Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat dem Herrn Bundesminister Hellwege so gut zugeredet, wie man sonst nur einem lahmen Gaul zuzureden pflegt.
Hoffentlich tut es seine Wirkung.
Ich möchte dem Kollegen von Merkatz antworten. Herr von Merkatz, es hat sich hier nicht darum gehandelt, daß der Herr Bundesminister Hellwege für die Ehre eines seiner Beamten einzustehen hatte, es hat sich darum gehandelt, daß er für die von ihm getroffene Entscheidung einzustehen hatte, auf Grund deren ein Landesgruppenleiter der NSDAP in seinem Ministerium angestellt worden ist.
Es hat hier niemand Herrn Dr. Ehrich in seinem persönlichen Wert angegriffen, sondern man hat es nicht richtig gefunden, daß ein Minister einen Mann mit der Vergangenheit dieses Herrn mehr oder weniger unbesehen auf eine Spruchkammerentscheidung hin als Beamten oder als in Beamtenfunktion tätigen Angestellten eingestellt hat. Darum hat es sich gehandelt, und darauf zielt die beantragte Zensur. Es handelt sich auch gar nicht darum, in Dr. Ehrich den Nationalsozialisten von einst zu treffen. Es ist durchaus möglich, daß auch bei ihm eine innere Wandlung vor sich gegangen ist. Ich will das gar nicht bestreiten. Ich kenne Fälle, bei denen so etwas gesagt werden kann und gesagt werden muß. Aber es ist doch so: eine bestimmte Vergangenheit schafft gewisse Vermutungen für die Beurteilung eines Mannes, und ich habe den Eindruck, als ob es sich bei Dr. Ehrich um einen Karrieristen von einst handelt, der auch heute wieder Karriere machen möchte.
Mir ist an dem Herrn nicht so sehr verdächtig, daß er diesen oder jenen Dienstgrad hatte, sondern daß er so hurtig zur Verfügung steht, wo es wieder einmal gilt, Stellen zu vergeben.
Das macht mir den Mann verdächtig und das macht ihn mir — bis zum Beweis des Gegenteils - reichlich unsympathisch. Er sollte ein bißchen mehr Schamgefühl aufgebracht haben.
Ja, Herr Kunze, darum handelt es sich.
— Ein Mann, der Landesgruppenleiter war, sollte fünf Jahre nach dem entsetzlichen Unglück, das die Leute, für die er stand, über uns gebracht haben, nicht schon wieder da stehen wie der Swinegel im Märchen: „Da bin ich!" Er sollte warten und sollte schweigen. Ich kenne Leute, die warten und die schweigen, weil sie wissen, daß sie für etwas zu bezahlen haben, was ihnen einmal widerfahren ist. Und wenn man dem Dr. Ehrich vorwerfen kann, daß er nicht genügend Schamgefühl hatte, dann kann man dem Herrn Bundesminister Hellwege vorwerfen, daß er zum mindesten nicht sehr viel Fingerspitzengefühl gehabt hat.