Protokoll:
17013

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 17

  • date_rangeSitzungsnummer: 13

  • date_rangeDatum: 18. Dezember 2009

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 13:14 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 17/13 § 96 der Geschäftsordnung (Drucksache 17/277) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Bijan Djir-Sarai (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Peter Beyer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . Sevim Dağdelen (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Brand (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Fritz Rudolf Körper (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Florian Hahn (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . Dirk Becker (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Judith Skudelny (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jens Koeppen (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 20: Antrag der Fraktion der SPD: Deutschland 1081 C 1081 D 1083 B 1084 B 1085 C 1086 D 1087 D 1089 A 1089 D 1090 C 1099 B 1100 B 1101 C 1101 D 1102 A 1102 D 1104 A 1105 A Deutscher B Stenografisch 13. Sitz Berlin, Freitag, den 18 I n h a l Tagesordnungspunkt 18: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteili- gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation „ALTHEA“ zur weiteren Stabilisierung des Friedens- prozesses in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinba- rung sowie an dem NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grund- lage der Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen 1575 (2004) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1895 (2009) vom 18. November 2009 (Drucksachen 17/180, 17/275) . . . . . . . . . . . . – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß T E O H F b d z ( O D U M 1081 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1092 D undestag er Bericht ung . Dezember 2009 t : agesordnungspunkt 19: rste Beratung des von den Abgeordneten liver Krischer, Hans-Josef Fell, Bettina erlitzius, weiterer Abgeordneter und der raktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- rachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Än- erung des Bundes-Immissionsschutzgeset- es Drucksache 17/156) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . liver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Michael Paul (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . te Vogt (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ichael Kauch (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1091 A 1091 A 1095 A 1097 A 1097 C 1098 A muss deutliche Zeichen für eine Welt frei von Atomwaffen setzen (Drucksache 17/242) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1106 B II Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 Uta Zapf (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) . . . . . . . . Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE) . . . . . . . . . Elke Hoff (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 21: a) Antrag der Abgeordneten Cornelia Möhring, Klaus Ernst, Agnes Alpers, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE: Bundeseinheitliche Finanzie- rung von Frauenhäusern sicherstellen (Drucksache 17/243) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antrag der Abgeordneten Monika Lazar, Ekin Deligöz, Josef Philip Winkler, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Grund- Monika Lazar (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU/CSU) Zusatztagesordnungspunkt 10: Antrag der Abgeordneten Martin Gerster, Nicolette Kressl, Ingrid Arndt-Brauer, weite- rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonn- tags-, Feiertags- und Nachtarbeit erhalten (Drucksache 17/244) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Gerster (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Olav Gutting (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Nicolette Kressl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Poß (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Barbara Höll (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . Dr. Daniel Volk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1106 C 1107 D 1109 A 1110 A 1111 C 1112 B 1113 D 1118 D 1119 C 1121 A 1121 A 1122 A 1122 C 1123 C 1124 B 1125 A 1126 C rechte schützen – Frauenhäuser sichern (Drucksache 17/259) . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . Dorothee Bär (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . Marlene Rupprecht (Tuchenbach) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sibylle Laurischk (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . . . N A L A A 1113 D 1114 A 1115 A 1116 B 1117 D ächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . nlage 1 iste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . nlage 2 mtliche Mitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1127 D 1129 A 1129 D Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1081 (A) ) (B) ) 13. Sitz Berlin, Freitag, den 18 Beginn: 9.0
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1129 (A) (C) (B) ) Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 zieht. Liste der entschuldigt A t K s E m f E g Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Bas, Bärbel SPD 18.12.2009 Beckmeyer, Uwe SPD 18.12.2009 Bülow, Marco SPD 18.12.2009 Bulling-Schröter, Eva DIE LINKE 18.12.2009 Burchardt, Ulla SPD 18.12.2009 Burkert, Martin SPD 18.12.2009 Dr. Gerhardt, Wolfgang FDP 18.12.2009 Glos, Michael CDU/CSU 18.12.2009 Granold, Ute CDU/CSU 18.12.2009 Groscheck, Michael SPD 18.12.2009 Herrmann, Jürgen CDU/CSU 18.12.2009 Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.12.2009 Kelber, Ulrich SPD 18.12.2009 Koch, Harald DIE LINKE 18.12.2009 Lafontaine, Oskar DIE LINKE 18.12.2009 Lay, Caren DIE LINKE 18.12.2009 Liebich, Stefan DIE LINKE 18.12.2009 Dr. Merkel, Angela CDU/CSU 18.12.2009 Meßmer, Ullrich SPD 18.12.2009 Dr. Miersch, Matthias SPD 18.12.2009 Möhring, Cornelia DIE LINKE 18.12.2009 Nahles, Andrea SPD 18.12.2009 Nestle, Ingrid BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.12.2009 N O D P D R S S T D W W W A (D en Abgeordneten nlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Fraktionen der CDU/CSU und FDP haben mitge- eilt, dass sie den Antrag Für ein wirksames globales limaschutzabkommen in Kopenhagen auf Druck- ache 17/71 zurückziehen. Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass sie den ntwurf eines Gesetzes zur Regelung der gemeinsa- en Aufgabenwahrnehmung in der Grundsicherung ür Arbeitsuchende auf Drucksache 17/113 und den ntwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Grund- esetzes (Artikel 86 a) auf Drucksache 17/114 zurück- ink, Manfred SPD 18.12.2009 rtel, Holger SPD 18.12.2009 r. Ott, Hermann BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 18.12.2009 ronold, Florian SPD 18.12.2009 r. Röttgen, Norbert CDU/CSU 18.12.2009 oth (Heringen), Michael SPD 18.12.2009 chlecht, Michael DIE LINKE 18.12.2009 chmidt (Eisleben), Silvia SPD 18.12.2009 hönnes, Franz SPD 18.12.2009 r. Troost, Axel DIE LINKE 18.12.2009 icklein, Andrea SPD 18.12.2009 olff (Wolmirstedt), Waltraud SPD 18.12.2009 underlich, Jörn DIE LINKE 18.12.2009 bgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich 13. Sitzung Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 Inhalt: Redetext Anlagen zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Anlage 2
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701300000

Die Sitzung ist eröffnet.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie zur voraussichtlich letzten Plenarsitzung des
Deutschen Bundestages in diesem Jahr.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


– Bei dem Beifall ist mir jetzt nicht völlig klar, ob sich
das auf die freundliche Begrüßung oder auf die Ansage
bezieht, dass mit weiteren Plenarsitzungen in diesem
Jahr nicht zu rechnen ist. Aber das können die Redner
für die Fraktionen anschließend der Reihe nach klarstel-
len.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
Sie darauf hinweisen, dass der Ältestenrat in seiner gest-
rigen Sitzung vereinbart hat, während der Haushaltswo-
che ab dem 18. Januar nächsten Jahres, wie üblich bei
Haushaltswochen, keine Regierungsbefragung, keine
Fragestunde und auch keine Aktuellen Stunden durchzu-
führen. Ich nehme an, dass es dazu Einvernehmen gibt. –
Das ist offensichtlich der Fall. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich rufe dann unseren Tagesordnungspunkt 18 auf:

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Redet
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-

(3. Ausschuss)


Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-
scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-
tion „ALTHEA“ zur weiteren Stabilisierung
des Friedensprozesses in Bosnien und Herze-
gowina im Rahmen der Implementierung der
Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensverein-
barung sowie an dem NATO-Hauptquartier
Sarajevo und seinen Aufgaben, auf Grundlage
der Resolution des Sicherheitsrates der Ver-
einten Nationen 1575 (2004) und folgender Re-

( 18. November 2009 – Drucksachen 17/180, 17/275 – (C (D ung . Dezember 2009 1 Uhr Berichterstattung: Abgeordnete Philipp Mißfelder Uta Zapf Dr. Rainer Stinner Sevim Dağdelen Marieluise Beck – Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung – Drucksache 17/277 – Berichterstattung: Abgeordnete Herbert Frankenhauser Klaus Brandner Dr. h. c. Jürgen Koppelin Michael Leutert Sven Kindler Hierzu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion er SPD und ein Entschließungsantrag der Fraktion ündnis 90/Die Grünen vor. Über die Beschlussempfeh ung werden wir später namentlich abstimmen. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die ussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Auch ies ist offenkundig einvernehmlich. Dann ist das so bechlossen. ext Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Dr. Djir-Sarai von der FDP. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Bijan Djir-Sarai (FDP):
Rede ID: ID1701300100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Die EU-Operation Althea in
Bosnien und Herzegowina ist bisher ein großer Erfolg.
Das ist – auch das muss man an dieser Stelle sagen – ein
Verdienst unserer Soldatinnen und Soldaten, die dort im
Einsatz sind.

i der FDP und der CDU/CSU sowie
rdneten der SPD und des BÜND-
/DIE GRÜNEN)
2009) vom

(Beifall be bei Abgeo NISSES 90 1082 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 Dr. Bijan Djir-Sarai Heute kann die Sicherheitslage in Bosnien und Herzegowina sogar als stabil eingestuft werden. Die innenpolitische Lage ist jedoch fragil. Vor wenigen Wochen hat der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Mitgliedstaaten erneut autorisiert, mit einer multinationalen Stabilisierungstruppe und NATO-Präsenz weiter vor Ort zu sein und das Engagement in Bosnien und Herzegowina fortzusetzen. Das wird einen guten Grund haben. Die aktuelle Lage im Parlament dort ist verworren. Die Parteien blockieren immer wieder das Zustandekommen einer effektiven Demokratie. Wir hören sogar Drohungen von der Zerspaltung des Landes. Politische Kompromisse zu finden, ist so nur eingeschränkt möglich. Die EU muss sich demnach weiterhin um die Vermittlung zwischen den Entitäten bemühen. Sie muss ein Signal für zukünftige Unterstützung setzen. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(A) )


(B) )


Keine Frage: Eine Beendigung der Kampfhandlungen
hätte ohne das Dayton-Abkommen womöglich niemals
stattgefunden. Jedoch ist dieser Vertrag auch zugleich
die Grundlage der ethnisch geprägten Verfassung, die
nach wie vor zu massiven Uneinigkeiten zwischen den
Parteien vor Ort führt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Diese Verfassung erschwert den Fortschritt in der Re-
gion.

Heute, über ein Jahrzehnt nach Kriegsende, wird im-
mer deutlicher, dass unbedingt eine Verfassungsreform
vorangetrieben werden muss, die die Kriterien für ein
modernes, EU-fähiges Staatswesen erfüllt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Insbesondere funktionale, menschenrechtliche und fis-
kalische Gesichtspunkte sollten dabei im Vordergrund
stehen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der poli-
tische und soziale Prozess in Bosnien und Herzegowina
stagniert. Die militärische und rechtsstaatliche Absiche-
rung durch die EU muss also erhalten bleiben.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der demokratische Prozess wird durch die Fortset-
zung der Operation Althea nicht behindert, ganz im Ge-
genteil: Althea ist eine Erinnerung für die Regierung in
Bosnien und Herzegowina, dass bestimmte Rahmenbe-
dingungen noch nicht erfüllt sind. Althea sollte als An-
sporn zur Verbesserung der politischen und sozialen Si-
tuation dienen. Die Operation Althea ist aber auch ein
Symbol, dass die EU und auch die Bundesrepublik
Deutschland noch immer hinter den Menschen dieser
Region stehen.

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(C (D Wir sehen, dass das militärische Kontingent fortwähend verringert wird. Die weitere Senkung des Militäraneils ist eine richtige und sinnvolle Entwicklung. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie Bundesregierung unterstützt den Ausbau der Poli-
eimission. Sie setzt zudem verstärkt auf ziviles Engage-
ent und auf die Entwicklungszusammenarbeit. Aber,
eine lieben Kolleginnen und Kollegen vor allem von

en Linken, heute ist leider noch nicht der richtige Zeit-
unkt, um vollständig auf das militärische Potenzial ver-
ichten zu können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Und wann ist der richtige Zeitpunkt?)


Mit den innenpolitischen Zerwürfnissen als Grund
erden wir der unveränderten Fortsetzung des Engage-
ents in Bosnien und Herzegowina zustimmen. Zum

eutigen Zeitpunkt kann das EUFOR Althea-Mandat
icht inhaltlich verändert werden. Dafür sind die politi-
chen Spannungen einfach zu groß.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es stellt sich nun die Frage, wie in Sachen Hoher
epräsentant weiter verfahren wird. Das Amt des Ho-
en Repräsentanten wird vorerst erhalten bleiben, da die
ür seine Abschaffung nötigen Ziele und Bedingungen
isher nur unzureichend erfüllt sind. An dieser Stelle
öchte ich jedoch mein Bedauern darüber ausdrücken,

ass diese Institution bis heute nicht aufgelöst werden
onnte. Der Hohe Repräsentant hat noch immer exeku-
ive Sondervollmachten, die mehr auf dem Papier exis-
ieren, als dass sie in der praktischen Umsetzung mög-
ich sind. Die Abschaffung des Hohen Repräsentanten
urde bereits 2008 beschlossen. Dieses Vorhaben ist

indeutig der richtige Weg.

Die FDP hatte diese Maßnahme schon seit mehreren
ahren gefordert. Denn als Voraussetzung für die Festi-
ung demokratischer Strukturen muss Bosnien und Her-
egowina die Eigenverantwortlichkeit zurückerlangen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


s wäre sehr schön, wenn die EU in Zukunft den Proble-
en in der Balkanregion insgesamt mehr Priorität geben
ürde.

Mit den Maßnahmen der Operation Althea sowie der
olizei- und Verwaltungsmission in Bosnien und Herze-
owina soll ein Rückschritt verhindert werden. Aus un-
erer Sicht muss dieses Land Fortschritte letztlich jedoch
elbst machen.

Niemand hat die schrecklichen Bilder aus Bosnien
nd Herzegowina vergessen, die uns nach dem Bosnien-
rieg Anfang der 90er-Jahre erreicht haben. Wir haben

n einem geschundenen Land Verantwortung übernom-
en – politisch, militärisch und zivil. Dazu müssen wir

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1083


(A) )



(B) )


Dr. Bijan Djir-Sarai
nun auch stehen. Zieht Deutschland jetzt seine Hilfe aus
der Region ab, treten wir diese Verantwortung mit Fü-
ßen.

Als Bundesrepublik Deutschland, als Deutsche haben
wir ein großes Interesse daran, dass Bosnien und Herze-
gowina weiter stabilisiert werden. Wir haben ein großes
Interesse daran, dass dieser Staat selbst für die Freiheit
und Sicherheit seiner Bürger sorgen kann. Wir haben ein
großes Interesse daran, dass dort ein friedlicher und de-
mokratischer Rechtsstaat entsteht. Und wir haben ein
großes Interesse daran, dass eine Integration in die frie-
denssichernde Europäische Union erfolgen kann.

Wir dürfen nicht nur mit dem Wort, sondern müssen
auch mit der Tat dafür sorgen, dass sich die ganze Re-
gion positiv entwickelt. Dazu müssen wir unseren Bei-
trag leisten. Wir müssen zu unserer Verantwortung ste-
hen. Der Gesamteinsatz soll unter der Absenkung der
Obergrenze von 2 400 auf 900 Soldatinnen und Soldaten
erfolgen. Er muss aber inhaltlich unverändert erfolgen.
Ich wiederhole es, weil es so wichtig ist: Er muss inhalt-
lich unverändert erfolgen. Daher bitte ich Sie, dem An-
trag der Bundesregierung zuzustimmen.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre
Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701300200

Lieber Kollege Djir-Sarai, ich gratuliere Ihnen herz-

lich zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundestag und
wünsche Ihnen für die weitere parlamentarische Arbeit
alles Gute.


(Beifall)


Rolf Mützenich ist nun der nächste Redner für die
SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Rolf Mützenich (SPD):
Rede ID: ID1701300300

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-

gen! Am vergangenen Montag vor 14 Jahren, am
14. Dezember 1995, wurde in Paris das Dayton-Abkom-
men unterzeichnet. Damit endete einer der blutigsten
und schrecklichsten Konflikte nach dem Zweiten Welt-
krieg. Damit endeten die jugoslawischen Erbfolgekriege
aber leider nicht. Immerhin war dies aber ein wichtiges
Datum für eine hoffentlich friedliche und zivile Ent-
wicklung in den einzelnen neuen Staaten des ehemaligen
Jugoslawiens. Ich hoffe, dass die nachfolgenden Genera-
tionen die Lehren aus diesem Konflikt ziehen. Das gilt
für die Menschen dort. Aber ich glaube, das gilt auch für
uns hier in Europa.

Herr Kollege, ich möchte Sie ganz herzlich zu Ihrer
ersten Rede beglückwünschen und Ihnen dafür danken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D ch freue mich auf die Zusammenarbeit im Auswärtigen usschuss. Ich teile viele Ihrer Schlussfolgerungen. Nur, ch weiß nicht, ob wir wirklich sagen können: Was dort assiert ist, war eine einmalige Erfolgsgeschichte. Ich ersönlich gebe auf der einen Seite zu, dass ich mir manhes schneller erwartet hätte, dass ich gedacht habe, wir ätten in diesem Zusammenhang schnellere und größere rfolge. Leider ist das nicht so. Ich glaube, dass die poli isch Verantwortlichen in dieser Region noch eine enge tun müssen und dass wir weiterhin eine schwie ige Lage haben. Auf der anderen Seite können wir aber feststellen: Es ibt auch Fortschritte. Flüchtlinge sind zurückgekehrt. 0 000 Soldaten waren dort zu Beginn stationiert; heute ind es noch 2 000 Soldaten. Wir brauchen sie noch imer, um die insgesamt schwierige Situation zu überwin en. Die internationale Präsenz ist auch deswegen erforerlich, weil sie das wichtige Zeichen setzt, dass wir ein roßes Interesse an Fortschritten haben. Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Fortentwicklung ist das haben Sie gesagt – die europäische Integration. eswegen war ich sehr enttäuscht, als die CDU/CSU in hrem Wahlprogramm geschrieben hat: Diese Perspekive geben wir nicht mehr allen Staaten in dieser Region. Ich glaube, dieser Anreiz muss gegeben werden, um berhaupt zu den Fortschritten zu kommen, die wir uns ünschen, auch um unsere dortige internationale Prä enz überflüssig zu machen. Deswegen würde ich mich irklich freuen, wenn auch in Ihren Reihen ein gewisser ernerfolg eintritt: Die EU-Integration bleibt ein wichties politisches Element für den Balkan und den Frieden n dieser Region; (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


as brauchen wir. Ich bitte den Außenminister – ich
laube, wir sind hier derselben Auffassung –, seine Kol-
eginnen und Kollegen und die Bundeskanzlerin zu er-

utigen, diese Perspektive in Verantwortung aufrechtzu-
rhalten.

Auf der anderen Seite erwarten wir von den politi-
chen Eliten bzw. von Herrn Dodik – ich habe das eben
ngedeutet –, dass er sich an das hält, was er offensicht-
ich vorgestern gesagt hat: Es soll keine Separation ge-
en; der Staatsverbund soll erhalten bleiben. Das ist aber
uch eine Aufforderung an die Verantwortlichen in Ser-
ien, keine Hinweise darauf zu geben, dass die Repu-
lika Srpska irgendwann in Serbien integriert werden
önnte. Im Gegenteil: Es muss bei den bisherigen Ver-
ältnissen bleiben. Wir müssen auch von der serbischen
ührung ein Bekenntnis hierzu verlangen; daran muss
ach meinem Dafürhalten in den Gesprächen, die die
egierungen führen, immer wieder erinnert werden.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben gehört, dass der Hohe Repräsentant wei-
erhin über einen Teil seiner Befugnisse verfügt. Zum
eispiel liegt die juristische Aufarbeitung von Kriegs-

1084 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Dr. Rolf Mützenich
verbrechen auch in den nächsten drei Jahren in seiner
Hand; das ist wichtig und richtig. Er hat aber einen ande-
ren Teil seiner Befugnisse abgegeben, nämlich die Auf-
arbeitung von Korruptionsfällen.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Abgeben müssen!)


– Ja, das musste er; aber das ist nicht der Punkt. Die
Frage wird doch sein: Was machen jetzt die Verantwort-
lichen aus dieser Situation? Dazu sage ich vonseiten des
Deutschen Bundestages: Wir brauchen weiterhin eine
Aufarbeitung der Korruptionsfälle, der Misswirtschaft,
Kriminalität usw., und zwar unabhängig davon, wer in
diesem Gebiet welche Rolle spielt. Niemand darf den-
ken, er wäre von der Verfolgung durch die Strafverfol-
gungsbehörden ausgenommen. Das ist ein wichtiges Si-
gnal an die dortigen politischen Akteure: Wir wollen,
dass die juristische Aufarbeitung von Kriegsverbrechen,
aber auch von Korruptionsfällen und Kriminalität fortge-
setzt wird, egal wer die Verantwortung dafür trägt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zum Schluss möchte ich einen weiteren Aspekt an-
sprechen. Wir reden oft über Abrüstung und Rüstungs-
kontrolle, auch gleich hier im Deutschen Bundestag.
Wir haben im Zusammenhang mit dem Abkommen von
Dayton gesehen, dass Abrüstung und Rüstungskontrolle
wichtige Elemente der Konfliktnachbereitung sind. Mi-
nenräumung ist ein wichtiges Feld; sie muss in diesem
Gebiet weiter erfolgen. Hier muss die internationale
Gemeinschaft noch mehr Anstrengungen leisten. Die
Rüstungskontrolle spielte auch beim Abkommen von
Dayton eine wichtige Rolle: Sie sollte eine Überrüstung
des auseinanderfallenden Jugoslawiens verhindern und
dafür sorgen, dass es nicht wieder in große Konflikte hi-
neinschlittert.

Das Kapitel der Rüstungskontrolle muss neu aufge-
schlagen werden. Wir haben dazu einen Antrag vorge-
legt. Damit bietet der Deutsche Bundestag der Regie-
rung, aber auch der Region eine Perspektive. Ich bitte
um Zustimmung zu diesem Antrag.

Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und al-
les Gute für das neue Jahr.

Danke.


(Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701300400

Bevor es so weit ist, setzen wir die Debatte fort,


(Heiterkeit)


als Nächstes mit dem Redner Peter Beyer für die CDU/
CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


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(C (D Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! iebe Kolleginnen und Kollegen! Bosnien-Herzegowina ämpft bis heute mit den Folgen der Kriegshandlungen uf seinem Gebiet. Die innere Zerrissenheit ist geblieen; ethnische Spannungen bestehen fort. Betrachtet an die Entwicklungen nach dem letzten Krieg, fühlt an sich unwillkürlich an das Wort erinnert, dass der alkan mehr Geschichte habe, als er selbst verarbeiten önne. Die militärische Operation Althea begann im Dezemer 2004. Seitdem ist sie Garant dafür, dass die Sichereitslage im Land stabil geblieben ist, trotz schwieriger olitischer Umstände. Viele der dort stationierten Soldaen werden Weihnachten nicht zu Hause im Kreise ihrer amilie verbringen können. Umso mehr gebührt ihnen er Dank von uns allen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Peter Beyer (CDU):
Rede ID: ID1701300500

Der Erfolg von Althea ist auch für die Nachbarländer
on entscheidender Bedeutung. Der Staat Bosnien-Her-
egowina spielt aufgrund seiner zentralen Lage auf dem
alkan eine Schlüsselrolle in der gesamten Region. Es

st deshalb ein sehr gutes Zeichen, dass wegen der
rundsätzlich stabilen Sicherheitslage die Obergrenze
on bisher 2 400 Soldatinnen und Soldaten auf 900 ein-
usetzende Soldatinnen und Soldaten gesenkt werden
ann. Tatsächlich eingesetzt sind von deutscher Seite
esentlich weniger: Circa 130 Soldatinnen und Soldaten

ind derzeit dort stationiert.

Das alles zeigt: Die gemeinsamen Anstrengungen der
eteiligten Länder haben die Sicherheit weiter verbes-
ert. Wichtig ist, dass die Ziele der Mission trotz der
eutlich reduzierten Truppenstärke nicht aus den Augen
erloren werden und sie gesichert bleiben, Stichwort:
eservekräfte, die Over-the-Horizon-Forces.

Der Friedensprozess ist noch nicht abgeschlossen.
ie dringend nötige Verfassungsreform stockt, weil die

thnischen Konflikte weiter schwelen. Bosniaken, Ser-
en und Kroaten leben in vielen Fällen nebeneinander
tatt miteinander. Die innere Zerrissenheit der Gesell-
chaft nach dem Krieg ist lange noch nicht überwunden.

Das Land muss dahin kommen, dass sich die Men-
chen vor Ort als Bürger von Bosnien-Herzegowina be-
reifen und nicht nur als Bosniaken, Serben oder Kroa-
en. Damit das uns und den Menschen vor Ort gelingt,
raucht der Staat eine Perspektive. Die Annäherung an
ie Europäische Union und die NATO kann eine solche
erspektive sein. Wir freuen uns deshalb sehr darüber,
ass Bosnien-Herzegowina den Beitritt zur Europäi-
chen Union anstrebt.

Dass mangels der Erfüllung der Bedingungen die
isabeschränkungen für Bosnien-Herzegowina bisher
icht aufgehoben werden konnten, ist zu bedauern, ins-
esondere weil die bosnischen Serben aufgrund ihrer
erbindung zu Serbien andere Möglichkeiten haben als
ie Bosniaken, was die Situation nicht leichter macht.
ennoch müssen wir auf der Einhaltung der Kriterien

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1085


(A) )



(B) )


Peter Beyer
bestehen, Herr Kollege Mützenich. Der Fahrplan zur
Annäherung der Westbalkanländer an die EU legt ein-
zelne Stufen fest, die nicht übersprungen werden dürfen.
Dieser schrittweise Prozess ist auch im Interesse von
Bosnien-Herzegowina und der richtige Weg für dieses
Land.

Wir werden mit Althea weiter zur Stabilisierung bei-
tragen und das Land zudem zivil und finanziell fördern.
Wir unterstützen ferner den Aufbau einer funktionieren-
den Polizeistruktur. Aber wir brauchen auch die staatli-
che Eigenleistung. Demokratie muss sich langfristig
selbst tragen. Althea darf keine Dauereinrichtung wer-
den. Ich denke, das ist weitgehender Konsens in diesem
Hause.

Bosnien-Herzegowina kann als inhomogenes Gebilde
nur als föderaler Staat funktionieren. Gerade in födera-
len Systemen führt aber der demokratische Weg oft nur
über Konflikt und Kompromiss zum Konsens. Das ist
langwierig. Demagogen bieten dagegen scheinbar
schnelle und absolute Lösungen an. Das macht gerade
junge Staaten so anfällig für deren Versprechungen.

Das Land braucht letztlich Menschen, die den Mut
haben, sich nicht hinter dem anfangs erwähnten Zuviel
an Geschichte zu verstecken. Das gilt gerade im Hin-
blick auf die Wahlen im nächsten Jahr. Ethnische Fragen
dürfen nicht länger wichtiger sein als der gemeinsame
Wille zur gemeinsamen Zukunft. Es braucht Menschen,
die bereit sind, Vergangenes hinter sich zu lassen, alte
Grenzen zu überwinden und neue Wege zu beschreiten.
Den einen Big Bang wird es nicht geben, sondern viele
kleine Schritte. So hat es kürzlich erst der derzeitige
Hohe Repräsentant Valentin Inzko formuliert.

Dass Bosnien-Herzegowina diese Belastungsprobe
am Ende besteht, daran müssen wir ein ureigenes Inte-
resse haben. Seit Aufnahme der bilateralen Beziehungen
verbindet uns mit dem Land eine aufrichtige Freund-
schaft. Bosnien-Herzegowina verdient endlich Demo-
kratie statt Manipulation und nationaler Ideologie. Die
nötigen Anstrengungen, die Kriterien zum Beitritt zur
EU zu erreichen, werden die demokratischen Struktu-
ren am Ende kräftigen, nicht schwächen. Mit dem Er-
folg jeder demokratisch gefundenen Entscheidung wird
das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit steigen.
Damit die demokratischen Strukturen weiter wachsen
können, ist die Verlängerung des Althea-Mandats erfor-
derlich. Dafür bitte ich um Ihre Unterstützung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701300600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Sevim Dağdelen

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)


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(C (D Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da en und Herren! In einem Schreiben des damaligen UNeneralsekretärs Pérez de Cuéllar an Außenminister Gen cher vom 14. Dezember 1991 warnte er – ich zitiere –, dass verfrühte selektive Anerkennungen eine Erweiteung des Konflikts in jenen empfindlichen Regionen ach sich ziehen würden“. Weiter heißt es: „Solch eine ntwicklung könnte schwerwiegende Folgen für die anze Balkanregion haben …“ Wir wissen, welche unrühmliche Rolle die deutsche ußenpolitik dann auf dem Balkan gespielt hat und leier weiter spielt. Das setzt sich im Antrag der Bundesreierung fort. Im SPD-Antrag heißt es dagegen – ich ziiere –: Für die Vereinigten Staaten und die EU gilt es, die Verantwortlichen in der Republika Srpska vor den verheerenden Folgen einer Sezession zu warnen. Bravo!“ möchte man Ihnen zurufen! Plötzlich entecken Sie das Völkerrecht wieder. Aber der Schein rügt. Die rot-grüne und die jetzige Bundesregierung untercheiden sich in diesem Punkt leider gar nicht. Das Völerrecht entdecken Sie immer nur dann, wenn es Ihnen enehm ist. Haben Sie denn irgendetwas getan, um ugoslawien vor dem Zerfall zu bewahren? (Michael Brand [CDU/CSU]: Die Aggressionen kamen doch aus Belgrad! – Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann doch nicht wahr sein!)

Sevim Dağdelen (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701300700

(Beifall bei der LINKEN)


aben Sie nicht einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen
ugoslawien geführt? Und waren Sie es nicht, die die
inseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovos an-
rkannt und damit eine neue Lunte an das Pulverfass
alkan gelegt haben? Jetzt jammern Sie, wenn andere
urch die Türen gehen, die Sie geöffnet haben.


(Beifall bei der LINKEN)


Eine völkerrechtskonforme Politik auch dieser Bun-
esregierung würde etwas für den Zusammenhalt Bos-
ien-Herzegowinas bewegen;


(Kerstin Müller [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Althea!)


eutsche Soldaten auf dem Balkan haben es in der Ver-
angenheit nicht und werden es auch in Zukunft nicht.
us der Debatte wird auch klar, dass Sie an einer ehrli-

hen Bilanz des Althea-Militäreinsatzes nicht wirklich
nteressiert sind. Sie bauen sich hier systematisch eine
cheinwelt auf, die dazu dient, den Militäreinsatz zu le-
itimieren.


(Zuruf von der FDP: Scheinwelten hat nur die Linkspartei!)


In der jüngsten Studie der Stiftung Wissenschaft und
olitik zur Bilanz der bisherigen EU-Militär- und Poli-
eieinsätze heißt es, dass sich die Stimmen mehren, die
agen, dass die Situation in Bosnien nach Dayton selten

1086 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


(A) )



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Sevim DaðdelenSevim Dağdelen
so verfahren und angespannt war wie im Jahr 2009. Ich
frage Sie: Ist das das positive Ergebnis dieser Militär-
mission, das einen weiteren Verbleib in Bosnien recht-
fertigt? Die Autoren der Studie haben doch recht, wenn
sie konstatieren, dass dieser Konflikt weder durch politi-
schen noch durch wirtschaftlichen oder militärischen
Druck gelöst werden kann. Der EU-Militäreinsatz hat
– selbst wenn man Ihrer Logik folgen würde – nichts,
aber auch gar nichts Positives bewirkt. Im Gegenteil: Er
hat mit verhindert, dass es zu einem wirklich nachhalti-
gen zivilen und sozialen Aufbau in Bosnien-Herzego-
wina kommt.


(Dr. Rainer Stinner [FDP]: Unsinn!)


Man muss doch den Tatsachen ins Auge sehen. Dazu
gehört, dass alle deutschen Bundesregierungen nach
Dayton dabei halfen, dass auch in Bosnien-Herzegowina
eine neoliberale Wirtschaftsordnung durchgesetzt
wurde.


(Beifall bei der LINKEN – Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Wer lebt denn hier in einer Scheinwelt?)


– Schauen Sie sich doch einmal den Anhang des Dayton-
Abkommens an. Die Privatisierung und damit die Ver-
schleuderung öffentlichen Eigentums standen ganz oben
auf der Agenda.


(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und die russischen Oligarchen, liebe Frau Dağdelen? – Thomas Oppermann [SPD]: Sagen Sie doch mal was zu den russischen Oligarchen!)


Aber die erwarteten westlichen Investoren hielten sich
aufgrund der Sicherheitslage zurück. So konnten sich an
der Privatisierung vor allen Dingen diejenigen berei-
chern, die nach dem Krieg vor Ort genügend Kapital zur
Verfügung hatten, nämlich ethnonationalistische Gewalt-
unternehmer, deren wirtschaftlich-politisch-kriminelle
Netzwerke heute für die verarmte Bevölkerung das ein-
zige soziale Netz darstellen.

Auch wenn Sie das nicht hören wollen: So schafft
man keinen Frieden, indem man soziale Strukturen zer-
stört und die Leute damit in die Arme der Nationalisten
treibt.


(Beifall bei der LINKEN)


Und auch in puncto Rechtsstaatlichkeit haben Sie
schlichtweg versagt. Der Hohe Repräsentant setzt per
Dekret Recht, und somit haben wir es mit einem EU-
Protektorat zu tun, das alle Züge einer Kolonialverwal-
tung trägt.


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der FDP)


– Es ist klar, dass Ihnen das nicht gefällt.

Die lokale Polizei wurde und wird von NATO und EU
aufgebaut, ausgebildet und beaufsichtigt, und nach unab-
hängigen Angaben ist die Bevölkerung in Bosnien-

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(C (D erzegowina noch nie so schlecht auf diese Polizei zu prechen gewesen wie im letzten Jahr. Auch das gehört u Ihrer Bilanz. Lassen Sie mich mit einem Appell schließen, auch enn ich weiß, dass das bei Ihnen wahrscheinlich gar ichts nutzen wird: Ziehen Sie die Bundeswehr ab, deren ission gescheitert ist! Kehren Sie zurück zur Politik! assen Sie Ihre imperialen Spielchen! (Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Brand [CDU/CSU]: Wie oft waren Sie denn in dem Land, über das Sie gerade gesprochen haben?)


chten Sie endlich wieder das Völkerrecht! Machen Sie
emokratie, Sozial- und Rechtsstaatlichkeit zur Maxime
eutscher Außenpolitik, damit deutsche Außenpolitik
riedenspolitik werden kann!

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Sind wir denn hier im Warschauer Pakt?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701300800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Marieluise Beck,

raktion Bündnis 90/Die Grünen.


(Michael Brand [CDU/CSU]: Jetzt wird es wieder sachlich!)


Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
anche von Ihnen wissen, dass ich seit 1992 mit dieser
egion sehr verbunden bin. Solch ein Beitrag macht
ich einfach fassungslos.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Frau Kollegin, es ist eine Tatsache: Die kroatische
tadt Vukovar wurde von der serbischen Armee überfal-

en, bevor Kroatien anerkannt worden war. Lesen Sie
och bitte ein bisschen in den Geschichtsbüchern.


(Beifall des Abg. Joachim Spatz [FDP])


och etwas: Srebrenica war keine Scheinwelt. Vielleicht
ollte Ihre Fraktion einmal den Mut haben – das möchte
ch Ihnen wirklich nahelegen – und nach Srebrenica fah-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP – Jan van Aken [DIE LINKE]: Sie haben das Völkerrecht gebrochen!)


ahren Sie einmal dorthin! Schauen Sie sich das an! Der
enozid in Srebrenica ist sogar gefilmt worden. Sie kön-
en sich die Dokumente anschauen. Man kann sogar Ge-
eral Mladic auf dem Gelände der ehemaligen Batte-
iefabrik in Potocari sehen, wo die Selektion der Männer
nd Jungen beginnt, die dann in die Wälder geführt wor-
en sind, um dort ermordet zu werden.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1087


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Marieluise Beck (Bremen)


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Jetzt erzählen Sie noch etwas zum Hufeisenplan!)


Althea dient der Stabilisierung; es ist jetzt eigentlich
ein Präventionseinsatz. Es geht um Prävention von Ge-
walt, was für UN-Missionen gut und richtig ist. Wir soll-
ten jetzt weniger über Militär und mehr über Politik
sprechen.


(Jan van Aken [DIE LINKE]: Hufeisenplan, Frau Beck!)


Der Kollege Mützenich hat schon gesagt, dass sich
hier auch an uns die Frage richtet: Welche Perspektive
geben wir dieser Region? Um diese Region nicht zu ei-
nem schwarzen Flecken innerhalb Europas werden zu
lassen, braucht die Region die Perspektive einer EU-
Mitgliedschaft.


(Beifall des Abg. Michael Brand [CDU/CSU] sowie des Abg. Joachim Spatz [FDP])


Wir alle wissen, dass dieser Passus in der Koalitionsver-
einbarung ausgespart worden ist. Das offenbart, dass es
diesbezüglich in der Regierung eine Differenz gibt und
die CDU dieser Region diese Perspektive nicht aufzei-
gen will. Wenn der Fortschritt in dieser Region nicht mit
dem Tempo kommt, das wir alle uns wünschen, hat das
sehr viel damit zu tun, dass diese Perspektive nicht
glaubwürdig und klar von uns und der Europäischen
Union formuliert wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Dinge stehen nicht so gut, wie wir in diesem Ho-
hen Haus das gerne sagen; darüber haben wir hier schon
diskutiert, Herr Außenminister. Es wird häufig geschrie-
ben, dass die zentrifugalen Kräfte in Bosnien eher zu-
nehmen und bosnische Politiker sich mit nationalisti-
schen Parolen und der Obstruktion von Reformen, die
für die Schaffung eines Gesamtstaates erforderlich sind,
profilieren können. Aber auch da haben wir eine Verant-
wortung. Wir haben mit dem Dayton-Abkommen eine
Verfassung schreiben und unterschreiben lassen, in der
die Zugehörigkeit zu einer Ethnie – man müsste eigent-
lich sagen: Religionsgruppe – Voraussetzung für den Zu-
gang zu Ämtern ist. Der jetzige bosnische Außenminis-
ter kann nicht für das Staatspräsidium dieses Landes
kandidieren, weil er sich keiner der Gruppen, die be-
nannt worden sind, zuordnen kann. Junge Menschen, die
aus einer kroatisch-bosnischen Ehe hervorgegangen
sind, müssen sich einer sogenannten Ethnie zuordnen,
bevor sie für das Amt des Repräsentanten dieses Staates
kandidieren können. Das kann in Europa nicht sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn wir über unsere Werte sprechen, muss uns klar
sein, dass wir eine Bringschuld haben; denn so können
wir dieses Land gar nicht in Europa aufnehmen. Unsere
Aufgabe ist die Überwindung von Dayton. Das ist eine
sehr große Aufgabe.

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(C (D Man muss auch den Mut haben, sehr deutlich zu beennen, wo der Hauptstörenfried sitzt. Wir alle wissen s. Ministerpräsident Dodik kann schadlos das Entitäteneto nutzen. Er setzt dieses Veto ein, wenn es darum eht, diesen Staat zu bauen und endlich zentrale Instituionen einzurichten, um ihn überhaupt arbeitsfähig zu achen. Dann knickt auch noch der OHR ein bzw. muss inknicken, weil er keine Rückendeckung von den euroäischen Staaten bekommt und immer mehr zur Lame uck gemacht wird; das setzt sich durch die ganze Reihe er Hohen Repräsentanten fort. Auch das ist eine Verantortung, die auf uns zeigt und nicht nur nach Bosnien elbst. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Menschen haben ein tiefes Bedürfnis nach Ge-
echtigkeit. Das ist auch in Bosnien so. Ich sage noch
inmal: Es ist nicht nachvollziehbar, dass ein kleines
and wie Serbien, das ja keinen großen Dschungel hat,
icht in der Lage ist, General Mladic auszuliefern. Wenn
ir in dieser Region Frieden und Gerechtigkeit herbei-

ühren wollen – dabei geht es nicht um Strafe oder Ra-
he, sondern nur um die Benennung der Wahrheit –,
uss mit großer Klarheit und Ernsthaftigkeit verlangt
erden, dass General Mladic endlich in Den Haag lan-
et.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


s darf nicht darauf gesetzt werden, dass uns eines Tages
ie biologische Lösung von dieser Forderung, die
chwer durchzusetzen ist und Konflikte mit Serbien be-
eutet, befreit.

Schönen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701300900

Das Wort erhält nun der Kollege Michael Brand,

DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Michael Brand (CDU):
Rede ID: ID1701301000

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

ollegen! Zunächst kann ich im Konsens mit der über-
roßen Mehrheit hier im Hause nochmals festhalten,
ass die EU-Mission Althea in Bosnien-Herzegowina
ine notwendige Mission ist, deren Verlängerung wir als
DU/CSU aus voller Überzeugung zustimmen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als jemand, der dieses in der Tat geschundene Land
eit 1995 – ganz offensichtlich im Vergleich zu Ihnen –

1088 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


(A) )



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Michael Brand
immer wieder besucht hat, will ich eine klare Bemer-
kung in Richtung der Kritiker der Mission machen.


(Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Letztes Jahr war ich da!)


Dafür, dass dieses Land einem Aggressionskrieg und ei-
nem Völkermord ausgesetzt war, sind die vergangenen
14 Jahre seit dem Friedensabkommen von Dayton eine
sehr kurze Zeit. Wir alle hier sollten uns bei mancher
Ungeduld und manchem Kopfschütteln über einzelne
Akteure vor Ort immer fragen: Wo wären wir, die Deut-
schen, 14 Jahre nach einem solchen Genozid, wenn wir
zwar militärische Absicherung des Friedens, dabei aber
keinen Marshallplan und keine zentrale Lage in Europa
hätten?

Es ist wahr – das weiß ich aus vielen Gesprächen vor
Ort –: Das Ausmaß der Korruption ist eine Geißel, die
Bosnien-Herzegowina bei seiner Entwicklung hindert.
Wahr ist auch: Nationalismus ist eine rhetorische Karte,
die innerhalb Bosniens noch immer allzu oft sticht. Die
Bosnier, insbesondere die Bosniaken, haben nicht Rache
geübt an den Tätern – und es gab mehr als Srebrenica;
dieser Ort ist nur das Fanal für andere Hunderte von
Massakern, deren Tote noch immer nicht identifiziert
sind. Wer der Lebenswirklichkeit und der Seelenlage der
Bevölkerung nachspürt, der muss feststellen: Hundert-
tausende Überlebende dieses Genozids sind wirtschaft-
lich geschlagen und erfahren zu wenig Gerechtigkeit;
das hat Kollegin Beck gerade eindrücklich formuliert.
Diese Menschen sind nicht nur von vielen in der eigenen
Führung enttäuscht. Sie hatten viel Hoffnung in Europa,
aber sind meist mit der internationalen Gemeinschaft
und auch mit manchem Lehrmeisterton schon lange
nicht mehr einverstanden. Wer täglich erleben muss,
dass Täter des Genozids – hier geht es nicht nur um den
meistgesuchten aller Kriegsverbrecher, Herrn Mladic –
bei Polizei und Verwaltung heute wieder oben sitzen,
und das sogar in Srebrenica, der zweifelt an der Situation
und verliert auch Energie für den Wiederaufbau. Wer
sieht, dass die EU aktuell die auslaufenden Mandate in-
ternationaler Richter und Staatsanwälte nicht verlängern
hilft, der wertet dies als fatales Signal beim Kampf ge-
gen Korruption und bei der Verfolgung von Kriegsver-
brechen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt bleibt
richtig: Wir müssen auf eine Zeit hinsteuern, die den
OHR überflüssig macht. Allerdings heißt das auch: Wir
müssen uns darauf gut vorbereiten. Wer manch eine
Analyse über „die da unten“ und wir die internationale
Gemeinschaft, liest oder davon hört, der darf sich über
unsere Fehler, die gemacht worden sind, überhaupt nicht
wundern. Zu viele faule waren unter den Kompromissen,
und zu wenig wurde die Würde der Opfer dieses Geno-
zids mitten in Europa beachtet, als es um konkrete Vor-
schläge ging. Ich spreche es offen an: Es ist an der Zeit,
nicht nur andere zu tadeln, sondern auch die eigenen
Fehler, die Fehler der internationalen Gemeinschaft, in
den letzten zehn Jahren offen und ehrlich zu analysieren.

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(C (D ach all den Kriegen der 90er-Jahre hat der Balkan – das ilt nicht nur für Bosnien – eine neue Ordnung gefunen, die zwingende Voraussetzung für dauerhafte Stabiität ist und das Risiko eines neuen Balkan-Krieges ein ür alle Mal beenden soll. Deswegen sage ich: Die aktullen Drohgebärden aus der Republika Srpska im Hinlick auf eine Abspaltung und die teils unverhohlene ympathie für solch gefährliche Rhetorik widersprechen llen, wirklich allen europäischen Grundsätzen und beeuten nicht weniger als eine akute Gefährdung der reionalen Stabilität. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Mission Althea schützt dieses Land auch vor de-
en, die innerhalb wie außerhalb den Appetit auf Teile
osniens erkennbar nicht verloren haben. Deshalb muss

estgehalten werden – Herr Mützenich, hier stimme ich
hnen ausdrücklich zu und bin für Ihre Äußerung dank-
ar –: Das inzwischen demokratische, neue Serbien
uss denen klar widersprechen, die wie Dodik und an-

ere nur 15 Jahre nach dem Ende der Milosevic-Kriege
chon wieder offen fabulieren, von Banja Luka bis
rebrenica Teile aus Bosnien herausschneiden zu wol-

en. Eines ist klar: Wer von Banja Luka in Bosnien bis
itrovica in der Republik Kosovo zündelt, der spielt mit

em Feuer neuer Konflikte auf dem Balkan. Das dürfen
ir nicht zulassen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wer glaubt, dass die radikalen Kräfte in Serbien, im
osovo, in Mazedonien und anderswo nicht genau be-
bachten, wie die EU mit diesen Themen umgeht, der
egeht einen gefährlichen Irrtum. Dieser Destabilisie-
ung und Radikalisierung in Südosteuropa müssen wir
it Nachdruck entgegentreten. Eine zweite Runde von
alkan-Konflikten darf Europa nicht zulassen. Auch
ies dokumentiert unser Engagement im Rahmen von
lthea, KFOR, EULEX und anderen Missionen in Süd-
steuropa. Mit Entschlossenheit und Umsicht müssen
ir im Interesse Bosniens endlich den Weg in die Post-
ayton-Ära beschreiten.

Ich stelle fest, dass mit Ausnahme einer Fraktion alle
raktionen dieses Hauses formuliert haben, dass wir ei-
en Prozess brauchen, der Dayton überwindet, der neue
kzente setzt. Dayton war wichtig, um den Krieg zu be-

nden. Er reicht aber nicht aus für die heutigen Realitä-
en und als Grundlage, um das Land zurückzugeben. Das

üssen wir allerdings erreichen. Es muss uns gelingen,
en Bosniern ihr Land in guter Weise und gut geordnet
urückzugeben. In Bosnien und auch auf unserer Seite
st noch einiges zu tun. Der neue deutsche Außenminis-
er bedeutet auch hier eine Chance auf Verbesserung.

ir wünschen uns eine aktivere Rolle Deutschlands in
üdosteuropa. Die CDU/CSU bietet jede gewünschte
ilfe in der Sache an.

Erlauben Sie mir, in dieser letzten Sitzung vor der
eihnachtspause an uns alle zu appellieren: Die Opfer

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1089


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des schlimmsten Genozids in Europa nach dem Zweiten
Weltkrieg haben es mehr als nur verdient, dass wir uns
hier besondere Mühe geben. Wir wollen und werden al-
les unternehmen, um den Menschen in Bosnien den Weg
in eine Zukunft in Würde und Wohlstand mitten in der
Gemeinschaft EU-Europas mit zu ebnen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701301100

Fritz Rudolf Körper ist der nächste Redner für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Fritz Rudolf Körper (SPD):
Rede ID: ID1701301200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen

Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen einen kurzen
Rückblick auf die griechische Mythologie werfen. Al-
thea, die Namensgeberin dieser EU-Mission, ist die grie-
chische Göttin der Heilkunst. Wer sich mit der Proble-
matik von Bosnien-Herzegowina beschäftigt, wird
wissen, dass Heilen und die Fähigkeit, zu versöhnen,
dringend notwendig sind.


(Beifall bei der SPD)


Dem Mythos nach wurde Althea von den Göttern er-
klärt, dass ihr Sohn sterben würde, sobald ein Stück Holz
auf ihrem Feuer verbrannt ist. Althea nahm daraufhin
das Holz vom Feuer, löschte es und legte es in einen
Kasten, um das Leben ihres Sohnes zu bewahren. – Nach
dem Löschen des Feuers in Bosnien-Herzegowina unter-
stützt die EU-Mission Althea jetzt das Heilen des Landes
und seiner Bevölkerung. Anders als im Mythos soll das
Holz nie wieder aus dem Kasten genommen werden,
sondern für immer sicher verwahrt bleiben.


(Beifall bei der SPD)


Ich habe diesen Rückgriff gewählt, um deutlich zu
machen – das hat vorhin beispielsweise bei dem Beitrag
von Frau Beck eine Rolle gespielt –, mit welch einer
Problematik wir es in Bosnien-Herzegowina zu tun hat-
ten und haben. Bei allen Unzulänglichkeiten der heuti-
gen Situation können wir doch eines feststellen: Diese
Mission, dieser Einsatz der internationalen Staatenge-
meinschaft hat dem ethnisch motivierten Morden und
Töten ein Ende machen können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Zu spät! Viel zu spät!)


– Frau Beck, das ist eine andere Frage. Es war leider zu
spät; aber wir haben dieses Ergebnis zu einem bestimm-
ten Zeitpunkt erreicht, und das war gut so.

Durch die militärische Komponente dieser Mission,
durch die militärische Präsenz ist es gelungen, Gewalt-
ausbrüche der ehemaligen Konfliktparteien zu verhin-
dern und die nationalen und die internationalen Akteure
in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Die

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(C (D uropäische Union hat diese Stabilisierungsaufgabe vor ünf Jahren von der NATO übernommen. Die Sichereitslage in Bosnien-Herzegowina ist zumindest etwas tabiler als vorher. In diesem Zusammenhang will ich auch die europäiche Polizeimission ansprechen, bei der sich die EU morientiert mit der Konzentration auf die Bekämpfung er organisierten Kriminalität und der Korruption sowie ie Verbesserung der Zusammenarbeit von Polizei und taatsanwaltschaften. Das ist ganz wichtig; denn wenn in solches Land die Korruption nicht wirksam bekämpen kann, hat es keine Chance. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will zugeben: Es hat mich schon ein bisschen irri-
iert, dass, als Frau Beck die Forderung gestellt hat, dass
err Mladic ausgeliefert wird und in Den Haag landet,
ies nicht den Applaus des gesamten Hauses bekommen
at.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Versöhnung ist ganz wichtig. Wie kann man die ethni-
che Spaltung überwinden und Versöhnung herstellen?

ir sehen im Moment, dass die ethnische Problematik
n jeder Stelle ungeheuer hinderlich ist, beispielsweise
ei der Frage, wie der Staat vernünftig aufgebaut und or-
anisiert werden kann. Bestimmte Funktionen und Stel-
en müssen dreifach besetzt werden – mit all der Proble-
atik, die dies mit sich bringt. Deswegen ist es wichtig,

ass wir zur Versöhnung der Ethnien in Bosnien-
erzegowina beitragen.

Ich will mit einem Beispiel schließen, das ein biss-
hen Hoffnung gibt. In der letzten Woche kam es zur
iedereröffnung der direkten Bahnverbindung zwischen
elgrad und Sarajevo, nachdem diese Verbindung
8 Jahre gekappt war. Vielleicht ist das ein Symbol, ein
offnungsschimmer dafür, dass es zu dem notwendigen
usgleich, dem notwendigen Versöhnungsprozess der
etroffenen Ethnien auf dem Balkan in naher Zukunft
ommt; denn nur dann wird es gelingen, dass der Balkan
ine Zukunft hat. Das ist für die europäische Perspektive
on großer Bedeutung.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701301300

Florian Hahn ist der letzte Redner zu diesem Tages-

rdnungspunkt für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Florian Hahn (CSU):
Rede ID: ID1701301400

Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen

nd Kollegen! Als ich im Frühjahr 2002 in Sarajevo war,
aren dort 1 600 deutsche Soldatinnen und Soldaten sta-

1090 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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(B)


Florian Hahn
tioniert, 1 600 Soldaten in einer Stadt, in deren Zentrum
neben den deutlich sichtbaren Zerstörungen des Krieges
der Marktplatz mit jungen Menschen gefüllt war, die in
der Frühlingssonne den ersten Kaffee des Jahres im
Freien genossen haben – eine schöne mediterrane At-
mosphäre. Doch unsere Delegation musste damals von
Sicherheitskräften begleitet werden; denn die Sicher-
heitslage war extrem angespannt. Das war auch zu spü-
ren, als wir nach dem Vorfall in Rajlovac unsere deut-
schen Soldatinnen und Soldaten besucht haben und sie
einen Tag lang begleiten durften.

Heute, knapp acht Jahre danach, kann die militärische
Sicherheitslage als grundsätzlich stabil eingestuft wer-
den. Personenschutz ist größtenteils nicht mehr notwen-
dig. Wir konnten unsere deutschen Sicherheitskräfte in-
zwischen auf 130 Soldatinnen und Soldaten reduzieren.
Das bringt nur leider einige europäische Staaten zu der
Annahme, dass wir unsere Truppen gänzlich abziehen
könnten. Doch wie meine Vorredner schon erwähnt ha-
ben, ist die innenpolitische Lage weiterhin fragil. Bos-
nien und Herzegowina ist nach wie vor unser Sorgen-
kind Nummer eins auf dem Balkan, ein Sorgenkind
inmitten Europas.

Die zivilgesellschaftlichen Probleme, die uns schon
damals vor Augen geführt wurden, haben leider noch
heute zum großen Teil Bestand. Die Lage kann sich
schnell wieder ändern, wenn wir unsere Unterstützung
verweigern. Wir alle kennen die Drohungen, die bei-
spielsweise ein Herr Dodik ausgesprochen hat, wenn
seine Bedingungen nicht erfüllt werden. Oft genug ha-
ben wir heute in diesem Hohen Hause über die nationa-
listischen Kräfte in Bosnien und Herzegowina diskutiert.

Unser Ziel ist, dass das europäische Land Bosnien
und Herzegowina zu einem friedlichen, demokratischen
Rechtsstaat in Europa wird. Ein Abzug unserer militä-
rischen Kräfte würde den Menschen vor Ort signalisie-
ren, dass wir, dass Europa kein Interesse mehr an ihnen
hat, insbesondere vor dem Hintergrund der Schwierig-
keiten des Butmir-Prozesses. Ein Abzug würde die jah-
relange Aufbauarbeit der Nachkriegsgesellschaft zu-
nichte machen. Die reine Anwesenheit des Militärs ist
für den zivilgesellschaftlichen Aufbau von immenser
Wichtigkeit. Nehmen wir hier nur als Beispiel die
Flüchtlingsrückkehrer, für die das subjektive Gefühl der
militärischen Anwesenheit essenziell ist. Wir müssen
Bosnien und Herzegowina unterstützen. Aber ich sage
auch: Diese Unterstützung darf nicht nur geschenkt sein.
Deshalb war es richtig, Bosnien und Herzegowina die
Aufnahme in den Membership Action Plan der NATO zu
verweigern. Auch die Bosnier müssen ihren Teil dazu
beitragen und dürfen bei Beitrittgesuchen keine Rabatte
bekommen.

Ich kann mir übrigens gut vorstellen, dass unsere mi-
litärischen und zivilen Aufbauhelfer in Bosnien und Her-
zegowina das Gefühl haben, von uns, von der deutschen
Öffentlichkeit durch die Afghanistan-Diskussion verges-
sen zu werden, gerade auch durch den unverantwortli-
chen Klamauk, den die Opposition hier im Haus in den
letzten Tagen veranstaltet hat.

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(C (D (Sevim Dağdelen [DIE LINKE]: Klamauk? Nur weil man nicht zustimmt?)


eshalb hier mein klares Statement: Wir wissen um die
eistungen, die unsere Landsleute dort erbringen. Ich
öchte ihnen ganz herzlich dafür danken und wünsche

hnen für die zukünftigen Aufgaben Gottes Segen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und wün-
che uns allen ein gesegnetes Weihnachtsfest.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701301500

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die Be-
chlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf der
rucksache 17/275 zu dem Antrag der Bundesregierung

ur Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher
treitkräfte an der EU-geführten Operation Althea. Der
usschuss empfiehlt, den Antrag auf Drucksache 17/180

nzunehmen. Dazu ist eine namentliche Abstimmung be-
ntragt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer,
ie vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Ich eröffne die
bstimmung.

Ist ein Mitglied des Hauses im Saal anwesend, das
eine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Dann
chließe ich hiermit die Abstimmung. Ich bitte die
chriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszäh-

ung zu beginnen. Wir geben das Ergebnis der Abstim-
ung nach üblichem Verfahren während der nächsten
ebattenrunde bekannt.1)

Wenn Sie bitte wieder, wo immer Sie mögen, aber je-
enfalls Platz nehmen, können wir mit den weiteren Ab-
timmungen fortfahren.

Nachdem sich nun allmählich eine fast weihnachtli-
he Stille über den Plenarsaal legt, können wir die Ab-
timmungen fortsetzen mit der erneuten freundlichen
inladung, sie im Sitzen zu absolvieren, weil es höhere
esetzliche Anforderungen jedenfalls für den Abstim-
ungsvorgang nicht gibt.

Wir kommen zunächst zum Entschließungsantrag der
PD-Fraktion auf der Drucksache 17/282. Wer stimmt
ür diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dage-
en? – Wer enthält sich? – Damit ist dieser Entschlie-
ungsantrag abgelehnt.

Wir kommen zum Entschließungsantrag der Fraktion
ündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 17/283. Wer

timmt für diesen Antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer
nthält sich? – Auch dieser Antrag hat keine Mehrheit
efunden.

Seite 1092 D
)

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1091


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Präsident Dr. Norbert Lammert
Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Erste Beratung des von den Abgeordneten Oliver
Krischer, Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs
eines … Gesetzes zur Änderung des Bundes-
Immissionsschutzgesetzes

– Drucksache 17/156 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Das ist offenkun-
dig einvernehmlich. Dann können wir so verfahren.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zu-
nächst dem Kollegen Oliver Krischer für die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701301600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn die

Nachrichten, die wir von der Konferenz in Kopenhagen
bekommen, stimmen, dann bestehen Chancen, dass wir
doch noch zu einer Vereinbarung kommen und das
2-Grad-Ziel festschreiben. Ich glaube, ich spreche im
Namen aller in diesem Hause, wenn ich denjenigen, die
dort gerade verhandeln und guten Willens sind, den best-
möglichen Erfolg wünsche.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


Es gibt aber schon ein anderes Ergebnis aus Kopenha-
gen, das leider nicht erfreulich ist, nämlich dass unter der
Klimakanzlerin a. D., Frau Dr. Angela Merkel,


(Widerspruch bei der CDU/CSU))


Deutschland die Führungsrolle im internationalen Kli-
maschutz abgegeben hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deutschland, bisher international Vorreiter im Klima-
schutz, ist vom Motor zum Bremser geworden, und die
Welt hat gemerkt, dass man in Deutschland zwar viel-
leicht ambitionierte Ziele hat, aber bei der Umsetzung
Anspruch und Wirklichkeit deutlich auseinanderklaffen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Nirgendwo wird das deutlicher als im Energiesektor,
der für über 40 Prozent der Emissionen, die aus Kraft-
werken – ganz überwiegend aus Kohlekraftwerken –
stammen, verantwortlich ist. Dieser Anteil der Emissio-
nen nimmt in den letzten Jahren sowohl absolut als auch
relativ immer weiter zu. Das ist erschreckend, wenn wir
unsere Klimaschutzziele erreichen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen diese hohen Emissionen senken. Doch
die Realpolitik sieht ganz anders aus. Wir müssen nur
nach Nordrhein-Westfalen schauen. Parallel zur Kon-

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(C (D erenz in Kopenhagen schafft die dortige Landesregieung den Klimaschutz in der Landesplanung ab, als ollte sie beweisen, dass Deutschland die Vorreiterrolle bgeben will. er die handelnden Personen in Nordrhein-Westfalen ennt, den überrascht das nicht. Dort spricht man inzwichen, wenn es um Klimaschutz geht, von George W. üttgers, (Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


inem großen Protagonisten, der das Landesgesetz ei-
ens ändert – die berühmte Lex Eon –, um ein vom Ge-
icht gestopptes Kohlekraftwerk zu genehmigen.

Schlimmer als das, was in Nordrhein-Westfalen pas-
iert, ist das, was der Bundesumweltminister zu diesem
hema sagt. Hier im Bundestag gibt er den Umwelt-
hilosophen und redet von der ökologischen Erneuerung
er Industriegesellschaft. In den Feuilletons lesen wir
hnliche Äußerungen. In der Realität aber begrüßt er
von der Konferenz in Kopenhagen aus – das, was in
ordrhein-Westfalen passiert. Daher befürchte ich
chlimmes für unser Land, was den Klimaschutz in den
ächsten Jahren angeht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dass es auch ohne neue Kohlekraftwerke geht, haben
chon die Meseberger Beschlüsse der Großen Koalition
ezeigt. Danach sollen der Anteil der erneuerbaren Ener-
ien bis 2020 bei 30 Prozent, der Anteil der Kraft-
ärme-Kopplung bei 25 Prozent und der Anteil der

tromeinsparung bei 11 Prozent liegen. Das macht ins-
esamt 66 Prozent. Das heißt, wir müssen nur noch ein
rittel der Energie aus dem vorhandenen Kraftwerks-
ark beziehen. Dazu brauchen wir kein einziges neues
ohlekraftwerk. Trotzdem sind in Deutschland nach wie
or 25 Kohlekraftwerksprojekte in Planung. Wir brau-
hen aber kein einziges, wenn wir unsere Klimaschutz-
iele erreichen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Problem ist, dass die Genehmigungsbehörden
war die Gestaltung des Kühlturms bestimmen können,
ass aber CO2-Emissionen und Klimaschutz in den Ge-
ehmigungsverfahren überhaupt keine Rolle spielen.
as muss sich ändern, wenn wir bei unseren Klima-

chutzzielen vorankommen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


iesen Missstand wollen wir ändern. Deshalb haben wir
hnen unseren Gesetzentwurf zur Beratung vorgelegt.

ir wollen, dass neue Kraftwerke einen Mindestwir-
ungsgrad von 58 Prozent aufweisen müssen. Dieser
ird nur von modernen GuD-Kraftwerken erreicht, die
ur ein Drittel dessen emittieren, was ein neues Braun-
ohlekraftwerk emittiert. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt unseres Gesetzentwurfs ist: Wir
ollen anstelle von reinen Kondensationskraftwerken,
ie nur Strom erzeugen, die hoch effiziente und dezen-

1092 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Oliver Krischer

Russland teuer importiertem Erdgas beheizt werden. Das (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen Stromerzeugung und Wärmeproduktion zu-
sammenbringen. Das wäre eine wirkliche Effizienzrevo-
lution in der Energiewirtschaft. Aber dazu finde ich im
Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP kein Wort,
keine Zeile, keine Silbe.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir wollen – das ist der dritte zentrale Punkt unseres
Gesetzentwurfs –, dass mit angemessenen Übergangs-
fristen alte, völlig ineffiziente Kraftwerke entweder er-
tüchtigt werden und einen höheren Wirkungsgrad errei-
chen oder, wenn der Betreiber das nicht will oder nicht
finanzieren möchte, stillgelegt werden. Denn die Ent-
wicklung zeigt: Es werden neue Kohlekraftwerke ge-
baut, aber alte nicht stillgelegt. So kommen Emissionen
obendrauf. Hier zeigt sich der Emissionshandel bisher
leider als wirkungslos.

Das zeigt sich zum Beispiel im rheinischen Frim-
mersdorf bei Grevenbroich. Dort, im Rheinland, nicht in
Polen oder Griechenland oder sonst wo, steht das
schmutzigste Kraftwerk Europas, betrieben vom RWE-
Konzern.


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Von wem sonst!)


Es scheint sich offensichtlich für diesen Konzern zu loh-
nen, dieses schmutzige Kraftwerk trotz des Emissions-
handels weiter zu betreiben, obwohl er neue Kraftwerke
baut. Mit solchen Profiten muss Schluss sein. Es kann
nicht sein, dass ein Konzern auf Kosten des Klimas Geld
verdient.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum Schluss möchte ich noch meiner Freude Aus-
druck geben, dass die SPD, die ich in Nordrhein-Westfa-
len immer als vehemente Befürworterin von Kohlekraft-
werken erlebt habe, zumindest auf Bundesebene dabei
ist, ihre Position zu ändern. Nicht anders kann ich eine
dpa-Meldung vom 14. Dezember über den Kollegen
Kelber interpretieren, der sich zu Kopenhagen und zur

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Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 571;
davon

ja: 497
nein: 66
enthalten: 8

Ja

CDU/CSU

Ilse Aigner
Peter Altmaier
Peter Aumer

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(D ch freue mich darauf, wenn Sie und vielleicht auch die ollegen der anderen Seite des Hauses sich bei den wei eren Beratungen über diesen Gesetzentwurf Gedanken achen, damit wir vorankommen und damit wir Milliar en nicht in Kohlekraftwerke investieren, sondern in ereuerbare Energien, in Maßnahmen zur Erhöhung der nergieeffizienz, in Anlagen der Kraft-Wärme-Kopp ung und in Maßnahmen zur Energieeinsparung. Das raucht das Klima, und das braucht der Wirtschaftstandort Deutschland. Danke schön. Lieber Kollege Krischer, herzlichen Glückwunsch zu hrer ersten Rede im Deutschen Bundestag. s war Ihnen deutlich anzumerken, dass Ihnen die reude an der parlamentarischen Arbeit von Minute zu inute zuwuchs. (Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deutlich ab der siebten!)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701301700

(Beifall)


Ab der siebten besonders auffällig. –


(Heiterkeit)


eswegen habe ich mich nicht getraut, Ihnen auch nur
inen dezenten Hinweis darauf zu geben, was ab sofort
ilt, nämlich die Redezeit, die die Fraktion für Sie ange-
eldet hat.


(Iris Gleicke [SPD]: Das war in Ordnung, Herr Präsident!)


Ich möchte Ihnen nun das von den Schriftführerinnen
nd Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
bstimmung über die Fortsetzung der Althea-Mission
ekannt geben. Abgegebene Stimmen 571. Mit Ja haben
estimmt 497, mit Nein 66 Kolleginnen und Kollegen.
s gab 8 Enthaltungen. Damit ist die Beschlussempfeh-

ung mit breiter Mehrheit angenommen.

orothee Bär
homas Bareiß
orbert Barthle
ünter Baumann
rnst-Reinhard Beck

(Reutlingen)

anfred Behrens (Börde)


Veronika Bellmann
Dr. Christoph Bergner
Peter Beyer
Steffen Bilger
Clemens Binninger
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
ist doch Unsinn.
trale Kraft-Wärme-Kopplung
kungsgrade von über 90 Proz
sprechend geringe CO2-Emissio
Irrsinn, wenn zum Beispiel run
nen der größten Ballungsräume
Kohlekraftwerken gebaut wird,
gie nutzlos an die Umgebung
Städten Millionen schlecht isoli
voranbringen, die Wir-
ent haben kann und ent-
nen aufweist. Es ist doch
d um das Ruhrgebiet, ei-
Europas, ein Kranz von
die 60 Prozent der Ener-
abgeben, während in den
erter Wohnungen mit aus

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ex Eon in Nordrhein-Westfal
ich zitiere –:

Es ist das völlig falsche S
wird mit neuen Kohle-Dr
nal völlig unglaubwürdig.

err Kelber – er ist leider nich
en, haben Sie recht.

(Cen geäußert hat. Er sagte ignal, denn Deutschland eckschleudern internatio t hier –: Wo Sie recht ha Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1093 Präsident Dr. Norbert Lammert Wolfgang Börnsen Norbert Brackmann Klaus Brähmig Michael Brand Dr. Reinhard Brandl Helmut Brandt Dr. Ralf Brauksiepe Dr. Helge Braun Heike Brehmer Ralph Brinkhaus Gitta Connemann Leo Dautzenberg Alexander Dobrindt Thomas Dörflinger Marie-Luise Dött Dr. Thomas Feist Enak Ferlemann Ingrid Fischbach Hartwig Fischer Dirk Fischer Axel E. Fischer (Karlsruhe Land)


(A) )


(B) )


(Bönstrup)

Dr. Maria Flachsbarth
Klaus-Peter Flosbach
Herbert Frankenhauser
Dr. Hans-Peter Friedrich


(Hof)

Michael Frieser
Erich G. Fritz
Dr. Michael Fuchs
Hans-Joachim Fuchtel
Alexander Funk
Ingo Gädechens
Dr. Thomas Gebhart
Norbert Geis
Alois Gerig
Eberhard Gienger
Josef Göppel
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Reinhard Grindel
Hermann Gröhe
Michael Grosse-Brömer
Astrid Grotelüschen
Markus Grübel
Manfred Grund
Monika Grütters
Dr. Karl-Theodor Freiherr zu

Guttenberg
Olav Gutting
Florian Hahn
Holger Haibach
Dr. Stephan Harbarth
Jürgen Hardt
Gerda Hasselfeldt
Dr. Matthias Heider
Mechthild Heil
Ursula Heinen-Esser
Frank Heinrich
Rudolf Henke
Michael Hennrich
Ansgar Heveling
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Christian Hirte
Robert Hochbaum

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arl Holmeier
ranz-Josef Holzenkamp
oachim Hörster
nette Hübinger
homas Jarzombek
r. Dieter Jasper
ndreas Jung (Konstanz)

r. Franz Josef Jung
r. Egon Jüttner
artholomäus Kalb
teffen Kampeter
lois Karl
ernhard Kaster

(VillingenSchwenningen)


olker Kauder
r. Stefan Kaufmann
oderich Kiesewetter
ckart von Klaeden
olkmar Klein
ürgen Klimke
ulia Klöckner
xel Knoerig

ens Koeppen
anfred Kolbe
r. Rolf Koschorrek
artmut Koschyk
homas Kossendey
ichael Kretschmer
unther Krichbaum
r. Günter Krings
r. Martina Krogmann
üdiger Kruse
ettina Kudla
r. Hermann Kues
ünter Lach
r. Karl A. Lamers

(Heidelberg)

ndreas G. Lämmel
r. Norbert Lammert
atharina Landgraf
lrich Lange
r. Max Lehmer
aul Lehrieder
r. Ursula von der Leyen
gbert Liebing
atthias Lietz
r. Carsten Linnemann
atricia Lips
r. Jan-Marco Luczak
r. Michael Luther
arin Maag
r. Thomas de Maizière
ans-Georg von der Marwitz
ndreas Mattfeldt
tephan Mayer (Altötting)

r. Michael Meister
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r. h. c. Hans Michelbach
r. Mathias Middelberg
hilipp Mißfelder
ietrich Monstadt
arlene Mortler

tefan Müller (Erlangen)

adine Müller (St. Wendel)

r. Gerd Müller
r. Philipp Murmann

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r. Georg Nüßlein
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r. Michael Paul
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r. Joachim Pfeiffer
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r. Peter Ramsauer
ckhardt Rehberg
atherina Reiche (Potsdam)

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laus Riegert
r. Heinz Riesenhuber

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r. Christian Ruck
rwin Rüddel
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nita Schäfer (Saalstadt)

r. Annette Schavan
r. Andreas Scheuer
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orbert Schindler
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eorg Schirmbeck
hristian Schmidt (Fürth)

atrick Schnieder
r. Andreas Schockenhoff
r. Ole Schröder
ernhard Schulte-Drüggelte
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(Weil am Rhein)

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einhold Sendker
r. Patrick Sensburg
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r. Frank Steffel
hristian Freiherr von Stetten
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tephan Stracke
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ichael Stübgen
r. Peter Tauber
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r. Hans-Peter Uhl
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(C (D ndrea Astrid Voßhoff r. Johann Wadephul arco Wanderwitz ai Wegner arcus Weinberg eter Weiß abine Weiss go Wellenreuther arl-Georg Wellmann eter Wichtel nnette Widmann-Mauz laus-Peter Willsch lisabeth WinkelmeierBecker agmar Wöhrl r. Matthias Zimmer olfgang Zöller illi Zylajew PD grid Arndt-Brauer ainer Arnold einz-Joachim Barchmann oris Barnett r. Hans-Peter Bartels laus Barthel ören Bartol abine Bätzing irk Becker othar Binding erd Bollmann laus Brandner illi Brase ernhard Brinkmann delgard Bulmahn etra Crone r. Peter Danckert artin Dörmann lvira Drobinski-Weiß arrelt Duin ebastian Edathy iegmund Ehrmann r. h. c. Gernot Erler etra Ernstberger arin Evers-Meyer lke Ferner abriele Fograscher r. Edgar Franke agmar Freitag eter Friedrich igmar Gabriel ichael Gerdes artin Gerster is Gleicke ünter Gloser lrike Gottschalck ngelika Graf ichael Groß olfgang Gunkel ans-Joachim Hacker ettina Hagedorn laus Hagemann ichael Hartmann ubertus Heil olf Hempelmann 1094 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 Präsident Dr. Norbert Lammert Dr. Barbara Hendricks Gustav Herzog Gabriele Hiller-Ohm Frank Hofmann Dr. Eva Högl Christel Humme Oliver Kaczmarek Johannes Kahrs Dr. h. c. Susanne Kastner Lars Klingbeil Hans-Ulrich Klose Dr. Bärbel Kofler Daniela Kolbe Fritz Rudolf Körper Anette Kramme Nicolette Kressl Angelika Krüger-Leißner Ute Kumpf Christine Lambrecht Christian Lange Dr. Karl Lauterbach Steffen-Claudio Lemme Burkhard Lischka Gabriele Lösekrug-Möller Kirsten Lühmann Caren Marks Katja Mast Hilde Mattheis Petra Merkel Franz Müntefering Dr. Rolf Mützenich Dietmar Nietan Thomas Oppermann Aydan Özoğuz Heinz Paula Johannes Pflug Joachim Poß Dr. Wilhelm Priesmeier Dr. Sascha Raabe Mechthild Rawert Gerold Reichenbach Dr. Carola Reimann Sönke Rix René Röspel Dr. Ernst Dieter Rossmann Karin Roth Anton Schaaf Axel Schäfer Bernd Scheelen Dr. Hermann Scheer Marianne Schieder Werner Schieder Ulla Schmidt Carsten Schneider Olaf Scholz Ottmar Schreiner Swen Schulz Ewald Schurer Dr. Angelica Schwall-Düren Dr. Martin Schwanholz Rolf Schwanitz Stefan Schwartze Dr. Carsten Sieling Sonja Steffen Peer Steinbrück Dr. Frank-Walter Steinmeier C K D W R U D D U D M B F J C C D F S C N K R A E M S H R D P M R J U O P D H H M J D H M E B D H M D P D H G D S P H S H S L D hristoph Strässer erstin Tack r. h. c. Wolfgang Thierse olfgang Tiefensee üdiger Veit te Vogt r. Marlies Volkmer r. Dieter Wiefelspütz ta Zapf agmar Ziegler anfred Zöllmer rigitte Zypries DP ens Ackermann hristian Ahrendt hristine AschenbergDugnus aniel Bahr lorian Bernschneider ebastian Blumenthal laudia Bögel icole Bracht-Bendt laus Breil ainer Brüderle ngelika Brunkhorst rnst Burgbacher arco Buschmann ylvia Canel elga Daub einer Deutschmann r. Bijan Djir-Sarai atrick Döring echthild Dyckmans ainer Erdel örg van Essen lrike Flach tto Fricke aul K. Friedhoff r. Edmund Peter Geisen ans-Michael Goldmann einz Golombeck iriam Gruß oachim Günther r. Christel Happach-Kasan einz-Peter Haustein anuel Höferlin lke Hoff irgit Homburger r. Werner Hoyer einer Kamp ichael Kauch r. Lutz Knopek ascal Kober r. Heinrich L. Kolb ellmut Königshaus udrun Kopp r. h. c. Jürgen Koppelin ebastian Körber atrick Kurth einz Lanfermann ibylle Laurischk arald Leibrecht abine LeutheusserSchnarrenberger ars Lindemann r. Martin Lindner C M D O H P G J P B D D H C G D D D B F C J M D W J D J D T D C S F S J D D D D H B D K M V C B A V E K H D K K B B P U D I T hristian Lindner ichael Link r. Erwin Lotter liver Luksic orst Meierhofer atrick Meinhardt abriele Molitor an Mücke etra Müller urkhardt Müller-Sönksen r. Martin Neumann irk Niebel ans-Joachim Otto ornelia Pieper isela Piltz r. Birgit Reinemund r. Peter Röhlinger r. Stefan Ruppert jörn Sänger rank Schäffler hristoph Schnurr immy Schulz arina Schuster r. Erik Schweickert erner Simmling udith Skudelny r. Hermann Otto Solms oachim Spatz r. Max Stadler orsten Staffeldt r. Rainer Stinner arl-Ludwig Thiele tephan Thomae lorian Toncar erkan Tören ohannes Vogel r. Daniel Volk r. Guido Westerwelle r. Claudia Winterstein r. Volker Wissing artfrid Wolff ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN erstin Andreae arieluise Beck olker Beck ornelia Behm irgitt Bender lexander Bonde iola von Cramon-Taubadel kin Deligöz atja Dörner ans-Josef Fell r. Thomas Gambke ai Gehring atrin Göring-Eckardt ritta Haßelmann ettina Herlitzius riska Hinz lrike Höfken r. Anton Hofreiter ngrid Hönlinger hilo Hoppe U K M S U T O A F S R U M N A J K D O F L B T C K M E C D D D M J D D N C D D J A D H K M H S C D R S D H W D K W N D A D In D (C (D we Kekeritz atja Keul emet Kilic ven Kindler te Koczy homas Koenigs liver Krischer gnes Krumwiede ritz Kuhn tephan Kühn enate Künast ndine Kurth arkus Kurth icole Maisch gnes Malczak erzy Montag erstin Müller r. Konstantin von Notz mid Nouripour riedrich Ostendorff isa Paus rigitte Pothmer abea Rößner laudia Roth rista Sager anuel Sarrazin lisabeth Scharfenberg hristine Scheel r. Gerhard Schick r. Frithjof Schmidt orothea Steiner arkus Tressel ürgen Trittin aniela Wagner r. Valerie Wilms ein DU/CSU r. Peter Gauweiler IE LINKE an van Aken gnes Alpers r. Dietmar Bartsch erbert Behrens arin Binder atthias W. Birkwald eidrun Bluhm teffen Bockhahn hristine Buchholz r. Martina Bunge oland Claus evim Dağdelen r. Diether Dehm eidrun Dittrich erner Dreibus r. Dagmar Enkelmann laus Ernst olfgang Gehrcke icole Gohlke iana Golze nnette Groth r. Rosemarie Hein ge Höger r. Barbara Höll Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1095 Präsident Dr. Norbert Lammert Es sind aber gerade die neuen Effizienz mit geringstem Scha Es kann doch nicht das Ziel e diesem Hause sein, die Moder parks in Deutschland zu ver Krischer, das gilt auch für Nord (Beifall bei Abgeordnet Dass sie das Neubauverbot w schon einmal deutlicher gesagt Absicht jedoch sowohl in der auch in ihrem ersten Wortbei steckt. Bereits am 13. Mai dies tag mit breiter Mehrheit einen Kraftwerke, die höchste dstoffausstoß verbinden. iner Gesetzesänderung in nisierung des Kraftwerkhindern. Lieber Kollege rhein-Westfalen. en der CDU/CSU)


(Hildesheim)


(Wackernheim)


(A) )


(B) )


(Schwandorf)


(Lausitz)


(Frankfurt)


(Lüdenscheid)


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ollen, haben die Grünen
; diesmal haben sie diese
Gesetzesbegründung als
trag heute ziemlich ver-
es Jahres hat der Bundes-
Antrag der Grünen abge-

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(Beifall bei der CDU/C er für den Neubau von Anlag ass keiner diese Hürden übe nzulässig in das durch das rund geschützte Recht der fre (Beifall bei Abgeordnet Aber schauen wir noch ein ieses Gesetz in der Praxis hätt Erstens. Über 100 000 Arbe m Bereich des Braunund Ste raftwerksbereich würden vern ittelbare Folge dieses Gesetze SU und der FDP)


en so hohe Hürden setzt,
rwinden kann, der greift
Grundgesetz aus gutem
ien Berufswahl ein.

en der CDU/CSU)

mal auf die Folgen, die
e:

itsplätze in Deutschland
inkohlebergbaus und im
ichtet. Das wäre eine un-
s.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Andrej Konstantin Hunko
Ulla Jelpke
Dr. Lukrezia Jochimsen
Katja Kipping
Harald Koch
Jan Korte
Jutta Krellmann
Katrin Kunert
Sabine Leidig
Ralph Lenkert
Michael Leutert
Ulla Lötzer
Dr. Gesine Lötzsch
Ulrich Maurer
Dorothée Menzner

Niema Movassat
Wolfgang Nešković
Thomas Nord
Petra Pau
Jens Petermann
Richard Pitterle
Ingrid Remmers
Dr. Herbert Schui
Dr. Ilja Seifert
Kathrin Senger-Schäfer
Raju Sharma
Dr. Petra Sitte
Kersten Steinke
Sabine Stüber
Alexander Süßmair

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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Paul für
die CDU/CSU-Fraktion. Bitte schön, Herr Kollege Paul,
Sie haben das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Michael Paul (CDU):
Rede ID: ID1701301800

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und

Herren! „Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissions-
schutzgesetzes“, so heißt es im Titel des Gesetzentwurfs
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, den wir heute be-
raten. Das klingt harmlos, ist es aber nicht. Genau be-
trachtet müsste es heißen: „Gesetz über den Ausstieg aus
der Kohlenutzung in Deutschland“; denn genau darum
geht es.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Die Grünen wollen praktisch den vollständigen Ausstieg
aus der Kohlenutzung in Deutschland – und das inner-
halb der nächsten elf Jahre, und zwar sowohl aus der
Steinkohle als auch aus der Braunkohle. Dieser Gesetz-
entwurf bedeutet das Aus für neue Kohlekraftwerke,
also auch für neue, hocheffiziente; denn die für solche
neuen Kraftwerke im Gesetzentwurf vorgesehenen Min-
destwirkungsgrade von 58 Prozent können Kohlekraft-
werke zurzeit und auch in den nächsten Jahren technisch
nicht erreichen. Es handelt sich also hierbei um ein Neu-
bauverbot, das gefordert wird.

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(C (D r. Kirsten Tackmann rank Tempel lexander Ulrich athrin Vogler ahra Wagenknecht alina Wawzyniak arald Weinberg atrin Werner örn Wunderlich abine Zimmermann ÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN ans-Christian Ströbele Enthalten SPD Petra Hinz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Winfried Hermann Maria Klein-Schmeink Sylvia Kotting-Uhl Monika Lazar Beate Müller-Gemmeke Dr. Wolfgang Strengmann Kuhn Dr. Harald Terpe ehnt, der die Dinge eindeutig beim Namen nannte. Der itel des Antrags von damals lautete: „Neue Kohlekrafterke verhindern – Genehmigungsrecht verschärfen“. eine Damen und Herren, auch wenn man alte „Kamel en“, wie man bei uns im Rheinland sagt, immer wieder ervorholt, werden sie dadurch nicht zum Dauerlutscher. der anders gesagt: Auch durch Wiederholung wird Unernünftiges nicht vernünftig. Wenn wir die weiteren Forderungen des Gesetzenturfes wörtlich nehmen, hieße das, dass bereits in den ächsten sechs Jahren die bestehenden Kohlekraftwerke o umgerüstet werden müssten, dass sie einen Mindestirkungsgrad von 38 Prozent bei Steinkohle und 6 Prozent bei Braunkohle erreichen. Ab Ende 2020 ollten es dann noch einmal 2 Prozentpunkte mehr sein. uch Gaskraftwerke dürften dann nach dem Willen der rünen einen Wirkungsgrad von 40 Prozent nicht unter chreiten. Diese Umrüstung ist aber in den allermeisten ällen technisch nicht machbar. Ein sehr großer Teil der eutschen Kohlekraftwerke müsste damit spätestens nde 2020 vom Netz gehen. Darüber, dass dieses Gesetz wahrscheinlich verfasungswidrig ist, will ich heute gar nicht sprechen. Ein inweis sei aber gestattet: Wer bestehenden Anlagen, ie eine unbefristete Betriebsgenehmigung haben, durch rdrosselnde Vorschriften den Garaus machen will, der etzt sich über rechtsstaatliche Prinzipien wie Verhältnisäßigkeit, Vertrauensschutz und Rechtssicherheit hineg. 1096 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 Dr. Michael Paul Zweitens. Die Sicherheit der Versorgung Deutschlands mit Energie würde massiv gefährdet. Wenn es nach den Grünen ginge, dann sollten wir ja aus der Kernenergie aussteigen – je schneller desto besser; so verstehe ich Sie jedenfalls immer. Aus der Kohle sollen wir auch aussteigen. Das zeigt Ihr heutiger Gesetzentwurf. Beides zusammen genommen bedeutet, dass ab dem Jahr 2020 fast die gesamte Grundlast, die heute zu rund 95 Prozent von Braunkohle und Kernenergie getragen wird, nicht mehr gesichert wäre. Das ist für eine Industrienation wie Deutschland verantwortungslos; denn um die Stabilität des Netzes zu gewährleisten, sind in gleichmäßiger Verteilung Grundlastkraftwerke in Deutschland notwendig. Eine sich ansonsten ergebende erhebliche Schwankung der Stromfrequenz hätte fatale Auswirkungen bis hin zu regelmäßigen Zusammenbrüchen der Stromversorgung. Das können wir nicht ernsthaft riskieren. Die Alternative wäre der massive Import von Strom. Import von Strom heißt aber nichts anderes, als dass die Emissionen exportiert und ins Ausland verlagert werden. Das kommt also auch nicht infrage, zumal eine zunehmende Abhängigkeit Deutschlands sowohl vom Stromals auch vom Gasimport unsere Versorgung nicht sicherer, sondern immer unsicherer machen würde. Das können wir nicht ernsthaft wollen. Drittens. Unser ehrgeiziges Klimaschutzziel – 40 Prozent Minderung der CO2-Emissionen in Deutschland gegenüber 1990 bis zum Jahr 2020 – können wir auch mit der Kohleverstromung erreichen. Das gilt übrigens für die gesamte Europäische Union, wie jüngst in einer Studie des Umweltbundesamtes vom September dieses Jahres gezeigt wurde, also in einer Studie von einer Institution, die sicher unverdächtig ist, eine glühende Kohlebefürworterin zu sein. Viertens. Mit diesem Gesetz wäre auch ein möglicherweise ökologisch vorteilhafter Einsatz von Kohle in Verbindung mit der CO2-Abscheidung und Speicherung, also dem sogenannten CCS, unmöglich gemacht. Das kann ökologisch nicht vernünftig sein. Fünftens. Ein deutscher Sonderweg raus aus der Kohle wäre international gesehen nicht mehr als ein „Tröpfchen“ auf den heißen Stein. Schließlich ist die Kohle der Energieträger, der global gesehen am längsten verfügbar sein wird. Darum ist eine intelligente Nutzung der Kohle erforderlich. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Sechstens. Der Strom würde deutlich teurer, wenn es
so kommt, wie Sie wollen, meine Damen und Herren
von Bündnis 90/Die Grünen.


(Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!)


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(C (D enn das Angebot verknappt wird, weil die Kohlekrafterke vom Netz gehen, dann ist die Verteuerung eine otwendige Folge. Sie aber schweigen in Ihrem Gesetzntwurf wohlweislich zu den Auswirkungen auf die reise, die private und gewerbliche Kunden künftig zah en müssen. Dieses Schweigen spricht doch Bände. Siebtens. Das Gesetz wäre in der Praxis schwer zu ollziehen. Einen Wirkungsgrad festzustellen, ist techisch deutlich anspruchsvoller, als beispielsweise einen missionswert zu messen. Notwendig sind aufwendige essverfahren über längere Zeitreihen. Mehr Aufwand nd höhere Kosten, auch das wäre eine Folge dieses Geetzes. (Beifall des Abg. Ingbert Liebing [CDU/ CSU])


Meine Damen und Herren, um die angestrebten CO2-
insparungen zu erreichen, brauchen wir den ordnungs-

echtlichen Ansatz der Grünen nicht. Wir haben bereits
in ökologisch wie ökonomisch wirkungsvolles Instru-
ent: den Emissionshandel. Mit diesem marktwirt-

chaftlichen Instrument werden ja die ökologischen ex-
ernen Kosten zumindest teilweise verursachergerecht
nternalisiert. Eine Beschränkung der Emissionen wird
abei durch das wirksamste ökonomische Instrument ge-
ährleistet, das es gibt, nämlich durch die Wirtschaft-

ichkeit. Denn je höher die Effizienz und je niedriger der
missionsausstoß, desto geringere Kosten entstehen für
ie am Emissionshandel teilnehmenden Unternehmen.


(Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Genau richtig!)


er Emissionshandel gibt einen sinnvollen Anreiz zum
insatz von Spitzentechnologie. Er schafft eine Balance
wischen Versorgungssicherheit einerseits und Klima-
chutz andererseits, da die Emissionsrechte stetig verrin-
ert werden.

Gestatten Sie mir noch ein Wort zu der von den Grü-
en geforderten Streichung des § 5 Abs. 1 Satz 4 des
undes-Immissionsschutzgesetzes. Dort werden Anla-
en von der Pflicht ausgenommen, Energie effizient zu
erwenden, wenn sie am Emissionshandel teilnehmen.
ber die Frage der Notwendigkeit dieser Vorschrift kön-
en wir uns gerne unterhalten. Aber es ist doch mehr als
emerkenswert, dass diese Vorschrift gerade auf Antrag
er Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD
m Jahre 2004 in das Bundes-Immissionsschutzgesetz
ineingebracht wurde. Ausgerechnet diese Grünen ver-
angen jetzt die Streichung der von ihnen selbst mit ver-
rsachten Vorschrift. Sehr bemerkenswert!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Lassen Sie mich zusammenfassend feststellen: Da der
esetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen die Versor-
ungssicherheit gefährdet und weder ökologisch noch
konomisch vorteilhaft ist und weil wir mit dem Emis-
ionshandel einen effizienten Lenkungsmechanismus
aben, wird die CDU/CSU-Fraktion dieses Vorhaben ab-
ehnen.

Vielen Dank.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1097


(A) )



(B) )


Dr. Michael Paul

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701301900

Auch Ihnen, Herr Kollege Paul, herzliche Gratulation

zur ersten Rede im Deutschen Bundestag und weiterhin
viel Erfolg bei der parlamentarischen Arbeit.


(Beifall)


Ute Vogt ist die nächste Rednerin für die SPD-Frak-
tion.


(Beifall bei der SPD)



Ute Vogt (SPD):
Rede ID: ID1701302000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Kollege Krischer, ein Teil der Freude
über die SPD ist sicherlich berechtigt; denn in der Tat
stimmen wir mit der Zielsetzung überein, dass wir die
Effizienz von Kohlekraftwerken steigern müssen. Wir
können durchaus darüber reden, dass der Mindestwir-
kungsgrad auch bei einer Genehmigung für den Neubau
ein geeignetes Instrument sein kann.

Allerdings bedeutet die Vorgabe von 58 Prozent Wir-
kungsgrad – das hat auch der Kollege Paul schon darge-
stellt – faktisch ein Verbot des Neubaus von Kohlekraft-
werken. Auch wenn wir darin übereinstimmen, dass wir
langfristig nicht darum herumkommen, fossile Energie-
träger durch erneuerbare Energien zu ersetzen, so gibt es
doch auch Argumente, warum wir im Moment auf den
Neubau nicht vollständig verzichten sollten.

Wir brauchen dringend einen Ersatz für Altanlagen;
wir brauchen eine Erneuerung des Kohlekraftwerkparks.
Die Kohlekraftwerke der 50er- und 60er-Jahre müssen
vom Netz. An dieser Stelle muss es Ersatzinvestitionen
geben. Diese wären nicht möglich, wenn man mit der
Vorgabe eines elektrischen Mindestwirkungsgrades in
Höhe von 58 Prozent den Neubau von Kohlekraftwerken
komplett verhindern würde. Die alten Dreckschleudern
– diese Kraftwerke hat der Kollege Kelber gemeint –
müssen vom Netz. Für diese muss Ersatz geschaffen
werden.


(Beifall bei der SPD und der FDP)


Wir müssen auch ernsthaft darüber diskutieren, ob
wir mit einem Quasiverbot für Neubauten unser gemein-
sames Ziel einer Dezentralisierung der Energieversor-
gung nicht ein wenig aus den Augen verlieren würden.
Denn ein Verzicht auf jeglichen Neubau würde bedeu-
ten, dass wir die Monopolstellung, die heute die großen
Energieversorger haben, festigen. Wir würden damit den
kleineren kommunalen Erzeugern wie beispielsweise
den Stadtwerken überhaupt keine Chance geben, den
Anschluss zu finden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wir sollten diesen Antrag zum Anlass nehmen, die
notwendigen Debatten zu führen. Wir sind dabei, wenn
es darum geht, das Genehmigungsrecht anzupassen. Prio-
rität muss das Ersetzen von alten Kohlekraftwerken
durch diejenigen Kraftwerke haben, die auf eine effi-
ziente Energieerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung

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(C (D etzen. Das ist bei einem Kohlekraftwerk der neuen Geeration durchaus möglich. Wir würden gerne den Weg beschreiten, eine untere bschneidegrenze für alte Kraftwerke einzuführen. Dies alten wir ebenso für sinnvoll wie einen Mindestwirungsgrad für neue Kraftwerke. Allerdings müssen wir ber die Höhe der Wirkungsgrade und über die Frage, ie hoch die Untergrenze sein soll, noch trefflich disku ieren. Mit Sicherheit werden wir über einige Punkte treiten. Die Zielrichtung ist klar. Zur Klärung der Frage, b Ihre vorgeschlagenen Maßnahmen die richtigen sind, m das Ziel zu erreichen, bedarf es noch einer ausführlihen Debatte. Michael Kauch erhält nun das Wort für die FDP-Frak ion. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der SPD)


(Beifall bei der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701302100


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1701302200

Meine Damen und Herren! Wir Liberale wollen lang-

ristig heraus aus den fossilen Kraftwerken und hin zu
iner Versorgung mit erneuerbaren Energien. Aber so,
ie die Grünen das hier vorschlagen, so läuft das eben
icht.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


Der Gesetzentwurf zeigt deutlich: Die Grünen haben
ie Wirkung des Emissionshandels überhaupt nicht ver-
tanden. Sie tun so, als hätten wir überhaupt keine euro-
äische Gesetzgebung. Der Emissionshandel begrenzt
ämlich gerade die Obergrenze der CO2-Emissionen.
nter diesem Deckel können Sie mit Ordnungsrecht ma-

hen, was Sie wollen: Sie werden keine einzige Tonne
O2 einsparen; denn jede Tonne CO2, die ein abgeschal-

etes Kohlekraftwerk nicht emittiert, wird von anderen
achfragern bei dann sinkenden Zertifikatepreisen sozu-

agen aufgekauft.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie haben ökonomisch überhaupt nicht verstanden,
ie das hier umweltpolitisch läuft. Sie machen es aus
em Bauch heraus und haben ein gutes Gefühl. Sie sa-
en, die bösen Konzerne müssten die Kohlekraftwerke
bschalten. Aber so werden Sie die Umwelt nicht retten.
as ist reine Symbolpolitik.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Geben Sie mal eine konkrete Antwort!)


Nur für die Zeit nach 2020, also für die Zeit, für die
ir noch keine EU-rechtliche Regelung haben, ist es
berhaupt von Bedeutung, was hier vorgeschlagen wird.
ie Frage der Energieeffizienz wird es uns ermögli-

hen, ab 2020 ein geringeres Cap EU-weit festzulegen.

1098 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701302300

Herr Kollege Kauch, gestatten Sie eine Zwischen-

frage des Kollegen Fell?


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1701302400

Sehr gerne.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701302500

Bitte sehr.


Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701302600

Herr Kollege Kauch, es ist erfreulich, festzustellen,

dass die FDP offensichtlich eine ganz neue Energiepoli-
tik auf den Weg bringen will. Statt einen Energiemix aus
Atom, Kohle, Erdöl, Erdgas und erneuerbaren Energien
anzustreben, sei das langfristige Ziel der Freien Demo-
kraten, wie Sie gerade betont haben, zu 100 Prozent er-
neuerbare Energien einzuführen. Das ist erfreulich. Aber
es widerspricht Ihren eigenen Aussagen. Sie haben im
Sinne der sogenannten Carbon-Leakage-Theorie be-
hauptet, dass dann, wenn wir beim Neubau von Kohle-
kraftwerken nicht vorangingen, an anderer Stelle Emis-
sionen stattfinden würden. Damit übersehen Sie, dass
der Ausbau erneuerbarer Energien auch in anderen Län-
dern bereits in einer solchen Geschwindigkeit erfolgt,
dass dort schon konventionelle Kraftwerke ersetzt wer-
den. Aufgrund der Geschwindigkeit des Ausbaus der er-
neuerbaren Energien ist diese Theorie nicht mehr halt-
bar. Wir können das in China oder auch anderswo
erkennen.

Deswegen frage ich Sie, ob die Carbon-Leakage-
Theorie wirklich haltbar ist. Diese Theorie ist nämlich
nur deswegen in die Welt gesetzt worden, um den An-
schein zu erwecken, erneuerbare Energien könnten nicht
schnell genug wachsen. Sie tun es aber. Sie können da-
mit auch in anderen Ländern ohne den Neubau von Koh-
lekraftwerken und Weiterem eine Vermeidung von
Emissionen in großem Stil bewirken.


Michael Kauch (FDP):
Rede ID: ID1701302700

Lieber Kollege Fell, wir sind uns einig, dass die er-

neuerbaren Energien mehr können, als man ihnen in der
Vergangenheit zugetraut hat. Eines ist aber klar: Solange
wir bei den Speichertechnologien nicht so vorankom-
men, dass wir auch aus Quellen mit einem schwan-
kenden Energieangebot eine durchgängig stetige Ver-
sorgung erreichen können, so lange wird es in der
Übergangsphase weiterhin nötig sein, mit Brückentech-
nologien zu arbeiten. Eine Brückentechnologie kann die
Kernkraft und vor allem auch die Kohletechnologie sein.
Wir unterscheiden uns, glaube ich, in der Einschätzung
dessen, wie schnell man bei den erneuerbaren Energien
die Speicherbarkeit und eine vollständige Netzintegra-
tion tatsächlich hinbekommt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, entscheidend für die
Frage, ob Kohlekraftwerke klimaverträglich sind, ist,
wie hoch die Begrenzung durch den Deckel ist, den der
Emissionshandel setzt. Sie können nicht sagen, der
Emissionshandel habe bisher nicht gewirkt; das haben

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(C (D ie ja gesagt. Er hat deshalb nicht gewirkt, weil Ihr daaliger Umweltminister, Herr Trittin, in der ersten Han elsphase die Obergrenzen so hoch gesetzt hat, dass er, enn ich es richtig im Kopf habe, 4 Millionen Tonnen O2 eingespart hat. (Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie für noch viel höhere eingetreten sind! Das ist doch wohl ein Witz!)


o können Sie natürlich auch keine Einspareffekte erzie-
en.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


b 2013 wird es eine klare Absenkung des Deckels ge-
en. Dies ist eine klare Klimaschutzmaßnahme mit ei-
em Anreiz für eine neue Energieversorgungsstruktur.

Im Übrigen, der vorliegende Gesetzentwurf ist
cheinheilig.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


ngeblich sollen Kohlekraftwerke effizienter gemacht
erden. Aber eigentlich ist das ein Gesetz zur Verhinde-

ung von Kohlekraftwerken und – schlimmer noch – ein
esetz zur Förderung von Gaskraftwerken. Genau das
ollen die Grünen, ohne dass sie es hier sagen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


ie Grenzwerte sind mit einem Wirkungsgrad von
8 Prozent so hoch, dass selbst moderne Kohlekraft-
erke dies nicht leisten können. Man findet eine entlar-
ende Formulierung in der Begründung Ihres Gesetzent-
urfes. Dort steht nämlich:

Moderne Gaskraftwerke können diesen elektri-
schen Wirkungsgrad erreichen. Soweit daraus folgt,
dass der Neubau von Kohlekraftwerken nicht mög-
lich ist, ist dies zum Schutz der Umwelt … notwen-
dig.

Das heißt doch in Wahrheit, Sie wissen, dass es einen
estbedarf an Strom gibt. Auch bei einem forcierten
usbau erneuerbarer Energien ist in den nächsten Jahr-

ehnten eine grundlastfähige Versorgung sicherzustellen.
ie entscheiden sich mit diesem Gesetzentwurf klar ge-
en die Kohle und für Gas. Das kann man vielleicht aus
er monokausalen Sicht, dass es um Klimaschutz geht,
egründen. Aber im Rahmen der Energiepolitik gilt
uch, das Ziel der Versorgungssicherheit zu sichern. In
ahrheit ist das, was Sie hier machen und nicht öffent-

ich sagen, eine Strategie pro Gas, eine Strategie für
ehr Abhängigkeit von Russland und von Turkmenistan


(Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es aber demagogisch!)


owie für mehr Abhängigkeit von durchleitenden Län-
ern wie der Ukraine. Da freut sich vor allen Dingen ei-
er, nämlich Herr Putin, dessen Lobbyist Sie hier im
eutschen Bundestag sind.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


as verwundert aber überhaupt nicht; denn Ihr ehemali-
er Außenminister, Herr Joschka Fischer, ist jetzt Gas-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1099


(A) )



(B) )


Michael Kauch
lobbyist, Lobbyist für die Nabucco-Pipeline und die
Wirtschaftsinteressen des Kaukasus.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie gegen diese Pipeline? Sagen Sie es doch!)


Mit dieser Strategie machen Sie Deutschland abhän-
gig und erpressbar; Sie gefährden die außenpolitische
Unabhängigkeit unseres Landes.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Weil Russland das Gas exportiert, anstatt es selbst zu
nutzen, werden dort die dreckigsten Kohlekraftwerke
weiterbetrieben, im Übrigen auch Kernkraftwerke, die
Sie hier abschalten wollen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie machen hier also eine Milchmädchenrechnung
auf. Es ist ein Nullsummenspiel für den Klimaschutz
und eine Katastrophe für die Versorgungssicherheit un-
seres Landes.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Quatsch!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701302800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dorothée Menzner

für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dorothee Menzner (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701302900

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Die Blindheit der bundesdeutschen Genehmi-
gungsgesetze in Bezug auf Klima- und Ressourcen-
schutz ist schon enorm. Werden bei einem geplanten
Kohlekraftwerk die Grenzwerte des Bundes-Immis-
sionsschutzgesetzes eingehalten, so hat der Betreiber in
der Regel Anspruch auf Genehmigung, selbst wenn die
Bürger, die Politik und die Behörden das eigentlich gar
nicht wollen. Bündnis 90/Die Grünen mussten das in
Hamburg-Moorburg leidvoll erfahren. Wenn der außer-
parlamentarische Widerstand in Berlin-Lichtenberg
nicht ausgereicht hätte, um das Vattenfall-Projekt der Er-
richtung eines Steinkohlekraftwerks zu kippen, wäre es
uns von der Linken nicht anders ergangen.

Es gibt also quasi einen Zwang, solche Dreckschleu-
dern zu genehmigen, wenn planungsrechtliche Auflagen
erfüllt sind. Dieser Zwang besteht, weil für CO2 keine
Grenzwerte gesetzt sind. Das ist der Fall in einem Land,
in dem man, wenn man in einem reinen Wohngebiet ei-
nen Kindergarten errichten will, aufwendigste Gutachten
beibringen muss, um nachzuweisen, dass die Emission,
in diesem Fall die Lärmemission, nicht zu hoch ist. Was
aber bei einem solchen Kraftwerk aus dem Schornstein
kommt und wie effizient der Rohstoff eingesetzt wird,
hat überhaupt keine Auswirkung auf die Genehmigungs-
fähigkeit. Das ist der Fall, weil CO2 bisher nicht als

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(C (D chadstoff eingestuft ist, anders als zum Beispiel chwefeldioxid, Stickoxide oder Schwermetalle. Jetzt könnte man einwenden – das Argument kam ben –, die Kraftwerke unterlägen doch dem Emissionsandel, der einen Grenzwert setze. Das ist aber ein ziemich zahnloses Argument; ich werde das gleich weiter usführen. In Anbetracht der Debatten, die wir im Moent führen, der Konferenz in Kopenhagen und der ge amtgesellschaftlichen Debatten halte ich die Ausnahen für CO2 für ziemlich unfassbar. Es stellt sich schon die Frage, wieso es überhaupt usnahmen für CO2 gibt. Wir alle wissen um die chädlichkeit von CO2. Schäden treten aber nicht unbeingt am Ort des Entstehens auf, sondern an irgendinem Ort, unter Umständen weit entfernt, wo die Folen der Klimaerwärmung – Dürre, Tod und Zerstörung – u spüren sind. Kann es sein, dass wir uns diese Ausahme im Bundes-Immissionsschutzgesetz noch leisten, eil die Folgen nicht bei uns vor der Haustür zu spüren ind? Vorletzte Woche hat die nationale Umweltbehörde der ereinigten Staaten von Amerika CO2 als gesundheitschädlich eingestuft. Die Chefin der dortigen Umweltbeörde hält dies für einen Schritt, den Treibhauseffekt achhaltig und pragmatisch zu bekämpfen. Ich finde, sie at recht. Damit wird in den USA etwas möglich, das bei ns bisher nicht möglich ist: Die Höhe des CO2-Austoßes einer Anlage sowie ihre Effizienz können die rundlage der Entscheidung in einem Genehmigungserfahren, zum Beispiel bei der Genehmigung eines raftwerkes, bilden. Der Gesetzentwurf der Grünen forert etwas Vergleichbares. Wir unterstützen das. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Wir haben eben die Einwände von Herrn Dr. Paul und
on Herrn Kauch gehört: Wir hätten doch den Emis-
ionshandel; damit sei doch alles wunderbar geregelt.
ber wenn das tatsächlich so wäre, dann müsste der Ge-

etzentwurf gar nicht sein.

Der Emissionshandel funktioniert nicht. Das will ich
n einigen Beispielen deutlich machen. Eben wurde
chon darauf hingewiesen, dass es Emissionsgutschrif-
en gibt, die gegen Projekte in der Dritten Welt aufge-
echnet werden. Wir wissen alle, dass ungefähr ein Drit-
el dieser Aufrechnungen nicht funktioniert und dass
ine Menge gemauschelt wird. Die Einsparung ist also
icht real.

Weil die Emissionsrechte noch bis 2012 verschenkt
erden, schaffen wir keinen Anreiz für die Energie-
nternehmen, sparsam zu sein. Die Zertifikate wurden
eichlich ausgegeben, und man hat derzeit noch keinen
enkungseffekt. Man kann nur hoffen, dass das eines Ta-
es anders ist.

Wir werden in der laufenden Handelsperiode 2008 bis
012 ungefähr 400 Millionen Tonnen CO2 übrig haben.
ie sind in die nächste Handelsperiode übertragbar. Von

1100 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dorothée Menzner
daher werden wir auch in näherer Zukunft, in der nächs-
ten Handelsperiode, keinen Lenkungseffekt haben.

Wir alle wissen, dass die Zeit davonläuft. Wir können
nicht so weitermachen wie bisher. Jedes neu genehmigte
Kraftwerk hat eine voraussichtliche Laufzeit von 40 bis
50 Jahren. Die Entscheidung, die wir heute fällen, be-
deutet also einen höheren Ausstoß, auch in Zukunft.

Deswegen: Einigen wir uns auf Mindestwirkungs-
grade, gerade beim Neubau fossiler Kraftwerke. Nur so
können wir die Klimasünden verringern.


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Eröffnen wir Räume für einen zukunftsfähigen Strom-
mix aus erneuerbaren Energien und auch Gaskraftwer-
ken, die deutlich schneller regelbar sind und besser zu
erneuerbaren Energien passen. Die ganze Diskussion
über die Grundlast ist fehl am Platz.

Wir brauchen eine juristische Handhabe, um den Bau
von extrem klimaschädlichen und ineffizienten Kraft-
werken verhindern zu können. Diesen Ansatz verfolgt
der Gesetzentwurf der Grünen. Diesen Ansatz unter-
stützt Die Linke.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701303000

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dr. Georg Nüßlein

für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1701303100

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! In der

Tat ist es so, dass man im Umweltrecht ambitionierte
Standards setzen muss. Insofern ist es legitim, über die
Frage nachzudenken, welche Wirkungsgrade Kohle-
kraftwerke in Zukunft haben können und müssen. Dabei
spielt die Erreichbarkeit die entscheidende Rolle. Dazu
haben der Kollege Paul und der Kollege Kauch das Not-
wendige gesagt: Ihnen geht es in der Tat um den deut-
schen Komplettausstieg aus der Nutzung der Kohle.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine neuen Kraftwerke!)


Wenn man sich das vornimmt, dann darf man aber
keinen Schaufenstergesetzentwurf vorlegen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Was Sie zu den Bestandsanlagen schreiben, ist ziemlich
entlarvend; denn Sie scheinen nicht davon auszugehen,
dass Ihr Vorschlag zum Tragen kommt. Es geht zuerst
um die ernsthafte Frage, wie die Übergangsfristen ge-
staltet werden müssten.

Es ist spannend, dass zwei verschiedene Termine in
Ihrem Gesetzentwurf stehen. Offenbar hat sich der Ver-
fasser des Gesetzentwurfs plötzlich besonnen. In der Be-
gründung sprechen Sie von der ersten Stufe zum 1. Ja-

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(C (D uar 2012, und im Gesetzestext schreiben Sie dann lötzlich 31. Dezember 2015. Jemandem ist es offenbar ufgefallen, dass man das so kurzfristig nicht machen ann. Es ist dem Verfasser auch aufgefallen, dass es ein verassungsrechtliches Problem gäbe. Das hat er geschickt mschifft, und zwar in der Weise, dass er über rt. 14 GG – Schutz des Eigentums – im Zusammenang mit Neuanlagen philosophiert, der aber gar nicht inschlägig ist. Bei Bestandsanlagen aber lässt er ihn aktisch weg. Sie wissen genau, dass man das so kalt, ie Sie das machen wollen, wenn es denn so käme, nicht achen kann. Deshalb sage ich noch einmal: Das ist ein chaufenstergesetzentwurf. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Helmut Kohl schon in den 70er-Jahren gemacht!)


Reden Sie nicht dazwischen.

Das ist wie immer bei Ihren Ausstiegsforderungen.
olange Sie in der Opposition sind, fordern Sie den so-
ortigen Ausstieg aus der Kernenergie. Aber wenn man
n der Regierung ist, dann ist dies plötzlich unverant-
ortbar, und die Laufzeiten werden um 20 Jahre und
ehr verlängert. Bei diesem Thema machen Sie es ge-

auso. Sie waren sieben Jahre in der Regierung.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben das doch gemacht! Sie machen es doch rückgängig!)


o bitte war da Ihre Forderung nach einem Ausstieg aus
er Kohlekraft? Die gab es nicht. Aber kaum dass Sie in
er Opposition sind, sagen Sie, dass wir die Kohle über-
aupt nicht brauchen und 100 Prozent erneuerbare Ener-
ien realistisch sind. Meine Damen und Herren, ein biss-
hen Realitätsbezug braucht man schon!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Zuruf der Abg. Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Bestreiten Sie doch bitte nicht das, was Sie selber in
hrem Gesetzentwurf formuliert haben.

Immerhin sind Sie, wie man Ihnen schon vorhin an-
and des Textes deutlich gemacht hat, bei den Neuanla-
en sehr ehrlich. Laut Ihrem Gesetzentwurf gibt es,
enn das mit dem Wirkungsgrad von 58 Prozent nicht

unktioniert, keine Neuanlagen. Das weist natürlich den
eg zum Gas. Ich gehe noch einen Schritt weiter als
err Kollege Kauch vorhin: Das wird infolge der Ent-
icklung auf den Gasmärkten nicht nur dazu führen,
ass woanders alte Kohlekraftwerke am Netz bleiben,
ondern dass es eine Gegenbewegung gibt. Die Tatsache,
ass Gas bei uns in Deutschland – in Verbindung mit
em Emissionshandel auch in Europa – teurer wird, wird
azu führen, dass Lieferantenländer wie zum Beispiel
ussland Kohlekraftwerke bauen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ch frage mich, ob man eine gesicherte Energieversor-
ung in Deutschland wirklich aufs Spiel setzen muss,

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1101


(A) )



(B) )


Dr. Georg Nüßlein
um am Ende nur die Emissionen von A nach B zu ver-
schieben.

Im Übrigen findet sich in dem Gesetzentwurf der
Grünen kein Wort zu CCS. Sie wissen genau, dass man
nicht beides kann, nämlich auf der einen Seite die Wir-
kungsgrade erhöhen und CO2-Abscheidung und -Spei-
cherung betreiben.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihnen ist aber bekannt, dass CCS den Wirkungsgrad reduziert? – Abg. Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Nein, ich lasse an dieser Stelle keine Zwischenfragen
zu. – Sie wissen genau, dass man nicht beides kann: Wir-
kungsgrade steigern und CCS betreiben. Von einem zu-
kunftsweisenden Gesetzentwurf hätte ich erwartet, dass
zu diesem Thema darin Stellung genommen wird.

Ganz vorne in Ihrem Gesetzentwurf schreiben Sie
wieder etwas über die Theorie, die mich immer ganz be-
sonders ärgert, dass nämlich eine teilweise Aufrechter-
haltung der konventionellen Energieversorgung die Ent-
wicklung der erneuerbaren Energien behindert. Das ist
objektiv falsch. Es gibt einen Einspeisevorrang, der im
EEG formuliert ist. Die neue Regierung wird an diesem
Einspeisevorrang nicht rütteln. Deshalb ist Ihre Behaup-
tung, dass das eine das andere behindert, widerlegt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Wir stehen dazu, dass wir unseren Beitrag dazu leis-
ten werden, die erneuerbaren Energien nach Kräften aus-
zubauen und zu fördern. Wir als Union wollen einen
dynamischen Energiemix, bei dem der Anteil der erneuer-
baren Energien mit Blick auf Wirtschaftlichkeit, Versor-
gungssicherheit und Klimaschutz aufwächst und der An-
teil der konventionellen Energieversorgung in gleichem
Maße abnimmt. Das halte ich für ganz entscheidend. Es
geht darum, sicherzustellen, dass wir keine Energielücke
bekommen und dass der Weg in eine dezentrale Energie-
versorgung, den auch wir wollen, so verläuft, dass die
Wirtschaft in diesem Land keinen Schaden nimmt.

Denn beim Klimaschutz können wir nicht ausschließ-
lich in Deutschland etwas bewegen. Es wird darauf an-
kommen, dass wir den Schwellenländern und anderen
Ländern zeigen, dass man beides kann: das Klima scho-
nen und wirtschaftlich vorankommen. Mit dem, was Sie
vorschlagen, nämlich schlagartig und schockartig in die
Wirtschaft einzugreifen, werden wir das nicht hinbe-
kommen. Der Weg, den die Union in der Energiepolitik
einschlägt, ist der realistischere und deshalb auch der
bessere.

Vielen herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans-Josef Fell [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Weg in den Atomstaat!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701303200

Das Wort zu einer Kurzintervention erhält die Kolle-

gin Steiner.

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(C (D Ich hätte verschiedene Anmerkungen zu machen zu achlichen Unrichtigkeiten, die hier geäußert worden ind, zum Beispiel vom Kollegen Kauch. Aber ich kann s mir nicht verkneifen, die Ausführungen des Kollegen üßlein in Bezug auf CCS und CO2-Speicherung zu orrigieren. Zur ersten Unrichtigkeit. Wenn Sie über Wirkungsrade und Klimaschutz reden, sollten Sie immer bedenen, dass CCS den Wirkungsgrad der Kohlekraftwerke rheblich senkt und deswegen eigentlich sogar ein gröeres Problem ist, weil mehr Energie erzeugt werden uss, um Strom abgeben zu können. (Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Das sage ich doch!)

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701303300

Zur zweiten Unrichtigkeit. Aus Gesprächen mit Ver-
retern der Betreiber, der Energieversorger oder der For-
chungsinstitute wissen Sie doch alle, dass diese sagen:
or 2020 bekommen wir das überhaupt nicht hin. Sie
auen die neuen Kohlekraftwerke aber jetzt. 2010 bzw.
012 sollen sie ans Netz gehen, und zwar ohne CCS,
eil das gar nicht umsetzbar ist, von den Problemen der
peicherung ganz abgesehen.

Deswegen ist es Augenwischerei, wenn man mit CCS
rgumentiert. Das ist nur ein Feigenblatt, das helfen soll,
ie Errichtung neuer Kohlekraftwerke durchzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701303400

Zur Erwiderung Herr Kollege Nüßlein.


Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1701303500

Liebe Kollegin, ich sage das ungern, insbesondere in

iner Sitzung kurz vor Weihnachten: Sie haben mir bei
iesem Thema entweder nicht zugehört, oder Sie konn-
en mir nicht folgen.


(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Beides!)


Ich habe gesagt, dass durch CCS die Wirkungsgrade
inken. Wenn Sie einen Gesetzentwurf zu den elektri-
chen Wirkungsgraden beim Thema Kohle vorlegen, ist
s natürlich notwendig, dass man auf dieses Thema ein-
eht. Dann muss man auch formulieren, was man ma-
hen würde, wenn CCS relevant würde. Wir alle wissen
icht, ob diese Technologie aufgrund ökonomischer oder
echnischer Fragen überhaupt einmal zum Tragen
ommt. Was die Machbarkeit angeht, bin ich absolut
hrlich. Aber man muss so etwas natürlich berücksichti-
en, und man kann nicht sagen, was Sie machen: Bei
ieser Gelegenheit kann man eine neue Technologie ver-
indern, nämlich CCS; das ist dann auch gleich vom
isch. Das wäre Tabula rasa auf ganzer Linie. Das ist
icht das, was wir wollen. Wir wollen sehr wohl die
ption haben, Kohle klimaschonend zu nutzen.

Warum wollen wir das? Auch das kann ich Ihnen sa-
en: Schlicht und einfach, weil Kohle in anderen Län-
ern weiterhin benutzt wird. Ich sehe uns in der Pflicht,
ie Technologien dafür zu liefern. Herr Kollege Fell, in

1102 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Dr. Georg Nüßlein
Indien oder China wird man sich nicht nach den deut-
schen Grünen richten, überhaupt nicht. Ich sehe uns in
der Pflicht, dass wir die entsprechenden Technologien
schaffen und entwickeln. Das wollen wir tun. Deswegen
ist eine technologiefreundliche, eine technologieoffene
Energiepolitik das, was Sie von der neuen Regierung er-
warten können.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dorothea Steiner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wir landen bei 4 Grad! Das kann ich Ihnen sagen!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701303600

Nächster Redner ist der Kollege Dirk Becker für die

SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dirk Becker (SPD):
Rede ID: ID1701303700

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Herr Krischer, Ihr Auftritt war in der Tat sehr dyna-
misch. Ich denke, der von Ihnen genannte Grund für
Ihren Gesetzentwurf ist ein richtiger und wichtiger: die
Effizienzsteigerung in der konventionellen Energiewirt-
schaft. Heute beziehen Sie sich auf den Bereich des
Stroms. Ich will das auf andere Bereiche ausdehnen: auf
den Wärmebereich, auf die Frage, wie wir künftig mit Öl
umgehen, aber auch auf die effizientere Verwertung der
Biomasse; auch darüber müssen wir in Zukunft diskutie-
ren. Ich glaube, dass die Frage der Effizienzpotenziale
die Debatte der nächsten Jahre bestimmen wird. Das ist
eine wichtige Aufgabe. Wir liegen hinter dem zurück,
was wir uns gemeinsam vorgenommen haben.

Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf konzen-
trieren Sie sich auf den Bereich der Stromversorgung.
Ich sage: Ja, es ist so, dass die Kohleverstromung – das
gilt insbesondere für Braunkohle – sehr CO2-intensiv ist.
Von daher ist die Frage, wie lange und wie wir Kohle-
verstromung betreiben, nicht nur von der Ressourcen-
verfügbarkeit abhängig, sondern auch von der Verant-
wortung für das Klima. Da sind wir eng beieinander.

Wir haben ja, weil wir da beieinander und weil wir
gemeinsam gegen die Kernenergie sind, unter Rot-Grün
beschlossen, eine energiepolitische Wende, eine ökologi-
sche Energiewende mit dem EEG einzuleiten. Das ist
aus dem Parlament, aus diesen Fraktionen gekommen.
Anders als Sie – auch in Zeiten der Großen Koalition –
befürchtet haben, ist dieses EEG nicht nur geschützt,
sondern sogar weiterentwickelt worden. So stehen wir
heute vor einer Prognose des Bundesverbandes Erneuer-
bare Energie, der sagt: Wir können 47 Prozent Strom aus
erneuerbaren Energien bis 2020 schaffen. Ich sage an
dieser Stelle: Wir sind froh und stolz darauf, dass wir das
mit unserer Politik möglich gemacht haben.


(Beifall bei der SPD)


Aber so sehr wir uns über diese positiven Aspekte
freuen, bleibt die Frage nach dem Rest. Daran entfacht
sich immer wieder der politische Streit. Wir bleiben da-

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(C (D ei: Kernenergie ist nicht unsere Lösung zur Deckung ieses Rests. Wir halten Kernenergie nach wie vor für ine Risikotechnologie und schließen sie damit aus. enn man das aber so wie Sie macht, bleiben nur Kohle nd Gas. Die Frage ist zu stellen, wie wir den restlichen trombedarf so effizient und so verträglich wie möglich nd entsprechend der Versorgungssicherheit zur Verfüung stellen können. Dies darf nicht passieren – da bin ich bei Ihnen –, inem alte ineffiziente Anlagen einfach weiterlaufen. Wir üssen alte Anlagen entweder modernisieren, wenn es öglich ist, oder gegebenenfalls durch neue effiziente nlagen ersetzen. Zu dieser Aussage stehen wir; dazu aben wir auch in der Vergangenheit Stellung bezogen. rau Vogt hat es gesagt: Ja, wir bekennen uns gerade mit lick auf Altanlagen zum Ordnungsrecht. Wir halten das rdnungsrecht für ein Instrument in Ergänzung zum ertifikatehandel. Wir gehen aber ein Stück weiter. Wir halten es durchus für möglich, dass man für diese Erneuerung des raftwerkeparks unter gewissen Bedingungen eine fianzielle Förderung zur Verfügung stellt. Sie haben ja as Thema Kraft-Wärme-Kopplung angesprochen. Wenn ir hohe Effizienzgrade erreichen wollen, wenn wir eien Vorrang der Kraft-Wärme-Kopplung sicherstellen ollen und wenn wir insbesondere für dezentrale Struk uren neue Kraftwerkstechnologien zur Verfügung stelen wollen, müssen wir schauen, wie wir das fördern önnen. Wir haben über das Kraft-Wärme-Kopplungsesetz in der Großen Koalition einen ersten Anreiz geetzt. Wir haben durch die Förderung des Neubaus und es Leitungszubaus erste Impulse gesetzt, die diesen usbau voranbringen sollen. An dieser Stelle haben Sie, enau wie Frau Löhrmann in Nordrhein-Westfalen, geagt, dass Sie den massiven Ausbau der Kraft-Wärmeopplung wollen. Der Gesetzentwurf, den Sie hier vor egen, verhindert diesen Ausbau. Herr Kollege Becker, gestatten Sie eine Zwischen rage des Kollegen Krischer? Bitte. Herr Kollege, Sie haben eben richtigerweise gesagt, as Erneuerbare-Energien-Gesetz habe eine Dynamik usgelöst, die von uns allen nicht erwartet worden sei. ie haben sogar die Zahl 47 Prozent in 2020 genannt. as ist ja weit mehr, als die Große Koalition verabredet at. Wenn ich 25 Prozent Kraft-Wärme-Kopplung obenrauf rechne und 11 Prozent Einsparung, dann bin ich ei einer Größenordnung von 75 Prozent. Dieser Stromedarf kann durch erneuerbare Energien, Kraft-Wärmeopplung und Einsparung gedeckt werden. Bitte erklä en Sie mir – wir haben ja auch noch Kraftwerke, die in edem Fall weiterlaufen werden, Gaskraftwerke und ohlekraftwerke, die niemand stilllegen will und die Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1103 Oliver Krischer 2020 noch laufen werden –, warum auch nur ein einziges neues Kohlekraftwerk notwendig sein sollte. Herr Krischer, ich habe Ihnen gerade die Zahlen ge nannt. Wir haben heute einen Bestand – ich nenne KraftWärme-Kopplung, weil ich da auch gleich ansetzen werde – von knapp 12 bzw. 13 Prozent. Wir werden nach heutigem Stand nicht mehr bekommen, durch Ihren Gesetzentwurf erst recht nicht. Darauf werde ich jetzt eingehen. Hätten Sie einen Moment gewartet, wäre die Frage möglicherweise schon beantwortet gewesen. Sie haben diesen Gesetzentwurf mit dem Verweis auf Effizienz eingebracht. Ich will Ihnen ein klassisches Beispiel vorrechnen. Nach diesem Gesetzentwurf ist es möglich, ein schlichtes Gaskraftwerk zu errichten, das einen Wirkungsgrad von 58 Prozent hat. Dieses Kraftwerk produziert Strom, keine Wärme; die Wärme geht in die Umwelt und bleibt ungenutzt. Demgegenüber hat eine Anlage mit Kraft-Wärme-Kopplung – ich nehme das Beispiel Kohle – je nach Größe 63, 64, vielleicht sogar einen Wirkungsgrad von 65 Prozent. Das heißt, diese Anlage hat eine höhere Effizienz. Die Wärme gelangt nicht in die Umwelt, sondern dient zum Beheizen von Wohnungen oder fließt in industrielle Prozesse. Sie wird also sinnvoll genutzt, und der Effizienzgrad ist höher. Eine solche Anlage schließen Sie aber aus. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Keine einzige!)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1701303800
Dirk Becker (SPD):
Rede ID: ID1701303900
Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701304000

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Dirk Becker (SPD):
Rede ID: ID1701304100

Was hat das mit Effizienzsteigerung zu tun?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Es ist einfach so, dass Sie einen Grundsatzbeschluss fas-
sen wollen. Ihren Anspruch, die Effizienz im Blick zu
haben, verlieren Sie in Ihrem Gesetzentwurf aber leider
aus den Augen.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach! Das ist doch Quatsch!)


Ich möchte auf eine weitere Fragestellung zu spre-
chen kommen. Ich glaube, dass das, was Sie in Ihrem
Antrag zum Thema Emissionshandel schreiben, proble-
matisch ist. Zurzeit finden die Klimaverhandlungen in
Kopenhagen statt. Ich dachte immer, uns eint das Ziel,
dass wir einen globalen Emissionshandel wollen. Bisher
zumindest war das so. In Ihrem Gesetzentwurf schreiben
Sie allerdings, dass der Emissionshandel als Lenkungs-
instrument versagt hat. Ich frage mich ernsthaft: Ist es
gut, diese Botschaft nach Kopenhagen zu senden?


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo haben Sie das gelesen?)


– Im Gesetzentwurf der Grünen. – Ich muss Ihnen sagen:
Ich halte diese Aussage für gefährlich und verkürzt.

Ich will zwei Aspekte voneinander trennen:

Erstens. Herr Kauch hat zu Recht darauf hingewiesen,
dass mit Blick auf die Neubauten im Kraftwerksbereich

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(C (D ehr wohl eine Lenkungswirkung des Emissionshandels u erkennen ist. Es ist nicht richtig, wenn Kraftwerksbereiber heute sagen: Wir haben die Planung eingestellt, eil es uns an politischer Unterstützung fehlt. – Es ist in er Tat so, dass manche Anlagen wirtschaftlich nicht ehr darstellbar sind. Das ist ein Effekt des Emissions andels. Somit beginnt er zu wirken. Das Zweite – hier haben Sie recht – ist, dass eine solhe Wirkung mit Blick auf Altanlagen nicht festzustellen st. Darum habe ich eingangs gesagt: Der Emissionshanel ist um ordnungsrechtliche Maßnahmen zu ergänzen. Als letzten Punkt habe ich eine Bitte, was den Emisionshandel grundsätzlich angeht. Das, was Sie wollen, erstehe ich. Vieles von dem, was Sie wollen, kann ich uch nachvollziehen. Wir sollten aber, bitte schön, ehrich sein, wenn wir den Menschen den Emissionshandel rklären; Herr Kauch hat darauf bereits hingewiesen. Es ird immer wieder so getan, als ginge der Bau neuer raftwerke automatisch mit neuen, mit zusätzlichen missionen einher. (Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! In der Praxis ist es so!)


o ist es nicht. Es gibt die PEPP, und es gibt ein Budget.
ie hingegen erwecken ständig einen anderen Eindruck,
eil dies Ihrer politischen Ausrichtung entgegenkommt.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach was! Gucken Sie sich doch nur einmal die Zahlen des Umweltbundesamtes an! Das ist doch ganz einfach zu erkennen!)


Sie brauchen gar nicht darum herumzureden.

Ich erkläre Ihnen ganz einfach, worum es geht: Stel-
en Sie sich vor, in den Tank eines Autos passen 50 Liter.
s ist egal, wie viele Familienmitglieder mit diesem
uto fahren, ob eine Person oder 30 Personen. Wenn die
0 Liter verbraucht sind, ist die Reise zu Ende.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na also! Die Emissionen steigen!)


o funktioniert der Emissionshandel. Das ist ganz ein-
ach zu erklären.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Michael Kauch [FDP])


ören Sie auf, den Menschen zu sagen, dass sich der
O2-Ausstoß durch den Bau zusätzlicher Kraftwerke

nsgesamt erhöht. Das ist falsch. Wenn Sie dies bestrei-
en, haben Sie wirklich nicht verstanden, wie der Emis-
ionshandel funktioniert.


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
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Die nächste Rednerin ist die Kollegin Judith

kudelny für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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Judith Skudelny (FDP):
Rede ID: ID1701304300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

und Herren! Das Erste, was mich an diesem Gesetzent-
wurf ärgert, ist, dass Sie das komplexe Thema der ökolo-
gischen Energiepolitik mit einfachen Schwarz-Weiß-
Mitteln wie der Steigerung der Effizienzgrade von Koh-
lekraftwerken behandeln.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Manche Kollegen in diesem Hause haben noch nicht
verstanden,


(Iris Gleicke [SPD]: Oh! Wie schön, dass Sie endlich da sind! Jetzt können Sie uns alles erklären!)


dass es in Ihrem Gesetzentwurf nicht um die Steigerung
der Effizienz geht, sondern – in der letzten Wahlperiode
haben Sie sogar einen Antrag mit diesem Titel einge-
bracht – um die Verhinderung moderner Kohlekraft-
werke.


(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Natürlich!)


Wenn moderne Kohlekraftwerke verhindert werden,
dann bedeutet dies mittelfristig nicht, dass Umweltpoli-
tik und Klimapolitik besser werden. Es bedeutet nur,
dass wir in Deutschland zunächst einmal eine Versor-
gungslücke haben werden.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Die Deutsche Energie-Agentur – sie ist nicht verdäch-
tig, überzogene Vorstellungen vom zukünftigen Strom-
verbrauch zu haben – hat festgestellt, dass wir bis zum
Jahr 2020 15 neue Großkraftwerke brauchen, um den
bundesweiten Bedarf decken zu können. Wie wollen wir
das schaffen, wenn wir keine neuen, modernen Kohle-
kraftwerke bauen? Ganz einfach: Wir werden zunächst
einmal alte Anlagen weiterbetreiben müssen. Das Kraft-
werk in Grevenbroich, das als Beispiel genannt worden
ist, wird auch mit einem geringeren Effizienzgrad wei-
terbetrieben werden. Das ist kein Beitrag zum Klima-
schutz.


(Beifall bei der FDP – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir werden auch andere konventionelle Energien, aus
deren Nutzung wir alle aussteigen wollen, weiter nutzen
müssen. Es geht nicht anders; denn wir haben eine Ver-
sorgungslücke. Wer diese Lücke nicht schließen will,
muss in letzter Konsequenz akzeptieren, dass wir uns
vom Ausland abhängig machen. Die „lupenreinen De-
mokraten“ haben sich aber schon in der Vergangenheit,
was den Rohstoffhandel betrifft, nicht unbedingt als sol-
che erwiesen. Gerade von ihnen möchte ich Deutschland
nicht abhängig machen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was bedeutet dieser Gesetzentwurf für den For-
schungs- und Technologiestandort Deutschland? Wir ha-
ben vorhin vom CCS-Verfahren gehört. CCS heißt,
dass das CO2 am Ort des Entstehens abgeschieden wird

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(C (D nd nicht in die Atmosphäre gelangt. Das ist aber verunden mit 5 bis 10 Prozent weniger Effizienz. (Bettina Herlitzius [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben diese Technologie noch nicht!)


Eben, wir haben diese Technologie noch nicht; deswe-
en müssen wir forschen und herausfinden, ob sie eine
lternative ist.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


enn die Genehmigungsverfahren jedoch ausschließlich
der hauptsächlich von der Effizienz des Kraftwerks ab-
ängig gemacht werden, wird in diesem Bereich in
eutschland keine Forschung und Entwicklung stattfin-
en. Dabei betonen gerade Sie immer, wie wichtig For-
chung und Entwicklung sei. Wer unseren Forschungs-
tandort erhalten will, darf Ihren Gesetzentwurf nicht
nterstützen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Politik der Grünen in diesem Bereich ist aus mei-
er Sicht eine sehr dogmatische Politik: Kohlekraft-
erke sind böse.


(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as passiert, wenn man an einer Schwarz-Weiß-Denke
esthält, kann man in Tübingen sehen: In Tübingen ist
auch mithilfe von Grünen-Mitgliedern dieses Hauses –

in Gaskraftwerk mit einem hohen Effizienzgrad verhin-
ert worden. Der grüne Tübinger Oberbürgermeister
urde dazu gezwungen, um die Versorgung zu decken,

n ein Kohlekraftwerk zu investieren.


(Horst Meierhofer [FDP]: Sehr interessant!)


twas zu verhindern, einfach nur um recht zu behalten,
as ist nicht die Politik, die wir verfolgen wollen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir Liberale als grüne, das heißt ökonomisch und
kologisch denkende Menschen können diesen Gesetz-
ntwurf deswegen nicht mittragen.

Vielen Dank.


(Anhaltender Beifall bei der FDP – Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701304400

Frau Skudelny, das war Ihre erste Rede hier im Haus.
ir gratulieren Ihnen sehr herzlich und wünschen Ihnen

iel Erfolg für Ihre Arbeit.


(Beifall)


Das Wort hat jetzt der Kollege Jens Koeppen für die
DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1105


(A) )



(B) )


Jens Koeppen (CDU):
Rede ID: ID1701304500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Als letztem Redner der Debatte bleibt mir nur noch, zu-
sammenzufassen und das Fazit zu ziehen. Wir haben alle
schon festgestellt: Mit ihrem Gesetzentwurf mit den
Mindestwirkungsgraden geht es den Grünen darum, mit
dem Ausstieg aus der Kohleverstromung zu beginnen.
Dieser Antrag ist ein Gesetzentwurf anti Kohle und pro
Gas.

Das ist vielleicht aus der Sicht der Grünen ein hehres
Ziel. Sie haben dabei aber wie immer einige Sachen aus
den Augen verloren. Als Techniker sage ich Ihnen: Sie
haben die Physik aus den Augen verloren; denn das, was
Sie wollen, ist nicht machbar. Sie haben aber, wie wir
heute feststellen konnten, nicht nur die Machbarkeit
aus den Augen verloren, sondern auch die globalen
Realitäten, die man beachten muss. Wenn es heißt, dass
in China jeden zweiten Tag ein neues Kohlekraftwerk
ans Netz geht, dann frage ich mich: Was hat das mit Kli-
maschutz zu tun?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wenn Sie etwas verändern wollen, wenn Sie etwas ver-
bessern wollen, wenn Sie etwas erreichen wollen, dann
müssen Sie die Realitäten akzeptieren. Sie müssen sich
von Ihrer Ideologie befreien. Sie müssen an Ihrer Vision
konstruktiv arbeiten.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie, wie Sie die Klimaschutzziele erreichen wollen!)


Visionen sind ja gut. Aber Tagträumereien, Herr
Krischer, bringen uns nicht weiter.

Das Ziel, höhere Wirkungsgrade zu erreichen, tra-
gen wir mit. Durch den Neubau von Kohlekraftwerken
können wir alte Anlagen abschalten. Damit haben wir in
Deutschland – das ist schon jetzt Realität – den Wir-
kungsgrad im Durchschnitt auf insgesamt 40 Prozent an-
gehoben. Das ist in Ordnung. Diesen Weg wollen wir
weitergehen. Aber Sie müssen die Realitäten im Auge
behalten.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ihr Ziel ist in Wirklichkeit nicht die Erhöhung des
Wirkungsgrades und dadurch eine Verringerung der
CO2-Emissionen, sondern Sie wollen vorhandene Anla-
gen bis zum Jahre 2015 abschalten.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oder modernisieren!)


Sie wollen verhindern, dass neue Anlagen gebaut wer-
den. Frau Menzner, das ist übrigens wie in der DDR. Da
der Bau von Neuanlagen verhindert wurde, blieben An-
lagen mit einem Wirkungsgrad von circa 27 oder 28 Pro-
zent in Betrieb. Diese haben dann wirklich die Luft ver-
pestet. Das wollen wir nicht. Wir wollen neue Anlagen
und dadurch nach und nach einen höheren Wirkungsgrad
erreichen.

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(C (D (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie müssen klar sagen, ob Sie sich von der CCS-Tech-
ologie komplett verabschieden wollen. Damit werden
ie aber die Forschung in Deutschland verhindern. Sie
erden damit auch die Vorreiterrolle und letztendlich
en Export solcher Anlagen unterbinden.

Kommen wir jetzt zu den Wirkungsgraden. Sie for-
ern einen Wirkungsgrad von 58 Prozent für Neuanla-
en. Das ist für Kohle kaum erreichbar. Das ist Material-
irtschaft. Jede Erhöhung des Wirkungsgrades um zwei
unkte setzt eine Forschungszeit von ungefähr 10 bis
5 Jahren voraus. Also schaffen Sie es innerhalb dieser
urzen Zeit gar nicht, von 40, 43 oder maximal 45 Pro-
ent auf 58 Prozent Wirkungsgrad zu kommen. Das ist
icht möglich.

Bei der Kohle ist dieser Wirkungsgrad nicht erreich-
ar, aber beim Gas kann das erreicht werden. Bei Gasan-
agen sind schon jetzt 58 Prozent Wirkungsgrad Stand
er Technik. Dieses Ziel ist gar nicht mehr ambitioniert.
hr Gesetzentwurf ist für mich eine Aufforderung, ver-
tärkt auf Gas zu setzen. Wie kommen wir dazu, russi-
ches Gas zu fördern? Wenn Sie aus der Kernenergie
ussteigen und Kohlekraftwerke verbieten wollen, dann
rauchen Sie 445 Terawattstunden Strom aus Erdgas.


(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein!)


Das brauchen Sie. Das ist die Hälfte des Gesamtver-
rauchs in Deutschland.

Was bedeutet das?


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Heute verheizen wir das Gas in Wohnungen!)


as bedeutet, Herr Krischer: Abhängigkeit von russi-
chem Gas. Das bedeutet: Versorgungssicherheit wird
erschlechtert. Das bedeutet: Es freut sich Russland, und
ielleicht freuen sich auch Fischer und Schröder, aber
icht die deutsche Industrie und der deutsche Steuerzah-
er. Deswegen können wir das nicht machen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Dann haben wir auch festgestellt – das hat Herr
auch wunderbar herausgearbeitet –: Russland wird na-

ürlich alles verfügbare Gas schön teuer an Europa ver-
aufen und im Inland Kohleverstromung betreiben.
iese Kohlekraftwerke haben, wenn sie gut sind, im
chnitt einen Wirkungsgrad von 34 Prozent. Jetzt erklä-
en Sie mir bitte, was das mit Klima- und Umweltschutz
u tun hat. Überhaupt nichts!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir lassen keine Deindustrialisierung zu. Klima-
chutz wirkt nur global. Mindestwirkungsgrade wirken
ur global. Auch die CCS-Technologie wirkt nur global.
leiches gilt für den Emissionshandel. Deswegen muss
as alles gesamtheitlich betrachtet werden.

1106 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Jens Koeppen
Was können wir tun? Wir wollen natürlich eine Ant-
wort geben. Erstens – da lohnt sich ein Blick in unseren
hervorragenden Koalitionsvertrag –:


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kein Satz zur Kraft-Wärme-Kopplung!)


„ideologiefreie, technologieoffene und marktorientierte
Energiepolitik“,


(Dirk Becker [SPD]: Konkreter geht es nicht!)


und zwar für Strom, Wärme und Mobilität. Das müssen
Sie alles im Auge behalten. Dann wird das auch was mit
dem Klimaschutz.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Zweitens. Wir wollen die erneuerbaren Energien
konsequent ausbauen – das ist gar keine Frage, auch das
steht im Koalitionsvertrag – mit dem Ziel, dass die er-
neuerbaren Energien den Hauptanteil an der Energiever-
sorgung übernehmen. Aber dazu brauchen wir einen
Energiemix, der kontinuierlich, lieber Herr Fell, und
nicht mit der Holzhammermethode die konventionellen
Energien langsam ablösen kann. Die Betonung liegt auf
„kann“. Dass wir das wollen, ist klar. Aber das muss
auch machbar sein.

Drittens. Wir müssen das Energiesystem umbauen,
und zwar mit Sinn, Verstand und Beharrlichkeit. Deswe-
gen werden wir ein Energiekonzept im nächsten Jahr
vorlegen, aus dem hervorgeht, wie die Energie bezahl-
bar, zuverlässig und sauber ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir werden mit diesem Koalitionsvertrag die Vorrei-
terrolle in Deutschland übernehmen. Wir brauchen am-
bitionierte Ziele. Dazu sagen wir Ja. Aber zu Verboten
– das sage ich bei fast jeder Rede, wenn es um Ihre Vor-
lagen geht – und zu Unmöglichem sagen wir Nein. Mit
Totschlagargumenten und mit der Holzhammermethode
werden Sie kläglich scheitern. Das ist nicht unser Weg.

Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701304600

Ich schließe die Aussprache.

Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzent-
wurfs auf Drucksache 17/156 an die Ausschüsse vor-
geschlagen, die Sie in der Tagesordnung aufgeführt fin-
den. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das
so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung des Antrags der Fraktion der SPD

Deutschland muss deutliche Zeichen für eine
Welt frei von Atomwaffen setzen

– Drucksache 17/242 –

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(C (D Überweisungsvorschlag: Auswärtiger Ausschuss Verteidigungsausschuss Hierzu ist verabredet, eine halbe Stunde zu debattieen. – Dazu sehe ich keinen Widerspruch. Dann ist das o beschlossen. Als Erstes gebe ich der Kollegin Uta Zapf für die PD-Fraktion das Wort. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! ch glaube, wir hätten uns keinen besseren Tag aussuhen können, um diese Debatte zu führen; enn gerade gestern ist bekannt geworden, dass die Präidenten von Russland und den USA vor dem direkt beorstehenden Abschluss der START-Verhandlungen erabredet haben, weitere Verhandlungen über die Abüstung nuklearer Waffen zu führen, wobei insbesondere uch die taktischen Nuklearwaffen ins Visier geraten erden. Ich denke, dadurch wird unsere Diskussion hier uch noch einmal beflügelt. In der letzten Sitzungswoche haben wir über zwei nträge mit diesem Schwerpunkt diskutiert. Unser An rag, den ich damals schon angekündigt habe, ist ein isschen breiter angelegt. Ich hoffe, dass unsere Diskusionen in den Ausschüssen dazu führen werden, dass wir n diesem Hause einen ganz breiten Konsens über unsere orderungen in dem Bereich der nuklearen Abrüstung rreichen können. Dies würde ganz besonders wichtig ein, um die NPT Review Conference, also die im ai 2010 stattfindende Konferenz zur Überprüfung des ichtverbreitungsvertrages, zu unterstützen, damit dort icht dasselbe passiert wie im Jahre 2005, als es zu keiem Ergebnis gekommen und das ganze Gefüge des ichtverbreitungsvertrages in Gefahr geraten ist. Ich glaube, die Chancen sind im Moment nicht nur eshalb gut, weil sich die beiden Staatsmänner der Suermächte entschlossen haben, diesen Weg weiterzugeen, sondern auch, weil in den letzten Jahren eine Atosphäre entstanden ist, in der sich sehr viele taatsmänner im Viererpack zu Wort gemeldet haben. ies fing 2007 mit George Shultz, William Perry, Sam unn und Henry Kissinger an. Ganz viele andere sind hnen gefolgt. Die Letzten waren gerade die Niederande. Vorher waren es auch Großbritannien, Frankreich, orwegen, Polen und Italien, die übrigens wieder einmal nbedingt mehr als vier haben mussten, aber das verundert nicht. Natürlich war auch Deutschland dabei. ür Russland gilt das leider noch nicht, aber vielleicht ommt das noch. Im September 2009 hat der UN-Sicherheitsrat eintimmig eine Resolution verfasst und beschlossen, mit er er für eine atomwaffenfreie Welt plädiert. Alle ächte, die offiziell über Nuklearwaffen verfügen, wa en dabei – und auch Indien. Ich denke, auch das ist et Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1107 Uta Zapf was, was man immer wieder ansprechen muss, wenn es um weitere Prozesse der nuklearen Abrüstung geht. Anfang Dezember 2009 hat die Generalversammlung der UNO eine Resolution zur Abschaffung von Nuklearwaffen mit 171 Ja-Stimmen angenommen. Es freut mich sehr, dass Deutschland diese Resolution mit eingebracht hat. Ich denke, dass das uns als Parlament und auch der Regierung eine gewisse Verpflichtung auferlegt. Vor einigen Tagen ist der Bericht der Internationalen Kommission für Nichtverbreitung und Abrüstung mit der Unterstützung Australiens und Japans erschienen. Vorsitzende der Kommission sind der hochrenommierte Gareth Evans, der sicherlich jedem in diesem Hause bekannt ist, und Yoriko Kawaguchi. Interessant fand ich, dass der ehemalige General Naumann der Kommission angehört, der bislang etwas andere Ansichten in der Öffentlichkeit vertreten hat. Aber auch das lässt hoffen, dass es entsprechende mentale Entwicklungen gibt. Zuvor gab es schon andere Kommissionsberichte wie den Bericht der Blix-Kommission „Weapons of Terror“. Diese 300 Seiten sollte jeder, der in diesem Bereich Verantwortung trägt, sorgfältig lesen, auch wenn ich einiges daran zu kritisieren habe. Ich glaube, auch das müssen wir diskutieren. Ein Kritikpunkt ist, dass dieser Bericht einen zu langen Zeitraum bis zur endgültigen Abrüstung der Nuklearwaffen vorsieht. Ich glaube, wir sollten nicht so lange warten. Wir sollten schneller voranschreiten; denn man kann nur dann glaubwürdig auf Nonproliferation drängen, wenn die Abrüstungsbemühungen derjenigen, die im Besitz von Atomwaffen sind, auch ernsthaft sind. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD)

Uta Zapf (SPD):
Rede ID: ID1701304700

(Elke Hoff [FDP]: Ja, richtig!)


(A) )


(B) )


Ein weiterer Punkt, den ich an dem Bericht zu bemän-
geln habe, ist, dass der Entwurf der Nuklearwaffenkon-
vention, die seit Jahren in der Generalversammlung der
UNO beraten und auch von Ban Ki-moon stark unter-
stützt und eingefordert wird, erst nach der Abrüstungs-
phase, wenn ein Minimalbestand an Nuklearwaffen er-
reicht ist, Verhandlungen vorsieht. Ich glaube, dass ein
paralleler Prozess notwendig ist, weil dies signalisiert,
dass wir uns bei Atomwaffen genauso wie bei chemi-
schen Waffen auf eine vertraglich bindende feste Grund-
lage stellen wollen. Das wäre ein Signal an andere Na-
tionen, die möglicherweise Hintergedanken hinsichtlich
eigener nuklearer Bewaffnung haben.

Ich denke, wir müssen uns jetzt an die Arbeit machen
und darüber nachdenken, wie wir als Parlamentarier und
wie die Regierung die Verantwortung für das Gelingen
der Überprüfungskonferenz zum Nichtverbreitungsver-
trag wahrnehmen können. Ich appelliere dabei auch an
unsere Regierung, zu den 13 Schritten zurückzukehren,
die im Jahr 2000 vereinbart worden sind. Unser Antrag
stützt sich auf diese 13 Schritte, auch wenn sich nicht
alle darin wiederfinden. Wir können aber noch über De-
tails diskutieren. Wir sollten unsere Regierung unterstüt-
zen, in diesem Sinne an den Verhandlungen teilzuneh-

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(C (D en, um die Nonproliferation und die Abrüstung zu nterstützen. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte noch einen letzten Punkt ansprechen.
enn wir erreichen wollen – ich hatte in der letzten De-

atte den Eindruck, dass wir alle in diesem Hause dies
ollen –, dass es nukleare Abrüstung auf null gibt und
ass die Nuklearwaffen aus Europa verschwinden, dann
üssen wir zwingend über Strategien reden, und zwar

icht nur über die russische und die amerikanische Stra-
egie. Wir müssen auch im Zuge des strategischen Kon-
epts der NATO auf eine Minimierung der Rolle von
uklearwaffen, ja möglicherweise auf einen völligen
erzicht auf diese Kategorie drängen. Was in den letzten
wei Jahren aus den NATO-Gremien und was vom letz-
en NATO-Gipfel in Kehl zu hören war, deutet aber nicht
arauf hin, dass die Rolle der Nuklearwaffen in der Dis-
ussion tatsächlich herabgestuft werden soll. Ich denke,
as liegt in der Verantwortung jedes einzelnen Staates,
er der NATO angehört.

Ich wünsche mir, dass nicht nur die neue Nuclear Pos-
ure Review der USA mit einer minimierten Rolle der
uklearwaffen das Licht der Welt erblickt, sondern dass

ich auch unsere Regierung und andere Regierungen Eu-
opas dafür einsetzen, dass im Zuge der Beratungen über
ine neue NATO-Strategie die Rolle der Nuklearwaffen
umindest stark minimiert, wenn nicht gar eliminiert
ird. Ich erinnere daran, dass wir uns alle – oder fast

lle – gewünscht haben, dass eine No-first-use-Strategie
n der NATO-Strategie festgeschrieben wird. Vielleicht
önnen wir das gemeinsam erreichen.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701304800

Nächster Redner ist der Kollege Roderich

iesewetter für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Roderich Kiesewetter (CDU):
Rede ID: ID1701304900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen

nd Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte
ollegin Zapf, Sie haben Ihre Rede genauso sachlich
orgetragen, wie der Antrag Ihrer Fraktion formuliert ist.
as ist genau das, worum es in der Sicherheitspolitik
eht, nämlich dass wir darüber hier im Hause sachlich
iskutieren und eine gewisse Einigkeit in den Grundzü-
en entwickeln. Ich darf sagen, dass wir das auch unse-
en Soldaten im Einsatz schuldig sind, die es zurzeit
irklich nicht einfach haben.

Heute geht es um die nukleare Abrüstung. Wir setzen
arauf. Viele leben hier nach dem Prinzip Hoffnung. Wir
etzen auf Fakten. Im Koalitionsvertrag fordern wir ei-
en schrittweisen und beherzten Ansatz. Über welche
eduzierungsinstrumente verfügen wir eigentlich? Da

1108 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Roderich Kiesewetter
hilft ein Blick in den Nichtverbreitungsvertrag; den wol-
len wir stärken. Im Mai nächsten Jahres beginnt die
Überprüfungskonferenz. Sie bietet eine Chance, die wir
nur alle fünf Jahre haben. Unser Land hat bereits 1969
den Atomwaffensperrvertrag ratifiziert. Aber es gibt
Staaten, die ihn sichtbar verletzten oder ihm erst gar
nicht beigetreten sind.

Doch wo Schatten ist, brennt auch Licht; Frau Zapf ist
darauf eingegangen. Auf strategischer Ebene haben die
Verhandlungen über ein START-Folgeabkommen zwi-
schen Russland und den USA begonnen, ein willkom-
mener Fortschritt für die internationale Abrüstung. Das
heißt, es wird endlich wieder über Abrüstung bei den
strategischen Nuklearwaffen verhandelt. Wir werden zu
einem Ergebnis kommen. Es gibt jedoch auch Nuklear-
waffen bei einigen Staaten der Welt, die sich dem Nicht-
verbreitungsvertrag verweigern oder ihn sogar bewusst
verletzen. Es ist zu befürchten, dass der eine oder andere
Staat Atomwaffen herstellen kann, möglicherweise bald
auch der Iran.

Wir wollen eine wirksame Stärkung des Nichtverbrei-
tungsvertrages ab Mai 2010. Wir wollen uns hier kon-
struktiv einbringen. Das dient nicht zuletzt unseren
sicherheitspolitischen Interessen. Bei unserem schritt-
weisen Ansatz geht es uns auch um die in Deutschland
stationierten Atomwaffen. Genauso wie beim START-
Nachfolgevertrag sollten wir hier rasch Abrüstungsver-
einbarungen anstreben. Bei START ist das Ziel, die An-
zahl nuklearer Sprengköpfe auf 1 500 zu reduzieren.
Diese Zahl kann aber nur ein Zwischenschritt sein. Da-
für sollten wir Deutsche uns in der NATO und gegebe-
nenfalls auch im NATO-Russland-Rat einsetzen. Eine
deutliche Reduzierung, zu der wir uns im Koalitionsver-
trag bekennen, sieht anders aus. Sie muss weiter gehen.
Dafür werden wir uns nachdrücklich einsetzen. Wir wis-
sen aber, dass es noch ganz viel zu tun gibt. Die wenigen
verbliebenen US-Atomwaffen in Europa sind bislang als
Beitrag zu Rückversicherung und Solidarität beibehalten
worden. Deren Zahl muss weiter reduziert werden, und
die Atomwaffen müssen nicht nur in Deutschland ganz
beseitigt werden,


(Beifall bei der CDU/CSU)


und das im Rahmen von Abrüstungsvereinbarungen. Wir
sollten uns diesbezüglich auch bei der Überarbeitung des
strategischen Konzepts der NATO im nächsten Jahr in-
tensiv einbringen.


(Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD])


Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist überzeugt: Wir
werden gemeinsam mit unseren Bündnispartnern unser
Ziel erreichen. Wir müssen auch hier im Hause Konsens
herstellen. Zur Fortsetzung dieses Prozesses schlage ich
folgende fünf Schritte vor, die ein Abrüstungsplan ent-
halten sollte:

Erster Schritt: Analyse der sicherheitspolitischen He-
rausforderungen mit Blick auf Terrorismus, nukleare
Aufrüstung und die Folgen unkontrollierter Verbreitung.
Es gilt der Grundsatz: je weniger Nuklearwaffen, desto
geringer die Gefahr, dass Nuklearmaterial in terroristi-
sche Hände fällt. Wie ist unser Vorgehen gegenüber

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(C (D taaten, die den Nichtverbreitungsvertrag nicht akzeptieen? Was ist zum Beispiel, wenn sich der Iran nuklear ewaffnet? Zweiter Schritt: eine umfassende Abstimmung über nsere Sicherheitsinteressen auch im Bündnis. Das beieht die Frage der transatlantischen Abstimmung ein. isher haben hier die in Europa stationierten USuklearwaffen eine entscheidende Rolle gespielt. Wel hes sind also unsere sicherheitspolitischen Interessen, nd wie vertreten und begleiten wir sie vor allem glaubürdig? Dritter Schritt: Schaffung einer gesamteuropäischen brüstungsperspektive sowohl für nukleare als auch für onventionelle Waffen. Deshalb sollten wir mit Russland über den KSE-Verrag, also den Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in uropa, pragmatisch zusammenkommen. ierzu bieten sich Gespräche im NATOund OSZEahmen an. Wir berücksichtigen zugleich – das ist uns anz wichtig – die Sicherheitsbedürfnisse unserer östlihen Partner wie Polen oder die baltischen Staaten. Vierter Schritt, Schaffen von Anreizen für Abrüstung nd nicht von Misstrauen, das zu neuer Aufrüstung ührt. Abrüstung schafft freie Ressourcen, zum Beispiel ür Bildung und Forschung. Außerdem sollten wir Hilen für die Sicherung von Nukleararsenalen anbieten. as ist in einigen Ländern ein herausragendes Problem. Fünfter und letzter Schritt auf dem Weg zur Verwirkichung des langfristigen Ziels Global Zero, Festlegung iner möglichst geringen Anzahl von Kernwaffen als estversicherung, das heißt zügiges Wegverhandeln der aktischen Atomwaffen in Europa, drastische Reduzieung der vorhandenen Atomwaffen weit unterhalb der etzt zwischen den USA und Russland vorgesehenen röße von 1 500. Dann irgendwann kann das Globalero-Ziel erreicht werden. Mit diesem pragmatischen und konstruktiven Vorchlag, mit diesen fünf Punkten, machen wir unsere, die eutschen Interessen klar, und – auch das gilt es festzualten – wir gehen keinen deutschen Sonderweg. Das hat ns in der Vergangenheit immer geschadet, wie auch der ollege Dr. Lamers und die Kollegin Hoff in der letzten itzungswoche betonten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD])


arum geht es in der Sicherheitspolitik: um Beharrlich-
eit, Mut und Verlässlichkeit. Es gilt, das Entstehen
euer Atommächte zu verhindern und entschieden gegen
ie Verbreitung von Massenvernichtungswaffen vorzu-
ehen. Dazu müssen wir hier im Parlament einen Kon-
ens herbeiführen.

Ich betone noch einmal: Visionen allein helfen nichts.
rst brauchen wir eine inhaltliche Diskussion mit allen
akten. Dann können wir entscheiden. So sichern wir
nseren Einfluss. Darum geht es doch für unser Land:
m Einfluss und Glaubwürdigkeit. Dafür stehen wir. Die

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1109


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Roderich Kiesewetter
CDU/CSU-Bundestagsfraktion schlägt deshalb vor, den
konstruktiven Antrag der SPD in die Ausschüsse zu
überweisen. Lassen Sie mich kurz vor Weihnachten sa-
gen: Es ist vielleicht leichter, Gewehre in Gitarren und
Schwerter in Pflugscharen zu verwandeln als Atomwaf-
fen in was auch immer. Lassen Sie uns über die geseg-
nete Weihnachtszeit darüber nachdenken und die fünf
Punkte im neuen Jahr aufgreifen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701305000

Wolfgang Gehrcke hat jetzt das Wort für die Fraktion

Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Wolfgang Gehrcke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701305100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich muss ehrlich sagen: Ich habe mich über den Antrag
der SPD gefreut. Das kommt bei mir sehr selten vor, was
die Außenpolitik angeht. Über diesen Antrag habe ich
mich gefreut, weil er einen Grundgedanken transportiert,
nämlich dass Deutschland Zeichen setzen soll, was die
atomare Abrüstung angeht. Das heißt, der Ball liegt in
unserem Spielfeld, so notwendig internationale Verhand-
lungen über die Abrüstung auch sind.

Ich habe mich an die Bewegung „Kampf dem Atom-
tod“ erinnert, die auch in der Sozialdemokratischen Par-
tei einmal tief verankert war. Ich kann mir durchaus vor-
stellen, dass sich Menschen in unserem Lande für die
Vision einer atomwaffenfreien Welt engagieren. Sie zu
verwirklichen, fängt damit an, dass Deutschland und Eu-
ropa, zumindest Mitteleuropa, atomwaffenfrei gemacht
werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es ist allerhöchste Zeit.

Ich habe die Hoffnung, dass jetzt ein politisches Zeit-
fenster geöffnet ist, was die Atomwaffen angeht. Man
muss über sehr viele Fragen reden. Ich sage Ihnen aber
auch: Wenn die Überprüfungskonferenz zum Nichtwei-
terverbreitungsvertrag scheitert, dann wird das ganze
System der Kontrolle der atomaren Abrüstung zusam-
menbrechen. Deswegen können wir uns gar nicht leisten,
diese Konferenz scheitern zu lassen. Ich möchte die An-
regung geben, dass Abgeordnete aller Fraktionen des
Deutschen Bundestags nach New York fahren, um dort
das Eintreten des deutschen Parlaments für atomare Ab-
rüstung deutlich zu machen. Ich würde das für ein gutes
Zeichen der Ermunterung halten.


(Beifall bei der LINKEN)


Schauen wir uns die Sachen im Einzelnen an. Ich
habe mit großem Vergnügen die Rede des Staatsminis-
ters im Auswärtigen Amt, des Kollegen Hoyer, zum
Thema Frieden gelesen, die er vor „Bürgermeistern für
den Frieden“ – Mayors for Peace – gehalten hat und in
der er davon spricht, dass atomare Rüstung heute nicht

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(C (D ehr Sicherheit bringt, sondern eine Belastung für die icherheit geworden ist. Das kann man wörtlich zitieren. Er hat sehr vernünftige Ausführungen gemacht, waum Deutschland gut beraten ist, über diese Frage mit en USA zu reden. Ich frage Sie als Kollegen in diesem arlament ehrlich: Wäre es nicht möglich, einen Antrag it dem simplen Satz „Wir bitten die USA, wir bitten en amerikanischen Präsidenten, die verbliebenen tomwaffen der USA aus Deutschland abzuziehen“ raktionsübergreifend in allem Respekt zu beschließen? Eine einfache Entscheidung löst nicht alle Probleme. ie zeigt aber ein wenig den Weg auf, den man gehen önnte. Deshalb will ich Ihnen von meiner Seite aus eien Vorschlag bzw. eine Überlegung – Angebot hört sich mmer so blöd an – nahebringen. Die drei Anträge der ppositionsfraktionen, also der der Linken, der der Grüen und der der SPD, liegen nicht so weit auseinander. ie haben zwar teilweise andere Begründungen und seten unterschiedliche Schwerpunkte, es wäre aber überaupt kein Problem, aus all dem eine kleine Synopse zu achen und einen gemeinsamen Antrag der drei Oppo itionsfraktionen einzubringen. Ich bin überzeugt davon, ass die FDP, wenn sie das ernst nimmt, was Kollege oyer gesagt hat und was im Koalitionsvertrag steht, agegen nicht opponieren wird. Das heißt, wir könnten on unserem Parlament die Botschaft aussenden – daran in ich sehr interessiert –, dass in der Frage der Atomaffen etwas passiert. (Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD] und der Abg. Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der LINKEN)


(Zuruf von der FDP: Das nehmen wir ernst!)


Ich will auch sagen – das müssen meine Kollegen
etzt erst einmal verdauen –: Ich habe mit der NATO
war nichts am Hut, wie Sie wissen – ich bin nie ein
reund der NATO gewesen, im Gegenteil; ich will das
uch nicht umdeuten –; ich wäre aber sehr dafür, dass bei
er nächsten NATO-Konferenz in Lissabon einige Fra-
en, die im Antrag der SPD angesprochen werden, ernst-
aft verhandelt werden. Unabhängig von meiner Geg-
erschaft zur NATO


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Der NATO verdanken wir unsere Einheit!)


öchte ich gerne, dass die nukleare Erstschlagsdoktrin
er NATO aufgegeben wird. Ich möchte, dass die
ATO-Staaten erklären, dass sie keine Atomwaffen ge-
en Staaten einsetzen werden, die ihrerseits nicht über
tomwaffen verfügen. Ich möchte auch, dass das deutli-

he Signal gesendet wird, dass die Nichtweiterverbrei-
ung nicht aufrechtzuerhalten sein wird, wenn die Atom-
affenstaaten jetzt nicht atomar abrüsten. Technisch

ind viele Länder dazu in der Lage, nach Massenver-
ichtungs- bzw. Atomwaffen zu greifen. Ich möchte,

1110 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Wolfgang Gehrcke
dass ein deutliches Signal gegen den Einsatz solcher
Waffen gesendet wird.

Überlegen Sie doch einmal, ob es nicht sinnvoll wäre,
Ihre NATO-Freunde in diese Richtung zu beraten. Meine
sind es ja nicht, sodass ich das nicht kann; aber ich kann
zumindest diesen Rat geben.

Schönen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701305200

Elke Hoff hat jetzt das Wort für die FDP-Fraktion.


(Beifall bei der FDP)



Elke Hoff (FDP):
Rede ID: ID1701305300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Herr Kollege Gehrcke, ich freue mich,
dass Sie wenigstens nicht in diesem Zusammenhang den
Neoliberalismus als Wurzel allen Übels identifiziert ha-
ben. Das ist zum Ende des Jahres wirklich eine sehr ver-
söhnliche Geste. Herzlichen Dank dafür!


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU] – Iris Gleicke [SPD]: Vorsicht!)


Dass wir heute bereits zum zweiten Mal in diesem
Monat über Fragen der nuklearen Abrüstung diskutieren,
ist ein Zeichen für die Bedeutung, die Abrüstung, Rüs-
tungskontrolle und Nichtverbreitung in den letzten Jah-
ren erfahren haben. Ich glaube, wir alle, die wir als Kol-
legen in diesem Bereich tätig sind, können uns keinen
schöneren Tag als heute wünschen, an dem es zum ers-
ten Mal Anzeichen dafür gibt, dass es Russland und
Amerika wohl schaffen werden, ein Nachfolgeabkom-
men zum START-1-Vertrag auf den Weg zu bringen. Das
finde ich sehr gut. Das sollten wir begrüßen. Es gibt vor
allen Dingen auch uns weitere Rückendeckung und wei-
teren Rückenwind für unsere Aktivitäten hier im Hause.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir alle können froh sein, dass das Thema der nuklea-
ren Abrüstung dank des Engagements von vorausschau-
enden Staatsmännern wie Hans-Dietrich Genscher,
Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker wieder auf
die Bühne der öffentlichen Aufmerksamkeit gebracht
worden ist. Zudem hat sich mit der Prager Rede von US-
Präsident Obama die historische Chance eröffnet, die
globalen Abrüstungsbemühungen zaghaft wiederzubele-
ben und darüber hinaus beherzt den Weg in eine kern-
waffenfreie Zukunft anzutreten. Die letzte Debatte hier
im Hause hat gezeigt, dass wir als Parlamentarier über
alle Fraktionsgrenzen hinweg der Überzeugung sind,
dass diese Chance genutzt werden sollte.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutschland kann und muss hierzu seinen Beitrag
leisten, indem in enger Abstimmung mit unseren Ver-
bündeten in der NATO dafür gesorgt wird, dass die letz-

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(C (D en verbliebenen taktischen Atomwaffen auf deutschem oden abgezogen werden. Ich rechne fest damit, dass ir im neuen Jahr einen interfraktionellen Antrag zur brüstung verabschieden werden. Der vorliegende An rag der SPD-Kollegen bietet hierfür eine sehr gute rundlage. Ich bin der Überzeugung, dass wir in den zu tändigen Ausschüssen hierfür eine abstimmungsfähige emeinsame Grundlage finden werden und damit das eue Jahr mit der nötigen Rückendeckung für unsere undesregierung beginnen können. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Verbreitung von Kernwaffen und die Stabilität
es internationalen Staatensystems stehen in einem en-
en Zusammenhang. In den kommenden Monaten wer-
en von der Weltgemeinschaft wichtige Weichenstellun-
en für die internationalen Bemühungen um nukleare
brüstung und Nichtverbreitung vorgenommen. Der
ipfel zur nuklearen Sicherheit ist hier zu nennen, der

uf Initiative des amerikanischen Präsidenten im März
010 zu Beratungen zusammenkommen wird.

Ebenso besteht die Hoffnung, dass im Frühjahr die
erhandlungen in der Genfer Abrüstungskonferenz über
inen Vertrag über ein Verbot zur Produktion von waf-
enfähigem Spaltmaterial endlich beginnen können. In
eiden Fällen wird es darum gehen, die Proliferation von
uklearmaterial und sensiblem Know-how in die fal-

chen Hände, seien sie staatlich oder nichtstaatlich, zu
erhindern.

Im Rampenlicht steht aber die Überprüfungskonfe-
enz zum Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag im Mai
ächsten Jahres. Ihr erfolgreicher Verlauf wäre ein erster
eilenstein auf dem Weg in eine kernwaffenfreie Zu-

unft. Hierfür muss es den Staaten, die den Nichtverbrei-
ungsvertrag unterzeichnet haben, gelingen, das Gleich-
ewicht zwischen den drei Säulen des Kooperations-
egimes – Abrüstung, Nichtverbreitung und das Recht
uf zivile Nutzung der Kernenergie – wieder herzustel-
en. Es muss verlorenes Vertrauen in den Nutzen und in
ie Effektivität des Vertrages wiederhergestellt werden,
essen Verlust in der gescheiterten Überprüfungskonfe-
enz 2005 seinen vorläufigen Höhepunkt fand. Wir kön-
en uns keinen weiteren Verfall des Vertrages leisten,
enn die Weiterverbreitung von Kernwaffen glaubwür-
ig verhindert und die Abrüstung weiter vorangebracht
erden soll.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist einerseits notwendig, die fünf Kernwaffenstaa-
en des Vertrages an ihre Abrüstungsverpflichtungen aus
rt. VI des Vertrages über die Nichtverbreitung von
ernwaffen zu erinnern. Andererseits müssen die Ver-

ragsstaaten die Verifikations- und Transparenzinstru-
ente des Vertrages weiter stärken. Regelbrecher und
roliferateure dürfen nicht das Gefühl haben, unentdeckt
egen die Normen und Prinzipien des Nichtverbrei-
ungsvertrages verstoßen zu können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1111


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Elke Hoff
Deshalb ist es so wichtig, die Universalisierung des
Zusatzprotokolls zu erreichen, wodurch der Internatio-
nalen Atomenergiebehörde umfangreichere Inspektions-
rechte eingeräumt werden. Zudem muss das Projekt
einer Multilateralisierung des Brennstoffkreislaufs vo-
rangetrieben werden, um für die Zukunft verdeckte Pro-
liferation im Rahmen ziviler Nuklearprogramme zu ver-
hindern.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP sowie des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU])


Die neue amerikanische Nuklearstrategie, welche An-
fang 2010 vorgelegt werden wird, muss zudem zeigen,
ob sie den politischen Leitlinien der US-Regierung in
Fragen der Abrüstung und Nichtverbreitung gerecht
werden kann. Viele Nichtkernwaffenstaaten werden ge-
rade im Vorfeld der Überprüfungskonferenz auf den
Nuclear Posture Review schauen und diesen als Grad-
messer dafür ansehen, wie ernst es auch den Vereinigten
Staaten mit ihren kurz- und mittelfristigen Abrüstungs-
bemühungen ist.

Gleiches gilt für die Entscheidung des US-Senats
über die amerikanische Ratifikation des Atomteststopp-
vertrages. Die Ratifikation des CTBT muss aber – nicht
nur wegen der Vorbildfunktion für Staaten wie Indien –
gelingen, soll der Vertrag nicht für weitere Jahre auf Eis
gelegt werden. Nicht zuletzt hängen zukünftige Erfolge
bei der nuklearen Abrüstung und Nichtverbreitung eng
mit einer diplomatischen Lösung für die Konflikte um
das iranische Nuklearprogramm und das nordkoreani-
sche Kernwaffenprogramm zusammen. Ich habe immer
noch die Hoffnung, dass gerade mit dem Iran auf der Ba-
sis des jüngsten Vorschlags der IAEO zur Anreicherung
von Uran für den Teheran-Forschungsreaktor im Aus-
land doch noch eine Verständigung – vielleicht in letzter
Minute – zustande kommt. Denn ohne eine tragfähige
Lösung dieser Proliferationsrisiken wird ein substanziel-
ler Fortschritt bei der weltweiten Abrüstung kurz- bis
mittelfristig kaum möglich sein.

Abschließend bleibt festzuhalten: Die Herausforde-
rungen sind vielfältig; die einzelnen Bereiche sind
schwierig. Bundesaußenminister Westerwelle hat immer
betont: Abrüstung ist möglich, und zwar jetzt. Das
Schlüsselwort hierzu heißt „Zusammenarbeit“.

Auch in diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, ein frohes Weihnachtsfest sowie
ein gesundes und glückliches neues Jahr. Ich freue mich
auf den gemeinsamen Antrag im Jahr 2010.

Vielen Dank.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701305400

Agnes Malczak hat jetzt das Wort für die Fraktion

Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist in Gebot der Vernunft und zugleich unsere moralische flicht, alles in unseren Möglichkeiten Stehende dafür u tun, die Bedrohung durch Atomwaffen überall auf der elt und für immer zu beseitigen. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])

Agnes Malczak (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701305500

eshalb unterstützen wir jede Initiative, die sich diesem
iel verpflichtet, und sind gerne zu einem interfraktio-
ellen Antrag bereit.

Deutschland kann einen unverzichtbaren Beitrag zur
erwirklichung einer atomwaffenfreien Welt leisten.
ieser besteht in der Beendigung der nuklearen Teilhabe


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


nd dem Abzug der verbliebenen US-Atomwaffen aus
üchel in Rheinland-Pfalz.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


as von einigen gerne als Utopie abgetan wurde, ist zu
iner greifbar nahen Vision geworden. Nutzen wir die
unst der Stunde, deutliche Zeichen für eine atomwaf-

enfreie Welt zu setzen!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD])


Die beiden größten Atommächte sind schon dabei:
ussland und die USA stehen in Verhandlungen zu ei-
em neuen START-Vertrag und ziehen weitere Verträge
n Erwägung. Bis zur Überprüfungskonferenz zum
ichtverbreitungsvertrag im Mai nächsten Jahres in
ew York öffnet sich ein einmaliges Zeitfenster,


(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


m der Welt zu demonstrieren, wie nukleare Abrüstung
unktioniert.

Ich weise nochmals darauf hin, dass die USA eine
odernisierung der Atomwaffen beschlossen haben.
as kann gerade die in Deutschland gelagerten Waffen
etreffen. Es geht nicht nur darum, dass die weltpoliti-
che Chance auf Abrüstung so groß wie nie zuvor ist,
ondern auch darum, dass aufgrund der Modernisierung
akten geschaffen werden können, die den Abzug der
S-Atomwaffen erst einmal unmöglich machen. So oder

o: Jetzt ist das Zeitfenster gegeben, zu handeln. Lassen
ie diese Gelegenheit nicht verstreichen! Wir fordern
aher Außenminister Westerwelle dazu auf – er hat sich
mmer zur Abrüstung bekannt –, seinen Worten Taten
olgen zu lassen und einen konkreten Plan zum Abzug
on Atomwaffen aus Deutschland vorzulegen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des Abg. Dr. Rolf Mützenich [SPD])


1112 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Agnes Malczak
Wenn wir Sie auffordern, den Abzug der in Büchel
verbliebenen US-Atomwaffen einzuleiten, können Sie
uns nicht, wie in der letzten Debatte, vorwerfen, wir pro-
pagierten einen deutschen Alleingang. Für Grüne war
und ist Multilateralismus ein zentraler Wert.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Nukleare Abrüstung bedeutet keine Abkehr vom Prinzip
der kollektiven Sicherheit. Sie richtet sich nicht gegen
unsere Bündnispartner, sondern gegen den Wahnsinn ei-
nes Waffensystems, das eine Bedrohung für die eigene
Sicherheit und die gesamte Menschheit darstellt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD] und des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])


Zwischen Abwarten, bis es zu spät ist, und deutschem
Alleingang gibt es eine Alternative – sie ist der richtige
Weg -: zu agieren für eine atomwaffenfreie Welt, einen
aktiven Beitrag zu leisten und damit auch eine führende
Rolle im Abrüstungsprozess wahrzunehmen.


(Roderich Kiesewetter [CDU/CSU]: Genau das machen wir!)


Wenn es uns nicht gelingt, die Überprüfungskonfe-
renz im Frühjahr zum Erfolg zu führen, ist nicht nur das
Ziel Global Zero, sondern sind auch die bestehenden Er-
rungenschaften des Nichtverbreitungsvertrages bedroht.
Es gibt keine Alternative zur nuklearen Abrüstung; denn
die neuen aufstrebenden Staaten werden sonst die bishe-
rigen Privilegien der offiziellen Atommächte nicht län-
ger akzeptieren. Entweder wir gehen alle gemeinsam ei-
nen Schritt vorwärts, oder wir laufen Gefahr, in einen
Zustand permanenter Unsicherheit, wie es ihn in den
60er-Jahren gab, zurückgeworfen zu werden.

Wer stehen bleibt oder auf der Stelle tritt, der wird se-
hen, wie schnell der Weg steiniger wird und bald kom-
plett verstellt ist. Wer sich nur hinstellt und sagt, wie
schön es doch wäre, wenn endlich etwas passieren
würde, der wird am Ende kein Stück weiter sein. Daher
appelliere ich dringend an die Bundesregierung: Über-
zeugen Sie nicht mit Worten, sondern mit Taten!

Ich danke für die Aufmerksamkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701305600

Der Kollege Karl Lamers hat jetzt das Wort für die

CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Sehr guter Mann!)



Dr. Karl A. Lamers (CDU):
Rede ID: ID1701305700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Eine atomwaffenfreie Welt ist unsere Vision, unser ge-
meinsames Ziel. Daran müssen wir hier im Hause alle

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(C (D iteinander weiterarbeiten. Der Präsident der Vereinigen Staaten von Amerika, Barack Obama, hat dieser Viion in seiner beeindruckenden Rede in Prag gewisseraßen neue Flügel verliehen. Die Koalition aus CDU/ SU und FDP bekennt sich ausdrücklich zu diesem Ziel. eutschland hat bereits vor Jahrzehnten auf Atomwaffen erzichtet. Dies möchte ich, Frau Höger, ganz besonders ervorheben. (Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das ist doch in Ordnung!)


Die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen
erden sich bei den Verbündeten in der NATO nach-
rücklich dafür einsetzen, dass die letzten in Deutsch-
and verbliebenen Atomwaffen in absehbarer Zeit abge-
ogen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ies ist eine klare Zusage von unserer Seite an das ganze
aus.

Die SPD-Fraktion schreibt in ihrem Antrag, dass eine
elt frei von Atomwaffen erreichbar ist. Dieser Ansicht

timme ich gerne zu, allerdings unter der Voraussetzung,
ass niemand auf der Welt Atomwaffen besitzt. Mich
acht es ein wenig nachdenklich, dass im SPD-Antrag

ie Gefährdungen, die potenziell von Staaten wie dem
ran und Nordkorea ausgehen, nicht in dem Maße ange-
prochen werden, wie dies meines Erachtens notwendig
äre, ganz zu schweigen von der Gefahr, dass Terroris-

en in den Besitz von Atomwaffen oder nuklearem Mate-
ial kommen. Es reicht nicht aus, auf die Bemühungen
es früheren Außenministers Frank-Walter Steinmeier
inzuweisen. Wir brauchen in diesem Bereich tatsächli-
he Erfolge.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Solche kann ich gerade in diesen Tagen angesichts
mmer neuer Machtdemonstrationen des Iran in keiner

eise erkennen. Noch einmal: Visionen sind gut; aber
ealitäten in dieser Welt zur Kenntnis zu nehmen, ist
indestens ebenso wichtig, vielleicht sogar lebenswich-

ig. Daher Ja zu Visionen, aber Nein zu Illusionen.


(Beifall der Abg. Katharina Landgraf [CDU/ CSU] – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das war jetzt ein entschiedenes Jein!)


Der Iran lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass
r den nuklearen Brennstoffkreislauf schließen will und
ird. Gleichzeitig verbittet sich dieser Staat jede auslän-
ische Einflussnahme, und es ist kaum zu erwarten, dass
ich der Iran an internationale Verpflichtungen hält, die
uch für ihn gelten.


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Absolut richtig!)


eswegen: Wer eine atomwaffenfreie Welt anstrebt
das tun wir doch alle hier in diesem Hause –, muss

orher solche elementaren Probleme lösen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1113


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Dr. Karl A. Lamers (Heidelberg)

Die NATO war in den vergangenen Jahren und Jahr-
zehnten stets Garant unserer Sicherheit, lieber Herr
Gehrcke. Ich möchte an dieser Stelle – ich hoffe, im Na-
men des ganzen Hauses –


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: In meinem nicht!)


unseren Verbündeten und Freunden ausdrücklich dafür
danken, dass sie stets an unserer Seite standen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das musste mal gesagt werden! Aber nicht in meinem Namen!)


Die Strategie des Bündnisses war und ist es, jedem po-
tenziellen Aggressor militärische Gegenmaßnahmen an-
zudrohen, wenn er die Souveränität der NATO-Staaten
missachtet und die territoriale Integrität des Bündnisge-
bietes ignoriert.


(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Wo lebt der denn?)


Die Glaubwürdigkeit dieser Strategie, von der auch Sie,
Herr Gehrcke, letztlich profitieren, gründet sich auf ei-
nen Mix aus konventioneller Stärke und nuklearer Ab-
schreckungsfähigkeit.


(Uta Zapf [SPD]: Das ist doch genau das Gegenteil!)


Das seit 1999 gültige NATO-Strategiekonzept wird
zurzeit einer Überarbeitung unterzogen. Im Konsens mit
den Bündnispartnern werden wir im nächsten Jahr eine
zeitgemäße Antwort auf die sicherheitspolitischen He-
rausforderungen finden, die sich in der Zwischenzeit er-
geben haben. Ich bin überzeugt, Frau Zapf, dass auch
unser Bündnis auf die nukleare Abschreckung verzich-
ten wird, wenn es uns gelungen ist, die offiziellen und
inoffiziellen, möglichen oder tatsächlichen Nuklearwaf-
fenstaaten zum Verzicht auf nukleare Bewaffnung zu be-
wegen.


(Uta Zapf [SPD]: Das wird aber lange dauern! – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Null Angebot!)


Meine Damen und Herren, Sie sehen, es geht nicht nur
um Visionen, sondern auch um tatsächliche Schritte hin
zur Abschaffung aller Atomwaffen. Die fünf Schritte da-
hin hat unser Kollege Kiesewetter sehr beeindruckend
vorgestellt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum SPD-Antrag sage ich klar und deutlich: Es geht
nicht nur um einen Verzicht der NATO, sondern auch
und gerade um einen Verzicht von Staaten wie dem Iran
und Nordkorea, die versuchen, durch den Besitz von
Atomwaffen unangreifbar zu werden und das strategi-
sche Gleichgewicht in bestimmten Regionen der Welt zu
verändern, indem Sie damit drohen und andere erpres-
sen. Das Entscheidende für mich ist aber: Die Gefähr-
dung, die von Nuklearwaffen ausgeht, liegt nicht nur im
Haben, im Besitz dieser Waffen, sondern vor allem im
Verantwortungsbewusstsein dessen, der über sie verfü-

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(C (D en kann. Darum geht es. Wir jedenfalls bedrohen nieanden. Ich frage Sie: Wann hat die NATO jemals irgendjeanden bedroht? Sie nimmt lediglich das Recht auf kol ektive Verteidigung für den Fall eines Angriffs auf das ündnisgebiet in Anspruch. Dieses legitime Recht aller taaten besteht weiterhin. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wir wollen ein strategisches Gleichgewicht, und dies
etztendlich ohne Nuklearwaffen; doch bis dahin ist es
och ein weiter Weg. Wir begrüßen alle Versuche und
emühungen weltweit, in Bezug auf nukleare Abrüstung
nd Rüstungskontrolle zu wirklich akzeptablen Ergeb-
issen zu kommen. Zwischenschritte auf dem Weg zu ei-
er großen Lösung des Nuklearwaffenproblems dürfen
icht einseitig gemacht werden, sondern müssen von al-
en betroffenen Staaten vollzogen werden, um am Ende
leiche Sicherheit auch ohne Atomwaffen zu erreichen.
eshalb ist es richtig und wichtig, die konventionelle
brüstung einzubeziehen.

Wir alle fühlen uns dem Ziel verpflichtet, den Frieden
n Freiheit zu sichern. Lassen Sie mich deshalb mit ei-
em Zitat von Alexander von Humboldt schließen:

Ohne Sicherheit vermag der Mensch weder seine
Kräfte auszubilden noch die Früchte derselben zu
genießen; denn ohne Sicherheit ist keine Freiheit.

Ich danke Ihnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701305800

Damit schließe ich die Aussprache.

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, die Vorlage
uf Drucksache 17/242 an die Ausschüsse zu überwei-
en, die in der Tagesordnung vorgesehen sind. – Damit
ind Sie offensichtlich einverstanden. Dann ist das so be-
chlossen.

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte 21 a und 21 b
uf:

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia
Möhring, Klaus Ernst, Agnes Alpers, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Bundeseinheitliche Finanzierung von Frauen-
häusern sicherstellen

– Drucksache 17/243 –
Überweisungsvorschlag
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika
Lazar, Ekin Deligöz, Josef Philip Winkler, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Grundrechte schützen – Frauenhäuser sichern

– Drucksache 17/259 –

1114 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f)

Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit

Zwischen den Fraktionen ist verabredet, hierzu eine
halbe Stunde zu debattieren. – Dazu höre ich keinen Wi-
derspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe das Wort der
Kollegin Kirsten Tackmann für die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701305900

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Heute vor 30 Jahren trat die UN-Frauen-
rechtskonvention in Kraft. Ihr Ziel ist, jegliche Diskrimi-
nierung von Frauen zu beseitigen. Die Bundesrepublik
bekennt sich seit langem zu dieser Konvention und ver-
pflichtet sich zu ihrer Einhaltung; doch ihre Umsetzung
läuft sehr schleppend.

Erst im Februar kritisierte der zuständige Ausschuss
zum Beispiel das Fehlen einer gesicherten Finanzierung
der Frauenhäuser in Deutschland und forderte Abhilfe.
Eine Anhörung im Deutschen Bundestag, die vor zwei
Jahren auf Initiative der Linken stattgefunden hat, führte
zu dem Ergebnis, dass dringender Handlungsbedarf be-
steht. Es war die erste Anhörung zu diesem Thema nach
30 Jahren Frauenhausbewegung. Schwarz-Rot hat trotz-
dem nur eine Prüfung beschlossen. Ich denke, Schwarz-
Gelb ist jetzt dringend zur Tat verpflichtet.


(Beifall bei der LINKEN)


Aus unserer Sicht ist klar, dass der Bund zuständig
ist; denn es gilt der Verfassungsauftrag, gleichwertige
Lebensverhältnisse zu sichern, und zwar erst recht für
von Gewalt betroffene Frauen. Dieser Verfassungsauf-
trag ist aber nicht erfüllt, wenn es vom Wohnort oder
von der sozialen Situation der Frau abhängt, ob sie Zu-
flucht vor Gewalt findet oder nicht. Daran wird sich
nichts ändern, wenn die Finanzierung weiterhin allein
den Ländern und Kommunen überlassen wird. Eine Fi-
nanzierung nach Kassenlage anstatt nach Bedarf ist ge-
rade bei Gewaltopfern absolut inakzeptabel.


(Beifall bei der LINKEN)


Ich nenne ein paar daraus resultierende Probleme:

Erstens. Bei der Versorgung zeigt sich, dass es zu wenig
Schutzplätze und zu große regionale Unterschiede gibt. In
Bremen kommt ein Frauenhausplatz auf 6 200 Einwohne-
rinnen und Einwohner, in Bayern sogar auf 17 100.

Gemessen an den Normen der Europäischen Kom-
mission fehlen im Bundesdurchschnitt 4 800 Plätze. Es
ist inakzeptabel, wenn es vom Wohnort abhängt, ob eine
Zuflucht verfügbar ist oder nicht.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens. Soziale Zugangsbarrieren. Mit der Einfüh-
rung von Hartz IV wurde die Situation der Gewaltopfer
noch verschlechtert. Der Wechsel von der Pauschal- zur

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(C (D agessatzfinanzierung bedeutet, dass die Übernahme der ufenthaltskosten im Frauenhaus nur dann gesichert ist, enn die Betroffene Anspruch auf Hartz IV oder Sozialeld hat. Nicht Anspruchsberechtigte – das sind Schüleinnen, Auszubildende, Studentinnen und illegalisierte igrantinnen – müssen entweder den Tagessatz selbst ezahlen oder ihnen bleibt der Zugang verwehrt. Ein rauenhaus ist aber eine Schutzeinrichtung und kein Ho el für liquide Gäste. Es ist zynisch und rechtsstaatlich öchst bedenklich, wenn der Geldbeutel über die Mögichkeit einer Zuflucht entscheidet. ur Berlin, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein ind bei der Pauschalfinanzierung geblieben. Drittens. Regionale Zugangsbarrieren. Wenn eine artz-IV-Bezieherin aus Sicherheitsgründen in ein Frau nhaus flüchten muss, das außerhalb ihrer Herkunftsommune liegt, muss diese trotzdem für sie die Kosten bernehmen, aber nur in Höhe der eigenen Regelsätze. ie Differenz zu den möglicherweise höheren Sätzen in er Zufluchtskommune muss das Frauenhaus selbst bernehmen. Deshalb verlangen viele Kommunen, keine rtsfremden Frauen aufzunehmen. Das ist realitätsfremd nd absolut inakzeptabel. (Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der LINKEN)


Stellen wir uns kurz vor, wir wären Mitarbeiterinnen
n einem Frauenhaus und müssten misshandelte Frauen
bweisen, weil sie jenseits der Stadtgrenze wohnen oder
eil sie Studentin oder Migrantin ist. Würden Sie diese
rau ohne Hilfe wegschicken oder sie trotz des knappen
tats des Frauenhauses aufnehmen? Nur, wie oft könn-

en Sie sich eine solch humanitäre Geste leisten? Genau
or dieser Frage stehen Frauenhausmitarbeiterinnen na-
ezu täglich. Dabei sind sie unterbezahlt und müssen ne-
enbei zum Beispiel für Beratungsarbeit auch noch Ei-
enmittel einwerben. In NRW sind das stattliche
0 Prozent des Etats. Beim rot-rot regierten Berlin sind
s übrigens nur 3 Prozent.

Aus all diesen Gründen brauchen wir dringend eine
undeseinheitliche bedarfsgerechte Pauschalfinanzie-
ung für Frauenhäuser,


(Beifall bei der LINKEN)


ür Unterkunft, Betreuung, Prävention und Aufklärungs-
rbeit, für administrative Arbeiten und die Vernetzung
on Schutzeinrichtungen. Das zu sichern, beantragt Die
inke heute erneut, und wir werden weiter Druck ma-
hen, bis jedes Zimmer in jedem Frauenhaus für seine
ewohnerin die Tür zu einer gewaltfreien Zukunft öff-
et.

Vielen Dank.


(Beifall bei der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701306000

Die Kollegin Dorothee Bär hat das Wort für die CDU/

SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1115


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Dorothee Mantel (CSU):
Rede ID: ID1701306100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In einer Woche ist Weihnachten, und Weihnachten ist für
viele Menschen das Fest der Familie, der Besinnung und
des Friedens. Aber gerade an diesen Feiertagen kommt
es vermehrt zu häuslicher Gewalt und das in allen Ein-
kommensbereichen, in allen Bildungsschichten und auch
in allen Kulturkreisen.

Jede vierte Frau in Deutschland erlebt mindestens
einmal in ihrem Leben Gewalt durch ihren Partner. Be-
leidigungen, Schläge, Demütigungen, Vergewaltigun-
gen und lebensgefährliche Verletzungen führen zum Teil
zu lebenslangen seelischen Folgen. Zumeist braucht es
sehr viele Anläufe, bis die Betroffenen bereit und in der
Lage sind, sich aus dieser Gewaltsituation zu lösen. Des-
wegen brauchen diese Frauen Beratung und Zuwendung
und vor allen Dingen einen sicheren Ort.

Für viele Frauen und ihre Kinder ist der letzte Aus-
weg die Flucht aus der eigenen Wohnung in ein Frauen-
haus. Aber wie gesagt: Diesen Schritt überhaupt zu ge-
hen, ist natürlich mit sehr vielen seelischen Belastungen
verbunden. In unseren Frauenhäusern erhalten sie die
notwendige Unterstützung, sie erhalten eine Unterkunft,
Essen, finanzielle Soforthilfe und – was in den meisten
Fällen besonders wichtig ist – die Möglichkeit, sich zu
verstecken.

Als zentrale Anlaufstelle und Einrichtung für Opfer
von häuslicher Gewalt sind unsere Frauenhäuser seit
30 Jahren unverzichtbar geworden. Schon in unserem
Antrag „Die Situation von Frauenhäusern verbessern“
haben wir auf ihre hohe Bedeutung hingewiesen. Frau-
enhäuser und Frauenzufluchtswohnungen sind unerläss-
liche Einrichtungen der Notfallhilfe. Sie sind auch wich-
tige Anlauf- und Beratungsstellen für die Betroffenen,
leisten einen wertvollen Beitrag zur Gewaltprävention
und bieten Beratung und Vermittlung in persönlichen
Krisensituationen und Notlagen an.

Derzeit haben wir in Deutschland ungefähr 7 000 Bet-
tenplätze in circa 330 Frauenhäusern und in circa
60 Frauenzufluchtswohnungen. In diesen Frauenhäusern
bitten jährlich 45 000 misshandelte Frauen mit ihren
Kindern um Zuflucht.

Wir haben bei den Frauenhäusern insbesondere fol-
gende Probleme: Nicht überall – das ist angesprochen
worden – ist die regionale Versorgung gewährleistet. Ge-
rade über die kommenden Feiertage während der Weih-
nachtszeit kommt es teilweise zu extremen Engpässen.
Betroffene Frauen mit drei Kindern, psychisch kranke
Frauen und drogenabhängige Frauen finden nicht immer
schnell einen Platz.

Ein anderes Problem ist, dass die Betroffenen oft Stu-
dentinnen oder Migrantinnen mit ungeklärtem Aufent-
haltsstatus sind, die keine sozialversicherungsrechtli-
chen Ansprüche haben. Dies führt insbesondere bei
Frauenhäusern, die sich über Tagessätze finanzieren, zu
großen Finanzierungsschwierigkeiten. Frauenhäuser, die
diese Personengruppen aufnehmen, müssen deshalb ei-
nen erheblichen bürokratischen Aufwand leisten und
bleiben nicht selten auf den Kosten sitzen. Ein weiteres

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(C (D roblem tritt in der Praxis auf, wenn Frauen Schutz im rauenhaus einer fremden Kommune suchen und keine ostenübernahmeerklärungen der Herkunftskommune orliegen. Im Koalitionsvertrag haben wir beschlossen, eine undesweite Notrufnummer einzurichten, die rund um ie Uhr besetzt ist und die den Betroffenen konkrete Unerstützung vor Ort vermitteln kann. Diese Nummer Herr Staatssekretär, ich weigere mich im Sinne des chutzes der deutschen Sprache, sie Helpline zu nennen – oll dabei helfen, die einzelnen Bedürfnisse der Frauen nd ihrer Kinder festzustellen und das passende Hilfsanebot – Frauenhaus, Gewaltschutz oder andere Maßnahen – herauszufinden. Dieser Telefonnotruf soll der rste Schritt, soll ein niedrigschwelliger Schlüssel zu eiem Hilfesystem sein, mit dem auch Gruppen von rauen erreicht werden, die sich bisher aus unterschied ichen Gründen nicht angesprochen fühlten oder noch eine Vorstellung davon haben, dass das bestehende ilfsangebot sich auch an sie richtet. Mit der Telefonummer hat man eine Anlaufstelle, bei der man Informaionen bekommen kann und bei der die erste Hilfe orgaisiert werden kann. Dieser erste Schritt hin zu einem flächendeckenden ifferenzierten Hilfesystem für die von Gewalt betroffeen oder bedrohten Menschen soll seitens der Bundesreierung baldmöglichst eingeleitet werden. Union und DP haben sich im Koalitionsvertrag zudem darauf geinigt, dass ein Bericht zur Lage der Frauenund Kinerschutzhäuser und der darüber hinausgehenden Hileinfrastruktur vorgelegt wird. Für Mitte 2010 wird ußerdem eine Stellungnahme der Arbeitsgruppe Fraunhaus des Deutschen Vereins für öffentliche und private ürsorge e. V., in der die verschiedenen staatlichen Ebeen und das Frauenunterstützungssystem vertreten sind, rwartet. Die Arbeitsgruppe Frauenhaus wird konkrete Empehlungen aussprechen, welche Maßnahmen auf Bunesebene, auf Länderebene und auf kommunaler Ebene rgriffen werden können. Wir werden dann entscheiden, ie das Hilfesystem im Bereich von Gewalt gegen rauen im Rahmen der Bundeszuständigkeit weiter un erstützt werden kann. Denn die Finanzierung von Fraunhäusern ist je nach Bundesland und Kommune unterchiedlich geregelt. Damit Frauen und Kinder überall in eutschland schnell und unbürokratisch Hilfe bekomen können und die Frauenhäuser die notwendige Pla ungssicherheit haben, müssen ganz besonders die Läner und die Kommunen bei der Finanzierung noch esser zusammenarbeiten. Einzelne Bundesländer sind angesprochen worden, um Beispiel Schleswig-Holstein, wo die Frauenhausinanzierung sehr gut geregelt ist. Unserer Meinung nach äre es wünschenswert, wenn dieses Modell auch in aneren Ländern Nachahmer finden würde. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


All denen, die auf die angeblich hohen Kosten eines
olchen Engagements hinweisen, halte ich die Verpflich-

1116 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Dorothee Bär
tung entgegen, gerade Kinder und Frauen vor Gewalt zu
schützen und vorbeugend tätig zu werden. Meiner Mei-
nung nach sind die Ausgaben im Vorfeld allemal gerin-
ger als die immensen gesellschaftlichen Kosten, die mit
dem durch Gewalt verursachten menschlichen Leid ent-
stehen. Erfahrungen von Gewalt werden oft über meh-
rere Generationen hinweg an die Kinder weitergegeben
und sind eine schwere Hypothek für das ganze Leben.

Eine weitere wichtige Gruppe sind Frauen und Kinder
mit Behinderungen. Seitens der Union werden wir uns in
dieser Legislaturperiode sehr stark für diese Personen-
gruppe einsetzen und häusliche Gewalt gegen Frauen
und Kinder weiter bekämpfen. In diesem Zusammen-
hang ist es wichtig, dass der Bereich der Prävention wei-
ter gestärkt wird. Es ist wichtig, Geld in die Hand zu
nehmen, um ein funktionsfähiges, unbürokratisches Sys-
tem hinzubekommen.

Sie haben uns als Unterstützer an Ihrer Seite. Wir
wollen, dass Gewalt gegen Frauen im Vorfeld verhindert
wird und keine einzige Frau abgewiesen wird, wenn die
Gewaltsituation doch eingetreten ist und die Frauen in
den Frauenhäusern Zuflucht suchen, und wir wollen,
dass die Frauenhäuser nicht am Ende auf den Kosten sit-
zen bleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche Ihnen
allen nicht nur besinnliche Weihnachten und Gottes Se-
gen, sondern vor allem auch gewaltfreie Weihachten. An
dieser Stelle möchte ich im Namen des ganzen Hauses
all denen, die diesen Frauen Hilfe bieten und sie in den
rund 330 Frauenhäusern in Deutschland unterstützen,
meinen ganz herzlichen Dank aussprechen.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701306200

Als Nächste spricht die Kollegin Marlene Rupprecht

für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Marlene Rupprecht (SPD):
Rede ID: ID1701306300

Frau Präsidentin! Das Private ist politisch – das war

die Quintessenz des Internationalen Jahres der Frau
1975. Ich sage das bewusst. Das ist 34 Jahre her.


(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Das gilt noch heute!)


Gewalt im sozialen Nahraum – nicht im öffentlichen,
aber im sozialen Nahraum – war Privatsache. In der poli-
zeilichen Kriminalstatistik hieß das bis in die 90er-Jahre
hinein: Familienstreitigkeiten. Man ging hin und hat ver-
sucht, zu schlichten. Wenn einer total betrunken war, hat
man ihn vielleicht zur Ausnüchterung mitgenommen.
Aber ansonsten war es Sache der Frau, wie sie damit
umging. Das galt als individuelles Schicksal und nicht
als strukturelles Problem der Gesellschaft.

1975 hat die Frauenbewegung angefangen, das
Thema öffentlich zu machen. Man wurde sehr deutlich,
was dazu führte, dass bereits 1976 das erste Frauenhaus

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(C (D n Berlin in Betrieb ging. Es wurde von einem Forchungsprojekt begleitet. Dieses Projekt wurde ausgeertet, und die Erfahrungen, die dabei gesammelt wuren, bildeten für viele Frauenhäuser, die danach egründet wurden, die Basis für das Handeln. Die Forderung der Frauenbewegung lautete: Bekämpung der Gewalt ist eine öffentliche Aufgabe und nicht ine private. (Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sibylle Laurischk [FDP])


ch mache seit über 20 Jahren Frauenhausarbeit und leite
eit 20 Jahren ein Frauenhaus. Ich glaube, heute bestrei-
et niemand mehr – das ist in unserer Gesellschaft ange-
ommen –: Wenn Frauen von Gewalt betroffen sind, ist
as kein privates, sondern ein gesellschaftliches Pro-
lem, das wir anzugehen haben.

In der Folge wurden viele Themen groß aufgezogen.
exualisierte Gewalt gegen Mädchen war über Jahr-
ehnte hinweg das Thema. Viele dieser einzelnen Aktio-
en wurden 1999 unter der ersten rot-grünen Regierung
m ersten Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt ge-
en Frauen, der von Bundesministerin Bergmann vorge-
egt wurde, zusammengefasst. Viele rechtliche und prä-
entive Maßnahmen wurden veranlasst, zum Beispiel
ie Schulung der Polizeibediensteten und die Einrich-
ung einer Bund-Länder-AG, und Untersuchungen in
uftrag gegeben.

Europa hat sich dieser Thematik ebenfalls angenom-
en. Im November 2006 war der Auftakt zur Kampagne

es Europarates zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt
egen Frauen. Wir haben uns dieser Kampagne ange-
chlossen. Ich kann mich noch daran erinnern: Das war
ochproblematisch, ehe sich der Bundestag durchgerun-
en hat, mitzumachen. Mindeststandards wurden damals
efordert. Unter anderem ging es darum, wie viele Frau-
nhausplätze pro 10 000 Frauen zwischen 18 und über
0 Jahren zur Verfügung gestellt werden müssen. Wir
aben diese Mindeststandards leider nicht erreicht. Ich
laube, wir sollten noch einmal genau hinschauen und
icht länger darüber diskutieren, ob wir das brauchen
der nicht.

Ich glaube, dass das auch unter der Großen Koalition
o gesehen und die Politik fortgeführt wurde. Auch in
em zweiten Aktionsplan, der 2007 aufgelegt wurde,
tanden diese Maßnahmen im Mittelpunkt.

Aber 33 Jahre nach Einrichtung des ersten Hauses
tehen wir noch dort, wo wir damals standen: bei der
nitiierung eines Projektes, bei dem wir überlegen müs-
en, woher man Geld bekommt, wie das Haus finanziert
erden kann. Es ist so, als hätte man gerade die spon-

ane Idee, ein Haus einzurichten. Ich weiß, wovon ich
preche. Jede muss kreativ sein, jede muss schauen, wo-
er sie das Geld für das nächste Jahr bekommt, wie sie
ie Mitarbeiterinnen bezahlt und vor allem, wie sie die
usfälle auffängt, wenn die Kosten für den Aufenthalt
on Frauen nicht übernommen werden, weil sie durch
lle Raster fallen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1117


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Marlene Rupprecht (Tuchenbach)

Ich finde, dass wir uns jetzt eigentlich mit viel wichti-
geren Themen beschäftigen müssten, zum Beispiel mit
dem Zustrom von Migrantinnen – übrigens aus EU-Staa-
ten –, denen angebliche reiche Manager gesagt haben,
dass sie sie als Ehefrauen wollen. Sie werden hergeholt
und dann in die Prostitution geschickt und misshandelt.
Das sind Dinge, die uns in den Häusern derzeit massiv
beschäftigen. Es sind EU-Bürgerinnen, die Freizügigkeit
genießen, aber keinerlei sozialrechtliche Absicherung
haben. Dies müssten wir thematisieren. Aber was thema-
tisieren wir nach 33 Jahren? Wir thematisieren, wie wir
es schaffen, ein Haus zu finanzieren, und zwar bundes-
einheitlich. Jetzt dürfte ich hier gar nicht stehen; denn
ich habe mein Frauenhaus ganz gut finanziert. Wir ste-
hen einigermaßen gut da.


(Markus Grübel [CDU/CSU]: Das ist ja Bayern!)


– Nein, das bin ich. Man kann in Bayern alles finden, un-
ser Haus und Häuser, die Tagessatzfinanzierung haben,
die schlecht finanziert sind. Sie finden alles, und zwar
bundesweit.

Die Mitarbeiterinnen sind kreativ und versuchen, die
Defizite auszugleichen. Übrigens würde das kein Mann
machen. Das betrifft fast nur Frauenprojekte; das nur ne-
benbei als Gender-Aspekt gesagt. Man hofft, dass die
Frauen das, was sie im Leben immer machen, nämlich
Lücken mit ihrer Kreativität auszugleichen, auch da
schaffen.

Wir haben über 300 Häuser, und sie brauchen drin-
gend eine sichere Finanzierung. Jetzt sage ich Ihnen aus
meiner Erfahrung: Wir brauchen keine Tagessatzfinan-
zierung, sondern eine institutionelle Finanzierung.


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Wenn Sie die volkswirtschaftlichen Schäden gegenrech-
nen, die durch Gewalt verursacht werden, wenn Sie se-
hen, welche Kosten durch Krankenhausaufenthalte und
Arztbesuche infolge von Gewaltanwendung entstehen,
und welche Ausfälle bei der Erwerbstätigkeit durch Ge-
walt verursacht werden, dann könnten die Häuser locker
finanziert werden. Verglichen damit, können die Kosten
quasi aus der Portokasse bezahlt werden. Wir brauchen
eine institutionelle Förderung für alle Häuser; denn die
Nachsorge, die persönliche Beratung, die telefonische
Beratung und die Öffentlichkeitsarbeit müssen sicher fi-
nanziert sein.

Ich gehe gern auf internationale Tagungen, weil ich
dort mit Stolz verkünden kann, was wir alles gemacht
haben. Das ist wirklich toll. Da sind wir meist weltweit
führend. Das können wir hier auch einmal sagen. Wir
haben in den letzten 30 Jahren viel gearbeitet, aber dass
wir bei den Frauenhäusern, der wichtigsten Institution,
dastehen wie in den ersten Tagen, ist blamabel für dieses
Land, das sonst immer sagt: Wir sind ganz vorne, wir
sind die Musterschüler.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich halte es für eine Grundeinrichtung der Daseins-
vorsorge in der Kommune, Schutzeinrichtungen vorzu-

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(C (D alten. Denn Frauenrechte sind Menschenrechte. Daher ordere ich Sie, die Regierung, auf, it den Kommunen und mit den Ländern zu reden. enn sie die nötige Förderung nicht bereitstellen kön en, dann sollten wir es für sie machen. Ich glaube, enn es um die Bürgerinnen geht, dann ist es einem urscht, wer zuständig ist, dann sagt man: Jetzt suchen ir alle Wege, um den Bürgerinnen, die den Anspruch arauf haben, die Möglichkeit zu geben, geschützt zu erden. Wir können nicht sagen: Ich bin es nicht, du bist s nicht. Dieses Spiel haben wir in der Grundschule gepielt. Wir sind jetzt zu alt, um noch einmal von vorne nzufangen. Ich würde es gern schaffen. Ich würde mit einen Mitarbeiterinnen gern zielgerichtet für die rauen arbeiten, die es wirklich brauchen. Nachdem Frau Bär uns schon friedliche Weihnachten ewünscht hat, wünsche auch ich Ihnen das an dieser telle. Aber ich sage Ihnen noch etwas: Wir halten den etrieb an den Wochenenden und an den Feiertagen nur ufrecht, weil wir ganz viele ehrenamtliche Mitarbeiteinnen haben, die rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, ieben Tage die Woche, Rufbereitschaft haben und auch orgens um vier aufstehen, um eine Frau von einer Tele onzelle abzuholen, die dort mit ihren Kindern steht, eil sie nicht weiß, wohin sie gehen soll. Das muss auch inmal gesagt werden: Ohne das Ehrenamt wäre das berhaupt nicht möglich. Ich finde, das ist eines so reihen Landes eigentlich unwürdig. Danke. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701306400

Jetzt hat die Kollegin Sibylle Laurischk für die FDP-

raktion das Wort.


Sibylle Laurischk (FDP):
Rede ID: ID1701306500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Alles,

as wir bis jetzt zum Thema Frauenhäuser gehört haben,
acht brennglasartig auf ein gesellschaftliches Problem

ufmerksam, das nach wie vor nicht gelöst ist: die struk-
urelle Gewalt gegen Frauen innerhalb von Familien.

enn wir davon wissen, nehmen wir sie zur Kenntnis.
ch denke aber, in viel zu vielen Fällen will man davon
ar nichts wissen. Insofern sind Frauenhäuser ein unan-
enehmes Thema.

In der Vergangenheit, in den letzten 30 Jahren, auf die
chon mehrfach zurückgeblickt worden ist, haben sie al-
erdings viele gesellschaftliche Diskussionen auf den

eg gebracht. Mittlerweile gibt es beispielsweise das
ewaltschutzgesetz.


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Ja!)


rauen müssen sich nicht mehr in ein Frauenhaus bege-
en. Der, der schlägt, muss das Haus, muss die Wohnung
er Familie verlassen. Dennoch ist diese Regelung für
iele Frauen nach wie vor keine Lösung. Deswegen

1118 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Sibylle Laurischk
warne ich davor, Frauenhäuser zu schließen, auch wenn
die Versuchung gerade in Zeiten knappen Geldes nahe-
liegt.


(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Wir müssen realisieren: Nach wie vor ist mindestens
jede vierte Frau in Deutschland – nach meinem Dafür-
halten sind es eher mehr – in ihrem Leben einmal von
Gewalt in der Partnerschaft betroffen. Die Kinder be-
kommen dies häufig mit. Sie sind von solchen Erfahrun-
gen möglicherweise noch traumatisierter, als wir wissen


(Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Ja!)


und als es eventuell sogar die unmittelbar betroffene
Frau erlebt.

Wer sich mit dem Thema Frauenhäuser beschäftigt
– ich tue das seit vielen Jahren, und ich habe viele Frau-
enhäuser besucht –, weiß, dass es eine strukturelle Un-
terfinanzierung gibt und dass die Finanzierung ganz we-
sentlich von den Ländern respektive den Kommunen zu
erbringen ist. Das Geld reicht nicht aus. Gleichzeitig
führen wir immer wieder Debatten, wie wir gesellschaft-
liche Gewalt bekämpfen können.

Hier ist meiner Ansicht nach der Ansatzpunkt. Wenn
wir flankierende strafrechtliche Maßnahmen treffen
wollen, dann darf es nicht nur um die Strafbarkeit von
Straftaten gehen – das ist ganz klar; das ist unsere Ver-
pflichtung und unsere Aufgabe –, sondern dann muss es
auch um flankierende Maßnahmen und Hilfestellungen
gehen, die den betroffenen Frauen den Ausstieg aus ei-
ner Gewaltbeziehung ermöglichen, die oftmals von einer
fast suchtartigen Abhängigkeit gekennzeichnet ist.

Ich habe das Thema Frauenhausfinanzierung bereits
im Jahre 2004 mit einer schriftlichen Frage an die dama-
lige Bundesregierung auf die parlamentarische Agenda
gehoben. Dann hat sich der Bundestag lange Zeit nicht
mit diesem Thema beschäftigt. Einen Bericht zur Frau-
enhaussituation in Deutschland gab es zuletzt im Jahre
1988. Deswegen hat die FDP-Fraktion dieses Thema im
vergangenen Jahr aufgegriffen. Wir haben dringend ei-
nen Bericht über die Situation der Frauenhäuser in
Deutschland gefordert.

Es freut mich, dass wir uns nach der sehr engagierten
Debatte im Familienausschuss im November 2008, in
der wir uns mit Finanzierungsfragen befasst haben, auch
im Rahmen der Koalitionsverhandlungen nachdrücklich
mit diesem Thema befasst und es auch in den Koalitions-
vertrag aufgenommen haben. Wir haben uns vorgenom-
men, das Hilfesystem, soweit es in der Zuständigkeit des
Bundes liegt, weiter zu stützen. Beispielsweise haben
wir uns die Aufgabe gestellt, eine bundesweite zentrale
Notrufnummer für betroffene Frauen einzurichten. Ich
denke, dies wird ein weiteres niedrigschwelliges Ange-
bot sein, das den betroffenen Frauen den Zugang zu
Hilfe ermöglicht. Wir werden natürlich auch die Ergeb-
nisse der Berichterstattung der Bundesregierung auswer-
ten. Ich bin gespannt darauf, und ich lege großen Wert
darauf, dass dieser Bericht vonseiten der Bundesregie-

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(C (D ung nun möglichst zügig vorgelegt wird; denn er wird ine Grundlage dafür sein, wie wir das Problem der inanzierung der Frauenhäuser lösen. Dass wir dieses Problem lösen sollten, wird uns auch uf der internationalen Ebene gesagt. Wenn wir einen lick in den letzten CEDAW-Bericht des entsprechenen UN-Ausschusses werfen, sehen wir, dass deutlich emacht wurde, dass Deutschland auf Bundes-, Landesnd kommunaler Ebene die Finanzierung der Frauenäuser verbessern muss. Das ist also nicht nur eine natioale Fragestellung, sondern wird auch international so etrachtet. Ich glaube, dass wir hier einen breiten Konsens haen, dass Gewalt in der Familie und Gewalt gegen rauen nicht hinzunehmen sind und dass – als letzte Löung – die Frauenhäuser nötig sind. Dann muss ihre inanzierung aber so gestaltet werden, dass sie Bestand aben, dann dürfen diese Unsicherheiten, die viele Häuer seit Jahren kennen, nicht weiter bestehen. Meine Damen und Herren, es ist ein guter Zufall, dass ir uns so kurz vor Weihnachten mit der Finanzierung er Frauenhäuser beschäftigen. Das Bild der Mutter mit em Kind, das uns an Weihnachten sehr berührt, gilt ach wie vor: Seit Tausenden von Jahren gibt es Frauen, ie Zuflucht suchen, die ein Kind zu versorgen haben nd in dieser Situation ein sicheres Obdach brauchen. Es st, wie gesagt, gut, dass wir uns heute, so kurz vor eihnachten, mit dieser Fragestellung auseinanderseten. Das ist für die Arbeit der Bundesregierung und unerer Koalition Programm für die Arbeit der kommenden ahre. Danke schön. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD – Marlene Rupprecht [Tuchenbach] [SPD]: Wir werden aufpassen!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701306600

Jetzt spricht Monika Lazar für Bündnis 90/Die Grü-

en.


Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701306700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

edes Jahr fliehen etwa 40 000 Frauen und Kinder vor
äuslicher Gewalt in ein Frauenhaus. Jede vierte in
eutschland lebende Frau hat bereits körperliche und se-
uelle Gewalt durch ihren Partner oder Expartner erlebt.
iese Zahlen zeigen deutlich: Gewalt gegen Frauen ist
eine Privatsache, kein individuelles Problem, sondern
in Problem, bei dem die Gesellschaft tätig werden
uss. Hier ist die Politik gefragt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)


s ist die Aufgabe des Staates, Gewalt gegen Frauen zu
erhindern, präventiv tätig zu werden, aber auch den Op-
ern Hilfe zu gewähren und sie zu schützen.

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1119


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Monika Lazar
Bereits jetzt stehen die Frauenhäuser in einigen Bun-
desländern finanziell vor großen Problemen; meine Vor-
rednerinnen haben bereits darauf hingewiesen. Teilweise
sind die Probleme so gravierend, dass die Frauenhäuser
ihr Schutz- und Betreuungsangebot nicht mehr durch-
gängig sicherstellen können. Da ist auch die bundesein-
heitliche Notrufnummer, die das Ministerium angekün-
digt hat, leider nicht ausreichend. Die Situation der
Frauenhäuser wird sich künftig nicht verbessern; denn
mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz wird sich die
Finanzlage von Kommunen und Ländern noch ver-
schlechtern.

Manche Frauenhäuser nehmen aufgrund kommuna-
ler Finanzierungsvorgaben nur Frauen aus ihrer Ge-
meinde oder ihrem Landkreis auf. Bei einer hohen Ge-
fährdung der Frauen ist eine Unterbringung weit vom
Wohnort entfernt aber dringend notwendig. Immer wie-
der müssen wir in der Zeitung von Frauen lesen, denen
schwere Gewalt angetan wurde oder die sogar ermordet
wurden, nachdem ihr Expartner ihren Aufenthaltsort er-
fahren hatte. Am Dienstag dieser Woche begann in Han-
nover der Prozess gegen einen Mann, der seine Exfrau
erstochen haben soll, nachdem diese mit den Kindern in
ein Frauenhaus geflüchtet war.

Insbesondere residenzpflichtige Migrantinnen, die ein
Frauenhaus außerhalb des ihnen erlaubten Aufenthalts-
gebietes in Anspruch nehmen wollen, erleben immer
wieder, dass die Zufluchtsgemeinden die Zuständigkeit
für Leistungen bestreiten und Leistungen verweigert
werden; auch dies ist schon angesprochen worden. Um
auch Migrantinnen eine optimale Versorgung zu ermög-
lichen, muss die räumliche Beschränkung in ihrem Auf-
enthaltstitel schnell aufgehoben werden. Auch die
Finanzierung der Dolmetschkosten muss sichergestellt
werden.

Immer häufiger werden Frauenhäuser durch bele-
gungsunabhängige, einzelfallorientierte Tagessätze fi-
nanziert.

Dies ist bei Studentinnen, volljährigen Schülerinnen
und Auszubildenden problematisch, da diese keine An-
sprüche aus dem SGB II haben. Wenn sie ihren Aufent-
halt nicht selbst bezahlen können, kommt es vor, dass sie
von den Frauenhäusern abgewiesen werden. Der Zugang
zu Frauenhäusern soll aber kostenlos sein. Wenn Frauen
Angst vor den finanziellen Konsequenzen haben, ist dies
ein fatales Signal.


(Beifall der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Damit wird der Schritt aus einer Gewaltbeziehung und
die Flucht in ein Frauenhaus erschwert. Der Zugang zu
einer Schutzeinrichtung muss daher grundsätzlich unab-
hängig vom Einkommen der Betroffenen sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die positiven Beispiele Schleswig-Holstein, Berlin
oder Brandenburg wurden schon genannt und zeigen vor
allem, dass das möglich ist. Deshalb fordern wir die
Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern Ge-
spräche zu führen, um bundesweit qualitativ hochwer-

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(C (D ige, bedarfsgerechte und kostenlose Möglichkeiten zu chaffen. Im Gegensatz zur Linksfraktion favorisieren ir deshalb nicht von vornherein eine bundesweite Reelung. Sollten allerdings die Gespräche – wir warten och den angekündigten Bericht ab – zu keinem zufrieenstellenden Ergebnis kommen, müssen wir hier im undestag über eine bundesweit gültige Regelung nachenken. Das sollten wir in den verbleibenden Jahren dieer Legislaturperiode wirklich ernsthaft angehen. Vielen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701306800

Die Kollegin Elisabeth Winkelmeier-Becker hat jetzt

as Wort für die CDU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU):
Rede ID: ID1701306900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

erren! Das Thema der heutigen Debatte war bereits
hema in der 16. Wahlperiode. Die Anhörung dazu fand

m November 2008 und die Debatte im Juni 2009 statt,
u der alle Fraktionen ihre Anträge vorgelegt hatten. In
iesen Anträgen hatten wir in vielen Punkten Einigkeit,
um Beispiel über die Daten zur Gewalt gegenüber
rauen. Auch in den daraus zu ziehenden Schlussfolge-
ungen waren die damaligen Anträge, aber auch das, was
ir heute hier gehört haben, von weitgehender Überein-

timmung geprägt.

Verabschiedet haben wir im Juni dieses Jahres einen
ntrag der Großen Koalition, der der Bundesregierung

inen ausführlichen Katalog an Handlungs- und Prüfauf-
rägen aufgegeben hat. Vieles von dem, was wir damals
erabschiedet haben, findet sich heute in den Anträgen
ieder, die die Grünen und die Linken vorgelegt haben.
s geht darum, die Bundeszuständigkeit zu prüfen, vor
llem aber auch Gespräche mit den Ländern zu führen,
nd zwar ganz konkret mit dem Ziel, die nachhaltige
inanzierung der Frauenhäuser zu verbessern, allen
rauen, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen oder
usländerrechtlichen Status, den Zugang zu gewähren:
nbürokratisch und barrierefrei. In diesem Beschluss
ollten ausdrücklich auch die Vorgaben des CEDAW-Be-
ichts beachtet werden.

Welchen Sinn macht es, heute wieder über dieses
hema zu debattieren? Es stellt sich die Frage, welche
albwertzeit wir unseren eigenen Beschlüssen zumes-

en. Dass wir das Thema heute wieder auf die Tagesord-
ung setzen, hat den Vorteil, dass dieses wichtige Thema
eute noch einmal zur Sprache gebracht wird und sich
er neue 17. Bundestag Gedanken darüber macht, wel-
he Prioritäten er der neuen Bundesregierung mit in
iese junge Legislaturperiode geben will.

Aus Sicht der Union bleibt es bei der damaligen Ein-
chätzung. Ein sehr wichtiges Anliegen ist für uns, den
rauen in dieser Situation noch besser zu helfen. Wir
ollen dieses Ziel vor allem zusammen mit den Ländern

1120 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Elisabeth Winkelmeier-Becker
erreichen. An den Anfang der Debatte möchte ich den
Dank an die Organisationen stellen, die vor über
30 Jahren diesen Bedarf erkannt haben und die Frauen-
häuser, die uns heute selbstverständlich erscheinen, sehr
kreativ aufgebaut haben und – Frau Rupprecht hat es ge-
rade geschildert – mit großem Einsatz ehrenamtlich tätig
sind. Ohne sie könnten die betroffenen Frauen nicht die
nötige Hilfe bekommen. Deshalb an dieser Stelle mein
herzlicher Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)


Ich möchte aber auch betonen, dass die neue Regie-
rung dieses Thema sofort wieder auf die Tagesordnung
gesetzt hat. In den Koalitionsverhandlungen haben wir
uns darauf geeinigt, eine Notfallnummer einzurichten.
Realistisch ist die Umsetzung dieser Idee bis 2011. Es
geht schließlich nicht nur um die Technik, sondern man
muss dafür sorgen, dass am anderen Ende der Leitung
jemand sitzt, der einer Frau in einer bedrohlichen Situa-
tion die richtige Auskunft geben kann, und zwar auch
Auskunft über die Möglichkeiten des Gewaltschutzge-
setzes, oder konkret das Frauenhaus nennen kann, das
zuständig und erreichbar ist.

Noch einmal zurück zur Finanzierung. Die Vorredne-
rinnen haben schon Fälle geschildert, in denen die Kos-
ten nicht oder nur nach einem hohen bürokratischen
Aufwand getragen werden, sodass sich die Betreuerin-
nen darum kümmern müssen, anstatt sich um die trau-
matisierten Frauen kümmern zu können. Hier wird die
Lösung teilweise in einer bundeseinheitlichen Regelung
gesehen.

Zunächst stellt sich hier natürlich die Frage der Ge-
setzgebungskompetenz des Bundes, die nur unter sehr
engen Voraussetzungen gegeben ist. Ich will hier jetzt
gar nicht auf die Details des Verfassungsrechts eingehen,
diese Zuständigkeit ist von den sachverständigen Juris-
ten in der Anhörung zunächst einmal verneint worden.
Auch die Länder sehen die Zuständigkeit ganz klar bei
sich, und zwar unabhängig von den jeweiligen Parteien,
die dort regieren. Über alle Grenzen hinweg sind die
Länder der Meinung, dass das in ihre Zuständigkeit fällt.

Ich denke, wer das Heil in einer bundeseinheitlichen
Lösung sucht, der unterliegt zwei Irrtümern:

Erstens. Bundesgesetze sind nicht immer automatisch
besser als die Landesgesetze.


(Caren Marks [SPD]: Aber einheitlich!)


Wir hier im Bundestag sind nicht automatisch kompe-
tenter als die Kolleginnen und Kollegen in den Land-
tagen. Die Länder haben die Problematik genauso er-
kannt wie wir. Sie haben auch den gleichen Willen, hier
effektiv zu helfen, und sie haben sich auf der Konferenz
der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister,
-senatorinnen und -senatoren der Länder in diesem
Sommer auch dazu positioniert und zum Ausdruck ge-
bracht, dass man hier Verbesserungen erreichen will.

Es ist auch deshalb richtig, dass es Ländersache ist,
weil hier durchaus auch regionale Besonderheiten zu be-
achten sind. Die Versorgung mit Plätzen in Frauenhäu-

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(C (D ern ist nur ein Bestandteil eines umfassenden Konzepts. ndere Dinge kommen noch hinzu: Beratungsstellen, ufluchtsstätten. Das kann von Land zu Land differie en, und auch der Bedarf ist unterschiedlich. Auch desalb ist das bei den Ländern nicht schlecht aufgehoben. ie Länder würden auch nicht zustimmen, wenn wir hier in Bundesgesetz erlassen würden. Hier sehe ich also ur wenig Spielraum. Zweitens. Mit einer bundesgesetzlichen Regelung inge nicht automatisch auch die Finanzierungslast auf en Bund über. Das heißt, das Problem, das wir damit löen wollen, wäre gar nicht zu lösen, sondern die Länder ären weiterhin dafür zuständig, das Geld aufzubringen. Damit liegt der Schwarze Peter aber bei weitem nicht ur bei den Ländern, sondern wir müssen hier schauen, as wir auf Bundesebene tun können, und zwar bitte an er richtigen Stelle. Das heißt, wir müssen die Leisungsgesetze, in denen steht, wer in welcher Situation etas bekommt, „entrümpeln“ und daraufhin überprüfen, b sie zielgenau auf den Bedarf dieser Frauen ausgerichet sind. Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII müssen ielleicht unbürokratischer gewährt werden, damit die eantragung nicht so lange dauert, bis die Frau das Fraunhaus schon wieder verlassen hat. Hier brauchen wir ereinfachungen. Wir sollten ebenfalls kritisch überprü en, welche Regelungen wir im Ausländerbzw. Aufentaltsrecht vereinfachen können, um den entsprechenden edarf besser abdecken zu können. Hier sollten wir un ere Hausaufgaben machen, einiges vereinfachen und larstellen. Hinsichtlich der Finanzierung möchte ich noch ganz urz auf einen Aspekt eingehen. Mir liegt daran, dass ir auch die Verantwortlichen, die Täter, in dem einen der anderen Fall besser zur Finanzierung mit heranzieen. Frau Rupprecht hat gerade entsprechende Fälle gechildert, in denen durchaus zahlungskräftige Männer hre Frauen in Situationen gebracht haben, in denen sie n Frauenhäuser gehen. Ich sehe überhaupt nicht ein, ass die Kosten dafür aus Steuermitteln aufgebracht erden müssen. Hier können wir durchaus auch an die ewalttäter herangehen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)


Ich denke, auf dieser Grundlage werden wir diese An-
räge erneut beraten. Im Übrigen schließe ich mich den

ünschen für ein gutes und friedliches Weihnachtsfest
n alle Kollegen an.

Vielen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701307000

Damit schließe ich die Aussprache zu diesem Tages-

rdnungspunkt.

Es ist vorgeschlagen, dass die Vorlagen auf den
rucksachen 17/243 und 17/259 an die in der Tagesord-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1121


(A) )



(B) )


Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
nung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. –
Damit sind Sie einverstanden. Dann ist das so beschlos-
sen.

Ich rufe jetzt den Zusatzpunkt 10 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Martin
Gerster, Nicolette Kressl, Ingrid Arndt-Brauer,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD

Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-,
Feiertags- und Nachtarbeit erhalten

– Drucksache 17/244 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)

Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Haushaltsausschuss

Zwischen den Fraktionen ist verabredet worden,
hierzu eine halbe Stunde zu debattieren. – Damit sind
Sie einverstanden. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege
Martin Gerster für die SPD-Fraktion.


(Beifall bei der SPD)



Martin Gerster (SPD):
Rede ID: ID1701307100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es hätte aus meiner Sicht eigentlich keinen besseren
Zeitpunkt gegeben als heute, um über dieses Thema zu
sprechen. Letztendlich geht es um die Frage, wie wir mit
Menschen umgehen, die beispielsweise an den Weih-
nachtsfeiertagen diese erholsame Zeit nicht im Kreise
der Familie verbringen können, sondern diese Zeit op-
fern müssen, um zu arbeiten. Das ist kein kleiner Kreis,
und er wird immer größer. Inzwischen ist der Kreis der-
jenigen in Deutschland, die in Bereichen wie Gesund-
heit, Pflege, Verkehr oder Medien davon betroffen sind,
sehr groß geworden.

Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, dass über
20 Millionen Beschäftigte in Deutschland sonntags,
nachts oder an Feiertagen arbeiten müssen. Über
8,5 Millionen Beschäftigte sind von Sonntagsarbeit be-
troffen. 5 Millionen Beschäftigte müssen nachts arbei-
ten. Deswegen ist es sicherlich ein positives Signal,
wenn wir an dieser Stelle denjenigen danken, die nachts,
an Feiertagen und Wochenenden diesen wichtigen
Dienst für unsere Gesellschaft leisten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit dem Dank ist es aber nicht getan. Um es deutlich
zu sagen: Wir wollen nicht, dass die Arbeit sonntags,
nachts und an Feiertagen ausgedehnt wird. Sie ist aber in
vielen Bereichen eine gesellschaftliche Notwendigkeit.
Deswegen meinen wir, dass wir die Menschen für die
Strapazen entschädigen müssen, die sie dadurch auf sich
nehmen, dass sie beispielsweise an Weihnachten darauf
verzichten, sich gemeinsam mit ihrer Familie zu erholen.

Deswegen halten wir von der SPD-Fraktion es für
notwendig, die Steuerfreiheit der Zuschläge in diesem

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(C (D ereich zu erhalten. Darum geht es uns in unserem voriegenden Antrag. Deswegen bitten wir das ganze Haus m Zustimmung. enn wir haben die große Sorge, dass es mit der Steuerefreiung dieser Zuschläge bald vorbei sein könnte. (Dr. Daniel Volk [FDP]: Durch Herrn Steinbrück!)


(Beifall bei der SPD)


um einen gibt es ein wissenschaftliches Gutachten, das
om Bundesfinanzministerium in Auftrag gegeben
urde, in dem die Abschaffung dieser Subventionen ge-

ordert wird. Zum anderen ist festzustellen – auch wenn
om Bundesfinanzministerium beteuert wird, dass es
eine konkreten Pläne zur Umsetzung dieser Forderung
ibt –, dass seit Jahren insbesondere von der FDP, aber
uch von der Union wie zuletzt 2005 gefordert wird, die
teuerfreiheit dieser Zuschläge abzuschaffen.

Ganz aktuell hat am 8. Dezember der haushaltspoliti-
che Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Fricke eine
iskussion über die Besteuerung der Nacht- und Feier-

agszuschläge gefordert. Er kann sich, wie er sagt, die
esteuerung der Nacht- und Feiertagszuschläge vorstel-

en. Das heißt, es scheinen konkrete Pläne vorhanden zu
ein, diese Steuerbefreiung abzuschaffen.

Das Bundesfinanzministerium kann noch so sehr be-
euern, dass es keine konkreten Pläne gibt. Wir haben die
roße Sorge, dass an der bestehenden Regelung gedreht
ird,


(Ulrike Flach [FDP]: Hatten Sie die bei Herrn Steinbrück auch?)


nd zwar auch deswegen, weil wir erst am 5. Dezember
n diesem Hause die Subventionierung der Hoteliers und
ieler anderer Bereiche beschlossen haben und es sich
bzeichnet, dass die Haushaltslöcher immer größer wer-
en. Wir werden mutwillig in die Verschuldung getrie-
en. Spätestens 2011 müssen auch aus den Reihen der
oalition Vorschläge kommen und Maßnahmen umge-

etzt werden, um diese Verschuldung wieder zurückzu-
ühren.


(Beifall bei der SPD)


Deswegen glaube ich, dass höchste Aufmerksamkeit
ngebracht ist. Wir wollen von Ihnen eindeutig wissen:
tehen Sie zu der Aussage, dass keine konkreten Pläne
orliegen? Sind Sie bei uns, wenn wir die Steuerbefrei-
ng für Zuschläge für die Sonntags-, Nacht- und Feier-
agsarbeit erhalten wollen, oder fallen Sie irgendwann
m? Denn der Tag der Wahrheit wird kommen. Spätes-
ens im Jahr 2011 werden Sie massive Einsparungen
ornehmen müssen. Wir erwarten von Ihnen heute klare
ussagen, ob Sie unsere Position teilen, dass diese Zu-

chläge steuerfrei bleiben.


(Beifall bei der SPD)


Wir wollen keine Lippenbekenntnisse. Wir wollen bei
er Abstimmung ganz genau wissen, ob Sie bei uns sind.
ie Millionen Beschäftigten in diesem Bereich haben ei-
en berechtigten Anspruch darauf, zu wissen, wie es

1122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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Martin Gerster
weitergeht; denn sie sind darauf angewiesen, dass ihre
Zuschläge steuerfrei bleiben. Es geht um einen Betrag
von 2 Milliarden Euro. Viele in diesem Bereich Tätige
planen natürlich mit der Steuerfreiheit der Zuschläge.
Wenn die Steuerfreiheit abgeschafft wird, kann das nicht
über Tarifverhandlungen ausgeglichen werden; denn es
sind Einbußen von bis zu 20 Prozent in der Lohntüte zu
befürchten. Deswegen bitte ich Sie herzlich, unserem
Antrag zuzustimmen. Das liegt im Interesse zum Bei-
spiel all derjenigen, die an Weihnachten arbeiten müssen
und darauf zählen, dass ihre Zuschläge steuerfrei blei-
ben. Wir werden nachher sehen, wie die Koalitionsver-
treter abstimmen werden.

In diesem Sinn wünsche ich Ihnen allen schöne Feier-
tage, frohe Weihnachten und einen guten Rutsch in das
neue Jahr. Wir sind auf die Positionierung der Koali-
tionsfraktionen gespannt.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der SPD)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701307200

Der Kollege Olav Gutting hat das Wort für die CDU/

CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1701307300

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Es ist kurz vor Weihnachten. Lieber Martin Gerster, du
hast recht: Euer Antrag passt wirklich zu Weihnachten.
Man könnte ihn mit „Eine schöne Bescherung“ über-
schreiben. Es ist wirklich komisch, wenn man bedenkt,
dass euer Finanzminister Peer Steinbrück es war, der im
Juli 2007 den Auftrag gegeben hat, die dem Volumen
nach 20 größten Subventionen zu untersuchen. Es sollte
eine systematische Erfolgskontrolle der Subventionen
erfolgen. Das Ergebnis bezüglich der Steuerbefreiung
von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen können
Sie alle nun schwarz auf weiß nachlesen.

Das von Herrn Steinbrück beauftragte Finanzwissen-
schaftliche Forschungsinstitut an der Universität zu Köln
kommt zu folgendem Ergebnis: Die Transparenz der Be-
günstigung ist gering. Es gibt keine klare Zielsetzung.
„Dies ist für eine Vergünstigung, die 2 Milliarden Euro
öffentliche Mittel kostet, inakzeptabel.“ Weiter heißt es:
Es handelt sich um einen Transfer, der ausschließlich
Mitnahmeeffekte, aber keine lenkenden Anreizeffekte
hervorruft. Es ist keine Begründung ersichtlich, wo das
Allgemeininteresse von faktisch nahezu jeder beliebigen
Tätigkeit nachts oder an Sonn- und Feiertagen liegt. Im
Gutachten wird auch darauf hingewiesen, dass das Ge-
rechtigkeitsprinzip verletzt ist. Verteilungspolitisch wer-
den Besserverdienende mit der Steuerbefreiung stärker
begünstigt. – Hört! Hört! Ich wiederhole: Verteilungspo-
litisch werden Besserverdienende mit der Steuerbefrei-
ung stärker begünstigt.

Ich zitiere weiter aus der Studie: Hinzu kommt, dass
die Arbeitgeberseite in Tarifverhandlungen bei geringer
entlohnten Arbeitskräften einen größeren Teil der Sub-
ventionen abschöpfen kann als bei höher entlohnten Be-

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(C (D chäftigten. Das grobe Ziel des Schutzes der Arbeitneher wird nicht erreicht. Die durch die Steuerfreiheit der uschläge induzierte Anreizwirkung widerspricht dem iel des Schutzes des Arbeitnehmers. Das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut an er Universität zu Köln empfiehlt deshalb ohne Einchränkung die Abschaffung der Steuerbefreiung von onn-, Feiertagsund Nachtzuschlägen. Die Abschafung, so das Institut, werde eine bessere Steuertranspaenz, höhere Effizienz und eine gleichmäßigere Einkomensverteilung mit sich bringen. So lautet das eindeutige rgebnis des von Ihrem Finanzminister beauftragten Intituts. Nun muss man in der Politik Gott sei Dank nicht alles achen, was Professoren, Schriftgelehrte und Institute orgeben. Möchten Sie die eine Zwischenfrage der Abgeordne en Kressl zulassen? Bitte schön. Herr Kollege Gutting, da Sie so ausführlich aus dem utachten zitiert haben, drängt sich mir folgende Frage uf: Sind wir uns einig, dass die Entscheidung, wie mit ewertungen aus Sachverständigengutachten umzugeen ist, am Ende eine politische ist? Diese Frage drängt ich mir besonders auf, weil die damalige politische Leiung des Finanzministeriums zwar, wie so oft, Gutachten n Auftrag gegeben hat, aber schon damals deutlich geacht hat, dass sie sich politisch mit diesen Wertungen usdrücklich nicht identifiziert. (Ulrike Flach [FDP]: Dann hätte er sich das Geld sparen können!)


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701307400
Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1701307500
Nicolette Kressl (SPD):
Rede ID: ID1701307600


Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1701307700

Liebe Kollegin, ich habe gerade eben gesagt, dass es

in Glück in der Politik ist, dass wir nicht immer das ma-
hen müssen, was die Professoren vorgeben. Aber Sie
üssen den Menschen schon erklären, warum Sie ein
utachten, das der Finanzminister für teures Steuergeld

n Auftrag gibt, ignorieren, egal welches Ergebnis bei
iesem Gutachten herauskommt. Dann haben die Steuer-
ürgerinnen und Steuerbürger nämlich ein Problem mit
hnen; denn die fragen sich zu Recht: Was treibt ihr ei-
entlich mit unserem Geld? – Darum geht es.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ann kann man sich solche Studien in Zukunft sparen,
nd man braucht keine Steuergelder zu verschwenden.
s ist eine grundsätzliche Frage, ob wir mit Steuergel-
ern sinnvoll, dem Gemeininteresse dienend umgehen
nd ob wir die öffentlichen Mittel sparsam verwenden.
enn ich diese Frage bejahe, kann ich nicht solche Stu-

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1123


(A) )



(B) )


Olav Gutting
dien wie Ihr Finanzminister in Auftrag geben und sie an-
schließend einfach in die Tonne treten.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Angesichts von 8,5 Milliarden Euro Steuergeschenken ist das jetzt wirklich platt!)


Im Übrigen ist es auch eine Frage des Respekts gegen-
über den Wissenschaftlern, gegenüber den Menschen,
die in diesem Forschungsinstitut arbeiten, wie wir mit
dem Ergebnis dieser Arbeit umgehen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Was wollen Sie uns damit sagen?)


– Ich sage Ihnen: Wir wollen das Ergebnis der Studie des
Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der
Universität zu Köln für die weitere Fortentwicklung des
Steuerrechts, die wir brauchen, zumindest beachten.


(Nicolette Kressl [SPD]: Hört! Hört!)


Ich will hier klar sagen: Die Union plant aktuell keine
Streichung dieser Steuerfreiheit. Dies würde im Übrigen
unserem Grundsatz widersprechen, dass wir mehr Netto
vom Brutto wollen. Der Wegfall von Ausnahmeregelun-
gen ist grundsätzlich nur vertretbar, wenn er mit einer
großen Steuerstrukturreform


(Joachim Poß [SPD]: Das heißt, die Steuer kommt!)


und in diesem besonderen Fall mit Tarifvereinbarungen
kombiniert wird, die Schlechterstellungen wie die der
gerade von Ihnen zitierten Krankenschwester verhin-
dern. Wir wollen das Einkommensteuerrecht fortent-
wickeln. Wir wollen es einfacher, niedriger und gerech-
ter machen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Wie bei den Hotels!)


Wir wollen ein Einkommensteuerrecht – es geht nicht
um die Umsatzsteuer –, das Leistung belohnt und diese
nicht bestraft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


Aber Ihr Antrag will eine das objektive Nettoprinzip ver-
letzende Ausnahmevorschrift zementieren, und Sie wol-
len mit diesem Antrag in der Konsequenz eine die
Arbeitnehmer begünstigende Rechtsfortbildung verhin-
dern. Für mich ist dieser Antrag eine Bankrotterklärung
an den Gestaltungswillen und den Gestaltungsanspruch
in der Steuerpolitik. Was wir brauchen, ist eine Einkom-
mensteuerreform. Der Bürger will wissen, wofür er be-
zahlen muss. Ihm ist wichtig, dass die Steuerlast verteilt
wird, dass er sich nicht als der Dumme vorkommt, der
seine Pflichten erfüllt, während ein anderer, zum Bei-
spiel sein Nachbar, verschont bleibt.


Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701307800

Herr Kollege, Sie hätten die Chance, eine Zwischen-

frage von Herrn Poß zuzulassen.


Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1701307900

Bitte schön.

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(C (D Bitte sehr. (Zuruf von der FDP: Wie lange wollen wir das noch hinauszögern?)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701308000


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1701308100

Ich bitte um Entschuldigung, dass sich das jetzt noch

erzögert. Ich habe nur eine ganz kurze Frage. Dürfen
ir Ihren Ausführungen, Herr Kollege, entnehmen, dass

hre Meinung zu dem Thema mit der Meinung von
errn Schäuble übereinstimmt, oder ist das nur Ihre per-

önliche Auffassung? Ist damit zu rechnen, dass Ihre
uffassung zur Grundlage von politischen Entscheidun-
en der Bundesregierung möglicherweise noch in die-
em Jahr wird?


(Zuruf von der FDP: In diesem Jahr noch?)



Olav Gutting (CDU):
Rede ID: ID1701308200

In diesem Jahr ganz bestimmt nicht, Herr Kollege

oß. Aber eines ist doch klar: Wir wollen eine Struktur-
eform bei der Einkommensteuer. Wenn ich eine Struk-
urreform bei der Einkommensteuer vorhabe, dann kann
ch doch nicht im Vorfeld gewisse Bereiche zu Tabuzo-
en erklären. Wir wollen, dass die Bürger wissen, wofür
ie bezahlen müssen. Wir wollen, dass das Steuerrecht
erecht ist. Wir wissen nämlich, dass ungleiche Besteue-
ung ungerecht ist. Das ist ja nun ein Fakt; dem können
uch Sie sich nicht verschließen.

Formale Gleichheit verlangt, dass ziffernmäßig glei-
he Einkommen gleich hohe Steuern auslösen, zunächst
inmal unabhängig davon, auf welche Weise das Ein-
ommen erworben wurde. Das Einkommensteuerrecht,
ie wir es heute haben, differenziert ja normalerweise
icht danach, wie schwer jemand zur Erzielung seines
inkommens arbeiten muss. Nur bei den Sonn-, Feier-

ags- und Nachtzuschlägen soll in Form der Steuerbe-
reiung etwas anderes gelten.

Nun sprechen Sie immer wieder davon, dass diese
teuerbefreiung für Schichtarbeiter, Krankenschwestern
der Polizisten unbedingt zu erhalten ist. Aber was ma-
hen wir dann mit dem Gewerbetreibenden, der sams-
agabends oder sonntagmorgens in seinem Kiosk steht?

as machen wir mit dem selbstständigen Bauzeichner,
er über die Weihnachtsfeiertage in seinem Büro sitzen
uss und nicht heraus kann, weil er noch Aufträge erle-

igen muss? Für all diese gibt es keine Steuerbefreiung.
ie subventionieren mit ihren Steuern sogar noch die
teuerfreiheit der anderen. Das ist doch nicht gerecht.


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Aha!)


ch sage Ihnen: Genau aus diesem Grund ist die in Ihrem
ntrag enthaltene Forderung nur vordergründig geeig-
et, um, wie von Ihnen beabsichtigt, populistische Strö-
ungen zu bedienen.


(Zuruf von der LINKEN: Ach, ihr wollt sie weghaben?)


Ich will es noch einmal wiederholen: Die Union plant
ktuell keine Abschaffung der Steuerfreiheit der Sonn-,
eiertags- und Nachtzuschläge. Das ist nicht Bestandteil

1124 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


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unseres Regierungsprogramms. Wir wollen die Leis-
tungsträger in diesem Land entlasten. Das sind die Kran-
kenschwestern, die Polizisten und die Schichtarbeiter.


(Zuruf des Abg. Joachim Poß [SPD])


Wer wirklich arbeitnehmerfreundliche Politik machen
will, wer wirklich die breite Mitte der Gesellschaft, die
seit Jahren die Lasten dieses Landes trägt, entlasten will,


(Dr. Barbara Höll [DIE LINKE]: Ihre breite Mitte wird immer schmaler dank Ihrer Politik!)


der muss das Ziel haben, das Einkommensteuerrecht
leistungsgerechter, in sich stringenter, einfacher und
transparenter zu gestalten.

Einem Antrag wie dem Ihren, mit dem Sie die Fort-
entwicklung des Einkommensteuerrechts hin zu einem
gerechten und einfacheren Steuersystem verhindern wol-
len, können wir nicht zustimmen.

Ich habe jetzt noch zweieinhalb Minuten; da aber bald
Weihnachten ist, mache ich Ihnen ein Geschenk und
schenke Ihnen die zweieinhalb Minuten und wünsche Ih-
nen und uns allen ein schönes, gesegnetes, friedliches
Weihnachtsfest und einen guten Start ins neue Jahr, hof-
fentlich mit besseren Anträgen aus der Opposition.

Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701308300

Die Kollegin Dr. Barbara Höll hat jetzt das Wort für

die Fraktion Die Linke.


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1701308400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Nacht- und Sonntagsarbeit bedeutet für die
meisten Menschen eine erhebliche Belastung. Schlaf-
und Gesundheitsprobleme können die Folge sein. Ein
eingeschränktes familiäres und soziales Leben muss in
Kauf genommen werden. Daher haben Lohnzuschläge
auf den Normallohn ihre Berechtigung. Gezahlt werden
sie von den Unternehmen und in Form einer Steuerbe-
freiung der Zuschläge auch von der Allgemeinheit.

Die 2 Milliarden Euro, die die Steuerbefreiung jähr-
lich kostet, locken den jeweiligen Finanzminister zur
Streichung – nun auch Herrn Schäuble. Bereits im Mai
2003 hatte der Sozialdemokrat Peer Steinbrück, damals
Ministerpräsident, diese Euros im Blick. Als Bundes-
finanzminister gab er auch die kürzlich veröffentlichte
Studie, die die Abschaffung befürwortet, in Auftrag.
Nun wird wieder, allen voran von der FDP, die Steuerbe-
freiung der Zuschläge als unsoziale Steuersubvention
verunglimpft.

Ich sage Ihnen: Wenn Krankenschwestern, Busfahrer
oder Feuerwehrleute bereit sind, ihre Arbeit auch nachts
und an Sonn- und Feiertagen zu verrichten, dann ist das
doch sehr wohl im Interesse aller.

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(C (D aher ist eine Steuerbefreiung ihrer Zuschläge gerechtertigt. Ob die Steuerbefreiung das beste Mittel für einen beechtigt höheren Stundenlohn ist, kann man diskutieren. ch nenne Ihnen ein Beispiel: Eine ostdeutsche Verkäuerin ist, wie immer mehr ihrer Kolleginnen, im Nieriglohnbereich beschäftigt. Das heißt 5,60 Euro die tunde. Bekommt sie den steuerlich maximal freigestell en Sonntagszuschlag von 50 Prozent, sind das gerade inmal 2,80 Euro pro Stunde mehr an Sonntagen. Die teuerbefreiung dieses Zuschlags nützt ihr gar nichts; enn ihr Einkommen ist ohnehin zu niedrig, als dass sie arauf überhaupt Steuern zahlt. Diese Verkäuferin geht ei der Steuerbefreiung also leer aus. Sie könnte nur urch die konsequente Einführung eines angemessenen indestlohns der Armutsfalle entfliehen. Deshalb wird ie Linke an diesem Punkt auch nicht lockerlassen. Was wäre nun aber die Folge einer Abschaffung der teuerbefreiung? Höhere Nachtarbeitszuschläge in Un ernehmen oder bei der öffentlichen Hand? Mehr brutto, amit es netto wenigstens das Gleiche bleibt? Wohl aum. Die Beschäftigten sitzen immer mehr am kürzeen Hebel gegenüber den Arbeitgebern. Ob Schwarzelb, Rot-Grün oder die Große Koalition: Alle Bundes egierungen haben ihren Beitrag dazu geleistet, den iedriglohnsektor auszubauen. Sie haben damit die so iale und die Verhandlungsposition der Beschäftigten mmer weiter ausgehöhlt. Der überwiegende Teil der nachts und sonntags Areitenden lebt schon heute nicht in Saus und Braus, im egenteil. Wer ihnen von dem Wenigen, was sie bekomen, noch etwas nimmt, handelt eindeutig unsozial. Ich freue mich, dass auch die SPD das eingesehen hat. ls sie noch in Regierungsverantwortung war, sah sie as anders. 006 wurde im sogenannten Haushaltsbegleitgesetz neen der unsozialen Anhebung der Mehrwertsteuer eine rastische Beschränkung der Sozialversicherungsfreiheit on Sonntags-, Feiertagsund Nachtzuschlägen eingeührt. So wie die SPD kann vielleicht, hoffe ich, auch die egierungskoalition heute dazulernen. Wir als Linke sagen Ihnen: Hände weg von der Steurbefreiung auf Zuschläge für Nacht-, Sonntagsund eiertagsarbeit! Ich danke Ihnen. Der Kollege Dr. Daniel Volk hat das Wort für die DP-Fraktion. Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1125 Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Ihrem Antrag, werte Kollegen von der SPDFraktion, wollen Sie sich zu Beschützern der Schichtarbeiter aufschwingen, also von Polizisten und Krankenschwestern, von Bedienungen im Restaurant und anderen. Aber genau diese Berufsgruppen, wie viele andere auch, haben Sie in den letzten elf Jahren, in denen Sie die Regierungsverantwortung hatten, geschröpft wie nie zuvor. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Olav Gutting [CDU/CSU] – Bernd Scheelen [SPD]: Ist doch Blödsinn!)


(Beifall bei der LINKEN)


(Beifall bei der LINKEN)


(Dr. Daniel Volk [FDP]: So ist das!)


(Beifall bei der LINKEN)

Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701308500

(Beifall bei der FDP)


(A) )


(B) )

Dr. Daniel Volk (FDP):
Rede ID: ID1701308600

(Lachen der Abg. Nicolette Kressl [SPD])


Die Scheinheiligkeit der SPD ist nur schwer zu überbie-
ten. Nach elf Jahren an der Macht wird nun, keine drei
Monate nach Ihrer Abwahl, von Ihnen versucht, Ihre ei-
gene Politik einfach vergessen zu machen.

Die Wahrnehmung der Menschen in unserem Land
sieht freilich ganz anders aus. Die SPD hat die größte
Mehrwertsteuererhöhung in der Geschichte der Bundes-
republik Deutschland mit einer Belastung von mehr als
20 Milliarden Euro im Jahr zu verantworten.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Die meisten Mehrwertsteuererhöhungen hat die FDP beschlossen! – Nicolette Kressl [SPD]: Wie viele Mehrwertsteuererhöhungen habt Ihr gemacht?)


Die SPD hat eine Unternehmensteuerreform zu verant-
worten, die den Namen nicht verdient hat. Die SPD hat
die verkorkste Gesundheitsreform zu verantworten, die
nichts besser, aber alles teurer gemacht hat.


(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Machen Sie es doch rückgängig!)


Und wer hat dafür zu zahlen? Es sind die Leistungsträger
in unserer Gesellschaft: die Schichtarbeiter, die Polizis-
ten und die Krankenschwestern, übrigens unabhängig
davon, zu welcher Tageszeit sie ihr Geld verdienen.


(Bernd Scheelen [SPD]: Wie war denn der Spitzensteuersatz unter Helmut Kohl?)


Von Ihnen brauchen wir uns nicht erklären zu lassen,
was vernünftige Steuer- und Sozialpolitik ist; denn Sie
sind die Steuererhöhungspartei in diesem Haus – wir
sind die Steuersenkungspartei.


(Beifall bei der FDP – Nicolette Kressl [SPD]: Für die Hotels!)


Erst kürzlich hatte ich ein Gespräch in der Münchner
U-Bahn, in dem mir ein Mitarbeiter der Münchner Stadt-
werke die von Ihnen hinterlassene Situation verdeut-
lichte. Er ließ sich seine hart erarbeiteten Überstunden
auszahlen. Von den 1 200 Euro brutto blieben ihm nur
300 Euro netto – für Überstunden im Umfang von zwei
Arbeitswochen. Das nennt die SPD also eine sozial ge-
rechte Politik. Ich nenne so etwas ganz einfach unsozial
und ungerecht.

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(C (D (Beifall bei der FDP – Nicolette Kressl [SPD]: Wie hieß der Koalitionspartner?)


Dieser und viele weitere Fälle machen eines deutlich:
ach elf Jahren SPD-Steuerpolitik lohnt sich Arbeit in
eutschland nicht mehr. Wir werden das ändern. Denn
rbeit muss sich in diesem Lande wieder lohnen.


(Nicolette Kressl [SPD]: Für Hotels!)


reiheit, Steuergerechtigkeit, Stärkung der Bürgerrechte
nd bessere Bildung für unsere Kinder: Das sind unsere
rimären Ziele. Davon werden wir uns nicht durch linke
der sozialdemokratische Verblendungen abbringen las-
en.


(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Olav Gutting [CDU/CSU])


Heute hat das Wachstumsbeschleunigungsgesetz den
undesrat passiert.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schlimm genug!)


ie Regierungskoalition setzt damit ein deutliches Zei-
hen für eine schnelle Entlastung der Bürgerinnen und
ürger in Deutschland.


(Nicolette Kressl [SPD]: Und der Hotels!)


ährend die Opposition noch lamentiert, haben wir ge-
andelt und die Menschen und vor allen Dingen die Fa-
ilien in diesem Lande entlastet.


(Dr. Gerhard Schick [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Steuergeschenke verteilt!)


s profitieren insbesondere die Familien der Schicht-
rbeiter. Das ist moderne und soziale Steuerpolitik.


(Beifall bei der FDP – Lachen der Abg. Nicolette Kressl [SPD])


Bei der Erhöhung des Kindergeldes und der Kinder-
reibeträge wurde übrigens von allen Sachverständigen
arauf hingewiesen, dass diese Maßnahmen insbeson-
ere den Schichten mit niedrigen Einkommen zugute
ommen.


(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was? Das glauben Sie doch selber nicht!)


urch diese zielgerichtete und vernünftige Entlastung
erden finanzielle Spielräume für Familien mit Kindern

röffnet. Wir werden in den nächsten Jahren durch harte
rbeit Stück für Stück die Fehler der vergangenen Re-
ierung aufarbeiten.


(Zuruf des Abg. Manfred Zöllmer [SPD])


azu hat uns der Wähler beauftragt, auch wenn Sie von
er Opposition das immer noch nicht wahrhaben möch-
en.

Die Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen
undestages über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
at übrigens deutlich gezeigt, dass die Maßnahmen der
chwarz-gelben Koalition Impulse für ein stabiles und
ynamisches Wirtschaftswachstum setzen werden.

1126 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009


(A) )



(B) )


Dr. Daniel Volk

(Lachen der Abg. Nicolette Kressl [SPD] – Nicolette Kressl [SPD]: Das war offensichtlich eine andere Veranstaltung!)


Da Sie, werte Kollegen von der Steuererhöhungspar-
tei, es offenbar immer noch nicht verstanden haben – Sie
haben ja in diesem Hause und übrigens auch im Bundes-
rat Steuerentlastungen abgelehnt –, will ich noch einmal
versuchen, Ihnen das zu erklären.


(Manfred Zöllmer [SPD]: Wie kann man nur so viel Unsinn erzählen?)


Wir entlasten die Unternehmen mit Maßnahmen, mit de-
nen sie die vorhandenen Arbeitsplätze sichern und neue
Arbeitsplätze schaffen können. Das ist die beste Sozial-
politik; denn nur so können wir uns überhaupt einen So-
zialstaat leisten.


(Beifall bei der FDP – Mechthild Rawert [SPD]: Hoffentlich sagen Sie das in einem Jahr auch noch!)


Die Regelung zur Sofortabschreibung geringwertiger
Wirtschaftsgüter, die Abmilderung der Zinsschranke und
die Verbesserungen bei der Sanierungsklausel werden
dazu dienen, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen
Unternehmen vor dem Hintergrund der aktuellen Wirt-
schaftskrise zu stärken. Die Korrekturen an der Unter-
nehmensteuerreform wirken für die Unternehmen be-
schäftigungsfördernd, weil krisenentschärfend. Sie
wurden daher von den Experten, nicht nur in der Sach-
verständigenanhörung, einhellig begrüßt.


(Lachen bei der SPD)


Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz ist damit ein ers-
ter Schritt, um vor allem die Familien zu entlasten. Die
Erhöhung der Kaufkraft der Familien ist ein wichtiger
Schritt zur Stärkung der Binnennachfrage und hilft vor
allem den Kindern und damit unser aller Zukunft.

Die Krise ist mit diesen Maßnahmen zwar noch nicht
überwunden, aber das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es sichert
die Arbeitsplätze, schafft neue Arbeitsplätze und sorgt
für mehr Netto vom Brutto auch für die Schichtarbeiter.


(Beifall bei der FDP)


Liebe Kollegen von der Steuererhöhungspartei, nut-
zen Sie doch einmal die Weihnachtszeit zum Erkenntnis-
gewinn!


(Bernd Scheelen [SPD]: Nächstes Jahr lesen wir Ihnen mal das vor, was Sie jetzt gesagt haben!)


Folgen Sie unserem Kurs einer sozialen Steuergesetz-
gebung!

Liebe Bürger dieses Landes, freut euch sehr; denn
dank der FDP gibt es ab Januar mehr,


(Lachen bei der SPD)


mehr Netto vom Brutto.

Frohe Weihnachten!

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(C (D (Beifall bei der FDP – Iris Gleicke [SPD]: Jauchzet! Frohlocket! – Martin Gerster [SPD]: Mehr Schulden auch!)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701308700

Der Kollege Gerhard Schick hat das Wort für Bünd-

is 90/Die Grünen.


Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701308800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

ch könnte natürlich jetzt über den Unterschied zwischen
eihnachten und Karneval referieren.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


ber ich will lieber zur Sache sprechen.

Herr Dr. Volk, Sie haben über das Wachstumsbe-
chleunigungsgesetz gesprochen. Es wäre schon interes-
ant gewesen, zu erfahren: Was ist eigentlich verspro-
hen worden? Entweder ist die schwarz-gelbe Koalition
n Schleswig-Holstein als Bettvorleger gelandet, oder es
ibt Versprechungen, die zulasten des Bundeshaushaltes
ehen. In dem Fall hat dieses Haus ein Recht darauf, das
u erfahren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)


enn wir über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz
ier reden, dann darüber.

Worum geht es beim vorliegenden Antrag? Bei der
teuerfreiheit der Zuschläge für Wochenend-, Nacht-
nd Sonntagsarbeit geht es um eine Sondernorm. Die
PD schreibt, man dürfe diese nicht antasten. Ich glaube,
s war richtig, diese Regelung in der rot-grünen Regie-
ungszeit insofern anzutasten, als wir einen Missbrauch,
en es in diesem Bereich bei den Spitzenverdienern gab,
orrigiert und im Hinblick auf den Stundenlohn eine
öchstgrenze von 50 Euro festgelegt haben, damit die
icker mit ihren Millioneneinkommen nicht von einer
egelung profitieren, die für Kleinverdiener, für Leute,
ie am Sonntag etwas für die Gesellschaft leisten müs-
en und wenig verdienen, gedacht ist. Sie übersehen
uch, dass die Beitragsfreiheit in diesem Bereich – da
ibt es eine Deckelung bei 25 Euro – noch viel wichtiger
st als die Steuerfreiheit. Denn dies trifft die Kleinverdie-
er, von denen Frau Dr. Höll zu Recht gesprochen hat,
och viel stärker als die Steuerfreiheit, die erst bei einer
ewissen Grenze des Haushaltseinkommens greift.

Wenn Sie die Tendenz zur Wochenendarbeit bekla-
en, dann sage ich Ihnen: Da muss man systematisch he-
angehen, und dann darf der rot-rote Senat in Berlin
icht als Erstes die Ladenöffnungszeiten für den Sonntag
reigeben und sehr viele Beschäftigte zusätzlich in die
onntagsarbeit treiben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Olav Gutting [CDU/CSU])


eien Sie doch konsistent, wenn Sie dies ernst meinen!

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1127


(A) (C)



(B) )


Dr. Gerhard Schick

Ich finde, dass man auch die wissenschaftliche For-
schung beachten muss, die sagt: Vielleicht ist das alles
nicht ganz so gerecht, wie es zunächst scheint.

An einer Stelle stimme ich Ihrem Antrag zu. Es geht
um Prophylaxe – so verstehe ich Ihren Antrag –; denn es
droht eine massive Gefahr. Der Bundesfinanzminister
sagt: Ab 2011 haben wir einen großen Konsolidierungs-
bedarf; aber ich verrate nicht, wie wir vorgehen. – Liest
man den Koalitionsvertrag, stellt man zwar fest, dass Sie
sich zu allen möglichen Details in der Steuerpolitik äu-
ßern: zur Besteuerung von Jahreswagenrabatten, zum
steuerlichen Abzug privater Steuerberatungskosten, zu
Steuererklärungsvordrucken und vielem Weiteren.


(Dr. Daniel Volk [FDP]: Zum Stufentarif!)


Wenn Sie sich die Statistik einmal anschauen, dann
sehen Sie, dass die Zuschläge für Nacht-, Wochenend-
und Feiertagsarbeit im Bereich der Gaststätten und Ho-
tels ganz besonders notwendig sind. Davon sind sehr
viele Menschen betroffen. Ich glaube, dass Ihre Steuer-
politik und damit Ihre Politik der Spaltung dieser Gesell-
schaft – oben geben und unten nehmen – in den nächsten
Jahren dazu führen wird, dass etwas passiert, wozu wir
sagen: „So nicht“, nämlich dazu, dass die Beschäftigten
im Gaststätten- und Hotelgewerbe dadurch, dass Sie die
Steuerfreiheit abschaffen, für die Steuergeschenke an
ihre Chefs werden zahlen müssen. Das ist eine Umver-
teilung von unten nach oben, und das machen wir nicht
mit.

Danke schön und frohe Weihnachten!
Die Steuerfreiheit der Zuschläge wird aber nicht aufge-
führt. Da werden wir natürlich hellhörig; denn wir be-
fürchten, dass Sie die Argumente der Systematik und der
Bürokratie, die bei den Hoteliers merkwürdigerweise
nicht gezählt haben, dann wieder hervorholen, wenn es
darum geht, eine bestimmte Bevölkerungsgruppe zu be-
lasten. So kommen wir nicht zu einem einfachen Steuer-
system. Kein Mitglied der CDU/CSU und der FDP im
Finanzausschuss fand die Regelung zur ermäßigten
Mehrwertsteuer für die Hoteliers gut. Trotzdem haben
sie alle mitgemacht.


(Dr. Daniel Volk [FDP]: Was?)


– Ach so, Sie persönlich finden die Ausnahmeregelung,
die mehr Bürokratie schafft und unsystematisch ist, gut?


(Dr. Daniel Volk [FDP]: Die Frage ist nur: Woher haben Sie das denn?)


Dann nehmen wir mal zu Protokoll, dass Sie das gut fin-
den.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Iris Gleicke [SPD]: Das werden wir uns merken!)


Kommen Sie also bei der Steuerfreiheit der Zuschläge
nicht plötzlich mit dem Argument der Systematik und
des Bürokratieabbaus. Dann sind Sie nämlich unglaub-
würdig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


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(D (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)



Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1701308900

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, damit sind wir am

chluss der heutigen Tagesordnung.

Ich wünsche Ihnen, aber vor allem auch all denen, die
ns hier im Saal und auch im ganzen Haus immer wieder
is zum Schluss und darüber hinaus unterstützen: Ers-
ens. Schlafen Sie aus. Zweitens. Singen Sie laut. Drit-
ens. Beten Sie, wenn Sie mögen. Viertens. Genießen
ie. Fünftens. Seien Sie behütet. Kurz: Gesegnete Weih-
achten! Für Sie alle viel Kraft für das Neue, das danach
ommt.

Ich habe im Überschwang vergessen, den Antrag zu
berweisen. Das machen wir noch nach den guten Wün-
chen sozusagen als Weihnachtsgeschenk. Drucksa-
he 17/244 soll an die in der Tagesordnung aufgeführten
usschüsse überwiesen werden. – Damit sind Sie alle
ffensichtlich einverstanden.

So entlasse ich Sie in die freie Zeit und berufe die
ächste Sitzung des Deutschen Bundestages auf Diens-
ag, den 19. Januar 2010, 10 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.