Rede von
Dr.
Bernhard
Reismann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Hohen Hause liegt der Zentrumsantrag Drucksache Nr. 785 vor, wonach ein Staatssekretariat für Besatzungs- und auswärtige Angelegenheiten mit den dort näher angegebenen Stellen in den Etat eingebaut werden soll. Der Herr Bundeskanzler hat geglaubt, eine solche Position in seinem Etat entbehren zu können. Uns ist das nicht ganz verständlich; denn selbst wenn man davon ausgehen sollte, daß die Stelle eines Staatssekretärs im Augenblick entweder nicht opportun oder noch nicht zulässig wäre, so muß man doch sagen, daß jetzt, wegen der Zwölftelung der Mittel für 1950, die Einrichtung dieser Etatposition absolut erforderlich sein müßte. Im übrigen bezweifeln wir aber auch die Inopportunität einer solchen Einrichtung, denn schließlich kann es den Alliierten vollkommen gleichgültig sein, wer diese Behörde leitet, die die Verbindung zu den alliierten Stellen herstellt.
Wenn man die Behandlung insbesondere der allgemeinen auswärtigen Angelegenheiten in der Vergangenheit betrachtet, so muß man feststellen, daß sie etwas zu kurz gekommen sind. Nicht nur die eben von Herrn Dr. Lütkens schon erwähnte lückenhafte, schleppende oder gar nicht erfolgte Informierung des Ausschusses über Angelegenheiten dieser Art gibt Veranlassung, zu fordern, daß eine besondere Spitze dieses Büros eingesetzt wird, sondern auch die Art und Weise der Behandlung der einzelnen Fragen, die in dieses Ressort gefallen sind. Es fehlt auch die notwendige Koordinierung. Wenn man zum Beispiel sieht, daß sich andere Ministerien als das Bundeskanzleramt um diese Fragen in einem andern Sinne als der Bundeskanzler selbst bemüht haben, so ergibt sich daraus zwingend der Schluß, daß der Bundeskanzler und die ihm bisher zur Seite stehenden Beamten nicht die Zeit gefunden oder nicht die Routine mitgebracht haben, sich um diese Angelegenheiten so zu kümmern, wie das notwendig ist. Es ist also nach unserer Ansicht dringend erforderlich, daß diese Position nunmehr in den Etat eingerückt wird.
Es sei mir bei dieser Gelegenheit auch gestattet, die Frage der Zweckmäßigkeit des Behördenaufbaus bei dieser Sparte des Bundeskanzleramtes einmal aufzuwerfen. Es sind zur Zeit um die Organisation unserer Auslandsvertretungen verschiedene Abteilungen der gleichen Verwaltung bemüht. Ob und inwieweit eine Koordination stattgefunden hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Das einzige, was an Koordination bisher festgestellt werden konnte — dem Ausschuß wurde ein Bericht darüber ja auch noch nicht gegeben —, war, daß sämtliche Behördenleiter, die in diesen Stellen eine Rolle spielen, einer ganz bestimmten gesellschaftlichen Schicht und studentischen Herkunft entsprachen bzw. entstammten, und das scheint bisher fast die einzige Anforderung und Voraussetzung für die leitenden Stellen der Personalverwaltung dieser
Abteilung gewesen zu sein. Ich würde begierig sein, über eine andere Qualifikation demnächst etwas zu erfahren. Also auch die Personalpolitik unter der einheitlichen Leitung eines Staatssekretärs könnte ich mir erheblich befriedigender vorstellen, als sie sich zur Zeit unter dem überbeschäftigten Herrn Bundeskanzler persönlich anläßt.
Dann hat der Herr Bundeskanzler die Schule, oder wie er sich später ausdrückte: die Vorbereitungskurse, die in Speyer stattfinden, erwähnt. Ich könnte mir denken, daß allein das Milieu, die Umwelt und die Möglichkeiten, die eine Stadt wie Hamburg bietet, besser geeignet wären als gerade Speyer. Ich könnte mir vorstellen, daß eine andere -Stadt — nennen wir Stuttgart oder welche auch sonst-immer — dafür geeignet wäre,
und so erhebt sich die Frage: warum gerade Speyer? Sollte der Umstand dafür Veranlassung gegeben haben, daß zufällig der Leiter dieser Kurse in oder bei Speyer seinen Wohnsitz hat? Eine so auf die Person zugeschnittene Einrichtung scheint doch immerhin etwas merkwürdig.
Dann will ich meine und meiner Fraktion Verwunderung über die Erklärung nicht verhehlen, die die beiden in diesem Punkt maßgeblichen Minister, der Bundeskanzler sowohl wie der Bundesratsminister, zu dem Fall Dr. Ehrich gegeben haben. Wenn diese beiden Herren in ihren Grundgedanken so wenig aufeinander abgestimmt sind, wie sich das bisher ergeben hat, dann ist das nur ein Grund mehr — und darauf zurückzukommen behalten wir uns vor —, die Existenzberechtigung dieses Bundesratsministeriums zu bezweifeln.