Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Beratung des Einzelplans IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts - fort.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Niebergall.
Niebergall: : Meine Damen und Herren Herr Dr. Lütkens hat die Methoden der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers in einigen sehr wichtigen Punkten kritisiert. Mit seiner Kritik könnte man sich einverstanden erklären, und doch muß man sagen, daß sie im Grunde daneben trifft. Herr Dr. Lütkens hat die Methoden der Außenpolitik des Herrn Bundeskanzlers kritisiert, aber nicht den Inhalt dieser Außenpolitik. Herr Dr. Adenauer hat selbst auf eine so bescheidene Kritik in einer Art und Weise geantwortet, die man als unerträglich bezeichnen muß. Auf eine vor aller Öffentlichkeit hier im Parlament vorgetragene Kritik geht der Herr Bundeskanzler sachlich so gut wie gar nicht ein, sondern er verweist den Kritiker darauf, daß er die Möglichkeit habe in seinem „Cabinet" empfangen zu werden und sich dort zwischen vier Wänden zu unterhalten.
Der Herr Bundeskanzler kann anscheinend auf das von ihm stets angewandte Verfahren in der politischen Praxis nicht verzichten. Er kann nur in den Vorstellungen einer Geheimdiplomatie denken, sprechen und organisieren. Der Herr Bundeskanzler verweigert vor diesem Hause die von ihm verlangte Auskunft. Er gibt statt dessen offen zu erkennen, daß er höchst persönlich. die Unterrichtung des deutschen Volkes über seine Politik für überflüssig und schädlich hält. In jedem anderen Lande wäre ein Ministerpräsident, der sich ein solches Verfahren erlaubt, keine vierundzwanzig Stunden mehr an der Macht.
— Lachen Sie nur: wer zuletzt lacht, lacht am besten.
— Das sind wir und nicht Sie!
Er gibt statt dessen offen zu erkennen, daß sein ganzes Verfahren auf einer Art und Weise beruht, die man nur als Provokation gegenüber dem Volk und Parlament bezeichnen kann. Es ist bezeichnend, daß in diesem Hause die sogenannten Herrenreiter-Methoden fortgesetzt werden.
Der Herr Bundeskanzler hat auch heute erneut wieder seine Interviews mit dem Auslande verteidigt. Ich frage Sie: Wem dienen diese Interviews? — Es ist doch so, daß die Tips dazu vom Ausland gegeben werden.
Diese Leute sind interessiert daran, daß das Volk in Westdeutschland vor ihren monopolistischen Kriegsplan gespannt wird.
Die Tatsache, daß der Herr Bundeskanzler ausgerechnet zu jenem Mann in England, Winston Churchill, beste Beziehungen hält, der Tag und Nacht zum Kriege hetzt, ist bezeichnend und sagt alles.
Aber nicht nur das, der Herr Bundeskanzler selbst hat in seinem letzten Interview die Sozialistische Sowjet-Union in einer Art und Weise angegriffen,
daß das unter normalen politischen Umständen die schwersten politischen Folgen für das deutsche Volk gehabt hätte. Ich frage Sie, Herr Bundeskanzler,
— das ist ja gewöhnlich so —, glauben Sie mit einer solchen Methode — —
— was ich spreche, bestimme ich und nicht Sie! —
— mit einer solchen Methode den nationalen Interessen unseres Volkes zu dienen? Ich glaube der Herr Bundeskanzler täte besser daran, das deutsche Volk aufzuklären über bestimmte Remilitarisierungspläne,
über den Atlantikpakt und die Marshallplanmaßnahmen. Das wäre besser, als das Ausland aufzuklären.
— Das hat ja einen Bart!
Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein Wort zur deutsch-französischen Union des Herrn Bundeskanzlers.
Wenn jemand in Deutschland das Recht hat, von der deutsch-französischen Verständigung zu sprechen, so sind es die deutschen Widerstandskämpfer, diejenigen, die seit 1918 konsequent gegen die deutschen und französischen Imperialisten angekämpft haben. Ich frage mich, wie viele von diesen Herren auf diesen Bänken sitzen. Wir jedenfalls haben uns seit 1918 konsequent für eine deutsch-französische Verständigung eingesetzt. In unseren Reihen wurde keine Kriegshetze geduldet. Wir haben keine Forderungen an das französische Volk erhoben. Im Gegenteil, wir sind immer für beste politische, wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen zum französischen Volk_ eingetreten; das tun wir auch heute noch.
Weder dem deutschen noch dem französischen Volk ist mit dem Vorschlag von Dr. Adenauer, der von außen diktiert wurde, mit der deutschfranzösischen Union, gedient, sondern lediglich den Monopolisten an der Ruhr und an der Seine, Herrn Pferdmenges in Deutschland und Herrn de Wendel in Frankreich.
Nun noch einige Bemerkungen ,zu den Abänderungsvorschlägen meiner Fraktion.
— Das weiß ich; ihr lehnt alles ab, am Ende lehnt ihr euch selber ab.
Der Herr Bundeskanzler fordert im Haushalt des Bundeskanzlers und Bundeskanzleramtes unter Kap. 1 Tit. 4 für einen Bevollmächtigten der Bundesrepublik in Berlin -sage und schreibe 165 700 DM. Die Kommunistische Fraktion ist der Meinung, die Bevölkerung von Berlin wird selbst regeln, was in Berlin zu regeln ist, und die Bevölkerung in Westdeutschland wird alles tun, da-mit auch in Berlin alles geregelt wird. Die Einsetzung eines Bevollmächtigten für Berlin ist kein Beitrag zu einer Einigung von Berlin und ganz Deutschland. Im Gegenteil, seine Tätigkeit wird wesentlich dazu beitragen, die Spaltung zu vertiefen. Das Volk in Westdeutschland hat keinerlei Interesse, mit dem Gehalt für einen solchen Bevollmächtigten irgendeine Parteisuppe zu bezahlen.
— Aber Sie haben ein Recht dazu?
Eine geeinte deutsche demokratische Republik ist notwendig, und kein Bevollmächtigter. Deshalb beantragen wir Streichung des Kap. 1 Tit. 4. Wir sind der Auffassung, daß die freiwerdenden Gelder den Kriegsversehrten, Witwen und Waisen zur Verfügung gestellt werden sollten.
Der Herr Bundeskanzler fordert in Kap. 2 eine Summe von 1 226 660 DM für eine Verbindungsstelle zu den Hohen Kommissaren. Die Kommunistische Fraktion ist der Auffassung, daß, wenn der Petersberg schon Befehlsausgabestelle ist und Befehle erteilt, eine Verbindungsstelle nicht notwendig ist. Im Zeitalter der Atombombe und des hohen Standes der Militärtechnik genügt, um Befehle zu erteilen, ein Telefonanruf oder ein Kurier. Wir sind der Meinung, nicht durch Verbindungsstellen werden diese Fragen gelöst, sondern nur dadurch, daß die Besatzungsmächte abziehen, daß ein gerechter Friedensvertrag geschaffen und
die Einheit unseres Vaterlandes hergestellt wird. Die kommunistische Fraktion beantragt deshalb die Streichung dieser Ausgaben und Überweisung dieses Betrages an die Arbeitslosen.
Der Herr Bundeskanzler fordert in Kap. 3 897 900 DM für das Presse- und Informationsamt. Die Kommunistische Fraktion ist der Auffassung, daß es sich bei dem Pressebüro um eine Dementiermaschine handelt, das heißt, ich will kein anderes Wort für dieses Pressebüro gebrauchen. Wir denken gar nicht daran, den Koalitionsparteien ein Pressebüro zu finanzieren. Wir beantragen deshalb die Streichung dieser Summe und die Überweisung dieser Gelder an die Siedler und Ausgebombten
Der Bundeskanzler fordert im Kap. E 12 Tit. 7 einen Zuschuß für ein deutsches Friedensbüro. Die Kommunistische Fraktion unterstützt jede Bewegung, die wirklich dem Frieden dient, aber für ein Büro, das der Hetze dient — und dem ist so —, für ein Büro, das die Kriegspläne der Westmächte fördert, können wir keinen Pfennig bewilligen. Wir fordern deshalb die Streichung dieser Gelder und die Überweisung dieser Gelder
an, die Kriegsversehrten. — Wir bringen unser Geld selber auf, nicht bei der Schwerindustrie, wie Sie.