Rede von
Michael
Brand
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
ollegen! Zunächst kann ich im Konsens mit der über-
roßen Mehrheit hier im Hause nochmals festhalten,
ass die EU-Mission Althea in Bosnien-Herzegowina
ine notwendige Mission ist, deren Verlängerung wir als
DU/CSU aus voller Überzeugung zustimmen.
Als jemand, der dieses in der Tat geschundene Land
eit 1995 – ganz offensichtlich im Vergleich zu Ihnen –
1088 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009
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Michael Brand
immer wieder besucht hat, will ich eine klare Bemer-
kung in Richtung der Kritiker der Mission machen.
Dafür, dass dieses Land einem Aggressionskrieg und ei-
nem Völkermord ausgesetzt war, sind die vergangenen
14 Jahre seit dem Friedensabkommen von Dayton eine
sehr kurze Zeit. Wir alle hier sollten uns bei mancher
Ungeduld und manchem Kopfschütteln über einzelne
Akteure vor Ort immer fragen: Wo wären wir, die Deut-
schen, 14 Jahre nach einem solchen Genozid, wenn wir
zwar militärische Absicherung des Friedens, dabei aber
keinen Marshallplan und keine zentrale Lage in Europa
hätten?
Es ist wahr – das weiß ich aus vielen Gesprächen vor
Ort –: Das Ausmaß der Korruption ist eine Geißel, die
Bosnien-Herzegowina bei seiner Entwicklung hindert.
Wahr ist auch: Nationalismus ist eine rhetorische Karte,
die innerhalb Bosniens noch immer allzu oft sticht. Die
Bosnier, insbesondere die Bosniaken, haben nicht Rache
geübt an den Tätern – und es gab mehr als Srebrenica;
dieser Ort ist nur das Fanal für andere Hunderte von
Massakern, deren Tote noch immer nicht identifiziert
sind. Wer der Lebenswirklichkeit und der Seelenlage der
Bevölkerung nachspürt, der muss feststellen: Hundert-
tausende Überlebende dieses Genozids sind wirtschaft-
lich geschlagen und erfahren zu wenig Gerechtigkeit;
das hat Kollegin Beck gerade eindrücklich formuliert.
Diese Menschen sind nicht nur von vielen in der eigenen
Führung enttäuscht. Sie hatten viel Hoffnung in Europa,
aber sind meist mit der internationalen Gemeinschaft
und auch mit manchem Lehrmeisterton schon lange
nicht mehr einverstanden. Wer täglich erleben muss,
dass Täter des Genozids – hier geht es nicht nur um den
meistgesuchten aller Kriegsverbrecher, Herrn Mladic –
bei Polizei und Verwaltung heute wieder oben sitzen,
und das sogar in Srebrenica, der zweifelt an der Situation
und verliert auch Energie für den Wiederaufbau. Wer
sieht, dass die EU aktuell die auslaufenden Mandate in-
ternationaler Richter und Staatsanwälte nicht verlängern
hilft, der wertet dies als fatales Signal beim Kampf ge-
gen Korruption und bei der Verfolgung von Kriegsver-
brechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt bleibt
richtig: Wir müssen auf eine Zeit hinsteuern, die den
OHR überflüssig macht. Allerdings heißt das auch: Wir
müssen uns darauf gut vorbereiten. Wer manch eine
Analyse über „die da unten“ und wir die internationale
Gemeinschaft, liest oder davon hört, der darf sich über
unsere Fehler, die gemacht worden sind, überhaupt nicht
wundern. Zu viele faule waren unter den Kompromissen,
und zu wenig wurde die Würde der Opfer dieses Geno-
zids mitten in Europa beachtet, als es um konkrete Vor-
schläge ging. Ich spreche es offen an: Es ist an der Zeit,
nicht nur andere zu tadeln, sondern auch die eigenen
Fehler, die Fehler der internationalen Gemeinschaft, in
den letzten zehn Jahren offen und ehrlich zu analysieren.
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Die Mission Althea schützt dieses Land auch vor de-
en, die innerhalb wie außerhalb den Appetit auf Teile
osniens erkennbar nicht verloren haben. Deshalb muss
estgehalten werden – Herr Mützenich, hier stimme ich
hnen ausdrücklich zu und bin für Ihre Äußerung dank-
ar –: Das inzwischen demokratische, neue Serbien
uss denen klar widersprechen, die wie Dodik und an-
ere nur 15 Jahre nach dem Ende der Milosevic-Kriege
chon wieder offen fabulieren, von Banja Luka bis
rebrenica Teile aus Bosnien herausschneiden zu wol-
en. Eines ist klar: Wer von Banja Luka in Bosnien bis
itrovica in der Republik Kosovo zündelt, der spielt mit
em Feuer neuer Konflikte auf dem Balkan. Das dürfen
ir nicht zulassen.
Wer glaubt, dass die radikalen Kräfte in Serbien, im
osovo, in Mazedonien und anderswo nicht genau be-
bachten, wie die EU mit diesen Themen umgeht, der
egeht einen gefährlichen Irrtum. Dieser Destabilisie-
ung und Radikalisierung in Südosteuropa müssen wir
it Nachdruck entgegentreten. Eine zweite Runde von
alkan-Konflikten darf Europa nicht zulassen. Auch
ies dokumentiert unser Engagement im Rahmen von
lthea, KFOR, EULEX und anderen Missionen in Süd-
steuropa. Mit Entschlossenheit und Umsicht müssen
ir im Interesse Bosniens endlich den Weg in die Post-
ayton-Ära beschreiten.
Ich stelle fest, dass mit Ausnahme einer Fraktion alle
raktionen dieses Hauses formuliert haben, dass wir ei-
en Prozess brauchen, der Dayton überwindet, der neue
kzente setzt. Dayton war wichtig, um den Krieg zu be-
nden. Er reicht aber nicht aus für die heutigen Realitä-
en und als Grundlage, um das Land zurückzugeben. Das
üssen wir allerdings erreichen. Es muss uns gelingen,
en Bosniern ihr Land in guter Weise und gut geordnet
urückzugeben. In Bosnien und auch auf unserer Seite
st noch einiges zu tun. Der neue deutsche Außenminis-
er bedeutet auch hier eine Chance auf Verbesserung.
ir wünschen uns eine aktivere Rolle Deutschlands in
üdosteuropa. Die CDU/CSU bietet jede gewünschte
ilfe in der Sache an.
Erlauben Sie mir, in dieser letzten Sitzung vor der
eihnachtspause an uns alle zu appellieren: Die Opfer
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1089
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Michael Brand
des schlimmsten Genozids in Europa nach dem Zweiten
Weltkrieg haben es mehr als nur verdient, dass wir uns
hier besondere Mühe geben. Wir wollen und werden al-
les unternehmen, um den Menschen in Bosnien den Weg
in eine Zukunft in Würde und Wohlstand mitten in der
Gemeinschaft EU-Europas mit zu ebnen.
Herzlichen Dank.