Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat bereits erklärt, daß der Fall Ehrich einer Prüfung unterzogen werden wird.
Bisher liegt jedoch meinem Hause kein persönlich belastendes Material gegen Herrn Dr. Ehrich vor.
Meine Damen und Herren! Anläßlich der Debatte zur Frage der Entnazifizierung, die wir am 23. Februar hier in diesem Hause geführt haben, sind auch gerade seitens der Sozialdemokratie ausgezpichnete Worte des Herrn Erler gefallen, indem er in seinen Ausführungen für eine Amnestie für die Jugend bis zum Jahrgang 1913 eintrat.
— Vielleicht sind Sie so freundlich und lassen mich einmal ausreden, was ich sagen will.
Herr Dr. Ehrich gehört dem Jahrgang 08 an.
— 08, Herr Dr. Greve! Da hat also Herr Dr. Ehrich vielleicht 1932 zum erstenmal die Gelegenheit gehabt, zu wählen.
Alle Unterlagen, die ich bisher vorliegen habe, bezeugen übereinstimmend, daß Herr Dr. Ehrich damals als junger Mensch unbeschadet seiner politischen Grundeinstellung eine menschliche Haltung gezeigt hat — und davon, meine Damen und Herren, bin ich ausgegangen —, die ihn als einen Mann von Charakter erscheinen lassen.
Herr Dr. Ehrich ist außerdem nicht als Beamter,
sondern als Angestellter in meinem Hause tätig,
meine Herren von der Sozialdemokratie. Herr Dr. Lütkens, ich stehe nicht in dem Verdacht, Romantiker zu sein, sondern ich glaube, von mir sagen zu können, daß ich mit beiden Füßen auf der Erde stehe, — —
— Darf ich Ihnen sagen: ich habe nicht die Ehre gehabt, auf der Oberbürgermeisterei in Stade zu sitzen; vielleicht wenden Sie Ihren Blick einmal nach Stade und, meine Herren von der Sozialdemokratie, vielleicht wenden Sie auch einmal den Blick in Ihre Ministerien, die Sie in den einzelnen Ländern wahrnehmen! Ich stehe hier nicht als Ankläger, aber ich habe 12 Jahre lang als Mensch zweiter Klasse gelitten, und ich will nicht, daß es wieder in Deutschland Menschen zweiter, dritter, fünfter Klasse gibt.
Ich bin durchaus bereit, in eine Klärung der Frage einzutreten, dann mag man aber auch, wenn belastendes Material vorliegt, Herr Dr. Greve, dieses belastende Material meinem Ministerium und dem Herrn Bundeskanzler bekanntgeben.
Man sollte nicht immer, wie es so oft geschieht, das Wort „christlich" im Munde führen, aber ich glaube, in diesem Moment darf ich als christlicher Politiker einmal sagen: Der Herr Jesus Christus hat einmal gesagt: „Wenn Du zum Gotteshause gehst und Du wirst alsdann dessen eingedenk, daß Dein Bruder etwas wider Dich hat, dann kehre um, versöhne Dich mit Deinem Bruder und dann gehe in das Gotteshaus."
Hier sagt uns Jesus Christus ganz deutlich, daß nicht erst Mord dort geschieht, wo einer getötet wird, sondern schon dort, wo man ihm die Gemeinschaft verweigert; und das geschieht, indem man hier Vorwürfe anbringt, die man bisher meinem Ministerium nicht vorgelegt hat.
Sehen Sie, meine Herren von der Sozialdemokratie, in Ihren eigenen Ministerien nach und dann befassen Sie sich mit uns!