicht in irgendeiner Weise durch die Vorgänge der letzten Jahrzehnte belastet sind.
Sie werden verstehen, daß zur Vertretung deutscher Interessen, konsularischer und etwa angegliederter Interessen im Auslande eine gewisse Erfahrung außerordentlich wünschenswert ist. Wenn man nun nicht Herren bekommt, die diese Erfahrung in dem früheren Auswärtigen Amt erhalten haben, muß man jedenfalls unter den ersten Vertretern Persönlichkeiten ausfindig machen, die die Fähigkeiten haben, auch ohne vorherige Schulung solchen Aufgaben gerecht zu werden. Es wird Herrn Dr. Lütkens bekannt sein — denn er scheint ja über manche Vorgänge in den Bundesministerien besser unterrichtet zu sein als ich —,
daß wir Kurse zur Heranbildung konsularischer Vertreter eingerichtet haben, weil wir eben, verehrter Herr Lütkens, —
— Das wissen Sie nicht?
— Na, ich nehme an, daß das Hohe Haus-gelegentlich auch einmal Zeitungen liest,
wenigstens von meinem Platz aus sehe ich, daß bei gewissen Reden sehr viele Zeitungen gelesen werden.
Also, meine Damen und Herren! Ich nehme an, daß das auch im Haushaltsausschuß erörtert worden ist,
daß wir eine Schule eingerichtet haben oder — lassen Sie mich den Ausdruck Schule vermeiden — eine Organisation, um in Kursen von je 25 Bewerbern uns geeignete Vertreter heranzubilden. Es wird vielleicht auch Herrn Dr. Lütkens bekannt sein — wenn auch nicht aus diesem Hause, dann von außerhalb dieses Hauses —, daß bei der Auswahl
der Männer und der Frauen, die hier herangebildet werden sollen, alle Stände berücksichtigt werden sollen. Es wird vielleicht Herrn Dr. Lütkens auch bekannt sein, daß wir zum Beispiel Wert darauf legen, bei den großen Konsulaten, bei dell. Generalkonsulaten, auch — na, lassen Sie mich den Ausdruck einmal gebrauchen — Attachés zu verwenden, die gerade auf sozialem und auf dem Arbeitsgebiet bekannt sind und Erfahrungen haben.
Sie werden aus diesen wenigen Andeutungen, die ich Ihnen hier nur machen konnte, ersehen, daß es sich um eine ungewöhnlich schwere Aufgabe handelt, und ich glaube, daß die Kritik des Herrn Dr. Lütkens in vieler Hinsicht weit über das Ziel hinausschießt. Ich meine, man sollte — und insbesondere sollte das auch Herr Dr, Lütkens tun, der Sprecher in auswärtigen Angelegenheiten für die große Fraktion der SPD — vorher mit mir Fühlung nehmen. Ich bin gerne bereit, Herrn Dr. Lütkens jede Auskunft zu geben, die ich ihm geben kann. Soviel ich weiß, ist Herr Dr. Lütkens von seiner Fraktion damit beauftragt, sein besonders Augenmerk auf das Bundeskanzleramt zu lenken.
— Ja, soviel ich weiß, hat Herr Lütkens die Aufgabe, den Bundespräsidenten, das Bundeskanzleramt, und ich weiß nicht, was noch, zu betreuen.
— Ja, das habe ich gerade gestern gehört,
als ich vom Herrn Bundespräsidenten erfuhr, daß Herr Dr. Lütkens beim Herrn Bundespräsidenten gewesen ist und ihn um einige Auskünfte gebeten habe.
Da habe ich sehr bedauert, daß Herr Dr. Lütkens den Weg zu mir bisher noch nicht gefunden hat.
Wenn er den Weg zu mir gefunden hätte, würde er sehr viel mehr Auskunft bekommen haben, als ich hier, in der Öffentlichkeit, ihm zu geben in der Lage bin.
Aber sehen Sie, meine verehrten Damen und Herren, wir sollen keine Außenpolitik treiben, weil das ein Reservatrecht der Hohen Kommissare ist. Wir können aber ohne Außenpolitik nicht leben. Wir haben dann weiter keinen Apparat von früher mehr. Diejenigen Herren, die in dem früheren Apparat gewesen sind, können wir nur mit großer Vorsicht und Auswahl heranziehen, um uns ihre Erfahrungen nutzbar zu machen,
weil das, was wir dort schaffen wollen, sich deutlich von dem abheben soll, was früher gewesen ist.
Das, meine Damen und Herren, ist unsere ungemein schwierige Lage, und ich wäre außerordentlich dankbar, wenn man uns dabei helfen würde, auch bei den Erörterungen hier im Plenum des Bundestags. Es war eigentlich so: die Ausführungen — ich kann nicht sagen d e r Tenor, denn es waren mehrere Tonarten in der Rede des Herrn Dr. Lütkens — liefen darauf hinaus, daß wir auf der einen Seite zwar als Leute erscheinen, die gar nichts tun, auf der anderen Seite aber — und das hat er mir mehrfach freundlicherweise eingeschärft — als Leute, die über die Grenzen, die
ihnen durch das Besatzungsstatut gesetzt sind, hinausgehen.
Ich werde ja die Rede des Herrn Dr. Lütkens im Stenogramm noch zu lesen bekommen, und vielleicht werde ich auf Grund dieser Rede Herrn Dr. Lütkens, sobald wir hier mal ein bißchen Ferien haben, bitten, mich mal im Kanzlerhause zu besuchen. Da werde ich mich mit ihm über viele Fragen, die er heute hier angeschnitten hat und über die ich mich hier leider nicht unterhalten kann, in den vier Wänden meines Zimmers unterhalten können.
Auf zwei spezielle Fragen nur möchte ich aber eingehen. Er hat zwei Namen genannt, einmal den Namen Ehrich und dann den Namen Globke. Der Name Globke ist ja nicht zum ersten Male in diesem Saale hier genannt worden. Es ist über den Herrn Globke sehr ausführlich schon gesprochen worden. Ich kann mich deswegen sehr kurz fassen und kann Ihnen nur sagen, .verehrter Herr Lütkens, daß die Angelegenheit des Herrn Globke von den Besatzungsbehörden auf das minutiöseste durchprüft worden ist. Ich bin der Auffassung, daß ein Deutscher nicht noch minutiöser als die Besatzungsbehörden sein soll.
Meine Damen und Herren, dann zu dem Fall Ehrich. Da hat Herr Lütkens zu 90 % richtig gehört. Ich habe gehört, daß Herr Ehrich von Herrn Minister Hellwege eingestellt worden ist. Es wurde mir gleichzeitig mitgeteilt, daß Herr Ehrich — ich glaube, ich bin in den Dingen nicht so erfahren, wie heißt das, was war er in Italien? —
— Landesgruppenleiter in Italien gewesen ist. Das schien mir allerdings eine Vorbildung zu sein, die ihn nicht besonders dafür geeignet erscheinen läßt, in einem Bundesministerium tätig zu sein.
Ich habe das dem Herrn Kollegen Hellwege gesagt. Herr Kollege Hellwege hat mich darauf aufmerksam gemacht, daß Herr Ehrich in Gruppe V eingestuft sei.
— Ich bin ja noch nicht fertig, meine Damen und Herren ! — Herr Kollege Hellwege hat mich also darauf aufmerksam gemacht, daß man sich nach seiner Auffassung damit ruhig zufrieden geben könne. Es scheint mir bei der Einstufung in die verschiedenen Stufen sehr viel grober Unfug vorgekommen zu sein.
Eine Einstufung in die Gruppe V, wenn jemand vorher Landesgruppenleiter gewesen ist, scheint mir etwas sonderbar zu sein.
Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich einen früheren Landesgruppenleiter für nicht geeignet halte, in einem Bundesministerium tätig zu sein.
Ich habe das dem Kollegen Hellwege gesagt. In der Zwischenzeit ist noch neues Material gegen Herrn Ehrich aus seiner früheren Tätigkeit her an mich herangekommen, das meine Auffassung, daß Herr Ehrich in einem Bundesministerium
nicht wünschenswert ist, noch bestätigt. Ich werde mich mit Herrn Kollege Hellwege an Hand dieses Materials noch weiter unterhalten. Ich zweifle nicht, daß dieser Fall eine Erledigung in dem Sinne finden wird, wie ihn das öffentliche Interesse Deutschlands verlangt.
Nun, meine Damen und Herren, möchte ich noch folgendes sagen. Wir finden augenblicklich in gewissen Nachbarländern, die ich nicht nennen will, ziemlichen Widerstand, weil man glaubt, wir betrieben zuviel Außenpolitik. Einstweilen, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wir nur das Recht, eine Koordinierungsstelle für konsularische Vertretungen auf diesem Gebiete einzurichten. Ich begrüße es, daß diese ganzen Fragen einmal in einem Ausschuß besprochen werden. Das eine versichere ich Ihnen: sobald die Zeit reif geworden ist — dazu gehört nicht nur unser Wille, dazu gehört auch die Entscheidung, die eine andere Seite zu fällen hat —, wird die Zusammenfassung erfolgen und wird ein Staatssekretariat eingerichtet werden, und hoffentlich werden wir auch bald zu einem Außenminister kommen. Aber zur Zeit ist das eben nicht möglich. Wir müssen deswegen versuchen, so gut und so schlecht wir können — na, sagen wir mal: etwas zu tun, was ungefähr Außenpolitik ist.
Dazu, verehrter Herr Dr. Lütkens, gehören auch Interviews. Sehen Sie mal, der Herr Kingsbury Smith ist ein sehr bekannter amerikanischer Journalist, dessen Artikel in 2000 amerikanischen Zeitungen abgedruckt werden. Ich glaube, meine Damen und Herren, man würde sehr unklug sein. wenn man die Möglichkeit, den breitesten Kreisen des amerikanischen Volkes gewisse Aufklärungen zu geben, nicht wahrnehmen würde.
— Ich weiß nicht, wer den Zwischenruf wegen der „Aufklärung des deutschen Volkes" gemacht hat.
— Das tun Sie ja schon redlich!
— Ich hoffe, daß ich mich in absehbarer Zeit auch in diesem Hause über diese ganzen Fragen einmal mit Ihnen weniger gehemmt unterhalten kann, als ich augenblicklich bin. Bisher, Herr Lütkens, habe ich den Eindruck, als ob diese Interviews zwar manchen Stellen im Ausland außerordentlich unbequem gewesen und auf die Nerven gegangen sind; ich habe aber auch von maßgebenden Stellen des Auslands unter der Hand eine Antwort bekommen, mit der ich hoch zufrieden sein kann.
Vor allem, meine Damen und Herren, wird niemand bestreiten können, daß durch diese Interviews die Weltöffentlichkeit auf die Fragen, die
für uns Deutsche entscheidend sind, in einer Weise
hingelenkt worden ist, wie es nötig gewesen ist.
Also, Herr Dr. Lütkens, sobald Sie hier und auch ich etwas Zeit haben, bitte ich Sie, ins Kanzleramt zu- kommen. Wir setzen uns dann in Ruhe zusammen, ich nehme Ihre Rede zur Hand, und ich werde Ihnen dann über sehr vieles, was Sie gesagt haben, Auskunft geben können.