Frau Präsidentin! Das Private ist politisch – das war
die Quintessenz des Internationalen Jahres der Frau
1975. Ich sage das bewusst. Das ist 34 Jahre her.
Gewalt im sozialen Nahraum – nicht im öffentlichen,
aber im sozialen Nahraum – war Privatsache. In der poli-
zeilichen Kriminalstatistik hieß das bis in die 90er-Jahre
hinein: Familienstreitigkeiten. Man ging hin und hat ver-
sucht, zu schlichten. Wenn einer total betrunken war, hat
man ihn vielleicht zur Ausnüchterung mitgenommen.
Aber ansonsten war es Sache der Frau, wie sie damit
umging. Das galt als individuelles Schicksal und nicht
als strukturelles Problem der Gesellschaft.
1975 hat die Frauenbewegung angefangen, das
Thema öffentlich zu machen. Man wurde sehr deutlich,
was dazu führte, dass bereits 1976 das erste Frauenhaus
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ch mache seit über 20 Jahren Frauenhausarbeit und leite
eit 20 Jahren ein Frauenhaus. Ich glaube, heute bestrei-
et niemand mehr – das ist in unserer Gesellschaft ange-
ommen –: Wenn Frauen von Gewalt betroffen sind, ist
as kein privates, sondern ein gesellschaftliches Pro-
lem, das wir anzugehen haben.
In der Folge wurden viele Themen groß aufgezogen.
exualisierte Gewalt gegen Mädchen war über Jahr-
ehnte hinweg das Thema. Viele dieser einzelnen Aktio-
en wurden 1999 unter der ersten rot-grünen Regierung
m ersten Aktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt ge-
en Frauen, der von Bundesministerin Bergmann vorge-
egt wurde, zusammengefasst. Viele rechtliche und prä-
entive Maßnahmen wurden veranlasst, zum Beispiel
ie Schulung der Polizeibediensteten und die Einrich-
ung einer Bund-Länder-AG, und Untersuchungen in
uftrag gegeben.
Europa hat sich dieser Thematik ebenfalls angenom-
en. Im November 2006 war der Auftakt zur Kampagne
es Europarates zur Bekämpfung der häuslichen Gewalt
egen Frauen. Wir haben uns dieser Kampagne ange-
chlossen. Ich kann mich noch daran erinnern: Das war
ochproblematisch, ehe sich der Bundestag durchgerun-
en hat, mitzumachen. Mindeststandards wurden damals
efordert. Unter anderem ging es darum, wie viele Frau-
nhausplätze pro 10 000 Frauen zwischen 18 und über
0 Jahren zur Verfügung gestellt werden müssen. Wir
aben diese Mindeststandards leider nicht erreicht. Ich
laube, wir sollten noch einmal genau hinschauen und
icht länger darüber diskutieren, ob wir das brauchen
der nicht.
Ich glaube, dass das auch unter der Großen Koalition
o gesehen und die Politik fortgeführt wurde. Auch in
em zweiten Aktionsplan, der 2007 aufgelegt wurde,
tanden diese Maßnahmen im Mittelpunkt.
Aber 33 Jahre nach Einrichtung des ersten Hauses
tehen wir noch dort, wo wir damals standen: bei der
nitiierung eines Projektes, bei dem wir überlegen müs-
en, woher man Geld bekommt, wie das Haus finanziert
erden kann. Es ist so, als hätte man gerade die spon-
ane Idee, ein Haus einzurichten. Ich weiß, wovon ich
preche. Jede muss kreativ sein, jede muss schauen, wo-
er sie das Geld für das nächste Jahr bekommt, wie sie
ie Mitarbeiterinnen bezahlt und vor allem, wie sie die
usfälle auffängt, wenn die Kosten für den Aufenthalt
on Frauen nicht übernommen werden, weil sie durch
lle Raster fallen.
Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 13. Sitzung. Berlin, Freitag, den 18. Dezember 2009 1117
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)
Marlene Rupprecht
Ich finde, dass wir uns jetzt eigentlich mit viel wichti-
geren Themen beschäftigen müssten, zum Beispiel mit
dem Zustrom von Migrantinnen – übrigens aus EU-Staa-
ten –, denen angebliche reiche Manager gesagt haben,
dass sie sie als Ehefrauen wollen. Sie werden hergeholt
und dann in die Prostitution geschickt und misshandelt.
Das sind Dinge, die uns in den Häusern derzeit massiv
beschäftigen. Es sind EU-Bürgerinnen, die Freizügigkeit
genießen, aber keinerlei sozialrechtliche Absicherung
haben. Dies müssten wir thematisieren. Aber was thema-
tisieren wir nach 33 Jahren? Wir thematisieren, wie wir
es schaffen, ein Haus zu finanzieren, und zwar bundes-
einheitlich. Jetzt dürfte ich hier gar nicht stehen; denn
ich habe mein Frauenhaus ganz gut finanziert. Wir ste-
hen einigermaßen gut da.
– Nein, das bin ich. Man kann in Bayern alles finden, un-
ser Haus und Häuser, die Tagessatzfinanzierung haben,
die schlecht finanziert sind. Sie finden alles, und zwar
bundesweit.
Die Mitarbeiterinnen sind kreativ und versuchen, die
Defizite auszugleichen. Übrigens würde das kein Mann
machen. Das betrifft fast nur Frauenprojekte; das nur ne-
benbei als Gender-Aspekt gesagt. Man hofft, dass die
Frauen das, was sie im Leben immer machen, nämlich
Lücken mit ihrer Kreativität auszugleichen, auch da
schaffen.
Wir haben über 300 Häuser, und sie brauchen drin-
gend eine sichere Finanzierung. Jetzt sage ich Ihnen aus
meiner Erfahrung: Wir brauchen keine Tagessatzfinan-
zierung, sondern eine institutionelle Finanzierung.
Wenn Sie die volkswirtschaftlichen Schäden gegenrech-
nen, die durch Gewalt verursacht werden, wenn Sie se-
hen, welche Kosten durch Krankenhausaufenthalte und
Arztbesuche infolge von Gewaltanwendung entstehen,
und welche Ausfälle bei der Erwerbstätigkeit durch Ge-
walt verursacht werden, dann könnten die Häuser locker
finanziert werden. Verglichen damit, können die Kosten
quasi aus der Portokasse bezahlt werden. Wir brauchen
eine institutionelle Förderung für alle Häuser; denn die
Nachsorge, die persönliche Beratung, die telefonische
Beratung und die Öffentlichkeitsarbeit müssen sicher fi-
nanziert sein.
Ich gehe gern auf internationale Tagungen, weil ich
dort mit Stolz verkünden kann, was wir alles gemacht
haben. Das ist wirklich toll. Da sind wir meist weltweit
führend. Das können wir hier auch einmal sagen. Wir
haben in den letzten 30 Jahren viel gearbeitet, aber dass
wir bei den Frauenhäusern, der wichtigsten Institution,
dastehen wie in den ersten Tagen, ist blamabel für dieses
Land, das sonst immer sagt: Wir sind ganz vorne, wir
sind die Musterschüler.
Ich halte es für eine Grundeinrichtung der Daseins-
vorsorge in der Kommune, Schutzeinrichtungen vorzu-
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