Protokoll:
14137

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 137

  • date_rangeDatum: 30. November 2000

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 12:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:37 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Wahl des Abgeordneten Johannes Kahrs als Schriftführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13341 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 13341 A Tagesordnungspunkt III (Fortsetzung): a) Zweite Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- deshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksachen 14/4000, 14/4302) . . . . 13341 C b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Fi- nanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksachen 14/4001, 14/4301, 14/4524) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13341 D Einzelplan 11 Bundesministerium fürArbeit und So- zialordnung (Drucksachen 14/4511, 14/4521) . . . . . . . 13341 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13342 A Peter Dreßen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13343 B Dr. Norbert Blüm CDU/CSU . . . . . . . . . 13343 C Gerd Andres SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13343 D Dr. Konstanze Wegner SPD . . . . . . . . . . . . . 13346 A Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . . . . 13348 A Dr. Irmgard Schwaetzer F.D.P . . . . . . . . . . . . 13349 B Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13350 A Dr. Thea Dückert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13351 D Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . 13352 C Dr. Klaus Grehn PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13354 B Walter Riester, Bundesminister BMA . . . . . . 13356 A Wolfgang Meckelburg CDU/CSU . . . . . . 13358 A Karl-Josef Laumann CDU/CSU . . . . . . . 13359 C Hans-Joachim Fuchtel CDU/CSU . . . . . . . . . 13360 A Ekin Deligöz BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13362 D Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P . . . . . . . . . . . . . . 13364 A Ewald Schurer SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13365 A Johannes Singhammer CDU/CSU . . . . . . . . 13366 D Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13369 A Dr. Heinrich L. Kolb F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 13370 B Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13370 C Franz Thönnes SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13370 D Namentliche Abstimmungen . . . . . . 13372 D; 13373 A Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13373 B; 13376 A Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit (Drucksachen 14/4514, 14/4521) . . . . . . . 13378 A Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 13378 B Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . 13381 A Walter Schöler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13382 D Plenarprotokoll 14/137 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 137. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 30. November 2000 I n h a l t : Detlef Parr F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13387 B Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13388 A Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13389 D Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13390 B Dr. Ruth Fuchs PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13392 A Andrea Fischer, Bundesministerin BMG . . . . 13393 A Horst Seehofer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 13394 B Aribert Wolf CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13396 A Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13396 D Regina Schmidt-Zadel SPD . . . . . . . . . . . . . 13399 A Dr. Ilja Seifert PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13401 C Klaus Kirschner SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13402 B Einzelplan 16 Bundesministerium für Umwelt, Natur- schutz und Reaktorsicherheit (Drucksachen 14/4515, 14/4521) . . . . . . . 13403 D Jochen Borchert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13404 A Waltraud Lehn SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13405 C Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 13407 C Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13410 A Birgit Homburger F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . 13412 B Dr. Reinhard Loske BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13413 A Eva Bulling-Schröter PDS . . . . . . . . . . . . . . 13413 A Christoph Matschie SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 13414 D Dr. Peter Paziorek CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 13416 D Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 13419 B Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13421 C Jürgen Trittin, Bundesminister BMU . . . . . . . 13422 A Kurt-Dieter Grill CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13422 C Michael Müller (Düsseldorf) SPD . . . . . . . . 13424 C Tagesordnungspunkt VII: Überweisungen im vereinfachten Ver- fahren a) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Verarbeitung und Nutzung der zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 820/97 des Ra- tes erhobenen Daten (Drucksache 14/4721) . . . . . . . . . . . . . 13427 C b) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Internationalen Übereinkommen von 1989 über Ber- gung (Drucksache 14/4673) . . . . . . . . . . . . . 13427 C c) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Ber- gungsrechts in der See- und Binnen- schifffahrt (Drittes Seerechtsände- rungsgesetz) (Drucksache 14/4672) . . . . . . . . . . . . . 13427 C d) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Ver- fahren (Zustellungsreformgesetz) (Drucksache 14/4554) . . . . . . . . . . . . . 13427 D e) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vor- schriften auf dem Gebiet der An- erkennung und Vollstreckung aus- ländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Drucksache 14/4591) . . . . . . . . . . . . . 13427 D f) Erste Beratung des vom Bundesrat ein- gebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit“ und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache 14/4436) . . . . . . . . . . . . . 13427 D g) Erste Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Änderungen vom 1. Oktober 1999 der Satzung der In- ternationalen Atomenergie-Organi- sation (Drucksache 14/4454) . . . . . . . . . . . . . 13428 A h) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht der Bundesregierung über den Stand der Abwicklung des Fonds für Wiedergutmachungsleis- tungen an jüdische Verfolgte (Drucksache 14/4264) . . . . . . . . . . . . . 13428 A Zusatztagesordnungspunkt 4: Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren Antrag der Abgeordneten Renate Diemers, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion CDU/CSU: Verbesse- rung des Programmangebots für Schwer- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2000II hörige, Gehörlose, Sehbehinderte und Blinde im Fernsehen und den neuen Me- dien (Drucksache 14/4385) . . . . . . . . . . . . . . . 13428 A Tagesordnungspunkt VIII: Abschließende Beratungen ohne Aus- sprache a) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare sieben- undneunzigste Verordnung zur Än- derung der Ausfuhrliste – Anlage AL zurAußenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 14/3995 (neu), 14/4093 Nr. 2.1, 14/4565) . . . . . . . . . . . . . . . . 13428 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zu der Verordnung der Bundesregierung: Einundfünfzigste Verordnung zur Änderung der Au- ßenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 14/4166, 14/4308 Nr. 2.1, 14/4566) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13428 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Tech- nologie zu der Verordnung der Bundes- regierung: Achtundneunzigste Verord- nung zur Änderung der Ausfuhrliste – Anlage ALzurAußenwirtschaftsver- ordnung (Drucksachen 14/4167, 14/4308 Nr. 2.2, 14/4585) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13428 C d) – i) Beschlussempfehlungen des Petitions- ausschusses Sammelübersichten 12, 212, 213, 214, 215, 216 zu Petitionen (Drucksachen 14/135, 14/4609, 14/4610, 14/4611, 14/4612, 14/4613) . . . . . . . . 13428 D Tagesordnungspunkt III: Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Drucksachen 14/4510, 14/4521) . . . . . . . 13429 B in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot des Verfüt- terns, des innergemeinschaftlichen Ver- bringens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel (Drucksachen 14/4764, 14/4838) . . . . . . . 13429 C in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Antrag der Abgeordneten Annette Widmann- Mauz, Horst Seehofer, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion CDU/CSU: Sofort- programm zur Abwehr von Gefahren durch BSE (Drucksache 14/4778 (neu)) . . . . . . . . . . . 13429 D in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 7: Antrag der Abgeordneten Ulrich Heinrich, Detlef Parr, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Vorrang für einen vor- sorgenden Verbraucherschutz bei der Bekämpfung von BSE (Drucksache 14/4852) . . . . . . . . . . . . . . . 13429 D Heinrich-Wilhelm Ronsöhr CDU/CSU . . . . . 13430 A Iris Hoffmann (Wismar) SPD . . . . . . . . . . . . 13432 A Marita Sehn F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13434 C Steffi Lemke BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13436 A Kersten Naumann PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . 13437 C Karl-Heinz Funke, Bundesminister BML . . . 13439 A Peter H. Carstensen (Nordstrand) CDU/CSU 13439 B Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . 13439 D Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 13441 B Meinolf Michels CDU/CSU . . . . . . . . . . 13442 C Josef Hollerith CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 13443 C Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13444 C Ulrich Heinrich F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13446 A Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 13447 A Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13448 A Christa Nickels BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13449 A Ulrike Höfken BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13449 D Albert Deß CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13450 B Matthias Weisheit SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 13450 D Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 13451 D Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2000 III Dr. Wolfgang Wodarg SPD . . . . . . . . . . . . . . 13453 C Annette Widmann-Mauz CDU/CSU . . . . . . . 13453 D Norbert Schindler CDU/CSU (Erklärung nach § 31 GO) . . . . . . . . . . . . . . . . 13454 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13455 D Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13455 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 13457 A Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2000IV Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2000
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2000 Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer 13455 (C) (D) (A) (B) Berichtigung 135. Sitzung, Seite 13033 (B); im letzten Absatz ist statt „Rolf Schwanitz“ „Carsten Schönfeld“ zu lesen Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 137. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 30. November 2000 13457 (C) (D) (A) (B) Balt, Monika PDS 30.11.2000 Dr. Bötsch, Wolfgang CDU/CSU 30.11.2000 Bühler (Bruchsal), CDU/CSU 30.11.2000* Klaus Burchardt, Ursula SPD 30.11.2000 Büttner (Schönebeck), CDU/CSU 30.11.2000 Hartmut Caesar, Cajus CDU/CSU 30.11.2000 Dr. Däubler-Gmelin, SPD 30.11.2000 Herta Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 30.11.2000 Frick, Gisela F.D.P. 30.11.2000 Friedhoff, Paul K. F.D.P. 30.11.2000 Haack (Extertal), SPD 30.11.2000 Karl-Hermann Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 30.11.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 30.11.2000 DIE GRÜNEN Link (Diepholz), Walter CDU/CSU 30.11.2000 Müller (Berlin), PDS 30.11.2000 Manfred Pau, Petra PDS 30.11.2000 Reiche, Katherina CDU/CSU 30.11.2000 Schily, Otto SPD 30.11.2000 Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 30.11.2000 Hans Peter von Schmude, Michael CDU/CSU 30.11.2000 Dr. Schockenhoff, CDU/CSU 30.11.2000 Andreas Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 30.11.2000 Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 30.11.2000 DIE GRÜNEN Dr. Waigel, Theodor CDU/CSU 30.11.2000 Wiese (Hannover), SPD 30.11.2000 Heino Wohlleben, Verena SPD 30.11.2000 Wolf (Frankfurt), BÜNDNIS 90/ 30.11.2000 Margareta DIE GRÜNEN Wülfing, Elke CDU/CSU 30.11.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413700000
Guten
Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist
eröffnet.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, teile ich mit,
dass die Kollegin Antje Hermenau ihr Amt als Schriftfüh-
rerin niedergelegt hat. Als Nachfolger wird der Kollege
Johannes Kahrs vorgeschlagen. Sind Sie damit einver-
standen? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist der
Kollege Kahrs als Schriftführer gewählt.

Sodann mache ich darauf aufmerksam, dass nach einer
interfraktionellen Vereinbarung die heutige Tagesord-
nung erweitert werden soll. Die Punkte sind in der Ihnen
vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
ZP 5 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen SPD und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes über das Verbot des Verfütterns, des innergemein-
schaftlichen Verbringens und derAusfuhr bestimmter Fut-
termittel – Drucksache 14/4764 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (10. Ausschuss)

– Drucksache 14/4838 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Peter Bleser

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette Widmann-
Mauz, Horst Seehofer, Wolfgang Lohmann, weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion der CDU/CSU: Sofortprogramm zur
Abwehr von Gefahren durch BSE – Drucksache 14/4778

(neu)

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich Heinrich,
Detlef Parr, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der F.D.P.: Vorrang für einen vorsorgenden Verbrau-
cherschutz bei der Bekämpfung von BSE – Drucksache
14/4852 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Diese Zusatzpunkte sollen zusammen mit dem Einzel-
plan 10 – Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – auf-
gerufen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist auch das so beschlossen.

Wir setzen die Haushaltsberatungen fort:
III. a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2001

(Haushaltsgesetz 2001)

– Drucksachen 14/4000, 14/4302 –

(Erste Beratung 119. Sitzung)


b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004
– Drucksachen 14/4001, 14/4301, 14/4524 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Ich rufe auf:
III.19 Einzelplan 11

Bundesministerium für Arbeit und Sozialord-
nung
– Drucksachen 14/4511, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Konstanze Wegner
Hans-Joachim Fuchtel
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Christa Luft

Es liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU, zwei Änderungsanträge der Fraktion der
F.D.P. und vier Änderungsanträge der Fraktion der PDS

13341


(C)



(D)



(A)



(B)


137. Sitzung

Berlin, Donnerstag, den 30. November 2000

Beginn: 12.00 Uhr

vor. Über den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU und über einen Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. werden wir später namentlich abstimmen. Die
Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag einge-
bracht, über den morgen nach der Schlussabstimmung ab-
gestimmt wird.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Karl-Josef Laumann von der CDU/CSU-Fraktion
das Wort.

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) (von der CDU/
CSU mit Beifall begrüßt): Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute den Haushalt
des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Wir
müssen heute in diesem Haushalt nicht über innovative
und neue Ansätze in der Sozialpolitik diskutieren; denn
sie sind einfach nicht zu finden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wir müssen heute Morgen jedoch leider über die gewal-
tige Verschiebung von Lasten aus dem Bundeshaus-
halt in die Sozialversicherungen diskutieren, zulasten
der Arbeitslosenversicherung, zulasten der Rentenversi-
cherung und zulasten der Krankenversicherung.

Erstes Beispiel: 400 Millionen DM werden der Pflege-
versicherung entzogen, da Sie die Beiträge für die Ar-
beitslosenhilfebezieher im Bundeshaushalt weiterhin bei
50 Prozent des Zahlbetrages belassen. Deswegen gibt es
in der Pflegeversicherung kein Geld für notwendige Leis-
tungen für Demenzkranke.

Zweites Beispiel: Sie halten an den verschlechterten
Renteneinzahlungen für die Wehr- und Zivildienstleis-
tenden fest. Früher hatte ein Zivil- und Wehrdienstleis-
tender bei zehn Monaten geleistetem Wehr- oder Zivil-
dienst einen Rentenanspruch von 32 DM im Jahr, heute,
bei Ihnen, nur noch von 24 DM. Das heißt, Sie nehmen je-
mandem, der seinen Dienst tut, zu dem wir ihn verfas-
sungsrechtlich verpflichten, im Alter 100 DM Rente weg.
Was ist das eigentlich für eine Botschaft für die jungen
Leute in diesem Lande, die noch bereit sind, sich für un-
sere Gesellschaft einzusetzen?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Drittes Beispiel: Sie senken die Krankenversiche-
rungsbeiträge für die Arbeitslosenhilfebezieher. Auch
hier müssen die anderen Krankenversicherten die Entlas-
tungen im Bundeshaushalt finanzieren.

Viertes Beispiel: Sie mindern die späteren Rentenan-
sprüche der Empfänger von Arbeitslosenhilfe, indem
Sie die Beiträge der Bundesanstalt für Arbeit zur Renten-
versicherung senken. Sie entziehen damit der Rentenver-
sicherung 4 Milliarden DM. Noch viel schlimmer ist:
Früher hat sich ein Bezieher von Arbeitslosenhilfe in ei-
nem Jahr einen Rentenanspruch in Höhe von durch-

schnittlich 39 DM erworben; aufgrund Ihrer Änderungen
sinkt dieser Anspruch auf durchschnittlich 15 DM. Erklä-
ren Sie das doch bitte einmal den Menschen in Ost-
deutschland, die zum Zeitpunkt der Wende 50 Jahre alt
waren und deshalb aufgrund der strukturellen Verände-
rungen große Probleme hatten, auf dem Arbeitsmarkt Fuß
zu fassen. Vom Bundesarbeitsminister und von den Sozi-
alpolitikern von Rot-Grün hört man nichts darüber, wie
sich die Situation dieser Menschen verbessern ließe. Das
ist eine wirklich schlimme Entwicklung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Selbst in meinen kühnsten Vorstellungen über rot-
grüne Sozialpolitik hätte ich mir nie träumen lassen, dass
Sie gerade denjenigen, die im Alter ohnehin die niedrigs-
ten Renten haben werden, die Rentenanwartschaften
mehr als halbieren. Das ist ein Armutszeugnis Ihrer So-
zialpolitik und zeugt davon, dass Sie über ein sehr schwa-
ches sozialpolitisches Gewissen verfügen.


(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Bei Ihnen weiß man auch nicht, was Sie überhaupt

wollen. Auf der einen Seite sagen Sie, wir müssten die Ba-
sis der Pflichtversicherten in der Rentenversicherung aus-
weiten – Stichworte 630-DM-Gesetz, Scheinselbststän-
digkeit –, und auf der anderen Seite bringen Sie
Gesetzentwürfe in den Deutschen Bundestag ein, die zur
Folge haben, dass Gruppen, die schon immer Mitglieder
in der Rentenversicherung waren, aus dieser ausscheiden
können; die Tanzlehrer, die Fahrlehrer und die selbststän-
digen Lehrer an Volkshochschulen lassen grüßen.

Wir unterhalten uns heute über einen großen Verschie-
bebahnhof: Die geplanten Strukturanpassungsmaßnah-
men müssen in Höhe von 1,7Milliarden DM von den Bei-
tragszahlern finanziert werden, das Sonderprogramm für
Langzeitarbeitslose im Umfang von 750 Millionen DM
muss ebenso vom Beitragszahler finanziert werden, die
Beiträge für Bezieher von Arbeitslosenhilfe in der Pflege-
versicherung in Höhe von 400 Millionen DM müssen von
den anderen Beitragszahlern kompensiert werden, in der
Krankenversicherung müssen 1,2 Milliarden DM kom-
pensiert werden, weil Sie Ihren Haushalt auf Kosten der
Krankenversicherung finanzieren, und die Rentenversi-
cherung wird mit 4,1 Milliarden DM belastet.

Das JUMP-Programm, das Sie wie eine Monstranz
als Sinnbild für Ihre Erfolge bei der Bekämpfung der Ju-
gendarbeitslosigkeit vor sich hertragen, wird jetzt allein
durch Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern fi-
nanziert; das heißt, kein Abgeordneter, kein Lehrer und
kein Freiberufler zahlt mehr für diese gesamtgesellschaft-
liche Aufgabe. Was denken Sie sich eigentlich dabei, in
diesem Land eine solche Verschiebepolitik zu machen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS – Widerspruch bei der SPD)


Jetzt kommt es noch schlimmer: Sie haben im nächs-
ten Jahr Einnahmen aus der Ökosteuer in Höhe von
23,4 Milliarden DM und werden damit die Beitragszahler
zur Rentenversicherung wahrscheinlich um 19,4 Milliar-




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
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den DM entlasten; hier wird schon eine Differenz von
4 Milliarden DM deutlich. Wenn Sie dann noch in ande-
ren Sozialversicherungssystemen – ich habe schon davon
gesprochen – über 10 Milliarden DM an Ausgaben von
der Haushaltsfinanzierung in die Beitragsfinanzierung
umschichten, ist das schlicht und ergreifend Betrug. Wenn
Sie den Leuten heute noch sagen, sie müssten die Öko-
steuer zum Zwecke der Beitragsentlastung zahlen, ist
das Betrug, da nur noch ganze 9 Milliarden DM aus dem
Ökosteueraufkommen zur Beitragsentlastung zur Verfü-
gung stehen, weil Sie 10 Milliarden DM aus dem Haus-
halt in die sozialen Sicherungssysteme verlagern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


Damit Sie einfach mal wissen, worüber wir hier reden:
Wenn zur Zeit von Christi Geburt ein Mensch eine Milli-
arde DM gehabt hätte, hätte er heute noch etwas davon
übrig, selbst wenn er jeden Tag 1 000 DM ausgegeben
hätte. Sie verschieben zehn Mal so viel aus dem Steuer-
haushalt in die Sozialkassen. Auf diese Weise sind wir un-
ter Riester in einer sozialpolitischen Eiszeit angelangt.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413700100
Herr Kol-
lege Laumann, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Dreßen?


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413700200
Bitte schön.

(Zuruf von der SPD: Nach Ihrer Rede müssen Sie erst einmal beichten gehen!)



Peter Dreßen (SPD):
Rede ID: ID1413700300
Herr Kollege Laumann, würden
Sie mir zugestehen, dass während der Regierungszeit von
CDU/CSU und F.D.P. durch die berühmten Fremdleis-
tungen in der Rentenversicherung ein Fehlbetrag im
Umfang von 40 bis 50 Milliarden DM entstanden war?


(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Absolut falsch! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Nein!)


– Herr Kollege Blüm, Sie wissen genauso gut wie ich,
dass wir damals einen Bundeszuschuss in Höhe von
60 Milliarden DM hatten, aber Fremdleistungen im Um-
fang von 100 Milliarden DM – nachgerechnet von Ihrem
damaligen Staatssekretär – finanzieren mussten. Da gab
es also eine riesige Lücke. Das heißt, Sie haben damals in
die Kassen anderer gegriffen, um Fremdleistungen in der
Rente zu finanzieren. Gestehen Sie zumindest zu, dass das
nicht mehr der Fall ist, dass wir die Beiträge nur noch
dafür nehmen, um die Renten über die Beiträge, die
tatsächlich gezahlt wurden, zu finanzieren? Die Fremd-
leistungen sind wirklich endlich weg aus der Rentenver-
sicherung.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413700400
Herr
Kollege Laumann, wollen Sie jetzt antworten oder gestat-
ten Sie eine Frage des Kollegen Blüm?


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413700500
Die Frage des
Kollegen Blüm höre ich sehr gern, damit endlich sozial-
politische Kompetenz in die Fragestellung hineinkommt.


Dr. Norbert Blüm (CDU):
Rede ID: ID1413700600
Herr Kollege
Laumann, können Sie bestätigen, dass am Ende der Re-
gierungszeit Kohl der Bundeszuschuss zur Rentenver-
sicherung höher war als zu jeder Zeit vor uns, und zwar
absolut und prozentual? Damit hat er alle Fremdleistun-
gen weit übertroffen. Wir haben nie den Bundeszuschuss
gekürzt. Auch das unterscheidet uns von unseren Vorgän-
gern.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413700700
Lieber Kollege
Blüm, das bestätige ich Ihnen sehr gerne. Auch die Sozi-
aldemokraten müssten sich daran erinnern, dass wir Mo-
nate vor der Wahl gemeinsam eine Mehrwertsteuer-
erhöhung von 1 Prozent beschlossen haben, um den Bun-
deszuschuss zur Rentenversicherung zu erhöhen. Damals
waren sich die Redner sowohl von Ihrer als auch von un-
serer Seite einig, dass wir das wegen der versicherungs-
fremden Leistungen so machen müssen und dass die da-
mit abgegolten sind.


(Peter Dreßen [SPD]: Nein!)

Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie die Ökosteuer nehmen,

um den Rentenversicherungsbeitrag zu entlasten. Wenn
Sie die Rentenversicherung isoliert sehen, ist es so. Aber
Sie stecken jetzt 10 Milliarden DM, die bislang steuerfi-
nanziert waren, wieder in die Sozialversicherung. Das ist
das Inkonsequente Ihrer Politik.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln!)


Dass der Finanzminister das versucht, verstehe ich,
aber wir brauchen in Deutschland wieder einen Arbeits-
minister, der sich mit Tapferkeit und Klugheit gegen sol-
che Pläne eines Finanzministers wehrt. Den haben wir
zurzeit nicht. Das war früher in unserem Land anders.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413700800
Kollege
Laumann, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage des
Kollegen Andres?


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413700900
Selbstverständ-
lich.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413701000
Bitte
schön, Herr Andres.


Dr. h.c. Gerd Andres (SPD):
Rede ID: ID1413701100
Herr Kollege Laumann, können
Sie bestätigen, dass im Dezember des Jahres 1997 auf
Initiative der damaligen Bundesregierung im Bundesrat
beschlossen wurde, dass die Mehrwertsteuer um einen
Prozentpunkt erhöht wird, und dass das Ergebnis der ein-
prozentigen Erhöhung unmittelbar in die Rentenversiche-
rung geflossen ist, damit verhindert wird, dass der Beitrag




Karl-Josef Laumann

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auf 21 Prozent steigt? Können Sie bestätigen, dass da-
durch jeder Käufer, der Mehrwertsteuer bezahlen muss,
unmittelbar Leistungen für die Rentenversicherung er-
bringt? Können Sie bestätigen, dass wir in diesem Jahr
22Milliarden DM unmittelbar an die Rentenversicherung
bezahlen, um echte Beiträge für Kindererziehungszeiten
zu gewährleisten, und dass wir noch einmal rund 3 Milli-
arden DM aufbringen, um einigungsbedingte Lasten, ins-
besondere aus den Auffüllbeträgen, der Rentenversiche-
rung zu erstatten? Können Sie bestätigen, dass das
Maßnahmen waren, von denen Sie in Ihrer Regierungszeit
immer geträumt haben, die Sie aber nicht realisieren
konnten?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413701200
Bestätigen kann
ich Ihnen, dass wir die Mehrwertsteuer – das habe ich
gerade gesagt – gemeinsam angehoben haben, um den
Bundeszuschuss zu erhöhen. Es ist unstreitig, dass es
allgemeingesellschaftliche Aufgaben in der Rentenver-
sicherung gibt, die steuerfinanziert werden müssen und
die nicht nur der Beitragszahler finanzieren kann. Dazu
haben wir immer gestanden. Es ist unstreitig, dass das
allgemeingesellschaftlich getragen werden muss. Diese
Diskussionen haben wir ja nicht nur beim VdK und beim
Reichsbund. Solche versicherungsfremden Leistungen
haben wir immer steuerfinanziert. Es ist allerdings auch
wahr, lieber Herr Kollege Andres, dass über die Defini-
tion der versicherungsfremden Leistungen nie Ein-
mütigkeit besteht. Jeder packt dort etwas herein, wozu er
lustig ist. Der große Unterschied in der Philosophie zwi-
schen Ihnen und uns ist folgender: Wir waren der
Meinung, dass die Kindererziehungszeiten zum Genera-
tionenvertrag der Rente gehören. Wir haben die Kinderer-
ziehungszeiten in dem Moment, in dem sie zu einer Rente
geführt haben, über Steuermittel der Rentenversicherung
erstattet. Sie zahlen nun quasi für das Baby Beiträge ein.
In unserer Regierungszeit wurden die Leistungen der
Rentenkasse für die Kindererziehung über Steuereinnah-
men finanziert. Unser damaliges Modell war genauso wie
Ihr heutiges steuerfinanziert.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Richtig!)

Lieber Kollege Andres, die Wahrheit ist nun einmal:

Die Einnahmen aus der Ökosteuer liegen bei 23 Milliar-
den DM. Davon dienen 19 Milliarden DM der Beitrags-
entlastung. Sie als Mitglied dieser Bundesregierung
haben aber zu verantworten, dass mehr als 10 Milliar-
den DM – sie wurden über viele Jahrzehnte teilweise über
den Bundeshaushalt finanziert; ich denke an Langzeitsar-
beitslosenprogramme; ich erinnere an Ihr JUMP-Pro-
gramm; der Staat kommt für die Beiträge der Arbeitslo-
senhilfebezieher an die Sozialversicherungssysteme auf –
den Beitragszahlern „in die Jacke“ getan werden. Das ist
eine Sauerei.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Betrachtet man die Sozialversicherung insgesamt, er-
kennt man, dass in Wahrheit nur noch 9 Milliarden DM
zur Beitragsentlastung zur Verfügung stehen. Ihre Be-
hauptung, die Ökosteuer stehe für eine Beitragsentlastung
– die Einnahmen durch die Ökosteuer liegen bei 23 Mil-

liarden DM, aber davon dienen nur 9 Milliarden DM der
Beitragsentlastung –, ist Betrug an den Menschen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Außerdem bleibe ich dabei: Es gibt für die Rentenver-

sicherung bessere Möglichkeiten, an Geld zu kommen,
als die Menschen über die Tankwarte abzukassieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Auch in diesem Punkt ist unsere Position grundsätzlich
anders als Ihre.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413701300
Herr Kol-
lege Laumann, erlauben Sie eine weitere Zwischenfrage
des Kollegen Andres?


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413701400
Nein.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413701500
Ich
möchte eigentlich auch keine weiteren Zwischenfragen
zulassen; sonst verzögert sich der Zeitablauf zu stark.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413701600
Des Weiteren
müssen wir uns hier darüber unterhalten, dass wir es mit
einem gespaltenen Arbeitsmarkt zu tun haben. Die
Langzeitarbeitslosigkeit in Ostdeutschland ist um
9,2 Prozent angestiegen. Das bedeutet, dass es in Ost-
deutschland 38 000 Langzeitarbeitslose mehr gibt. Selbst
die Arbeitslosigkeit der unter 25-Jährigen ist um 11,6 Pro-
zent gestiegen. Wir sollten uns gemeinsam über die Spal-
tung des Arbeitsmarktes in Deutschland zwischen Ost und
West Sorgen machen.

Ich hoffe, dass wir uns zumindest, was manche Ten-
denzen zur Gewaltbereitschaft von jungen Menschen
in unserem Land angeht, einig sind. Ich beschränke das
ausdrücklich nicht auf Ostdeutschland. Auch ich finde die
Diskussion, wie sie zurzeit teilweise geführt wird, nicht
richtig. Gewaltbereitschaft ist vielleicht eher bei Jugend-
lichen anzutreffen, die nach der Schulzeit keine berufli-
chen Perspektiven haben. Wir müssen uns diese Entwick-
lung genau anschauen – sie ist in Ostdeutschland stärker
als in Westdeutschland ausgeprägt –, um sie besser in den
Griff zu bekommen.

Ich biete der Regierung heute noch einmal an, gemein-
sam darüber zu sprechen, wie wir die wenigen Jugendli-
chen, die nicht bereit sind, unsere Angebote zu Qualifi-
zierung und Arbeit anzunehmen – diese Jugendlichen
gibt es auch –, besser motivieren können und über mehr
Druck vielleicht sogar zwingen sollten, eine Beschäfti-
gung anzunehmen. In Holland sind Modelle entwickelt
worden, die wir uns einmal anschauen und umzusetzen
versuchen sollten. Ich bin für meine Fraktion bereit, daran
mitzuwirken – notfalls bis hin zu gravierenden Gesetzes-
änderungen. Ich sehe nicht ein, dass ein junger Mensch,
dem Arbeit oder Ausbildung angeboten wird, die er ab-
lehnt, weiterhin nahezu unbegrenzt über die Sozialhilfe
unterhalten wird. Wir tun weder den Jugendlichen noch
der Gesellschaft einen Gefallen, wenn wir die bisherige
Praxis unverändert lassen.




Gerd Andres
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(C)



(D)



(A)



(B)


Ich wünsche mir, dass wir hier in Bezug auf Problem-
gruppen des Arbeitsmarktes – ich denke zum Beispiel
an ältere Arbeitslose – eine unideologische Debatte
führen. Was kann man dafür tun, dass der Arbeitsmarkt
solche Menschen eher aufnimmt? Ich stelle diese Frage
sowohl im Hinblick auf eine Verbesserung von Förder-
maßnahmen als auch im Hinblick auf eine Änderung der
arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen. Wenn man ver-
sucht, das Arbeitsrecht zu ändern, dann sollte man inten-
siv über mögliche Auswirkungen nachdenken. Sie aber
bezeichnen jegliche Überlegung in diese Richtung von
vornherein als Instrument aus der Folterkammer zum
Nachteil der Arbeitnehmer. Ich halte das nicht für richtig.

Lassen Sie uns einmal überlegen, ob es Möglichkeiten
gibt, den Kündigungsschutz für Ältere so zu ändern, dass
sie bessere Chancen haben, eingestellt zu werden. Ich er-
innere daran, dass die heutigen Kündigungsschutzklagen
zu 98 Prozent Abfindungsklagen sind. Lassen Sie uns ge-
meinsam überlegen, was man tun kann, um für etwas
mehr Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen.

Ich finde es sehr traurig, dass in unserem Land eine an-
scheinend ideologisierte Debatte über das Betriebsver-
fassungsgesetz geführt wird. Dass sie ideologisiert ist,
liegt im Übrigen daran, Herr Riester, dass Ihr Haus bis
heute keinen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt hat, der
klarmacht, wohin die Reise geht. Solange man die Dinge
in der Schwebe lässt, ist es immer so, dass herumspeku-
liert wird und der eine oder andere Horrorgemälde ent-
wirft. Wenn Sie mutiger wären und schneller entscheiden
würden, dann hätten Sie der dem Betriebsverfassungsge-
setz zugrunde liegenden Idee vieles erspart. Ich warne Sie
sehr davor, weiterhin alles reglementieren zu wollen. Wir
brauchen eine Öffnung der Tarifverträge. Wenn die Sozi-
alpartner eines Betriebes Angelegenheiten wie die Mitbe-
stimmung anders organisieren wollen – beide Seiten müs-
sen darin übereinstimmen –, dann muss das möglich sein.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der F.D.P.)


Wir sollten auch nicht nur über das Wahlverfahren re-
den. Das ist billig. Für mich ist klar: In Kleinbetrieben
darf das Wahlverfahren nicht komplizierter sein als die
Aufstellung eines Bundestagsabgeordneten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir sollten darüber reden, wie die Sozialpartner mehr für
die Qualifizierung machen können. Wir sollten realistisch
sein und nicht an die Schwellenwerte herantreten; sie ha-
ben sich bewährt. Aber all diese Dinge sind zu regeln. Le-
gen Sie endlich Lösungsvorschläge vor und sorgen
Sie damit dafür, dass diese Debatte aufhört. Denn Be-
triebsverfassung, Mitbestimmung und soziale Partner-
schaft sind für Deutschland eher ein Standortvorteil als
ein Standortnachteil.


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Sagen Sie das einmal Ihrer Parteivorsitzenden!)


Das will ich vor allem in Richtung derjenigen sagen, die
immer nur kritisieren.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Riester, ich muss nun in dieser Debatte leider et-
was ansprechen, was mit der Führung Ihres Hauses zu-
sammenhängt. Unter Blüm gab es im Arbeitsministerium
wichtige Beamte, die loyal mit ihm zusammengearbeitet
haben, obwohl sie eine andere parteipolitische Präferenz
hatten als Herr Blüm. Heute haben Sie nur einen Abtei-
lungsleiter – der geht nächstes Jahr in Pension –, der nicht
Ihr Parteibuch hat.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Parteiwirtschaft!)


Dass das von Herrn Achenbach und von Herrn Tegtmeier
organisiert wird, die trotz SPD-Parteibüchern hervorra-
gend mit Blüm zusammengearbeitet haben, ist für mich
eine menschliche Enttäuschung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Dass Sie das alles mitmachen, zeigt, dass Sie in diesen
Fragen kleinkariert denken – das hätte ich nicht gedacht –
oder dass Sie Angst haben. Wenn man Angst hat, dann ist
man unsicher, und wenn man unsicher ist, umgibt man
sich wie in einer Wagenburg nur mit eigenen Leuten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ich erwarte, dass Sie diese Dinge ändern.
Ich möchte nun noch etwas zur Rente sagen. Dass wir

bei der Rente in einer so schwierigen Situation stecken,
liegt auch daran, dass die Menschen wegen Ihrer Politik
kein Vertrauen zur Rentenversicherungmehr haben. Wir
haben nämlich keine Rentenformel mehr. Sie ändern in
vier Jahren viermal die Rentenformel. Was sollen uns die
Leute hinsichtlich der Sicherheit noch glauben? Stellen
Sie sich einmal vor, Ihre Feuerversicherung würde die Be-
dingungen, unter denen Sie Ihr Haus versichert haben, in
vier Jahren viermal ändern! Dann würden Sie diese Versi-
cherung doch kündigen. Genau das geschieht bei der
Rente: 1999 Nettolohnanpassung; dieses Jahr Inflations-
ausgleich mit 2 Millionen Einsprüchen gegen diese Poli-
tik; 2001 modifizierte Anpassung; 2003 Abzug der modi-
fizierten Anpassung in der Alterssicherung. Herr Riester,
hören Sie auf, die Rente in dieser Weise als Spielzeug zu
betrachten! Kommen Sie zu einer stetigen Politik zurück!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn ich an die gigantischen Verschiebungen im Haus-

halt denke, wenn ich daran denke, dass Sie den Ärmsten
der Armen, den Arbeitslosenhilfebeziehern, die Renten-
anwartschaften halbieren, wenn ich daran denke, dass Sie
den Soldaten im Alter 100 DM Rente wegnehmen, wenn
ich daran denke, dass Sie den Zivildienstleistenden, die
zum Beispiel in Altenheimen einen schweren Dienst tun,
die Rentenanwartschaften kürzen, dann wünsche ich mir
für das neue Jahr, für das nächste Haushaltsjahr, einen Ar-
beitsminister, der die Kardinaltugenden hat: Demut ge-
genüber denen, denen wir als Sozialpolitiker zu dienen
haben, nämlich gegenüber den Schwachen im Land; Mut
und Tapferkeit, die Besitzstände, die Ansprüche, die diese
Menschen haben, in der Fraktion gegenüber anderen Be-
reichen und vor allen Dingen im Kabinett gegenüber dem
Bundeskanzler und dem Finanzminister zu verteidigen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Karl-Josef Laumann

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(D)



(A)



(B)


Ein Arbeitsminister braucht Tapferkeit und Mut. Seitdem
Sie Minister sind, vermissen wir das. Bei Norbert Blüm
haben wir beides erlebt.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413701700
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Konstanze Wegner
von der SPD das Wort.


Dr. Konstanze Wegner (SPD):
Rede ID: ID1413701800
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Es tut mir Leid, ich bin etwas
erkältet; deshalb kann ich nicht so laut reden wie der Kol-
lege Laumann. Aber das ist ja vielleicht auch gar nicht
nötig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jörg van Essen [F.D.P.]: Das ist sehr angenehm! – Zurufe von der SPD und der CDU/CSU: Gute Besserung!)


– Danke schön.
Eines der wichtigsten Ziele der rot-grünen Regierung

Schröder ist gerade der Umbau des Sozialstaates als Vo-
raussetzung für seinen Erhalt. Daran arbeitet Walter
Riester als zuständiger Minister.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Klaus Haupt [F.D.P.]: Aber wie? Das ist die Frage! – Zuruf von der CDU/CSU: Und wie lange noch?)


Wir wissen alle, dass er dabei Tabus knacken muss

(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Das hätte man den Leuten vor der Wahl sagen sollen!)


und dass er Kritik erntet, mitunter auch aus den eigenen
Reihen. Das ist bei einer so schwierigen Aufgabe nicht
verwunderlich.

Ich kann nur sagen: Ich habe Respekt vor der Art, wie
er diese Aufgabe angeht, dass er offen für neue Ideen ist
und versucht, den Konsens mit den großen Gruppen in
dieser Gesellschaft zu erreichen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Das ist aber eine Minderheitsmeinung!)


Das ist kein Nachteil, sondern ein Vorteil. Das sollten ge-
rade Sie wertschätzen, statt es zu attackieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Reform des Sozialstaats ist eine faszinierende,
aber auch sehr schwierige Aufgabe; denn es gibt wohl
kaum einen Bereich, in dem sich Besitzstandsdenken und
Änderungswünsche, Angst vor dem Verlust sozialer
Sicherheit und die Forderung nach schrankenloser so ge-
nannter Freiheit so krass gegenüberstehen. Ich glaube, wir
haben allen Grund, auf die Leistungen unseres Sozial-
staats stolz zu sein. Ich bin etwas betreten und unglück-

lich darüber, dass es zurzeit Mode ist, nur die Kosten die-
ses Sozialstaats zu thematisieren,


(Zuruf von der CDU/CSU: Da hat sie Recht!)

statt auch einmal zu sagen, wie viel diese Republik unse-
rem Sozialsystem verdankt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


– Da dürften ruhig auch die anderen klatschen.
Ich denke, dass wir gerade in den Zeiten der Massen-

arbeitslosigkeit, die wir die ganzen letzten Jahre gehabt
haben, längst rechtsradikale Parteien mit zweistelligen
Wahlergebnissen in unseren Parlamenten hätten, wenn es
diesen Sozialstaat nicht gegeben hätte.


(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Die Arbeitslosigkeit ist trotz ihres erfreulichen Rück-

gangs noch immer das zentrale Problem der deutschen In-
nen- und Sozialpolitik. Bei ihrer Bekämpfung können wir
meines Erachtens weit mehr von unseren kleinen euro-
päischen Nachbarländern wie Holland – das wurde schon
erwähnt –, Dänemark und Schweden lernen


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Auf geht’s! Endlich loslegen!)


als von Amerika, das manchen so vorbildlich erscheint.
Das amerikanische Modell beruht auf ganz anderen kul-
turellen und sozialen Wurzeln und ist meines Erachtens
nicht auf Deutschland übertragbar.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das holländische System der Bekämpfung der Arbeits-
losigkeit


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Langsam nähern wir uns geographisch dem Thema!)


ist gekennzeichnet durch Lohnzurückhaltung der Ge-
werkschaften, durch Steuersenkungen, die zur Folge ha-
ben, dass die Arbeitnehmer trotz dieser Lohnzu-
rückhaltung nicht weniger Geld zur Verfügung haben,
durch einen sehr pragmatischen Umgang der Spitzen der
Gewerkschaften mit den Unternehmen, durch sehr weit
entwickelte Teilzeitarbeitsformen


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Zwangsteilzeit! – Gegenruf der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Herr Niebel, hätten Sie geschwiegen!)


und schließlich durch eine sehr unbürokratische und effi-
ziente Zusammenarbeit von privater und staatlicher Ar-
beitsvermittlung. Gerade im Bereich der Teilzeitarbeit –
ich denke hier auch an Teilzeitarbeit für Männer, nicht nur
für Frauen –


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und im Bereich der Zusammenarbeit zwischen privaten
und staatlichen Vermittlern haben wir noch einen erhebli-
chen Nachholbedarf.




Karl-Josef Laumann
13346


(C)



(D)



(A)



(B)


In Dänemark, Finnland und Schweden – wir haben ja
in diesem Sommer eine Berichterstatterreise gemacht –
kann man beobachten, dass die Verantwortlichen ebenso
wie unsere Regierung in Zeiten der Massenarbeitslosig-
keit aktive Arbeitsmarktpolitik auf hohem Niveau ver-
stetigen, aus der Einsicht heraus, dass es richtig ist, die
Menschen auch in Zeiten der Arbeitslosigkeit im Ar-
beitsprozess zu halten, und dass es immer noch viel bes-
ser ist, in einer Qualifizierungs- oder Arbeitsbeschaf-
fungsmaßnahme als arbeitslos zu sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Sagen Sie noch was zum Haushalt?)


Aber – dies erscheint mir für uns durchaus nachah-
menswert zu sein – in diesen Ländern gibt es ganz erheb-
liche Anstrengungen, die Art der Qualifizierung und die
Bedürfnisse der Wirtschaft vor Ort stärker zusammenzu-
bringen.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Jetzt ein paar Worte über den Verschiebebahnhof im Haushalt!)


Das könnte auch bei uns noch verbessert werden; denn es
ist demotivierend für einen Arbeitslosen, wenn er x Qua-
lifizierungen durchlaufen muss und trotzdem am Ende
wieder arbeitslos ist.

Trotz allem, was noch verbesserungswürdig ist, hat die
Regierung jedoch unleugbar Erfolge bei der Bekämp-
fung der Arbeitslosigkeit erzielt. Sie ist derzeit mit
3,61 Millionen auf dem niedrigsten Stand seit 1995.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Entgegen Ihren Behauptungen, meine Damen und Herren
von der Opposition, ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit
eben nicht nur demographisch, sondern auch strukturell
bedingt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Johannes Singhammer [CDU/ CSU]: Wo denn?)


Das heißt, die rot-grüne Koalition hat mit ihren Maßnah-
men zur Konsolidierung der Staatsfinanzen, zur Senkung
der Steuern und zur Senkung der Lohnnebenkosten für die
Wirtschaft die Voraussetzung zur Schaffung neuer Arbeits-
plätze geschaffen. Das können Sie nicht bestreiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: 1,5 Billionen Schulden durch die CDU/ CSU!)


Besonders erfolgreich ist das Zwei-Milliarden-Pro-
gramm zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, mit
dem es gelungen ist,


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das zahlen die Arbeiter jetzt allein! – Gegenruf der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Sie haben die Jugendlichen auf der Straße stehen lassen!)


die Jugendarbeitslosigkeit um etwa 8 Prozent zu senken.
Auf die Einzelheiten dieses Programms, vor allem auch
auf die meines Erachtens sehr ungerechte Kritik, wonach

mit diesem Programm sinnlos Mittel verpulvert würden,
da es auch in Regionen mit niedriger Arbeitslosigkeit
durchgeführt werde, wird mein Kollege Schurer nachher
in seiner Rede eingehen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Da sind wir gespannt!)


Sehr unbefriedigend – das muss man zugeben – ist die
Lage nach wie vor in Ostdeutschland. Hier stagniert die
Arbeitslosigkeit. Es gibt zwar Bereiche, in denen es bes-
ser geht, die im Aufwind sind. Aber es gibt auch andere
Bereiche, in denen die Arbeitslosigkeit leider noch zu-
nimmt. Deshalb ist es unabdingbar notwendig, dass wir
die aktive Arbeitsmarktpolitik in diesem Bereich auf
hohem Niveau weiterführen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das schließt nicht aus, dass die Effizienz der einen oder
anderen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme überprüft wer-
den kann.

Neben der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist die Re-
form der Rentenversicherung das zweite zentrale Vor-
haben der Sozialpolitik der Regierung.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wo Sie nicht vorankommen!)


Es ist ein Kernstück der notwendigen Modernisierung des
Sozialstaats. Auch hier gibt es, wie zu erwarten war, viel
Kritik. Es gibt aus meiner Sicht in manchen Bereichen
auch verständliche Kritik.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das stimmt!)


Aber dennoch gilt, dass bis heute alle Kritiker durchsetz-
bare und finanzierbare Alternativen zum riesterschen
Konzept schuldig geblieben sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Entgegen dem, was behauptet wird, ist Riesters Re-
form eben kein Systemwechsel, sondern eine System-
ergänzung und der Versuch, die Rentenversicherung als
Hauptsicherungspfeiler sowohl für alte als auch für junge
Menschen zu erhalten, ergänzt durch eine private und be-
triebliche Vorsorge.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gewiss wäre eine breite parlamentarische Mehrheit zur
Verabschiedung dieser Reform wünschenswert gewesen.
Ich denke, Minister Riester ist Ihnen von der CDU/CSU
in Ihren Forderungen sehr weit entgegengekommen. Er
hat praktisch alle erfüllt.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413701900
Frau Kol-
legin Wegner, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Fuchtel?


Dr. Konstanze Wegner (SPD):
Rede ID: ID1413702000
Ja, bitte.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413702100
Bitte
schön, Herr Fuchtel.




Dr. Konstanze Wegner

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(B)



Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1413702200
Frau Kollegin
Wegner, Sie sind jetzt in Ihrer Redezeit schon weit fort-
geschritten. Ich hätte erwartet, dass Sie als Haushaltspoli-
tikerin einmal Stellung nehmen zu den Verschiebungen
aus dem Bundeshaushalt zur Bundesanstalt für Arbeit. Ich
bitte Sie, die Kritik zu wiederholen, die Sie dazu im zu-
ständigen Ausschuss vorgebracht haben.


(Zurufe von der SPD: Frage!)



Dr. Konstanze Wegner (SPD):
Rede ID: ID1413702300
Lieber Kollege
Fuchtel, Sie können sich darauf verlassen, dass ich noch
zu diesem Punkt komme. Denn ich habe noch genügend
Redezeit.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich will noch ein Wort sagen, das Sie sicher nicht gerne

hören: Sie kritisieren die Ökosteuer. Aber Ihre Kritik an
der Ökosteuer ist absolut heuchlerisch. Denn Sie selbst
haben früher eine solche Steuer gefordert.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Stimmt ja gar nicht! – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die Ökosteuer muss man richtig machen!)


Im Zusammenhang mit dem Benzinpreis ist das, was Sie
betrieben haben, absolute Volksverdummung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Das Volk lässt sich nicht verdummen! Es ist schlau genug!)


Auch hier sind Sie eine Antwort schuldig geblieben. Denn
wer die Ökosteuer weghaben will, der muss sagen, wie er
ansonsten die Rentenversicherung stabilisiert. Dazu ist
aus Ihren Reihen keine Antwort gekommen.

Jetzt komme ich zu der Frage, die Sie so beschäftigt: Wie
sieht der Haushalt 2001 konkret aus? Die Bundesanstalt
erhält im Jahre 2001 entgegen dem ursprünglichen Vorha-
ben der Regierung doch einen Zuschuss von 1,2 Milliar-
den DM. Die Arbeitsmarktpolitik wird auf hohem Niveau
mit 44Milliarden DM bei der Bundesanstalt verstetigt. Die
Bundesanstalt wird das Jugendprogramm fortführen und
sie wird auch die bisherigen Arbeitsmarktprogramme aus
dem Bundeshaushalt übernehmen.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Warum? – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Erstmals haben wir eine Sperre eingeführt!)


– Schreien Sie doch nicht so. Warten Sie es ab!
Ich sage ganz offen: Ich hätte lieber mit meinen Kol-

legen von der Sozialpolitik das Jugendprogramm in den
Haushalt eingestellt und der Bundesanstalt keinen Zu-
schuss gegeben. Dafür habe ich mich auch eingesetzt.
Aber auch Sie wissen doch, dass man sich als Bericht-
erstatter nicht immer gegen die eigene Regierung und
den kleinen Koalitionspartner durchsetzen kann. Solche
Erfahrungen müssten Sie eigentlich auch gemacht ha-
ben.


(Beifall bei der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: Also haben es die Grünen nicht gewollt!)


Auf jeden Fall – das können Sie nicht bestreiten – ist
die Absenkung des Bundeszuschusses von 7,75 Milliar-
den DM im laufenden Jahr auf 1,2 Milliarden DM ein
deutliches Zeichen dafür, dass die Arbeitslosigkeit dras-
tisch zurückgegangen ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für die Arbeitslosenhilfe können 22,6 Milliarden DM
verausgabt werden. Ob diese Mittel letztlich ausreichen
werden, ist ungewiss. Die Langzeitarbeitslosen stellen
nach wie vor die größte Problemgruppe und wir müssen
alles versuchen – das ist auch der einzige Punkt, dem ich
aus den lautstarken Ausführungen des Kollege Laumann
zustimmen kann –, um den Eisblock der Langzeitarbeits-
losigkeit aufbrechen zu helfen.


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Nur zu!)

Hier sind aber die Unternehmen gefordert, das ist nicht
Sache der Parlamentarier. Die Unternehmen sind gefor-
dert, nicht nur Junge einzustellen, weil sie angeblich bil-
liger sind, sondern sie sollten den Älteren eine Chance
geben, die teilweise sehr gut qualifiziert und vor allem
hoch motiviert sind. Diesen Appell möchte ich hier los-
werden. Unterstützende Programme, die das den Unter-
nehmen finanziell erleichtern, gibt es wirklich jede
Menge.

In diesem Zusammenhang freue ich mich, dass die
Bundesanstalt für Arbeit ein weiteres Programm mit dem
Namen „50 plus – die können es“ aufgelegt hat. Ich hoffe,
dass uns dieses Programm unserem Ziel, die Langzeit-
arbeitslosigkeit abzubauen, ein wenig näher bringt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für Modellprojekte zur Förderung innovativerMaß-
nahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stehen in
diesem Haushalt 112,5 Millionen DM zur Verfügung, bis
2004 sind es insgesamt 780 Millionen DM. Die Modell-
projekte haben drei Schwerpunkte: Erstens wird es Sub-
ventionierungen im Bereich der Sozialversicherung zur
besseren Qualifizierung Geringqualifizierter und Lang-
zeitarbeitloser geben, Zweitens soll die Verbesserung der
Zusammenarbeit von Arbeits- und Sozialämtern erprobt
werden und drittens soll es Geld für innovative Projekte
zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vor Ort geben.

Entsprechend einem oft geäußerten Wunsch aller Par-
teien ist die Sprachförderung neu geordnet worden. Das
neue Konzept tritt 2002 in Kraft. Träger der Sprachförde-
rung für die Zuwanderer sind der Sprachverband und das
Goethe-Institut. Die Ressortzuständigkeit wird zwischen
dem Familienministerium – das ist für die Zuwanderer
unter 27 Jahren zuständig – und dem Arbeitsministe-
rium – das ist für die über 27-Jährigen zuständig – geteilt.

Insgesamt stehen für die Förderung 319 Millionen DM
zur Verfügung. Ich freue mich besonders, dass auf Initia-
tive der SPD-Berichterstatterin, die dankenswerterweise
vom gesamten Ausschuss unterstützt wurde, auch das
Geld für die Kinderbetreuung künftig zur Verfügung ste-
hen wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(C)



(D)



(A)



(B)


Denn wir wissen alle: Die ausländischen Frauen, die an
Sprachförderungsmaßnahmen teilnehmen, hätten es sehr
schwer, wenn die Kinderbetreuung gestrichen würde.

Das Programm „Xenos“ gegen Fremdenfeindlichkeit
ist neu in den Haushalt aufgenommen worden. Projekte
gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz
sollen in den nächsten Jahre mit jeweils 25 Millionen DM
unterstützt werden. Die Mittel dafür kommen aus dem Eu-
ropäischen Sozialfonds. Mit „Xenos“ sollen insbesondere
solche Jugendliche angesprochen werden, die durch frem-
denfeindliches Denken und Handeln aufgefallen sind.

Die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit ist eine
vielschichtige Aufgabe. Ich bin überzeugt, dass ein Verbot
der NPD und gelegentliche Demonstrationen nicht aus-
reichen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir müssen versuchen, wieder Zugang zu den Jugendlichen
zu bekommen, die in den Bann des Rechtsradikalismus ge-
raten sind. Wir müssen versuchen, ihnen das Umdenken und
den Ausstieg zu ermöglichen. Auch dafür gibt es in Skandi-
navien Vorbilder.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit dem Thema Rechtsradikalismus komme ich am
Schluss zum Ausgangspunkt meiner Rede zurück: der
Modernisierung des Sozialstaats als Voraussetzung für
seinen Erhalt und für die Stabilisierung der Demokratie.
Wir brauchen einen differenzierten Sozialstaat, der dem
Einzelnen Würde und soziale Sicherheit gibt. Wir brau-
chen aber auch einen Sozialstaat, der natürlich nicht die
individuelle Leistungsbereitschaft hemmt.

Ich denke, der Haushalt des Arbeitsministeriums für
das Jahr 2001 liefert dazu einen Beitrag. Wir stimmen ihm
zu.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413702400
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Dr. Irmgard Schwaetzer
von der F.D.P.-Fraktion das Wort.


Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1413702500
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem die Kollegin
Wegner gerade etwas vorgetragen hat, was über weite
Strecken an ein neues Kapitel aus Grimms Märchen erin-
nerte, will ich mich doch wieder dem Haushalt zuwenden.


(Beifall bei der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)


Den Bezug zu Grimms Märchen will ich nur an einem
einzigen Beispiel deutlich machen. Sie haben in den höchs-
ten Tönen gelobt, dass das JUMP-Programm, das Inte-
grationsprogramm für Jugendliche, nun völlig der
Bundesanstalt für Arbeit zugeordnet wird – wir halten das
für falsch, weil es damit aus Mitgliedsbeiträgen finanziert

wird – und das Erste, was die Bundesanstalt für Arbeit ge-
macht hat, ist, eine Sperre zu verhängen.


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Unglaublich! – Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Ich habe das Gegenteil gesagt! Sie haben nicht zugehört!)


Das zeigt doch wohl, dass dies eine falsche Entscheidung
gewesen ist.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)


Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und
Sozialordnung macht mit 170 Milliarden DM fast ein
Drittel des gesamten Bundeshaushalts aus. Er ist wie-
derum mit Abstand der größte Einzelplan. Insofern, Frau
Wegner, ist die Kritik, die von der Opposition notwendi-
gerweise und richtigerweise geäußert wird, keine Funda-
mentalkritik an der Existenz des Sozialstaates. Es wird
von uns überhaupt nicht bestritten, dass der Sozialstaat für
die innere Stabilität der Bundesrepublik Deutschland über
Jahrzehnte sehr wichtig gewesen ist. Unsere Kritik be-
zieht sich vielmehr darauf, dass dies ein Haushalt der
Mutlosigkeit ist, einHaushalt, der den Reformbedarf der
sozialen Sicherung in Deutschland verschleiert. Das ist
der eigentliche Punkt.


(Beifall bei der F.D.P.)

Sie haben in vorher nie da gewesener Weise Verschie-

bebahnhöfe zwischen der Arbeitslosenversicherung, der
Rentenversicherung, der Krankenversicherung und der
Pflegeversicherung eingeführt.


(Wolfgang Meckelburg [CDU/CSU]: Soziale Demontage nennt man das!)


Sie haben darüber hinaus die Anwartschaften der Arbeits-
losen in einer Weise gekürzt, wie es die alte Regierung nie
gemacht hätte.


(Widerspruch bei der SPD)

– Dazu stehen Sie nicht, aber Sie sollten dazu stehen. –
Das ist keine soziale Großtat, sondern zeigt schlicht Ihre
Überforderung mit der Aufgabe, die vor Ihnen liegt.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Dirk Niebel [F.D.P.]: Soziale Kälte von denen!)


Ich will mich ein wenig mit der Rentenversicherung
beschäftigen. Für den Bundeszuschuss an die Rentenver-
sicherung sind über 100 Milliarden DM vorgesehen. Die-
ser Bundeszuschuss ist zu einem nicht unerheblichen Teil
aus einer schlichten Umfinanzierung entstanden. Gleich
wird die Kollegin Dückert wieder mit Vehemenz und Pa-
thos vortragen, wie wichtig es war, die Lohnnebenkosten
gesenkt zu haben.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es ist ja schön, dass Sie schon meine Rede halten!)


Kein Stück haben Sie die Lohnnebenkosten gesenkt!

(Beifall bei der F.D.P. – Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Wenn Sie wüssten, was Lohnnebenkosten sind, dann könnten wir weiterreden!)





Dr. Konstanze Wegner

13349


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie haben zwar die Rentenversicherungsbeiträge gesenkt,
aber durch die Ökosteuer, die allein im nächsten Haushalt
22 Milliarden DM ausmacht, haben Sie die Lohnneben-
kosten insgesamt nicht gesenkt, sondern lediglich den Re-
formbedarf verschleiert.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dirk Niebel [F.D.P.]: Die verschleiern, wo sie nur können!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413702600
Frau Kol-
legin Schwaetzer, erlauben Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Dückert?


Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1413702700
Gerne.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413702800
Frau
Dr. Dückert, bitte schön.


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413702900

Frau Kollegin Schwaetzer, ich habe eine kurze Frage. Sie
kann ganz einfach mit den Rechenarten von Adam Riese
beantwortet werden.

Sind nicht auch Sie der Ansicht, dass die Lohnneben-
kosten, die 1998 bei über 42 Prozent gelegen haben und
jetzt bei gut 41 Prozent liegen, heute niedriger sind als
vorher? Ist dies keine Senkung der Lohnnebenkosten?


Dr. Irmgard Adam-Schwaetzer (FDP):
Rede ID: ID1413703000
Liebe Frau Kolle-
gin Dückert, mit solchen Taschenspielertricks können Sie
die Realität in der Bundesrepublik nicht verschleiern.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Für die Unternehmen genauso wie für die Arbeitnehmer
ist es völlig egal, ob sie Beiträge plus Ökosteuer oder ob
sie nur Beiträge zahlen. Sie verfahren wieder nur nach
dem das Prinzip, von der rechten in die linke Tasche zu
wirtschaften. Sie beweisen, dass Sie das nicht auseinan-
der halten können.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nicht einmal Ihr Motto „Tanken für die Rente“ stimmt;
denn inzwischen hat sich der Bundesarbeitsminister eini-
ges abhandeln lassen. Die Einnahmen aus der Ökosteuer
sollten einmal vollständig in die Rentenversicherung ge-
hen. Jetzt werden anscheinend erhebliche Milliardenbe-
trägen daraus anders verwendet; denn sonst müsste der
Rentenversicherungsbeitrag im Jahr 2003 deutlich nie-
driger sein als 18,8 Prozent, die jetzt vom Arbeitsminis-
terium angepeilt werden.

Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Dem Reform-
bedarf innerhalb der Rentenversicherung können Sie
nicht dadurch Rechnung tragen, dass Sie sagen: Wir hal-
ten die Beitragssätze jetzt unter 20 Prozent. Die Beitrags-
sätze müssen dauerhaft unter 20 Prozent liegen und das
werden Sie nicht schaffen. Sie bekennen sich auch gar

nicht zu diesem Ziel, sondern verschieben den Beginn der
Ausgleichsmaßnahmen zwischen den Generationen im
Rahmen der Rentenreform immer weiter in die Zukunft.
Damit – das ist insbesondere ein Vorwurf an die Grünen,
die ja immer von der Generationengerechtigkeit geredet
haben – verraten Sie die junge Generation.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie verraten die junge Generation, indem Sie einen Bei-
tragssatz von 22 Prozent anpeilen, dazu kommen noch die
vier Prozent private Vorsorge. Die junge Generation wird
Ihnen schon zeigen, was sie davon hält.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal, was Sie vorschlagen!)


An dieser Stelle muss ich mich allerdings auch über das
wundern, was ich vonseiten der Union höre. Da sitzen
Herr Seehofer und Herr Blüm, vehemente Verfechter ei-
nes Rentenniveaus von 64 Prozent für den so genannten
Eckrentner,


(Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Richtig!)

und gestern sagt der Fraktionsvorsitzende, Herr Merz,
ganz kühl in seiner Rede, der Beitragssatz zur gesetzli-
chen Rentenversicherung müsse bei 20 Prozent liegen.
Herr Blüm, Sie werden mir nicht vorrechnen können, dass
das zusammenpasst,


(Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])


auch nicht, wenn Sie die Lebensarbeitszeit auf 67 oder
70 Jahre verlängern.


(Beifall bei der F.D.P – Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Das ist die Merz-Rechnung!)


Deswegen haben auch Sie noch Klärungsbedarf, bis Sie
wieder regierungsfähig werden.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt klatsche ich nicht mehr! Jetzt ist es mit dem Beifall vorbei!)


Ich kann Ihnen nur raten, dieses möglichst schnell in den
eigenen Reihen zu klären.

Zurück zum Regierungsentwurf. Herr Riester, Sie ha-
ben ganz zum Schluss noch in Ihren Entwurf zur Renten-
reform geschrieben – das ist ziemlich systemfremd, dass
die tariflichen Lösungen auch beim Aufbau der privaten
Altersvorsorge Vorrang haben sollen. Ich frage mich, was
diese Verbeugung vor den Gewerkschaften soll und wel-
che Auswirkungen sie hat.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist die alte linke Masche!)


Die Gewerkschaften werden ein sehr weit gehendes Mit-
spracherecht bei der Ausgestaltung der Zusatzversorgung
erhalten. Dieses Recht ist sogar so formuliert, dass ohne
Zustimmung der Gewerkschaften überhaupt keine Pro-
dukte, die auf dem Markt angeboten werden, gefördert
werden können. Sie haben noch keine Antwort auf die
Frage gegeben, wie das denn gemacht werden soll.




Dr. Irmgard Schwaetzer
13350


(C)



(D)



(A)



(B)



(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Das kann doch nicht funktionieren!)


Die Gewerkschaften werden selbstverständlich die Betei-
ligung der Arbeitgeber an der privaten Altersvorsorge for-
dern,


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist typisch die alte Linke und nichts von neuem Geist! – Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Das stimmt auch gar nicht! So ein Quatsch!)


was völlig systemfremd ist und auch von Ihnen bisher ab-
gelehnt wurde.


(Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Und auch von den Sachverständigen! – Dirk Niebel [F.D.P.]: Rente als Mittel zum Klassenkampf!)


Deswegen kann ich auch zu diesem Thema nur sagen:
Herr Riester, Sie sind gut gestartet. Dafür haben Sie auch
von der Opposition, von der F.D.P., viel Lob bekommen.
In der Tat ist es der richtige Reformansatz, die gesetzliche
Rentenversicherung zurückzunehmen und zusätzlich eine
private kapitalgedeckte Altersversorgung aufzubauen.
Aber Sie haben sich Schritt für Schritt von diesem Kon-
zept verabschiedet, weil Sie es in Ihrer eigenen Fraktion
nicht durchsetzen konnten. Den letzten Schritt haben Sie
getan um die Gewerkschaften zu befriedigen. Das wird
keine tragfähige Reform, meine Damen und Herren, und
deswegen werden wir sie, wenn Sie sie so durchsetzen
wollen, sicherlich nicht mittragen.


(Beifall bei der F.D.P.)

Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu einem an-

deren Thema sagen, zur Künstlersozialversicherung. Im
Haushalt 2001 wird schlicht der Ansatz des Jahres 2000
übernommen, der da schon zu niedrig war, weil er um
37 Millionen DM gekürzt worden ist. Das heißt, die Fort-
schreibung in 2001 bedeutet faktisch eine Absenkung des
im Gesetz festgeschriebenen Bundeszuschusses zur
Künstlersozialversicherung und ist damit ein Verrat an
den Künstlern, die in Deutschland weiß Gott kein einfa-
ches Leben haben.


(Beifall bei der F.D.P.)

Die Absenkung des Bundeszuschusses lehnt die F.D.P.

natürlich ab. Wir haben einen Antrag gestellt, den Zu-
schuss des Bundes um 19 Millionen DM wieder auf
171 Millionen DM zu erhöhen.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Deckungsvorschlag! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: UMTS-Millionen!)


– Wir haben im Haushaltsausschuss einen Deckungsvor-
schlag gemacht. Wenn er Ihnen nicht vorliegt, dann können
wir Ihnen den selbstverständlich jederzeit nachliefern. Aber
Sie, Herr Urbaniak, hätten sich im Haushaltsausschuss ein-
mal mit den Verwertern und den Künstlern zusammenset-
zen müssen.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Wir haben die Künstlersozialversicherung eingeführt, da haben Sie noch geträumt! – Gegenruf des Abg. Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU]: Nein, die ist später eingeführt worden!)


– Das haben wir gemeinsam beschlossen; damals waren
wir noch in der gleichen Koalition. Übrigens: Die Künst-
lersozialkasse hat nur deshalb ihren Sitz in Wilhelmsha-
ven, weil der damalige Arbeitsminister Ehrenberg, ein
Genosse, aus der Gegend kam.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: So wird gemauschelt, wenn die F.D.P. dabei ist!)


Die Künstler und die Verwerter haben einen Vorschlag
zur Neuordnung der Künstlersozialversicherung ge-
macht. Aber Sie haben es vor der Einbringung des Geset-
zes, über das wir nächste Woche im Bundestag debattie-
ren werden, noch nicht einmal für notwendig gehalten,
sich mit diesem Vorschlag auseinander zu setzen. Das ist
die Arroganz der Macht. Dies ist nicht hinzunehmen. Ich
denke, die Wählerinnen und Wähler werden diese Arro-
ganz richtig einschätzen.


(Peter Dreßen [SPD]: Wir sind noch Waisenknaben gegen euch!)


Wir werden bei der Beratung dieses Gesetzes uns alle
zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, damit Sie Ihrer
Verantwortung für einen Bereich, der einmal vom Ansatz
her gut gestaltet war, endlich wieder gerecht werden. Wir
hoffen, dass wir nun, nachdem Sie insgesamt elf Minister
und Staatssekretäre durch Fahnenflucht oder Entsorgung
verloren haben, mit dem neuen Staatsminister und Beauf-
tragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der
Kultur und der Medien auch über dieses Thema einen
konstruktiven Dialog führen können.


(Beifall bei der F.D.P. – Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.]: Hoffen darf man ja!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413703100
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Dr. Thea
Dückert vom Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Beifall begrüßt):

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!
Der Kollege Laumann hat uns vorhin, etwa kurz nach
12 Uhr, mit einem fröhlichen „Guten Morgen!“ begrüßt.
Als er dann seine Rede vorgetragen hat, habe ich gedacht:
Er hat wohl – das ist ihm eigentlich zu gönnen – nicht nur
den heutigen Tag, sondern ganz offensichtlich auch die
Entwicklungen in der Sozialpolitik der letzten zwei Jahre
verschlafen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: „Guten Morgen!“ hat er gesagt, weil Sie so geschnarcht haben!)


Die Opposition verfährt weiterhin nach dem Motto,
dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Auch der Haus-
halt 2001 zeigt eines ganz deutlich: Wir bringen wieder
mehr soziale Gerechtigkeit in die Politik der Bundesrepu-
blik Deutschland hinein. Unser Motto ist die Nachhaltig-
keit, das bedeutet: Wir wollen eine Politik für das Heute
und für das Morgen machen. Wir wollen die Lasten nicht
auf Kosten der jüngeren Generation in die Zukunft ver-
schieben, wie Sie das getan haben.




Dr. Irmgard Schwaetzer

13351


(C)



(D)



(A)



(B)



(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS SES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir wollen den Haushalt konsolidieren und gleichzeitig
gestalten.

Sie wissen genau, welch hohen Schuldenberg Sie uns
hinterlassen haben. Die Steuern sind über Jahre und Jahr-
zehnte hinweg trotz der Regierungsbeteiligung der an-
geblichen Steuersenkungspartei F.D.P. gestiegen. Die
Lohnnebenkosten, Frau Schwaetzer, sind allein von 1990
bis 1998, also in acht Jahren, um 6,5 Prozent gestiegen.
Auch die Mehrwertsteuer ist gestiegen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es die deutsche Einheit gegeben hat!)


Sie haben uns aber nicht nur einen Schuldenberg, son-
dern auch – das ist sehr beschämend – einen Berg an Ju-
gendarbeitslosigkeit hinterlassen. Als wir in die Regie-
rung kamen, gab es insgesamt 4,7 Millionen Arbeitslose.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: So primitiv, wie Sie es darstellen, ist es nicht!)


– Frau Schwaetzer, ich glaube nicht, dass es primitiv ist,
nach zwei Jahren unserer Regierungstätigkeit einen Ver-
gleich anzustellen. Während Ihrer Regierungszeit, wie ge-
sagt, gab es 4,7 Millionen Arbeitslose. Jetzt sind es nur
noch 3,6 Millionen. Das kann man nicht primitiv nennen.
Vielmehr zeigt das sehr deutlich, dass wir die Bekämp-
fung der Arbeitslosigkeit in allen Politikbereichen zur
zentralen Aufgabe gemacht haben, und zwar in der Steu-
erpolitik, in der Finanzpolitik und in der Arbeitsmarktpo-
litik.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Die Demographie entwickelt sich zu Ihren Gunsten!)


Wir haben hier einen großen Etappenschritt gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: Weil die Menschen älter werden und aus dem Arbeitsmarkt aussteigen!)


Der Trend hat sich umgekehrt.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Die Demo graphie macht es!)

Die Steuern sinken. – Frau Schwaetzer, davon hätten Sie
nur geträumt, wir setzen es durch. – Die Lohnnebenkosten
sinken. Zum nächsten Jahr sinken auch die Rentenversi-
cherungsbeiträge auf 19,1 Prozent.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Und die Ökosteuer steigt!)


– Zur Ökosteuer komme ich gleich, Frau Schwaetzer,
auch zu den Gesamtbelastungen. – Die Arbeitslosigkeit
sinkt und die Beschäftigung nimmt zu, und zwar nicht auf-
grund der demographischen Entwicklung,


(Zuruf von der F.D.P.: Sie brauchen nichts dazutun!)


sondern – das sage ich ausdrücklich – aufgrund einer zu-
sätzlichen Zugangs von Arbeitskräften, beispielsweise
von Frauen, in einer Größenordnung von 500 000. Das ist
eine positive Bilanz, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413703200
Frau Kol-
legin Dückert, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Laumann?


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413703300

Gerne, Herr Laumann.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413703400
Bitte
schön, Herr Laumann.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413703500
Verehrte Frau
Kollegin, können Sie mir denn bestätigen, dass sich den
Gutachten der fünf Weisen, des Sachverständigenrats der
Bundesregierung, zufolge zwar – da haben Sie Recht – die
Zahl der Beschäftigten erhöht hat, dass aber, gemessen an
Erwerbsarbeitsstunden, die Beschäftigung in der Bundes-
republik Deutschland nicht gestiegen ist? Können Sie mir
bestätigen, dass das in den Gutachten des wissenschaftli-
chen Beirates der Bundesregierung steht?


Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413703600

Herr Laumann, ich kann Ihnen bestätigen, dass uns der
Sachverständigenrat bestätigt hat, dass der Zusammen-
hang zwischen Steuerpolitik, Finanzpolitik, Haushalts-
konsolidierung und Arbeitsmarktpolitik dazu geführt hat,


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Die Frage war anders!)


dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist und die Zahl
der Beschäftigten in diesem Jahr und auch in den nächs-
ten Jahren um 500 000 steigen wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Das war nicht die Frage!)


Das hat uns der Sachverständigenrat bestätigt, Herr
Laumann.

Meine Damen und Herren, ich denke, dass wir durch
diese Politik, auch durch unsere Haushaltspolitik eine
gute soziale Bilanz vorzuweisen haben. Ich will Ihnen in
Erinnerung rufen, was passiert ist und was passieren wird.

Ich erinnere an die zweimalige Erhöhung des Kinder-
geldes und an die Erhöhung des Kinderfreibetrages und
ich sage Ihnen: Wir werden in dieser Legislaturperiode
das Kindergeld noch weiter erhöhen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Was bedeutet die Erhöhung des BaföG? – Sie bedeutet,
dass Jugendliche, die bisher große Schwierigkeiten hat-
ten, am Bildungsangebot teilzuhaben, Erleichterung er-
fahren. Es ist ein Schritt zu mehr Chancengleichheit auch
beim Zugang zur Bildung. Das haben wir bitter nötig.




Dr. Thea Dückert
13352


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir haben das Wohngeld erhöht. Zum ersten Mal seit
zehn Jahren. Auch das gehört zur sozialen Bilanz.

Und wir haben das Arbeitslosengeld und das Kranken-
geld erhöht, weil wir im Gegensatz zu Ihnen verfassungs-
konform handeln und auch die Einmalzahlungen in
höhere Krankengeld- und Arbeitslosengeldzahlungen
umsetzen.

Unter dem Strich bedeutet das, dass eine vierköpfige
Familie mit einem jährlichen Durchschnittseinkommen
von 60 000 DM im Jahr 2001 3 000 DM mehr in der Ta-
sche hat.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Die sie anschließend wieder für die Ökosteuer ausgibt! – Zurufe von der CDU/CSU)


Frau Schwaetzer, auch das sollten Sie bei Ihren kleinli-
chen Rechnereien einmal zur Kenntnis nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, daran zeigt sich: Diese Po-
litik hat ein soziales Gesicht.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Eine soziale Fratze!)


Wir ruhen uns nicht aus; das ist völlig klar. Aber dies ist
ein Grund zur Zufriedenheit.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir wollen die Herausforderungen annehmen. Das be-
zieht sich nicht nur auf den Schuldenberg, den Sie uns hin-
terlassen haben,


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das stimmt! Die deutsche Einheit nehmt ihr ja nicht in den Mund!)


sondern auch auf die Veränderungen in der Arbeitswelt,
auf die veränderten Erwerbsbiografien. Heute wollen und
müssen immer mehr Alleinerziehende in dieser Arbeits-
gesellschaft Platz finden. Zu nennen ist auch die Verän-
derung im Altersaufbau dieser Gesellschaft. Dies ist ein
ungeheurer Reformbedarf, dem wir uns stellen. Das sind
die Herausforderungen der Zukunft.

Ich habe gestern mit Interesse gelesen, wie es weiter-
gegangen wäre, wenn beispielsweise Herr Blüm Sozial-
minister geblieben wäre.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Besser!)


Er hat gestern in einem Interview in sehr deutlicher Weise
die schwarze Katze aus dem schwarzen Sack gelassen.
Herr Blüm, Sie haben gestern gesagt, eine gesetzliche
Rentenversicherung lasse sich nicht mit einer privaten
verknüpfen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Wie wahr!)

Unser Angebot, Personen mit geringem Einkommen und
insbesondere Familien mit Kindern beim Aufbau der pri-
vaten Altersvorsorge zu helfen, ist ein Gebot der sozia-
len Gerechtigkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Außerdem ist es ein Gebot der Fairness. Auch Herr Blüm
hätte damals schon sagen müssen, dass in Zukunft zur Al-
tersversorgung neben dem Herzstück der gesetzlichen
Rentenversicherungen ein weiteres Standbein nötig ist,
nämlich die private Vorsorge. Diese muss hinzukommen,
damit die zukünftigen jungen Generationen im Alter gut
abgesichert sind. Wir bieten ihr genau hierzu Hilfen an.
Wir wollen nicht wie Herr Blüm erst losspringen und dann
abstürzen. Wir wollen mit der Rentenreform der jungen
Generation die Hand reichen und ihre Altersversorgung
absichern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich komme nun auf den Arbeitsmarkt zu sprechen,
einen sehr wichtigen Aspekt unserer Politik. Die Progno-
sen, nicht nur die des Sachverständigenrates, beweisen,
dass unsere Politik hier schon Auswirkungen zeigt. Selbst
in vorsichtigen Prognosen wird davon ausgegangen, dass
in den nächsten Jahren eine positive Entwicklung auf dem
Arbeitsmarkt zu erwarten ist. Trotz der demographischen
Entwicklung entstehen zusätzliche Arbeitsplätze. So wer-
den wir, auch wenn in Zukunft weitere Personengruppen
wie zum Beispiel Frauen auf den Arbeitsmarkt drängen,
ein Sinken der Arbeitslosenzahlen verzeichnen können.
Diese Entwicklung sollte die Opposition einmal wahr-
nehmen. Auch heute verhalten Sie sich in Ihren Reden
wieder wie die berühmten drei Affen: nichts hören, nichts
sehen, nichts sagen. Stattdessen klagen Sie nur.


(Widerspruch des Abg. Eckardt von Klaeden – Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Der Kollege hat 14 Minuten lang gesprochen!)


Meine Damen und Herren, kommen Sie herunter von
den Bäumen und diskutieren Sie mit uns einmal über
Konzepte der Arbeitsmarktpolitik, die der zukünftigen
Entwicklung Rechnung tragen. Eines ist völlig klar: Es ist
ein Irrglaube, zu meinen, dass man, wenn es auf dem Ar-
beitsmarkt brummt, die aktive Arbeitsmarktpolitik ein-
stellen könne. Das ist nicht so. Das zeigt auch die Struk-
tur des Arbeitsmarktes: Es gibt große regionale Gefälle
bei der Höhe der Arbeitslosigkeit; Jugendliche und Ältere
besonders in den neuen Bundesländern haben große Pro-
bleme, Arbeit zu finden; es gibt das Problem der Lang-
zeitarbeitslosigkeit. Deswegen verstetigen wir die aktive
Arbeitsmarktpolitik – das wollen Sie, meine Damen und
Herren von der Opposition, die ganze Zeit verhindern –
auf einem hohen Niveau. Wir werden auch das JUMP-
Programm – und zwar steuergegenfinanziert – weiter
fortführen, denn es war schon in der Vergangenheit erfolg-
reich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Sie sind wirklich uneinsichtig!)


Wir werden unsere beschäftigungspolitischen Anstren-
gungen nicht zurückschrauben. Wir werden unsere Poli-
tik der Senkung der Lohnnebenkosten und der Steuer- und
Abgabenlast konsequent fortsetzen. Wir werden das
Bündnis für Arbeit unterstützen und vorantreiben. Es ist




Dr. Thea Dückert

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(C)



(D)



(A)



(B)


auch dringend notwendig, moderne Formen von Teilzeit-
arbeit und der Teilung von Arbeit voranzutreiben. Wir
werden das Betriebsverfassungsgesetz weiter reformie-
ren.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters)


Wir werden außerdem die Arbeitsförderung sehr kreativ
und mithilfe neuer Ansätze reformieren.


(Glocke des Präsidenten)

– Herr Präsident, ich sehe, dass es blinkt.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413703700
Seit langem!

(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Hoffent lich erleuchtet es Sie auch!)



Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413703800

Ich komme zum Schluss. – Meine Damen und Herren, ich
denke, dass sowohl die Bilanz des Gesamthaushaltes mit
der dort vorgesehenen Unterstützung von Familien mit
Kindern und den dort vorgesehenen strukturellen Maß-
nahmen, mit denen wir den Herausforderungen der Zu-
kunft begegnen, als auch die Bilanz des Arbeitsmarktes
eines deutlich machen:


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das Stopplicht leuchtet! Die Ampel steht auf Rot!)


Dieser Haushalt ist ein sozialpolitisch richtiger Ansatz,
mit dessen Hilfe Rot-Grün soziale und ökologische Poli-
tik verantwortlich weiter voranbringen kann.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Abbruchunternehmen!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413703900
Für die
Fraktion der PDS spricht der Kollege Dr. Klaus Grehn.


Dr. Klaus Grehn (PDS):
Rede ID: ID1413704000
Herr Präsident! Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen! In seiner gestrigen Rede hat der
Bundeskanzler die Erfolge bei der Bekämpfung der Ar-
beitslosigkeit und das Wachstum der Beschäftigung ge-
feiert und zur gemeinsamen Freude aufgerufen. – Die
Botschaft hört‘ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.


(Beifall bei der PDS)

Deswegen kann man dies – wie manches andere auch –
nicht unwidersprochen stehen lassen.

Um es gleich vorwegzunehmen, Frau Kollegin
Dückert: Dieser Widerspruch bedeutet keine Miesmache-
rei und auch kein Jammern, sondern er ist der Tatsache ge-
schuldet, dass die Welt eben ganz anders aussieht, je nach-
dem, ob man vor dem Schreibtisch der Arbeitsvermittler,
die nicht vermitteln können, oder vor den Mitarbeitern
der Sozialämter, die dem Spardiktat zu folgen haben, steht
oder ob man hinter einem Schreibtisch sitzt.

Die Tatsachen, dass die geschaffenen neuen Arbeits-
plätze vor allem 630-Mark und Teilzeitarbeitsplätze sind,
dass demographische Faktoren diese Entwicklung beein-
flussen, sind in der Rede des Kanzlers nicht aufgetaucht.

Der Bundeskanzler hat wohlweislich die ihm spätes-
tens seit seiner Reise durch die neuen Bundesländer be-
kannte Tatsache der sich zwischen Ost und West vertie-
fenden Spaltung auf dem Arbeitsmarkt außen vor
gelassen. Ich bin überzeugt, dass dies in den neuen Bun-
desländern genauso aufmerksam registriert worden ist
wie der Verschiebebahnhof bei der Finanzierung, von
dem hier verschiedentlich die Rede war, und wie die Tat-
sache, dass eine zündende Idee für eine Verbesserung die-
ses Zustandes nicht zu entdecken war.


(Beifall bei der PDS)

Leider ist dies aber keine Einzelenttäuschung, wie un-

ter anderem die Themen Ausbildungsplätze, Rente insge-
samt und insbesondere das Teilthema Rente Ost belegen.
Dieser Einschätzung steht auch der vorgelegte Haushalt in
nichts nach. Er macht deutlich, dass die Bundesregierung
die Chance die soziale Schieflage in der Gesellschaft zu
korrigieren, leider nur unzureichend genutzt hat.

Solange vonseiten der Arbeitgeber noch immer völlig
abwegige Forderungen nach einem Abbau der Soziallei-
stungen erhoben werden – Stichworte dazu sind die Er-
höhung der Lebensarbeitszeit, die Senkung von Lohner-
satzleistungen, die Erhöhung des Drucks auf die aus dem
Arbeitsleben Ausgegrenzten –, muss sich diese Bundesre-
gierung entscheiden, wofür sie steht, für die Interessen der
Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Ar-
beitslosen, der Armen und Ausgegrenzten, wie Sie es im
Wahlkampf versprochen haben, oder einseitig für die In-
teressen der Unternehmen, der Konzerne, der Banken, der
fusionierenden Großunternehmen.

Wir halten es für falsch, wenn der Bundesarbeitsminis-
ter den Arbeitgeberverbänden Gesprächsbereitschaft über
die Verlängerung der Lebensarbeitszeit signalisiert.
Schon längst nämlich haben die unzureichende Arbeits-
marktpolitik, die so genannte Ökosteuer und das Renten-
konzept nichts mit den Interessen des kleinen Mannes zu
tun, sondern all dies geht zu seinen Lasten. Es wird ein
Klima geschaffen, in dem sich der arbeitslos Gemachte
schämt, der Sozialhilfeempfänger an den Pranger gestellt
wird, der Arme und Bedürftige gefälligst für die ihm ver-
abreichten Almosen dankbar zu sein hat.

Diese Bundesregierung ist weit davon entfernt, von der
deutschen Wirtschaft einen angemessenen Beitrag für
sinnvolle und sozial gerechte Reformen zu verlangen.
Stattdessen gibt sich der Kollege Schlauch, der ja nicht
gerade auf einer hinteren Bank in der regierenden Koali-
tion sitzt, dazu her, das anzugreifen, was die bisherige
wirtschaftliche Stärke der Bundesrepublik ganz maßgeb-
lich hervorgebracht hat: die Tarifautonomie von Arbeit-
gebern und Arbeitnehmern und deren fair ausgehandelte
Flächentarifverträge.


(Beifall bei der PDS)

Wer heute gegen die Gewerkschaften zu Felde zieht, ver-
zichtet auf den sozialen Ausgleich.




Dr. Thea Dückert
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(C)



(D)



(A)



(B)


Die Stoßrichtung aller so genannten Reformvorhaben
der letzten Zeit ist klar erkennbar. Sie zielen auf die Ab-
kopplung der Sozialsysteme von der Reichtumsentwick-
lung. Die Funktion des Sozialstaates wird auf Wettbe-
werbsförderung reduziert. Bei dem, was das falsche
Denken vor allem des Bundesfinanzministers hervor-
bringt, weht uns kein Hauch von Zukunftsfähigkeit
entgegen. Die Finanzierbarkeit ist eine wichtige Voraus-
setzung, der gesellschaftliche Konsens über die Zu-
kunftsfähigkeit unserer Gesellschaft eine andere. Die Be-
dürfnisse und Erwartungen der Millionen Bürgerinnen
und Bürger dieses Landes lassen sich nicht durch angeb-
liche Sparzwänge einseitig reduzieren oder vom Tisch wi-
schen. Der Staat hat ihnen Rechnung zu tragen; dafür wer-
den Regierungen gewählt.

Deutlich sichtbar wird dieses falsche Denken bei der
angegangenen Rentenreform.Die Antwort dieser Regie-
rung auf das Erfreulichste in einer Gesellschaft, nämlich
die Verlängerung der durchschnittlichen Lebenszeit, lau-
tet: Wenn ihr älter werdet, müsst ihr ärmer leben. Welch
eine Armseligkeit des Denkens, welch eine Unfähigkeit,
die Zukunft schon heute attraktiv und erstrebenswert zu
gestalten!

Geradezu unerträglich ist der Gedanke, dass nichts ge-
tan wird, um endlich die Lebensleistungen der Rentnerin-
nen und Rentner in den neuen Bundesländern genauso
anzuerkennen wie die derjenigen in den alten Bundeslän-
dern. Stattdessen wollen Sie die Leistungen insgesamt ab-
senken. Wenn alle Alten ärmer werden, dann sollen die
ungeliebten Alten im Osten immer noch ärmer bleiben.


(Widerspruch bei der SPD – Jörg Tauss [SPD]: Quatsch mit Soße!)


Dies ist das Signal, Herr Minister Riester. Es wird wohl
vernommen. Die Regierung tut ein Übriges und kürzt gar
den Bundeszuschuss für die Rentenversicherung der Ar-
beiter und Angestellten um 870 Millionen DM.


(Jörg Tauss [SPD]: Er will es nicht verstehen!)

Auf dem Arbeitsmarkt ist kein Umschwung zu er-

kennen. Die Prognosen über die konjunkturelle Entwick-
lung münden seit Jahren lediglich in Spekulationen über
das Auf und Ab der Zahlen der Arbeitslosen. Das Kon-
junkturtempo wird sich nach jüngsten Aussagen der Wis-
senschaft trotz erhöhter Steuereinnahmen und milliarden-
schwerer Privatisierungserlöse weiter verlangsamen. Die
Folgen für den Arbeitsmarkt sind vorhersehbar. Der un-
verhoffte Gewinn bei der Versteigerung der UMTS-Li-
zenzen in Höhe von 100 Milliarden DM könnte eine ent-
scheidende Grundlage sein, um die Probleme auf dem
Arbeitsmarkt nachhaltig zu lösen.


(Peter Dreßen [SPD]: Das tun wir doch! – Dirk Niebel [F.D.P.]: Ihr habt ja 40 Jahre lang gezeigt, wie man das macht!)


Diese Möglichkeit wird nicht genutzt.
Unverständlich ist auch, dass der Haushaltsplan die

Kürzung des Bundeszuschusses an die Bundesanstalt
für Arbeit auf 1,2 Milliarden DM vorsieht. Erneut wird

im Kaffeesatz der Prognosen gelesen, statt sich mit der
tatsächlichen Lage vor allen Dingen im Osten Deutsch-
lands zu befassen. Hier bleibt eine aktive Arbeitsmarkt-
politik für Hunderttausende von Arbeitslosen dringend
geboten. Bundesweit muss der dramatisch wachsende
Sockel der Langzeitarbeitslosen gezielt abgebaut werden.

Nach der Lage der Dinge ist die Bereitstellung von
Bundesmitteln für expansive und zugleich innovative
Fördermaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit eine not-
wendige Voraussetzung für Lösungen. Jeder, der anderes
veranlasst, nimmt Ertrinkenden die Schwimmweste weg
mit dem Hinweis auf das nahe liegende Ufer, das sich al-
lerdings als Fata Morgana erweist. Der Änderungsantrag
der PDS sieht deshalb die Erhöhung der Mittel auf
maßvolle 2 Milliarden DM vor.

Die völlige Streichung der Sachmittel für ABM ist eine
weitere soziale Grausamkeit; denn sie bedeutet das Aus
für viele sozial und soziokulturell engagierte Vereine, die
einen wichtigen Beitrag zur individuellen Bewältigung
gesellschaftlicher Aufgaben leisten. Jeder durch ABM ge-
schaffene Arbeitsplatz benötigt ein Mindestmaß an Aus-
stattung mit Sachmitteln, weil er sonst nicht wahrgenom-
men werden kann. Deshalb fordern wir in unserem
Änderungsantrag die Bereitstellung von 500 Milli-
onen DM für diese Sachmittel.


(Barbara Wittig [SPD]: Das müssen die Länder machen!)


Gestatten Sie mir eine weitere Bemerkung zur Arbeits-
marktpolitik. Es ist nicht lange her, da wurde das Verfah-
ren zu SAM/OFW verschärft, weil erhebliche Mitnah-
meeffekte durch Unternehmen registriert wurden. Mir
liegt eine Ausschreibung für ein Vorhaben vor, in der steht
– es geht um 25 Gewerke –: „Die Arbeiten sind unter maß-
geblicher Beteiligung von ABM-Arbeitnehmern durchzu-
führen. Für die zugewiesenen Arbeitnehmer ist bei der
Angebotsabgabe ein Nachlass bei der Preisbildung anzu-
streben.“ – Das passiert in Bereichen, die durch ABM
überhaupt nicht abzudecken sind.


(Peter Dreßen [SPD]: Wer ist der Ausschreiber?)


– Das ist die offizielle Ausschreibung eines Landrates. Ich
kann Ihnen die entsprechenden Unterlagen gerne zur Ver-
fügung stellen.


(Peter Dreßen [SPD]: Sind wir jetzt schon für Landräte verantwortlich?)


Ich nenne ferner den reduzierten Zuschuss zur Kran-
kenversicherung. Die Gerechtigkeit bleibt auch bei der
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe außen vor. Sie haben die
Unterfinanzierung der Arbeitslosenhilfe ansteigen lassen
und die Deckelung der Sozialhilfe nicht zurückgenom-
men. Sie haben stattdessen den Zuschuss zur Rentenver-
sicherung von Arbeitslosenhilfebeziehern gesenkt. Das
wird sich doppelt rächen: Es fällt uns zweimal auf die
Füße, einmal heute und einmal zuzeiten der Altersarmut,
die bevorsteht.

Die Ihnen zur Abstimmung vorgelegten Änderungsan-
träge der PDS zum Einzelplan 11 zielen auf mehr




Dr. Klaus Grehn

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(C)



(D)



(A)



(B)


Gerechtigkeit und auf die Korrektur unvertretbarer Kür-
zungen. Wir bitten deshalb um Ihre Zustimmung.


(Beifall bei der PDS)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413704100
Ich gebe
nunmehr dem Bundesminister für Arbeit und Sozialord-
nung, Walter Riester, das Wort.

Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da-
men und Herren! Um es in Erinnerung zu rufen: Wir spre-
chen über den Haushalt für Arbeit und Soziales. Es
handelt sich um 170 Milliarden DM, die wir für Arbeit
und Soziales einsetzen. Das sind 15 Milliarden DM mehr
als vor zwei Jahren, im letzten Jahr der alten Regierung.


(Beifall bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weil die Not größer geworden ist! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Es wird immer kälter in Deutschland!)


Es gehört schon ein gerüttelt Maß an Unverfrorenheit
dazu, zu erklären, dieser Haushalt sei Ausdruck einer so-
zialen Eiszeit.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: So ist es!)

– Herr Laumann, was geht in Ihrem Kopf vor?


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jedenfalls geht etwas vor!)


Ich darf Sie als CDU-Mitglied daran erinnern, was wir
übernommen haben: Wir haben die größte Staatsver-
schuldung übernommen, die dieses Land jemals gehabt
hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)


Wir haben die höchste Steuerquote übernommen, die die-
ses Land jemals gehabt hat. Wir haben die höchsten Lohn-
nebenkosten übernommen, die dieses Land jemals gehabt
hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Das stimmt doch nicht!)


Wir haben die höchste Arbeitslosenquote übernommen,
die dieses Land jemals gehabt hat. All dieses haben wir
übernommen. Da bin ich gerne bereit, jetzt Bilanz zu zie-
hen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Was soll Ihr kannibalistischer Auftritt hier? – Dirk Niebel [F.D.P.]: Und Sie haben die Wiedervereinigung übernommen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.)


– Ich höre von der rechten Seite: „die deutsche Einheit“.
Ja, die haben wir übernommen und an der arbeiten wir,
aber ohne laufend neue Schulden aufzubauen. Da unter-
scheiden wir uns von Ihnen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Akzeptieren Sie doch die Kosten!)


Wiedervereinigung bedeutet für uns nicht, laufend Steuer-
einnahmen auszuweiten und laufend Schulden weiter
aufzubauen. Darin unterscheiden wir uns.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [F.D.P.]: Aber Sie erzählen doch, dass alles zum Nulltarif zu haben gewesen wäre! – Zurufe von der CDU/ CSU)


– Wenn sich das Murmeln etwas legt, dann kommen wir
einmal zu dem, was wir erreicht haben.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Ja, was habt ihr denn erreicht?)


Wir haben als Erstes die Steuern gesenkt.

(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Dann sagen Sie etwas zum Verschiebebahnhof!)

Wir haben als Zweites die Lohnnebenkosten gesenkt.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wo denn?)

– Auf Ihr „Wo denn?“ komme ich im Detail noch zu spre-
chen. – Wir haben als Drittes in zwei Jahren Rahmenbe-
dingungen – wenn es Ihnen um die Leute ginge, müssten
Sie darüber eigentlich jubeln – für über 1 Million zusätz-
liche Beschäftigungsverhältnisse geschaffen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [F.D.P.]: 630Mark-Jobs, die sind jetzt in der Statistik!)


– Nun schreit der für die Zwischenrufe sehr bekannte Herr
Niebel: „630-Mark-Jobs“. Dazu darf ich Ihnen etwas sa-
gen: Eine halbe Million sozialversicherungspflichtige zu-
sätzliche Arbeitsverhältnisse ohne die 630-Mark-Jobs
sind entstanden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wo denn?)


Sie haben es in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit ge-
schafft, die Zahl der Arbeitslosen um rund 3Millionen zu
erhöhen; allein in den letzten zehn Jahren um rund
2,5 Millionen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist doch alles unhistorisch, was Sie sagen! – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das ist doch alles dummes Zeug! Das glaubt Ihnen bald keiner mehr! Gott sei Dank!)


Ich bin stolz darauf, dass wir es geschafft haben, die Zahl
der Arbeitslosen um eine halbe Million zu senken, sodass
wir uns erstmals über eine Bilanz verständigen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dirk Niebel [F.D.P.]: Wenn der Klimmt nicht gegangen wäre, wären Sie jetzt dran! – Weiterer Zuruf von der F.D.P.: Alles Demographie!)


– Nun kommt der hervorragende Einwand der Damen
und Herren von rechts, das sei alles Demographie. Mein
Herr, Sie waren ja früher einmal beim Arbeitsamt be-
schäftigt:


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Deswegen kenne ich mich aus!)





Dr. Klaus Grehn
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(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn Sie sich einmal die Zahlen anschauen würden

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Wiedersehen, Herr Riester!)

– da höre ich qualifizierte Zwischenrufe; für Zwischen-
rufe sind Sie ja bekannt, aber bitte ein bisschen qualifi-
zierter –,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Ein bisschen Polemik darf sein!)


dann wüssten Sie, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen
nicht deshalb um 100 000 gesunken ist, weil so viele aus
dem Erwerbsleben ausgeschieden sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Jawohl!)


– Wir haben im Bereich der Jugend ein Schwerpunkt-
programm eingesetzt.Über die Frage, wie diese Ausgaben
finanziert werden, möchte ich mich gern mit Ihnen fetzen.
Unbestritten ist aber doch, dass wir es überhaupt ange-
gangen sind. Sie sind es doch noch nicht einmal angegan-
gen!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Wir suchen Gegner, keine Opfer!)


Herr Laumann, Ihnen mangelt es an Innovation. Gott
sei Dank ist Herr Seehofer da, der mir sicherlich bestäti-
gen kann, dass er einmal gesagt hat, unsere Vorschläge zur
Rentenreform seien ein Quantensprung in der Sozialpo-
litik. Sie waren damals dabei und hätten Ihren Protest an-
melden können;


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Das steht doch im Haushalt!)


Sie hätten sagen können, dass Ihnen der Entwurf zu we-
nig innovativ ist. Noch besser wäre es allerdings gewesen,
Sie hätten eigene Vorschläge eingebracht. Darauf warte
ich noch immer.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Sie haben die Rentenversicherung kaputt gemacht! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU sowie der Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.])


Herr Seehofer hat gesagt, es sei ein Quantensprung, dass
wir endlich dazu kommen, eine kapitalgedeckte zusätzli-
che Altersvorsorge systematisch aufzubauen.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Das haben Sie kaputtgemacht!)


Er hat ganz leise dazugesagt, die frühere Koalitionsregie-
rung hätte das leider nicht geschafft.


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Ein Bauchredner vielleicht!)


Der Ehrlichkeit halber muss das gesagt werden; es waren
mehrere Damen und Herren anwesend.


(Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir werden dafür sorgen – es dauert nicht mehr lange,
bis das Gesetz verabschiedet ist –, dass die Altersvorsorge
stärker gefördert wird. Wir haben dafür gesorgt – ich zeige
Ihnen gerne unsere Bilanz –, dass die Rentenversiche-
rungsbeiträge und damit die Lohnnebenkosten gesenkt
werden. Die Damen und Herren Abgeordneten möchten
gerne wissen – es wurde in der Debatte vorhin verschie-
dentlich angesprochen –, wie es sich mit der Bilanz be-
züglich des Ökosteueraufkommens und der Einnahmen
in der Rentenversicherung verhält. Ich kann das nur als
rhetorische Frage verstehen, da Sie es ohne weiteres im
Gesetzentwurf nachlesen könnten.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das haben wir ja auch! – Karl-Josef Laumann [CDU/ CSU]: Nein!)


Ich will sie aber trotzdem konkret beantworten:

(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Dann machen Sie es doch einmal!)

Die Einnahmen aus der Ökosteuer werden sich im nächs-
ten Jahr auf 22,3 Milliarden DM belaufen, während der
Rentenversicherung 22,4 Milliarden DM zugeführt wer-
den.


(Heinz Schemken [CDU/CSU]: Sind das Steuern?)


Das heißt, der Rentenkasse stehen 100 Millionen DM
mehr zur Verfügung, als durch die Ökosteuer eingenom-
men werden. Das ist die Wahrheit, die jeder von Ihnen aus
dem Gesetzentwurf ersehen kann, von dem ich annehme,
dass er Ihnen zur Verfügung steht.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Sie haben doch bisher schon 8 Milliarden DM an Ökosteuereinnahmen unter den Tisch fallen lassen!)


Hören Sie also auf, mit Ihren Äußerungen solche Verwir-
rungen hervorzurufen. Es gibt ja sicherlich viele Men-
schen, die unsere Debatte verfolgen und denen im Ge-
gensatz zu Ihnen die entsprechenden Unterlagen nicht zur
Verfügung stehen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413704200
Gestatten
Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meckelburg?


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Meine hat er nicht zugelassen!)


– Frau Kollegin Schwaetzer, ich muss Sie darauf hinwei-
sen, dass Auseinandersetzungen mit dem amtierenden
Präsidenten nicht zulässig sind. Ich habe Ihre Zwi-
schenfrage nicht zugelassen, weil Sie sich bereits nach
den ersten drei Sätzen des Kollegen Riester gemeldet ha-
ben. Ich fand das nicht angemessen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





Bundesminister Walter Riester

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(A)



(B)


Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Ja, ich gestatte die Zwischenfrage des Kol-
legen Meckelburg.


Wolfgang Meckelburg (CDU):
Rede ID: ID1413704300
Herr Arbeits-
minister, Sie haben mit den Einnahmen aus der ersten
Stufe der Ökosteuer im Umfang von 8 oder 9 Milliarden
DM pro Jahr dafür gesorgt, dass der Rentenversiche-
rungsbeitrag von 20,3 Prozent auf 19,5 Prozent gesunken
ist. Mit der dritten Stufe, die im nächsten Jahr greift und
mit der Sie wiederum ein Drittel des geschätzten Ge-
samtaufkommens aus allen Stufen erhalten, wollen Sie er-
reichen, dass der Rentenversicherungsbeitrag von
19,3 Prozent auf 19,2 Prozent sinkt.

Können Sie mir bitte erklären, warum die erste Stufe
der Ökosteuer zu einer drastischen Senkung des Renten-
beitrags im Umfang von 0,8 Prozent führte, während die
für das nächste Jahr vorgesehene Stufe nur 0,1 Prozent
bringt, und wo der Rest der Einnahmen bleibt?


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Gute Frage! – Peter Dreßen [SPD]: Zuerst muss das Steuerchaos beseitigt werden!)


Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und Sozial-
ordnung: Das kann ich Ihnen gern erklären. Wir haben
zwei Entlastungen realisiert: Mit den Einnahmen aus
der ersten Stufe der Ökosteuer in Höhe von 8,4 Milliar-
den DM 1999 haben wir die Beitragsbelastungen redu-
ziert. Man darf nicht vergessen, dass ich die Verantwor-
tung für die Rentenversicherung zu einer Zeit übernom-
men habe, in der zur Deckung der gesetzlich vorgesehenen
Schwankungsreserve – sie reichte Ende 1998 nur noch für
21 Tage Rentenzahlungen – rund 8 Milliarden DM gefehlt
haben.


(Abg. Dr. Norbert Blüm [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage.)


– Herr Blüm, ich lasse Ihre Zwischenfrage gerne zu, weil
Sie diesen Sachverhalt hoffentlich bestätigen werden. –
Mit diesen rund 8 Milliarden DM haben wir diese Lücke
wieder geschlossen. Seit 1994 wird jetzt zum ersten Mal
wieder die vom Gesetz vorgesehene Schwankungsreserve
in der Rentenversicherung voll eingehalten.

Wir haben also aus den Ökosteuereinnahmen zwei
Dinge finanziert. Ich sage Ihnen nochmals: Wir werden
im nächsten Jahr 100 Millionen DM mehr in die Renten-
versicherung hineingeben, als wir Einnahmen aus der
Ökosteuer haben. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413704400
Herr Bun-
desminister, nachdem mir jetzt drei Zwischenfragen und
zwei angemeldete Kurzinterventionen vorliegen, möchte
ich eine kurze Zwischenbemerkung machen: Wir sind von
Vertretern aller Fraktionen gebeten worden, Rücksicht auf
die nachfolgenden Debatten und die noch anstehenden
namentlichen Abstimmungen zu nehmen.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Auch in dieser Debatte muss auf die zeitliche Einteilung
etwas Rücksicht genommen werden. Deswegen haben Sie
Verständnis dafür, dass wir vom Präsidium sehr zurück-
haltend mit dem Zulassen von Zwischenfragen und Kurz-
interventionen umgehen.

Herr Bundesminister, bitte fahren Sie fort.

Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Danke schön. – Ich fasse zusammen: Wir
bauen die Altersvorsorge, die auf zwei Säulen steht, deut-
lich aus. Wir senken die Beiträge und stabilisieren sie
dauerhaft. Ein weiterer Punkt ist, dass diejenigen, die we-
gen Kindererziehung niedrigere Einkünfte oder Arbeits-
unterbrechungen haben – das sind insbesondere die
Frauen –, rentenrechtlich deutlich besser gestellt werden.

Weiterhin regeln wir die leider immer noch vorhan-
dene verschämte Altersarmut im Rentenrecht und im So-
zialhilferecht so, dass sie in diesem Land nicht mehr ent-
stehen muss. Das ist Innovation.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Laumann, ich komme auf Ihre Rede zu sprechen.
Sie haben nicht alles lautstark vorgetragen; einige Dinge
haben Sie leise gesagt. Einige Dinge fasse ich als Ange-
bot auf und nehme sie gerne auf. Sie haben gesagt, Sie
möchten über das zu entwickelnde Betriebsverfassungs-
gesetz mitdiskutieren. Ich biete Ihnen das gerne an. Ich
bin sehr daran interessiert, dass sich auch die Union daran
beteiligt. Ich weiß, dass sie diesbezügliche Erfahrungen
einbringt. Diese möchte ich hören. Ich halte es für unan-
gemessen, über einen noch nicht vorliegenden Gesetzent-
wurf in einer solchen Weise zu spekulieren. Wir werden
dafür sehr schnell einen Referentenentwurf vorlegen. Ich
biete Ihnen an, an diesem mitzuarbeiten, sich als Union
einzubringen, weil ich weiß, dass das ein wichtiger Punkt
ist, an dem wir gemeinsam arbeiten müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben einen zweiten Punkt angesprochen, den ich
sehr ernst nehme und der nicht gern angesprochen wird.
Es gibt Leistungsmissbrauch und Verhaltensweisen, die
wir so nicht tolerieren können. Sie haben es, bezogen auf
junge Menschen, angesprochen. Es trifft nicht nur auf
junge Menschen zu, es trifft auf einer breiteren Ebene zu.
Ich mache die Erfahrung, dass wir dort mit gesetzlichen
Regelungen keine Wirkung erzielen können. Die beste-
henden Gesetze lassen Leistungseinschnitte zu, wenn
Menschen leistbare Arbeit bewusst verweigern. Das ist
ein Problem, das wir vor Ort angehen müssen. Wir müs-
sen das vonseiten der Sozialämter und Arbeitsämter an-
gehen. Wir müssen es als Politiker deutlicher ansprechen.
Das nehme ich positiv auf. Wir müssen uns auch dieser
Seite stellen. Wir können uns ihr aber am besten dadurch
stellen, dass wir den Leuten nachvollziehbare Chancen
geben und diese aufzeigen.






(C)



(D)



(A)



(B)


Sie haben einen dritten Punkt angesprochen und darauf
hingewiesen, dass es wichtig ist, die starke Diskrepanz in
der Entwicklung zwischen Ost und West nicht aus den Au-
gen zu lassen. Auch hier haben Sie mich auf Ihrer Seite.
Stärker als im Westen ist es notwendig, dass wir in den
neuen Bundesländernmit arbeitsmarktpolitischen Maß-
nahmen unterstützend eingreifen. Genau das machen wir.
Beispielsweise haben wir das JUMP-Programm schwer-
punktmäßig noch einmal stärker auf die neuen Bundes-
länder verlagert. Wir haben im nächsten Jahr vor, 50 Pro-
zent der Mittel des JUMP-Programms in den ostdeutschen
Ländern einzusetzen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das entscheiden Sie doch gar nicht mehr! Das entscheidet die Bundesanstalt für Arbeit!)


Sie haben immer geschrien, dass das JUMP-Programm
eine Sperre hat. Es hat keine Sperre mehr. Wir werden uns
dafür einsetzen. Ich bin froh, wenn auch die Union daran
entsprechend mitarbeitet.

Weiter haben Sie die Frage der Flexibilisierung ange-
sprochen. Dazu haben wir ein Gesetz mit zwei Ansätzen
eingebracht, das im Deutschen Bundestag verabschiedet
worden ist. Ich hätte mich darüber gefreut, wenn die
Union dem zugestimmt hätte.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Wo denn?)

Zunächst geht es um die Beschäftigungssicherung. Wir

haben – für viele Sozialdemokraten war das gar nicht ein-
fach – die Befristung ohne sachlichen Grund weiterhin er-
möglicht. Dieses Recht ist nicht befristet. Eines haben wir
dabei ausgeschlossen – es handelt sich um ein Anliegen
von Sozialdemokraten, von Gewerkschaftern und von
Bündnisgrünen; ich hätte mich gefreut, wenn auch Ihre
Partei zugestimmt hätte –, nämlich Kettenarbeitsverträge
mit Mehrfachbefristungen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Innerhalb von drei Wochen musste das Gesetz fertig sein!)


Dieses Gesetz enthält ein weiteres Element zur Stär-
kung der Flexibilisierung. Ich war sehr überrascht, als ich
in einem Interview des „Spiegel“ gelesen habe, dass der
Ihnen wahrscheinlich nicht fern stehende Ministerpräsi-
dent von Bayern lauthals einen Teilzeitarbeitsanspruch
in der Privatwirtschaft gefordert hat.


(Brigitte Baumeister [CDU/CSU]: Aber doch nicht für alle!)


– Er hat das nicht eingeschränkt. Das können Sie nachle-
sen, Frau Baumeister.

Als es dann eine Woche später ernst wurde und wir den
Gesetzentwurf eingebracht haben – wir selbst haben die-
ses Anrecht daran gebunden, dass seine Umsetzung be-
trieblich überhaupt möglich ist –, haben Sie dagegen ge-
stimmt.

Herr Laumann, bei Ihnen stimmen Anspruch und
Wirklichkeit nicht überein. Ich biete Ihnen an, in diesen
Fragen zusammenzuarbeiten, genauso wie ich es bei der
Rentenreform angeboten habe. Aber arbeiten Sie dann

bitte wirklich mit und verzögern Sie nicht! Bringen Sie
Vorstellungen ein! Wenn es zum Schwur kommt, dann
stehen Sie zu den Vereinbarungen, stimmen Sie zu und
nicht dagegen!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413704500
Herr Minis-
ter Riester, der Kollege Laumann – Sie haben ihn gerade
direkt angesprochen – möchte eine Zwischenfrage stellen.

Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Ja, gerne.


Karl-Josef Laumann (CDU):
Rede ID: ID1413704600
Herr Minister,
sind Sie bereit, hier zu bestätigen, dass die CDU/ CSU-
Bundestagsfraktion eine eigene Vorlage zur Teilzeitpro-
blematik eingebracht hat? In dieser Vorlage ist ein An-
spruch auf Teilzeitarbeit enthalten – betriebliche Gründe
dürfen dem nicht entgegenstehen –, wenn jemand ein
Kind von unter zwölf Jahren zu erziehen hat, wenn je-
mand einen pflegebedürftigen Familienangehörigen be-
treuen muss oder wenn jemand gesundheitlich gehandi-
capt ist und deshalb nicht so lange arbeiten kann.

Der Unterschied zwischen Ihrer und unserer Position
ist nur folgender: Sie wollen einen Anspruch auf Teilzeit-
arbeit, egal aus welchem Grund, während wir diesen An-
spruch mit Gründen wie Familie, Pflege oder Erwerbs-
minderung versehen haben. Ich bitte, das einmal zur
Kenntnis zu nehmen. Können Sie mir bestätigen, dass es
im Deutschen Bundestag eine entsprechende Vorlage ge-
geben hat, die Ihre Kollegen abgelehnt haben?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Walter Riester, Bundesminister für Arbeit und So-
zialordnung: Herr Laumann, zunächst einmal bestätige
ich Ihnen, dass Sie zu dem Zeitpunkt, als diese Teilzeit-
initiative der Regierungskoalition vorlag, eine Vorlage
eingebracht haben, die einen eingeschränkten Anspruch
enthielt. Zwar bin ich mir nicht sicher, aber ich nehme an,
dass die Vertreter der jetzigen Regierungskoalition in den
Zeiten, als sie noch in der Opposition waren, einem sol-
chen Antrag von Ihnen – Sie stellten damals die Regie-
rungskoalition – zugestimmt hätten; allerdings haben Sie
ihn damals nicht eingebracht. Wenn Sie eine solche Vor-
lage nur dann einbringen, wenn eine Teilzeitoffensive be-
reits auf dem Weg ist, dann ist klar, dass Sie eine Ein-
schränkung wollen. Deswegen konnten wir Ihrer Vorlage
nicht zustimmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich komme zum Schluss. Wir legen einen Einzelplan
mit einem Volumen von 170 Milliarden DM vor. Mit die-
sem Geld werden wir die Politik des Aufbaus von Be-
schäftigung bzw. des Abbaus von Arbeitslosigkeit, eine
innovative Rentenpolitik und eine innenpolitische
Erneuerung in diesem Land vorantreiben. Deswegen ist
dieser Einzelplan nicht nur vom Volumen her der größte,




Bundesminister Walter Riester

13359


(C)



(D)



(A)



(B)


sondern auch von der Innovation und vom ganzen politi-
schen Ansatz her. Ich bitte Sie sehr, diesem Einzelplan zu-
zustimmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413704700
Ich gebe für
die CDU/CSU-Fraktion dem Kollegen Hans-Joachim
Fuchtel das Wort.


Hans-Joachim Fuchtel (CDU):
Rede ID: ID1413704800
Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister,
Ihre Aussagen können wir so nicht stehen lassen. Ich ver-
wahre mich für die CDU/CSU energisch gegen die Be-
hauptung, dass unter der früheren Regierung nichts für die
Langzeitarbeitslosen getan worden sei.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Das können Sie auch für die F.D.P. sagen!)


750Millionen DM wurden jedes Jahr eingesetzt. Und was
machen Sie? – Sie nehmen das aus dem Haushalt heraus
und schieben es zur Bundesanstalt für Arbeit und dort
wird die Förderung Stück für Stück abgebaut!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zurufe von der CDU/CSU und der F.D.P.: Verschiebebahnhof! – Dirk Niebel [F.D.P.]: Das nennt er dann noch Sparen in seinem Haushalt!)


Das ist der Unterschied zwischen unserer Regierungszeit
und Ihrer Regierungszeit.

Ich kann ein Beispiel anfügen. Die Kollegen durften
Sie hier nicht zu dem Hin-und-her-Jonglieren zwischen
Ökosteuer und Bundeszuschuss für die Rente fragen. Auf
eine Anfrage der PDS hin haben Sie die Hosen herunter-
lassen müssen.


(Zurufe von der SPD: Was? – Susanne Kastner [SPD]: Herr Fuchtel, so etwas tun wir nicht!)


Sie haben in der Antwort zugegeben, dass Sie der Ren-
tenversicherung zunächst einmal 4,6Milliarden DM ent-
ziehen, um das dann durch die Ökosteuer auszugleichen.
Das werfen wir Ihnen vor: dass Sie erst Geld in den Haus-
halt verschoben haben und dann neues geholt haben, um
die Rentenversicherung zu finanzieren. Solche Taschen-
spielertricks, Herr Minister, können wir nicht durchgehen
lassen. Sie müssen schon offen legen, wie die Transfer-
ströme verlaufen sind.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn man das mit dem Einheitsprozess Anfang der

90er-Jahre vergleicht, haben Sie jetzt ganz bescheidene
Hausaufgaben zu machen, Herr Minister.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das Wichtigste wäre, dass er erst einmal die Verpflichtungen anerkennt!)


Die Steuereinnahmen sind besser, die Konjunktur ist we-
sentlich besser, ob er etwas dafür kann oder nicht. Es herr-
schen einfachere Rahmenbedingungen, und die Aufga-
ben, die erfüllt werden müssen, sind einfacher. Trotzdem

bringen Sie es nicht fertig, dass die Beschäftigung so stark
steigt wie sonst in Europa.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Lachen bei der SPD)


Es ist doch ein Armutszeugnis dieser Regierung, dass sie
bei der Wahl große Erwartungen geweckt hat und wir jetzt
bei der Zunahme der Beschäftigung im hinteren Drittel
herumdümpeln. Da kann ich nur sagen: Das hätte die Re-
gierung Kohl besser gemacht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


1998 hatten wir einen Zuwachs von 400 000. Das wäre so
weitergegangen. Durch Lafontaine haben wir dann den
totalen Abbruch dieser Entwicklung erlebt. Das ist die
Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: 1,5 Billionen DM Schulden!)


Herr Minister, Ihnen müssten eigentlich die Augen auf-
gehen, wenn Sie diese Turbulenzen in der Rentenpolitik
sehen. Sie kommen mir wie ein Leichtmatrose vor, der
ständig ängstlich nach dem Wetter schaut, und nicht wie
ein Kapitän, der auf der Brücke steht und das Steuer in der
Hand hat. So geht es auch weiten Teilen der Bevölkerung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie haben ja nicht einmal einen Küchenführerschein!)


Die frühere Regierung wusste eben besser mit Renten-
fragen umzugehen. Das muss man Ihnen sagen. Sie neh-
men den Mund sehr voll. 1987 gab es viele Gutachten, die
einen Anstieg des Rentenbeitrags bis 2030 auf mindes-
tens 36,6 Prozent prognostiziert haben. Dann machte
Blüm die Rentenreform, die sich sehen lassen konnte.
Man erwartete danach für das Jahr 2030 noch 26 Prozent.
Die Reform 1996/97 ließ dann 23,6 Prozent im Jahr 2030
erwarten. Die rot-grünen Pläne landen im Jahr 2030 bei
21,8 Prozent. Blüm brachte eine Reduzierung um 13 Pro-
zent fertig. Sie kämpfen seit zwei Jahren darum, ob Sie
überhaupt zu 2 Prozent fähig sind. Das ist der Unterschied
in der Qualität.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit Ihrem Personal und mit Ihrer miserablen Qualität

hätten Sie die deutsche Einheit niemals geschafft. Jetzt
stehen Sie auf, machen ein großes Theater und werfen uns
die schwierigen Probleme, die damals zu bewältigen wa-
ren, vor. Ich denke, das merken alle Leute. Sie sollten den
Mund nicht so voll nehmen.

Das Gleiche gilt übrigens für die Arbeitsmarktpoli-
tik. Sie mussten im letzten Augenblick Ihre Prognosen für
den Haushalt nochmals herunterrechnen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!)

Sie wollten 320 000 Beschäftigte mehr erreichen. 270 000
mussten Sie dann in der letzten Runde der Haushaltsbera-
tungen annehmen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist weniger als die Demographie!)





Bundesminister Walter Riester
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(C)



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(A)



(B)


So ist es gewesen. Das müssen Sie hier auch einmal sa-
gen. Wenn die Zahlen steigen, sind wir sehr zufrieden.
Aber wir haben große Sorge, ob Sie das bewirken können.
Wenn es dazu kommt, dann wahrscheinlich deswegen,
weil andere im internationalen Bereich die konjunkturelle
Lage verbessern, aber nicht, weil Sie gute Gesetze ma-
chen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Sie haben nichts bewegt.
Auf das Thema der 630-Mark-Jobs muss man heute

noch einmal eingehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wohl wahr!)


Still und heimlich wurde nämlich die Statistik geändert.
„Hokuspokus Riesterbus“ wurden aus 630-Mark-Be-
schäftigten auf einmal Erwerbstätige. Die Aktion fand in
der Nacht zum 1. Mai 2000 statt. Seitdem – man höre und
staune – haben wir 0,4 Prozent weniger Arbeitslose; das
sind immerhin 100 000 Arbeitslose weniger in der Statis-
tik. Sie haben das dem deutschen Volk niemals gesagt,
sondern das klammheimlich in Ihre Statistik übernom-
men.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ähnliches gilt für das Thema zweiter Arbeitsmarkt.

Vor der Bundestagswahl haben Sie uns immer vorgehal-
ten, dass wir diesen nach oben gefahren hätten. Aber Sie
haben dieses Niveau beibehalten. Bei Rot-Grün ist eben
gut, was bei Schwarz-Gelb schlecht war. Das haben wir
jetzt gelernt. Aber das können wir nicht so stehen lassen.

Der Grüne Schlauch hat kürzlich den Kopf etwas aus
dem Sand gesteckt und mehr Flexibilität bei den Löhnen
gefordert.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Aber wir haben das Gesetz schon längst eingebracht!)


Wer glaubt, dass dies Zufall war, ist ein politisches
Milchmädchen. Herr Riester, da geht einiges an Ihnen
vorbei. Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsfor-
schung in Mannheim hat bereits am 28. Februar 2000 den
Endbericht seines Gutachtens beim Finanzministerium
abgeliefert. In diesem Bericht steht, was Schlauch jetzt
fordert. Dem Bundesfinanzministerium – so kann man in
der Expertise lesen – sind die Programme des Arbeitsmi-
nisters zu teuer und zu ineffektiv. Deswegen wurde – nicht
von Ihrem Haus; Sie lässt man da schon einmal wie einen
Pappkameraden liegen –


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

vom Finanzminister und seinem Staatssekretär Overhaus
eine Untersuchung über die Frage in Auftrag gegeben, ob
man den ersten Arbeitsmarkt nicht stärker nutzen könnte,
um endlich aus dieser Baisse bei der Arbeitslosigkeit her-
auszukommen.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Das Ergebnis ist: Erstens löst der zweite Arbeitsmarkt
nicht die Probleme, zweitens muss der erste Arbeitsmarkt
flexibler gestaltet werden und drittens steht der Wert der
Programme nicht im Verhältnis zum Aufwand.

Genauso, wie Sie Angst haben, in diesem Rentengesetz
das Problem der Rentenbesteuerung anzugehen, haben
Sie Angst vor diesen Erkenntnissen der Arbeitsmarktpoli-
tik, die aus einem vom Bundesfinanzministerium in Auf-
trag gegebenen großen Gutachten gewonnen wurden, und
verweigern sich ihnen.

Ich habe immer das Gefühl, dieser Minister verhält
sich wie ein Mann, der in einem Zug sitzt und merkt, dass
er in die falsche Richtung fährt. Er stöhnt: Ich fahre in die
falsche Richtung! – Da sagt sein Gegenüber: Warum zie-
hen Sie nicht die Notbremse? – Darauf sagt er: Weil es
hier so schön warm ist.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und F.D.P.)

Das ist mit Sicherheit die falsche Verhaltensweise, wenn
man für die Zukunft das Richtige tun will.

Wir hinken in Deutschland mit einer Arbeitslosigkeit
von mehr als 8 Prozent hinter unseren europäischen Nach-
barstaaten her. Das ist das Problem, das Sie nicht sehen.
Sie dürfen nicht nur nach Deutschland schauen. Wir ver-
langen, dass wir uns im europäischen Vergleich sehen las-
sen können. Das hat diese Regierung trotz aller Ankündi-
gungen nicht geschafft.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie könnten jetzt die Beiträge zur Arbeitslosenversi-

cherung senken, aber Sie tun es nicht. Stattdessen schönen
Sie die Zahlen im Bundeshaushalt


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Und die Statistik!)

zulasten der Beitragszahler. Die Arbeitgeber haben be-
kanntlich die Beitragssenkung verlangt, ebenso die Ge-
werkschaften. Die Union ist bereit. Mit der Union würde
das Bündnis für Arbeit funktionieren. Bei Ihnen sind nur
Ruinen sichtbar!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Geradezu makaber ist, mit welcher Kaltschnäuzigkeit
Sie die Sozialversicherungen belasten. Ganz besonders
übel muss man Ihnen die Übertragung der Mittel für die
Strukturanpassung Ost auf die Bundesanstalt für Arbeit
nehmen. Das ist ein Schlag ins Gesicht jedes Arbeitslosen
in Ostdeutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Man geht selbstverständlich davon aus, dass durch

diese Übertragung die Ausgaben reduziert werden. Von
wegen Chefsache: Nicht einmal mehr Bundessache, son-
dern Sache der Bundesanstalt für Arbeit ist das nun! Dort
wird man das Programm austrocknen. Das ist das erklärte
Ziel. Wenn Sie ein Arbeitsminister wären, der für Ost-
deutschland das Notwendige tun wollte, dann würden Sie
jetzt die 29 Arbeitsamtsbezirke in Ostdeutschland, in de-
nen wir eine Arbeitslosigkeit von mehr als 15 Prozent ha-
ben, herausgreifen und würden ein neues Gesamtpaket
schnüren, um dort gezielt zu helfen, und würden nicht
weiter mit der Gießkanne durch das Land spazieren. Sie
sind doch nicht Gärtner, sondern Minister!




Hans-Joachim Fuchtel

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(C)



(D)



(A)



(B)



(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Die wollen das alles aus der Portokasse finanzieren!)


Innovationen können wir von diesem Minister nicht er-
warten; das ist uns klar.


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Denk an dein Herz, Fuchtel! – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Der andere scharrt schon mit den Hufen!)


Das sehen wir übrigens bei den Bestimmungen zum Al-
tersvermögen. Sie verbinden die Ökosteuer mit der
Rente.Das verträgt sich nicht. Das merkt zumindest auch
schon das Bundesfinanzministerium. Ich bin überzeugt:
Auch der Rest von Ihnen wird dies noch merken. Denn die
Kraft, von Ihrer Seite aus etwas dagegen zu tun, haben
Sie ja nicht, wie vorhin auch der Beitrag der Kollegin
Dr. Wegner gezeigt hat. Dies wird sich nicht so fortsetzen
lassen, weil sich die Ökosteuer und die Rente wie der
Teufel und das Weihwasser vertragen. Deswegen wird es
mit diesem Spielchen ein Ende haben und wird es wieder
zu einer vernünftigen Finanzierung kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf von der SPD: Lassen Sie den Teufel aus dem Spiel! Wir haben mit dem Fuchtel genug!)


Ich frage Sie – jetzt kommt ein Angebot von unserer
Seite –:


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Jetzt kommt etwas Sachliches!)


Warum schaffen wir es nicht, betriebliche Vermögensbil-
dung und Rente zusammenzuführen? Das wäre zielorien-
tiert und würde in Zukunft etwas bringen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Hieran müssen wir arbeiten. Denn dadurch kann ein
großer sozialpolitischer, aber auch wirtschaftspolitischer
und letztlich gesellschaftspolitischer Fortschritt erreicht
werden. Im Sinne einer Vision für die nächsten Jahre im
Rentenbereich verlangen wir, dass eine solche Konzep-
tion in ein zukünftiges Gesetz aufgenommen wird. Unsere
Wirtschaft hat einen riesigen Innovationsschub hinter
sich. Ich frage mich, wo in der Politik Innovationen und
neues Denken bleiben. Bei dieser Gesetzgebung ist das si-
cher nicht der Fall.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die AGP – das ist der Zusammenschluss der Firmen in

Deutschland, die sich der Vermögensbildung angenom-
men haben – mit ihrem Präsidenten Gerhard Schuler hat
Vorschläge gemacht, die aufgegriffen werden müssen.
Wir fordern, dass das so genannte Win-Win-Modell ge-
prüft wird. Dieses verbindet den sozialen mit dem wirt-
schaftlichen Fortschritt. Diese Schnittstelle muss erkannt
werden. Als Partei Ludwig Erhards werden wir nicht eher
Ruhe geben, bis dies erreicht worden ist und dies Inhalt
einer Zukunftsgesetzgebung für die Rente wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Als Haushälter noch ein paar Worte zum Abschluss:

(Dirk Niebel [F.D.P.]: Ich finde, Sie können ruhig noch ein wenig weitermachen!)

Liebe Frau Dr. Wegner, Sie haben uns immer vorgewor-
fen, wir würden mit Modellprojekten Wahlkampf ma-
chen.


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Jetzt kommt wieder dieser alte Käse!)


Wir hatten dafür einmal in einem Haushalt 100 Millio-
nen DM vorgesehen. Was Sie jetzt aber machen, das ist
echter Wahlkampf. Im Jahre 2002 planen Sie – man höre
und staune – 152 Millionen DM Spielgeld für die Koali-
tion ein, um durch das Land zu ziehen und so genannte in-
novative Projekte zu fördern.


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Aber nicht zusätzliche wie bei euch!)


Wir müssen dies kritisch ansprechen, nachdem in der Ver-
gangenheit immer so getan wurde, als seien Sie auf die-
sem Gebiet ganz brav und solide und als würden nur wir
Schlimmes tun.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Aber, Herr Fuchtel, das wird denen nicht reichen! Das ist immer noch zu wenig bei dem Murks, den die machen!)


Meine Damen und Herren, zum Abschluss komme ich
zur Solidität dieses Haushalts. Im Bereich der Arbeitslo-
senhilfe kam es im letzten Jahr zu einer Unterfinanzierung
von 4 Milliarden DM. Trotzdem haben Sie nur ganze
100 Millionen DM mehr in den Haushalt hineingeschrie-
ben. Es ist doch schon vorgegeben, dass wir überplan-
mäßige Ausgaben haben werden.

Herr Minister, es ist schon eine große Unverschämt-
heit, dass Sie mit der nächsten Stufe der Ökosteuer den so-
zial Schwächsten auch noch das Weihnachtsfest versauen.
Ich verstehe schon, warum die Gewerkschaften von Ihnen
immer mehr Abstand nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413704900
Für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht die Kollegin
Ekin Deligöz.


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413705000
Herr
Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Opposi-
tion in diesem Haus ist in keiner beneidenswerten Lage.
Noch vor einem Jahr standen wir hier heftig unter Be-
schuss. Vor einem Jahr haben Sie die düstersten Voraus-
sagen getroffen, die Sie überhaupt machen konnten.
Heute machen Sie einfach damit weiter. Wir dagegen kön-
nen bestätigen, dass wir unsere Hausaufgaben gut erledigt
haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben nicht nur den Staatsbankrott abgewendet
und die Steuern gesenkt, wir haben nicht nur den Mittel-
stand und die Familien entlastet, sondern wir haben auch




Hans-Joachim Fuchtel
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(C)



(D)



(A)



(B)


Zeichen gesetzt und uns neue Ziele gesteckt: Dieses Land
setzt inzwischen auf ökologisch verträgliches Wachstum.

Herr Fuchtel, Sie haben so schön über Ostdeutschland
gesprochen


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Bekennen Sie sich doch einmal zur deutschen Einheit! Das wäre doch schön!)


und ich möchte aus dem heutigen „Handelsblatt“ zitieren:
Die Wirtschaft in den neuen Ländern legt wieder
stärker zu. Der Beschäftigungsabbau ist gestoppt.
Das Niveau des Wirtschaftswachstums im Osten
wird noch im kommenden Jahr das Niveau der alten
Länder erreichen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dirk Niebel [F.D.P.]: Das ist eine Anzeige der Bundesregierung! Das ist kein redaktioneller Beitrag! – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Seit wann glauben Sie dem „Handelsblatt“?)


– Sie glauben nicht, Herr Laumann, dass ich das „Han-
delsblatt“ lese. Ich informiere mich im Gegensatz zu Ih-
nen.

Diese Koalition stellt sich den Herausforderungen von
morgen und vergisst dabei nicht die Notwendigkeiten von
heute. Mit JUMP haben wir ein erfolgreiches Programm
aufgelegt. Wir haben über 200 000 Jugendliche in
Maßnahmen und in beruflicher Weiterbildung unterge-
bracht. Wir haben JUMP für dieses Jahr dauerhaft gesi-
chert und fest verankert. Damit werden wir aber nicht
aufhören, wir werden weitermachen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: So ein Pech!)


Wir haben bereits mehr als 50 neue Berufsbilder
geschaffen. Wir haben das Berufsausbildungssystem
reformiert und bleiben auch damit nicht stehen. In den
kommenden Monaten wird ein Entwurf zur Aufstiegs-
fortbildung vorgelegt werden. Dabei handelt es sich
im Gegensatz zu dem, was Sie als Meister-BAföG vorge-
legt haben – das war ein absoluter Flop und kam über-
haupt nicht an –, um einen guten Entwurf. Wir machen das
um einiges besser, als Sie es je angedacht haben.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Wir bereiten aber nicht nur die Jugend auf die Arbeits-
welt von morgen vor, sondern wir sagen ganz bewusst: Es
gibt zwar keine Patentlösungen, aber es gibt gute Lö-
sungsansätze.

Sie, Herr Laumann, sprachen vorhin die internationa-
len Vorbilder an. Wir orientieren uns nicht nur an den Vor-
bildern, Entwicklungen und Erfahrungen aus dem Aus-
land, sondern wir prüfen sie auch. Wenn sie sinnvoll
erscheinen, versuchen wir, sie umzusetzen. Wir ignorie-
ren diese Vorbilder nicht, das hat doch wohl eher Ihre Re-
gierung gemacht.

Wir wollen einen dialogorientierten Ansatz. Zum Dia-
log gehört auch, dass wir alle Verbände, wie zum Beispiel

die Gewerkschaften, die Sozialverbände, aber auch die
Unternehmen und viele andere, in die Gespräche einbe-
ziehen. Einer fehlt allerdings noch – da muss ich Ihnen
Recht geben –: Das ist die jetzige Opposition. Sie sind
überhaupt nicht in der Lage, einen Dialog zu führen, ge-
schweige denn in diesem Bereich mitzuarbeiten.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sie sollen regieren und wir machen den Dialog!)


Wir haben trotz des Sparzwangs Milliarden zugunsten
von Familien mit Kindern umverteilt. Wir haben die
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts übererfüllt. Wir
haben höhere Kinderfreibeträge und ein höheres Kinder-
geld durchgesetzt. Das gilt auch für das Kindergeld in der
Sozialhilfe. Wir sparen, aber wir sparen, um zu gestalten.
Wir verteilen um und lassen nichts im luftleeren Raum
stehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Vielleicht haben Sie ja aufmerksam zugehört. Unsere
Haushälter haben am Dienstag angekündigt, dass weitere
5 Milliarden DM zur Entlastung von Familien mit Kin-
dern vorgesehen sind. Im nächsten Frühjahr werden wir
zum ersten Mal einen Armuts- und Reichtumsbericht vor-
legen. Wir möchten Fakten und Sachzusammenhänge
auswerten,


(Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Wir wollen Taten!)


um daraus Taten abzuleiten, was Sie bisher versäumt ha-
ben. Sie, Herr Singhammer, haben Recht mit Ihrem Zwi-
schenruf.

Wichtig ist uns ein aktives soziales Sicherungssystem,
das auf Selbsthilfe Wert legt und die Menschen nicht für
unmündig erklären will.

Zum Schluss möchte ich noch etwas zu Ihnen, Herr
Fuchtel, sagen. Sie sprachen von dem Kapitän und dem
Wetter. Wenn Sie Ahnung vom Segeln hätten, dann wüss-
ten Sie, wie wichtig das Wetter für den Kapitän ist und wie
man überhaupt vorgehen muss.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Dann kann er ja jetzt schon einpacken! Dann kommt er nicht mehr trocken nach Hause!)


Ich wäre an Ihrer Stelle vorsichtig, bevor ich solche Be-
hauptungen aufstellte.

Diese Regierung ist aktiv. Sie hat Erfolge, die sie vor-
zeigen kann. Sie baut nicht nur die Arbeitslosigkeit ab,
sondern macht eine aktive Politik gegen verdeckte und
sichtbare Armut in diesem Land. Diese Regierung lässt
sich an Taten messen und nicht nur an schlauen Sätzen
wie Sie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Rente für Arbeitslose!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413705100
Ich gebe
dem Kollegen Dr. Heinrich Kolb für die Fraktion der
F.D.P. das Wort.




Ekin Deligöz

13363


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1413705200
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich
mich zunächst an den Bundesarbeitsminister wende. Herr
Riester, Sie haben einiges zu dem gesagt, was Sie von uns
als Erbschaft übernommen hätten.


(Zurufe von der SPD: Haben!)

Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Sie heute nur des-

wegen große Reden schwingen können, weil Sie zum Bei-
spiel 100 Milliarden DM aus dem Erlös der UMTS-Li-
zenzen von uns geerbt haben. Sie sind Ihnen in den Schoß
gefallen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Ich weiß sehr wohl und will Sie daran erinnern, dass die
Privatisierung im Telekommunikationsbereich und die
Einführung von Wettbewerb gegen den erbitterten Wider-
stand der SPD durchgesetzt wurde. Es ist heuchlerisch,
was Sie hier machen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Herr Riester, Ihre Erfolge beim Aufbau von Beschäfti-
gung sind nicht ohne die Tatsache zu erklären, dass wir
den Neuen Markt geschaffen und damit den Kapitalmarkt
gerade für kleine innovative Unternehmen geöffnet ha-
ben, die sich als besonders beschäftigungsfördernd erwie-
sen haben. Also: Eine Erbschaft besteht aus Soll und Ha-
ben. Betreiben Sie keine Rosinenpickerei. Bitte nehmen
Sie die Erbschaft insgesamt an oder gar nicht.


(Beifall bei der F.D.P.)

Im Übrigen besteht zur Selbstzufriedenheit, Herr

Riester, kein Anlass. Ich habe mir in Vorbereitung auf
diese Rede einmal das Sachverständigengutachten sehr
intensiv angesehen. Es wird üblicherweise nur von
Wirtschaftspolitikern gelesen. Das ist schade, weil gerade
zur Sozialpolitik sehr viel gesagt wird. Es ist richtig: Die
Bundesrepublik Deutschland hat das drittschwächste
Wachstum in der Europäischen Union. Nur noch in Italien
und Dänemark ist das Wachstum geringer. Es ist richtig:
Wachstum findet mittlerweile fast ausschließlich in den
alten Bundesländern statt. Die neuen Bundesländer sind
ausgeblendet. Das sind Dinge, die Sie zur Kenntnis neh-
men müssen.

Sie sind stolz darauf, dass Sie für mehr Beschäftigung
gesorgt haben. Wir freuen uns mit Ihnen, Herr Riester.


(Peter Dreßen [SPD]: Sehr gut!)

Das sage ich auch an Ihre Adresse. Aber nehmen Sie bitte
zur Kenntnis: Der Arbeitsmarkt ist keine Einbahnstraße.
Auch wir hatten während unserer Regierungszeit Phasen,
in denen wir binnen kürzester Zeit einen Beschäftigungs-
zuwachs von 3 Millionen erreicht haben. Aber die Frage
ist doch, was bei einer rückläufigen Konjunktur sein wird.
Meine Sorge und die meiner Fraktion ist, dass hinterher
eine wesentlich höhere Sockelarbeitslosigkeit zurück-
bleibt, weil Sie Ihre Hausaufgaben nicht machen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Schauen wir einmal, was die Sachverständigen schrei-
ben. Sie schreiben erstens: Die Arbeitslosigkeit ist immer
noch viel zu hoch. – Das ist richtig. Wir haben im Jahres-
durchschnitt 2000 immer noch 3,9 Millionen Arbeitslose.
Das ist unerträglich. Sie schreiben zweitens: Ein günsti-
ger Konjunkturverlauf ist nicht mit einer Wachstumsdy-
namik aus eigener Kraft gleichzusetzen. – Auch das ist
richtig. Sie schreiben drittens: Ganz oben auf der Liste des
dringenden Handlungsbedarfs stehen zukunftsweisende
Reformen der Arbeitsmarktordnung und des Gesund-
heitswesens. Ich zitiere: „Hier bewegt sich wenig.“ – Das
ist die Zensur, die Sie vom Sachverständigenrat bekom-
men haben, Herr Riester!


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Schauen wir uns die Rahmenbedingungen am Ar-
beitsmarkt an. Diese sind von entscheidender Bedeu-
tung. Ich frage mich manchmal, ob Sie die richtige Grund-
auffassung haben. Arbeitsplätze können auf Dauer im
ersten Arbeitsmarkt nur in Unternehmen und von Unter-
nehmern geschaffen werden. Sie werden dann geschaffen,
wenn die Rahmenbedingungen nicht zu restriktiv sind
und wenn es sich vor allen Dingen nach Abzug von Steu-
ern lohnt.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was haben Sie gemacht? Ich kann Ihnen nicht erspa-
ren, einen Blick zurückzuwerfen. Heute ist die Gelegen-
heit zu einer Halbzeitbilanz. Sie haben die 630-Mark-
Regelung verändert. Sie haben dem Mittelstand damit
seine Flexibilitätsreserve geraubt. Sie haben massive Pro-
bleme in der Betriebsorganisation, gerade bei kleinen Un-
ternehmen, geschaffen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Verrückteste ist: Sie sind stolz darauf, dass Sie da-
mit die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäf-
tigten erhöht haben. Aber Sie haben nur abgezockt, Herr
Minister. Was Sie nicht geschafft haben, ist eine Lösung
des Problems, das Sie jahrelang wie eine Monstranz
hochgehalten haben, nämlich die Verbesserung hinsicht-
lich der Rentenversicherungsverläufe, insbesondere bei
Frauen. Ein marginaler Prozentsatz derjenigen, die heute
eine geringfügige Beschäftigung haben, macht von Ihrem
Angebot bei der Rente Gebrauch. Das zeigt: Sie haben am
Interesse der Menschen vorbei gehandelt.


(Beifall bei der F.D.P.)

Thema Scheinselbstständigkeit. Sie wollten die

Flucht aus der Sozialversicherung stoppen. Aber anstatt
zu fragen, warum die Menschen aus der Sozialversiche-
rung fliehen, haben Sie versucht, die Ausgänge zu verna-
geln. Dabei haben Sie aber übersehen: Was Sie Schein-
selbstständigkeit nannten, Herr Riester, nämlich die
Tätigkeit, die gekennzeichnet ist durch anfangs nur einen
Arbeitgeber, ist ein wichtiger Zwischenschritt auf dem
Weg in die Selbstständigkeit. Deswegen sind die Zahlen
zur Existenzgründungstätigkeit in Deutschland, seit Sie
an der Regierung sind, vernichtend.


(Beifall bei der F.D.P.)







(C)



(D)



(A)



(B)


Sie haben die Gründungsdynamik der 90er-Jahre platt ge-
macht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, ich könnte noch lange fortfahren,
zur Teilzeitarbeit und zu dem, was Sie als eine Reform des
Betriebsverfassungsgesetzes hier auf den Weg zu bringen
gedenken. Ihr Handeln geht an den Notwendigkeiten des
Arbeitsmarktes vorbei. Der Sachverständigenrat hat es
Ihnen bescheinigt. Denken Sie um – noch ist Zeit –, an-
derenfalls werden Sie eines Tages ein böses Erwachen er-
leben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413705300
Für die
SPD-Fraktion spricht der Kollege Ewald Schurer.


Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1413705400
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Wir sind ein ökonomisch,
ein wirtschaftlich reiches Land, im Export Europameister,
sogar Vizeweltmeister. In weltweiten Vergleichen der
Produktivitätsraten sind wir anhaltend an der Spitze. Wir
werden international gelobt für ein duales System in der
beruflichen Bildung.

Aber ich darf hier feststellen: In einer 16-jährigen
„Dürreperiode“ kam es in diesem Land zu einer anhalten-
den politischen Desorientierung, auch im Bereich des
Ausbildungs- und Arbeitsmarktes. Langsam, aber si-
cher zogen sich damals auch große Konzerne zunehmend
aus der beruflichen Ausbildung zurück. Das seien Kosten,
hörte man Anfang der 90er-Jahre, die keiner mehr tragen
möchte.

Da entwickelte sich ein Zeitgeist, der sich in wirt-
schaftsliberalen Befreiungschorälen den Weg in eine
Shareholder-Value-Kultur bahnte, aber einfach nicht
erkennen wollte, dass für diese Volkswirtschaft Bil-
dung und Ausbildung die gesellschaftliche Investition
schlechthin bedeuten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Liberalen forderten damals in Fortsetzung ihrer ge-
sellschaftlichen Fehlanalysen sogar die vollständige Ein-
stellung öffentlicher Programme, trotz ökonomisch nach-
haltiger Verwerfungen in dieser Republik im Zuge der
Wiedervereinigung.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Was erzählt der da für einen Schwachsinn?)


Im wieder vereinten Deutschland brachen in den neuen
Bundesländern die industriellen Strukturen teilweise fast
vollkommen zusammen. Die angekündigten „blühenden
Landschaften“ verkehrten sich damals, zumindest am Ar-
beits- und Ausbildungsmarkt, ins krasse Gegenteil.

1998 neigte sich dieser reale Albtraum dann endlich
dem Ende zu.


(Lachen der Abg. Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.])


Nach den Bundestagswahlen wurde im Oktober 1998 ein
neues Koalitionsprogramm vorgestellt. Darin war als ei-
ner der wesentlichen Eckpfeiler das Sofortprogramm der
neuen rot-grünen Bundesregierung zur Bekämpfung der
Jugendarbeitslosigkeit enthalten. Die Chancen junger
Menschen, sich über Bildung und Beruf gesellschaftlich
zu integrieren und sich mit der Gesellschaft zu identifi-
zieren, sollten nicht mehr länger dem Zufall überlassen
werden. Nein, sie sollten gezielt verbessert und ausgebaut
werden. Im neuen Programm wurden von der Arbeits-
verwaltung aus dem SGB III bereits bewährte und
neue Maßnahmen konzentriert, damit zunächst einmal
100 000 junge Menschen unter 25 Jahren Ausbildung und
Beschäftigung bekamen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Doch noch einmal, meine verehrten Damen und Her-
ren, meldeten sich die Geister, zwar nicht aus dem Jenseits
– so weit sind sie noch nicht –, aber aus dem Abseits. „So-
fort abschaffen“, hieß es damals aus den Reihen der Union
von vermeintlichen Sozialexperten der CSU,


(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: „Vermeintlich“? Das ist falsch!)


noch bevor das Programm richtig loslegte. „Sie operieren
mit falschen Zahlen“, wollte die liberale „Sozialabsänge-
rin“ schon in der Startphase des JUMP-Programms da-
mals wissen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Von einem Diplombetriebswirt könnte man mehr Substanz verlangen!)


Tatsache ist: Allein im Jahre 1999 wurden rund 176 000
Einzelpersonen durch das JUMP-Programm persönlich
gefördert.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bis Oktober dieses Jahres verzeichnete das Programm
rund 75 000 weitere Eintritte. Weil circa 7 000 Jugendli-
che in beiden Jahren in Maßnahmen des Programms ein-
traten, kann wie folgt bilanziert werden: Von Anfang 1999
bis zum Herbst 2000 sind insgesamt rund 243 000 junge
Menschen unter 25 Jahren in dieses Programm eingetre-
ten und wurden in ungefähr 279 000 Fördermaßnahmen
weitergebildet, qualifiziert und gefördert.

Zum 1. Januar 2000 wurde das Programm schwer-
punktmäßig auf die Eingliederung Jugendlicher in den
ersten Arbeitsmarkt hin ausgerichtet. So ergibt sich für
das laufende Jahr folgende Situation: Gut 28 000 Einglie-
derungen in den ersten Arbeitsmarkt konnten mit Lohn-
kostenzuschüssen vorgenommen werden. Mehr als
17 000 Jugendliche sind in Qualifizierungs- und Arbeits-
beschaffungsmaßnahmen eingetreten. Fast 14 000 Ju-
gendliche wurden in Trainingsmaßnahmen nach Art. 7
integriert, um in einem systematischen Findungsprozess
die beruflichen Neigungen und Fähigkeiten junger Men-
schen ganz gezielt herauszuarbeiten. Damit müssen Sie
sich, liebe Oppositionskollegen, auch einmal fachlich be-
fassen. Erst dann können Sie sich ein Urteil erlauben.




Dr. Heinrich L. Kolb

13365


(C)



(D)



(A)



(B)



(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das ist schon unverschämt!)


Fast 14 000 junge Menschen wurden in diesem Jahr mit
„hinführenden Maßnahmen“ über soziale Betreuung ge-
rade auch durch Streetworker, also durch eine individuelle
Sozialarbeit, erreicht. Circa 10 000 Nach- und Zusatz-
qualifizierungen wurden und werden in diesem Jahr als
Vollmaßnahmen nach Art. 7 durchgeführt. Noch nicht
ausbildungsgeeignete Jugendliche werden über Praktika
an die Berufsausbildung herangeführt. Die außerbetrieb-
liche Ausbildung ist in strukturschwachen Regionen Ost-
deutschlands nach wie vor ein ergänzendes Instrument,
auf das wir vorerst nicht verzichten können. Bleibt noch
zu ergänzen: Maßnahmen zum Nachholen des Haupt-
schulabschlusses dürfen in der Palette der Maßnahmen
des Sofortprogramms nicht fehlen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nutzt das mal!)


Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-
schung der Bundesanstalt für Arbeit hat erst kürzlich fest-
gestellt: Das Programm hilft ausbildungs- und ar-
beitslosen Jugendlichen gezielt. Die Begleitforschung
belegt: 27 Prozent der teilnehmenden Jugendlichen kom-
men aus Familien mit niedriger sozialer Stellung. Fast
15 Prozent der Teilnehmer haben keinen Schulabschluss,
was eine wichtige Voraussetzung wäre, um beruflich ge-
bildet werden zu können. 77 Prozent der Teilnehmer des
Sofortprogramms waren zuvor arbeitslos, davon 45 Pro-
zent einmal und 32 Prozent mindestens zweimal. Das
zeigt: Das Programm erreicht exakt die Richtigen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Junge Menschen werden mit dem Sofortprogramm
JUMP gezielt angesprochen, geworben, motiviert und zu
einem guten Teil neu ausgebildet und beschäftigt. Dass in
Ostdeutschland trotz dieses Programms die Jugendar-
beitslosigkeit in diesem Jahr ein Stück weit gestiegen ist,
spiegelt leider die geographisch gespaltene Konjunktur
des Landes wider. Der gesamtwirtschaftliche Auf-
schwung konnte sich aufgrund tief greifender Strukturde-
fizite in einzelnen Regionen des Ostens noch nicht in aus-
reichendem Maße durchsetzen.

Während die Jugendarbeitslosigkeit im Westen im
Oktober 2000 gegenüber dem Vergleichsmonat des Vor-
jahres um 21 000 abnahm, gab es im Osten leider einen
Zuwachs von circa 15 000 jungen Menschen unter 25 Jah-
ren. Aber ohne das Sofortprogramm – das ist die Wahrheit –
wäre die Jugendarbeitslosigkeit in den neuen Ländern we-
sentlich stärker – ein Teil der Expertinnen und Experten
sagt sogar: explosionsartig – gestiegen.

Gemäß den Empfehlungen des Spitzengespräches im
Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähig-
keit vom 10. Juli 2000 wurden in das JUMP-Programm
zusätzlich Mobilitätshilfen für Jugendliche aufgenom-
men und vom Kabinett im Herbst entsprechend beschlos-
sen. Jugendliche, die mindestens drei Monate arbeitslos
sind, können durch diese Mobilitätshilfen zusätzliche Un-

terstützung erhalten, wenn ihr neuer Arbeitsplatz mindes-
tens 100 Kilometer oder wenigstens eineinhalb Stunden –
einfache Fahrzeit – vom alten Wohnort entfernt liegt.

Mit einer Verwaltungsvereinbarung – darauf hat Herr
Minister Walter Riester schon hingewiesen – wird die
Bundesregierung sicherstellen, dass die Mittel für das So-
fortprogramm im Jahr 2001 zu 50 Prozent in die neuen
Länder fließen, also schwerpunktmäßig dort eingesetzt
werden, wo es die jungen Menschen ganz besonders nötig
haben.


(Beifall bei der SPD)

Das Programm wird – das ist bedeutend – im Jahr 2001

in einem Volumen von 2 Milliarden DM fortgeführt, wo-
von – auch das ist interessant – 800 Millionen DM aus
dem Europäischen Sozialfonds refinanziert werden. Jun-
gen Menschen, die aufgrund fehlender Voraussetzungen
vom Erwerbsleben ausgeschlossen sind bzw. den Zugang
dazu nicht gefunden haben, eröffnet diese Bundesregie-
rung auch weiterhin die Chance zum Einstieg in Beruf
und Gesellschaft. Über den Beruf Lebensperspektiven zu
entwickeln bedeutet, dass junge Menschen neben dem
Fachwissen auch soziale Kompetenz erlangen. Ich betone
das deshalb, weil das Sofortprogramm damit auch ein
Projekt gegen die Versuche des Rechtsradikalismus in
diesem Land ist, Jugendliche für sich, also für die falsche
Seite, zu vereinnahmen. Das zählt auf jeden Fall doppelt.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413705500
Für die
CDU/CSU-Fraktion spricht der Kollege Johannes
Singhammer.


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1413705600
Herr Präsi-
dent! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im „Spiegel“ die-
ser Woche ist eine Einschätzung der Konzeption rot-grü-
ner Regierungspolitik aus dem Regierungslager zu lesen.
Der Urheber will sich nicht mit Namen dazu bekennen.
Darin heißt es:

Wir bauen ein Auto, ohne einen Plan zu haben. Am
Schluss haben wir das Auto, nur das Lenkrad ist nicht
in Fahrtrichtung.

Herr Bundesarbeitsminister Riester, bei Ihnen könnte
man hinzufügen: Der Motor stottert, die Luft ist raus, Sie
fahren auf den Felgen und das auch noch im Zickzack-
kurs.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Er sitzt im Kofferraum!)


Da nützt es auch nichts, wenn Ihnen der Bundeskanzler
immer wieder ins Lenkrad greift.

In der ersten Hälfte dieser Legislaturperiode haben Sie
die Nähe der Bosse gesucht. „Genosse der Bosse“ zu sein
war das Ziel, das auch Sie angestrebt haben. Mit zuneh-
mender Nähe zum Wahltermin ist eine merkwürdige Ver-
änderung festzustellen. Jetzt wollen Sie wieder gern der




Ewald Schurer
13366


(C)



(D)



(A)



(B)


Boss der Genossen sein und Sie suchen die wärmende
Nähe der Gewerkschaften.

Die Folge dieses Schlingerkurses ist es allerdings, dass
die rot-grüne Bundesregierung nicht nur bei Arbeitneh-
mern, sondern auch bei Arbeitgebern jeden Tag mehr an
Kredit verliert und dass es um Sie als Arbeitsminister von
Tag zu Tag politisch einsamer wird. Ihr politischer Über-
lebenskampf wird nicht einfacher. Auch dass Sie heute
den Verteidigungsstaatssekretär Kolbow mitgebracht ha-
ben, wird Ihnen nicht viel nützen.


(Zuruf von der SPD: Aber Ihnen auch nicht!)

Mit den von Ihrer Regierung als besonders herausra-

gend und wichtig proklamierten Projekten, nämlich der
Rentenreform und der Reform des Betriebsverfassungs-
gesetzes, kommen Sie nicht voran.

Im Jahre 1998 haben Sie angekündigt, die Renten-
reform der Regierung Kohl/Waigel, die in Kraft war,
außer Kraft zu setzen und nach kurzer Zeit ein völlig
neues Gebäude zu errichten. Das Erstere haben Sie getan,
aber was Letzteres angeht, so liegt noch immer erst ein
Entwurf vor, obwohl wir bereits über die Hälfte der Le-
gislaturperiode hinter uns haben. Und über diesen Ent-
wurf – das muss man auch einmal sagen – werden von Tag
zu Tag mehr Kübel an Kritik ausgeschüttet, wie dies in der
Rentendiskussion der vergangenen Jahre noch nie der Fall
war.

Ich möchte Ihnen nur eine kurze Kostprobe geben.
Der sächsische LVA-Direktor, Heinz Löffler, trifft die

generelle Aussage, die Rentner seien die Gewinner der
deutschen Einheit gewesen. Nun ändere sich dies, denn
die Rentner gerieten auf die Verliererseite. Der Präsident
des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirt-
schaft, Bernd Michaels, kritisiert, dieser Zickzackkurs
zerstöre das „zarte Pflänzchen an Vertrauen“. Der Präsi-
dent des Deutschen Städtetages, Hajo Hoffmann, sagt,
wenn Sozialhilfe als Grundrente missbraucht werde,
drohe ein Anstieg der Zahl der Sozialhilfeempfänger von
derzeit 180 000 auf 400 000. Und ein Zitat aus dem Be-
reich der Wirtschaft: Der Allianz-Vorstand Gerhard
Rupprecht sagt, das Defizit der Reform liege im Hand-
werklichen.

Wenn Ihnen das immer noch nicht reicht, so kann ich
auch noch einige Stimmen aus Ihrem Lager zitieren: Die
finanzpolitische Sprecherin der Grünen, Frau Scheel,
sagte, es sei naiv, zu glauben, man könne die neue Ren-
tenformel schon im nächsten Jahr anwenden, mit der pri-
vaten Absicherung aber erst ein Jahr später starten – bei-
des gehöre zusammen. – Recht hat sie! Kurz und knapp
hat die Kritik, die hier von vielen schon zitiert worden ist,
ein Plakat auf dem ÖTV-Kongress in Leipzig mit der Auf-
schrift: „Riesters Rente macht uns arm“ zusammenge-
fasst.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Kritik,
die aus allen Lagern kommt, die ideologisch nicht einzu-
ordnen ist, zeigt: Diese Bundesregierung sitzt mit ihrem
Entwurf buchstäblich zwischen allen Stühlen. Dieser
Bundesregierung fehlt der Kompass.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Den neuen Herausforderungen dieses eben begonnenen
Jahrhunderts – auch das kann man an dieser Stelle sa-
gen – wird sie in keiner Weise, weder intellektuell noch
politisch, gerecht. Was ist das Megaproblem der deut-
schen Sozialpolitik in den nächsten Jahren? Das Mega-
problem wird darin bestehen, dass sich die Sozialpolitik
auf eine völlig andere demographische Entwicklung, als
wir sie im zurückliegenden Jahrhundert verzeichnen
konnten, einstellen muss.

Die große Veränderung wird daran deutlich, dass die
Bevölkerungspyramide in den unteren Bereichen ab-
schmilzt und ausfranst. Dies hat Folgen für die Bevölke-
rungspolitik und wird nicht nur die Renten-, sondern auch
die Kranken- und die Pflegeversicherung massiv
berühren. Der eigentliche Grund dafür, warum eine Dis-
kussion über die Reform der Rente aufgekommen ist, ist,
dass die Zahl der Beitragszahler in den kommenden Jah-
ren zurückgehen, die Zahl derjenigen, denen zum Beispiel
Leistungen aus der Rentenversicherung zustehen, aber
wachsen wird. Auf dieses entscheidende Problem geben
Sie eine völlig unzureichende Antwort. Sie weichen aus
und sagen, dass Sie das Problem durch erhöhte Zuwande-
rung lösen. Aber das Problem der demographischen Ent-
wicklung werden Sie mithilfe von Zuwanderung nicht in
den Griff bekommen.


(Klaus Hagemann [SPD]: Welche Antworten haben Sie?)


Nach Modellrechnungen der Vereinten Nationen
– vielleicht glauben Sie denen, wenn Sie mir nicht glau-
ben, Herr Hagemann; passen Sie bitte genau auf! – wäre
eine jährliche Zuwanderung von sage und schreibe
3,4 Millionen Menschen nach Deutschland nötig – das
entspricht der Bevölkerungszahl von Mecklenburg-Vor-
pommern und Schleswig-Holstein –, um das zahlen-
mäßige Verhältnis der 15- bis 64-Jährigen zu den über 64-
Jährigen in der Balance zu halten. Eine Zuwanderung in
derartiger Größenordnung befürwortet in diesem Haus
Gott sei Dank niemand und würde Deutschland auch
überfordern. Deshalb – jetzt komme ich zu dem entschei-
denden Punkt – brauchen wir eine nachhaltige, vernetzte
Politik für Familien und Kinder, gerade auch im Ressort
des Arbeitsministers.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Es geht uns nicht darum, die Zahl der Deutschen zu er-
höhen, sondern es geht uns darum, dass die Familien, die
Kinder wollen, diesen Wunsch auch realisieren können,
ohne dass dadurch der soziale Abstieg vorprogrammiert
wird und sie, wenn sie selbst in Rente gehen, erhebliche
Nachteile befürchten müssen. Deshalb haben wir beim
Einstieg in die private Vorsorge so großen Wert darauf
gelegt, dass die Familien besonders gefördert und nicht
erneut benachteiligt werden. Denn nur so kann der Gene-
rationenvertrag wieder ins Gleichgewicht kommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Von einer schnellen und kräftigen Förderung für

die Familien kann aber bei Ihnen keine Rede sein. Ich
möchte nur diesen einen Punkt herausgreifen. Die hier
vorgesehene Familienkomponente kommt einem Mini-
programm gleich. So beläuft sich die Kinderkomponente




Johannes Singhammer

13367


(C)



(D)



(A)



(B)


beispielsweise im ersten Jahr – das wäre dann 2002 – auf
nur 7,50 DM pro Kind im Monat. Wie soll denn eine junge
Frau, ein junger Mann eine sichere zusätzliche Altersvor-
sorge mit diesen minimalen Beträgen aus eigener Kraft er-
reichen? Völlig unverständlich ist, dass die Bezieher ho-
her Einkommen durch Steuerersparnisse zum Beispiel
aufgrund von Abschreibungsmöglichkeiten wesentlich
günstiger gestellt werden. So erhält eine allein stehende
Verkäuferin mit einem monatlichen Durchschnittsein-
kommen eine Zulage von gerade 300 DM im Jahr und
auch dies wird erst im Jahr 2008 erreicht, während ein
allein stehender Großverdiener bei einem Grenzsteuersatz
von 50 Prozent einen Steuervorteil von 2 000 DM hat.
Wenn er verheiratet ist, hat er sogar einen Vorteil von
4 000 DM. Das ist nicht das, was Sie angekündigt haben;
das ist auch nicht sozial, sondern das ist ungerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Zuruf von der CDU/ CSU: Ja, das ist ein Hohn!)


Damit diese Ungerechtigkeit von den Menschen in
Deutschland nicht bemerkt wird, verschieben Sie aus
wahltaktischen Gründen den Einstieg in die private Al-
tersvorsorge auf das Jahr 2002. Der Trick: Die Förderung
würde zwar im Jahr 2002 einsetzen, die Bilanz aber wird
erst nach dem Wahljahr 2002 vorliegen. Dann wird sich
mit großer Wahrscheinlichkeit herausstellen, dass sich
alle Ihre Ankündigungen von einer breiten Inan-
spruchnahme dieser privaten Vorsorge eben nicht bestäti-
gen, weil es sich nämlich viele mit einem schmalen Geld-
beutel überhaupt nicht leisten können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Aufgrund der demographischen Gründe gibt es auch

nicht den geringsten Anlass, dass sich Rot-Grün am Rück-
gang der Arbeitslosenzahlen berauscht und geradezu
trunken vor Glück einen Erfolg proklamiert. Auch bei völ-
ligem Politikstillstand, wenn Sie die Hände in den Schoß
legten und nichts täten – manchmal wäre es im Übrigen
besser, Sie täten nichts statt das Falsche –, verließen Jahr
für Jahr 220 000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
mehr den Arbeitsmarkt, als Jüngere in ihn neu einträten.

Deshalb sind die Arbeitslosenzahlen dieser Regierung,
die Sie hier als Erfolg verkaufen wollen, der Lackmustest
für die Erfolglosigkeit; denn hätten Sie wirklich etwas
außerhalb der demographischen Entwicklung bewirkt,
dann müssten Sie mit den Arbeitslosenzahlen weit näher
an der 3-Millionen-Marke angekommen sein, als dies
jetzt der Fall ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Kommen wir noch zu dem zweiten großen Vorhaben,
der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Vor der
Bundestagswahl versprach dieser Bundeskanzler den Ge-
werkschaften eine weitgehende Umsetzung der damals
schon vorliegenden gewerkschaftlichen Forderungen.
Schließlich hat man diesen Bundeskanzler im Wahlkampf
ja mit 8 Millionen DM unterstützt.


(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)


Mit dem Start des Bündnisses für Arbeit war allerdings
klar, dass die Arbeitgeber es nicht hinnehmen werden,
wenn die gewerkschaftlichen Vorstellungen detailgenau
umgesetzt werden. Deshalb wird nun die Vorlage des Ent-
wurfes für ein geändertes Betriebsverfassungsgesetz stän-
dig weiter verschoben. Es werden Eckpunkte vorgelegt,
sie werden auch einmal präzisiert, aber ein echter Ent-
wurf, den dieses Hohe Haus schon längst einmal sehen
wollte, kommt nicht, weil Sie die Auseinandersetzung
scheuen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.])


Herr Bundesarbeitsminister, das ist das politische
BSE-Prinzip: aussitzen, abwarten und hoffen, dass die
Katastrophe nicht eintritt. Aber damit werden Sie nicht
sehr weit kommen. Deshalb möchte ich Sie fragen, Herr
Bundesarbeitsminister: Wie sieht denn nun Ihr Entwurf
letztendlich aus? Was haben Sie denn in den Schubladen?
Welche Auswirkungen werden Ihre Vorschläge für den
Standort Deutschland haben? Werden die Mitbestim-
mungstatbestände jetzt ausgeweitet oder nicht? Wird die
maßgebliche Zahl der Arbeitnehmer –, ab der ein Be-
triebsrat gegründet werden muss, verändert oder nicht?


(Peter Dreßen [SPD]: Ja!)

Wird mehr reguliert, wird mehr bürokratisiert oder weni-
ger? Wie sieht das Verfahren bei den Betriebsratswahlen
aus?

Und, Herr Bundesarbeitsminister: Was geschieht hin-
sichtlich dieser Fragen in Nizza?


(Franz Thönnes [SPD]: Da wird auch ein Betriebsrat gewählt!)


In Nizza soll der Bereich der Mitbestimmung in die Reihe
der durch Mehrheitsentscheid zu regelnden Bereiche
überführt werden. Das heißt in der Konsequenz: Wenn es
dabei bliebe, wenn dieser Bereich in eine Mehrheitsent-
scheidung überführt würde, würde die letzte Entschei-
dung eben nicht mehr hier im Deutschen Bundestag ge-
troffen, sondern in Brüssel. Welche Auswirkungen hat das
auf die Mitbestimmung? Welche Auswirkungen hat das
auf das Betriebsverfassungsgesetz? – Dazu brauchen wir
von Ihnen endlich einmal eine Auskunft!

Es wundert nicht, wenn die Menschen in Deutschland
mit dieser Art von Politik immer weniger zufrieden sind.
Eine Emnid-Umfrage aus der letzten Woche belegt dies.
Speziell für Ihren Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik
fällt die Beurteilung besonders schlecht aus. Nur ein Drit-
tel der Bürger bejaht die Frage, ob die sozial Schwachen
von der Politik der Bundesregierung profitiert haben. Die
Mehrheit sieht in Ihrer Politik also das Gegenteil von
dem, was Sie versprochen haben.

Herr Bundesarbeitsminister, es wird kälter in Deutsch-
land. Sie tragen die Verantwortung dafür.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413705700
Ich gebe nun
der Kollegin Katrin Göring-Eckardt das Wort für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.




Johannes Singhammer
13368


(C)



(D)



(A)



(B)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Singhammer, es stimmt, dass es in Deutschland käl-
ter wird. Das hat aber mit der Jahreszeit und ganz sicher
nicht mit unserer Sozialpolitik zu tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Lassen Sie mich auf ein paar Punkte eingehen, die Sie
angesprochen haben. Sie haben gesagt, die demographi-
sche Entwicklung werde uns stark beschäftigen. Das tut
sie in der Tat – im Gegensatz zu der damaligen Regierung.
Sie haben ferner gesagt, Menschen mit kleinem Geldbeu-
tel und Menschen mit Kindern könnten sich eine private
Vorsorge nicht leisten. Herr Singhammer, finden Sie es
falsch, dass wir mit der privaten Vorsorge und ihrer För-
derung langsam einsteigen, weil wir der Meinung sind,
dass sich die Menschen erst darauf einstellen müssen?
Finden Sie es falsch, dass beispielsweise eine allein er-
ziehende Frau am Ende der Förderung mehr als 1 000 DM
als private Zusatzrente bekommt, wenn sie monatlich je-
weils etwa 10 DM für die private Vorsorge eingesetzt hat?


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Die Zahl möchte ich gern einmal vorgerechnet haben! – Johannes Singhammer [CDU/CSU]: Das hätten wir gern genauer!)


Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das falsch finden.
Frau Schwaetzer, auf Sie gehe ich heute nicht ein. Das,

was Sie heute hier gesagt haben, beinhaltete nichts, was
man als Konzept bezeichnen könnte. Sie haben lediglich
der Union vorgeworfen, sie würde anstreben, mit einem
Rentenbeitrag von 20 Prozent ein Rentenniveau von über
64 Prozent zu halten. Ich kann mich noch gut daran erin-
nern, dass Sie in der Vergangenheit gesagt haben, man
könne mit 18 Prozent Beitrag auskommen. Aber über das
Rentenniveau haben Sie sich nie geäußert. Da Sie darauf
auch heute nicht eingegangen sind, möchte ich mich mit
Ihrer Rede auch nicht beschäftigen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Der Sinn dessen, was Sie gerade gesagt haben, ist mir verborgen geblieben!)


Aber ich möchte mich gerne mit Ihrem Kollegen Herrn
Kolb beschäftigen. Er hat nämlich gesagt, die Rente für
Frauen werde sich nicht verbessern.


(Widerspruch des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [F.D.P.])


Diese Feststellung ist eine riesige Fehleinschätzung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir werden mit unserer Rentenreform nämlich zum ers-
ten Mal dafür sorgen, dass es keine unterbrochenen Ren-
tenbiografien für Frauen mehr gibt. Darauf haben die
Frauen sehr lange gewartet. Wir machen das und schaffen
das auch. Das ist die Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413705800
Frau Kolle-
gin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kolb?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schluss kommen.


(Zurufe von der F.D.P.: Oh! – Ernst Burgbacher [F.D.P.]: Erst die Unwahrheit sagen und dann sich nicht korrigieren lassen! – Dirk Niebel [F.D.P.]: Sie haben die jungen Menschen mit 26 Prozent belastet!)


Ich würde gerne noch auf einen Beitrag eingehen, der
gestern im „Tagesspiegel“ zu lesen war, und zwar vom
Kollegen Blüm. Ich weiß nicht, warum er in dieser De-
batte nicht redet. Ich gehöre dem Bundestag ja erst seit
dieser Legislaturperiode an und hätte ihn gern als Redner
erlebt. Herr Blüm, Sie haben in diesem Beitrag ein paar
Punkte angesprochen, auf die man eingehen muss. Sie ha-
ben gesagt, die Rentenreform sei Willkür. Das ist falsch:
Die Rentenreform ist nicht Willkür, sondern sie reagiert
auf die gegebene demographische Entwicklung und
gleicht über die private Vorsorge das aus, was der jungen
Generation später fehlt und was sie deshalb zusätzlich
braucht.

Sie haben darüber hinaus gesagt, die junge Generation
werde benachteiligt. Von allen Seiten wurden heute Gut-
achten angeführt. Ich möchte einen Wissenschaftler zitie-
ren, der wohl von Herrn Seehofer zur Anhörung eingela-
den wurde, nämlich Herrn Raffelhüschen. Dieser
Wissenschaftler, der Generationenbilanzen erstellt – das
ist ja ein großes Anliegen von Ihnen –, kommt in seiner
neuesten Generationenbilanz, die auf dem beruht, was
wir im Zuge der Rentenreform vorgeschlagen haben, zu
dem Schluss: „Die Lasten für Jung und Alt werden gleich-
mäßig verteilt.“ Er weist diesen Sachverhalt in Zahlen
nach, was ich aufgrund der Kürze meiner Redezeit nicht
machen kann.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Dann können Sie unserem Antrag auf Einführung einer Generationenbilanz doch zustimmen!)


Der Artikel über unsere Rentenreform, der in der „Wirt-
schaftswoche“ erschienen ist, trägt die Überschrift „Der
Stein der Weisen“. Wir hätten es nicht gewagt, unsere Re-
form so zu beurteilen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt noch einen ähnlichen Artikel, der die Über-

schrift „Expertenlob“ trägt. Herr Singhammer, auch die-
sen sollten Sie sich einmal zu Gemüte führen. In diesem
Artikel wird von nicht Rot-Grün nahen Wissenschaftlern
berichtet, denen man nicht unterstellen kann, dass sie uns
nach dem Munde reden. Vielmehr handelt es sich um
diejenigen Wissenschaftler, von denen Sie sich beraten
lassen. Dann lassen Sie sich bitte auch hier beraten.

Diese Reform hält, was sie verspricht, nämlich den
Ausgleich zwischen Jung und Alt. Sie führt die Genera-
tionengerechtigkeit in diesem Land endlich wieder ein.
Das ist die Wahrheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)





(C)


(D)


(A)


(B)

Ich möchte zum Schluss auf das zu sprechen kommen,

was Sie zum Thema Arbeitsmarkt gesagt haben. Wir ha-
ben nie festgestellt, dass wir mit dem, was wir erreicht ha-
ben, zufrieden sein können. Aber wir haben einen Anfang
gemacht und wir werden weitermachen. Darauf kommt es
an. Wir werden weitermachen mit der Bekämpfung der
Arbeitslosigkeit von Jugendlichen mithilfe des JUMP-
Programms. Wir werden weitermachen mit den Reformen
am ersten Arbeitsmarkt. Wir werden die Lohnnebenkos-
ten senken. Sie wissen ganz genau, dass es darauf an-
kommt. Es geht eben nicht um das Motto: von der einen
Tasche in die andere Tasche. Was Sie mit der Mehrwert-
steuer gemacht haben, bedeutete, in die Rentenversiche-
rung zu zahlen, wenn man Kinderkleidung, Nahrungsmit-
tel oder sonst etwas gekauft hat. Wir sagen Ja zur
Ökosteuer. Energie zu verteuern und die Lohnnebenkos-
ten zu senken – das ist der richtige Ansatz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sagen: Der erste Arbeitsmarkt muss auch den Be-
hinderten offen stehen. Deswegen führen wir entspre-
chende Maßnahmen durch. Wir wollen weniger Arbeits-
lose. Das bisher Erzielte reicht noch nicht; wir müssen
weitermachen. Die Bilanz wird 2002 gut aussehen. Ich
bin mir ganz sicher, dass wir auch danach noch weiter-
machen werden mit der Senkung der Lohnnebenkosten,
mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit und mit sozialer
Wärme in diesem Land, Herr Singhammer.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413705900
Eine Kurz-
intervention des Kollegen Dr. Heinrich Kolb.


Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):
Rede ID: ID1413706000
Frau Kollegin Göring-
Eckardt, ausweislich des Sachverständigengutachtens,
das Sie in Auftrag gegeben haben und das Sie auch wohl
bezahlen werden, ist es so, dass sich die Zahl der sozial-
versicherungspflichtig Beschäftigten in den letzten Jahren
– der Stichtag ist genannt worden: 1. Mai dieses Jahres –
in Deutschland um etwa 4 Millionen erhöht hat. Das sind
4 Millionen Menschen, die vorher in geringfügiger Be-
schäftigung waren und jetzt von Ihnen in den Kreis der
Sozialversicherungspflichtigen aufgenommen worden
sind.


(Zuruf von der SPD: Über 500 000 Vollzeitarbeitsplätze!)


Diese 4 Millionen Arbeitsverhältnisse waren für Sie,
als Sie noch in der Opposition waren, regelmäßig ein ro-
tes Tuch. Sie haben uns immer wieder vorgejammert, es
sei unerträglich, dass Menschen in solch schlecht bezahl-
ten Arbeitsverhältnissen seien. Sie haben sich auch um die
Rentenversicherungen gerade von Frauen gesorgt, die
sehr häufig von dieser Art Beschäftigungsverhältnis Ge-
brauch machen.

Frau Göring-Eckardt, als ich das letzte Mal nachgese-
hen habe, waren es zwischen 3 und 4 Prozent der gering-
fügig Beschäftigten, die jetzt sozialversicherungspflichtig
sind, die von Ihrem Angebot Gebrauch gemacht haben,
durch zusätzliche Beiträge einen eigenen Rentenanspruch
zu erwerben. Man muss den Menschen sagen: Die Sozi-
alversicherungsbeiträge, die jetzt abgeführt werden, wer-
den in der Regel nicht zum Aufbau eines Rentenanspruchs
der geringfügig Beschäftigten verwendet. Vielmehr hat
man nur dann, wenn man zusätzlich zahlt, einen Anspruch
auf eine geringfügige Rente. – Ich höre gerade, der aktu-
elle Stand beträgt etwa 7 Prozent.

Sind Sie bereit, mir zuzustimmen, dass Sie mit Ihrer
Regelung offensichtlich ein Problem gelöst haben, das
überhaupt nicht bestand, dass Ihre Regelung zumindest an
den berechtigten Interessen der betroffenen Menschen
vorbeigegangen ist? Sonst hätten mehr als bisher davon
Gebrauch gemacht.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413706100
Zur Erwi-
derung Kollegin Göring-Eckardt.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

glaube nämlich,


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Zahlen stehen gegen Glauben!)


dadurch, dass wir die geringfügig Beschäftigten sozial-
versichert haben, können erstens eigene Rentenansprüche
erworben werden. Zweitens: Durch eine Reihe von wich-
tigen Maßnahmen innerhalb der Rentenreform können ei-
genständige Renten der Frauen gesichert werden. Drittens
– Frau Kollegin Dückert hat vorhin darauf hingewiesen –
haben wir von allen Experten bestätigt bekommen – da-
rauf kommt es bei Ihrer Argumentation an –, dass berei-
nigt um diese Arbeitsverhältnisse und und um all diejeni-
gen, die neu auf den Arbeitsarkt gekommen sind, die
Arbeitslosigkeit in Deutschland deutlich zurückgegangen
ist.

Ich glaube, dass Ihre Argumentation an dieser Stelle
ziemlich schräg ist und dass wir auf dem richtigen Weg
sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413706200
Letzter Red-
ner in dieser Debatte ist nunmehr Kollege Franz Thönnes
für die SPD-Fraktion. Dann haben wir zwei namentliche
Abstimmungen.


Franz Thönnes (SPD):
Rede ID: ID1413706300
Herr Präsident! Meine sehr
verehrten Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir in
den letzten zwei Stunden von den Rednern der Opposition
erfahren haben, dass sie nach zwei Jahren in der Opposi-
tion schon wieder alles besser wissen, muss man sich die




Katrin Göring-Eckardt
13370


(C)



(D)



(A)



(B)


Frage stellen: Warum haben Sie es denn in den letzten
zwei Jahren Ihrer Regierungszeit nicht besser gemacht?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich muss Ihnen klar sagen: Diese Republik braucht
keine Besserwisser, sie braucht Bessermacher!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Johannes Singhammer [CDU/ CSU]: Auf gehts!)


Deshalb arbeitet diese Regierung jetzt sehr solide am Ab-
bau der Arbeitslosigkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Thema Arbeit ist das Thema Nummer eins in
Deutschland. Die Menschen begreifen Arbeit als eine
Chance, an dem gesellschaftlichen Gestaltungsprozess
teilzunehmen. Arbeit ist eine zentrale Voraussetzung, um
die Lebensbedingungen aktiv gestalten zu können: Woh-
nung, Kultur oder gesellschaftliches Leben.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Das ist hier kein Gewerkschaftstag!)


Deswegen hat diese Regierung den Abbau der Arbeitslo-
sigkeit auf Platz eins ihres Arbeitsprogramms gestellt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Regierung ist erfolgreich; wir haben in zwei Jah-
ren die Zahl der Erwerbstätigen um 1 Million und die
Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um
460 000 erhöht und gleichzeitig die Zahl der Arbeitslosen
um 390 000 im Jahresdurchschnitt gesenkt. Wenn Kollege
Kolb die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in
diese Zahlen hineinrechnet, muss ich ihm entgegenhalten:
Zu diesem Personenkreis zählen viele, die ihre Nebenbe-
schäftigung aufgegeben haben – praktisch eine Überstun-
denreduzierung durchgeführt haben – oder als Schüler,
Rentner oder Hausfrauen durch die gesetzliche Regelung
sozialversicherungspflichtig wurden. Wir haben einen
echten Beschäftigungszuwachs in diesem Land.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der Sachverständigenrat bestätigt die Politik dieser
Regierung, indem er für das Jahr 2001 einen weiteren
Rückgang der Arbeitslosigkeit um 200 000 Menschen
– die Arbeitslosenquote wird damit auf 9,1 Prozent sinken –
und einen Anstieg der Beschäftigungsquote um 400 000
prognostiziert. Das sind Größenordnungen, von denen Sie
nur geträumt haben.


(Beifall bei der SPD)

Die Sachverständigen führen diese Entwicklungen auf die
gute Finanz- und Steuerpolitik dieser Bundesregierung
zurück; sie bezeichnen sie als Ergebnis der gestiegenen
Binnennachfrage mit einer Steuerentlastung von 46 Mil-
liarden DM für die Menschen in diesem Land.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist das gute Zusammenwirken von Finanz-, Steuer-,
Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, das Sie nie ge-
schafft haben. Alle Elemente müssen zusammen begriffen
und dürfen nicht, so wie Sie das gemacht haben, separat
betrachtet werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind mit der vorliegenden Situation nicht zufrie-
den. Wir geben uns keiner Selbstzufriedenheit hin, son-
dern investieren weiter in eine aktive Arbeitsmarktpoli-
tik. In Ihrer Regierungszeit sind bei weit über 4 Millionen
Arbeitslosen nicht so viel Finanzmittel in die aktive Ar-
beitsmarktpolitik geflossen wie bei uns. Sie haben 37Mil-
liarden DM bei 4,4 Millionen Arbeitslosen investiert,
während wir jetzt – die Arbeitslosenquote ist um 7 Prozent
gesunken – 44,5 Milliarden DM bei 3,9 Millionen Ar-
beitslosen investieren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben die ganze Zeit die wirklich gute Arbeit des
Bündnisses für Arbeit verschwiegen. Im Bündnis fürAr-
beit tragen die Tarifvertragsparteien für die Beschäfti-
gungspolitik in Deutschland eine gemeinsame Verant-
wortung. Das Bündnis für Arbeit ist damit Ausdruck einer
sozialen Marktwirtschaft, die alle betroffenen Parteien
– bei allen Interessengegensätzen – an einen Tisch bringt,
weil sie Bereitschaft und Verantwortung zeigen. Das ist
das Gegenbeispiel von Spaltung und einseitiger Interes-
senwahrnehmung, wie es in Ihrer Regierungszeit der Fall
gewesen ist.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mein Kollege Schurer hat zu dem JUMP-Programm
eigentlich alles gesagt. Dieses Programm ist beim Abbau
der Jugendarbeitslosigkeit erfolgreich gewesen: Die Ar-
beitslosenquote junger Menschen hat sich um 9 Prozent
verringert. Auch das ist im Konsens mit den Arbeitgebern
und den Gewerkschaften erfolgt.

Die große Bedeutung dessen, in die Zukunft junger
Menschen zu investieren, wird auch am Beispiel eines an-
deren Feldes der Regierungspolitik deutlich: Wir hatten
1998 341 000 BAföG-Empfänger; immer weniger Kin-
der aus Arbeitnehmerhaushalten konnten in den Genuss
dieser Förderung kommen. Wir sorgen jetzt mit unserer
Politik dafür, dass im Jahre 2001 fast 450 000 junge Men-
schen vom BAföG profitieren können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir machen das, weil wir es den Wählerinnen und
Wählern versprochen haben. Wir sind der Auffassung,
dass gut ausgebildete junge Menschen ein wichtiger
Faktor für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind. Die
Zukunft der Kinder in unserem Land soll nie wieder vom
Geldbeutel der Eltern, sondern von dem, was in ihren




Franz Thönnes

13371


(C)



(D)



(A)



(B)


Köpfen ist, abhängen. Das ist unser Verständnis von
Chancengleichheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordenten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei Besuchen, die ich in den letzten Wochen beim Ar-
beitsamt meines Bezirks gemacht habe, habe ich eine
schreckliche Erfahrung gemacht, die uns alle zum Nach-
denken bringen sollte. Überall sagen die Vermittler – die
Schicksale von Arbeitslosen bestätigen uns das –, dass wir
die Frage stellen müssen: Was ist das Alter in unserer Ge-
sellschaft noch wert? Ich vermag nicht einzusehen,
warum Arbeitslose von 50 Jahren zum alten Eisen
gehören sollen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist das Ergebnis eines ständigen Werteverfalls in die-
ser Gesellschaft, für den Ihre Regierung mit verantwort-
lich ist.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Sich heute hierhin zu stellen und über deutsche Leit-
kultur zu reden ist völlig unangemessen. Diskutieren Sie
einmal über eine Wertekultur, bei der deutlich wird, was
das Alter wert ist, was es wert ist, das Gemeinwesen die-
ser Gesellschaft solidarisch zu gestalten. Diskutieren Sie
einmal darüber, was Solidarität und Individualität bedeu-
ten, was Eigenverantwortung und gesellschaftliche Ver-
antwortung bedeuten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Und diskutieren Sie darüber, was Menschenwürde und
Sozialstaatlichkeit bedeuten. Das sind die Fragen, die ge-
stellt werden müssen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gestern haben wir zum Schluss der Debatte vom Frak-
tionsvorsitzenden der CDU/CSU eine neue Sandkasten-
spieltheorie erlebt. Es wurden zwei Angebote gemacht. Es
gab den interessanten Vorschlag, ältere Arbeitnehmer
sollten bei der Einstellung auf ihren Kündigungsschutz
verzichten und stattdessen eine Abfindung vereinbaren.
Wissen Sie, was Sie hier betreiben? Sie befördern eine für
die Arbeitslosenversicherung höchst gefährliche Ent-
wicklung. Der schieben Sie am Ende die gescheiterten
Fälle aus diesem Prozess zur Finanzierung zu. Außerdem
erwecken Sie dadurch den Eindruck, als seien Kündigun-
gen am Ende nicht möglich. Betriebsbedingte Kündigun-
gen sind immer dann, wenn es keine andere Möglichkei-
ten für ein Unternehmen gibt, durchaus im Bereich des
Möglichen. Ich sage Ihnen, was mit Ihren Vorschlag er-
reicht wird: Ältere Arbeitnehmer werden zum Freiwild
auf dem Arbeitsmarkt. Das steckt dahinter. Diese Philo-
sophie wird die Sozialdemokratie nicht mitmachen. Fle-
xibilität und Sicherheit ja, aber nicht die Arbeitnehmer als
Freiwild und als Kostenfaktor hinstellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der zweite Vorschlag, der gemacht wurde, war höchst
interessant. Aus dem Mund von Herrn Merz haben wir er-
fahren, dass die deutsche Arbeitslosenversicherung, die
sich sehr bewährt hat, abgeschafft werden soll.


(Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Quatsch!)

Nicht anders, Kollege Laumann, ist sein Vorschlag zu ver-
stehen, dass ein Optionsmodell entwickelt werden soll,
dass sich Arbeitslose so versichern können, wie das Ri-
siko der Beschäftigung ist, wobei unterschiedliche Tarife
vereinbart werden können. Nein, das ist nicht zuzulassen,
weil das bedeutet, dass die geringen Risiken aus der Soli-
darversicherung herausgenommen werden, dass die Be-
schäftigungsverhältnisse mit größerem Risiko mit immer
höheren Beiträgen belastet werden, dass die größeren Be-
triebe mit ihren größeren Arbeitsmärkten Vorteile gegen-
über kleinen und mittleren Unternehmen haben und dass
die Frage bewertet werden muss, wer das Risiko der mög-
lichen Arbeitslosigkeit einschätzt. Die Individualisierung,
die Sie predigen, trägt dazu bei, dass der Arbeitgeber ei-
nen noch viel stärkeren Druck auf die Mitarbeiter, vor al-
lem die älteren, ausüben kann. Das ist mit uns nicht zu ma-
chen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Arbeitgeber geht kein Risiko ein. Am Ende soll der
ältere Arbeitnehmer das Gesamtrisiko tragen. Das ist in
unserem Sozialstaat unsolidarisch.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


An dieser Stelle sage ich, dass sich die solidarische
Arbeitslosenversicherung in Deutschland bewährt hat.
Eine Spaltung werden wir nicht zulassen, weil wir an die-
ser Stelle nicht wollen, dass Sie Ihre Politik, für die Sie ab-
gewählt worden sind, mit der Sie die Versicherungssys-
teme fast gegen die Wand gefahren haben, im Deutschen
Bundestag weiterpraktizieren.

Für uns steht auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik
ganz vorne an: Wir werden weiterhin dafür sorgen, Frei-
heit zu garantieren, Gerechtigkeit zu praktizieren und den
gesellschaftlichen Zusammenhalt zu organisieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Karl-Josef Laumann [CDU/CSU]: Sie haben nichts begriffen!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413706400
Ich schließe
die Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen. Zunächst werden
wir über die Änderungsanträge abstimmen.

Abstimmung über den Änderungsantrag der CDU/
CSU auf Drucksache 14/4786. Die Fraktion der CDU/
CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen
Plätze einzunehmen. – Sind alle Urnen besetzt? – Das ist
der Fall.

Ich eröffne die Abstimmung.–
Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine

Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich




Franz Thönnes
13372


(C)



(D)



(A)



(B)


schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das
Ergebnis der Abstimmung wird später bekannt gegeben.

Wir setzen die Abstimmungen fort.
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion

der F.D.P. auf Drucksache 14/4806. Die Fraktion der
F.D.P. verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die
Schriftführerinnen und Schriftführer, ihres Amtes zu wal-
ten und die vorgesehenen Plätze einzunehmen. – Sind alle
Urnen besetzt? – Das ist der Fall.

Ich eröffne die Abstimmung.–
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine

Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.
Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführe-
rinnen und Schriftführer mit der Auszählung zu beginnen.
Das Ergebnis der Abstimmung wird später bekannt gege-
ben.

Wir setzen die Abstimmungen fort.

(Unruhe)


– Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich erbitte Ihre Auf-
merksamkeit für mündliche Abstimmungen.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Frak-
tion der F.D.P. auf Drucksache 14/4805. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition ge-
gen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS abge-
lehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4793. Wer stimmt dafür?
– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Ände-

rungsantrag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die
Stimmen der PDS abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4794. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Auch dieser An-
trag ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen
der PDS abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4795. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4796. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist gegen die Stimmen der PDS abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis zum Vorliegen
der Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen unter-
breche ich die Sitzung.


(Unterbrechung von 14.54 bis 15.02 Uhr)


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Petra Bläss)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413706500
Die Sitzung ist wieder
eröffnet.

Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/4786 bekannt. Abgege-
bene Stimmen 580. Mit Ja haben gestimmt 265 Abgeord-
nete. Mit Nein haben gestimmt 315 Abgeordnete. Es gab
keine Enthaltungen. Der Änderungsantrag ist abgelehnt.




Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters

13373


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 580;
davon

ja: 266
nein: 314

Ja
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer

Sylvia Bonitz
Jochen Borchert

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek)


(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust

Albrecht Feibel
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(KarlsruheLand)



(Erlangen)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)

Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein


(Großhennersdorf )



(Rednitzhembach)


Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Dr. Helmut Kohl






(C)



(D)



(A)



(B)


Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues

(Heidelberg)


Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)


(Offenbach)


Dr. Manfred Lischewski

(Lüdenscheid)


Julius Louven
Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven)


(Recklinghausen)



(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer

(Wiesbaden)


Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von Schor-
lemer

Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling

Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten

Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Dr. Rita Süssmuth
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
F.D.P.
Ina Albowitz

(Augsburg)


Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen

Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting

(Frankfurt)


Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Klaus Grehn
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf

Nein
SPD
Brigitte Adler

Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann






(C)



(D)



(A)



(B)


Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Stephan Hilsberg
Jelena Hoffmann (Chemnitz)


(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard

Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher
Erika Lotz
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Andrea Nahles
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)


Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)


(Everswinkel)


Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich

Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)


(Duisburg)


Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)

Waltraud Wolff (Wolmirstedt)

Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann (Aurich)

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)

Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)





Vizepräsidentin Petra Bläss
13376


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 571
davon

ja: 33
nein: 538

Ja
CDU/CSU
Dr. Reinhard Göhner
F.D.P.
Ina Albowitz
Hildebrecht Braun (Augsburg)

Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Walter Hirche
Birgit Homburger
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Hans-Joachim Otto (Frankfurt)

Detlef Parr
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle

Nein
SPD
Brigitte Adler
Gerd Andres
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau

Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Klaus Brandner
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz

Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Stephan Hilsberg
Jelena Hoffmann (Chemnitz)

Walter Hoffmann (Darmstadt)

Iris Hoffmann (Wismar)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Anette Kramme
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Waltraud Lehn
Robert Leidinger
Klaus Lennartz
Dr. Elke Leonhard
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher
Erika Lotz
Dieter Maaß (Herne)

Tobias Marhold
Lothar Mark

Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Ursula Mogg
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Andrea Nahles
Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Dr. Hermann Scheer
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Dieter Schloten

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld

Nun gebe ich Ihnen das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Ab-
stimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der
F.D.P. auf Drucksache 14/4806 bekannt. Abgegebene

Stimmen 572. Mit Ja haben gestimmt 33, mit Nein haben
gestimmt 539. Damit ist auch dieser Änderungsantrag ab-
gelehnt.






(C)



(D)



(A)



(B)


Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)


(Everswinkel)


Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast
Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber
Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Lydia Westrich
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)

Helmut Wieczorek (Duisburg)

Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben
Hanna Wolf (München)


Waltraud Wolff (Wolmirstedt)

Heidemarie Wright
Uta Zapf
Dr. Christoph Zöpel
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Friedrich Bohl
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert
Wolfgang Börnsen (Bönstrup)

Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek)


(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(KarlsruheLand)


Dr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund

Horst Günther (Duisburg)

Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein


(Großhennersdorf )



(Rednitzhembach)


Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Steffen Kampeter
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues

(Heidelberg)


Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner

(Offenbach)


Dr. Manfred Lischewski

(Lüdenscheid)


Dr. Michael Luther
Erich Maaß (Wilhelmshaven)


(Recklinghausen)



(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Jena)


Elmar Müller (Kirchheim)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer

(Wiesbaden)


Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Dr. Wolfgang Schäuble
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Karl-Heinz Scherhag
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Bernd Schmidbauer
Christian Schmidt (Fürth)

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Clemens Schwalbe
Dr. Christian Schwarz-
Schilling

Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Werner Siemann
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Margarete Späte
Wolfgang Steiger
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten

Andreas Storm
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)


Ich bitte jetzt diejenigen Kolleginnen und Kollegen,
die dem Einzelplan 11 in der Ausschussfassung zustim-
men wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Damit ist der Einzelplan 11 an-
genommen.

Ich rufe nun auf:
III. 20 Einzelplan 15

Bundesministerium für Gesundheit
– Drucksachen 14/4514, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Walter Schöler
Dr. Michael Luther
Matthias Berninger
Jürgen Koppelin
Dr. Barbara Höll

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. Ich höre kei-
nen Widerspruch. – Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Für die Fraktion der
CDU/CSU hat jetzt der Kollege Aribert Wolf das Wort.

Aribert Wolf (CDU/CSU) (von Abgeordneten der
CDU/CSU mit Beifall begrüßt): Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Vor wenigen Jahren
konnten wir noch stolz sein auf das deutsche Gesundheits-
wesen. Wir waren auch international hoch angesehen,
teilweise sogar Vorbild für die Länder in Osteuropa.

Heute, nach nur zwei Jahren rot-grüner Bundesregie-
rung, hat unser Gesundheitswesen massiv an Ansehen
verloren.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wenn heute Experten wie der Kölner Gesundheitsöko-
nom Professor Lauterbach eine Bestandsaufnahme ma-
chen, dann klingt das so:

Das deutsche Gesundheitswesen ist zwar teuer, aber
medizinisch nur Mittelmaß.

Meine Damen und Herren, nach 25 Monaten rot-grü-
ner Budgetierungspolitik hat das deutsche Gesundheits-
wesen einen rasanten Abstieg von der Champions League
in die Kreisklasse hinter sich. Eine richtige Linie und
klare Zielvorstellungen sind in der Gesundheitspolitik
von Rot-Grün nicht erkennbar. Ähnlich wie bei der Rente
taumelt man orientierungslos hin und her und lässt viele
Probleme einfach liegen. Man versucht, sich wie im Irr-
garten ein Stückchen voranzutasten, aber den richtigen
Weg hat man noch lange nicht gefunden.

Wenn heute Experten sagen, wir seien medizinisch nur
noch Mittelmaß in Deutschland, dann sagen sie es nicht
deswegen, weil unsere Ärzte plötzlich all das verlernt ha-
ben, was sie in den Jahren vorher positiv geleistet haben,
sondern weil Rot-Grün die Rahmen- und Arbeitsbedin-
gungen massiv verschlechtert hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Es geht um einen Würgegriff von zwei Seiten. Auf der
einen Seite lässt Rot-Grün zu, dass dem Gesundheitswe-
sen Geld entzogen wird und der ohnehin enge finanzielle
Spielraum der Kassen noch weiter eingeengt wird. Auf
der anderen Seite – der Ausgabenseite – würgt man die
Ärzte durch eine gnadenlose Budgetierung und nimmt
den in den Heilberufen Tätigen und all denen, die sich im
Gesundheitswesen positiv einbringen, die Motivation und
das Engagement, auf Deutsch: die Freude am Beruf.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist empörend!)


Wenn im Fußball zum Beispiel jemand auf die Idee
käme, einen Leistungsträger, einen hervorragenden Spie-




Vizepräsidentin Petra Bläss
13378


(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Rita Süssmuth
Gunnar Uldall
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Aribert Wolf
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann (Aurich)

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)


Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Steffi Lemke
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels

Cem Özdemir
Simone Probst
Claudia Roth (Augsburg)

Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Albert Schmidt (Hitzhofen)

Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Dr. Klaus Grehn

Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert
Dr. Winfried Wolf

ler, der mehr leistet als der Durchschnitt, zurückzupfeifen
und ihm zu sagen, er müsse langsamer und schlechter
spielen und dürfe nicht so schnell rennen, dann würde je-
der sagen: Derjenige, der so etwas vorschlägt, spinnt
doch. Genau dies aber bewirkt die Budgetierung im Me-
dizinbetrieb.

Jeder Arzt, der bereit ist, mehr zu leisten, mehr zu ge-
ben und mehr Patienten zu bekommen, wird von der Bud-
getierung auf das Mittelmaß zurückgepfiffen. Er muss er-
kennen, dass er, wenn er sich mehr anstrengt, auffällt und
dann kontrolliert wird. Das verhagelt die Stimmung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Bei uns war die Gesundheitspolitik noch ein Aktivpos-

ten der Regierung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Lachen bei der SPD – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Ausverkauf habt ihr gemacht! – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Deshalb habt ihr die Wahl verloren!)


Seehofer war hoch angesehen, da können Sie schreien,
was Sie wollen. Wir sehen ja heute noch, wie gern viele
wieder Horst Seehofer als Gesundheitsminister zurückha-
ben wollen. Vielleicht wird es eines Tages auch so kom-
men, Sie werden es erleben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Bei Rot-Grün – auch das pfeifen mittlerweile die Spat-

zen von den Dächern – ist die Gesundheitspolitik ein
Schwachpunkt, ist Ballast, ist geradezu die Achillesferse
der Regierung Schröder. Eigentlich kann uns die liebe
Frau Fischer fast Leid tun. Sie ist als Quotenfrau ins Mi-
nisterium gerutscht.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist es aber gut! Sie wissen gar nicht, was „Quotenfrau“ ist!)


Das Gesundheitswesen ist bekannt als Haifischbecken.
Nur wer fachlich sattelfest ist, kann sich darin entspre-
chend profilieren.

Blicken wir zurück, wie es anfing: Zuerst gab es die
Querschüsse von SPD-Dressler, dann kam das Gemäkel
aus der eigenen grünen Partei. Wenn der Kanzler eine Ab-
schussliste durchsickern lässt, steht Frau Fischer immer
ganz oben. Das schwächt natürlich. Und irgendwo tut es
einem menschlich fast Leid. Aber wir müssen sehen, dass
ihre politische Schwäche verheerende Auswirkungen auf
unser Gesundheitswesen hat. Weil die Gesundheitsminis-
terin politisch so schwach ist, kann sie nicht verhindern,
dass andere Minister unsere Kranken- und Pflegeversi-
cherung wie eine Weihnachtsgans finanziell ausnehmen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich ist das!)


Wenn Sie sehen, wie viel Geld, das dringend für die
Versorgung von Kranken und Pflegebedürftigen benötigt
wird, heute abgezwackt, umgeleitet und zur Haushaltssa-
nierung missbraucht wird, dann wird Ihnen klar, welch
gewaltige Summen Rot-Grün der Kranken- und Pflege-
versicherung entzieht.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich darf nur ein paar Dinge nennen. Allein 500 Milli-
onen DM klaut man den Pflegebedürftigen, weil der Staat
weniger Beiträge für die Arbeitslosen bezahlt. Die
Schwächsten müssen dafür büßen, dass Frau Fischer so
schwach ist. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Das gleiche Spiel läuft in der gesetzlichen Kranken-

versicherung ab. 1,2 Milliarden DM fehlen der GKV
künftig, weil für Arbeitslosenhilfeempfänger weniger
Geld in die Kassen fließt. 600 Millionen DM fehlen der
Krankenversicherung durch die Kürzung der Renten.
Noch nicht abzuschätzen sind die Millionenbeträge, die
jetzt durch die Einführung der beitragsfreien Mitversi-
cherung für Schwule und Lesben auf die gesetzliche
Krankenversicherung zukommen. Mindestens 250 Milli-
onen DM – das hat man großartig als Erfolg verkündet –
beträgt die Belastung durch die Neuregelung der Er-
werbs- und Berufsunfähigkeitsrenten.

Wie haben sich die Grünen aufgeplustert, als sie zum
Kanzler marschiert sind. Als sie hinterher rausgekommen
sind, hat ihnen der Kanzler fast alle Federn ausgerupft.
Nur ein paar hat er ihnen noch gelassen, damit sie nicht
ganz nackig sind. Der Krankenversicherung fehlen damit
mindestens 250 Millionen DM, um Kranke in unserem
Land anständig versorgen zu können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es kommen zusätzliche Zahlungsverpflichtungen

auf die Kassen zu, die Rot-Grün selbst auf den Weg ge-
bracht haben. Man hat am Anfang großkotzig die Zuzah-
lungen zurückgenommen. Das führte bei der Krankenver-
sicherung zu einem Einnahmeausfall von 1Milliarde DM.
Man hat das Krankenhausnotopfer abgeschafft. Damit
fehlen jährlich 700 Millionen DM. Man hat Leistungen
ausgeweitet, die Soziotherapie zum Beispiel, das bringt
zusätzliche Kosten von 1 Milliarde DM jährlich mit sich.

Das ist noch nicht alles. Auch künftig soll es munter
weitergehen – so die Planungen –, und den Krankenkas-
sen weiter kräftig Geld entzogen werden. Durch das
SGB IX, das neue Rehabilitationsrecht – so die Rechnung
der Krankenkassen, wenn diese Regelung in Kraft tritt –,
werden die Kassen eine weitere Belastung von 500 Milli-
onen DM zu tragen haben. Das sind wieder 500 Milli-
onen DM, die fehlen. Wenn wir sehen, wie das Bundes-
verfassungsgerichtsurteil zur Krankenversicherung der
Rentner umgesetzt werden soll, dann stellen wir fest, dass
2002 auch dort wieder 500 Millionen DM an zusätzlicher
Belastung drohen.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wer hat denn dafür die Verantwortung? – Gudrun SchaichWalch [SPD]: Das haben Sie doch versaut!)


Wenn 2002 die Rentenreform kommt und es mit dem
Aufbau der privaten Rentenversicherung ernst wird,
dann müssen wir davon ausgehen, dass der Krankenver-
sicherung wiederum Jahr für Jahr zunächst 700 Milli-
onen DM fehlen. Dies steigert sich bis 2008 auf einen Be-
trag von insgesamt 5,5 Milliarden DM pro Jahr, der in den
Kassen der Krankenversicherung fehlt. Es sind gewaltige
Beträge, die sich aufsummieren und die wir dringend
bräuchten, um unseren Menschen auch in der Gesund-
heitspolitik eine Perspektive zu bieten.




Aribert Wolf

13379


(C)



(D)



(A)



(B)


Wäre die Ministerin Kassiererin im Supermarkt, dann
wäre sie längst entlassen, weil sie sich das Geld von an-
deren zu leicht aus der Tasche ziehen lässt.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wäre der Herr Wolf Fußballtrainer, wäre er längst in die Wüste geschickt worden!)


Ich meine, Frau Fischer, Sie müssen kämpfen, damit das
Geld in der Kasse bleibt. Sie müssen sich stärker auf der
Einnahmeseite engagieren. Dann müssten Sie auf der
Ausgabenseite nicht so stark die Muskeln spielen lassen.
Sie glauben, Sie könnten dort alles über Budgetierung,
Reglementierung und noch mehr Bürokratie regeln. Aber
all das schafft mehr Probleme, als es Probleme löst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Gerade auf der Ausgabenseite darf eine verantwor-

tungsvolle Gesundheitsministerin nicht nur auf das Geld
und auf die Kassenbilanzen schauen. Menschen müssen
immer wichtiger als Zahlen und Bilanzen sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Klaus Kirschner [SPD]: Das sagst gerade du!)


Wer Gesundheitspolitik ernst nimmt, der darf eben nicht
nur die wirtschaftliche Seite der Krankenversicherung
sehen, sondern er muss in seinem politischen Programm
auch Versorgungsziele definieren und sich fragen: Wie
steht es mit der gesundheitlichen Versorgung der Bevöl-
kerung? Wie gehen wir heute mit chronisch Kranken um?

Wenn wir uns diesen Bereich näher ansehen, dann mer-
ken wir, dass sich draußen dramatische Szenen abspielen.
Ich möchte Ihnen einiges von dem nennen, was an uns
herangetragen wird. Ohnehin protestieren die Leis-
tungserbringer auf den Straßen. Aber darauf will die Mi-
nisterin nicht reagieren. Das sind alles schwer reiche
Leute, denen es nur ums Geld geht. – Ich glaube nicht,
dass wir damit dem Problem gerecht werden; denn es gibt
viele Ärzte, die sehr engagiert arbeiten. Auch gibt es viele
Pfleger in den Pflegediensten, die ihre Patienten liebend
gerne gut versorgen würden.

Wenn Sie dann in einer Emnid-Umfrage lesen, dass
chronisch Kranken in bis zu 15 Prozent der Fälle unter
Hinweis auf die rot-grüne Budgetierung Arzneimittel
verweigert werden, dann sollte das zum Nachdenken an-
regen.


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit! – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Da werden Patienten als Geisel missbraucht!)


Wenn Sie zur Kenntnis nehmen, dass in einer Langzeit-
studie der Uni Bremen und der Gmünder Ersatzkasse
festgestellt wurde, dass jedem vierten Patienten ein Arz-
neimittel aus Budgetgründen heute nicht mehr verordnet
wird, wenn die Deutsche Rheuma-Liga sagt, durch die
rot-grüne Gesundheitspolitik werden Ärzte und Patienten
in gleicher Weise verunsichert, das Arzt-Patienten-Ver-
hältnis leide massiv unter der Budgetierungsdiskussion,
was an Medikamenten gespart werde, müssen die Patien-
ten mit größerer Unbeweglichkeit und stärkeren Schmer-
zen bezahlen, was am Ende zu Krankenhauseinweisungen

führe, die wiederum höhere Folgekosten nach sich zögen,
dann sehen wir, auf welchem Irrweg sich Rot-Grün mit
dieser Budgetierungspolitik befindet und warum es bitter
notwendig ist, dass wir hier umsteuern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Wo lassen Sie das Geld drucken?)


Auch wenn Sie es immer noch nicht glauben: Die
Deutsche Parkinson-Vereinigung stellt fest, dass Patien-
ten, die nach langen Krankenhausaufenthalten endlich
medikamentös gut eingestellt sind, nach ihrer Entlassung
aus dem Krankenhaus, wenn sie beim niedergelassenen
Arzt weiterbehandelt werden, Medikamente nicht in der
gleichen Weise verordnet bekommen wie im Kranken-
haus, weil dieser Arzt unter Budgetzwang steht; Heilmit-
tel werden fast überhaupt nicht mehr verordnet.


(Klaus Kirschner [SPD]: So ein Quatsch!)

Ich frage mich: Ist das der richtige Weg, den Sie hier so
selbstherrlich beschreiten? Haben Sie wirklich kein Ohr
mehr für die Sorgen und Nöte von vielen armen und kran-
ken Leuten in unserem Land?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Offensichtlich nicht!)


Die Beispiele lassen sich fortsetzen. Die Frauenselbst-
hilfe für Krebspatienten stellt fest: Nach Operationen
werden wichtige Heilmittel wie zum Beispiel Lymphdrai-
nage und Krankengymnastik nicht mehr verordnet. Nur
noch 10 Prozent der Tumorpatienten erhalten eine adä-
quate Schmerztherapie.

Auch Kinderwerden Opfer der Budgets. Der Bundes-
verband für Logopädie und Ergotherapie


(Detlef Parr [F.D.P.]: Gutes Beispiel!)

und der Bundesverband für Pflegeberufe stellen fest, dass
gerade auch bei Kindern eine zunehmende Verordnungs-
zurückhaltung der Ärzte festzustellen ist. Alles Folgen der
Budgets, meine Damen und Herren.

Die Folge daraus wiederum sind Entwicklungsstörun-
gen für Kinder und schwerwiegende Spätfolgen. All das
kostet künftig sehr viel Geld. Budgetierung spart nicht,
Budgetierung treibt auf lange Sicht die Kosten.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Wer hat denn die Budgetierung eingeführt?)


Die Multiple-Sklerose-Gesellschaft berichtet, dass von
60 000 Patienten, bei denen eine Therapie mit Interferon
erforderlich ist – das kostet pro Patient zwischen 25000DM
und 30 000 DM –, nur noch circa 15 000 behandelt wer-
den und dass schuld daran die Budgets sind. Der Grund
ist, dass ein Neurologe, der heute einen Patienten mit In-
terferon behandelt, kompensatorisch dafür 113 andere Pa-
tienten ohne Behandlung und ohne Medikamente nach
Hause schicken muss, weil er sonst seine Budgetvorgaben
überschreitet.




Aribert Wolf
13380


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413706600
Herr Kollege, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollege Dr. Wodarg?


Aribert Wolf (CSU):
Rede ID: ID1413706700
Ja, gerne.


Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1413706800
Herr Kollege, Sie ha-
ben eben die Logopäden und die Entscheidung der Bun-
desausschüsse zitiert, Sie haben aber nicht gesagt, dass es
die Bundesausschüsse waren, sondern Sie haben gesagt,
es liege am Budget, dass hier jetzt möglicherweise
Schwierigkeiten in der logopädischen Versorgung entste-
hen.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Natürlich liegt es am Budget!)


Ist Ihnen klar, dass Sie hierbei jetzt in die Arbeit der
Selbstverwaltung eingreifen wollen?


(Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Das weiß er nicht!)


Würden Sie es für richtig halten, wenn die Arbeit der
Selbstverwaltung durch eine staatliche Gestaltung, zum
Beispiel durch das Ministerium, abgelöst würde?


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Budgets beschränken die Selbstverwaltung!)


Ist das wirklich Ihre Auffassung?

(Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Als ehemaliger Geschäftsführer?)

Wir sind uns ja einig, dass in der Logopädie etwas ge-

tan werden muss. Die grundsätzliche Frage ist hier aber,
ob die Entscheidung der Selbstverwaltung, die Sie hier
missbraucht haben, in dieser Debatte überhaupt eine Rolle
spielt.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Sie stellen doch die Regeln auf!)



Aribert Wolf (CSU):
Rede ID: ID1413706900
Herr Dr. Wodarg, ich muss
Ihnen Folgendes sagen: Stellen Sie sich vor, Sie sagen Ih-
rer Frau, sie möchte am Abend acht Personen zum Essen
einladen, geben ihr aber nur Geld, um für vier Personen
einkaufen zu können. Ihre Frau kocht dann und versucht,
etwas auf den Weg zu bringen, und Sie machen Ihrer Frau
hinterher Vorwürfe, dass sie zu wenig gekocht hat. Das
heißt doch: Sie haben ihr vorher zu wenig Geld zur Ver-
fügung gestellt.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die hat selber Geld! – Regina Schmidt-Zadel [SPD]: Herr Wolf, ich habe Sie für klüger gehalten!)


Das ist die gleiche Situation wie bei den Budgets, meine
Damen und Herren. Das ist das Problem.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Horst Schmidbauer [Nürnberg] [SPD]: Und so was war Geschäftsführer! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Vom Kochen verstehen die nämlich auch nichts! – Monika Knoche [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was für ein Frauenbild!)


Wenn Sie mit Ihrer rot-grünen Politik mit der Budge-
tierung weiterfahren, haben wir die Probleme. Dann kön-
nen Sie nicht die Selbstverwaltung für die Beschränkun-
gen verantwortlich machen, sondern Sie müssen an die
Wurzel des Übels gehen und die Budgetierung aufheben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Meine Damen und Herren, auch die Budgets selbst hal-

ten beileibe nicht das, was sie zu versprechen scheinen.
Ich darf Ihnen nur einmal die Entwicklung der Arznei-
mittelausgaben schildern, die ja von 1991 bis 1999 rela-
tiv stark budgetiert waren. 1993 waren es 27,5 Milliar-
den DM.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die sind schuld, Aribert!)


– Natürlich sind die schuld. – 1996 sind wir schon bei
34,2 Milliarden DM, 1998 bei 34,7 Milliarden DM und
1999 bei 37,6 Milliarden DM. Sie werden sehen, die Arz-
neimittelausgaben werden auch weiterhin steigen, ob Sie
budgetieren oder nicht.


(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Und da sagen Sie, es fehlt Geld! Es ist immer mehr geworden!)


Wenn aber nicht mehr die richtigen Arzneimittel verord-
net werden, die Menschen nicht mehr richtig therapiert
werden und später, wenn sie richtig krank sind, ins Kran-
kenhaus müssen und die Behandlung dort wesentlich teu-
rer ist, dann werden Sie feststellen, dass die Budgetierung
hohe Folgekosten verursacht und deshalb auch unter Kos-
tengesichtspunkten ein Schuss in den Ofen war.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wir müssen aus diesen Beispielen zwei Dinge lernen:
Erstens. Budgetierung spart auf lange Sicht keine Kosten,
sondern verschlechtert die Qualität der gesundheitliche
Versorgung. Zweitens. Nicht das Abschaffen von Bud-
gets, sondern das Festhalten an Budgets führt zu einer
Zweiklassenmedizin. Wenn Sie an der Budgetierung
festhalten – wenn man sich die Wirklichkeit in den Arzt-
praxen heute ansieht, dann wird man feststellen, dass sich
das schon abzeichnet –, dann werden teure und aufwen-
dige Behandlungen zum Privileg derer, die es sich leisten
können, solche Behandlungen aus eigener Tasche zu be-
zahlen. Der Arme, der sozial Schwache, der nicht privat
zahlen kann, bleibt auf der Strecke. Eine solche Gesund-
heitspolitik wollen wir nicht mittragen. Deswegen kämp-
fen wir gegen diese Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es wird Ihnen nicht gelingen, den Menschen vorzu-

gaukeln, dass trotz begrenzter Mittel Leistungen unbe-
grenzt gewährt werden können und dass nur mit der Jagd
auf Wirtschaftlichkeitsreserven die Weichen in unserem
Gesundheitswesen in Richtung Zukunft gestellt werden
können. Frau Fischer, ich kann Ihnen nur raten: Befreien
Sie sich aus dem Treibsand der Budgetierung und Regle-
mentierung; denken Sie endlich innovativer!


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das lohnt nicht! Sie ist nicht mehr lange dabei!)







(C)



(D)



(A)



(B)


Ansonsten gehen Sie eines Tages im Treibsand der Bud-
getierung unter. Sie werden, wenn Sie sich nur ein biss-
chen in der politischen Landschaft umschauen, erkennen
müssen, dass es auch bei den Grünen ein paar gibt, die
sich offen zu den Ansätzen bekennen, die wir von CDU
und CSU immer wieder als Alternativen zu Ihrer Bud-
getierungs- und Überreglementierungspolitik aufzeigen.

Sie müssen die Wahrheit sagen: Es gibt ein demogra-
phisches Problem in Deutschland. Dieses Problem be-
trifft nicht nur die Renten-, sondern auch die Krankenver-
sicherung. Es ist mathematische Logik, dass es für den
Einzelnen unter dem Strich teurer wird, wenn es immer
weniger Junge, die einzahlen, und immer mehr Ältere
gibt, die Leistungen in Anspruch nehmen. Wenn Sie sich
nicht trauen, den Menschen diese Wahrheit zu sagen, und
stattdessen behaupten, dass die Budgetierung ausreicht,
dann betreiben Sie auch in der Gesundheitspolitik Ross-
täuscherei. Das werden Sie politisch bitter bereuen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Mit Recht!)


Da Sie noch immer nicht zur Kenntnis nehmen wollen,
dass der medizinische Fortschritt heute rasanter voran-
schreitet als die Entwicklung der Einkommen, möchte ich
Ihnen ein paar Beispiele nennen: In den letzten 40 Jahren
hat sich die Zahl der Diabeteskranken verdoppelt. Die
Zahl der Asthmakranken hat sich verdreifacht. Innerhalb
der letzten 15 Jahre ist die Zahl der Dialysepatienten von
null auf über 50 000 gestiegen. Die Zahl der HIV-Patien-
ten ist von null auf 40 000 gestiegen. Jeder weiß, dass die
Behandlung von HIV-Patienten besonders teuer ist.

Wenn Sie zur Kenntnis nehmen, dass es inzwischen in-
novative Medikamente für die Behandlung bestimmter
Krebskrankheiten, von Hepatitis und von multipler Skle-
rose gibt, dann müssen auch Sie trotz Ihrer ideologischen
Verblendung feststellen, dass dies alles Geld kostet und
dass dieses Geld nicht alleine durch Einsparungen an an-
derer Stelle erwirtschaftet werden kann. Wenn wir verant-
wortungsvoll handeln wollen, müssen wir erkennen, dass
der medizinische Fortschritt es vielen Patienten ermög-
licht, ein längeres und erträglicheres Leben zu führen.


(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Deshalb setzen Sie die Beiträge rauf!)


Deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie wir auch
ohne Budgetierung und Reglementierung künftig sicher-
stellen können, dass der medizinische Fortschritt breiten
Schichten der Bevölkerung zugute kommt.

Sie werden über kurz oder lang erkennen, dass unser
System von Wahlleistungen und Kernleistungen und
unser Vorschlag, dem Einzelnen ein bisschen mehr Ver-
antwortung zuzutrauen, ihm mehr Eigenverantwortung zu
geben, der bessere Weg ist. Wir sind der Meinung, wer
mehr Eigenverantwortung übernehmen soll, braucht auch
entsprechende Informationen; deswegen brauchen wir
mehr Transparenz im Gesundheitswesen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Guter Vorschlag!)


Wir brauchen auch mehr Wettbewerb zwischen den Leis-
tungserbringern.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr viel mehr!)


Letzter Punkt – auch damit werden Sie von Rot-Grün
sich bei der Diskussion über den Risikostrukturaus-
gleich beschäftigen müssen –: Es kann nicht sein, dass
sich Krankenkassen heute ausschließlich um Junge, Ge-
sunde und Gutverdienende kümmern und der chronisch
Kranke völlig an den Rand gedrängt wird. Wir denken
über diese Dinge intensiv nach. Wir haben Lösungsvor-
schläge entwickelt.


(Klaus Kirschner [SPD]: Das wäre mal was Neues!)


Deswegen billigen uns die Menschen auch mehr Kompe-
tenz zu und deswegen kommen viele schon heute zu dem
Ergebnis, es sei höchste Zeit, dass die CDU/CSU, dass
Horst Seehofer auf die Regierungsbank zurückkommt.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das ist kein Platz mehr! Die ist besetzt!)


Mir ist nicht bange, dass Sie, wenn Sie in der Gesund-
heitspolitik so weiter machen, die Quittung 2002 vom
Wähler präsentiert bekommen.


(Beifall bei den CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413707000
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Walter Schöler.


Walter Schöler (SPD):
Rede ID: ID1413707100
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Als Antwort auf die Frage des
Kollegen Wodarg hat der Kollege Wolf ein Beispiel ge-
wählt, das ich überhaupt nicht akzeptieren kann. Herr
Kollege Wolf, eine gute Hausfrau kommt auch mit dem
halben Budget aus und macht noch ein hervorragendes
Essen. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen zu Hause ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt verstehe ich Ihre Gesundheitspolitik! – Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Wenn Sie den Wasserhahn aufdrehen und verdünnen!)


– Meine Mutter hat das mit acht Kindern immer geschafft,
obwohl das nicht einfach war.


(Klaus Kirschner [SPD]: Und was aus dir geworden ist, sieht man ja!)


Der Kollege Wolf hat immer die gleichen Rezepte, die
gleichen Strickmuster. Es wird ein Horrorbild von der
deutschen medizinischen Versorgung gezeichnet.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Fragen Sie einmal die Patienten, ob sie das als Horrorgemälde ansehen!)


Die Patienten sollen verunsichert werden und Sie wollen
von dem Erbe, das Sie uns hinterlassen haben, ablenken.


(Lachen bei der CDU/CSU – Detlef Parr [F.D.P.]: Realitätsblind!)


Denn nichts anderes als Ihre Bilanz haben Sie hier aufge-
zählt.




Aribert Wolf
13382


(C)



(D)



(A)



(B)


Übrigens habe ich zum Haushalt von Ihnen noch kein
Wort gehört.


(Klaus Kirschner [SPD]: Noch gar nicht angeschaut! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Angesichts des Versagens der Ministerin ist das auch schlimm!)


– Das stimmt. Er hat bestimmt nicht reingeguckt. – Ich
will mich deshalb zunächst diesem Gesundheitsetat und
seinen Schwerpunkten zuwenden.

Auf den ersten Blick nimmt sich der Einzelplan für die
Bereiche Gesundheit und Pflege mit 1,77 Milliarden DM
auch relativ bescheiden aus. Aber ich will daran erinnern:
Die Leistungen für unser Gesundheitssystem betragen
mehr als 560 Milliarden DM im Jahr und übersteigen da-
mit bei weitem den Gesamthaushalt des Bundes. Rund die
Hälfte dieser Aufwendungen für die Gesundheit wer-
den aus Beiträgen der gesetzlichen Krankenversicherung
finanziert. Unser Etat für 2001 vermindert sich gegenüber
dem Vorjahr zwar um 63 Millionen DM, aber das beruht
im Wesentlichen auf geringeren Bauinvestitionen – ich
nenne nur das Stichwort BfArM – und auch auf der im
Jahr 2000 erfolgten Abwicklung der Einmalzahlung an
die Hepatitis-C-Opfer. Darauf komme ich gleich noch
zurück. Im Übrigen leistet dieser Einzelplan 15 auch wei-
terhin seinen Beitrag zur Konsolidierung des Gesamt-
haushalts. Modellprogramme können weiter zurückge-
führt werden.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihre Gesundheitspolitik macht die Patienten richtig krank!)


Denn der erhebliche Nachholbedarf, den es aufgrund der
deutschen Einheit gab, wird zunehmend befriedigt. Zudem
sind inzwischen viele dieser Modellvorhaben – deshalb
sind es auch Modellvorhaben gewesen – in die Regelver-
sorgung und damit in die Finanzierung der Kostenträger
oder auch der Länder übergegangen.

Bei allen notwendigen Sparbemühungen stellt dieser
Einzelplan Gesundheit die Finanzierung wichtiger ge-
sundheitspolitischer Maßnahmen sicher.

Für Maßnahmen zur gesundheitlichen Aufklärung
sind wiederum 8Millionen DM eingeplant. Die Ausgaben
für die Aids-Aufklärung mit 18 Millionen DM sowie die
Aufklärung gegen Drogenmissbrauch mit 12 Milli-
onen DM werden auf hohem Niveau verstetigt. Dieses
Geld dient der Sicherung eines hohen Informationsstan-
des der Bevölkerung und vor allem der Jugendlichen. Wir
müssen leider immer wieder feststellen, dass es in den
verschiedenen Bereichen nach wie vor großen Aufklä-
rungsbedarf gibt.

Die Arbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung könnte nicht so effektiv sein, würde sie nicht
dankenswerterweise von Sponsoren in millionenschwe-
rem Wert unterstützt. In diesem Zusammenhang ist zu be-
dauern, dass die Wirkung der Aufklärungskampagne
„Keine Macht den Drogen“ auf Trikots von Spitzensport-
lern angesichts des Konsums von Drogen und auch von
Anabolika durch einige schwarze Schafe eingeschränkt
wurde. Das Verhalten dieser Sportpromis unterläuft das
Bemühen um Aufklärung.

Und nun sollen im Reichstagsgebäude auch noch Spu-
ren von Kokain gefunden worden sein. Auch das könnte
das Vertrauen in bestimmte Aufklärungsmaßnahmen et-
was schwächen. Zyniker könnten jetzt sicherlich sagen,
die Drogenbeauftragte der Bundesregierung habe mit ih-
rer Feststellung Recht, dass sich seit dem Regierungs-
wechsel vor zwei Jahren einiges bewegt habe –


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


aber leider in die falsche Richtung.
Aber, meine Damen und Herren, mit dem Umsteuern

in der Drogenpolitik zu mehr Prävention und Schadens-
minimierung haben wir den richtigen Weg eingeschlagen.
Das wird sich auf Dauer auch zeigen. Auch wenn wir da-
mit leben müssen, dass es nirgendwo und zu keiner Zeit
eine suchtfreie Gesellschaft geben wird, werden wir uns
trotzdem damit nicht abfinden.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Richtig!)

Wir müssen immer wieder verdeutlichen: Jeder Drogen-
tote ist einer zu viel.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der F.D.P. und der PDS)


Die Rentenzahlungen zur Entschädigung von Hepa-
titis-C-Opfern aus der ehemaligen DDR wurden jetzt bei
3,3 Millionen DM verstetigt und unterliegen künftig einer
Dynamisierung. Damit hat die Koalition ein wichtiges
Versprechen eingelöst. Nach Jahren des Vertröstens er-
halten die betroffenen Frauen endlich eine angemessene
Entschädigung. Das hat die alte Regierung nicht zustande
gebracht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Nein, das war der Bundesrat!)


– Sie haben den Bundesrat nicht auf Ihrer Seite. Ich weiß
das.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Moment! Sie hatten da doch die Mehrheit! – Er kennt sich nicht einmal aus!)


– Herr Zöller, ich kenne die Vorgänge genau.
In Form eines Entschließungsantrages haben wir jetzt

die Bundesregierung aufgefordert, die Weiterführung der
Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte
HIV-infizierte Personen“ zu sichern.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Der Anteil des Bundes beträgt dabei 68 Millionen DM.
Dieser Betrag muss in den Finanzplan 2001 bis 2005 ein-
gestellt werden.


(Zustimmung bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)





Walter Schöler

13383


(C)



(D)



(A)



(B)


Dies soll ein deutliches Zeichen für die weiteren an der
Stiftung Beteiligten – die Pharmaindustrie, das Deutsche
Rote Kreuz und die Bundesländer – sein. Auf der Grund-
lage des im HIV-Hilfegesetzes vereinbarten Schlüssels
werden von diesen nämlich weitere 102 Millionen DM
aufzubringen sein. Ich hoffe, dass im Rahmen der
Verhandlungen deren Zustimmung erreicht werden kann.
Die 700 Opfer des Blutskandals haben weiterhin An-
spruch auf unsere Unterstützung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Neu vorgesehen wurde im Haushalt das Aktionspro-
gramm „Umwelt und Gesundheit“ mit einem Ansatz
von 1 Million DM und Verpflichtungsermächtigungen in
Höhe von 3Millionen DM für die kommenden Jahre. Die-
ses gemeinsame Programm von BMG und BMU setzt
sich erstmalig ganzheitlich mit Fragestellungen des ge-
sundheitsbezogenen Umweltschutzes und des umwelt-
bezogenen Gesundheitsschutzes auseinander. Umweltbe-
zogene Erkrankungen sollen erforscht und Umweltrisiken
realistisch eingeschätzt werden. Die rot-grüne Bundesre-
gierung gibt mit diesem Programm ein weiteres Signal in
der Gesundheitspolitik. Wir greifen damit ein wichtiges
Thema auf, das die alte Regierung ebenfalls vernachläs-
sigt hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir begrüßen ausdrücklich das von der Bundesregie-
rung in der vergangenen Woche verabschiedete For-
schungsprogramm „Gesundheitsforschung: Forschung
für den Menschen“.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Darüber wird noch zu reden sein!)


Bis 2004 werden rund 1,1Milliarden DM für die effektive
Bekämpfung von Krankheiten, für Gesundheitsforschung
in Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft und
für die Stärkung der Forschungslandschaft durch Struktur-
optimierung und Innovationen zur Verfügung gestellt.
Auch dieses Programm zeigt: Für die Regierung ist die
Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger eines der höchs-
ten Güter. Darauf, Herr Wolf, sind wir stolz.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Herr Seehofer, den ich hier
sitzen sehe, hat uns 1998 ein besonderes Sorgenkind hin-
terlassen: das Bundesinstitut fürArzneimittel und Me-
dizinprodukte.


(Zurufe von der SPD: Oh ja! – Das kann man wohl sagen!)


Schon während der Haushaltsberatungen im vergangenen
Jahr habe ich auf die hohe Zahl von unerledigten Nach-
zulassungsanträgen aufmerksam gemacht. Sie von der
Opposition haben damals relativ wenig getan, um den
Stau bei den Zulassungen schnell abzubauen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)


Von den ursprünglich 32 000 unerledigten Zulassungsan-
trägen sollte Ende 1999 noch ein Restbestand von 14 000
Fällen übrig bleiben. So wurde uns voriges Jahr und auch
noch im Frühjahr gemeldet.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo bleibt eigentlich das Lob für die Gesundheitsministerin?)


Jetzt zeigt die neueste Statistik, dass es wieder 21 000 Zu-
lassungsfälle gibt, die noch zu erledigen sind.

Ich weiß, dass es sich um ein sehr sensibles Thema
handelt, Frau Bergmann-Pohl. Ich will auch nicht aus dem
„Spiegel“ von dieser Woche zitieren oder die Panorama-
Sendung vom 12. Oktober nochmals anführen. Dort
wurde behauptet, dass es infolge von Nebenwirkungen
von auf dem deutschen Markt befindlichen Medikamen-
ten ohne Zulassung zu einer erheblichen Zahl von Todes-
fällen komme. Ich vermag diese Meldung weder auf ihre
Richtigkeit noch auf ihre Seriosität hin zu prüfen,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aber Sie zitieren sie trotzdem!)


aber eines ist klar: Es war dringender Handlungsbedarf
geboten.


(Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

Die Gesundheitsministerin und die Koalitionsfraktionen
haben hier im Gegensatz zu der Verfahrensweise während
Ihrer Regierungszeit gehandelt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dazu gehörte auch – das will ich nicht verschweigen – die
Auswechslung in der Spitze des Instituts. Ich meine auch,
dass im Parlament bestimmte Dinge angesprochen wer-
den müssen, weil wir auch hierfür eine Mitverantwortung
haben.

Sollte der „Spiegel“-Artikel von dieser Woche zutref-
fend sein,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Den Sie ja nicht zitieren wollten!)


wonach der alte Chef – nein, ich zitiere ihn nicht, aber es
steht in diesem Bericht –


(Lachen bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie reden seit drei Minuten davon!)


seinem Nachfolger auf dem Bonner Schreibtisch nur eine
Postkarte mit dem Gruß „Viel Spaß“ hinterlassen haben
soll, würde ich dringend dazu raten, statt über das Gna-
denbrot über disziplinarische Maßnahmen nachzudenken,


(Beifall bei der SPD)

wohl wissend, dass ein hohes Maß an Verantwortung auf
der politischen Ebene Herr Seehofer hat,


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid][CDU/ CSU]: Spricht er von Klimmt?)


der vom Gesundbeter zum Rentenzampano der Union
avanciert ist,




Walter Schöler
13384


(C)



(D)



(A)



(B)



(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was hat Lafontaine denn geschrieben?)


und dass vielleicht auch seine frühere Staatssekretärin
entsprechende Verantwortung trägt.

Sie haben damals 250 Aushilfsstellen mit kw-Vermer-
ken geschaffen, nachrichtlich im Haushalt geführt, zu
finanzieren aus Gebühreneinnahmen, und da diese offen-
sichtlich nicht so flossen wie erwartet, wurde dann wie-
derum an Personal gespart. Das war dann ein Teufelskreis,
den wir nun durchbrochen haben, indem wir diese Stellen
zunächst in den Haushalt übernommen haben.

Wir haben im Jahr 2000 weitere 75 Stellen bereitge-
stellt, und 2001 sind es noch einmal 75 Stellen.

Das reicht immer noch nicht, wie wir jetzt erfahren
mussten. Deshalb haben wir die Ansätze für Sach- und
Personalkosten nochmals erhöht, haben für die Erweite-
rung der Informationstechnik, für den Geschäftsbedarf,
für eine Personalbewirtschaftung und viele andere orga-
nisatorische Punkte des Hauses 5,7 Millionen DM einge-
stellt und zusätzlich weitere 40 Planstellen vorgesehen.
Die Mehrkosten betragen nochmals 6,2 Millionen DM,
und ich befürchte, wir werden diese nicht so sehr aus Ge-
bühren finanzieren können, wie das früher vorgesehen
war.

Nicht die Sperrung eines Drittels des Etats, wie es von
Ihnen als Druckmittel im Haushaltsausschuss vorgeschla-
gen wurde, ist der richtige Weg. Ihr Antrag im Haushalts-
ausschuss war pure Ablenkung von Ihrer Verantwortung
in der Vergangenheit.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das war ein guter Antrag, Herr Kollege Schöler! Sie sollten mit Ihrer Argumentation nicht in die Irre führen!)


Sie sind auf diese Situation sehr stolz, Herr Wolf. Sie
haben eben von Stolz geredet. Das BfArM braucht keinen
Druck, das BfArM braucht Unterstützung. Wir werden sie
ihm geben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben die Befürchtung, dass die jetzt getroffenen
Maßnahmen noch nicht das Ende des Tunnels sein wer-
den, aber wir gehen einmal davon aus. Ein Bericht ist für
Anfang nächsten Jahres durch die Bundesregierung zu-
gesagt. Er wird die Situation offen legen, Zukunftsper-
spektiven aufzeigen, und danach können wir gemeinsam
beraten, um die dringend erforderliche Bearbeitung von
Nachzulassungsanträgen von Arzneimitteln zu gewährleis-
ten.

Meine Damen und Herren, es ist doch gar nicht hin-
nehmbar, dass nicht zugelassene Altmedikamente verord-
net werden und Pharmaunternehmen viele Monate auf die
Zulassung von hilfreichen neu entwickelten Medikamen-
ten warten müssen und deshalb teilweise auch ins Ausland
ausweichen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Darüber unterhalten wir uns gerne noch einmal!)


Das ist nicht hinnehmbar, aber Sie haben dafür die Ver-
antwortung. Wir haben die richtige Weichenstellung vor-
genommen und damit hoffentlich zugleich auch ein Si-
gnal an die Pharmaindustrie gesetzt.

Wir bauen auf den neuen Chef Herrn Professor
Schweim, und wir vertrauen darauf, dass er die Probleme
im BfArM schnell in den Griff bekommt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Übrigen, meine Damen und Herren, kommen wir
damit auch der Forderung der EU-Kommission nach ei-
ner intensiveren Prüfung der Arzneimittel nach. Die ge-
setzliche Grundlage haben wir im Mai dieses Jahres be-
schlossen. Mit der 10. Änderung des Arzneimittelgesetzes
wird mehr Transparenz und Qualität erreicht. Es darf kein
Arzneimittel mehr in den Verkehr gelangen, dessen phar-
mazeutische Unbedenklichkeit und dessen therapeutische
Wirksamkeit nicht belegt ist.


(Beifall bei der SPD)

Der Schutz der Patienten hat Vorrang vor wirtschaft-

lichen Interessen. Das ist unser Grundsatz.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Daher ist für die Regierungskoalition die Stärkung der Pa-
tienten- und Verbraucherrechte ein zentraler Punkt auch
der Gesundheitsreform.

Im Übrigen werden wir auch über die mit dem Zulas-
sungsverfahren verbundenen Gebühren demnächst im
Rechnungsprüfungsausschuss noch zu reden haben. Zu
dieser Altlast der Vorgängerregierung liegen nämlich ei-
nige Bemerkungen des Rechnungshofes vor. Herr
Seehofer hatte unter Mitzeichnung des damaligen Wirt-
schaftsministers – das war wohl Herr Rexrodt – eine neue
Gebührenordnung erlassen, die ja die Finanzierung der
Personalstellen sicherstellen sollte, offensichtlich als Ge-
schenk an die Pharmaproduzenten und vielleicht auch als
Wiedergutmachung für seine in den Reißwolf geschickte
Positivliste, denn statt des durchschnittlichen Gebühren-
satzes von 125 000 DM je Zulassungsfall hat man großzü-
gige Ermäßigungsregelungen eingearbeitet, die jetzt dazu
führen, dass im Schnitt nur 27 000 DM je Fall an Ge-
bühren erhoben werden können. Wer von uns wünscht
sich nicht auch eine solche Großzügigkeit des Staates bei
anderen Gebühren, die die Bürger zu tragen haben?

Gerade im Medikamentenbereich – das wissen Sie alle –
gibt es ein erhebliches Einsparpotenzial. Es kann dort ge-
spart werden, ohne die Versorgung der Kranken zu ge-
fährden. Fachleute nennen in diesem Zusammenhang
einen Betrag von über 8 Milliarden DM jährlich. Bei-
spielsweise in den Niederlanden, die Sie so oft als Vorbild
dargestellt haben und noch darstellen, verlassen nur etwa
60 Prozent aller Patienten die Arztpraxis mit einer
Medikamentenverordnung. In Deutschland hingegen er-
halten rund 85 Prozent der Patienten ein Rezept von ihrem
Arzt, obwohl sie es manchmal gar nicht haben wollen.
Von diesen Medikamenten wandert oft ein großer Teil
in den Müll. Wir brauchen deshalb die Positivliste und
halten an diesem Ziel fest. Für die Erarbeitung dieser Liste




Walter Schöler

13385


(C)



(D)



(A)



(B)


haben wir in diesem Haushalt drei Planstellen vorgese-
hen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Das ist doch nicht zu glauben! – Zuruf des Abg. Dr. Dieter Thomae [F.D.P.])


– Herr Thomae, ich war ein halbes Jahr lang Berichter-
statter für den Gesundheitsetat. In dieser Zeit hat mich ei-
ner Ihrer früheren Fraktionskollegen angerufen und mich
gebeten, mich


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sachkundig zu machen!)


verstärkt mit dieser Thematik zu befassen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ja, Sachkunde schadet nicht!)

Auf die Frage, warum er es als Berichterstatter nicht selbst
getan hat, hat er geantwortet: Es ist mir peinlich; ich hatte
nicht genügend Zeit. – Das kennzeichnet die Verantwor-
tung, die Ihre Leute offensichtlich in dieser Frage emp-
funden haben.


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! – Detlef Parr [F.D.P.]: Sehr billig!)


Der mit Abstand größte Haushaltstitel im Einzel-
plan 15 mit knapp 900MillionenDM umfasst den Bereich
der Pflegeinvestitionen, insbesondere der Investitionen in
den neuen Bundesländern. Er dient damit auch weiterhin
dem Aufbau Ost. Wir wenden etwa 918Millionen DM für
den Gesamtbereich Pflege auf. Die Pflegekassen hinge-
gen haben einen Jahresetat von knapp 33 Milliarden DM.

Was die Zukunft der Pflegeversicherung anbetrifft, so
lässt sich sagen, dass die Koalition auf einem richtigen
Weg ist.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das Defizit wird immer größer!)


Wir haben bereits wichtige Verbesserungen beschlossen
und es gibt auch neue Vorschläge der Koalitionsfraktio-
nen und der Regierung für ein Qualitätssicherungsgesetz
und zur Verbesserung der Situation dementer Pfle-
gebedürftiger. Diese Vorschläge stoßen offensichtlich auf
sehr positive Resonanz.

Im Gegensatz zu Herrn Wolf meinen wir: Die soziale
Pflegeversicherung hat ein solides finanzielles Funda-
ment.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Das zeigt auch der neueste Bericht zur finanziellen Lage
auf Grundlage der Berechnungen des Bundesversiche-
rungsamtes. Defizite werden nur vorübergehender Natur
sein.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ich glaube, Sie brauchen noch viele Anrufe aus der F.D.P.Fraktion!)


Der Mittelbestand wird dauerhaft und deutlich oberhalb
der gesetzlich vorgeschriebenen Finanzreserve von an-
derthalb Monatsleistungen sein.

Zu der Gesundheitsreform wird Kollege Kirschner
noch einige Ausführungen machen.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Welche?)

Wichtig ist für uns im Rahmen der Gesundheitsreform
2000: Wir konnten wesentliche Ziele trotz der Blockade-
politik der Opposition durchsetzen.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das Wort Blockade ist von Herrn Lafontaine!)


Die meisten Punkte konnten wir im Vermittlungsverfah-
ren verwirklichen.

Wir sollten uns darin einig sein, dass Gesundheit für
alle Menschen bezahlbar bleiben muss. Das hat weder
– wie Herr Brüderle gestern festgestellt hat – etwas mit
Vollkaskomentalität zu tun,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Womit denn sonst?)


noch mit der sozialen Hängematte, die von eurem Ex-
Kanzler in die Diskussion gebracht wurde und in der er
jetzt offensichtlich selber schaukelt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Von der Physiognomie her seid ihr euch aber ähnlich!)


Die Medizin mit ihren zahlreichen und vielfältigen Ein-
richtungen und Möglichkeiten ist für den Menschen da
und nicht umgekehrt.

Meine Damen und Herren, ich möchte ein Wort des
Dankes an all die richten, die die gesundheitliche Versor-
gung in Arztpraxen, in Kliniken und in Reha-Einrichtun-
gen sicherstellen.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Jetzt denken Sie auch an die?)


Die medizinischen Einrichtungen sind einem ständigen
Strukturwandel unterworfen, Herr Parr, und sie werden
künftig noch effizienter arbeiten müssen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist richtig! Das ist einer der wenigen richtigen Sätze!)


Dieser Strukturwandel sichert die gesundheitliche Versor-
gung, aber auch die Arbeitsplätze der dort Beschäftigten.
Das wissen die Beschäftigten genau und sie sollten sich
deshalb weder verunsichern noch für bestimmte Eigenin-
teressen Einzelner missbrauchen lassen.

Jetzt noch ein persönliches Wort an Sie, Frau Ministe-
rin Fischer.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt kommt endlich der Dank an die Ministerin! Darauf haben wir gewartet! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sind Sie sicher, dass sie noch im Amt ist?)


Ich habe mittlerweile verstanden, warum Sie ein beson-
deres Faible für die Harry-Potter-Bücher haben. Man ent-
wickelt ja so langsam einen Sinn dafür. Ich hoffe, beim
Lesen des Bandes „Die Kammer des Schreckens“ denken
Sie nicht immer an die Ärztekammer.




Walter Schöler
13386


(C)



(D)



(A)



(B)



(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Aribert Wolf [CDU/ CSU]: Sie denkt dabei an ihre eigene Partei!)


Hoffentlich halten Sie sich bei einem Besuch in der
CDU/CSU-Fraktion nicht für die „Gefangene von Aska-
pan“. Man könnte bei diesem Titel fast einen Druckfehler
vermuten und an Aspirin denken.


(Heiterkeit bei der SPD)

Wenn Sie dann aus dem „Feuerkelch“ trinken – so lautet
der Titel des dritten Bandes –, dann wird es Ihnen hof-
fentlich gelingen, den „Stein der Weisen“ zu finden. Den
hat Herr Seehofer nie gefunden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Stein der Weisen steht dafür, dass Sie beim Vertei-
lungskampf um den Beitragstopf beim Mehrfrontenkrieg
nicht immer zwischen die Mühlsteine der Kassen, der
Ärzteschaft, der Pharmaindustrie und der Kliniken gera-
ten.

Frau Ministerin Fischer, herzlichen Dank Ihnen und
Ihren Mitarbeitern für die gute Zusammenarbeit, herzli-
chen Dank auch den Kolleginnen und Kollegen Bericht-
erstattern für die kollegiale Zusammenarbeit! Ich gehe
davon aus, dass das gesamte Haus dem Gesundheitsetat
zustimmen wird. Denn bis auf einen Antrag im Haus-
haltsausschuss – der zur Sperre zum BfArM – haben Sie
überhaupt keine Anträge im Haushaltsausschuss, ge-
schweige denn heute hier im Parlament vorgelegt. Sie
müssen also sehr zufrieden mit dem Haushaltsentwurf
sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Harry Potter war gut, Herr Schöler nicht!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413707200
Herr Kollege, das
klingt jetzt schon eine Weile nach einem Schluss, deswe-
gen habe ich Sie nicht erinnert. Ihre Redezeit ist aber ab-
gelaufen.


Walter Schöler (SPD):
Rede ID: ID1413707300
Die SPD-Fraktion steht für
eine hohe medizinische Versorgungsqualität sowie für die
soziale und solidarische Finanzierung der Krankenversi-
cherung.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Rede doch draußen noch ein bisschen weiter!)


Wir werden dem Haushalt auf jeden Fall zustimmen.
Danke schön.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413707400
Das Wort hat der Kol-
lege Detlef Parr, F.D.P.-Fraktion.


Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1413707500
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Ich würde das Lob der Ministerin ja gerne

fortführen, aber mir fehlt der Grund dazu. Ich möchte mit
einem Zitat beginnen:

Die Maßnahmen der Behörden sind nicht immer
rechtzeitig und ausreichend gewesen, ihre Einhal-
tung ist nicht immer mit der notwendigen Sorgfalt
überwacht worden; die Bevölkerung ist nicht recht-
zeitig und angemessen über die denkbaren Risiken
unterrichtet worden.

So liest sich eine Schlussfolgerung aus dem Abschlussbe-
richt des britischen Untersuchungsausschusses zur BSE-
Krise. Sie trifft voll auf unsere aktuellen Verhältnisse in
Deutschland zu.


(Zuruf von der SPD: Auf die alte Regierung!)

Die beiden ersten BSE-Fälle bei deutschen Rindern

haben die eklatanten Versäumnisse der rot-grünen Bun-
desregierung in der Verbraucherschutzpolitik offen ge-
legt.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ihr Krisenmanagement, Frau Ministerin, war miserabel.
Die ARD-Korrespondentin Marion van Haaren hat es in
einem Kommentar auf den Punkt gebracht. Sie sagt, Sie
haben in Ihrer Amtszeit Blindekuh gespielt.


(Sylvia Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie denn gemacht? Gar nichts! Sie haben jahrelang geschlafen!)


Es ist Ihnen nicht gelungen, das löchrige Sicherheits-
system in Deutschland, vor allem aber in Europa zu
schließen und für den Schutz der Gesundheit unserer
Bevölkerung Entscheidendes durchzusetzen. Ganz im
Gegenteil: Sie hätten 1999 – auch noch unter deutscher
Ratspräsidentschaft – niemals einer Lockerung des Ex-
portverbots für britisches Rindfleisch zustimmen dürfen.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])


Im gleichen Jahr sind dort immer noch 2 254 BSE-
Fälle aufgetreten. Ihre damalige lapidare Begründung:
Die Umsetzung der Lockerung ist fachlich vertretbar und
rechtlich unumgänglich“. Was heißt eigentlich „rechtlich
unumgänglich“? Ein EU-Recht, das Vorrang vor den Ge-
sundheitsinteressen unserer Kinder, Frauen und Männer
hat, gehört auf den Sondermüll.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Pikant in diesem Zusammenhang – ich komme ja aus

Nordrhein-Westfalen und habe das sehr genau beobachtet –
ist die Rolle der grünen Ministerinnen Bärbel Höhn und
Andrea Fischer. Gegensätzlicher können Bewertungen
ein und desselben Sachverhalts nicht ausfallen. Die Grüne
Bärbel Höhn nahm den Ratschlag renommierter Wissen-
schaftler ernst, das Exportverbot dürfe keinesfalls vor Ab-
lauf der gesamten Inkubationsperiode von etwa fünf bis
sechs Jahren aufgehoben werden.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413707600
Herr Kollege, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Höfken?




Walter Schöler

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(C)



(D)



(A)



(B)



(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir beantragen noch zwei namentliche Abstimmungen heute Abend!)



Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1413707700
Ja, bitte.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413707800
Herr
Kollege Parr, wie beurteilen Sie denn die Tatsache, dass
es sich bei dem BSE-Fall in Schleswig-Holstein um ein in
Deutschland 1996 geborenes Tier handelt, bei dem es
keinerlei Anzeichen dafür gibt, dass es jemals mit aus
Großbritanien importierten Tieren in Kontakt getreten ist.
Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Effizienz
eines Importverbotes?


Detlef Parr (FDP):
Rede ID: ID1413707900
Ich habe meine Ausführungen
nicht in diesen Zusammenhang gestellt. Vielmehr habe
ich über das Exportverbot gesprochen und dessen Locke-
rung kritisiert. Ich bleibe dabei, dass das Exportverbot
hätte aufrechterhalten bleiben müssen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der PDS)


Zweites Beispiel: Die grüne Landesministerin forderte
frühzeitig die Entwicklung von Testverfahren. Sie trug
entscheidend dazu bei, die Schnelltests zur Marktreife zu
bringen. Bereits im Frühjahr des letzten Jahres kam der
Prionentest in Nordrhein-Westfalen an über 5 000 Schlacht-
rindern zum Einsatz. Die grüne Bundesministerin hum-
pelt erst jetzt hinterher.

Drittes Beispiel: Frau Fischer setzt auf Europa – das
muss Sie auch – und auf langwierige Gespräche, die oft
ergebnislos verlaufen. Gestern noch verstieg sich der
Staatssekretär des Landwirtschaftsministeriums im Ge-
sundheitsausschuss in diesem Zusammenhang zu einem
Hinweis auf den freien Warenverkehr innerhalb der Ge-
meinschaft.


(Zuruf von der CDU/CSU: Skandalös!)

Das kann doch wohl nicht wahr sein!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Frau Höhn dagegen erhöht den Druck auf die handelnden
Personen und setzt sich für nationale Alleingänge als dras-
tische Signale ein. Ich denke, es ist notfalls doch besser,
die Gefahr eines Vertragsverletzungsverfahrens in Kauf
zu nehmen, als das Heft des Handelns allein den europä-
ischen Bürokraten in die Hand zu geben.

Ein weiteres Trauerspiel kann man im Bereich der For-
schung beobachten. Frau Ministerin, Sie haben in allen
Ihren Talkshow-Auftritten auf Fortschritte auf diesem
Feld hingewiesen. Aber der Blick in Ihren Bericht und auf
die 71 Seiten des viel gelobten und soeben vorgestellten
Gesundheitsforschungsprogramms bestätigen Ihre Akti-
vitäten keineswegs: Von drei BMG-Projekten zur Erfor-
schung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit stammen zwei
aus den Jahren 1993 und 1997 und damit aus der Regie-
rungszeit der alten Bundesregierung.


(Zuruf von der CDU/CSU: Seehofer!)

Nach der Regierungsübernahme spielte die BSE-For-
schung im BMG bis zum Haushaltsjahr 2000 überhaupt

keine Rolle; das ist auch dem Bericht zu entnehmen. Für
das Jahr 2001 liegt der Antrag für sage und schreibe ein
Forschungsvorhaben vor.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Die haben geschlafen!)


Auch der Forschungsverbund TSE beim Ministerium
für Bildung und Forschung wurde bereits im Januar 1993
eingerichtet. Besondere zusätzliche Aktivitäten während
Ihrer Regierungszeit sind nicht erkennbar. Ganz im Ge-
genteil: Nach Aussagen einer Ärztin in einer der zahlrei-
chen Talkshows gehen immerhin 10 bis 15 Prozent der
betroffenen Fälle auf familiäre Dispositionen zurück – mit
anderen Worten: sie sind genetisch bedingt.

Frau Ministerin, Sie führen in einem Positionspapier
Ihres Hauses unmissverständlich aus, Sie wollten das
Schutzniveau des Embryonenschutzgesetzes nicht an-
tasten. Offensichtlich wollen Sie auch in eng begrenzten
und gegen Missbrauch abgesicherten Bereichen keinen
Millimeter des zehn Jahre alten Gesetzes zur Diskussion
stellen, um auf diese Weise der Forschung neue Möglich-
keiten zu eröffnen.


(Beifall bei der F.D.P.)

De facto bedeutet das ein Forschungsverbot! In Deutsch-
land soll es wohl keine neuen Vorsorgemaßnahmen und
keine erweiterten Heilungschancen geben. Also bleibt für
Forscher und Patienten wieder nur der Weg ins Ausland.
Das kann nicht in Ordnung sein!


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Forscher raus!)


Wir haben in einem Antrag zum Haushalt zusätzliche
50 Millionen DM zur Erforschung der Ursachen und der
Folgen sowie der Möglichkeiten zur Bekämpfung der
Rinderseuche gefordert. Wenn aus den UMTS-Zins-
ersparnissen zu Recht Mittel in die Bildung und die Ver-
kehrsinfrastruktur fließen, so darf doch die Förderung
zusätzlicher Anstrengungen zum Ausbau des Gesund-
heitsschutzes unserer Bevölkerung erst recht nicht ver-
gessen werden. Der SPD-Kollege Lewering hat in der ers-
ten Lesung des Haushalts ausgeführt:

Wir haben vor der Wahl versprochen, den Schutz der
Menschen vor Gesundheitsgefahren zu einem Leit-
gedanken der Gesundheitspolitik zu machen. Auch
in diesem Punkt halten wir Wort.

Halten Sie Wort und stimmen Sie unserem Antrag zu! Wir
sind das den Menschen in unserem Land auch im Hinblick
auf das notwendige Vertrauen in unser Gesundheitssys-
tem schuldig. Es hat bereits durch das unverständliche
Festhalten der Bundesregierung an völlig überholten Vor-
stellungen zur Steuerung des Systems erheblich gelitten.

Frau Ministerin, Sie haben in der ersten Lesung des
Haushalts ausgeführt:

Die Koalition wird sich sicherlich weiterhin mit der
Frage beschäftigen, ob die Budgets in der jetzigen
Form handhabbarer gemacht werden müssen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Abschaffen!)





Vizepräsidentin Petra Bläss
13388


(C)



(D)



(A)



(B)


Es geht aber weder um Handhabbarkeit noch um Geset-
zestechnik, sondern es geht um die Frage der Zukunfts-
fähigkeit unseres Gesundheitssystems.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Mit einer Ausgabendeckelung und einer damit ein-

hergehenden staatlich verordneten Leistungsverweige-
rung ist die Zukunft nicht zu gestalten. Die Patienten sind
dieser Entwicklung ohnmächtig ausgeliefert. Sie können
sich nicht wehren, wenn zum Beispiel Medikamente nicht
mehr verschrieben werden, dringend notwendige Heilbe-
handlungen beim Physiotherapeuten nicht mehr durchge-
führt werden, nach einem Schlaganfall die erforderliche
Sprachschulung beim Logopäden nicht mehr übernom-
men wird, Praxen zeitweise geschlossen bleiben, weil die
Ärzte nicht länger bereit sind, zum Nulltarif zu arbeiten,
oder Wartelisten entstehen und Behandlungen zeitlich
verschoben werden. Man kann die Beispiele für Ratio-
nierungen beliebig fortsetzen. Diese schleichende Ratio-
nierung hat längst eine beängstigend rasante Fahrt aufge-
nommen.


(Dr. Irmgard Schwaetzer [F.D.P.]: Zuteilungsmedizin!)


Stoppen Sie sie endlich, schaffen Sie die Budgetierung
ab


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


und geben Sie den freien Berufen auf dem Wachstums-
markt Gesundheit endlich wieder eine Chance.

Wie so oft stellen wir fest, dass die Menschen im Den-
ken längst viel weiter sind als die Politik. Nach einer Em-
nid-Umfrage empfinden 69 Prozent der Befragten das
Arzneimittelbudget als gefährlich, da es zu einer Unter-
versorgung führt. Hochgerechnet sind bereits etwa drei-
einhalb Millionen Menschen in Deutschland von Arznei-
mittelablehnungen betroffen.

Der Arzneimittelbeauftragte der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung, Dr. Bausch aus Hessen, weist in
einer Untersuchung unmissverständlich Leistungsein-
schränkungen nach. Die Gmünder Ersatzkasse stellt in ei-
ner sorgfältig durchgeführten Erhebung bei ihren Mitglie-
dern fest, dass die Arzt-Patienten-Beziehung einen
erheblichen Vertrauensbruch erlitten hat. Ein grundlegend
falsches System handhabbarer zu machen ist ein Fehler.
Lösen Sie sich von dieser Illusion, Frau Ministerin.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir sollten uns ein Zitat, das erschreckend ist, näher
ansehen. Die Gmünder Ersatzkasse schreibt in der ge-
nannten Erhebung:

Wenn schon in einem Quartal fast 30 Prozent der
behandelten Befragten Erfahrungen mit Leistungs-
verweigerung hatten, bedeutet dies, dass in einem
gesamten Jahr bei unveränderten Bedingungen deut-
lich mehr als ein Drittel der Krankenversicherten sol-
che Erfahrungen machen.

In diesem Zusammenhang möchte ich abschließend ei-
nen Blick auf die MEDICA in Düsseldorf werfen. Eine

Veranstaltung des Deutschen Krankenhaustages fand be-
sonderen Zulauf. Sie war überschrieben mit dem Motto:
Leistungsgerechte Vergütung versus Budgetierung. Frau
Ministerin, die Teilnehmer hatten wohl die von Ihnen ver-
teilte Beruhigungspille bei der Eröffnung in Form Ihrer
Absichtserklärung entgegengenommen. Die Einführung
der DRGs, der Fallgruppenpauschalen im Krankenhaus
sollte keinesfalls zu einem Preissystem mit Budgetierung
und floatenden Punktwerten führen.


(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Hochinteressant!)

Das haben Sie gesagt. Geschluckt hatten sie diese Pille

aber noch nicht. Zu frisch klang ihnen noch die Forderung
des grünen Parteirats nach sektoralen Budgets mit Unter-
legung von DRGs in den Ohren. Was denn jetzt? Wie denn
jetzt? Sagen Sie uns bitte, wie Sie Ihre Erklärung mit die-
sem Beschluss zusammenbringen wollen! Ich bin mir si-
cher, es wird Ihnen nicht gelingen.

Letzte Bemerkung: Wenn das Unternehmen Kranken-
haus – so das Motto des Krankenhaustages – wirklich in
die Lage versetzt werden soll, unternehmerisch zu han-
deln, dann muss die Planwirtschaft weg. Budgets, DRGs
und unternehmerischer Wettbewerb passen einfach nicht
zusammen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413708000
Es spricht jetzt die
Kollegin Katrin Göring-Eckardt für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Vielleicht lobt die jetzt endlich die Ministerin!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lob hat.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich
möchte gerne zwei Vorbemerkungen machen. Die erste
Vorbemerkung betrifft Herrn Wolf und Herrn Schöler.
Wenn mein Mann kocht, dann geht es nicht darum, wie
viel es kostet, sondern erstens darum, wie es schmeckt,
und zweitens darum, ob es harmonisch zusammenpasst.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ist es auch mit unserer Gesundheitspolitik.

Die zweite Vorbemerkung, Herr Wolf, richtet sich nur
an Sie. Sie haben gesagt, wir würden die Ängste und Nöte
der Menschen nicht ernst nehmen. Dann haben Sie mehr
als 20 Minuten hier gestanden und die Themen Creutz-
feldt-Jakob-Krankheit und BSE, die in dieser Woche
wirklich allen Menschen auf den Nägeln brennen, mit
keinem Wort erwähnt.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir haben doch heute noch einen eigenen Tagesordnungspunkt dazu!)


Ich bin Herrn Parr und auch Ihnen dankbar, dass Sie ge-
meinsam mit uns den Gesetzesantrag einbringen. Ich
glaube aber, Herr Wolf hatte einen Grund, warum er heute




Detlef Parr

13389


(C)



(D)



(A)



(B)


nicht darüber geredet hat. Wenn man sich ansieht, was Sie
in Ihrer Regierungszeit getan haben, dann gibt es dazu
nämlich etwas Konkretes und etwas Allgemeines zu sa-
gen.

Das Konkrete wurde im Jahr 1995 fortgesetzt mit
Äußerungen des damaligen Bundesgesundheitsministers
Horst Seehofer, der der „Bild“-Zeitung gesagt hat, BSE
sei kein Problem bei deutschem Rindfleisch.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: War es auch nicht!)


Weiterhin wurde gesagt:
... Horst Seehofer ... verteidigte sein Vorgehen im
Streit um die Lockerung britischer Rindfleischim-
porte als „konsequent vorbeugenden Gesundheits-
schutz“.

Es wurde außerdem gesagt:
Der Minister kritisierte die öffentliche Diskussion
des Themas in den letzten Tagen und sprach von
„Halbwahrheiten und schlichtweg unverantwortli-
cher Panikmache“. Dagegen kritisierte die Grünen-
Abgeordnete Ulrike Höfken-Deipenbrock, es sei un-
seriös, bei dreijährigen Rindern keine Gefahr
anzunehmen. Die Inkubationszeit bei BSE betrage
bis zu 17 Jahre.

Das ist das Konkrete, was in Ihre Regierungszeit fällt.
Jetzt komme ich zum Allgemeinen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413708100
Frau Kollegin, erlau-
ben Sie, bevor Sie dazu kommen, eine Zwischenfrage des
Kollegen Wolf?


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Aribert Wolf (CSU):
Rede ID: ID1413708200
Sie wissen, dass heute
Abend noch eine Debatte zum Thema BSE stattfindet. Ich
habe dazu nichts gesagt, weil ich nichts davon halte, alles
fünfmal mit denselben Argumenten durchzukauen.

Meine Frage zielt auf den möglichen Beitritt zu einer
Klage Frankreichs gegen die EU-Kommission, die wollte,
dass das Importverbot fällt. Im Gesundheitsausschuss
stand ein solcher Beitritt zur Debatte und es wurde darü-
ber abgestimmt. Eine Kollegin von Ihnen sagte damals,
sie sei der Meinung, dass mehr auf den Weg gebracht wer-
den müsse. Sie stimmte einem Antrag der CDU/
CSU-Fraktion zu. Diese Kollegin ist hinterher ausge-
tauscht worden, das heißt, sie musste den Gesundheits-
ausschuss verlassen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Und die Abstimmung ist wiederholt worden!)


Wie stehen die Grünen zu einem Importverbot? Ja oder
nein? Wäre ein Importverbot nicht ein zusätzlicher Schutz
gewesen? Sie und Ihre Ministerin haben der deutschen
Bevölkerung diesen Schutz letztlich verweigert, indem
Sie das Importverbot aufgehoben haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschlands in der EU-Kommission. Sie wissen vor al-
len Dingen eines: Ein Importverbot hätte zu dem Zeit-
punkt, als wir im Gesundheitsausschuss darüber geredet
haben, nichts genützt. Der Grund dafür ist ganz einfach:
Mit einem Importverbot hätten wir nicht ausschließen
können, dass deutsche Verbraucherinnen und Verbraucher
mit britischem Rindfleisch, das über andere Länder ein-
geführt worden ist, konfrontiert werden.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Beim Seehofer war es etwas ganz anderes! Das ist eine Logik!)


– Herr Zöller, ich sage Ihnen gerne, was anders war. Der
Unterschied besteht darin, dass wir dafür gesorgt haben,
dass die Verbraucherinnen und Verbraucher wissen, was
sie auf den Tisch bekommen. Wir haben nämlich eine
konsequente Etikettierung eingeführt. Das haben Sie da-
mals nicht gemacht. Sie haben von Qualitätssiegeln aus
Bayern geredet usw.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Was ist denn „Qualitätssiegel aus Bayern“?)


Ich komme jetzt auf den allgemeinen Aspekt zu spre-
chen. Er geht über das hinaus, was uns in dieser Woche
beschäftigt. Wir Grünen haben in den letzten Jahren von
Ihrer Seite sehr häufig erlebt, dass Sie all das als Spinne-
rei bezeichnet haben, was die Forderung enthielt, die bio-
logische Landwirtschaft zu fördern. Damals haben ein
paar Menschen ihre Standpunkte beibehalten – Sie haben
sie auch öffentlich als Spinner bezeichnet –,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer? Wenn Sie „Sie“ sagen, müssen Sie schon Namen nennen!)


obwohl die Politik die artgerechte Tierhaltung zur Pro-
duktion von gesundem Fleisch nicht gefördert hat, ob-
wohl sich die Politik nicht um salmonellen-belastete Eier
und genmanipuliertes Gemüse gekümmert hat.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sie machen doch momentan die gleichen Bauern kaputt!)


– An dieser Stelle geht es übrigens nicht um Klein- und
Großbauern. Das ist völlig falsch. – Weil diese Menschen
ihre Standpunkte beibehalten haben, besteht heute die
Möglichkeit, dass sich die Verbraucherinnen und Ver-
braucher für Nahrungsmittel entscheiden können, die aus
ökologischem und damit tatsächlich unbedenklichem An-
bau stammen. Ich bin sehr froh, dass diese Menschen
ihren Kampf durchgehalten haben. Wir müssen langfris-
tige Maßnahmen ergreifen, um diese Politik konsequent
fortzusetzen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage Ihnen noch etwas zu den Klein- und Groß-

bauern. Auch bei Kleinbauern stehen die Rinder mitunter
so eng beieinander, dass die Übertragung von Krankhei-
ten nicht auszuschließen ist. Auszuschließen ist auch dort
nicht das Vorhandensein von Antibiotika in Futtermitteln.
Es gibt gerade in Ostdeutschland eine ganze Menge von
Großbauern, deren Rinder vorwiegend im Freien sind. Es
geht also nicht um die Größe eines landwirtschaftlichen
Betriebes. Es geht vielmehr darum, ob unsere Landwirt-




Katrin Göring-Eckardt
13390


(C)



(D)



(A)



(B)


schaftspolitik statt einer industrialisierten eine artgerechte
Tierhaltung ermöglicht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Detlef Parr [F.D.P.]: Da sind Sie aber weit von der Gesundheit weg, Frau Kollegin!)


– Ich glaube nicht, dass das weit weg von der Gesundheit
ist. BSE ist das Gesundheitsproblem, das die Menschen in
dieser Woche vor allen Dingen bewegt.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Das ist richtig, aber Sie diskutieren die landwirtschaftlichen Fragen!)


Ich möchte auf einen anderen Teil der Gesundheitspo-
litik zu sprechen kommen. Wir müssen uns gemeinsam
überlegen, ob uns das, was wir in dieser Zeit erleben, nicht
dazu bringen sollte, die Kompetenzen des Verbraucher-
schutzes in diesem Lande – ich denke auch an die Mög-
lichkeiten der Menschen, Verbraucherschutz wahrzuneh-
men – sehr stark zu erweitern, und zwar weit über das
hinaus, was unsere Regierung schon tut.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Darüber müssen wir reden!)


Ich möchte nicht wiederholen, was hier zu den Schwer-
punkten des Haushalts schon gesagt worden ist. Ich
möchte gern darüber sprechen, was diese Schwerpunkte
im Hinblick auf diejenigen Fragen bedeuten, die uns ge-
sundheitspolitisch interessieren.

Sie haben hier einen Punkt angesprochen, auf dem Sie
offensichtlich unablässig herumreiten wollen: die Budge-
tierung. Was ist denn Budgetierung überhaupt,


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das wissen Sie noch nicht einmal? Das kann doch wohl nicht wahr sein!)


sieht man einmal von den sektoralen Budgets ab, die Sie
aufgrund Ihres Abstimmungsverhaltens im Bundesrat zu
verantworten haben? Das ist ja nicht das, was wir einge-
führt haben oder was uns gefällt.


(Lachen bei der CDU/CSU)

Wir wollen die Beitragssatzstabilität erhalten, weil die
Arbeitsmarktpolitik für diese Regierung eine entschei-
dende Frage ist.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Darum denken jetzt alle Kassen über Beitragserhöhungen nach?)


Aus diesem Grund kann es uns nicht um sektorale Bud-
gets gehen; die haben Sie zu verantworten. Wir wollen
dagegen, dass das Geld, das zur Verfügung steht, sinnvoll
verteilt wird. Uns geht es also – das ist der erste Punkt –
um Beitragsgerechtigkeit und damit auch um Generatio-
nengerechtigkeit.

Der zweite Punkt: Alle medizinisch notwendigen Leis-
tungen – auch hier unterscheiden wir uns von Ihnen, wenn
Sie von Wahl- und Kernleistungen reden – müssen auch
für alle zur Verfügung stehen. Wahlfreiheit der Versicher-
ten darf nicht heißen, dass man zwischen besserer oder
schlechterer Versorgung zu wählen hat. Deswegen disku-
tieren wir auch über den Risikostrukturausgleich; ich
hoffe übrigens, dass wir mit Ihnen darüber gemeinsam
diskutieren können.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das hängt von Ihnen ab!)


Es geht dabei nicht um einen Wettbewerb um die billigs-
ten Patienten – da sind wir mit Ihnen völlig einig –, son-
dern um einen Wettbewerb um die beste Versorgung. In
dieser Diskussion, die wir gemeinsam zu führen haben,
geht es also darum, wie es mit der Einnahmeseite des Ge-
sundheitssystems in Deutschland aussieht. Wir dürfen da-
bei aber nicht zu dem Ergebnis kommen, die Einnahme-
seite über höhere Beiträge oder über höhere Zuzahlungen
zu verbessern. Das ist ja vielleicht Ihre Idee.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Nein, das war doch Ihre Idee!)


Wenn wir über die Einnahmeseite reden, darf das nicht
nach dem Motto ablaufen: „Wir ziehen den Patienten
mehr Geld aus der Tasche“, sondern es geht um mehr Bei-
tragsgerechtigkeit. Dazu haben wir auch einen entspre-
chenden Beschluss gefasst.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Wie schaut das konkret aus? Dazu können Sie jetzt nichts sagen, oder? Sie können hier nur allgemein herumlabern! – Gegenruf der Abg. Gudrun SchaichWalch [SPD]: Hier wird nicht gelabert! Was ist das für eine Ausdrucksweise?)


Über einige andere Fragen wird man dann sehr konkret
und zeitnah reden müssen. Da würde ich auch nicht sagen,
dass all das, was an Gesundheitspolitik in Deutschland
über viele Jahre hindurch gemacht wurde, der oder der zu
verantworten hat. Es gibt nämlich ein paar Krankheiten
– nicht erst seit zwei Jahren, sondern schon viel länger –,
um die wir uns besonders kümmern müssen. Dazu gehört
– dieses Thema haben Sie auch angesprochen, Herr Wolf –
die Diabetesversorgung. Wir haben dazu einen Antrag
verabschiedet; dazu muss es noch weitere Maßnahmen
geben. Dazu gehören Krebs, insbesondere Brustkrebs,
und Allergien. Das geht schließlich bis hin zur Gesund-
heitserziehung an Schulen und zu der Frage, wie sich die
Zahl der Unfalltoten verringern ließe.

Wir sollten uns also gemeinsam auf einen Aktionsplan
„Gesundheitsziele“ verständigen, in dem konkrete Maß-
nahmen festgelegt werden, die dazu führen, dass unser
Gesundheitssystem auch zukunftsfähig bleibt.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Aber mit Budgetierung schaffen Sie keine Zukunftsfähigkeit!)


– Es geht nicht um Budgetierung, sondern darum, dass die
Menschen im Hinblick auf sehr konkrete Krankheiten Si-
cherheit bekommen.

In diesem Zusammenhang sind für uns drei Punkte
ganz besonders wichtig: Es muss solidarisch ablaufen,
was gegen Kern- und Wahlleistungen, aber auch gegen
Zuzahlungen spricht, es muss patientennah sein und es
muss die Menschen als Partner verstehen, was eine Ge-
sundheitspolitik über die Köpfe der Menschen hinweg
ausschließt.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Katrin Göring-Eckardt

13391


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413708300
Das Wort hat für die
PDS-Fraktion die Kollegin Ruth Fuchs.


Dr. Ruth Fuchs (PDS):
Rede ID: ID1413708400
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Liebe Kollegin Göring-Eckardt, das
Letzte höre ich sehr gerne. Endlich Gesundheitsziele fest-
zulegen wäre wirklich etwas Neues. Das fände unsere Un-
terstützung, vorausgesetzt, die Programme würden ent-
sprechend ausgerichtet werden.


(Beifall bei der PDS)

Aber zurück zum Haushalt: Der Einzelplan 15 ist bei

überwiegender Fortschreibung der bekannten Aufgaben
durch die Sparvorgaben des Finanzministers geprägt. An
dieser Grundbewertung ändert auch die Tatsache nichts,
dass die Aufnahme des Programms „Umwelt und Ge-
sundheit“ positiv zu bewerten ist. Diese Bewertung gilt
auch für das erfolgreiche Bemühen, die humanitäre Hilfe
für die HIV-Opfer durch Blut und Blutprodukte über das
Jahr 2004 hinaus weiterzuführen.

Aus gesundheitspolitischer Sicht liegt der Hauptfehler
des Bundeshaushalts nicht im Einzelplan 15, sondern ist
im Haushalt des Bundesministers für Arbeit und Soziales
zu finden, über den wir vorhin schon debattiert haben. Die
dort vorgenommene Kürzung des Zuschusses für die
Krankenversicherungsbeiträge der Arbeitslosenhilfebe-
zieher um 1,2 Milliarden DM macht einen neuen großen
Verschiebebahnhof zulasten der GKV auf.


(Beifall bei der PDS – Aribert Wolf [CDU/ CSU]: Da haben Sie Recht!)


Dadurch werden der gesundheitlichen Versorgung enor-
me Mittel entzogen. Bei der gegenwärtigen Einnahmen-
situation der GKVen ist das unverantwortlich.


(Beifall bei der PDS Detlef Parr [F.D.P.]: Eine Sauerei ist das!)


Meine lieben Damen und Herren von CDU/CSU und
F.D.P., von Ihnen waren wir Verschiebebahnhöfe über
Jahre gewohnt. Aber Sie, meine Damen und Herren von
der Koalition, müssen mir und vor allen Dingen Ihrer
Wählerschaft folgenden Widerspruch erklären: In Ihrer
Oppositionszeit haben Sie diese Art von Haushaltssanie-
rung immer aufs Schärfste kritisiert. Damals haben Sie
diese Politik für unsozial und ungerecht gegenüber der
Versichertengemeinschaft gehalten.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: So ist es!)

Ich nenne das schlicht und einfach Beitragsklau; das gilt
für früher wie für heute.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Aber wir sind ja lernfähig!)


Mit Ihrer vor wenigen Minuten entschiedenen Ablehnung
unseres Antrags haben Sie genau das getan. Die Folgen
Ihres Handelns haben Sie nun alleine zu verantworten.

Für die Mehrausgaben der Kassen beim Krankengeld,
die als Ergebnis der Änderungen bei den Erwerbsun-
fähigkeitsrenten entstehen, gibt es keinen Ersatz. Auch
wenn diese jetzt nur 250Millionen DM pro Jahr betragen,


(Wolfgang Lohmann [CDU/CSU]: Angeblich!)


bleibt es das Geheimnis der Bundesregierung, wie sie
ihre gesamten finanzpolitischen Willkürakte angesichts
zukünftiger Mehrbelastungen der GKVen in den kom-
menden Jahren zu verantworten glaubt.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Sehr richtig! Die PDS gibt uns Recht!)


Ich sage Ihnen: Dem Wunschtraum, die Gesundheitsre-
form 2000 werde das schon irgendwie richten, wird ein
böses Erwachen folgen.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Auch wieder richtig!)


Durch die Ereignisse dieser Woche ist in die Haus-
haltsdebatte ein recht unerfreuliches Thema geplatzt, und
zwar die BSE-Problematik. Dieses Thema ist zwar nicht
neu, aber nachdem die wirkliche Dimension dieses Pro-
blems deutlich geworden ist, erleben wir hektische Akti-
vitäten und heftige gegenseitige Schuldzuweisungen.
Niemand möchte den schwarzen Peter behalten, niemand
hat Schuld, wenn es um den Anteil an der Verharmlosung
der Gesundheitsgefahren von BSE in Ihren jeweiligen
Regierungszeiten geht.

Aber ist es nicht so, dass alle – ich betone: alle – davon
reden, dass das Vorsorgeprinzip verlangt, auch Risiken,
die nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können,
weil Wissenslücken existieren, grundsätzlich als real
anzusehen und nach Möglichkeit zu beseitigen? Ist es
nicht so, dass die Krankheit BSE angesichts der poten-
ziellen Gesundheitsgefahren geradezu als klassischer Fall
für eine konsequente Anwendung dieses Prinzips gelten
muss?


(Beifall bei der PDS)

War es nicht so, dass Minister Seehofer das Problem be-
reits Anfang der 90er-Jahre durchaus auf diese Weise an-
gehen wollte, er aber schon nach kurzer Zeit – von wem,
habe ich nicht zu beantworten – zum Rückzug gezwungen
wurde?

Aber haben nicht auch SPD und Grüne, damals noch
scharfe Kritiker dieser Entwicklung, ihre guten Vorsätze
mit Übernahme der Regierungsverantwortung auf eigen-
artige Weise sofort vergessen? Wie anders ist es sonst zu
erklären, dass die Regierung die Umsetzung des EU-Be-
schlusses zur Vernichtung von Risikomaterialien bis zum
Oktober dieses Jahres immer wieder hinausgezögert hat,
dass sich Gesundheitsministerin Fischer der Aufhebung
des Importstopps im Falle Großbritanniens zu einem Zeit-
punkt fügte, als von einem Ende der mit dem Import ver-
bundenen Gefahren keineswegs die Rede sein konnte?


(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: So war es!)

Blieb nicht auch unter Rot-Grün das Thema Tiermehl un-
angetastet, obwohl ständig das Risiko bestand, dass das
Tiermehl trotz des Verbotes auch in Rinderfutter gelangen
konnte?

Natürlich trifft es zu, wenn die Gesundheitsministerin
von einem „GAU der industrialisierten Landwirtschaft“






(C)



(D)



(A)



(B)


spricht. Aber Recht hat auch die „Süddeutsche Zeitung“,
wenn sie von einem gleichzeitigen GAU der Seuchen-
bekämpfungspolitik in diesem Lande schreibt. Angesichts
Letzterem sind, wenn es auch viel zu spät erfolgt, das jetzt
angestrebte umfassende Tiermehlverbot und der Einsatz
von Schnelltests, welche wir heute Abend – hoffentlich
alle zusammen – beschließen werden, vor allem von den
Gesundheitspolitikern zu unterstützen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413708500
Es spricht jetzt die
Bundesministerin für Gesundheit, Andrea Fischer.


Andrea Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413708600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte
mich zu Beginn meiner Rede bei den Berichterstattern für
die gute Zusammenarbeit bei der Haushaltsberatung so-
wie bei meinen Mitarbeitern, die die Berichterstatter
– was diese im Haushaltsausschuss gesagt haben – auf das
Allerbeste unterstützt haben, bedanken. Besonders gilt Ih-
nen mein Dank für Ihre Unterstützung bei den Verände-
rungen, die beim BfArM anstehen. Der Kollege Schöler
hat dazu bereits das Notwendige gesagt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Auch ich möchte mit einigen Aussagen zum Thema
BSE beginnen: In der Vergangenheit hat es zwar in die-
sem Zusammenhang viele Maßnahmen gegeben. Offen-
kundig waren diese jedoch nicht ausreichend. Wir müssen
uns der Tatsache stellen, dass dieses Thema näher an uns
herangerückt ist, als wir dies lange Zeit wahrhaben woll-
ten. Nun haben wir es mit einer sehr tief greifenden Ver-
unsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher zu
tun. Ich glaube, dass wir das Vertrauen in die Politik nicht
dadurch wieder herstellen, dass wir beschwichtigen und
uns darauf verlassen, dass der erste BSE-Befall eines Rin-
des in Deutschland ein Einzelfall gewesen sein könnte.
Jetzt müssen wir ehrlich sein.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Nicht erst jetzt! Man muss immer ehrlich sein!)


– Herr Wolf, wir können gerne noch einmal darüber spre-
chen, warum jetzt plötzlich ein entschlossenes Handeln
möglich ist, was lange Zeit sehr schwer durchzusetzen
war.

Ich könnte Ihnen jetzt sagen, von welcher Seite
Widerstand kommt. Ich habe es gestern im Landwirt-
schaftsausschuss sehr deutlich gemerkt: Unter den Land-
wirtschaftspolitikern ist das Tiermehlfütterungsverbot
parteiübergreifend eine bittere Pille.


(Beifall der Abg. Regina Schmidt-Zadel [SPD])


Da sollte sich hier keiner etwas vormachen. Das Gleiche
gilt für die Frage der BSE-Tests, die von den Landwirt-
schaftspolitikern ebenfalls sehr kritisch beurteilt werden,
weil man Angst hat, dass man damit überhaupt erst die

Nachricht in die Welt setzt, es gebe in Deutschland ein
BSE-Problem.

Vielleicht werden auch wir hier in Deutschland einmal
ähnlich wie die Briten einen Bericht vorlegen – ich fände
das interessant –, wer wann was wie falsch gemacht hat.
Im Moment aber ist es viel klüger, dass sich jeder an seine
Nase packt und überlegt, was man vielleicht hätte anders
machen müssen, und dass man dann ebenso wie beim
Tiermehlfütterungsverbot bei allen anderen in diesem Zu-
sammenhang erforderlichen Maßnahmen gemeinsam
vorgeht. Unsere Aufgabe ist es, mit der jetzigen Situation
umzugehen. Manche Dinge sind jetzt möglich, die lange
Zeit wegen großer Widerstände nicht möglich waren.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Bärbel Höhn hat es ja gemacht! Die war Meilen voraus! – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Da haben Sie unsere Unterstützung!)


Das Tiermehlverbot ist ein dramatischer Eingriff in ei-
nen ganzen Wirtschaftszweig. Es verlangt von allen Be-
teiligten unglaublich viele Umstellungsmaßnahmen. Of-
fenkundig bedurfte es erst eines weiteren Vorfalles, bis
endlich Handlungsbereitschaft entstanden ist. Darüber
könnte ich als Grüne sehr lamentieren. Das tue ich nicht,
sondern ich sage: Ich bin froh, dass uns die Durchsetzung
dieses Verbotes jetzt gelingt. Das ist ein wichtiger und be-
deutsamer Schritt. Noch bedeutsamer ist, dass dieser
Schritt jetzt offensichtlich auch auf EU-Ebene zumindest
in die Nähe des Möglichen rückt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Denn wir müssen in diesem Bereich etwas tun; auf ande-
rem Wege können wir keine Sicherheit herstellen.

Ich verweise im Zusammenhang mit der
Fleischhygienedringlichkeitsverordnung, die ich zurzeit
mit den Ländern berate und die vermutlich nächste Woche
verkündigungsreif ist, darauf, dass die Länder dafür zu-
ständig sind, BSE-Tests durchzuführen. Ich kenne auch in
diesem Zusammenhang Äußerungen von Mitgliedern
mancher hier im Hause vertretenen Partei, warum man
keine Ausweitung der Tests vornehmen wolle. – Auch
dies also dazu, dass sich jeder einmal an die eigene Nase
packen sollte.

Es ist notwendig und richtig, dass wir jetzt flächen-
deckende Tests einführen, ohne dabei die Verbraucherin-
nen und Verbraucher in falscher Sicherheit zu wiegen.
Denn diese Tests werden uns zwar Aussagen darüber ge-
ben, wie die epidemiologische Lage ist. Aber sie bieten
keine hundertprozentige Sicherheit darüber, wie es um
das einzelne Tier steht.

Jetzt nur noch kurz ein Wort zum Exportverbot – denn
ich möchte auch noch auf die Gesundheitspolitik zu spre-
chen kommen –: Der Europäische Rat von Florenz im
Jahre 1996 hat festgelegt, unter welchen Bedingungen das
Exportverbot für britisches Rindfleisch aufgehoben wer-
den kann. Wenn ich mich nicht völlig täusche und nicht
schon vom Rinderwahnsinn befallen bin,


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie heißen ja auch Fischer und nicht Kalb wie ich!)





Dr. Ruth Fuchs

13393


(C)



(D)



(A)



(B)


waren ich und die anderen, die jetzt auf der Regierungs-
bank sitzen, 1996 noch nicht an der Regierung. Als das
Importverbot letztes Jahr aufgehoben wurde, waren die
Bedingungen, die der Europäische Rat von Florenz unter
Beteiligung der damaligen deutschen Bundesregierung
aufgestellt hatte, erfüllt. Deswegen wurde das Importver-
bot aufgehoben.

Deutschland bzw. die neue Bundesregierung hat trotz-
dem dagegen gestimmt. Aber wenn das Importverbot von
allen anderen Ländern erst einmal aufgehoben ist, dann
kann man zwar in Bezug auf das europäische Recht
Robin Hood spielen, so wie Herr Parr das hier versucht
hat, aber dann sind Sie noch lange kein Verbraucher-
schützer. Denn ein Verbraucherschützer muss sich doch
die Frage stellen, ob man nur heldenhaft gegen europä-
isches Recht kämpft oder ob man nicht auch dafür sorgen
sollte, dass die Menschen wissen, welches Fleisch sie auf
den Teller bekommen. Denn auf alle anderen Mitglied-
staaten haben Sie keinen Einfluss. Das ist der Punkt, Herr
Parr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413708700
Frau Ministerin, ge-
statten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Seehofer?


Andrea Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413708800

Selbstverständlich.


Horst Seehofer (CSU):
Rede ID: ID1413708900
Frau Ministerin, ich
stimme Ihrer Argumentation am Schluss hundertprozen-
tig zu. Es wird nämlich in der Öffentlichkeit viel zu häu-
fig übersehen, dass dieses Gebiet vergemeinschaftet ist
und es sich um zwingendes Recht der Europäischen
Union handelt.

Könnten Sie aber dafür sorgen, dass in Ihrer Koalition
die gleichen Maßstäbe bei der Beurteilung eines gewissen
Zeitraums – es waren fünf Monate im Jahr 1995 – ange-
legt werden? Damals hatten wir den gleichen Streit, da-
mals wurde ich aufgefordert, national vorwegzumar-
schieren und allein zu handeln. Meine Argumentation
damals war genau die gleiche, die Sie jetzt verwenden.
Können Sie bestätigen, dass das so ist?


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Sagen Sie Ja! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ein schmerzhaftes Ja, Frau Ministerin! – Detlef Parr [F.D.P.]: Sagen Sie einfach Ja!)



Andrea Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413709000

Nein, so leicht kann ich es Ihnen nicht machen. Es gibt ei-
nen Unterschied. Kollege Seehofer, Sie müssen mir
zuhören, wenn ich versuche, Ihnen eine Antwort zu ge-
ben.


(Horst Seehofer [CDU/CSU]: Ich kann mit zwei Damen gleichzeitig parlieren!)


– Sie können sich nicht zwischen zwei Damen entschei-
den? – Lasst ihn einen Augenblick in Frieden!


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Seehofer, durch die Vergemeinschaftung
– hier sind wir in der Tat einer Meinung – in einem Eu-
ropa der offenen Grenzen sind die Möglichkeiten, diesen
Schutz auf nationaler Ebene herzustellen, begrenzt. Ich
reklamiere für mich aber, dass wir damals als es um die
Aufhebung des Importverbots ging – dabei habe ich ei-
nen durchaus abenteuerlichen Umgang mit den
Rechtsverpflichtungen gepflegt –, gesagt haben: Wir he-
ben das Verbot nur auf, wenn ihr uns erlaubt, strenge Vor-
schriften für die Kennzeichnung vorzunehmen. Das ist
uns gestattet worden, aber wir sind mit dem Stand der
Dinge noch nicht zufrieden. An diesem Punkt sehe ich den
einen Unterschied zu Ihrer Argumentation.

Es gibt noch einen zweiten, der allerdings nichts mit
meiner oder Ihrer Politik zu tun hat. In dem Moment, zu
dem bei uns BSE-Fälle auftreten, kommen wir natürlich
in Argumentationsnöte gegenüber anderen Ländern, de-
ren Fleisch wir nicht bei uns haben wollen, weil sie BSE-
Fälle haben.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist doch keine Frage! Es gibt kein deutsches oder britisches BSE!)


Damit man mir nachher nicht vorwirft, ich hätte über
nichts anderes gesprochen, möchte ich mich nun der Ge-
sundheitspolitik zuwenden. Vorher möchte ich aber noch
einen Vorschlag machen: Wir dürfen nicht nur akutes Kri-
senmanagement betreiben. Das war notwendig, damit wir
jetzt weitere Schritte gehen können. Ich möchte gern ei-
nen Arbeitsstab BSE beim BMG mit Vertretern aus dem
Haus, aus den Ländern und der Wissenschaft einrichten,
in dem wir gemeinsam darüber beraten können, welche
weiteren Schritte wir gehen können. Dazu möchte ich alle
Beteiligten einladen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Jetzt möchte ich zur Gesundheitspolitik kommen, bei
der ich einiges Vorgetragene so nicht stehen lassen kann.
Lassen Sie mich mit den neuesten Zahlen zur finanziel-
len Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung,
die uns seit heute Morgen vorliegen, beginnen. Das Defi-
zit ist im dritten Quartal zurückgegangen. Wir werden am
Ende des Jahres einen Überschuss von etwa 1 Milli-
arde DM haben.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Aber mit welchen Methoden?)


So viel zu den Unkenrufen.
Es ist gelungen, den Stand der hohen Schulden in Ost-

deutschland etwas abzubauen. Dafür war eine große Soli-
daritätsanstrengung der Versicherten aus dem Westen not-
wendig. Die Leistungsausgaben – jetzt hören Sie gut zu –
sind um 1,8 Prozent gestiegen; darauf komme ich später
noch zurück. Der durchschnittliche Beitragssatz liegt der-
zeit bei 13,57 Prozent, im ersten Halbjahr 1998 lag er bei
13,64 Prozent. Das ist eine gute Ausgangsbasis für das
nächste Jahr, in dem wir es mit vielen Herausforderungen
zu tun haben werden. So haben wir zum Beispiel, zwei
Verfassungsgerichtsurteile umzusetzen, die ebenfalls aus




Bundesministerin Andrea Fischer
13394


(C)



(D)



(A)



(B)


einer Zeit stammen, in der ich nicht die Verantwortung
trug.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Standhaft gegen Riester sein!)


Die Entwicklung des Beitragssatzes ist ein Erfolg,
zwar nicht für die Kassen oder für mich, aber für die Ver-
sicherten, deren Belastungsfähigkeit in den 90er-Jahren
aufgrund Ihrer Abgabenquote an eine Grenze gestoßen
war. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Beitrags-
sätze stabil halten.


(Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Jetzt wird Ihre Verzichtsfähigkeit getestet!)


Dazu war es notwendig, die Einnahmenseite zu stärken.
Dass Ihnen der Weg nicht gefallen hat, ändert nichts da-
ran, dass wir es getan haben. Dabei hatten wir eine Hypo-
thek zu tilgen.

Da gerade von Verschiebebahnhöfen die Rede war,
möchte ich auf Folgendes hinweisen: Die größten Ver-
schiebungen zwischen Arbeitslosen-, Renten- und Kran-
kenversicherung gab es im Jahr 1995 mit 5 bis 6 Milliar-
den DM. Ich habe durchgesetzt – das muss ich einfach
richtig stellen –, dass bei der Erwerbsunfähigkeitsrente –
es handelt sich hier um ein Gesetz, das noch aus der alten
Regierungszeit stammt und bei dem die höhere Belastung
für die Krankenversicherung kampflos hingenommen
wurde – die Belastung auf 250 Millionen DM begrenzt
wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte jetzt noch auf die internationalen Ver-
gleiche zu sprechen kommen. Die internationalen Ver-
gleiche beziehen sich nicht auf den Stand des Jahres 2000,
sondern auf einen längeren Zeitraum. Die Qualitätsmän-
gel sind ein altbekanntes Problem unseres Landes. Ich
will Ihnen deswegen im Zusammenhang mit dem Argu-
ment – ich kann es nicht mehr hören, denn das ist nun
wirklich intellektuell dürftig –, alle Probleme in unserem
Gesundheitswesen lägen an der Budgetierung, sagen: Da
machen Sie sich einen schlanken Fuß, weil Sie sich nicht
mit dem eigentlichen Qualitätsproblem in unserem Ge-
sundheitswesen beschäftigen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Die Budgetierung verhindert es ja!)


Natürlich weiß ich, dass in diesem Lande Ärzte mit
Verweis auf das Budget Medikamente verweigern. Das
halte ich für skandalös.


(Beifall der Abg. Regina Schmidt-Zadel [SPD] – Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/ CSU]: Das ist zwangsläufig so!)


Aber die Frage ist: Haben die Ärzte Recht, wenn sie sich
bei der Verweigerung eines Medikamentes auf das Bud-
get berufen? Diese Frage müssen Sie stellen. Damit ist
schon Frau Yzer vom VFA auf die Nase gefallen, als sie
unter Krokodilstränen eine Studie vorlegte, nach der vie-
len Leuten Medikamente verweigert worden sind. Beim

genauen Hinsehen hat sich jedoch herausgestellt, dass
70 bis 80 Prozent der verweigerten Medikamente solche
waren, die seit 1992 von der Leistungsfähigkeit der ge-
setzlichen Krankenversicherung als Bagatellmedikamen-
te ausgeschlossen sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wo ist das Problem?

(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Sie bestreiten das Problem! Die chronisch Kranken sind das Problem!)


Dass es in der Praxis natürlich einfacher ist, die Schuld
auf die böse Frau Fischer zu schieben, anstatt zu erklären,
dass Bagatellleistungen nicht von der Solidargemein-
schaft finanziert werden, verstehe ich. Aber deswegen ist
es trotzdem nicht richtig, auch wenn Sie es sich immer zu
Eigen machen.

Dann haben Sie sich, Herr Wolf, widersprochen. Sie
haben gesagt, die Arzneimittelausgaben seien trotz Bud-
getierung ständig gestiegen. Was denn nun? Werden die
Ausgaben durch die Budgetierung zu stark gedeckelt oder
ist sie als Deckel zu wenig wirksam, weil die Ausgaben
weiter steigen?

Das liegt übrigens daran, dass allein bei den Arznei-
mittelbudgets keine Grundlohnsummensteigerung vorge-
sehen ist. Wenn Ärzte nachweisen können, dass es durch
Innovationen zu höheren Kosten kam, dann können sie
höhere Abschlüsse machen. Dies obliegt nicht der Bun-
desgesundheitsministerin, sondern der Selbstverwaltung.
Diese versagt in diesem Punkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Selbstverwaltung versagt auch, wenn es darum geht,
die Ärzte bei einer rationalen Arzneimitteltherapie zu be-
raten.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Jetzt haben Sie sich widersprochen!)


Sie wollen die Budgets freigeben und die Ärzte so viel
verschreiben lassen, wie sie wollen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wer will denn das? Das will doch niemand!)


Verschwendung bei der Verschreibung von Arzneimitteln
ist weder im Interesse des Patienten noch im Interesse der
Solidargemeinschaft, die dann Medikamente mitbezahlen
muss, die niemand braucht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413709100
Frau Ministerin, es
gibt den Wunsch nach einer weiteren Zwischenfrage des
Kollegen Wolf.


Andrea Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413709200

Bitte.




Bundesministerin Andrea Fischer

13395


(C)



(D)



(A)



(B)



Aribert Wolf (CSU):
Rede ID: ID1413709300
Wir haben bei unseren po-
litischen Vorschlägen die Erfahrung gemacht, dass Sie sie
wieder rückgängig machen. Ist es nicht richtig, dass wir
die Arzneimittelsteuerung nicht völlig freigeben wollten,
sondern budgetablösende Richtgrößen auf den Weg ge-
bracht haben,


(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Das ist überhaupt nicht wahr!)


und dass Sie das mit Ihrem Gesetz einfach kassiert haben?
Heute besteht das Problem, dass Sie Budgets plus Richt-
größen vorschreiben, die dazu führen können, dass ein
Arzt, obwohl er anständig verordnet und seine Richt-
größen eingehalten hat, am Ende dennoch mit seinem Ho-
norar wegen Arzneimittelüberschreitung haftet. Halten
Sie das für richtig und gerecht?


Andrea Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413709400

Herr Wolf, wenn ich Sie jetzt wie den Blinden von der
Farbe reden höre, dann weiß ich schon, dass ich mich bes-
ser nicht Ihrer Unterstützung versichern sollte, obwohl
Sie mir heute so viel Mitleid haben angedeihen lassen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Er hat schon eine gewisse Ahnung! – Detlef Parr [F.D.P.]: So können Sie doch mit dem Kollegen nicht umgehen!)


– Ich würde es Ihnen jetzt gerne erklären.
Noch einmal: Die Richtgrößen gibt es noch immer.

Wenn sich Ärzte in ihren Praxen darüber beklagen, sie
hätten unzureichende Budgets, dann meinen sie die Richt-
größen; denn die Budgets sind eine Vereinbarung, die auf
der Ebene der Kassenärztlichen Vereinigung getroffen
wird. Der einzelne Arzt erfährt nur von der Richtgröße,
die Sie so schätzen. Bei diesen Richtgrößen – das sollten
Sie sich einmal anschauen – gibt es in der Bundesrepublik
Deutschland in den Regionen und auch in den Fach-
arztgruppen riesige Unterschiede. Es sind aber immer
Festlegungen der Selbstverwaltungen.

Wenn es trotz Richtgrößenprüfung und des erfolgten
Regresses nicht gereicht hat, dann kommt der Kollektiv-
regress, von dem Sie gerade gesprochen haben. Dann
steht es der Kassenärztlichen Vereinigung frei – so steht
es im Gesetz –, wie sie damit umgeht. Der Radiologe, der
sich darüber beklagt, dass er kein Medikament verschrie-
ben habe, muss von der kassenärztlichen Vereinigung
überhaupt nicht in diese Art von Regress einbezogen wer-
den.

Noch etwas zu den budgetablösenden Richtgrößen.
Die einzige Kassenärztliche Vereinigung, die das gemacht
hat – das wissen Sie ganz genau –, war die Kassenärztli-
che Vereinigung in Bayern. Ich habe mich damit viel be-
schäftigt; das hat den bayerischen Ärzten wenig Freude
gebracht.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das habe ich damals mitbeschlossen!)


– Auch wenn Sie dabei waren, wurde dadurch die Sache
zu meiner großen Überraschung nicht besser. – Was ich

damit sagen will, ist: Die Richtgrößen haben wir als In-
strument im Gesetz festgeschrieben.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Unter dem Deckel!)


Sie sind derjenige, der die ganze Zeit diesen Popanz mit
dem Budget aufbaut. Die Richtgrößen sind vollkommen
richtig dargelegt.

Ich will es anders formulieren: Wenn der Deckel, der
die Richtgrößen festlegt, so eindeutig wäre, dann könnte
es diese breiten Unterschiede in unserem Land in dieser
Form nicht geben. Das hat vielmehr mit den unterschiedli-
chen Facharztgruppen und mit den üblichen Konflikten
zwischen den verschiedenen Beteiligten zu tun.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Jetzt ist wirklich alles klar!)


Ich glaube, dass die Richtgröße keine Alternative ist.

(Beifall bei der SPD – Aribert Wolf [CDU/ CSU]: Jetzt ist ja alles klar!)

Ich will jetzt nur noch abschließend darauf eingehen,

was Sie wollen. Sie wollen keine Budgets, aber Sie wol-
len stabile Beitragssätze. Also sagen Sie den Leuten deut-
lich: Sie wollen, dass die Menschen höhere Zuzahlungen
leisten, oder den Anschluss von Leistungen, die komplett
privat abgerechnet werden sollen. Etwas anderes kann es
nicht sein. Außerdem habe ich ja Ihre Texte gelesen, in de-
nen das zum Teil steht. Da gibt es ein Drei-Stufen-Modell
mit einer „untergestuften“ Grundleistung, für die man
dann weniger bezahlt, und irgendwelchen ergänzenden
Wahlleistungen. Das alles steht in Ihren Texten.

Ich finde, dann sollten Sie hier auch ehrlich sagen, dass
Sie die Einkommen all derjenigen, die im Gesundheits-
wesen verdienen, verteidigen wollen, dass dort überhaupt
keine Abstriche gemacht werden sollen. Immer mehr
Menschen wollen im Gesundheitswesen ihr Geld verdie-
nen. Das heißt, auch auf der Anbieterseite entsteht ein ho-
her Druck. Diese Einkommen verteidigen Sie und statt-
dessen wollen Sie bei den Patienten in die Tasche greifen.
Das ist Ihre Alternative und das sollten Sie ehrlich sagen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Zöller [CDU/ CSU]: Und Sie halten den Patienten die Leistungen vor! Was ist denn ehrlicher?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413709500
Nächster Redner ist
der Kollege Dr. Michael Luther für die CDU/CSU-Frak-
tion.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1413709600
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will versuchen,
wieder etwas Sachlichkeit in die Debatte zu bringen. Da
es um den Haushalt geht, will ich etwas zur Haushaltsbe-
ratung sagen. Ich meine, das Berichterstattergespräch
fand in einer angenehmen und konstruktiven Atmosphäre
statt. Dafür will ich mich an dieser Stelle recht herzlich
bedanken.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(C)



(D)



(A)



(B)


Damit hören allerdings die Punkte auf, für die ich mich
bedanken kann. Auch wenn ich neu in dem ganzen Metier
bin, habe ich relativ schnell erkannt, welche strategischen
Ziele das Bundesgesundheitsministerium eigentlich ver-
folgen sollte und welche es nicht verfolgt, wo im Endef-
fekt die Defizite liegen.

Herr Schöler, Sie haben hier schon sehr ausführlich zu
der Diskussion zum BfArM Stellung genommen. Aus
Sicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion möchte ich sa-
gen: Das Parlament muss ein ganz besonderes Augen-
merk darauf legen, dass dieses Bundesinstitut für Arz-
neimittel und Medizinprodukte zum Arbeiten kommt.
So wie es momentan vor dem Hintergrund eines europä-
ischen Marktes wirkt und arbeitet, ist es schädlich für die
Pharmaindustrie, weil Zulassungen von Medikamenten
sehr lange dauern, weil es Widersprüche innerhalb des ei-
genen Hauses gibt. So werden zum Beispiel Unterlagen
einerseits angenommen und andererseits in Verbindung
mit anderen Antägen abgelehnt. Da weiß also die eine
Hand nicht, was die andere macht.

Für die neuen Bundesländer stellt sich noch ein beson-
deres Problem: 25 000 Nachzulassungen von Anträgen aus
dem Gebiet der ehemaligen DDR sind noch offen. Das ist
diskriminierend.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


All diese Dinge beschreiben die Arbeitsweise des Ins-
titutes. Hier muss also etwas passieren. Das ist aber nicht
allein Schuld der jetzigen Bundesgesundheitsministerin,
das gestehe ich gern zu.


(Andrea Fischer, Bundesministerin: Überhaupt nicht!)


Ich meine vielmehr, dass das Parlament vielleicht zu
lange zugeschaut hat. Es wird nun endlich Zeit, dass hier
etwas passiert. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen.

Eines wundert mich allerdings an dieser Stelle, Herr
Schöler: Wenn das Parlament hier eine besondere Kon-
trollfunktion ausüben soll, dann muss es auch die Kon-
trollinstrumente, die es hat, nutzen. Ich glaube, das In-
strument einer qualifizierten Haushaltssperre schafft uns
die Möglichkeit, qualifiziert Einfluss zu nehmen, also
dort, wo ein Fortschritt bei der Modernisierung des Insti-
tuts zu verzeichnen ist, entsprechend zu reagieren. Dieses
Instrument ist extra für das Parlament eingerichtet wor-
den, aber Sie haben es abgelehnt und das wundert mich.


(Walter Schöler [SPD]: Die Sperre legt doch das Institut lahm!)


– Sie legt das Institut nicht lahm.

(Walter Schöler [SPD]: Was sollen die Leute davon halten?)

Wir haben im Berichterstattergespräch sehr lange über

diese Frage gesprochen. Wir wissen, was gemacht werden
muss. Ich denke, die Kontrolle sollte vom gesamten Par-
lament und nicht nur durch von der SPD-Fraktion durch-
geführt werden.

Ich will nun etwas, zu dem Gesetz zur Neuordnung der
seuchenrechtlichen Vorschriften sagen.Damit soll der

Schutz der Menschen in Deutschland vor Infektionskrank-
heiten verbessert werden. Dieses Gesetz ist im Frühjahr
dieses Jahres verabschiedet worden. Noch im Mai hat die
Koalition im Deutschen Bundestag mitgeteilt: Das
Robert-Koch-Institut, dem die Umsetzung dieses Geset-
zes obliegt, benötigt zusätzlich 45 Personalstellen,
700 000 DM jährlich für Ausgaben im Sachbereich und
eine einmalige Anschubfinanzierung in Höhe von
810 000 DM.

Als ein, zwei Monate später der Haushalt aufgestellt
worden ist, wurde deutlich, dass die Koalition das schon
wieder vergessen hatte; denn die entsprechenden Ansätze
im Haushalt wurden nicht erhöht. Weder auf Nachfrage
noch nach der Diskussion im Haushaltsausschuss wurde
etwas geändert. Es wundert mich, wie Sie sich, Frau Mi-
nisterin, hier verhalten und wie Sie es zulassen konnten,
dass das Robert-Koch-Institut im Hinblick auf die Um-
setzung des Gesetzes letztendlich unzureichend mit Per-
sonal ausgestattet wird. Es werden jeweils nur 14 Stellen
für 2001 und 2002 und keine zusätzlichen Mittel für die
laufenden Sachkosten bewilligt. Die Folge ist, dass Sie
letztendlich die Umsetzung dieses Gesetzes gefährden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wenn man darüber nachdenkt, dann ist das angesichts der
Bedeutung dieses Themas besonders makaber. Aber das
passt in das Bild, das die Bundesgesundheitsministerin
insgesamt abgibt. Sie kündigt vollmundig etwas an und
muss dann im Kabinett einen Rückzieher machen. Das
gilt nicht nur für dieses Thema.

Sie sind auch bei dem Thema „Verringerung der Bei-
tragszahlungen zur „Krankenversicherung fürArbeits-
losenhilfeempfänger“ gescheitert. Das kostet die gesetz-
lichen Krankenkassen 1,2 Milliarden DM, was, gemessen
am gesamten Ansatz für das Gesundheitswesen, eine ge-
ringe Summe zu sein scheint, die aber den Krankenkassen
wirklich fehlt. Wir alle wissen, dass das Hauptproblem in
Deutschland die fehlende Sicherung der Finanzierung des
Gesundheitswesens ist.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: So ist es!)

Hier besteht dringender Reformbedarf. Die Defizite

– das möchte ich an dieser Stelle betonen – sind schon
lange bekannt. Horst Seehofer und die damalige Koalition
hatten bereits eine Reform im Gesundheitswesen auf den
Weg gebracht. Wir haben schwierige Schritte unternom-
men, um zu einer wirklichen Lösung beizutragen. Als Sie
Regierungsverantwortung erlangten, haben Sie unseren
Reformkurs nicht fortgeführt. Sie haben sogar Teile der
Reform zurückgenommen und haben etwas Neues auf
den Weg gebracht, ich sage: verschlimmbessert. Jetzt tun
Sie gar nichts mehr.


(Beifall bei der CDU/CSU – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Richtig!)


Die Folgen Ihrer Politik sind heute eigentlich ausrei-
chend beschrieben worden. Ich möchte nur noch darauf
hinweisen: Sie gefährden letztendlich die medizinische
Versorgung der Patienten genauso wie die Existenzgrund-
lage der gesetzlichen Krankenkassen, der Ärzte und der




Dr. Michael Luther

13397


(C)



(D)



(A)



(B)


Krankenhäuser. Diese Liste ließe sich beliebig bis hin zu
den Logopäden fortschreiben. All diese Gruppen befinden
sich in einer schwierigen Lage, weil Sie eines nicht be-
achten: Das Gesundheitswesen ist ein kompliziertes Rä-
derwerk, in dem ein Zahnrad in das andere greift. Wenn
man dort mit dem Holzhammer hineinschlägt, dann zer-
schlägt man das ganze Getriebe. Man muss versuchen,
mit Augenmaß zu reformieren. Darauf kommt es an. Wir
haben angeboten, daran mitzuwirken. Aber von Ihrer
Seite kommt zurzeit überhaupt nichts. Das finde ich mehr
als bedauerlich.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ich finde es deshalb mehr als bedauerlich, weil Sie,
meine Damen und Herren von den Grünen, an und für sich
gute Ansätze gezeigt haben. Ihr Parteirat hat die Durch-
führung einer Gesundheitsreform beschlossen, der wir
sehr viel Positives abgewinnen können.


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Aber das kriegen die mit der SPD nicht hin!)


Aber warum wollen Sie die Reform nicht schon jetzt, son-
dern erst 2002 auf den Weg bringen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich vermute, der eigentliche Grund ist: Ein gutes Gesetz
passt nicht zu dieser Regierung und vor allem nicht zur
SPD, gegen die Sie es nicht durchsetzen wollen.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ich gebe an dieser Stelle zu: Ich bin medizinischer
Laie. Das müssen Sie bedenken, wenn ich mich jetzt zum
Thema Richtgrößen und Budgets äußere. Ich verstehe
das Thema so: Bei einem Budget wird ein Rahmen vor-
gegeben, der eingehalten werden muss. Die Ärzte bekom-
men dann im Laufe des Jahres von den Kassenärztlichen
Vereinigungen, ihren Selbstverwaltungsorganen, mitge-
teilt: Die Budgets, die eigentlich für das ganze Jahr aus-
reichen sollten, sind bereits im September aufgebraucht.
Verraten Sie mir einmal, wie sich jemand an Richtgrößen
orientieren soll, wenn das Budget aufgebraucht und kein
Geld mehr da ist?


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU – Aribert Wolf [CDU/CSU]: So einfach kann man es erklären Frau Fischer!)


Als Haushälter muss ich auch die Öffentlichkeitsarbeit
ansprechen. Sie haben im Haushalt 3,3 Millionen DM für
die Öffentlichkeitsarbeit vorgesehen. Ich habe Sie schon
im Haushaltsausschuss gefragt: Was wollen Sie mit die-
sem Geld machen? Wollen Sie die Pflegeversicherung be-
kannt machen? Ich glaube, das braucht man nicht mehr.
Die kennt jeder in Deutschland. Wollen Sie die Gesund-
heitsreform publizieren? Welche wollen Sie denn publi-
zieren?


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ich weiß, wozu es dient: zur gefälligen Selbstdarstellung.
Das haben Sie sicherlich auch nötig, denn bei substanzlo-

ser Politik braucht man besonders viel Geld zur Selbst-
darstellung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Walter Schöler [SPD]: Diese Rede hättest du vor drei Jahren halten sollen!)


Ein weiteres Thema, das mir persönlich Sorgen berei-
tet, ist heute noch nicht angesprochen worden. Das ist die
Drogenpolitik.


(Walter Schöler [SPD]: Da hast du mir nicht zugehört!)


– Ich habe schon zugehört. Ich kann auch den Haushalt le-
sen, Herr Schöler.

Es gibt zwei Projekte, mit denen sich die Bundesregie-
rung befasst. Das eine ist das Modellprojekt auf dem Ge-
biet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs. Dafür sind
wie in diesem Jahr 9,8 Millionen DM eingestellt. Bis zum
September dieses Jahres sind aber nur 3,7 Millionen DM
hierfür ausgegeben worden. So hieß es am Anfang der Be-
richterstattergespräche. Sie haben also offensichtlich
große Probleme beim Umsetzen dieses Programms. Auf
der anderen Seite planen Sie 12 Millionen DM für Auf-
klärungsmaßnahmen auf dem Gebiet des Drogen- und
Suchtmittelmissbrauchs ein und bleiben damit beim
Haushaltsansatz der letzten Jahre.

Aber manchmal muss man politisch auf die jeweilige
Zeit reagieren. Ich will ein paar Zeitungsüberschriften der
letzten Wochen zitieren: „Der Drogenkonsum nimmt er-
schreckend zu“,


(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Das verharmlosen die ja dauernd!)


so die „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 4. November
2000. – „Immer mehr Kokain auf dem Markt“, so „Die
Welt“ vom 28. Oktober 2000. – „Neue Drogen – unver-
änderte Gefahren“, so die „Neue Züricher Zeitung“ vom
11. Oktober 2000.

Das ist die Beobachtung, die auch wir machen: Mit
Drogen wird sorgloser umgegangen. Ich zitiere nochmals,
und zwar „Die Welt“ vom 7. November 2000. Herr
Rüdiger Engler – er ist Leiter des für die Drogendelikte
zuständigen LKA 22 hier in Berlin sagte

Bei den Erstkonsumenten von Kokain verzeichnen
wir im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um
50 Prozent.

(Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU]: Das ist Ergebnis rot-grüner Politik!)

Auch wenn man mit Jugendlichen spricht – ich spreche

oft mit Jugendlichen – stellt man fest, dass man sich beim
Umgang mit dem Thema Drogen und mit den Drogen
selbst der Gefahren nicht bewusst ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich meine darauf muss man mit einer adäquaten Auf-

klärungskampagne reagieren. Fixerstuben nützen über-
haupt nichts.


(Beifall bei der CDU/CSU)





Dr. Michael Luther
13398


(C)



(D)



(A)



(B)


Denn es kommt vor allem darauf an, Jugendliche, junge
Menschen, junge Erwachsene vor dem Einstieg in die
Drogen zu bewahren, und es geht nicht darum, wenn es zu
spät ist, zu sehen, wie man einen Entzug organisieren
kann.


(Beifall bei der CDU/CSU – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Dazu braucht man Geld!)


Deshalb sage ich an dieser Stelle: Stecken Sie die
3,3 Millionen DM, die Sie für die Öffentlichkeitsarbeit
vorgesehen haben, lieber zusätzlich in die Drogenauf-
klärung. Dort wäre dieses Geld gut angelegt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Um der Meinung vorzubeugen, wir hätten keine ent-

sprechenden Anträge gestellt: Dies haben wir im Haus-
haltsausschuss getan. Sie haben sie leider abgeschmettert.
Ich meine, Herr Schöler, man kann nicht einfach so wei-
termachen wie bisher.

Ich komme zum Schluss. Ich habe die Bundesministe-
rin am Anfang für die gute und nette Beratung, die wir hat-
ten, gelobt. Das kann ich noch einmal bestätigen. Über
mehr positive Impulse konnte ich leider nicht berichten.
Schade. Vielleicht klappt es im nächsten Jahr.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413709700
Für die SPD-Fraktion
hat die Kollegin Regina Schmidt-Zadel das Wort.


Regina Schmidt-Zadel (SPD):
Rede ID: ID1413709800
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Der Kollege Walter Schöler ist
für meine Fraktion schon ausführlich auf den Einzel-
plan 15 eingegangen, auch auf die Drogenpolitik, Herr
Luther. Vielleicht haben Sie nicht richtig zugehört. Ich
würde Ihnen raten, Ihre Thesen am Tor der Pfarrkirche in
Zwickau anzuschlagen. Vielleicht werden sie dann deut-
licher vernommen, als das heute hier der Fall war.


(Widerspruch bei der CDU/CSU – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Wir begehen doch keine Sachbeschädigung! – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Er ist doch nicht Luther! – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Haben Sie etwas gegen Zwickau?)


Meine Damen und Herren, die Redner der Opposition
haben diese Aussprache genutzt, um eine Generaldebatte
über die Gesundheitspolitik zu führen. Ich will an dieser
Stelle auf einige aktuelle und grundsätzliche Dinge ein-
gehen.

Die Debatte hat gezeigt, dass die Opposition unter star-
kem Gedächtnisschwund leidet.


(Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Deshalb wollen Sie nichts für Demenzkranke tun!)


Man kann feststellen, dass dieser umso stärker wird, je
länger Sie die Oppositionsrolle wahrnehmen.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Ändern wir das!)

Bei Ihnen, Herr Wolf, ist das besonders deutlich gewor-
den. Sie müssten allein schon aufgrund Ihres früher aus-

geübten Berufs mehr wissen und bessere Informationen
haben.

Ich möchte aber auch noch einmal auf die Verschiebe-
bahnhöfe eingehen. Sie waren beim Erfinden von Ver-
schiebebahnhöfen Weltmeister.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wenn sie bei uns verkehrt waren, sind sie bei euch erst recht verkehrt!)


Ich erinnere an die 5 Milliarden DM, die während Ihrer
Regierungszeit von einem Bereich in den anderen ver-
schoben wurden.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Von welchem denn?)


Sie haben heute wieder einmal die übliche Art der Kri-
tik an den Tag gelegt, indem Sie gebetsmühlenartig immer
wieder die üblichen Horrorszenarien von den knappen
Budgets, von Rationierungsmedizin und Zweiklassenme-
dizin bringen.


(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Wir haben Recht!)


Nein, meine Damen und Herren, der Rückblick auf das
zurückliegende Jahr und der Ausblick auf das Jahr 2001
machen sehr deutlich, dass die grundlegenden Reformen,
die die Regierungskoalition mit dem Gesundheits-
reformgesetz 2000 auf den Weg gebracht hat,


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: In die Hose gegangen sind!)


zu greifen beginnen und genau das bewirken, was wir be-
absichtigt haben. Ich verstehe nicht, warum Sie so
schreien.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Patienten bekommen weniger!)


Den Versicherten wird auch in Zukunft ein leistungsfähi-
ges, qualitativ hochwertiges


(Zuruf der Abg. Dr. Sabine Bergmann-Pohl [CDU/CSU])


– hören Sie zu, Frau Bergmann-Pohl, Sie könnten auch
noch etwas lernen, wenn Sie einmal zuhören würden! –


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Aribert Wolf [CDU/CSU]: So wie Sie sich hier aufführen machen Sie auch Politik!)


und für alle gleichermaßen zugängliches und solidarisch
finanziertes Gesundheitswesen zur Verfügung stehen.
Unser Ziel war und ist es, das unverzichtbare System der
gesetzlichen Krankenversicherung für das 21. Jahrhun-
dert fit zu machen.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das Ziel ist gut!)


Je länger der eingeschlagene Kurs bei den Reformen bei-
behalten wird, umso eher greifen sie und umso besser sind
die Ergebnisse.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Und umso schneller sind wir wieder auf der Regierungsbank!)





Dr. Michael Luther

13399


(C)



(D)



(A)



(B)


Ein gutes Beispiel dafür ist die integrierte Versor-
gung. Sie stellt ein Kernstück unserer Gesundheitsreform
dar.


(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Oh Gott!)

Unser Ziel war es – dieses haben wir erreicht –, die bis-
lang starre Trennung zwischen dem stationären und dem
ambulanten Sektor aufzubrechen. Das oft unkoordinierte
und planlose Nebeneinanderherarbeiten von Krankenhäu-
sern und niedergelassenen Ärzten hat nämlich Ressourcen
vergeudet und der Versorgungsqualität, die wir in den
Mittelpunkt unserer Politik gestellt haben, oft genug im
Weg gestanden.


(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir haben die gesetzliche Voraussetzung dafür ge-
schaffen, dass sich die verschiedenen Leistungserbringer
aller Sektoren einmal Gedanken darüber machen, wie
eine bessere Verzahnung zwischen den Bereichen mög-
lich ist und was sie bringen kann.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Ohne Budget bringt das gar nichts!)


Das sind Gedanken – hören Sie gut zu –, die vor allem
eine Antwort auf die Frage zum Ziel haben: Wie kann man
eine Versorgungskette verwirklichen, in deren Mittel-
punkt der Patient und nicht allein die wirtschaftlichen
Einzelinteressen mehrerer Leistungserbringer stehen,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


die vor allem ihre Geräte auslasten wollen

(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Stellen Sie doch einmal den Patienten in den Mittelpunkt!)


und dafür – hören Sie zu! – unnötige und teure Doppel-
und Dreifachuntersuchungen durchführen? Wie sehr wir
mit diesem Ansatz ins Schwarze getroffen haben,


(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

lässt sich schon heute erkennen auch wenn die Reform vor
noch nicht einmal einem Jahr in Kraft getreten ist und die
Selbstverwaltung wichtige Rahmenvereinbarungen noch
nicht ganz, sondern nur teilweise unter Dach und Fach
hat.

Modelle für integrierte Versorgungsformen schießen
überall wie Pilze aus dem Boden.


(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Und führen zu nichts!)


Beinahe an jedem Tag wird irgendwo in Deutschland ein
Antrag gestellt, um ein Praxisnetz oder Ähnliches ins Le-
ben zu rufen. Man macht es sich nicht mehr wie bisher in
den Nischen bequem, schimpft nicht mehr in ritualisierter
Form auf Budgets und beschwört nicht mehr Klischees
und alte Feindbilder,


(Detlef Parr [F.D.P.]: Man demonstriert auf den Straßen!)


wie wir das heute bei Ihnen wieder erlebt haben. Vielmehr
sind die Strukturen in Bewegung geraten und die Fantasie

der Beteiligten wurde angeregt. Das wollten wir damit er-
reichen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Detlef Parr [F.D.P.]: Aber in die falsche Richtung!)


Das beweist doch eines, meine Damen und Herren: Bei
den Beteiligten im Gesundheitswesen gibt es durchaus
genügend Innovationspotenzial.


(Detlef Parr [F.D.P.]: Noch mehr Frust!)

Es ist doch offenbar auch die ernsthafte Bereitschaft vor-
handen, einmal über den Gartenzaun der eigenen Arzt-
praxis oder des Kurparkes hinauszuschauen und neue An-
sätze der ärztlichen Versorgung zu entwickeln. Man muss
Ärzten, Klinikleitern, Apothekern oder Physiotherapeu-
ten doch nur die Möglichkeit an die Hand geben, sich zu-
sammenzutun und ein auf den Patienten zugeschnittenes
Versorgungssystem zu entwickeln, bei dem die Qualität
– das ist das Wichtigste in unserem Programm – oberste
Priorität hat.


(Beifall bei der SPD und der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das gilt auch für den Teil der Reform, der den sta-
tionären Sektor unseres Gesundheitswesens vor tief
greifende Veränderungen stellen wird, nämlich die Um-
stellung des Finanzierungssystems unserer Krankenhäu-
ser auf eine leistungsorientierte, pauschalierte Bezahlung.
Die stufenweise Einführung der so genannten DRGs läuft
planmäßig. Sie sollen bis zum Jahr 2003 in allen Kliniken
eingeführt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dann wird es endlich möglich sein, die Leistungen der
einzelnen Kliniken zu vergleichen – auch das ist bisher
nicht möglich –, und dann wird sich zeigen, wer in diesem
Land gut und wirtschaftlich arbeitet.


(Beifall bei der SPD – Aribert Wolf [CDU/ CSU]: Das wird sich wirklich zeigen!)


– Das wird sich wirklich zeigen.
Die gesetzliche Krankenversicherung muss heute ein

Drittel ihrer Ausgaben für den stationären Bereich auf-
wenden. Wem sage ich es?


(Lachen bei der CDU/CSU)

Hier liegt der Schlüssel, wenn es darum geht, Reserven zu
mobilisieren.

Ich will noch einmal auf die Reform im stationären Be-
reich eingehen. Es stand ursprünglich ja auch mehr im Ge-
setz, als letztlich in Kraft treten konnte. Ich würde mir
wünschen, meine Damen und Herren, dass aus der Union
nicht nur Mäkelei, sondern mehr Konstruktives käme.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Wir haben Vorschläge gemacht! Ihr macht erst das Gesetz und diskutiert dann, wir diskutieren erst!)


Erst blockieren und dann beklagen, erst Täter und dann
Sanitäter – Herr Wolf, das ist der Wolf im Schafspelz, den
Sie heute hier abgegeben haben.


(Beifall bei der SPD)





Regina Schmidt-Zadel
13400


(C)



(D)



(A)



(B)


Zum Ressort der Bundesministerin für Gesundheit
gehört seit dieser Wahlperiode auch die Pflegeversiche-
rung. Mein Kollege Walter Schöler ist darauf eingegan-
gen. Ich möchte aber auch noch einmal darauf hinweisen,
dass wir in diesem und im nächsten Jahr zwei wichtige
Gesetze auf den Weg bringen.

So, wie wir mit der Gesundheitsreform 2000 den Qua-
litätsgedanken in der gesetzlichen Krankenversicherung
gestärkt haben, so wird das als Entwurf vorliegende Qua-
litätssicherungsgesetz den Qualitätsgedanken in der ge-
setzlichen Pflegeversicherung verankern.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Mehr Bürokratie wird es bringen!)


Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass Pflegebedürftige
– ganz gleich, in welcher Einrichtung und in welcher Re-
gion sie gepflegt werden – eine optimale und qualitativ
hochwertige Pflege erhalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Gesetzentwurf stärkt die Verbraucherrechte in der
Pflege.

Die Gesundheitspolitik der Koalition ist auf einem
guten, nein, auf einem sehr guten Weg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Ein Weg in den Abgrund!)


Sie stellt sicher, dass die Mitglieder der gesetzlichen
Krankenversicherung auch in Zukunft darauf bauen kön-
nen,


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Dass sie nichts mehr kriegen! Dass sie immer weniger kriegen!)


dass die Versorgungsqualität nicht von der Region ab-
hängt, in der sie leben.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Sondern eine Frage des Geldbeutels!)


– Nein, auch keine Frage des Geldbeutels. Das war zu Ih-
rer Zeit so und das haben wir abgeschafft, Herr Wolf.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es wird keine Frage der Region sein, in der sie leben.

(Detlef Parr [F.D.P.]: Das wird die Menschen im Osten aber sehr freuen!)

Sie stellt weiter sicher, dass der Leistungsumfang der not-
wendigen Versorgung nicht von der Krankenkasse ab-
hängt, bei der sie versichert sind.

Sie können sich darauf verlassen, dass Gesundheit in
Zukunft bei uns keine Frage des Geldbeutels ist.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Die Leute mussten noch nie so viel zuzahlen wie bei Ihnen!)


Das ist das, was wir mit unserem Gesundheitssystem und
auch mit dem vorgelegten Haushalt bewirken wollen. Ich

würde mich freuen, wenn Sie als Opposition konstruktiv
daran mitarbeiten würden.


(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Aber ihr seid ja beratungsresistent!)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413709900
Es spricht jetzt der
Kollege Dr. Ilja Seifert für die PDS-Fraktion.


Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1413710000
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Die Sicherung einer menschenwürdigen
und ganzheitlichen Pflege ist nicht mit der Konzipierung
und der Umsetzung der Pflege in Form einer „Teilkas-
koversicherung“ vereinbar. Die Sicherung einer men-
schenwürdigen und ganzheitlichen Pflege ist auch nicht
mit einem vorrangig auf somatische Verrichtungen orien-
tierten Pflegebegriff vereinbar.

Die Sicherung einer menschenwürdigen und ganzheit-
lichen Pflege ist erst recht nicht – wir reden ja hier über
den Haushalt – mit dem Entzug von 1,6 Milliarden DM
verteilt über vier Jahre für die Finanzierung der Pfle-
geversicherung durch die Absenkung der Bemessungs-
grundlage für die Pflegeversicherungsbeiträge der Bezie-
herinnen und Bezieher von Arbeitslosenhilfe vereinbar.
Warum also lassen Sie zu, dass sich die konkrete Pflege-
situation für eine wachsende Zahl von Menschen weiter
zuspitzt?

Auf unserer Anhörung am 15. November benannte
Claus Fussek aus München, immerhin einer der aus-
gewiesensten Kenner der Szene, einige der drängensten
Probleme: Pflegerinnen und Pfleger arbeiten weit ober-
halb der Belastungsgrenze. Sie sind viel zu wenige. Sie
kommen gerade dazu, die absolut nötigsten Dinge zu tun
nach dem Prinzip: satt, sauber, trocken. Das hat mit men-
schenwürdiger Pflege nichts zu tun.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Die weiteren Probleme sind: Ursprünglich durchaus
hoch motiviertes und qualifiziertes Personal steht unter
massivem Druck. Man verabreicht inzwischen Psycho-
pharmaka als Medikamente gegen die Zeitnot. Dafür sind
diese Medikamente nicht gedacht. Betroffene Menschen
mit Schluckbeschwerden bekommen eine Magensonde,
weil die Zeit fehlt, das Essen mit der notwendigen Ruhe
einzunehmen bzw. einzugeben. Windeln und Dauerkathe-
ter gelten inzwischen als pflegeerleichternde Maßnah-
men. Die Wörter „pflegeerleichternde Maßnahmen“ sind
in den Alten- und Pflegeheimen inzwischen zum Horror-
begriff geworden.


(Beifall bei der PDS)

Wie lange will die Gesellschaft eine solche Unkultur des
Leids noch dulden?

Liebe Kollegin Schmidt-Zadel, ein Pflege-Qualitäts-
sicherungsgesetz ist nicht zum Nulltarif zu haben.


(Beifall bei der PDS – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Richtig!)





Regina Schmidt-Zadel

13401


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir brauchen darüber so lange nicht zu reden, solange Sie
alles unter Haushaltsvorbehalt stellen. Das ist nämlich
weniger, als wenn Sie nach dem Motto „linke Tasche,
rechte Tasche“ verfahren würden. Das Einzige, was Sie
mit Ihrem Gesetz erreichen, ist eine Erhöhung des büro-
kratischen Aufwandes für diejenigen, die die Leistungen
dokumentieren müssen.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. – Detlef Parr [F.D.P.]: So ist es!)


Es wird weniger Zeit für die Menschen und mehr Zeit für
die Papierarbeit aufgebracht.

Menschenwürdige und ganzheitliche Pflege muss von
der Würde des Menschen ausgehen. Insofern brauchen
wir eine Wertediskussion in der Gesellschaft. Ich bin froh,
dass die Kollegin Göring-Eckardt vorhin darauf hinge-
wiesen hat, dass im Gesundheitswesen darüber wieder ge-
redet werden soll. Ich hoffe, diese Diskussion führt zu Er-
gebnissen.

Angesichts der Tatsache, dass die Demenzkranken in
die Pflegeversicherung einbezogen werden sollen, kön-
nen wir nicht sagen: 500 Millionen DM und nicht mehr.
Wenn man nämlich von der Gesamtzahl der betroffenen
Menschen ausgeht, die mit 500 000 bis 2 Millionen ange-
geben wird, dann ergibt sich ein Betrag – ich gehe von der
Untergrenze aus – von 83,33 DM pro Monat. Umgerech-
net auf den Tag sind es 2,74 DM. Wer will da noch von ei-
ner Unterstützung für die Angehörigen reden?

Reden wir also endlich wieder über die Einnahmeseite
der Pflegeversicherung. Wo bleibt denn der Beitrag der
Arbeitgeber? Er ist nirgendwo erkennbar. Wenn die Pfle-
geversicherung tatsächlich eine Säule in den sozialen
Sicherungssystemen bilden soll, dann braucht sie auch die
Beiträge der Arbeitgeber sowie die Beiträge von Beamten
und Selbstständigen. Langfristig muss es eine Umstellung
auf die Wertschöpfungsabgabe geben. Wir kommen nicht
darum herum. Deshalb können wir im Rahmen der Haus-
haltsberatung nicht nur darüber reden, wie die wenigen
Mittel gedeckelt und anders verteilt werden können, son-
dern wir müssen auch über die Einnahmen reden.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413710100
Letzter Redner in die-
ser Debatte ist der Kollege Klaus Kirschner für die SPD-
Fraktion.


Klaus Kirschner (SPD):
Rede ID: ID1413710200
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Die Aussprache über
den Einzelplan 15, den Haushalt für Gesundheit, hat deut-
lich gemacht, meine Damen und Herren von der Opposi-
tion, dass Sie in gewohnter Manier – opportunistisch und
populistisch zugleich – wild um sich schlagen. Herr Kol-
lege Wolf, hören Sie doch einmal zu. Sie sagen, es wäre
nicht genügend Geld für Heilmittel da. Machen Sie sich
doch zumindest die Mühe, einmal in die KV 45 zu
schauen. Von 1998 zu 1999 gab es eine Steigerung bei den
Heil- und Hilfsmitteln und den Mitteln für die Dialyse von

17,41 Milliarden DM auf 17,91 Milliarden DM. Das sind
500Millionen DM mehr. Da können Sie doch nicht sagen:
Das Geld wird weniger.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Die Rheumatiker sind nicht drin!)


– Ich bitte Sie! Schauen Sie sich die Daten und Fakten
doch einmal an. Kollege Luther hat gesagt, er kann den
Haushalt lesen. Dann nehme ich an, dass Sie auch die
Zahlen lesen können.


(Beifall bei der SPD – Aribert Wolf [CDU/ CSU]: Mich interessieren Menschen mehr als Zahlen!)


– Ja, aber Sie behaupten doch, das Geld würde nicht mehr
ausreichen, und vermitteln den Menschen draußen, als ob
das Geld weniger geworden wäre. Bleiben Sie doch bei
den Fakten. Das gehört auch zur Auseinandersetzung, die
wir bei aller Unterschiedlichkeit in den Auffassungen zu
führen haben.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: 1,2 Milliarden DM weniger! – Gegenruf von der SPD: 2,3 Milliarden mehr!)


Lassen Sie mich auch sagen: Die wenigen aus Ihren Rei-
hen vernehmbaren Ansätze taugen nicht zur Weiterentwick-
lung eines solidarischen, die medizinisch notwendige Voll-
versorgung absichernden Krankenversicherungssystems.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Vorhin sagten Sie, wir hätten keine Ansätze, jetzt kritisieren Sie unsere Ansätze!)


– Lieber Kollege Herr Zöller

(Zuruf von der SPD: Zöllner!)


– er sagt immer: Zöllner; aber ich muss sagen: Herr
Zöller –, ich will noch einmal darauf hinweisen: Ihr Kon-
zept, das die Überschrift „Der faire Sozialstaat“ hat, läuft
doch darauf hinaus, dass Sie Leistungen kürzen. – Schüt-
teln Sie doch nicht den Kopf, wahrscheinlich haben Sie es
noch nicht einmal gelesen. Wenn Sie von 12 Beitrags-
satzpunkten sprechen und damit um 1,53 Beitragssatz-
punkte kürzen wollen, dann müssen Sie doch einmal sa-
gen, wo Sie die rund 25 Milliarden DM einsparen wollen,
ohne dass Sie bei den Leistungen kürzen. Es gehört doch
dazu, dass Sie das endlich einmal nach außen hin deutlich
machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dann sagt Herr Wolf: Heilmittel werden nicht mehr ge-
währt. Sagen Sie doch einmal, was Sie denn nun wirklich
wollen. Wollen Sie die Heilmittel streichen?


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Wahlleistungen wollen wir!)


– Wunderbar. Gut, Herr Kollege Wolf, dann sagen Sie
doch einmal, was aus diesem Leistungskatalog gestrichen
werden soll. Was definieren Sie als Wahlleistung?


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das kann der Versicherte gut selber!)





Dr. Ilja Seifert
13402


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich warte schon lange auf eine Antwort und diese Debatte
führen wir ja nun schon seit Jahren; auch der Sachver-
ständigenrat hat das mit seinem Pfirsichmodell, mit sei-
nem Kuchenmodell, mit seinem Zwiebelmodell getan.
Sie alle haben von Kernwahlleistungen oder von was auch
immer gesprochen. Sagen Sie doch einmal, was Sie bei
der Humanmedizin im Leistungskatalog zusammenstrei-
chen wollen. Haben Sie doch endlich einmal den Mut,
dieses zu sagen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich warte schon lange auf diese Diskussion. Die müs-
sen wir doch einmal mit aller Ernsthaftigkeit führen. Sie
müssen den Menschen draußen sagen, dass Sie beispiels-
weise die Heilmittel nicht mehr gewähren. Sagen Sie Ih-
nen doch, dass Sie den Zahnersatz streichen. Wie sonst
kommen Sie auf die zweistellige Milliardensumme, auf
über 20 Milliarden DM?


(Zuruf von der SPD: Zuzahlen! – Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das kann ich Ihnen wohl erklären!)


– Dann erklären Sie es mir doch einmal. Bitte, ich fordere
Sie dazu auf. Aber das haben Sie vorher bewusst nicht ge-
macht, weil Sie es den Menschen nämlich nicht sagen
wollen. Es hört sich natürlich unglaublich gut an, zu sa-
gen: Wir wollen nur noch 12 Beitragssatzpunkte. – Sie sa-
gen aber nicht, wie Sie zu diesen 12 Beitragssatzpunkten
kommen wollen. Dann sagen Sie im gleichen Atemzug:
Das Gesundheitswesen ist ein Wachstumsfaktor; dort
gehören noch mehr Mittel hinein. Diesen Widerspruch
müssen Sie doch einmal aufklären.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Bei Ihnen bleibt der Patient auf der Strecke. Aber es
muss doch umgekehrt sein: Das Ziel jeder Gesundheits-
politik ist der Patient. Der Patient hat mit seinen berech-
tigten Bedürfnissen im Mittelpunkt einer modernen Ge-
sundheitspolitik zu stehen.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Daran müssen Sie sich ab und zu erinnern!)


Das Ziel muss sein: ein System eines barrierefreien Zu-
gangs zu einer qualitätsgesicherten medizinischen Be-
handlung, die dem jeweils gesicherten Stand der medizi-
nischen Wissenschaft entspricht.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)



(Dr. Dieter Thomae [F.D.P.]: Die chronisch Kranken werden immer schlechter versorgt!)


– Lieber Herr Kollege Dr. Thomae, Ihr Zuruf zielt in die
gleiche Richtung wie die Ausführungen Ihres Kollegen
Parr; ich möchte fast sagen – wenn das nicht unparlamen-
tarisch wäre –: „Quatsch“. Deshalb sage ich es nicht.


(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen bezüglich der Arzneimittel nur Folgen-

des sagen – ich denke, wir werden nächste Woche eine
Debatte dazu haben –: 1998 betrugen die Ausgaben für

Arzneimittel 34,66 Milliarden DM und 1999 37,57 Mil-
liarden DM. Sie aber stellen sich hin und sagen, das Geld
reiche nicht aus.


(Aribert Wolf [CDU/CSU]: Das sagen nicht wir, das sagen die Patienten!)


Beweisen Sie doch erst einmal, dass das Geld nicht aus-
reicht. Sie wissen doch ganz genau, dass wir – gemessen
am Bruttoinlandsprodukt – weltweit die zweithöchsten
Ausgaben auf diesem Sektor haben und innerhalb der Eu-
ropäischen Union an erster Stelle liegen. Sie aber tun so,
als ob das Geld nicht ausreiche.

Sie wissen genau, dass viel Geld in die falsche Rich-
tung geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit diesem Gesetz sollen die Wirtschaftlichkeit und
die Qualitätssicherung auf dem Gesundheitssektor abge-
sichert werden. Das Gesetz verpflichtet zur Qualitäts-
sicherung und dafür gibt es eine ganze Reihe tauglicher
Instrumente. Wenn Sie fordern, das Budget abzuschaffen,
müssen Sie sagen, was Sie stattdessen wollen. Wir haben
Ihre Alternativen in der Vergangenheit gesehen: höhere
Zuzahlungen und Leistungsausgrenzung.


(Wolfgang Zöller [CDU/CSU]: Das ist gerechter als den Leuten Leistungen vorzuenthalten!)


Einen solchen Weg gehen wir allerdings nicht mit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413710300
Ich
schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15
– Bundesministerium für Gesundheit – in der Ausschuss-
fassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer
enthält sich? – Der Einzelplan 15 ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU,
F.D.P. und PDS angenommen.

Ich rufe auf:
III. 21 Einzelplan 16

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz
und Reaktorsicherheit
– Drucksachen 14/4515, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Waltraud Lehn
Jochen Borchert
Oswald Metzger
Jürgen Koppelin
Heidemarie Ehlert

Zum Einzelplan 16 liegen zwei Änderungsanträge der
Fraktion der CDU/CSU, ein Änderungsantrag der Frak-
tion der F.D.P. und zwei Änderungsanträge der Fraktion
der PDS vor.




Klaus Kirschner

13403


(C)



(D)



(A)



(B)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Jochen Borchert von der CDU/CSU–Fraktion
das Wort.

Jochen Borchert (CDU/CSU) (von der CDU/CSU
mit Beifall begrüßt): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Am 26. Oktober 2000 ver-
kündete der Bundesumweltminister – wie immer außer-
ordentlich vollmundig – vor der Presse: Die ökologische
Erneuerung ist eingeleitet.


(Zuruf von der SPD: Recht hat er!)

Herr Minister, ich frage Sie: Welches Land meinen Sie

eigentlich? Deutschland können Sie jedenfalls nicht mei-
nen.


(Zuruf von der SPD: Doch!)

– Frau Kollegin, durch Ihre Brille vielleicht.

Die umweltpolitische Halbzeitbilanz der Regierung
Schröder bietet wahrlich keinen Grund zum Jubeln.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


In den letzten zwei Jahren, Herr Minister Trittin, haben
Sie keines der von Ihnen angekündigten Reformvorhaben
umgesetzt. Sie haben Gesetzesnovellierungen angekün-
digt, aber als Ergebnis nur unverbindliche so genannte
Eckpunkte zustande gebracht. Aber was soll es auch? Man
wollte der Öffentlichkeit sowieso nur Aktivitäten und Be-
triebsamkeit vortäuschen. Die Umweltpolitik der letzten
beiden Jahre ist eine reine Ankündigungsrhetorik. In
Wirklichkeit haben Sie die klassischen Felder der Um-
weltpolitik völlig vernachlässigt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aber völlig!)

Zu Recht schreibt Thilo Bode, der Chef von Greenpeace,
in der „FAZ“:


(Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit wann ist das Ihr Kronzeuge?)


Die Regierung hat kein zukunftsweisendes Umwelt-
konzept.

Beispielhaft möchte ich hier nur aufführen: Ohne greifba-
res Konzept ist Deutschland zur 6. Klimakonferenz nach
Den Haag gereist. Das Ergebnis ist verheerend.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wäre er besser nicht hingefahren!)


Der Klimaschutz stagniert. Deutschland hat seine interna-
tionale Führungsrolle unter Minister Trittin verloren. Das
vorgelegte Klimaschutzprogramm ist ein reines Ankündi-
gungsprogramm. Mit der Umsetzung der IVU-Richtlinie
und der UVP-Änderungsrichtlinie befindet sich der
Minister ebenfalls in Verzug. Der Novellierungsentwurf
zum Bundesnaturschutzgesetz wurde von den anderen
Ressorts noch vor dem Stapellauf gestoppt. Bei der Bio-
masseverordnung hat die rot-grüne Koalition noch immer

keinen Konsens gefunden. Bei der so genannten rot-grü-
nen Energiepolitik handelt es sich um eine Politik mit der
geringsten ökologischen Effizienz und den höchsten
volkswirtschaftlichen Kosten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr wahr!)


Hier geht es nicht um Energiepolitik, sondern um die Be-
friedigung ideologischer Ziele.

Das Fazit: In zwei Jahren grüner Umweltpolitik ist
noch keine einzige der angekündigten Novellierungen in
den Bundestag eingebracht worden. Die Umweltpolitik
ist auf der Strecke geblieben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ihre Politik, Herr Minister, zeichnet sich durch Still-

stand und durch Rückschritt aus.

(Monika Ganseforth [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

Meine Damen und Herren, die umweltpolitische Halb-

zeitbilanz ist ein Fiasko. Mit dem ideologisch motivierten
einseitigen Ausstieg aus der Kernenergie negiert die
Bundesregierung die Tatsache, dass Klimaschutz eine
globale Aufgabe ist. Die neuesten Forschungsergebnisse
der zwischenstaatlichen UNO-Kommission für Klima-
wandel machen eines deutlich: Beim Klima muss schnell
und global gehandelt werden. Deshalb ist der einseitige
Ausstieg aus der Kernenergie falsch. Die Konsequenzen
für das Klima sind fatal. Durch den Verzicht auf Kern-
energie – immerhin ein Drittel des erzeugten Stroms –
wird die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern erhöht
oder wir beziehen Strom aus Kernkraftwerken anderer
Länder, die bei weitem nicht unseren Sicherheitsstandards
entsprechen. Da die Bundesregierung gleichzeitig die
Mittel für die Forschung im Bereich Reaktorsicherheit
weiter kürzt, verliert sie zunehmend die Fähigkeit, mitzu-
helfen, die Sicherheit von Kernkraftwerken in anderen
Ländern entscheidend zu verbessern.


(Anke Hartnagel [SPD]: Wir setzen auf regenerative Energien!)


Da hilft auch der ständige Hinweis auf Wind- und
Sonnenenergie nicht. So notwendig dies ist, die benötigte
Strommenge können diese Bereiche in Zukunft sicher
nicht liefern. Inwieweit Windanlagen im Offshorebereich
sinnvoll betrieben werden können, muss noch erforscht
werden. Hier sind technische und ökologische Fragen
noch nicht schlüssig geklärt. Deshalb stimmen wir in die-
sem Bereich der Erhöhung der Forschungsmittel aus-
drücklich zu.

Die Entsorgungsfrage bleibt nach dem Ausstieg aus der
Kernenergie weiterhin ungelöst.


(Zuruf von der SPD: War sie bei Ihnen gelöst?)


In der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und
den Energieversorgungsunternehmen ist der ungestörte
Betrieb der Kernkraftwerke wie auch deren Entsorgung
festgeschrieben. Ich denke, die französische Regierung
besteht zu Recht auf dem vertraglich vereinbarten Rück-




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
13404


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(B)


transport von deutschem Atommüll aus französischen
Wiederaufbereitungsanlagen nach Deutschland.


(Christoph Matschie [SPD]: Wir tragen Ihre Altlasten ab!)


Herr Trittin, Sie haben 1998 wegen höherer Gewalt die
Verträge mit Frankreich kippen wollen. Jetzt sind Sie auf
die Erfüllung dieser Verträge angewiesen.

Mit etwas über 1 Milliarde DM bleibt der Gesamt-
haushalt des BMU im Jahr 2001 weiter auf einem er-
schütternd niedrigen Niveau. Verglichen mit dem letzten
Haushalt der Regierung Helmut Kohl ist das ein Minus
von fast 10 Prozent, während der Gesamthaushalt deutlich
angestiegen ist. Am Gesamthaushalt partizipiert das Bun-
desumweltministerium im kommenden Jahr noch mit
0,23 Prozent. 1998 waren es noch 0,26 Prozent. Im Re-
gierungsentwurf des BMU-Haushalts lag der Verwal-
tungsanteil noch bei über 50 Prozent. Unter 50 Prozent
des Gesamthaushaltes sollten für den eigentlichen Pro-
grammhaushalt, das heißt für Umweltschutz, eingesetzt
werden.

Jetzt, nachdem wir die katastrophale Haushaltsplanung
über Wochen massiv kritisiert haben, hat die Bundesre-
gierung reagiert. Sie haben die Mittel im Programmhaus-
halt auf 377 Millionen DM erhöht. Sie kommen jetzt auf
etwas über 50 Prozent. Trotzdem ist das Ergebnis: Die
Bundesregierung gibt immer weniger für den Umwelt-
schutz aus. Das Wenige, das sie ausgibt, benötigt sie über-
wiegend für die Verwaltung. Dadurch sinken die Investi-
tionen in wichtigen Bereichen des Umwelt- und
Naturschutzes. Aus dem Vertragsnaturschutz steigen sie
weitgehend aus.

Vertragsnaturschutz ist im Gegensatz zu Ihrer Politik
freiwilliger Naturschutz. Beim Vertragsnaturschutz tritt
an die Stelle überflüssiger gesetzlicher Regelungen eine
vertragliche Vereinbarung. Verwaltung und Betroffene
setzen sich an einen Tisch und vereinbaren mit örtlicher
Sachkunde und mit Engagement sinnvolle Naturschutz-
projekte. Das ist Umwelt- und Naturschutz vom Bürger
für den Bürger und das ist gleichzeitig ein Beitrag zu ei-
nem Weniger an Bürokratie.

Die von der CDU/CSU vorgelegten Anträge, auf die-
sem Gebiet die Mittel zu erhöhen, sind von Ihnen abge-
lehnt worden. Dies zeigt, dass Sie nicht auf Vertragsna-
turschutz, also auf freiwilligen Naturschutz und damit auf
das Engagement der Bürger setzen, sondern dass Sie al-
lein den Vorschriften und Regelungen vertrauen.


(Zuruf von der SPD: Haben Sie Ahnung von der Sache?)


– Wahrscheinlich mehr als Sie; aber darüber können wir
ja einmal in Ruhe diskutieren. Ihre Zwischenrufe zeigen
zumindest nicht, dass Sie davon viel Ahnung haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir werden heute sicherlich noch auf die Vorbereitun-

gen zum Klimagipfel in Den Haag eingehen. Es zeigt
sich, dass dieser Klimagipfel aufgrund der schlechten
Vorbereitungen mit einem Desaster endete. Nun richten

sich die Hoffnungen auf einen „Reparaturgipfel“ in Bonn;
aber ob man in sechs Monaten weiter als heute sein wird,
das ist angesichts der Art der Vorbereitung zumindest
fraglich. Wenn es in Bonn keinen Erfolg gibt, wird Ihnen,
Herr Minister, der Wind noch stärker ins Gesicht blasen.

Die rot-grüne Regierung hat die Umweltpolitik dem
Diktat von Ideologen untergeordnet. Statt Fortschritt gibt
es Rückschritt; statt globaler Zusammenarbeit gibt es nur
nationale Alleingänge. Von umweltpolitischen Innovatio-
nen fehlt jede Spur. Sie stellen damit den Sinn des Um-
weltministeriums zunehmend infrage.


(Christoph Matschie [SPD]: Wer hat Ihnen denn das aufgeschrieben?)


Ihre Umweltpolitik ist und bleibt erfolglos. Die ökologi-
sche Erneuerung wurde nicht eingeleitet. Wir lehnen die-
sen Haushalt daher ab.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413710400
Das Wort
hat jetzt die Kollegin Waltraud Lehn von der SPD-Frak-
tion.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Uns bleibt heute aber nichts erspart!)



Waltraud Lehn (SPD):
Rede ID: ID1413710500
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Der Haushalt 2001, Herr Borchert, ist für die
Umwelt ein guter Haushalt:


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)


8,3 Milliarden DM geben wir zusätzlich für den Klima-
schutz aus. Wir setzen mit diesem Haushalt einen um-
weltpolitisch deutlichen Akzent. Das ist Handeln und
nicht Reden. Das sind Taten – und was für welche!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die 8,3 Milliarden DM verteilen sich wie folgt: für
Energieeinsparungen bei Altbauten zusätzlich 2 Milliar-
den DM, für umweltschonende Energieformen zusätzlich
300 Millionen DM und für die Bahn zusätzlich 6 Milliar-
den DM.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Früher haben Sie immer bestritten, dass das zum Umwelthaushalt gehört!)


– Wenn Sie etwas fragen möchten, dann können Sie sich
melden und ich werde auf Ihre Kommentare gerne einge-
hen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das war doch nur ein Zwischenruf!)


Für die Wärmedämmung bei Altbauten und die
Umrüstung von Heizungsanlagen und Haustechnik




Jochen Borchert

13405


(C)



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(A)



(B)


werden für die Dauer von fünf Jahren zusätzlich 400 Mil-
lionen DM im Bauhaushalt bereitgestellt. Für den Um-
weltschutz ist es ein besonderer Erfolg, dass wir die För-
derdauer, die zunächst nur drei Jahre betragen sollte, jetzt
auf fünf Jahre verlängert haben. Dadurch erhält dieses
Förderprogramm eine Perspektive.

Durch entsprechende Verpflichtungsermächtigungen
wurde das Fördervolumen immerhin von 1,2 auf 2 Milli-
arden DM erhöht. Mit diesem Geld kann ein Kreditvo-
lumen von insgesamt 10 Milliarden DM angestoßen wer-
den. Es entstehen zusätzliche Arbeitsplätze in mittelstän-
dischen Betrieben. Zugleich – das ist genauso wichtig –
tragen wir mit diesem Förderprogramm ganz entschei-
dend dazu bei, dass unser Klimaschutzziel „25 Prozent
weniger CO2 bis 2005“ erreicht werden kann. Alle Fach-leute sind sich mit uns einig, dass das CO2-Einsparpoten-zial bei Altbauten besonders hoch ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Doch damit nicht genug: Für die Erforschung und Ent-

wicklung zukunftsweisender Energieformen werden in
den nächsten drei Jahren jährlich 100 Millionen DM be-
reitstehen, von denen 20 Millionen DM im Umwelthaus-
halt veranschlagt werden.


(Rainer Brinkmann [Detmold] [SPD]: Das sollte Herr Borchert einmal hören!)


Ein Schwerpunkt wird dabei die Entwicklung der Brenn-
stoffzelle sein. Damit führen wir die von uns eingeleitete
Wende in der Energiepolitik konsequent, nachhaltig und
auch mit großen Beträgen fort.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es geht weiter: Auch unser Umsteuern in der Ver-
kehrspolitik zugunsten der Bahn ist ein aktiver Beitrag
zum Klimaschutz. Er unterstreicht die Glaubwürdigkeit
der Bundesregierung in ihrem Bemühen, das CO2-Re-duktionsziel zu erreichen. In den nächsten drei Jahren
werden jährlich 2 Milliarden DM zusätzlich für den Aus-
bau der Schienenwege im Verkehrshaushalt zur Verfü-
gung stehen.

All diese Maßnahmen sind ein Beitrag zum Erreichen
des Klimaschutzziels. Sie ergänzen die bereits von der
Bundesregierung seit 1998 getroffenen Maßnahmen, die
ich hier in Erinnerung rufe: das Erneuerbare-Energien-
Gesetz, das 200-Millionen-DM-Anreizprogramm zur För-
derung erneuerbarer Energien, das 100 000-Dächer-So-
larstrom-Programm und auch die Ökosteuer. Anstatt mit
billiger Polemik gegen die ökologische Steuerreform zu
wettern, sollten Sie von der CDU/CSU lieber auf das
hören, was Ihnen Ihr früherer Umweltminister und der
heutige Exekutivdirektor des UNO-Umweltprogramms
UNEP, Klaus Töpfer, ins Stammbuch geschrieben hat.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Aber zitieren Sie ihn vollständig!)


In einem Interview mit dem „Spiegel“ vom 13. Novem-
ber, also von vor gerade 14 Tagen, hat er Ökosteuer nicht
nur als sinnvoll bezeichnet, sondern außerdem erklärt:

Wir können es uns nicht leisten, ein sinnvolles In-
strument wie die Ökosteuer einfach wegzuwerfen.

Recht hat der Mann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Allein bis heute haben wir schon mehr CO2 eingespartals alle anderen EU-Staaten zusammen. Mit dem erst im

vergangenen Monat verabschiedeten Klimaschutzpro-
gramm haben wir einen weiteren wichtigen Schritt unter-
nommen, um das Klimaschutzziel zu erreichen. Wir sind
auf dem richtigen Weg. Wir sind auch auf dem richtigen
Weg, was die Ökosteuer angeht, denn aus ihr wird auch
das Marktanreizprogramm zur Förderung erneuerbarer
Energien gegenfinanziert. Hierfür sind im Haushalt des
Wirtschaftsministeriums für die Jahre 2001 bis 2004 er-
neut 200 Millionen DM vorgesehen.


(Rainer Brinkmann [Detmold] [SPD]: Herr Borchert, Sie können noch etwas lernen!)


Beide Programme haben einen Photovoltaikanlagen-
boom in der Bundesrepublik Deutschland ausgelöst. In
diesem Jahr werden in unserem Land 50 Megawatt Solar-
zellenleistung installiert. Das ist ungefähr ein Viertel der
Weltproduktion. Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2010 den
Anteil erneuerbarer Energien zu verdoppeln. Insgesamt
haben wir in dieser Legislaturperiode mehr als 1 Milli-
arde DM bereitgestellt – das sind nun wahrlich keine
Peanuts –, um die beschleunigte Markteinführung von
Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Erdwärme zu
fördern.


(Beifall des Abg. Michael Müller [Düsseldorf] [SPD])


Hinzu kommen 300 Millionen DM für die Forschungs-
förderung in diesem Bereich.

Alle bisher genannten Fördermittel, bis auf die jährlich
20 Millionen DM für umweltschonende Energieformen,
werden außerhalb des Haushalts des BMU veranschlagt.
Daran wird deutlich, dass der Erfolg der Umweltpolitik
nicht allein an der Höhe des Etats des BMU gemessen
werden kann. Damit wird unterstrichen, welchen Stellen-
wert die Bundesregierung in ihrer Gesamtheit der Um-
weltpolitik einräumt.


(Beifall der Abg. Sylvia Voß [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])


Herr Borchert, wenn Sie sich ausschließlich auf die
Zahlen des BMU-Haushalts, auf den ich gleich im Detail
zu sprechen komme, beziehen, ist das nicht nur konserva-
tiv, sondern geradezu rückständig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Jochen Borchert [CDU/CSU]: Den beraten wir hier aber!)


Wir können uns eine Beamtenmentalität nach dem
Motto „Dafür bin ich nicht zuständig“ nicht leisten. Wir
brauchen vernetztes Denken und vernetztes Handeln. Wir
brauchen Minister und Ministerinnen, die nach rechts und
links schauen, die raten und sich beraten lassen. Wir ha-
ben mit vielen Instrumentarien einen flexiblen Haushalt




Waltraud Lehn
13406


(C)



(D)



(A)



(B)


geschaffen, der sich von Starrheit entfernt. Wir müssen
auch in unserem politischen Handeln hin zu Querdenken
und Problemlösungen kommen. Umweltschutz ist und
bleibt eine Querschnittsaufgabe. Wenn wir über den
Umwelthaushalt diskutieren, dann diskutieren wir immer
auch über die umweltpolitischen Zielsetzungen. Deshalb
muss man den Blick für das Ganze statt nur für einen Teil-
bereich haben.

Insgesamt sind im Bundeshaushalt 2001 fast 10,4 Mil-
liarden DM für Umweltmaßnahmen veranschlagt, von
denen 10 Prozent auf den Haushalt des BMU entfallen.
Daneben gibt es noch die Steuerungs- und Beratungs-
funktion dieses Ministeriums. Mit dem Hauptanteil von
90 Prozent leisten, abgestimmt mit dem BMU, fast alle
anderen Ressorts ihren aktiven Beitrag zum Umwelt-
schutz. Ich möchte, dass das so bleibt. Jedes einzelne Res-
sort muss sich für Umweltschutz engagieren, muss sich
der Bedeutung von Umweltschutz und Klimaschutz be-
wusst sein. Nur so werden wir die Chance haben,
Deutschland bei diesem wichtigen Thema nach vorne zu
bringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber auch im Haushalt des BMU ist eine Steigerung zu
verzeichnen. Im Vergleich zum Regierungsentwurf ist der
Programmhaushalt des BMU in den Haushaltsberatun-
gen um 34,3 Millionen DM, das heißt um 9,2 Prozent, er-
höht worden. Davon sind 20 Millionen DM die bereits er-
wähnten zusätzlichen Mittel für die Erforschung und
Entwicklung umweltschonender Energieformen.

Daneben wurden aber auch andere deutliche umwelt-
politische Akzente gesetzt. Die Fördermittel für Natur-
schutzgroßprojekte wurden um 4 Millionen DM aufge-
stockt. Das bedeutet gegenüber dem Regierungsentwurf
eine Steigerung um 10 Prozent. Damit kann dieses För-
derprogramm, mit dem der Bund wichtige Anstöße für
den Naturschutz in den Ländern gibt, auf einem deutlich
höheren Niveau fortgeführt werden.

Insgesamt gehört der Naturschutz ohnehin zu den
Schwerpunkten in der Umweltpolitik der Bundesregie-
rung. Dies wird auch deutlich durch die 20 neuen Stellen,
die das Bundesamt für Naturschutz in den beiden kom-
menden Jahren erhält, durch die Erhöhung der Projekt-
fördermittel für die Umweltverbände und Naturschutz-
verbände um noch einmal 11,7 Prozent in diesem Jahr und
durch die zusätzlichen Mittel von 3 Millionen DM für die
Ansiedlung einer Abteilung des Europäischen Zentrums
für Umwelt und Gesundheit des europäischen Regional-
büros in Bonn mit 20 Mitarbeitern.

Zusammenfassend stelle ich fest, dass der Bundes-
haushalt 2001 klare umweltpolitische Akzente setzt. Hier-
bei steht ein wirksamer Klimaschutz mit einer 25-pro-
zentigen CO2-Reduzierung bis 2005 im Mittelpunkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der Haushalt ist damit eine hervorragende Grundlage für
eine auch in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode
erfolgreiche Umweltpolitik.

Sie folgt dabei unserem Grundsatz, dass eine moderne,
zeitgemäße Umweltpolitik nicht dabei stehen bleiben
darf, Fehler der Vergangenheit zu korrigieren oder nur auf
Naturkatastrophen zu reagieren. Vielmehr muss sie durch
die Entwicklung präventiver Maßnahmen zukünftige Be-
lastungen vermeiden.

Ich möchte mich auch in diesem Jahr bei meinen Mit-
berichterstattern aus den anderen Fraktionen für die gute,
konstruktive Zusammenarbeit bedanken. In diesen Dank
schließe ich Herrn Minister Trittin und seine Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter insbesondere aus dem Haus-
haltsreferat ein, die mich mit gewohnt kompetenter und
schneller Zuarbeit in allen Fragen unterstützt haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413710600
Als
nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Birgit
Homburger von der F.D.P.-Fraktion.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1413710700
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Kollegen
Borchert für die Aufzählung all dessen, was die Regierung
zwar angekündigt hat, als sie hier angetreten ist, aber bis
heute nicht getan hat, sehr dankbar. So kann ich mir das
sparen und muss das nicht alles noch einmal aufzählen.
Festzustellen bleibt, Herr Trittin, dass außer dem so ge-
nannten Atomausstieg und der so genannten Ökosteuer
nichts, aber auch gar nichts erreicht worden ist.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Das zeigt sich jetzt auch wieder bei einem aktuellen

Beispiel: Sie sind mit leeren Händen aus Den Haag
zurückgekehrt.


(Christoph Matschie [SPD]: Ach je!)

Während die alte Bundesregierung in Sachen Klima-
schutz noch Impulsgeber war,


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ist von Deutschland seit der Übernahme des Umweltres-
sorts durch einen grünen Minister auf internationalem
Parkett überhaupt nicht mehr die Rede.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nichts mehr los! Tote Hose im Klimaschutz!)


Sie können zwar zwischenzeitlich einen Beschluss zum
Klimaschutzprogramm vorweisen; aber umgesetzt ist da-
von absolut nichts. Sie haben sich vor der Konferenz in
Den Haag auf internationaler Ebene in keiner Weise
gekümmert. Zudem haben Sie die Einführung eines Emis-
sionsrechtehandels sträflich vernachlässigt und für
Deutschland auf diesem Gebiet keinerlei Sachkompetenz
entwickelt.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)





Waltraud Lehn

13407


(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Minister, es reicht eben nicht aus, immer nur zu
sagen, was man nicht will. Die Herausforderung auf die-
ser Konferenz bestand darin, während der Verhandlungen
die Reihen der EU-Umweltminister geschlossen zu halten
und an einem dynamischen Prozess teilzunehmen. Statt-
dessen haben

die Europäer nur noch auf den Mangel an Beweg-
lichkeit aufseiten der Amerikaner gestarrt. Dadurch
waren sie nicht mehr imstande, eine effektive ge-
meinschaftliche Strategie zu entwickeln, um die US-
Haltung zu verändern.

Dies war ein Zitat aus dem „Algemeen Dagblad“, einer
unabhängigen Tageszeitung der Niederlande.

An der Unbeweglichkeit der Europäer waren Sie, Herr
Trittin, maßgeblich beteiligt. Das heißt schlicht, dass Sie
an der Lösung der Aufgabe, die Sie dort hätten wahrneh-
men sollen, kläglich gescheitert sind.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Monika Ganseforth [SPD]: Das ist doch Unsinn! Sie waren doch gar nicht dabei!)


Ich sage Ihnen heute: Sie bleiben klimapolitisch in der
Pflicht. Die F.D.P. fordert die Bundesregierung auf, un-
verzüglich Verhandlungen aufzunehmen mit dem Ziel,
mögliche Kompromisslinien zu finden und gemeinsame
Positionen zu vereinbaren. Nutzen Sie doch einmal Ihr be-
kanntermaßen gutes persönliches Verhältnis zu Ihrer fran-
zösischen Kollegin! Sehen Sie nicht zu dabei, wie per-
sönliche Irritationen und Meinungsverschiedenheiten
dazu führen,


(Christoph Matschie [SPD]: Ist das jetzt eine Ferndiagnose? Sie waren doch gar nicht dabei!)


dass es bei den Verhandlungen Schwierigkeiten gibt!
Nehmen Sie die Herausforderung an, als Vermittler zwi-
schen Großbritannien und Frankreich zu wirken! Dabei
gilt es, verlorenes Terrain wieder gutzumachen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Einmal ist er zu hart und dann wieder zu weich!)


Herr Schröder sagte gestern in seiner Rede zum Haus-
halt: „Was dieses Land braucht, ist ein Mehr an Interna-
tionalität.“ Ich habe das wohl gehört. Ob er dabei auch an
Sie gedacht hat, weiß ich nicht. Ich zweifle aber daran, ob
Sie für die Lösung dieser Aufgabe wirklich der Richtige
sind.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Wenn man diese Aufgabe annimmt, dann sollte die

Bundesregierung nicht nur daran arbeiten, eine Kompro-
misslinie zu finden, die von den EU-Staaten gemein-
schaftlich getragen wird. Sie muss darüber hinaus sofort
in Sondierungsgespräche mit anderen Ländergruppen,
zum Beispiel mit den Staaten der Umbrella-Gruppe, mit
den GUS-Staaten und den G-77-Staaten usw., eintreten.
Von Deutschland müssen endlich wieder konstruktive
Initiativen ausgehen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die nächste Klimarunde in Bonn ist unsere letzte
Chance in diesem Bereich – es ist eh schon furchtbar spät –,
hier zu endgültigen Ergebnissen zu kommen. Deswegen
muss mit allem Engagement dafür gesorgt werden, dass
der Kioto-Prozess nicht endgültig und ausgerechnet in der
Bundesstadt Bonn scheitert. Geschähe dies, wäre auch
Minister Trittin endgültig gescheitert.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich komme jetzt von der Klimapolitik zum Entwurf des
nationalen Haushaltsgesetzes. Ich muss Ihnen sagen, dass
Sie auch hier in den Detailberatungen überhaupt nicht auf
unsere Vorschläge eingegangen sind. So bleibt Ihr Haus-
halt schlicht enttäuschend.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Christoph Matschie [SPD]: Das liegt an den Vorschlägen und nicht an uns!)


Wie schon in den letzten beiden Jahren sucht man ver-
geblich nach einem zukunftweisenden Umweltkonzept.
Statt Haushaltsmittel für sinnvolle umweltpolitische Pro-
jekte bereitzustellen, plant der Minister die Subventionie-
rung ökologisch unsinniger Maßnahmen. Jetzt will die
Bundesregierung Zuschüsse für die Aufarbeitung von
Altöl zu Basisöl gewähren, um die EU-Altölrichtlinie um-
zusetzen, deren mangelnde Umsetzung der EuGH in ei-
nem Urteil festgestellt hat.


(Christoph Matschie [SPD]: Weil Sie damals nichts gemacht haben!)


– Hören Sie zu, Herr Matschie. Die Subventionierung ist
unsinnig, da in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-
Ländern schon bisher Altöl in erheblichem Umfang zu
Basisöl aufbereitet wird.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


In dem Urteil hat der EuGH die Subventionierung aus-
drücklich nicht gefordert. Er sagt, dass es nicht seine Auf-
gabe sei, festzustellen, welche Maßnahmen die Mitglied-
staaten hätten ergreifen müssen. Vor diesem Hintergrund
wäre eine rechtliche Privilegierung nicht nur nach Auf-
fassung der F.D.P. völlig ausreichend. Das zeigt sich im
Übrigen auch daran, dass Sie diesen Haushaltstitel mit ei-
nem Sperrvermerk versehen haben.


(Christoph Matschie [SPD]: Deshalb läuft Ihre Argumentation ins Leere!)


Das heißt nämlich, dass Sie sich intern nicht darüber einig
sind. Ich weiß auch, dass es unterschiedliche Rechtsauf-
fassungen zwischen den verschiedenen Ministerien inner-
halb dieser Bundesregierung gibt.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der Vorrang der stofflichen Verwertung ist auch
ökologisch nicht zu rechtfertigen. Es gibt vom Umwelt-
bundesamt ein neueres Forschungsprojekt, das eindeutig
feststellt, dass man aus der Ökobilanz keinen eindeutigen
Vorteil eines Verwertungsverfahrens gegenüber einem an-
deren herauslesen kann.




Birgit Homburger
13408


(C)



(D)



(A)



(B)



(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: So auch nicht!)


Eine zusätzliche Förderung der Aufarbeitung ist also auch
aus ökologischer Sicht unsinnig. Deswegen fordern wir
die Bundesregierung noch einmal auf, auf europäischer
Ebene darauf hinzuwirken,


(Monika Ganseforth [SPD]: Rexrodt lässt grüßen!)


dass die Richtlinie dem aktuellen technischen Stand an-
gepasst wird. Aber auch hier ist – wie immer, wenn es um
umweltpolitisches Engagement geht –, absolut nichts ge-
schehen.

Sie, Herr Minister Trittin, haben mir auf meine Frage,
ob Sie das auf europäischer Ebene angehen wollen, er-
klärt, Sie hätten die UBA-Studie nach Brüssel geschickt.
Wenn Sie sich bei dieser Sache einbilden, das allein würde
ausreichen, um in Brüssel etwas zu bewirken, dann
scheint es mir doch so, dass Sie überhaupt keine Ahnung
davon haben, wie man vorgehen muss, um etwas politisch
durchzusetzen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aus ökologischer Sicht ebenfalls zweifelhaft sind im
Übrigen die Vorgaben zur EU-Altfahrzeugrichtlinie, die
in nationales Recht umgesetzt werden soll. Auch hier ha-
ben Sie wieder einmal gepennt. Die vorgesehenen
Quotenvorgaben zum Recycling werden dafür sorgen,
dass die Fahrzeughersteller in Zukunft schwerere Autos
bauen werden, was den Kraftstoffverbrauch erhöhen
wird. Das hat die Bundesregierung gerade erst in einer
Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion zuge-
geben. Ich kann Ihnen nur sagen: Das, was Sie hier ma-
chen, ist ein ökologischer Schildbürgerstreich.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Hinzu kommt, dass die drohende Rücknahmepflicht

schon bald für einen entsprechenden Rückstellungsbedarf
in Milliardenhöhe bei der Industrie und damit für ent-
sprechende Steuerausfälle sorgen wird. Das ist rot-grüne
Umweltpolitik im wahrsten Sinne des Wortes. Maßnah-
men des grünen Umweltministers lassen Bilanzen rot
werden; aber rot werden vermutlich auch Ihre Ohren, Herr
Trittin, wenn Sie das nächste Mal ins Kanzleramt zum
selbst ernannten Autokanzler Schröder zitiert werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da knickt er im Zweifel wieder ein!)


Auch die Atompolitik ist wenig durchdacht. Ich
möchte sie heute ansprechen – wir haben bereits vielfach
darüber diskutiert –, weil sie für die Haushaltsberatungen
eine ganz erhebliche Rolle spielt. Die Endlagerung ra-
dioaktiven Mülls war im rot-grünen Koalitionsvertrag
noch als „fehlende Lösung des Atommüllproblems“ be-
zeichnet worden. Jetzt haben Sie das Problem dadurch
gelöst, dass Sie schlicht erklären, sie stellten die Castoren
auf die grüne Wiese. Das nennt man Umweltpolitik nach
Gutsherrenart.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Anstatt die Endlagerprojekte Konrad und Gorleben, in
die im Übrigen bereits Milliardenbeträge investiert wur-
den, zügig voranzutreiben, sollen alternative Endlager-
standorte erkundet werden. Der Ansatz des vergangenen
Jahres hierfür ist zwar erhöht worden. Trotzdem ist die Sa-
che irreführend, weil die Erkundung neuer Standorte
tatsächlich ein Hundertfaches dieser Summe kostet, ohne
dass es neue Erkenntnisse geben wird. Das Ganze ge-
schieht darüber hinaus mit dem Geld anderer Leute, weil
diese Ausgaben von den Kraftwerksbetreibern refinan-
ziert werden. Das ist für mich ideologisch motivierte
Geldverschwendung.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Ich möchte ein letztes Thema aufgreifen, das wir hier

noch nicht diskutiert haben, was mir aber vor kurzem zu
Ohren gekommen ist. Sie, Herr Umweltminister, verfah-
ren bei der Besetzung von Gremien und Sachverstän-
digenräten die ganze Zeit nach Gutsherrenart. Wie ich er-
fahren habe, soll die Führung der Geschäftsstelle der
Störfallkommission nicht mehr wie bisher durch die Ge-
sellschaft für Reaktorsicherheit in Köln, sondern durch
die Infrastruktur und Umweltschutz GmbH in Bonn wahr-
genommen werden. Ich frage mich, was Sie damit be-
zwecken.


(Zuruf von der SPD: Weil sie besser sind!)

Die Störfallkommission hat eine wichtige Aufgabe zu

bewältigen. Die Geschäftsstelle muss nicht nur das Ple-
num, sondern auch noch zehn Arbeitsgruppen inhaltlich
betreuen. Das heißt also, man braucht inhaltlich und
administrativ wirklich hoch kompetente Leute. Bisher
wurde diese Aufgabe zu aller Zufriedenheit sehr zuver-
lässig erfüllt. Deshalb: Warum diese Neuausschreibung?


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Warum wollen Sie nicht, dass die GRS diese Aufgabe

weiter übernimmt? Mir stellt sich die Frage: Fühlen Sie
sich den Experten der GRS nicht gewachsen? Nur das er-
klärt für mich, warum Sie diese Aufgabe nun an die GFA
geben wollen, die auf diesem Gebiet bisher keinerlei Er-
fahrung hat. Die GFA hat bisher lediglich zusammen mit
der GTZ entwicklungspolitische Projekte abgewickelt.

Ich bin gespannt, Herr Minister Trittin, ob Sie in Ihrer
Rede ausnahmsweise dazu öffentlich Stellung nehmen
wollen und damit aufhören, alles in Hinterzimmern zu be-
sprechen und das Parlament im Dunkeln zu lassen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Sie sind im Dunkeln!)


Der Umwelthaushalt 2001 – das will ich Ihnen ab-
schließend sagen, Herr Minister Trittin – ist ein deprimie-
rendes Dokument umweltpolitischen Widersinns und
ökologisch sinnloser Geldverschwendung.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413710800
Ich
möchte Ihnen bekannt geben, dass die beiden namentli-
chen Abstimmungen, die von der CDU/CSU beantragt
worden waren, nicht stattfinden werden. Der Antrag ist




Birgit Homburger

13409


(C)



(D)



(A)



(B)


zurückgezogen worden, sodass es heute keine namentli-
chen Abstimmungen mehr geben wird.


(Beifall bei der F.D.P. – Zurufe von der SPD: Oh! – Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Keine Krokodilstränen!)


Als nächster Redner hat der Kollege Dr. Reinhard
Loske von Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413710900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist
noch nicht lange her, dass viele Medien der Umweltpoli-
tik das Totenglöckchen läuteten.


(Zuruf von der F.D.P.: Jetzt macht das Herr Trittin!)


Die ökologischen Hauptprobleme hierzulande – so war zu
lesen und zu hören – seien weitgehend gelöst; wir hätten
jetzt andere Sorgen, das Verfolgen ökologischer Ziele
müsse ins zweite oder dritte Glied zurücktreten.

Manche redeten vom Schutz der natürlichen Lebens-
grundlagen nur noch als Kostenfaktor. Andere sahen in
dem Reden über die Umweltkrise nur noch Hysterie.
Viele von uns haben gerne die Melodie der Ökooptimisten
vernommen, die da lautet: Alles halb so wild, alles wird
gut. Ich glaube, in diesen Tagen ist es nicht übertrieben,
wenn man sagt, dass diese Lebenslüge in den letzten Mo-
naten einen schnellen Tod gestorben ist.

Das zeigen vier Beispiele besonders deutlich, nämlich
der Klimawandel, der BSE-Skandal, die Krise unserer
Bahn und leider auch nachwie vor die chronische Erkran-
kung unserer Wälder. Auf ganz unterschiedliche Weise
erinnern uns die Problemfelder daran, dass wir – nach wie
vor – vor sehr schwierigen Aufgaben stehen und sie noch
keineswegs gelöst haben.

Zum Thema Klimaschutz. Wir haben nächste Woche
– wenn ich das richtig verstanden habe – Gelegenheit, im
Rahmen einer Regierungserklärung umfassend darüber
zu reden. Deswegen will ich jetzt nicht auf die Details ein-
gehen. Aber ich will wenigstens so viel sagen, dass auf der
Konferenz in Den Haag die Zwischenergebnisse des In-
tergovernmental Panel on Climate Change präsentiert
wurden und dass dort gezeigt wurde, dass der Anstieg der
Temperaturen bis zum Jahre 2100 bei möglicherweise bis
6 Grad Celsius liegt. Das sprengt alles, was bis jetzt im
Bereich der natürlichen Klimaschwankungen zu beob-
achten war. Soll – diese Aussage ist dort noch einmal be-
stätigt worden – die Erderwärmung in Grenzen gehalten
werden, muss der Ausstoß von Treibhausgasen bis Mitte
des nächsten Jahrhunderts, bis zum Jahr 2050, halbiert
werden. Wir bewegen uns hier mittlerweile auf der Basis
von gesichertem Wissen. Die vielen Wetterextreme der
letzten Jahre und Monate sind deutliche Indizien dafür,
dass wir uns bereits mitten in dem größten Experiment,
das die Menschheit sich je vorgenommen hat, befinden.

Ich glaube, es war auch kein Zufall, dass vor allen Din-
gen die Rückversicherer in Den Haag zugegen waren und
mahnend ihre Stimme erhoben haben. Sie sagen uns, dass
die großen Risiken – Stürme, Sturmfluten oder Ex-
tremniederschläge – kaum noch zu kalkulieren sind und
dass es nicht auszuschließen ist, dass Menschen, die in be-

sonderen Risikolagen leben, etwa in Küstennähe oder im
Gebirge, keine Versicherungen mehr finden werden,
wenn der Klimawandel sich weiter zuspitzt.

Kommen wir jetzt zum politischen Teil. All diese Ein-
sichten – und das war ja schon eine große Errungenschaft
in diesem Hohen Hause – haben bislang dazu geführt,
dass wir gemeinsam den Schluss gezogen haben: Klima-
schutz ist eine vorrangige politische Aufgabe. Darin sind
wir uns einig. Die Bundesregierung und die Koalitions-
fraktionen haben sich dieser Aufgabe angenommen und
ein anspruchsvolles – ob es erfolgreich ist, wird man se-
hen – Klimaschutzprogramm vorgelegt. Frau Kollegin
Homburger, wenn ich Sie immer reden höre, diese Regie-
rung habe außer Atomausstieg und Ökosteuer nichts ge-
macht,


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Stimmt doch!)

dann muss ich doch glauben, Sie sind zwei Jahre hinter
der Diskussion zurück.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der SPD: Nicht nur zwei!)


Wir haben uns – das wurde bereits von der Kollegin
Lehn ausgeführt – die energetische Sanierung des Alten-
baubestandes vorgenommen


(Birgit Homburger [F.D.P.]: „Vorgenommen“, ja!)


und dafür in den nächsten fünf Jahren 2 Milliarden DM
zusätzlich zur Verfügung gestellt. Wir haben bei der
Kraft-Wärme-Kopplung den Bestand gesichert und uns
den Ausbau fest vorgenommen.


(Birgit Homburger [F.D.P.]: „Vorgenommen“!)

– Wir haben das Gesetz in Kraft gesetzt. Sie wissen es
vielleicht nicht: Kurzfristig gilt die Bonusregelung; per-
spektivisch wollen wir ein Zertifikat-Modell, das heißt,
eine Verdoppelung der Kraft-Wärme-Kopplung bis zum
Jahr 2010.


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Reine Ankündigung!)


Wir fördern umfassend die erneuerbaren Energien. Wir
werden ab 2003 eine Schwerverkehrsabgabe einführen,
und – darauf komme ich noch – wir haben die Investiti-
onsmittel für die Bahn um 50 Prozent erhöht. Meine Da-
men und Herren, das alles sind Dinge, die es früher nicht
gegeben hat. Sie sind das Ergebnis dieser Regierung.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dazu gehört natürlich auch die ökologische Steuerre-
form. Ich bin einigermaßen froh, dass das heute nicht
wieder auf diese ganz primitive Art gelaufen ist. Wir kön-
nen ab sofort die Diskussion so führen: Wir können uns
darüber streiten, wie man es macht, aber wir können uns
nicht mehr darüber streiten, ob man es macht.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Bei Ihrer nächsten Kampagne gegen die Ökosteuer wer-
den wir Sie genau daran messen, ob Sie den Klimaschutz




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
13410


(C)



(D)



(A)



(B)


ernst nehmen oder ob Sie auf die Ökosteuer zielen und in
Wahrheit den Klimaschutz meinen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Peter Paziorek [CDU/ CSU]: Ich sage gleich etwas dazu!)


– Sie, Herr Paziorek, waren ja da, im Gegensatz zu Frau
Homburger. Es kann zwar immer mal sein, dass man ver-
hindert ist; das gilt es nicht zu kritisieren. Aber wenn man
die Klappe so weit aufreißt, obwohl man gar nicht da war,
ist das schon bemerkenswert.

Wirklich bemerkenswert war dort, dass die Industrie in
Sachen Klimaschutz an unserer Seite gestritten hat. Das
war ganz eindeutig zu spüren und ist ein wichtiges Signal.
Wir hatten Präsentationen zusammen mit der Indus-
trie – eine organisiert vom Umweltministerium –, zusam-
men mit Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare
Energien. Es ging um die Brennstoffzelle, um Mikro-
kraftwerke, um Contracting, also darum, wie mit
Energieeinsparung Geld zu verdienen ist. Die Veranstal-
tung war ein Supererfolg, die Hütte war rammelvoll, die
Leute standen draußen vor der Tür.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Ihr seid ohne Ergebnis wiedergekommen!)


Die Wahrheit ist, dass sogar der BDI an unserer Seite ge-
standen hat. Die letzten Mohikaner, Frau Homburger, sind
Sie; Sie haben es nur noch nicht gemerkt. Das ist das Pro-
blem.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Über die Klimakonferenz werden wir nächste Woche
ausführlich sprechen. Wir müssen da ganz eindeutig eine
Doppelstrategie ins Auge fassen. Es gibt Staaten, bei de-
nen überwiegt die Sorge; die glauben, sie könnten sich die
Reduktion nicht leisten, und versuchen, durch abwegige
Schlupflöcher sich gesund zu rechnen und aus ihren Ver-
pflichtungen herauszukommen. Das konnten wir so nicht
akzeptieren. Ich persönlich glaube dennoch, dass es mög-
lich sein wird, in den nächsten Monaten eine Lösung her-
beizuführen und in Bonn zu einem Ergebnis zu kommen.
Umso dringlicher ist, wie gesagt, eine Doppelstrategie:
Auf der einen Seite müssen wir das Kioto-Protokoll am
Leben halten und ausbauen; und auf der anderen Seite, da,
wo man auf Innovationen setzt, brauchen wir einen „fast
track“. Wir können es vielleicht so sagen: Das Kioto-Pro-
tokoll ist nicht die Voraussetzung für nationales Handeln.
Das hat diese Regierung kapiert. Deswegen gehen wir auf
den Innovationstrack.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Reden Sie doch mal deutsch!)


Wir schreiten voran, weil wir glauben, dass derjenige, der
etwas tut, auch auf den Weltmärkten der Zukunft Vorteile
hat. Da wollen wird dabei sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zum Thema BSE. Auch die BSE-Krise ist, jedenfalls
in ihrem tieferen Zusammenhang, eine ökologische Krise.
Sie steht gewissermaßen als Synonym für eine völlige

Entfremdung des Menschen von seinen Nahrungsmitteln.
Es ist auch richtig: Da, wo Massentierhaltung und Indus-
trialisierung der Landnutzung zu Prinzipien erhoben wer-
den, bleiben Natur und Verbraucherschutz automatisch
auf der Strecke und da, wo nur nach den niedrigsten Prei-
sen geschielt wird, bleibt die Qualität auf der Strecke. Das
ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Deshalb
ist es wichtig, dass wir neben den Akutmaßnahmen
– Schnelltests, Tiermehlverbot, Kennzeichnungspflicht –,
über die wir uns hoffentlich weitgehend einig sind, end-
lich beginnen, über die Zukunft unserer Landwirtschaft
nachzudenken und sie selbst auf den Prüfstand zu stellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das ist jetzt die Stunde des ökologischen Landbaus,
das ist – ganz wichtig für den Erhalt der bäuerlichen Land-
wirtschaft – die Stunde der Regionalvermarktung. Eine
große Aufgabe für unsere Europapolitiker und absolut
notwendig ist es, dafür zu sorgen, dass die Vergabe der
Agrarsubventionen an ökologische Qualitätskriterien ge-
knüpft wird.

Wir müssen – das steht jetzt auch auf der politischen Ta-
gesordnung – im Zuge der Beratung über die Novelle des
Bundesnaturschutzgesetzes, die hoffentlich bald stattfin-
den wird, den „Naturschutz durch nachhaltige Nutzung der
Kulturlandschaft“ zum Prinzip erheben. Wir brauchen eine
qualitative Definition dessen, was ordnungsgemäße Land-
wirtschaft ist. Das ist aus unserer Sicht unverzichtbar.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Es muss auch endlich Schluss sein mit der „Alarmis-
muskritik“. In den letzten Jahren war es so, dass fast je-
der, der auf irgendeine Umweltgefahr hingewiesen hat,
sofort als Panikmacher hingestellt wurde. Es ist sicherlich
richtig, dass in den 70er- und 80er-Jahren manches
Umweltproblem hysterisch überzeichnet wurde. Aber ein
ebenso schlechter Ratgeber – wenn nicht noch ein viel
schlechterer – wie Hysterie ist Herunterspielen und Ab-
wiegeln; denn das kostet Vertrauen und sät in der Bevöl-
kerung nur Misstrauen. Deshalb hilft jetzt nur eins: abso-
lute Transparenz!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Zur Krise der Bahn – auch das ist ein großes Thema –:
Die Bahn hat, wie wir alle wissen, Riesenprobleme. Aber
darin liegt auch eine Chance; denn Politik und Gesell-
schaft müssen sich über die Frage klar werden: Welche
Rolle soll die Bahn beim Transport von Mensch und Gü-
tern in Zukunft spielen? Die Umweltschützer und die Um-
weltpolitiker waren immer Verbündete der Bahn. Das ist
wichtig und – das hat die Regierung erkannt – soll auch so
bleiben. Deswegen sind die Investitionsmittel – hören Sie
genau hin! – von 6 Milliarden DM im Jahr 1998, als wir
an die Regierung kamen, auf 9 Milliarden DM in den
Haushaltsjahren 2001 bis 2003 erhöht worden. Das ist ein
Plus von 50 Prozent. Davon könnten Sie sich wirklich
einmal eine Scheibe abschneiden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Wie kommen Sie denn auf die Idee?)





Dr. Reinhard Loske

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(C)



(D)



(A)



(B)


Wir erwarten aber im Gegenzug von der Bahn, dass sie
auf mehr Geld nicht nur mit Streckenstilllegungen und
Personalabbau antwortet. Eine Schrumpfbahn, die sich
aus der Fläche zurückzieht, hat keine Perspektive. Wir
brauchen eine Bahn, die sich aktiv um die Erschließung
neuer Märkte bemüht, und zwar im Personenverkehr und
im Güterverkehr. Deswegen lautet der Deal, den wir Um-
weltpolitiker den Bahnern anbieten: Bemüht euch um
neue Märkte! Dann werdet ihr unsere Unterstützung be-
kommen; denn die Bahn ist gut für die Umwelt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Wir wollen keinen „Deal“!)


Zum Thema Waldsterben kann ich wegen Zeitman-
gels nicht mehr viel sagen. Nur so viel: Es ist erstaunlich,
dass viele von uns das Thema Waldsterben längst abge-
hakt haben. Die Realität ist leider so, dass das, was sich
über Jahre und Jahrzehnte im Boden an Schadstoffen ku-
muliert hat, sozusagen schleichend über uns kommt. So
schön es ist, jetzt über Wasserstoffautos zu reden, die viel-
leicht 2010 oder 2015 über die Straßen fahren werden, so
wichtig ist es auch, den Emissionsausstoß jetzt zu senken.

Ich komme zum Schluss. Der ökologische Struktur-
wandel ist eine der wichtigsten Aufgaben, der sich die Po-
litik zu stellen hat. Sollte diese Aufgabe kurzzeitig auf der
politischen Agenda nach hinten gerückt sein, so ist dies
nun definitiv vorbei. Ich glaube, Umweltpolitik ist wieder
da, und zwar allein aufgrund der Macht der Verhältnisse.
Sie ist eine Querschnittsaufgabe. Deshalb lässt sich Um-
weltpolitik zunehmend auch im Haushalt anderer Minis-
terien wiederfinden, zum Beispiel in dem Etat des Minis-
teriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen oder des
Wirtschaftsministeriums.

Der Haushalt 2001 des Umweltministeriums ist ein
guter Haushalt. Deshalb bitte ich Sie, ihn zu unterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413711000
Zu einer
Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Birgit
Homburger von der F.D.P.-Fraktion.


Birgit Homburger (FDP):
Rede ID: ID1413711100
Herr Kollege Loske, Sie
haben Bezug darauf genommen, dass ich an der Klima-
konferenz in Den Haag nicht teilgenommen habe. Das ist
richtig. Ich sehe, dass Herr Minister Trittin klüger gewor-
den ist: Während er mir nach der letzten Debatte noch ei-
nen Brief geschrieben hat, in dem er sich wütend darüber
beschwert hat, dass ich ihn angegriffen habe, und mir mit-
teilte, dass er kein Verständnis dafür habe, dass ich nicht
nach Den Haag fahre, hat er es heute also Ihnen überlas-
sen, das in die Debatte einzuführen.

Dazu möchte ich Stellung nehmen: Die F.D.P. steht
ganz klar zur Klimaschutzpolitik. Wir wollen den Emis-
sionsausstoß mindern. Wir wollen den Erfolg des Kioto-
Prozesses. Daran arbeiten wir mit.


(Beifall bei der F.D.P.)


Die F.D.P. hat seit Monaten Vorschläge zum interna-
tionalen Klimaschutz gemacht. Wir haben mehrfach
nachgefragt, was der Bundesumweltminister mit Blick
auf Den Haag zu unternehmen gedenkt. Wir haben Vor-
schläge gemacht, wie der Zertifikathandel funktionieren
kann.


(Zuruf von der SPD: Das einzige Thema! Etwas anderes habt ihr nicht auf der Pfanne!)


Alle diese Vorschläge wurden entweder ignoriert oder ab-
gelehnt. Stattdessen hat man uns erklärt, es gebe eine Ar-
beitsgruppe zum Zertifikathandel im Umweltministerium
und bei der Börse. Auf Nachfrage, wer da mitarbeite, hat
man keine Antwort erhalten. Im Gegenteil, es hat sogar
geheißen, die betreffenden Ministeriumsvertreter hätten
eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben.


(Monika Ganseforth [SPD]: Das hat doch nichts mit Den Haag zu tun!)


Man bekommt also überhaupt nichts mit: Klimaschutz in
Geheimzirkeln! Sie haben der F.D.P. seit Monaten die Tür
vor der Nase zugeschlagen und uns von der Mitarbeit aus-
geschlossen.


(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich kann schon verstehen, dass es der Minister gern ge-

sehen hätte, wenn ich nach Den Haag mitgekommen
wäre. Er hätte ohne Zweifel jegliche fachliche Unterstüt-
zung gut gebrauchen können.


(Lachen und Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Monika Ganseforth [SPD]: So etwas Arrogantes! Eine unglaubliche Arroganz! – Winfried Hermann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt wissen wir auch, warum die Klimakonferenz gescheitert ist! Weil Sie nicht dabei waren!)


Ich bin absolut sicher, dass Sie größtes Verständnis
dafür haben, dass ich mich angesichts der nicht bestehen-
den Mitwirkungsmöglichkeiten schweren Herzens ent-
schlossen habe, nicht mitzufahren. Ich bin im Übrigen der
festen Überzeugung, dass es nicht mein Job ist, zur psy-
chologischen Verstärkung hinter einem Minister herzu-
laufen. Es wäre zwar schön für ihn gewesen, aber er muss
die Misserfolge von Den Haag selber vertreten.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Eine einzige letzte Bemerkung noch: In dem bereits an-

gesprochenen Brief hat sich der Herr Minister bei mir be-
schwert, ich hätte ihm bei der letzten Rede „Lustlosigkeit“
vorgeworfen.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Ach! So empfindlich ist er?)


Insoweit kann man allerdings nur über einen einzigen
Punkt streiten: Ob es nach niedersächsischer Wortwahl
„Lustlosigkeit“ oder nach baden-württembergischer Wort-
wahl „Luschtlosigkeit“ war. Ich bin dafür, dass es
„Luschtlosigkeit“ war.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413711200
Zur Erwi-
derung Herr Loske.




Dr. Reinhard Loske
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Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413711300

Zwei Punkte. Erstens. Herr Trittin hat mir nichts überlas-
sen.


(Dirk Niebel [F.D.P.]: Er kam doch gerade herüber und hat es zugeflüstert! Er hat vorgesagt!)


Zweitens. Ich habe bis jetzt nicht verstanden, woran die
Klimakonferenz von Den Haag gescheitert ist. Aber jetzt
weiß ich es.


(Lachen und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413711400
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Eva Bulling-Schröter
von der PDS-Fraktion das Wort.


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1413711500
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Dabei sein ist nicht immer al-
les. Erfolge zählen. Ich denke, wir in diesem Hause sind
uns einig, dass Den Haag ein Desaster war. Wie mit natür-
licher Umwelt umgegangen wird, wurde uns in letzter
Zeit klar vor Augen geführt.

Zum einen markiert das Desaster in Den Haag die Un-
fähigkeit und den Unwillen der führenden Industrielän-
der, dem Klimakollaps entgegenzutreten. Zum anderen
zeigen uns die nunmehr auch „deutschen“ BSE-Rinder,
welch unbeherrschbare Risiken der industrielle Umgang
mit Leben – die Abstinenz natürlicher Kreisläufe bei der
Nahrungsmittelherstellung – für Mensch und Natur birgt.

Beide Ereignisse verbindet eines: Die Politik stellt sich
nicht wirklich den Problemen. Sie schiebt vielmehr das
Umsteuern auf Zeiten hinaus, in denen es höchstwahr-
scheinlich für Lösungen zu spät sein wird.

Beim BSE ist – so könnte man es poetisch formulie-
ren – die heile Welt der glücklichen und gesunden deut-
schen Almkühe in den Niederungen friesischer Mastanla-
gen versunken:


(Beifall bei der PDS)

von einem auf den anderen Tag Alarmstufe rot! Plötzlich
ist alles möglich. Tiermehl ist „out“, Schnelltests sind
„in“, wenn auch so dosiert, dass es nicht zu teuer kommt.
Das Massenschlachten beginnt.

Wahrscheinlich bricht der Rindfleischmarkt trotz
plötzlichen Aktionismus nachhaltig zusammen. Das wird
dann weitaus kostspieliger sein als die verpassten und ver-
drängten Vorsorgemaßnahmen. Dies ist eine Katastrophe
für viele Bauern, aber es ist keine Katastrophe für die
Menschheit.

Anders beim Klima. Während der BSE-Schock we-
nigstens eventuell einen Impuls in Richtung ökologischer
Tierhaltung und Futtermittelproduktion auslösen könnte,
wäre es beim Eintreten des Klimakollapses für ein Um-
steuern zu spät. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie alle
hier wissen, was Klimakollaps wirklich bedeutet. Reißt
erst einmal der Golfstrom ab und hat das Abschmelzen der
Gletscher und Pole einen bestimmten Punkt überschritten,
sind die dramatischen Veränderungen bei Niederschlag,
Wind und Temperatur nicht einfach umkehrbar. Der BSE-

Gefahr kann man ausweichen: Schweineschnitzel statt
Rinderrouladen. Wenn das Klima erst einmal kollabiert
ist, gibt es kein Entrinnen. Dieser Gefahr ausweichen kön-
nen wohl nur diejenigen, die Geld oder Macht haben. Das
sind größtenteils die Gleichen, die heute umfassenden
Klimaschutz verhindern. Die Betreffenden sitzen nicht
nur in Washington, Toronto oder Tokio, sondern dazu
gehören auch die Allianz der Mineralöl- und Automobil-
industrie und die Kuponschneider vieler anderer Wirt-
schaftsbereiche, dazu gehören die Lobbyisten in Parla-
menten und Verwaltungen, auch hierzulande.


(Christoph Matschie [SPD]: Was für Tiere waren das?)


– Ich spreche gerade von Lobbyisten; die sind Ihnen si-
cher bekannt. –

Hierzu gehören auch diejenigen, die in Deutschland
dafür sorgen, dass die Bahn zerschlagen wird. Das Me-
dienbild vom germanischen Klimaritter und -retter, das
unser Umweltminister abgibt, ist ein Zerrbild. Während
Jürgen Trittin in Den Haag den harten Mann spielt – was
ich in diesem Fall unterstütze –, zertrümmert der Bund als
Eigentümer der Bahn einen wesentlichen Pfeiler CO2-sparender Mobilität.


(Beifall bei der PDS – Christoph Matschie [SPD]: Wie denn das? Die Bahn bekommt doch mehr Geld!)


Allein im Geschäftsbereich Fernverkehr soll die Zahl der
Lokführer bis zum Jahre 2003 um 45 Prozent zurückge-
hen, trotz Ihrer Zuschüsse. Der Grund für diesen Abbau
sind natürlich eingesparte Züge, denn Roboter bewegen ja
noch keine Triebwagen.


(Zuruf von der SPD: Das steht doch nicht im Umwelthaushalt!)


Die Beschäftigtenzahl der Deutschen Bahn AG soll gar
bis zum Jahr 2015 von derzeit 240 000 auf 120 000 hal-
biert werden.


(Christoph Matschie [SPD]: Die Bahn ist ein unabhängig agierendes Unternehmen!)


– Jetzt auf einmal?

(Christoph Matschie [SPD]: Nicht auf einmal! Schon seit ein paar Jahren!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird eben häufi-

ger mit dem Auto gefahren, wenn keine Möglichkeiten
bestehen, mit der Bahn zu fahren.


(Zurufe von der SPD)

– Sie können das ja nachher dementieren und sagen, was
Sie wirklich für den Ausbau der Bahn in der Fläche tun.


(Zuruf von der SPD: Mehr als die PDS!)

In diesem Punkt geht es um Ökologie und auch um
Arbeitsplätze.


(Beifall bei der PDS)

Wenn zu viel Auto gefahren wird – die Menschen müs-

sen ja zur Arbeit kommen –, dann kann die Bundesregie-
rung noch so viele Klimaschutzprogramme auflegen – es






(C)



(D)



(A)



(B)


wird nichts nützen. Wer seine Förderung de facto auf den
Ausbau von Autobahnen und Flughäfen statt auf den
Schienenverkehr orientiert, ist im Klimaschutz nicht ernst
zu nehmen.


(Zuruf von der SPD: Wer gegen die Ökosteuer ist, auch nicht!)


Schließlich sagen die Prognosen des Wuppertal-Insti-
tuts – das kennen Sie –, dass der CO2-Ausstoß des LKW-Verkehrs bis 2020 von 33Millionen auf 66Millionen Ton-
nen steigen wird. Die CO2-relevanten Belastungen ausdem deutschen Flugverkehr werden gar von 38 Millionen
Tonnen auf 120 Millionen Tonnen zunehmen und sich da-
mit vervierfachen. Dagegen bleiben im gleichen Zeitraum
die Emissionen der Bahn bei lediglich konstant 10 Milli-
onen Tonnen. Dieser Wert berücksichtigt dabei noch nicht
einmal den geplanten Kahlschlag. Gerade der Anteil des
Verkehrsmittels, das die Atmosphäre vergleichsweise mi-
nimal belastet, soll also nicht nur stagnieren, sondern nun
sogar noch schrumpfen. Ich halte das für Irrsinn.


(Beifall bei der PDS – Zuruf von der SPD: Falsch!)


Mir fällt es angesichts des Haushaltsentwurfs schwer,
ein Umschwenken in Richtung Ökologisierung der
Landwirtschaft – damit wären wir wieder bei BSE – oder
gar ein Durchstarten im Naturschutz zu erkennen. Der
Titel „Zuschüsse für Erprobungs- und Entwicklungsvor-
haben auf dem Gebiet des Naturschutzes“ wird, nachdem
er im letzten Jahr schon um 14 Prozent reduziert wurde,
wiederum um 15 Prozent abgesenkt. Mit diesem Titel
wurden aber insbesondere Forschungsprojekte innerhalb
des spannungsgeladenen Verhältnisses zwischen Natur-
schutz und Landwirtschaft finanziert. Hier gab es hochin-
teressante Vorhaben mit dem vorbildlichen Ziel, zum ei-
nen Arbeit und Einkommen im ländlichen Raum zu
entwickeln und zum anderen Naturschutzgebiete und
Kulturlandschaft zu schützen.

Die so ökologisierte Landwirtschaft schuf auch Leit-
bilder für regionale Kreisläufe im ländlichen Raum. Dort
ist nun Kahlschlag angesagt. Aber so richtig verwundern
kann dies nicht; denn wenn vom zuständigen EU-Kom-
missar der Ruf nach genverändertem Sojaschrot als Ersatz
für Tiermehl als Futtermittel laut wird,


(Beifall bei der PDS)

dann wird klar, wo Schwerpunkte gesetzt werden. Ein Ri-
siko wird gegen das nächste so lange ausgetauscht, bis es
wieder in die Hose geht. Hier hat man die Wahl zwischen
Pest und Cholera. Beides lehnen wir ab.


(Beifall bei der PDS)

Dabei ist noch nicht einmal klar, ob die BSE-Erreger

gar in die Böden eingedrungen sind, wie der Wissen-
schaftliche Bodenschutzbeirat zu bedenken gibt. Wir ha-
ben also eventuell noch Probleme vor uns, die wir im Mo-
ment überhaupt nicht überblicken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Klimakollaps und
BSE, aber auch der drohende Zusammenbruch von Mors-
leben sollten uns Anlass geben, generell die ökologische
Nachhaltigkeit der bundesdeutschen Politik zu hinterfra-
gen. Einiges wurde von dieser Bundesregierung auf den

Weg gebracht, aber der grundlegende Wandel blieb nur
ein Versprechen. Im Gegenteil: Im Vergleich zum letzten
Haushalt der Kohl-Regierung wurden – über alle Einzel-
pläne verteilt – Umweltschutzausgaben von mehr als ei-
ner halben Milliarde DM gestrichen.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Genau! Da haben Sie ausnahmsweise Recht!)


Der Atomausstieg blieb nur ein Versprechen, die Ver-
kehrspolitik ein Chaos.

In diesem Sinne ist der Regierungsentwurf auch aus
umweltpolitischer Sicht von uns abzulehnen. Der ausblei-
bende Wandel manifestiert sich in diesem Zahlenwerk.


(Christoph Matschie [SPD]: Das ist aber ein hartes Urteil!)


Dies können wir nicht unterstützen.

(Beifall bei der PDS)


Zum Schluss noch Folgendes: Sie haben sehr protes-
tiert, als ich die Punkte diskutiert habe, die sich auf die
Bahn beziehen. Sie können das alles anders machen; wir
erwarten da etwas. Wir erwarten natürlich – Kollege
Loske hat das angesprochen – ein vernünftiges, weiter ge-
hendes KWK-Gesetz. Ich erwarte, dass Herr Minister
Trittin auch dazu etwas sagt.

Danke.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413711600
Als
nächster Redner hat der Kollege Christoph Matschie von
der SPD-Fraktion das Wort.


Christoph Matschie (SPD):
Rede ID: ID1413711700
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, man kann ganz
klar sagen, dass sich dieser Haushalt an den Erfordernis-
sen einer zukunftsorientierten Umweltpolitik ausrichtet.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das meinen nur Sie allein!)


Herr Borchert, ich kann nicht verstehen, dass Sie im-
mer wieder Programmhaushalt und Verwaltungshaushalt
gegeneinander ausspielen. Ich bin zwar einerseits froh,
dass es gelungen ist, den Programmhaushalt im Stamm-
haushalt des BMU noch einmal um über 34MillionenDM
aufzustocken – ich bin dafür der zuständigen Haushälte-
rin Frau Lehn sehr dankbar –,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

aber es macht doch überhaupt keinen Sinn, Verwaltungs-
haushalt und Programmhaushalt gegeneinander auszu-
spielen. Das Umweltministerium – das haben Sie doch
selber an dieser Stelle immer wieder betont, als Sie noch
in der Regierung waren – ist doch in erster Linie nicht
etwa ein Programmministerium, sondern ein Gesetzge-
bungsministerium.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Diese Erklärungen haben Sie vor fünf Jahren immer bestritten! – Michael Müller Koordinierungsministerium!)





Eva Bulling-Schröter
13414


(C)



(D)



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(B)


Auf der anderen Seite wissen Sie genauso gut wie ich,
dass wesentlich mehr Mittel für den Umweltschutz im
Bundeshaushalt zur Verfügung stehen, als in diesem Ein-
zelplan verankert sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Grill, wir haben in diesem Haushalt insgesamt über
10 Milliarden DM, wenn man alle Ressorts zusammen-
nimmt, die für Umweltschutzaufgaben und für die not-
wendigen Investitionen in diesem Bereich zur Verfügung
stehen.

Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn Sie sich ab und zu
einmal daran erinnerten, dass wir mit diesem Haushalt
wie mit dem vorangegangenen Haushalt auch Nachhal-
tigkeit in der Finanzpolitik durchsetzen und die Altlasten,
die Schulden, abarbeiten, die Sie uns hinterlassen haben
und die nicht wir aufgehäuft haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir gehen Investitionen im Umweltschutzbereich in
vielfältiger Form an. Wir verstärken den Verwaltungsbe-
reich. Frau Lehn hat auch dazu etwas gesagt. Ich glaube,
dass es sinnvoll ist, 20 neue Stellen im Bundesamt für Na-
turschutz zu schaffen, weil die Aufgaben in diesem Be-
reich wachsen. Deshalb ist es notwendig, auch in diesem
Bereich deutlich aufzustocken.

Man darf nicht gering schätzen, dass auch über Maß-
nahmen entschieden worden ist, die zu Mindereinnahmen
im Haushalt führen, aber dem Naturschutz zugute kom-
men. Ich erinnere daran, dass es uns gelungen ist, einen
wichtigen Beitrag zum Schutz des Naturerbes in den
neuen Bundesländern zu leisten, indem wir 50 000 Hek-
tar an Naturschutzflächen kostenlos für die Bundeslän-
der bzw. Naturschutzverbände zur Verfügung gestellt ha-
ben und weitere 50 000 Hektar zu verbesserten Kondi-
tionen anbieten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Christian Ruck [CDU/ CSU]: Das sieht der NABU aber anders!)


Ich denke, dass die Überlegungen zu einer Novelle des
Bundesnaturschutzgesetzes gute Voraussetzungen bieten,
auch diesen Bereich zukunftsorientiert weiterzuent-
wickeln. Das Naturschutzrecht wird stärker an der Funk-
tionsfähigkeit des Naturhaushaltes, an den ökologischen
Zusammenhängen und an dem Schutz der biologischen
Vielfalt ausgerichtet. Wir schreiben zum Beispiel die Ver-
pflichtung fest, Biotopverbundsysteme zu schaffen und
mindestens 10 Prozent der Landesfläche als Naturschutz-
vorrangflächen auszuweisen. Ich glaube, dass es notwen-
dig ist, in diesem Bereich weiter voranzukommen.

Die Konferenz von Den Haag ist von mehreren Sei-
ten angesprochen worden. Ich glaube auch, dass sie ein
Rückschlag für die internationale Umweltpolitik war.
Aber das lag weder an der Bundesregierung, wie Herr
Borchert uns glauben machen will, noch lag es an der Ver-
handlungsführung von Herrn Trittin, wie Sie, Frau
Homburger, behaupten. Sie tragen damit zur Weiterent-
wicklung der F.D.P. als Ferndiagnosepartei bei. Wenn

man an einer Konferenz nicht teilnimmt, dann kann man
hier nicht solche Behauptungen aufstellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Birgit Homburger [F.D.P.]: Ich bin besser informiert als mancher von euch!)


Die Konferenz hat uns etwas anderes gezeigt, nämlich
dass wir keinen Schritt weiterkommen, wenn Einzelinte-
ressen und Klientelinteressen über gemeinsame Lösungen
in der Umweltpolitik gestellt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Konferenz hat uns weiterhin gezeigt, wie schwierig es
in der Klimaschutzfrage ist, die Kernbereiche der Indus-
triegesellschaft berührt, zu gemeinsamen Auffassungen
zu kommen.


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Das war früher auch so!)


Es war die erste Konferenz, bei der es um harte Entschei-
dungen ging,


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Nein! Nein!)

weil sich auf dieser Konferenz herausstellen musste, wel-
che Maßnahmen umzusetzen sind und welche nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Birgit Homburger [F.D.P.]: Unglaublich!)


Im Gegensatz zu manchen anderen Regierungen, die
auf dieser Klimaschutzkonferenz im Bremserhäuschen
gesessen haben, hat die Bundesregierung ein mutiges Kli-
maschutzprogramm verabschiedet, mit dem der Koh-
lendioxidausstoß in der Bundesrepublik Deutschland bis
2005 noch einmal um 70 Millionen Tonnen verringert
werden kann. Diese Senkung ist auch notwendig, wenn
wir die Verpflichtungen erfüllen wollen, die Deutschland
damals unter Ihrer Regierung eingegangen ist. Wir haben
die Verpflichtung zur Reduktion um 25 Prozent im Ver-
gleich zu 1990 für richtig gehalten und stehen dazu.

Aber genauso wahr ist es, dass uns die Experten bei der
Regierungsübernahme 1998 gesagt haben, dass wir mit
der Fortsetzung Ihrer Politik die Klimaschutzziele weit
verfehlen werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Monika Ganseforth [SPD]: Genau!)


Es war deshalb notwendig, dass die Bundesregierung ein
neues Programm zum Klimaschutz beschlossen hat.

Wir werden dazu beitragen, dass Ressourcen effizien-
ter genutzt werden, dass die Energieeinsparung stärker
gefördert wird und dass die Nutzung erneuerbarer Ener-
gien weiter ausgebaut wird. Wir wollen, dass der Anteil
erneuerbarer Energien bis 2010 verdoppelt wird. Wir wer-
den dafür die Rahmenbedingungen weiter verbessern. Ein
wesentlicher Schritt ist mit dem Erneuerbare-Energien-
Gesetz schon getan worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Christoph Matschie

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(B)


Auch der Ausstieg aus der Atomenergie, der ja von Ih-
nen immer wieder kritisiert wird


(Marita Sehn [F.D.P.]: Zu Recht!)

– nein –, ist ein Beitrag dazu, den notwendigen Umbau der
Energiestrukturen voranzutreiben und Freiräume für
mehr dezentrale Versorgung und Energieeinsparung zu
schaffen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Borchert, Sie haben gesagt, jetzt würden wir den
Atomstrom aus anderen Ländern importieren. Wenn Sie
sich einmal die Import- und Exportzahlen der deutschen
Stromwirtschaft anschauen, dann werden Sie feststellen,
dass sich der Import und der Export von Strom fast die
Waage halten.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Warum wollen Sie dann ein Importverbot machen?)


Es kann also gar nicht die Rede davon sein, dass Strom aus
Deutschland durch Atomstrom aus dem Ausland ersetzt
wird.


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Das ist eine seltsame Argumentation, die Sie jetzt machen!)


– Das ist keine seltsame Argumentation. Man kann nicht
von dem Ersetzen von Energie reden, wenn man sich die
Energieflüsse in beide Richtungen anschaut.

Wir werden auch die Kraft-Wärme-Kopplung und
deren Ausbau weiter voranbringen. Auch hier ist ein ers-
ter wichtiger Schritt getan worden. Wir werden in den
nächsten Monaten weitere rechtliche Rahmenbedingun-
gen schaffen, die dafür sorgen, dass die Kraft-Wärme-
Kopplung in Deutschland ausgebaut wird.

Ich bin froh, dass es gelungen ist, das bereits beste-
hende Förderprogramm zur Markteinführung erneuerba-
rer Energien nochmals finanziell aufzustocken. Allein
im nächsten Haushaltsjahr stehen uns dafür 300 Milli-
onen DM zur Verfügung. Ich denke, dass es auch sinnvoll
ist, einen Teil der Zinsersparnisse aus den UMTS-Lizenz-
erlösen gezielt für die Forschung im Bereich umwelt-
freundlicher Technologien zur Energieerzeugung einzu-
setzen.

Auch die von Ihnen jahrelang verschleppte Energie-
einsparverordnung liegt jetzt endlich auf dem Tisch.


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Wo denn?)

Das zeigt, dass diese Bundesregierung handelt. Gestern
ist die Fassung vorgelegt worden.


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Wo? Bei wem?)

– Sie können sie erhalten, sie sich anschauen und dann
können wir gemeinsam darüber diskutieren. –


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Das glaube ich erst, wenn ich sie sehe!)


Hier werden Wärmestandards definiert, die dazu führen,
den Heizenergiebedarf von Neubauten um 30 Prozent ge-
genüber den bisherigen Anforderungen zu senken.

Um auf den Vorwurf bezüglich der Bahn einzugehen,
Frau Bulling-Schröter. Es ist dieser Regierung gelungen,
mit dem Zukunftsinvestitionsprogramm in den nächsten
drei Jahren zusätzlich 6 Milliarden DM zu mobilisieren,
die dem Ausbau der Schieneninfrastruktur zugute kom-
men. Ich glaube, so gut, wie es die Bahn unter dieser Bun-
desregierung hat, hat sie es lange nicht gehabt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zum Schluss ein kurzer Blick auf Ihr Lieblingsthema,
die Ökosteuer und Ihren Antrag, den Sie zur Abschaffung
der Ökosteuer vorgelegt haben. Übrigens: Ihre Argumente
gegen die Ökosteuer richten sich am Ende ja gegen Ihr ei-
genes Programm; denn in der CDU ist die Ökosteuer pro-
grammatisch eigentlich nie umstritten gewesen. Hören
Sie einmal auf Ihren früheren Umweltminister Töpfer, der
erst vor kurzem gesagt hat: Wer die Ökosteuer als K.-o.-
Steuer bezeichnet, hat nichts begriffen. Davon können Sie
etwas lernen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Christian Ruck [CDU/ CSU]: Schauen Sie einmal unseren Antrag an und lernen Sie daraus!)


Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, ich
kann Ihnen nur sagen: Kommen Sie aus Ihrer Schmoll-
ecke heraus. Machen Sie konstruktive Umweltpolitik.
Das nützt der Umwelt und dem Klima im Parlament.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413711800
Als
nächster Redner hat der Kollege Dr. Peter Paziorek von
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Dr. Peter Paziorek (CDU):
Rede ID: ID1413711900
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Herr Matschie hat gerade
sinngemäß ausgeführt, dass der Haushalt der rot-grünen
Regierungskoalition für das nächste Jahr unter die Über-
schrift „Zukunftsfähigkeit gewinnen“ gestellt worden ist.
Bei der Bewertung dieses Haushaltsplanes, glaube ich,
muss man aber große Zweifel daran haben, ob Sie dieser
Überschrift, die Sie sich gerade selbst gegeben haben,
überhaupt gerecht werden. Bei einer Prüfung der einzel-
nen Haushaltsstellen drängt sich vielmehr der Eindruck
auf, dass Sie die erfolglose Umweltpolitik der letzten zwei
Jahre auch im nächsten Jahr fortsetzen wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie, lieber Kollege Reinhard Loske,haben gerade aus-

geführt, all die Hinweise auf das so genannte Totenglöck-
lein für die Umweltpolitik seien jetzt nicht mehr ange-
bracht. Ich will auf die Ausgabe des „Tagesspiegels“ vom
gestrigen Tage verweisen. In einem Kommentar mit der
Überschrift „Zurück ins Kerngeschäft“ heißt es: „Die
Grünen verwechseln Realpolitik mit Ökologie-Ver-
zicht...“. Hervorragend ist diese Überschrift. Es heißt in
diesem Artikel weiter – ich darf zitieren, Herr Präsident –:




Christoph Matschie
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(C)



(D)



(A)



(B)


Aber es nutzt nichts, neues Terrain zu erschließen,
wenn das angestammte preisgegeben wird. Es lag
nicht am Profil des linken, angeblich allenfalls am
Atomausstieg interessierten, ansonsten der Ökologie
abholden Umweltministers Trittin, dass die Grünen
so blass aussehen. Weite Kreise ihrer herrschenden
Schicht von Polit-Profis haben Realpolitisierung wie
De-Ökologisierung verwechselt.

Recht hat der Kommentator des „Tagesspiegels“.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ich will auch auf die Klimaschutzkonferenz in Den
Haag eingehen; das Thema wurde ja von vielen Vorred-
nern bereits angesprochen. Ich glaube, dass in einer Haus-
haltsdebatte auch zur Klimakonferenz in Den Haag Stel-
lung bezogen werden muss. Alle von uns, die auf der
Konferenz waren, stehen noch unter dem Eindruck des
negativen Konferenzergebnisses. Wir als CDU/CSU-
Fraktion – ich will das ganz deutlich sagen – werden uns
dafür einsetzen, dass in Deutschland und auch in diesem
Hause alle gemeinsam an einem erfolgreichen Rio-Nach-
folgeprozess arbeiten. Die Unterbrechung der sechsten
Klimakonferenz in Den Haag war ein schwerer Rück-
schlag und insofern eine Enttäuschung, als man manch-
mal das Gefühl hatte, eine Einigung wäre greifbar nahe
gewesen.


(Monika Ganseforth [SPD]: Herr Borchert hat das anders bewertet!)


Herr Matschie, Sie haben gerade mit Ihrem Hinweis
auf die vergangenen Klimakonferenzen ein Beispiel dafür
gegeben, was sich im Parlament abgespielt hätte, wenn
der jetzige Umweltminister nicht Trittin, sondern Merkel
hieße. Dann wäre alles nach dem bekannten Motto „Es
gibt nur eine Stelle, die an dem Scheitern dieser Klima-
konferenz schuld ist“ – so ähnlich haben Sie das damals
gesagt – verlaufen.


(Monika Ganseforth [SPD]: Das hat er nie gesagt!)


– Frau Ganseforth, Sie haben sich an einer Stelle diffe-
renziert geäußert; das gebe ich zu. Ich habe Ihre Stellung-
nahme nachgelesen. Ansonsten gab es nur eine generelle
Kritik, die die Hauptschuld an den schlechten Ergebnis-
sen der bürgerlichen Koalition anlastete. Heute haben Sie
auf einmal Verständnis für Schwierigkeiten und gewisse
Handlungszwänge – nur weil das Regierungslager ge-
wechselt hat. Das ist in der Tat keine sinnvolle Konti-
nuität. Herr Matschie, ich will ganz deutlich sagen: Herr
Trittin hat mehrfach – auch in Presseerklärungen – in Den
Haag erklärt, die Ergebnisse von Kioto dürften nicht
„zurückverhandelt“ werden; er möchte die Ergebnisse
von Kioto aufrechterhalten. Wer war denn damals in Ki-
oto in der deutschen Delegation federführend? Das war
die damalige Bundesumweltministerin Merkel von der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie stellen sich jetzt hier
hin und tun so, als ob im Grunde genommen auf Klima-
konferenzen der 90er-Jahre keine Erfolge erzielt worden
wären. Schauen Sie sich das bisher Erreichte an und dann
kommen Sie zu einem anderen Ergebnis.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat aber keiner gesagt!)


– Ich habe nicht Sie angesprochen, Herr Loske.
Um eines – auch für die Nachfolgekonferenz in Bonn

– ganz deutlich zu machen: Wir wollen keine Schlupf-
löcher, sondern eine konsequente Verhaltensänderung der
Industriestaaten. Jeder, der einen solchen Kurs einfor-
dert, erhält unsere Unterstützung. Sie sollten sich die
Pressemeldungen ansehen, die unmittelbar nach dem
Scheitern der Konferenz von Den Haag veröffentlicht
wurden. An einer Stelle wird zum Beispiel ausgeführt,
dass sich die so genannte Supermacht USA, unterstützt
von Japan und den OPEC-Staaten, durchsetzen konnte,
weil sie gegenüber einem zerstrittenen Europa angeblich
die besseren Argumente hatte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Das ist doch das Hauptproblem: Sie hatten nicht die bes-
seren umweltpolitischen Argumente – das konzedieren
wir –, aber die EU-Staaten konnten sich bis zur letzten
Minute der Konferenz nicht darüber einigen, mit welchen
Mitteln die verfahrene Situation hätte aufgebrochen wer-
den können. Das war das Hauptproblem der letzten Stun-
den dieser Verhandlungen.

So darf es nicht weitergehen. Die CDU/CSU-Bundes-
tagsfraktion erwartet von dem Bundesumweltminister,
dass er sich im Vorfeld der Nachfolgekonferenz seiner
besonderen Verantwortung stellt und ein hohes Maß nicht
nur an Durchsetzungskraft und klarer Positionierung, son-
dern auch an Flexibilität zeigt, um zu einem guten Ergeb-
nis zu gelangen. Ohne Flexibilität bei den Verhandlungen
werden wir unsere Grundsatzposition bei internationalen
Verhandlungen nicht durchsetzen können. Deshalb sage
ich: Sie sind als Bundesumweltminister massiv gefordert.
Wenn Sie diese Vorgaben einhalten, werden Sie auch von
unserer Seite die notwendige Unterstützung erhalten. Wir
als CDU/CSU wollen nicht, dass die Nachfolgekonferenz
von Den Haag zu einem großen umweltpolitischen Super-
GAU wird. Daran kann keiner in diesem Hause ein Inte-
resse haben.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P.)


Herr Bundesumweltminister, wenn man sich Ihren Be-
richt vor dem Umweltausschuss vom Januar 1999, also
vor fast zwei Jahren, ansieht und daraufhin überprüft, was
Sie in diesem Bericht als umweltpolitische Schwerpunkte
dieser Legislaturperiode herausgestellt haben, wird man
unschwer feststellen können, dass Sie mit Ausnahme des
so genannten Atomausstiegs in allen anderen Bereichen
Ihre selbstgesetzten Zielvorstellungen in dieser Legisla-
turperiode nicht mehr erreichen werden. Wenn wir uns
überlegen, was Sie im Augenblick als Sachstand bei der
Atomausstiegspolitik vorliegen haben, haben wir große
Zweifel daran, ob das, was Sie pressemäßig gut verkauft
haben, auch realisiert werden kann. Im Augenblick haben
Sie nur eine Erklärung paraphiert. Sie wissen ganz genau,
dass das juristisch ein Nullum ist. Sie können alles




Dr. Peter Paziorek

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(D)



(A)



(B)


Mögliche paraphieren. Gesetzgeberisch bringt Ihnen das
überhaupt nichts. Sie müssen ein Atomausstiegsgesetz
vorlegen.


(Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das kommt noch!)


– Sie sagen, dass es noch kommt. Sie haben angekündigt,
dass es in diesem Herbst kommen wird. Wir wissen ganz
genau, dass bis heute diesem Haus noch kein Atomaus-
stiegsgesetz vorliegt. Das hängt sicherlich damit zusam-
men, dass sich vieles, was Sie vollmundig erklärt haben,
juristisch nicht umsetzen lässt. Das ist das Problem dieser
Regierung: Im Umweltbereich haben wir einen Ankündi-
gungsminister, der in vielen Bereichen keine Taten folgen
lässt. Das ist das große Problem in unserer Umweltpoli-
tik.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sehen wir uns die Abfallpolitik an. Was ist hier nicht

alles genannt worden! Es sollte ein übergreifendes Kon-
zept zum produktbezogenen Umweltschutz vorgelegt
werden. Im Augenblick diskutieren wir in diesem Bereich
nur das Zwangspfand. In der Öffentlichkeit wird so getan,
als ob hier schon alles geklärt sei. Ich habe mir noch ein-
mal das Ergebnis des Kamingesprächs angesehen. An
dem Abend nach dem Kamingespräch haben Tickermel-
dungen angekündigt, dass das Pfand kommt. Bei der Er-
klärung der Umweltminister zur Verpackungsverordnung
heißt es unter Ziffer 4 – ich zitiere –:

Zur abschließenden Beurteilung muss das BMU für
seinen Vorschlag eine ökologische Untermauerung
der Lenkungswirkung des Modells zur Stabilisie-
rung von ökologisch vorteilhaften Verpackungen
vorlegen.

Das kann ich nur so verstehen, dass man darüber nach-
denkt, ob man ökologisch unverträgliche Verpackungen
mit einem Pfand belegt. Der Minister hat aber erst einmal
die Aufgabe, seine Schularbeiten zu machen, um dann
vorzulegen, in welchem Maße das ökologisch sinnvoll
gemacht werden kann. Bis heute wissen wir nicht, ob und
zu welchem Zeitpunkt der Minister das Konzept vorlegen
will. Sie wissen genauso gut wie wir, dass im Bundesrat
darüber nachgedacht wird, die ganze Angelegenheit zu
vertagen, bis der Umweltminister nicht nur eine Presseer-
klärung herausgibt, dass so etwas kommt, sondern bis der
Umweltminister wirklich eine Ökobilanz vorlegt, dass ein
Zwangspfand in dieser Form berechtigt ist. Machen Sie
bitte erst einmal Ihre Schularbeiten, bevor Sie Presse-
erklärungen zu dieser Frage herausgeben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Der Naturschutz ist gerade ebenfalls angesprochen

worden. Es gibt Ländertreffen der Naturschutzverbände,
bei denen Vertreter des BMU ankündigen, dass im Be-
reich des Naturschutzes tatsächlich etwas passiert. Schön
wäre es. Im Augenblick ist weder im Umweltausschuss
noch in diesem Hause ein Entwurf für ein Bundesnatur-
schutzgesetz zur Novellierung des bestehenden Gesetzes
angekommen. Angeblich ist es auf dem Dienstweg zwi-
schen dem Umweltministerium und dem Landwirt-

schaftsministerium abhanden gekommen. Ich frage mich,
ob dieser Entwurf überhaupt abgeschickt worden ist. Sie
erklären immer: Wir wollen das Naturschutzgesetz novel-
lieren. Aber niemand im Umweltausschuss hat bis jetzt
Kenntnis davon bekommen, wie der Gesetzentwurf aus-
sieht und wann er vorgelegt wird. Sie kündigen in einer
Presseerklärung etwas an, ohne in diesem Hause – wie
heißt es so schön – Butter bei die Fische zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Christoph Matschie [SPD]: Sie haben Ihre Novelle sechs Jahre lang angekündigt!)


– Na gut, Herr Matschie, Sie wissen sicherlich, dass Sie
auch damals dazwischengerufen haben, als wir die letzte
Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes im Jahr
1997 vorgenommen haben. Das Ganze ziehlt also ins
Leere.

Zum Stichwort „Umwelt und Gesundheit“. Dies soll
ein Hauptthema der Umweltpolitik in dieser Legislatur-
periode sein. Das Eckpunktepapier haben Sie vorgelegt –
und dann war Schluss. Als ob man mit einem Eckpunkte-
papier verantwortlich Umweltpolitik betreiben kann.

Interessant war die Diskussion zum Sommersmog. Sie
haben über Jahre Frau Merkel als ehemalige Umweltmi-
nisterin attackiert, weil im Bereich des Sommersmogs die
Regelungen angeblich defizitär seien. Jetzt, zu einem
Zeitpunkt, zu dem Sie die Regierungsverantwortung ha-
ben, haben Sie nichts anderes zu tun, als die Konzepte zu
übernehmen, die CDU/CSU- und F.D.P.-geführte Länder-
regierungen in ihren Bereichen schon längst umgesetzt
haben und in einem Entschließungsantrag dem Bundesrat
vorgelegt haben. Sie haben in diesem Bereich abgeschrie-
ben. Damit haben Sie der Öffentlichkeit überhaupt nicht
zur Kenntnis gegeben, dass, damit Ihre ganze Kritik, die
Sie uns über Jahre vorgehalten haben, völlig an der Sache
vorbeigegangen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Eines will ich Ihnen konzedieren: Eine Fehlanzeige

will ich nicht unbedingt vermelden. Es war die einzige
Stelle, Herr Minister, bei der Sie in den letzten zwei Jah-
ren lernfähig gewesen sind.

Das Stichwort Ökosteuer ist schon des Öfteren ge-
nannt worden.


(Marion Caspers-Merk [SPD]: Von Ihnen!)

– Nein, es ist auch von Ihnen angesprochen worden. – Ich
muss noch einmal sagen: An dieser Form der Ökosteuer
kann man nicht festhalten. Das sieht man in Ihrer Fraktion
teilweise genauso. Ich habe gestern in der „Berliner Zei-
tung“ einen Artikel mit der Überschrift gefunden: „Euro-
solar-Kritik an der Ökosteuer“. Dort ist ein sehr bekanntes
Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion zitiert worden. Mit
Erlaubnis des Präsidenten möchte ich aus diesem Artikel
widergeben:

Der Bundestagsabgeordnete und Präsident der Verei-
nigung Eurosolar, Hermann Scheer (SPD), hat die
Verwendung der Einnahmen aus der Ökosteuer kriti-
siert. Die Abgabe wäre den Steuerzahlern viel leich-




Dr. Peter Paziorek
13418


(C)



(D)



(A)



(B)


ter zu begründen, wenn das Geld in die Förderung er-
neuerbarer Energien und des Energiesparens fließen
würde ...


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS)


Man muss aber sagen: Er hat sich bei Ihnen nicht durch-
setzen können. Die Verwendung der Einnahmen aus der
Ökosteuer ist völlig kontraproduktiv. Neben den verfas-
sungsrechtlichen Bedenken gibt es ein umweltpolitisches
Bedenken, das wir hier klar und deutlich benennen müs-
sen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Schluss möchte ich noch einen Hinweis auf das

von Ihnen hier mehrfach genannte Programm zur Förde-
rung erneuerbarer Energien geben. Kein Umweltpoliti-
ker wird die Notwendigkeit bestreiten, dass wir erneuer-
bare Energien fördern müssen. Entscheidend ist aber, wie
Sie das machen. Die Bedenken – ich sage das ganz
grundsätzlich –, die gegen Ihre Förderpraxis inzwischen in
immer stärkerem Maße vorgebracht werden, sind berech-
tigt: Sie überregulieren, Sie greifen in den Markt ein, Sie
schaffen Vorgaben, Sie machen mittlerweile eine Energie-
und Umweltpolitik, die in den Markt so detailliert ein-
greift, dass man große Bedenken haben muss, ob erneuer-
bare Energien damit langfristig sinnvoll gefördert werden.
Denn mit dieser Politik betreiben Sie in Wirklichkeit die
Zementierung des Status quo und Sie schaffen gerade bei
den erneuerbaren Energien keine neuen Entwicklungen.

Aus diesem Grunde kann ich vor der Fortsetzung der
Überregulierung nur warnen. Langfristig bedeutet das,
dass wir auch im Bereich der erneuerbaren Energien den
entscheidenden Schritt nicht vorankommen, sondern im
Status quo verharren. Das wäre kontraproduktiv.


(Christoph Matschie [SPD]: Sie müssen einmal mit den Verbänden reden!)


Die Bilanz nach zwei Jahren rot-grüner Umweltpolitik
lautet: Es ist nicht sehr viel gewesen. Den Hinweis in
einer Werbebroschüre des Bundesumweltministeriums
„Na klar ...“ – als Antwort auf die Frage in der Überschrift:
„Zwei Jahre umsonst?“ – kann ich an dieser Stelle nur als
absolut berechtigt bezeichnen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413712000
Das Wort
hat jetzt der Herr Bundesminister Jürgen Trittin.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit: Herr Präsident! Meine Da-
men und Herren! Anders als es Herr Borchert meint, geht
es bei diesem Haushalt nicht um Ankündigungen, sondern
um die haushaltsmäßige Feststellung von künftigen Aus-
gabeberechtigungen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Welch eine Überraschung!)


Wir haben einen ganz einfachen Umstand zu verzeich-
nen: Wir haben mit diesem Haushalt das größte ökologi-

sche Zukunftsinvestitionsprogramm vorgelegt, das
diese Republik je gesehen hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: So ein Schwachsinn!)


Wir geben allein für den Klimaschutz 8,3 Milliarden DM
aus. 6 Milliarden DM fließen in den Ausbau der Schiene,
2 Milliarden DM in den Ausbau der Wärmedämmung und
300 Millionen DM in Förderung von Zukunftsenergien.
Vor diesem Hintergrund kann ich verstehen, dass Sie als
Oppositionsfraktion Schwierigkeiten haben. Denn was
soll man daran kritisieren?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Christian Ruck [CDU/ CSU]: So ein Quatsch!)


Als erfahrener Oppositionspolitiker empfehle ich Ihnen
in so einem Fall: Greifen Sie besser nicht auf das Manus-
kript vom vergangenen Jahr zurück, weil Sie dann an den
Tatsachen schlicht und ergreifend vorbeireden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Christian Ruck [CDU/ CSU]: Sie haben das Anti-Stau-Programm vergessen! Das müssen Sie noch hineinrechnen!)


– Ich hoffe, dass wir nächste Woche ausführlicher darüber
diskutieren werden.

Wir haben in Den Haag einen schweren Rückschlag im
Hinblick auf die gemeinsamen Anstrengungen für den
Klimaschutz einstecken müssen. Ich persönlich habe
mich mit den Kollegen Müller, Loske, Paziorek und
Lippold gefreut, dort diese Diskussion zu führen.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ganseforth!)


– Frau Ganseforth, Entschuldigung. Dich hätte ich eigent-
lich als Erste nennen müssen, Monika. Sie war auch am
längsten da.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Na, na, na!)


– Habe ich das jetzt wieder gutgemacht? –
Ich glaube allerdings, dass wir uns gemeinsam

bemühen müssen, auch international – mit aller Festigkeit
in der Position und mit aller Notwendigkeit zur Flexibilität
bei Erreichung eines Ergebnisses – dafür Sorge zu tragen,
dass es möglichst schnell eine Fortsetzung gibt. Darüber
führen wir zurzeit viele bilaterale Gespräche – mit den
Amerikanern, mit den Engländern, mit der EU-Präsident-
schaft –, weil wir glauben, dass wir jetzt das, was an Ge-
meinsamkeiten in Den Haag auch erreicht worden ist – es
haben sich ja auch Lösungen abgezeichnet –, schnell unter
Dach und Fach bringen müssen. Vielleicht besteht für Frau
Homburger dann auch einmal die Gelegenheit, das Ganze
aus der Nähe zu betrachten.

Eines will ich hinzufügen, meine Damen und Herren:
Wir haben unsere gute Position bei internationalen Ver-
handlungen unter anderem dadurch erreicht, dass die
Bundesrepublik Deutschland neben Großbritannien und




Dr. Peter Paziorek

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(C)



(D)



(A)



(B)


Luxemburg eines der wenigen Länder ist, in denen mit
dem Klimaschutz Ernst gemacht worden ist.


(Walter Hirche [F.D.P.]: In anderen Staaten mit Ökosteuer ist der CO2-Ausstoß gestiegen!)


Es ist zwar richtig, dass wir mit einem CO2-Ausstoß von5 Prozent des weltweiten Ausstoßes nicht die Probleme für
alle lösen können. Deswegen brauchen wir eine interna-
tionale Lösung. Aber umgekehrt ist auch richtig, dass wir
dadurch, dass wir hier im Lande etwas tun, international
etwas bewegen können. Deswegen wünsche ich mir sehr,
dass wir hier, unabhängig vom Streit über das eine oder an-
dere Instrument – darauf komme ich noch –, einen Kon-
sens über Parteigrenzen hinweg erreichen. Nur so können
wir international tatsächlich etwas bewegen. Ich freue
mich, dass dies von den Anwesenden in Den Haag auch so
gesehen wurde, und empfand dies als eine sehr angenehme
Form der Kooperation.

Mit dem Programm zur Förderung der Kraft-Wärme-
Kopplung, mit der Energieeinsparverordnung, mit der
beabsichtigten Einführung des Niedrigenergiehauses ha-
ben wir Meilensteine gesetzt. Wir wollen das fortsetzen,
indem wir uns den Verkehrsemissionen zuwenden. Als
Stichworte nenne ich die entfernungsabhängige Auto-
bahngebühr und einen weiteren Ausbau der Bahn.

Natürlich hat in diesem Zusammenhang auch die
Selbstverpflichtung der deutschen Wirtschaft vom
9. November 2000 eine Rolle gespielt. Einmal in die an-
dere Richtung gefragt, Frau Homburger: Was hätte ich
unserer Industrie eigentlich sagen sollen, die gerade er-
klärt hat, sie wolle ihre Einsparungen von 20 auf 28 Pro-
zent und bis 2012 sogar auf 35 Prozent steigern, wenn ich
dem Ansinnen zugestimmt hätte, dass den Amerikanern
ein Plus von 1,5 Prozent zugestanden wird? Denn das war
die Forderung. Die Vertreter des BDI, die in Den Haag wa-
ren, waren mit mir völlig einer Auffassung, dass man in
dieser Form nicht verhandeln könne und dass auf dieser
Basis ein Abschluss nicht zu erreichen sei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Monika Ganseforth [SPD]: Nur die F.D.P. hat das noch nicht gemerkt!)


Man kann natürlich auch nicht über Klimaschutzpolitik
diskutieren und sich zugleich jeder konkreten Maßnahme
im eigenen Land verweigern. Ich will das an einem Bei-
spiel belegen: Die ökologische Steuerreform ist im Kli-
maschutzprogramm mit einem Einsparpotenzial von
10 Millionen Tonnen CO2 veranschlagt. Das bedeutet ei-nen Prozentpunkt von den einzusparenden 25 Prozent.


(Birgit Homburger [F.D.P.]: Das können Sie absolut nicht sicher sagen! – Walter Hirche [F.D.P.]: Das wird genauso wie in unseren Nachbarstaaten nichts bringen! In Dänemark und in Holland ist der CO2-Ausstoß mit Ökosteuer ge-stiegen!)


– Ich wusste gar nicht, dass wir hier im dänischen Parla-
ment sind, Herr Kollege Hirche. Führen Sie diese Debatte
bitte dort.

Wenn Sie von der F.D.P. und der CDU/CSU gegen die
Ökosteuer sind, dann frage ich Sie nach Ihrem konkreten
Vorschlag zur Einsparung dieser 10 Millionen Tonnen

CO2. Wir reden hier nicht über Programmatik, sondernüber einen Wettstreit ganz konkreter Einsparungsmaßnah-
men.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Unsere Anträge liegen vor, Herr Minister! Sie werden in der nächsten Woche behandelt!)


– Kommen Sie mir nicht mit der Idee, Herr Paziorek, Sie
wären ja eigentlich für eine Ökosteuer und würden nur die
Verwendung der Mittel aus der Ökosteuer kritisieren.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Es sind drei Punkte, nicht nur dieser!)


Ich habe mir den Spaß gemacht, mir die Homepage der
CDU anzugucken, auf der Sie einen Wettbewerb „Ge-
dichte gegen die Ökosteuer“ ausloben.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte einmal eines dieser Gedichte zitieren:
Kalte Zeiten brechen an.
Wärme sich, wer wärmen kann!
Die Heizung wird herabgestellt,
das Auto besser abbestellt.
Wohlbefinden wird zu teuer
dank der grünen Ökosteuer.
Schröder strahlt und Eichel rafft:
„Haha, wir haben es geschafft!“

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die Verfasserin dieses „Ökosteuer-Blues“ heißt Undine
Weidlich und hat dafür von Ihnen einen Preis bekommen.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Da höre ich richtig, wie Sie die Verwendung der Ökosteuer
kritisieren.

Aber ich muss Ihnen, auch in Abwesenheit Ihres Frak-
tionsvorsitzenden, eines sagen: Solche Rumpelreime sind
der wahre Anschlag auf die deutsche Leitkultur.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir, die Bundesrepublik Deutschland, sind in der Frage
Klimaschutz tatsächlich in einer Vorreiterrolle. Dazu ist
die ökologische Steuerreform ein wichtiges und zentrales
Instrument. Wir wollen es als Teil einer Umstrukturierung,
auch der Art und Weise, wie wir mit Energie umgehen, ge-
stalten. Sie werden keinen Einstieg in eine andere Ener-
giestruktur, in mehr Effizienz, in mehr erneuerbare Ener-
gien, das heißt auch in eine dezentralere Struktur,
bekommen, wenn Sie aus reinem Strukturkonservatismus
und jenseits aller ideologischen Debatten des Pro und
Kontra von Atom an zentralisierten Energietechnologien
festhalten.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)





Bundesminister Jürgen Trittin
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(C)



(D)



(A)



(B)


Deswegen gehören der Ausstieg aus der Atomenergie, Kli-
maschutz und mehr Effizienz untrennbar zusammen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Bevor ich mich abschließend kurz den Bereichen Na-
turschutz und Landschaftspflege zuwende, möchte ich
mich –Frau Lehn hat das schon getan – ausdrücklich bei
den Berichterstattern der Koalitionsfraktionen bedanken.


(Michael Müller [Düsseldorf] [SPD]: Bitte einen Reim!)


Es ist gelungen, 14,3 Millionen DM zugunsten des Pro-
grammhaushaltes umzuschichten. Am meisten freut uns,
dass wir es geschafft haben, die Naturschutzgroßprojekte
auf 44 Millionen DM aufzustocken. Auch der operative
Teil des Bundesamtes für Naturschutz wird ausgebaut.
Das empfinde ich als nachdrückliche Stützung für eines
unserer herausragenden umweltpolitischen Anliegen, in
deren Zentrum die Novelle des Bundesnaturschutzgeset-
zes steht.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Das Bundesnaturschutzgesetz besteht nicht nur aus
dem Biotopverbund und der Einführung einer Verbands-
klage. Nein, es geht auch um einen Ausgleich zwischen
dem Schutzbedürfnis der Natur und denjenigen, die die
Natur nutzen, zumeist zum Broterwerb, aber auch in der
Freizeit.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Aber es gibt keinen Kabinettsbeschluss!)


Dieser neue Ausgleich zwischen den Interessen der Land-
wirtschaft und dem Naturschutz ist notwendig. Wir haben
hier erstmalig eine Definition der guten fachlichen Praxis
aus Naturschutzsicht vorgelegt.


(Beifall des Abg. Eva Bulling-Schröter [SPD] – Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Wo vorgelegt? Wo als Gesetzentwurf?)


Das ist in meinen Augen deswegen so wichtig, weil wir an-
gesichts der BSE-Krise vor der Herausforderung stehen,
uns gemeinsam von der industrialisierten Agrarproduktion
zu verabschieden und auf eine naturverträgliche, an Qua-
lität statt an Quantität orientierte Produktion in der
Landwirtschaft umzusteigen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Ich füge einen weiteren Gedanken hinzu. Zu einem mo-
dernen Naturschutz gehört auch ein anderer Umgang mit
Bio- und Gentechnik. Wir haben es auf internationaler
Ebene geschafft, das Protokoll über die biologische Si-
cherheit abschließend zu verhandeln; wir werden es hier
ratifizieren. Außerdem ist es uns gelungen, für die Freiset-
zung von gentechnisch veränderten Organismen neue Re-
geln zu schaffen.

Aber das ist nicht genug. Wir erwarten gerade vor dem
Hintergrund der schrecklichen Erfahrung mit BSE, dass es
in Europa – das können wir nicht alleine und ausschließ-
lich für uns regeln – klare Regeln nicht nur für die Freiset-
zung von gentechnisch veränderten Organismen, sondern

auch und gerade für gentechnisch veränderte Lebensmittel
gibt: unmissverständliche Kennzeichnung, Rückverfolg-
barkeit bis zur Quelle und vor allen Dingen klare Haf-
tungsregeln, damit nicht letztendlich der Konsument an-
geschmiert ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Mit einem solchen anderen Verständnis des Verhält-
nisses von Naturschutz und Landwirtschaft sowie des Um-
gehens mit gentechnisch veränderten Organismen wollen
wir erreichen, dass die Verbraucher selbst entscheiden
können, welchem Risiko sie sich aussetzen wollen. So-
lange dies nicht gegeben ist, soll es – davon bin ich fest
überzeugt – für einen kommerziellen Anbau solcher Pflan-
zen ein Moratorium geben.

Das ist die Herausforderung, der wir uns gemeinsam zu
stellen haben, wenn wir die Sorgen der Verbraucherinnen
und Verbraucher ernst nehmen wollen und klarstellen wol-
len, dass bei uns der Schutz von Mensch und Umwelt
tatsächlich Vorrang hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413712100
Zu einer
Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen
Bartholomäus Kalb von der CDU/CSU-Fraktion.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1413712200
Herr Bundesmi-
nister, ich bedauere es außerordentlich, dass Sie in Ihrer
Rede kein einziges Wort zum Kernkraftwerk Temelin
gesagt haben, obwohl dieses Thema viele Menschen in der
Grenzregion zur Tschechischen Republik sehr bewegt. Ich
frage Sie, warum Sie es ablehnen, die Gesellschaft für Re-
aktorsicherheit zu beauftragen – dies hat die tschechische
Regierung angeboten –, ihrer Tätigkeit in Temelin weiter
nachzugehen und zusätzliche Überprüfungen vorzuneh-
men. Sie lehnen dies ab, so ist mitgeteilt worden, weil Sie
keine herbeigerechnete Sicherheit wollen.

Auch wir wollen dies nicht. Wir wollen aber wissen
– die Tschechen haben sich bereit erklärt, daran mitzuar-
beiten –, ob das Kernkraftwerk Temelin den europäischen
Sicherheitsstandards entspricht oder nicht.


(Michaele Hustedt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eben nicht!)


Entspricht es diesen Sicherheitsstandards, dann müssten
wir das den Menschen sagen, damit sie sich nicht unnöti-
gerweise Sorgen machen. Entspricht dieses Kernkraftwerk
diesen Sicherheitsstandards nicht, dann sind Sie bzw. die
Bundesregierung aufgefordert, unverzüglich in nach-
drückliche Verhandlungen mit der tschechischen Regie-
rung einzutreten, um dort die in Europa sonst üblichen Si-
cherheitsstandard durchzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Walter Hirche [F.D.P.]: Dann müssten sie ja die deutschen Atomkraftwerke am Netz lassen! Das ist das Problem! – Horst Kubatschka [SPD]: Jahrelang haben Sie nichts gemacht! – Waltraud Lehn [SPD]: Auf was bezog sich das eigentlich? Eine Kurzintervention zu etwas nicht Gesagtem)





Bundesminister Jürgen Trittin

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(C)



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(A)



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Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413712300
Zur Erwi-
derung, Herr Bundesminister Trittin.

Jürgen Trittin, Bundesminister für Umwelt, Natur-
schutz und Reaktorsicherheit: Herr Kollege, ich bin Ihnen
für diese Kurzintervention dankbar. Dies gibt mir erstens
Gelegenheit, der geschätzten Kollegin Homburger auf ihre
Frage nach der Nichtweiterbeschäftigung der GRS in der
Störfallkommission zu antworten. Diese Nichtweiterbe-
schäftigung ist Ergebnis einer Ausschreibung nach Haus-
haltsrecht und insofern eine kaufmännische Entscheidung.
Ich dachte bisher, die F.D.P. sei der Auffassung, dass man
so etwas regelmäßig tun sollte, stelle aber angesichts Ihrer
Äußerungen immer wieder fest, dass die alte Weisheit gilt:
Wer sich eine Decke über den Kopf zieht, soll sich nicht
beschweren, dass er im Dunkeln sitzt.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS – Walter Hirche [F.D.P.]: Ziehen Sie doch einmal Ihre Decke herunter!)


Nun zweitens zu dem ernsten Thema Temelin. Es liegt
ein diesbezügliches Ergebnis der GRS vor. Die GRS ist bei
der Begutachtung von relevanten Anlageteilen zu einem
eindeutigen Ergebnis gekommen: Diese Anlage ist nach
deutschem Recht nicht genehmigungsfähig. Ich wüsste
nicht, was an dieser Stelle noch zu untersuchen ist. Das
weiß auch die tschechische Regierung; denn wir haben ihr
dieses Ergebnis mitgeteilt.

Wir haben es in langwierigen Verhandlungen mit der
tschechischen Regierung geschafft, die Vereinbarung zu
treffen, dass in Bezug auf mehrere Anlageteile – Ihre
Bayerische Staatsregierung ist da die ausführende
Behörde –


(Waltraud Lehn [SPD]: Sehr interessant!)

eine grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprü-
fung durchgeführt wird.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist doch ein Witz!)


Dies betrifft zum Beispiel die Veränderung des Brenn-
stoffkreislaufes, den veränderten Zuschnitt der entspre-
chenden Druckleitungen und Ähnliches, also zentrale
Teile der Anlage.

Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass dies nicht die
Umweltverträglichkeitsprüfung ist, die wir immer gefor-
dert haben, zu der die Tschechen immer sagen, es werde
sie nicht geben.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir wollen Reaktorsicherheit und keine Umweltverträglichkeitsprüfung!)


– Noch einmal langsam für Sie: Die GRS ist zu einem ein-
fachen Ergebnis gekommen – das müsste auch in ein
bayerisches Hirn reingehen –:


(Birgit Schnieber Jastram [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Die Anlage ist nach deutschem Recht nicht genehmi-
gungsfähig.

Wir haben mit der tschechischen Regierung in Abstim-
mung mit den zuständigen Landesbehörden ein Verfahren
verabredet, das zurzeit läuft. Ich erwarte von der tschechi-
schen Regierung, dass sie die Ergebnisse dieser grenz-
überschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung im Hin-
blick auf zentrale Bestandteile der Anlage tatsächlich so
ernst nimmt, wie sie uns das zugesagt hat.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Peter Paziorek [CDU/ CSU]: Beim Fußball hätte es die gelbe Karte gegeben!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413712400
Als nächs-
tem Redner erteile ich das Wort dem Kollegen Kurt-Dieter
Grill von der CDU/CSU-Fraktion.


Kurt-Dieter Grill (CDU):
Rede ID: ID1413712500
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte an Ihre Aus-
führungen, Herr Minister Trittin, anschließen, indem ich
sage: Die GRS darf gar nicht mehr nach Temelin, seitdem
das SPD-Mitglied und EU-Kommissar Verheugen öffent-
lich festgestellt hat, Temelin sei das sicherste Kernkraft-
werk Europas. Es bedarf wohl keiner Prüfung mehr.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Schweigen bei der SPD! – Christoph Matschie [SPD]: Herr Grill, belegen Sie das Zitat!)


Ich habe heute Nachmittag hier gehört, dass in Deutsch-
land seit dem Regierungswechsel 1998 sozusagen der
große Sprung in der Umweltpolitik gelungen sei. Ich
denke, bei einem größeren Zeitkontingent könnte ich
darstellen, wie wenig Sie sowohl in der Perspektive als
auch real geschafft haben.


(Christoph Matschie [SPD]: Ein selbst erfundenes Zitat!)


Ich will zwei Bemerkungen machen: Es gab einmal
eine Zeit, unmittelbar nach dem Regierungswechsel 1983,
da hat ein Umweltminister – Zimmermann – den Kataly-
sator in Deutschland eingeführt. Das war zu der Zeit, als
die Sozialdemokraten in Niedersachsen behauptet haben:
Wenn der Kat eingeführt wird, geht VW Pleite.


(Monika Ganseforth [SPD]: Jetzt kommt wieder Niedersachsen! Wir sind im Bundestag!)


Daneben ist es interessant, Ihnen vorzuhalten, dass in
der Zeit von Helmut Kohl der Energieverbrauch in West-
deutschland gegenüber den Prognosen um 30 Prozent
zurückgegangen ist. Ich kann das mit Zahlen belegen. Bei
dem, was Sie als Erbe übernommen haben, haben Sie
überhaupt keine Veranlassung, uns zu kritisieren.


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt überhaupt nicht!)


– Herr Loske, ich zähle Ihnen das alles auf. – Zu der Zeit,
als Sie kritisierten, es würde nichts passieren, haben wir in
Wahrheit das Fundament gelegt, auf dem Sie heute ope-
rieren können. Wir haben das Fundament in 16 Jahren
geschaffen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)







(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Minister, wir sind uns nicht ganz klar darüber ge-
wesen, was Sie mit 10 Millionen Tonnen CO2 und derÖkosteuer gemeint haben. Meinten Sie das jährlich oder
auf die ganze Zeit bezogen? Beziehe ich das auf ein Jahr,
so kostet die Vermeidung von 1 Tonne CO2 entweder2 500 DM oder 12 500 DM. Ich will Ihnen sagen: Wenn
das der Maßstab ist, mit dem Sie die CO2-Reduzierungin Deutschland vorantreiben wollen, machen Sie die Bun-
desrepublik Pleite.


(Monika Ganseforth [SPD]: Sie müssen gegenrechnen!)


Zum Vergleich: Bei BP kostet die Vermeidung von
1 Tonne CO2 im innerbetrieblichen Handel 16 DM bis24 DM. Sie können mit uns wieder darüber reden, wenn
Sie uns ökonomische Wege der CO2-Reduzierung undnicht einen Weg aufzeigen, der die Bürger dieses Landes
plündert und soziale Ungerechtigkeit befördert.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Monika Ganseforth [SPD]: Sie müssen gegenrechnen, was man spart!)


Herr Matschie, Sie und auch die Kollegin Lehn haben
das gemacht, was zu erwarten war. Sie haben heute alle
Haushalte des Bundes zusammengezählt, weil Sie sonst
das hätten darstellen müssen, was Sie uns früher vorge-
worfen haben.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Ein Minus!)

Sie sind vom Umwelthaushalt auf den Gesamthaushalt
ausgewichen und selbst dort sehen Sie in der Bilanz
schlecht aus.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: So ist es!)

Der ökologische Sprung fand von 1993 bis 1998 in der

Luftreinhaltepolitik statt. Es wurden zwei Drittel weni-
ger SO2 und NOX ausgestoßen und 100 Milliarden DMvon der Wirtschaft zur Luftreinhaltung investiert und die
Industrie verursachte 30 Prozent CO2 weniger. Das ist dasFundament.

Eines darf ich gleich hinzufügen: Den Weltmeistertitel
für installierte Windenergie haben Sie aus unserer Zeit
übernommen, den haben nicht Sie geschaffen. In dieser Si-
tuation befinden wir uns. Mercedes Benz – heute Daimler-
Chrysler – hat seine Entscheidung über die industrielle
Anwendung der Brennstoffzelle in einem serienreifen
Fahrzeug 1996 gefällt und nicht zu Zeiten dieser Bundes-
regierung. Sie ernten das, was wir gesät haben. Das ist un-
ser Problem.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Da, wo Sie Neues ankündigen, vielleicht auch schon

einmal zu Papier gebracht haben, sind die Korrekturen
sehr oft falsch, beispielsweise bei der Verpackungsver-
ordnung und anderem mehr. Wenn wir Ihnen die Vorbe-
reitung von Rio überlassen hätten – das ist das Thema –,
dann wäre Rio nie zustande gekommen. Das ist das Ele-
mentare.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie haben Merkel und Töpfer kritisiert, als Kioto, Ber-

lin und anderes nicht so erfolgreich verliefen, wie Sie das

gewünscht haben. Ich aber sage Ihnen: Wir legen nicht
diese Elle an, sondern wir messen Sie an unseren Erfolgen.
Gemessen an unseren Erfolgen in der internationalen Um-
weltpolitik haben Sie nicht gerade viel gebracht, um es ge-
linde zu sagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die Klimapolitik dient als Beleg dafür. Wir können uns

in der Frage des Ausstiegs aus der Kernenergie darüber
streiten, ob die Kernenergie ein unverantwortliches Risiko
darstellt. Dafür sind Sie den Beleg bisher schuldig geblie-
ben. Aber wenn Sie aus der Kernenergie aussteigen, dann
sollten Sie wenigstens nachweisen, wie der klimaverträg-
liche Ausstieg aus der Kernenergie vonstatten gehen soll.
Sie haben gesagt: Wer aussteigt, muss auch sagen, wo er
einsteigt. Den Beleg für den Einstieg, das Aufzeigen der
neuen Richtung, ist diese Bundesregierung bisher schuldig
geblieben.

Der Bundeswirtschaftsminister hat erklärt: Es wird in
diesem und voraussichtlich auch im nächsten Jahr kein
Energiekonzept der Bundesregierung geben. Auf einer
Veranstaltung der IG BCE vor einigen Wochen in Hanno-
ver hat der Bundeswirtschaftsminister Müller hinter ver-
schlossenen Türen – das gebe ich zu, aber es gibt für die-
ses Gespräch genügend Zeugen – gesagt, es gebe kein
Energiekonzept, weil er nicht in der Lage sei, bis 2020 die
Klimalücke, die durch den Ausstieg aus der Kernenergie
entstehe, zu schließen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Recht hat er!)

Deswegen verbreiten Sie vordergründig das Gerede

über erneuerbare Energien. Aber der Bundeskanzler sel-
ber hat erst vor wenigen Wochen gesagt:


(Monika Ganseforth [SPD]: Können Sie nicht eine neue Rede halten?)


Das wird nicht die Zukunft der deutschen Energiever-
sorgung sein. So lange wie Gerhard Schröder auf öffentli-
chen Veranstaltungen – zuletzt bei Daimler-Chrysler –
Kohlekraftwerke als Ersatz für Kernkraftwerke beschreibt,
werden Sie in der Klimapolitik nicht dorthin kommen, wo
Sie international hinkommen müssen, sondern der CO2-Ausstoß wird am Ende Ihrer Regierungszeit höher als bei
Regierungsantritt sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich will hinzufügen, Herr Loske: Sie selber sind es doch

gewesen, die im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der
Kernenergie davor gewarnt haben, dass Deutschland seine
Leitbildfunktion in Sachen Klimapolitik verlieren könnte.
Das KWK-Vorschaltgesetz ist keine ökologische Leis-
tung; denn es bevorzugt Stromproduktionen aus Kohle.
So, wie die Realität ist, produzieren Sie damit mehr CO2,als Sie einsparen. Das ist der Punkt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ich will Ihnen, Herr Matschie, noch etwas zur Bahn sa-
gen. Nur durch die Milliardenerlöse aus dem Verkauf der
UMTS-Lizenzen, die Sie nicht bekommen hätten, wenn
Eichel und Schröder bei der Privatisierung Recht behalten
hätten, sind Sie in der Lage, die Mittel für die Bahn zur




Kurt-Dieter Grill

13423


(C)



(D)



(A)



(B)


Verfügung zu stellen, die Sie zu unserer Zeit gehabt hät-
ten. Das ist aber nicht der Punkt. Wenn wir zu unserer Zeit
eine solche Bahnpolitik zugelassen hätten, wie Sie sie jetzt
mit Herrn Mehdorn betreiben, wären Sie auf die Gleise ge-
gangen und hätten wider den Abbau der Eisenbahn gere-
det. Das, was jetzt passiert, ist kein Aufbau, sondern ein
Abbau, den Sie zu verantworten haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Dummes Zeug!)


– Nein, das ist kein dummes Zeug, sondern die Wahrheit.
Das ist das Schlimme.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Absoluter Quatsch!)


Es gibt noch einen sehr interessanten Punkt, den ich
zum Schluss aufgreifen will. Ich will ihn mit „Das Ende
der Katastrophe“ überschreiben. Der Bundesminister
Jürgen Trittin hat sich in Artikeln der „Berliner Zeitung“,
aber auch auf einer Veranstaltung mit den Umweltverbän-
den geäußert. Ich zitiere eine ap-Meldung: Im grundsätz-
lichen Teil seiner Bilanz sagte Trittin: Mit Katastrophen ist
keine Politik mehr zu machen. Dieser Mechanismus, von
dem die Umweltschutzorganisation Greenpeace lebe,
funktioniere nicht mehr.


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)


Ich glaube, Herr Trittin, Sie hätten ebenso gut sagen
können, dieser Mechanismus der Grünen funktioniere
nicht mehr. Denn die Katastrophenpolitik, die Sie Green-
peace vorwerfen, ist genau das Prinzip gewesen, das Sie
bis zu Ihrem Regierungsantritt angewendet haben. Sie ha-
ben Greenpeace als Wahlhelfer bei der Darstellung von
Katastrophen zur Unterstützung Ihrer Politik gebraucht.
Es geht nicht um Greenpeace, sondern Sie erklären Ihr ei-
genes Politikprinzip für beendet, das Sie in die Regierung
gebracht hat.


(Christoph Matschie [SPD]: Was hat das mit dem Umwelthaushalt zu tun?)


Sie sind mit der Instrumentalisierung der Katastrophen
und der Ängste der Menschen in die Regierungsverant-
wortung gekommen. Jetzt erklären Sie diese Politik für be-
endet. Deswegen muss man die interessante Frage stellen,
warum der Bundesumweltminister die Katastrophe als
Mittel der Politik für beendet erklärt hat.

Ich kann Ihnen hierfür Beispiele nennen: Stichwort Cas-
tor-Behälter. Unter Trittin ist es so, dass das, was früher
als unverantwortlich galt, nämlich die Halle wegzulassen,
heute möglich ist: Unter Ihnen kann der Castor-Behälter
ohne Halle auf der grünen Wiese stehen. Ein zweiter Punkt
ist, dass Sie rechtzeitig vor dem nächsten Castor-Transport
die Ungefährlichkeit zum Prinzip machen. Aber das hat ja
nicht damit zu tun, dass sich seit dem Regierungswechsel
in Sachen Sicherheit des Castors etwas geändert hätte.
Nein, es geht lediglich darum, Herr Trittin, dass Sie den
Castor für sicher erklären, weil Sie jetzt auf der Lok sitzen
und nicht mehr Töpfer und Merkel für diese Frage ver-
antwortlich machen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Sie sagen, Greenpeace müsste mit der Katastrophenpo-
litik aufhören, und meinen die Grünen.


( V o r s i t z : Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)


Das hat etwas damit zu tun – das hat man auch heute wie-
der an Ihrer Arroganz gemerkt –, dass Sie die Macht lie-
ben. Die Katastrophe als Mittel der Politik hat für Sie aus-
gedient – das ist Ihre Realität, Sie haben es wunderschön
belegt –, weil dieses Prinzip heute Ihre Macht eher ge-
fährden könnte.

Zu der Tatsache, dass Sie sich selber zur höheren Ge-
walt erklärt haben, ist zu sagen: Die höhere Gewalt ist die
Katastrophe. Ich würde das so formulieren: Die Katastro-
phe ist beendet, weil die Katastrophe jetzt regiert.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zu rufe von der SPD: Oh!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413712600
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Michael Müller.


Michael Müller (SPD):
Rede ID: ID1413712700
Ich möchte zu
Beginn auf Herrn Paziorek eingehen – nicht auf den Zi-
tatenklempner Herrn Grill, der sich seine Wahrheit
zurechtschneidet,


(Kurt-Dieter Grill [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen!)


sondern auf Sie, Herr Paziorek. Ich finde, dass Ihr Satz zur
Klimaproblematik richtig ist. Wir haben hier im Haus
über alle parteipolitischen Grenzen hinweg eine gemein-
same Verantwortung. Deshalb will ich auch ausdrücklich
bestätigen, dass der Klimaprozess, der Rio-Prozess, wei-
tergehen muss. Da sind wir einer Meinung,


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Sehr gut!)

aber da werden wir auch Sie an Ihren Taten messen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Ja klar!)

Das ist der Maßstab, an diesen Maßstab werden wir Sie
erinnern, und daran werden wir Sie auch messen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Da haben wir keine Bedenken!)


Wir haben in der Bundesrepublik die Ausgangssitua-
tion, dass wir gegenüber 1 Milliarde Tonnen CO2-Jahres-ausstoß im Jahre 1990 heute etwa 850 Millionen Tonnen
haben. Das heißt, es fehlen noch etwa 100 Millionen Ton-
nen CO2-Reduktion, um die 25 Prozent CO2-Reduktionzu erreichen. Diese 100 Millionen Tonnen sind jetzt un-
gleich schwerer zu erreichen als die Erfolge der Vergan-
genheit.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Auch das stimmt!)


Darüber sollten wir uns im Klaren sein, weil wir heute sehr
viel stärker in den Strukturwandel hinein müssen. Das
Schlimme ist, und da muss man auch die Wahrheit sagen:




Kurt-Dieter Grill
13424


(C)



(D)



(A)



(B)


Seit etwa zehn Jahren sinkt der Zuwachs in der Energie-
produktivität.Wir sind heute bei einem Zuwachs von nur
noch 1,5 Prozent pro Jahr, wir waren in den 80er-Jahren
bei deutlich über 2,5 Prozent. Das heißt, in den letzten
zehn Jahren ist leider viel zu wenig getan worden für ra-
tionelle Energieverwendung, für erneuerbare Technolo-
gien etc. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist jetzt also heute deutlich schwieriger geworden, weil
die Energieproduktivität weit hinter dem zurück bleibt,
was zu erreichen wäre. Auch unter den Bedingungen libe-
ralisierter Energiemärkte ist es jetzt sehr viel schwieriger,
mehr Einsparen durchzusetzen.

Man muss noch einen Punkt sehen, Herr Paziorek. Wir
haben das große Problem, dass die ökonomisch stärkste
Weltmacht, die USA, sich auf dem Gebiet des Klima-
schutzes wie der Allerletzte verhält, wie eine unverant-
wortliche Nation; anders kann man das gar nicht bezeich-
nen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In Wahrheit wird dort ökologischer Kolonialismus gegen-
über der Zukunft betrieben. Das muss man in aller Klar-
heit kritisieren.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Das kritisieren wir auch!)


Nach neuen Aussagen wird damit gerechnet, dass der
Energieverbrauch in den USA bis zum Jahre 2010 um
34 Prozent und bis zum Jahr 2020 um 51 Prozent steigt.
Das ist schlicht unverantwortlich.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb ist es schwer, mit einem solchen Land zu einem
Konsens zu kommen. Wir wollen doch ehrlich sein: Das
wäre einem Ihrer Minister nicht anders gegangen als Herrn
Trittin. Mehr noch: Es ist richtig, dass er nicht auf einen
falschen Konsens eingegangen ist. Dafür bekommt er un-
sere volle Unterstützung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])


– Sie wissen doch genau, dass das nichts mit Vorarbeiten
zu tun hat. Im Gegenteil, wir müssen uns Sorgen über die
Entwicklung der Umweltpolitik in den USA machen. Sie
müssten das genauso sehen wie wir.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Natürlich, Sie haben nicht zugehört!)


Da ist die Ökologie herunter gerutscht.

(Walter Hirche [F.D.P.]: Die Vorarbeit der Bundesregierung war nicht ausreichend!)


– Das stimmt doch nicht.

(Walter Hirche [F.D.P.]: Doch!)


– Sie haben doch wirklich Erfahrungen aus dem Innenle-
ben der Regierung und sollten deshalb hier nicht solche
leichtfertigen Behauptungen aufstellen.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Ich weiß, wovon ich rede!)


Das ist auch eine Form von leichtfertiger Politik, die wir
nicht akzeptieren können.

Lassen Sie uns bitte bei der Frage bleiben, welche Kon-
sequenzen wir aus Den Haag ziehen. Die Konsequenz, die
auch Herr Loske genannt hat, ist richtig. Jetzt muss Europa
zeigen, ob es den Klimaschutz ernst nimmt.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Ja, das habe ich auch gesagt!)


Wir kommen nicht zu einer globalen Regelung in der kur-
zen Zeit, in der wir sie bräuchten. Also müssen wir durch
eigenes Vorbild der Welt zeigen, dass es geht. Das wird der
entscheidende Punkt sein, an dem wir uns zu messen ha-
ben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das fordern wir, und da bitten wir Sie auch um Unterstüt-
zung, Herr Paziorek. Das muss unsere gemeinsame Linie
sein.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Europa muss geschlossen vorangehen!)


Nun zu einige anderen Punkten, zunächst zur Öko-
steuer:Auch hier ist die Wahrheit relativ einfach. Aus un-
serer Sicht und aus der Sicht vieler Wirtschaftsverbände
und Wissenschaftler – wenn ich mich an Ihre früheren pro-
grammatischen Grundsätze richtig erinnere, dann waren
Sie hier auch schon einmal viel weiter – war und ist die
ökologische Steuerreform Teil einer modernen Wirt-
schafts- und Umweltpolitik.


(Zuruf von der CDU/CSU: Aber nicht diese!)

Jetzt ist die Sache in der Realität wieder relativ einfach:
Die einen machen die ökologischen Reformen; die ande-
ren, also Sie, blockieren sie. So sieht die Wirklichkeit aus.
An dieser einfachen Wahrheit kommen Sie nicht vorbei.

Natürlich kann man über einzelne Punkte der Öko-
steuer diskutieren. Auch ich bin dafür – Sie haben diesen
Punkt angesprochen –, die erneuerbaren Energien von
der Ökosteuer zu befreien, wenn es möglich wäre. Aber
Sie wissen, dass das unter den heutigen Bedingungen eu-
roparechtlich leider nicht möglich ist, weil sich nicht ex-
akt nachweisen lässt, woher welcher Strom kommt.


(Dr. Christian Ruck [CDU/CSU]: Warum nehmen Sie dann die Steinkohle raus?)


Das ist doch das Problem. Wir wollten die regenerativen
Energien doch ursprünglich von der Ökosteuer befreien.
Aber mit diesem Vorhaben sind wir bei der EU gescheitert.
Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Das geschah nicht
aus bösem Willen. Wir haben keinen Pfusch gemacht. Wir
mussten bei der Einführung der Ökosteuer der realen Si-
tuation Rechnung tragen. Wie gesagt, natürlich kann man
über den einen oder anderen Punkt reden.




Michael Müller

13425


(C)



(D)



(A)



(B)


Aber tun Sie doch jetzt nicht so, als hätten Sie sich in
der Vergangenheit dafür eingesetzt, dass ein großer Teil
des Aufkommens aus der Ökosteuer für ökologische In-
vestitionen verwandt wird. Eine solche Position haben Sie
nie vertreten. Das tun Sie erst jetzt.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Aber Ihre Leute haben doch unser Wahlprogramme zitiert!)


Sie haben in der Vergangenheit immer nur von der Auf-
kommensneutralität geredet. Insofern liegen unsere Posi-
tionen – wenn Sie ehrlich sind – viel nähe, beieinander.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Nein, diese Ökosteuer wollen wir nicht!)


Nein, die Wahrheit ist auch hier ganz einfach: Sie instru-
mentalisieren die ökologische Steuerreform, weil Sie da-
mit Stimmung machen wollen; denn Sie haben in Wahrheit
keine inhaltlichen Themen anzubieten. Das ist der eigent-
liche Punkt, um den es Ihnen geht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Walter Hirche [F.D.P.]: Keine ökologische Wirkung!)


– Nein, das stimmt auch nicht. Sie sollten sich erst einmal
informieren. Nach dem jetzigen Stand ist der Energiever-
brauch in den letzten Monaten deutlich gesunken. Der
Mineralölverbrauch ist um rund 4 Prozent zurückgegan-
gen. Da können Sie doch nicht behaupten, die Ökosteuer
habe keine Wirkung. Nehmen Sie zum Beispiel auch die
Untersuchung des RWI über die Arbeitsplatzeffekte.
Diese sind beträchtlich. Sie können doch nicht so tun, als
ob die ökologische Steuerreform keine Wirkung habe. Sie
sollten sich erst einmal informieren. Sowohl bei der Mini-
mierung von Emissionen und Verbrauch als auch bei der
Schaffung von Arbeitsplätzen gibt es deutliche Effekte.
Die könnte man natürlich beträchtlich ausweiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aber das Problem ist nicht unser Wille. Das Problem sind
Sie; denn wenn wir versuchen würden, die Effekte stärker
und schneller auszuweiten, dann würden wir bei Ihnen auf
noch mehr Widerstand stoßen. Seien Sie doch bitte ehrlich
in der Argumentation.


(Walter Hirche [F.D.P.]: Aber keine wesentliche ökologische Wirkung!)


– Die habe ich doch gerade genannt! Sie scheinen auf
Ihren Ohren zu sitzen!


(Walter Hirche [F.D.P.]: In keinem europäischen Land!)


– Alle Studien belegen, dass der Mineralölverbrauch um
rund 4 Prozent zurückgegangen ist.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Warten Sie ein Jahr ab! Jetzt sind erst drei Monate um!)


Ich empfehle Ihnen: Schauen Sie sich die Zahlen an, wenn
Sie mir nicht glauben wollen. Das kostet doch nicht viel
Mühe. Machen Sie wenigstens das. Dann können wir wei-
terreden.

Nächster Punkt: Natürlich gibt es einen Grundsatzstreit

über die Frage des Atomausstiegs. Aber Sie müssen doch
zugeben, dass die Entwicklung ohne die innovative Dyna-
mik, die wir mit dem Ausstiegsbeschluss in den Energie-
markt hineingebracht haben, noch viel eindeutiger in
Richtung Monopolisierung der Strommärkte im europä-
ischen Verbund gegangen wäre. Ist das Ihre Alternative?
Nein, wir wollen die neuen Märkte erschließen. Deshalb
musste diese Richtungsentscheidung getroffen werden.
Wir haben mit unserem Ja zum Ausstieg aus der Atom-
energie diese Richtungsentscheidung getroffen. Es geht
jetzt um neue Märkte und neue Beschäftigungsmöglich-
keiten. Die von uns gewünschten Effekte zeichnen sich in
der Zwischenzeit bereits ab. Sie sind richtig gut.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Insgesamt ist festzustellen: Im Vergleich zu früher gibt
es zwei fundamentale Unterschiede: Als wir noch in der
Opposition waren, waren wir bereit, Sie sehr viel stärker
in der Umweltpolitik zu unterstützen. Aber Sie haben un-
sere Angebote nicht angenommen.


(Dr. Peter Paziorek [CDU/CSU]: Herr Müller, jetzt bin ich aber fertig!)


Sie hätten während Ihrer Regierungszeit mit Unter-
stützung der Opposition sehr viel mehr machen können.
Heute kritisieren Sie das, was wir in der Umweltpolitik
machen, mit dem Argument, dass das alles nicht stimmig
sei. Nein, in Wahrheit kritisieren Sie uns, weil Sie mehr
Umweltpolitik ablehnen. Das ist der Punkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Paziorek [CDU/ CSU]: Wir haben gemeinsam Resolutionen verabschiedet!)


Niemand, den man ökologisch ernst nimmt, lehnt die öko-
logische Steuerreform ab. Nur Sie tun das. Wie soll man
Sie dann ökologisch Ernst nehmen? Das geht nicht. Ihr
Verhalten passt dazu einfach nicht.

Lassen Sie es uns so sehen: Wir sind jetzt in einer Si-
tuation, in der wir den Umbauprozess begonnen haben. Es
ist eine strategische Frage, wie es weitergeht.

Ich glaube, dass die Grundidee der ökologischen Effi-
zienz auch ein überragendes Ziel für die Wirtschafts- und
Industriepolitik ist. Lassen Sie mich das an einem Punkt
verdeutlichen.

In der Bundesrepublik entfällt auf Wirtschaft und
Dienstleistung ein Anteil am Bruttoinlandsprodukt von
etwa 2,2 Billionen DM. Von diesen 2,2 Billionen DM ent-
fallen ungefähr 1,4 bis 1,6 BillionenDM auf Transport, auf
Material, auf Energie, auf Abfallkosten etc. Gleichzeitig
besteht die Situation, dass bei den vier Wertschöpfungs-
ketten unserer Wirtschaft, also Rohstoffanlieferung, Pro-
duktbearbeitung, Produktnutzung und Entsorgung, auf je-
der dieser Stufen etwa 50 Prozent des Materialeinsatzes an
die Umwelt abgegeben werden. Wenn wir es erreichten,
diese gewaltige Verschwendung erheblich zu reduzieren,
so wäre dies ein gigantisches Programm für mehr Arbeit,
für mehr Umwetlschutz und für mehr Wettbewerbsfähig-
keit. Die Ökologie ist in Wahrheit eine Chance, und wir




Michael Müller
13426


(C)



(D)



(A)



(B)


wollen diese Chance zur Modernisierung unseres Landes
nutzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb muss man nicht alles kaputt reden, man muss
vielmehr nach vorne denken. Nach vorne zu denken, das
ist unser Ziel, meine Damen und Herren. Die Ökologie ist
eine Chance für eine moderne Bundesrepublik in Europa,
das damit auch ein Modell für die Globalisierung wird, ein
Modell dafür, wie man Produktivität sinnvoller so organi-
siert, dass sie mit Arbeit und Umwelt verbunden werden
kann.

Das ist unser Ziel und für dieses Ziel kämpfen wir. Des-
halb werden wir uns auch nur begrenzt an den Debatten
beteiligen, die noch einmal die Schlachten von gestern
oder vorgestern führen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413712800
Ich schließe
damit die Debatte.

Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar
zunächst zu den Änderungsanträgen.

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4788. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist abgelehnt worden mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen und der PDS gegen die Stimmen der
CDU/CSU bei Enthaltung der F.D.P.

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4789. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dieser Än-
derungsantrag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis ab-
gelehnt worden.

Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa-
che 14/4810. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist abgelehnt worden mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen und der CDU/CSU bei Enthaltung der PDS und ge-
gen die Stimmen der F.D.P., die natürlich zugestimmt hat.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/4797. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Ge-
genstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist
gegen die Stimmen der PDS mit den Stimmen des gesam-
ten übrigen Hauses abgelehnt worden.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/4798. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthal-
tungen? – Auch dieser Änderungsantrag ist gegen die
Stimmen der PDS mit den Stimmen des gesamten übrigen
Hauses abgelehnt worden.

Ich bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 16 in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Der
Einzelplan 16 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktio-
nen gegen die Stimmen der gesamten Opposition ange-
nommen worden.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte VII a bis VII h sowie
Zusatzpunkt 4 auf:

Überweisungen im vereinfachten Verfahren
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-

gebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur
Änderung des Gesetzes über die Verarbeitung
und Nutzung der zur Durchführung der Ver-
ordnung (EG) Nr. 820/97 des Rates erhobenen
Daten
– Drucksache 14/4721 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

Ausschuss für Gesundheit

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem In-
ternationalen Übereinkommen von 1989 über
Bergung
– Drucksache 14/4673 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neurege-
lung des Bergungsrechts in der See- und Binnen-
schifffahrt (Drittes Seerechtsänderungsgesetz)

– Drucksache 14/4672 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform
des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen
Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG)

– Drucksache 14/4554 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ände-
rung von Vorschriften auf dem Gebiet der An-
erkennung und Vollstreckung ausländischer
Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
– Drucksache 14/4591 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

f) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten
Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des
Gesetzes über die Errichtung eines Fonds
„Deutsche Einheit“ und des Gesetzes über den
Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
– Drucksache 14/4436 –




Michael Müller

13427


(C)



(D)



(A)



(B)


Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f) Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
Sonderausschuss „Maßstäbegesetz/Finanzausgleichsgesetz“

g) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Än-
derungen vom 1. Oktober 1999 der Satzung der
Internationalen Atomenergie-Organisation
– Drucksache 14/4454 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (f)

Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

h) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Bericht der Bundesregierung über den Stand
der Abwicklung des Fonds für Wiedergutma-
chungsleistungen an jüdische Verfolgte
– Drucksache 14/4264 –
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Rechtsausschuss
Haushaltsausschuss

ZP 4 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOPVII)

Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate
Diemers, Karl-Josef Laumann, Bernd Neumann

(Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion

CDU/CSU
Verbesserung des Programmangebots für
Schwerhörige, Gehörlose, Sehbehinderte und
Blinde im Fernsehen und den neuen Medien
– Drucksache 14/4385 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Kultur und Medien

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Wir kommen nun zu den abschließenden Beratungen
ohne Aussprache.

Tagesordnungspunkt VIII a:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Techno-
logie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bun-
desregierung
Aufhebbare siebenundneunzigste Verordnung
zur Änderung derAusfuhrliste – Anlage ALzur
Außenwirtschaftsverordnung –
– Drucksachen 14/3995 (neu), 14/4093 Nr. 2.1,
14/4565 –

Berichterstattung:
Abgeordneter Werner Schulz (Leipzig)


Der Ausschuss empfiehlt, die Aufhebung der Verord-
nung der Bundesregierung nicht zu verlangen. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstim-
men? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit
den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden. –
Das Stimmverhalten der PDS habe ich nicht sehen kön-
nen.

Tagesordnungspunkt VIII b:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Techno-
logie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bun-
desregierung
Einundfünfzigste Verordnung zur Änderung
derAußenwirtschaftsverordnung
– Drucksachen 14/4166, 14/4308 Nr. 2.1, 14/4566 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Kopp

Der Ausschuss empfiehlt, die Aufhebung der Verord-
nung der Bundesregierung nicht zu verlangen. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Gegenstimmen? – Ent-
haltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig an-
genommen worden.

Tagesordnungspunkt VIII c:
Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für Wirtschaft und Techno-
logie (9. Ausschuss) zu der Verordnung der Bun-
desregierung
Achtundneunzigste Verordnung zur Änderung
der Ausfuhrliste – Anlage AL zur Außenwirt-
schaftsverordnung –
– Drucksachen 14/4167, 14/4308 Nr. 2.2, 14/4585 –
Berichterstattung:
Abgeordneter Dr. Ditmar Staffelt

Der Ausschuss empfiehlt wiederum, die Aufhebung
der Verordnung der Bundesregierung nicht zu verlangen.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegen-
stimmen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung
ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Peti-
tionsausschusses.

Tagesordnungspunkt VIII d:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 12 zu Petitionen
– Drucksache 14/135 –

Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Sammelübersicht 12 ist mit den Stimmen der Koaliti-
onsfraktionen und der F.D.P. gegen die Stimmen von
CDU/CSU bei Enthaltung der PDS angenommen worden.




Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
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(C)



(D)



(A)



(B)


Tagesordnungspunkt VIII e:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 212 zu Petitionen
– Drucksache 14/4609 –

Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Sammelübersicht 212 ist mit den Stimmen des ganzen
Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen worden.

Tagesordnungspunkt VIII f:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 213 zu Petitionen
– Drucksache 14/4610 –

Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Sammelübersicht 213 ist mit den Stimmen des ganzen
Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen worden.

Tagesordnungspunkt VIII g:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 214 zu Petitionen
– Drucksache 14/4611 –

Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Sammelübersicht 214 ist mit den Stimmen des ganzen
Hauses bei Enthaltung der PDS angenommen worden.

Tagesordnungspunkt VIII h:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 215 zu Petitionen
– Drucksache 14/4612 –

Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Sammelübersicht 215 ist mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen und denen der PDS gegen die Stimmen
von CDU/CSU und F.D.P. angenommen worden.

Tagesordnungspunkt VIII i:
Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-
ausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 216 zu Petitionen
– Drucksache 14/4613 –

Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –
Die Sammelübersicht 216 ist mit den Stimmen des ganzen
Hauses gegen die Stimmen der PDS angenommen wor-
den.

Ich rufe nun auf:
III. 22 Einzelplan 10

Bundesministerium für Ernährung, Landwirt-
schaft und Forsten

– Drucksachen 14/4510, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Uwe-Jens Rössel
Iris Hoffmann (Wismar)

Josef Hollerith
Matthias Berninger
Jürgen Koppelin

Es liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, zwei Änderungsanträge der Fraktion der
F.D.P. und ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor.

Die Fraktion der F.D.P. hat einen Entschließungsantrag
eingebracht, über den morgen nach der Schlussabstim-
mung abgestimmt werden soll.

Außerdem rufe ich die Zusatzpunkte 5 bis 7 auf:
ZP 5 Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen

der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-
NEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
das Verbot des Verfütterns, des innergemein-
schaftlichen Verbringens und der Ausfuhr be-
stimmter Futtermittel
– Drucksache 14/4764 –

(Erste Beratung 135. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-
ses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

(10. Ausschuss)

– Drucksache 14/4838 –
Berichterstattung:
Abg. Peter Bleser

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette
Widmann-Mauz, Horst Seehofer, Wolfgang
Lohmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Sofortprogramm zur Abwehr von Gefahren
durch BSE
– Drucksache 14/4778 (neu)
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

A.usschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich
Heinrich, Detlef Parr, Gudrun Kopp, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der F.D.P.
Vorrang für einen vorsorgenden Verbraucher-
schutz bei der Bekämpfung von BSE
– Drucksache 14/4852 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen
haben zu ihrem Gesetzentwurf über das Verbot des Ver-




Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer

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fütterns, des innergemeinschaftlichen Verbringens und der
Ausfuhr bestimmter Futtermittel einen Entschließungs-
antrag eingebracht.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist auch so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort
zunächst dem Abgeordneten Heinrich Wilhelm Ronsöhr.


Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU):
Rede ID: ID1413712900
Frau
Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als
Erstes möchte ich für die Fraktion der CDU/CSU hier er-
klären, dass wir dem Gesetz, das die Tiermehlverfüt-
terung verbietet, zustimmen werden.


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir tun dies, obwohl wir gestern vom Landwirtschaftsmi-
nister in der Sitzung des Landwirtschaftsausschusses
gehört haben, dass er eine solche Gesetzgebung so nicht
eingeleitet hätte und dass er das für seine Enkel auch zu
Protokoll geben wolle. Ich finde das schon etwas eigenar-
tig,


(Karl-Heinz Funke, Bundesminister: Das ist doch völlig aus dem Zusammenhang gerissen!)


wenn das einer der beiden Fachminister, die mit dem Ge-
setz beschäftigt sind, so erklärt.


(Karl-Heinz Funke, Bundesminister: Das ist eine Unverschämtheit!)


Meine Damen und Herren, wir investieren auch in diese
Gesetzgebung ein Stück Vertrauen, von dem wir gar nicht
wissen, ob es so rechfertigen lässt, denn natürlich tritt die-
ses Gesetz auch eine ungeheure Kostenlawine los. Ich
glaube, darüber sind wir uns hier im Hause auch einig.


(Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Nein, es spart Geld!)


Aber dann muss natürlich auch klar und eindeutig gesagt
werden, bei wem die Kosten ankommen.

Ich habe heute Nachmittag, als ich aus Hannover wie-
der zurückgekommen bin, gehört, man habe offensichtlich
im Kanzleramt vereinbart, dass der Bund, die Länder und
auch die Kommunen jeweils ein Drittel der Kosten tragen
würden. Nur muss man dann immer auch darüber disku-
tieren. Ich gehe davon aus, dass der Bund und die Länder
dann von den Kosten entlastet würden, aber darüber, ob
die Kommunen auch darauf verpflichtet werden können,
muss dann zumindest in weiteren Beratungen noch disku-
tiert werden. Ich glaube, dass dazu auch noch Beratungs-
bedarf besteht,


(Beifall bei der CDU/CSU)

und ich hoffe, dass die entsprechenden Beratungen zum
Ergebnis haben werden, dass zumindest bei Landwirten
und anderen keine Kosten hängen bleiben, denn wir haben
jetzt sinkende Rindfleischpreise, und unter dieser Bedin-
gung können Rindermäster keine zusätzlichen Kosten ver-
tragen. Ich denke, darüber müssen wir uns einig sein.

Weil wir im Grunde genommen nicht konkret wissen,
wie die Kostenfrage geregelt sein wird, entwickeln wir
hier auch aufgrund der gestrigen Erklärungen des Bundes-
landwirtschaftsministers Vertrauen. Aufgrund dieser Er-
klärung gehe ich davon aus, dass der Bund so mitfinan-
zieren wird und hoffentlich auch die Länder so
mitfinanzieren werden, dass möglichst keine Kosten zu-
sätzlich auf die Landwirte in Deutschland zukommen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, wir entwickeln dieses Ver-

trauen auch, obwohl es ja einige Ungereimtheiten in den
Beratungen in der letzten Woche gab.
Viele von uns – nicht nur die Gesundheitspolitiker, son-
dern auch die Agrarpolitiker – haben an der Beratung des
Gesundheitsausschusses teilgenommen. Dort ist uns etwas
über BSE-Schnelltests gesagt worden, was danach von
Ministerialbeamten korrigiert wurde.


(Zurufe von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

Ich bin sehr dankbar, dass sich jetzt die Bundesregierung
korrigiert hat und auch für die Einführung flächendecken-
der Schnelltests ist. Wenn ich den Ministerialbeamten am
Dienstagmorgen zugehört habe – das haben ja auch andere
getan –, dann war das offensichtlich nicht so, sondern da
sollten auch durch manche Privatinitiative BSE-Schnell-
tests auf uns zukommen. Aber wenn das nur der Privati-
nitiative überlassen bliebe und wir ansonsten mit BSE-
Schnelltests nur die Tiere kontrolliert hätten, die verendet
sind oder die krank sind, die also auffällig geworden sind,
dann hätte das nach meiner Meinung nicht gereicht, weil
es damit zu einem Flickenteppich bei den BSE-Schnell-
tests gekommen wäre.

Wir von meiner Fraktion wollen ganz eindeutig, dass es
so schnell wie möglich – wir wissen, dass die Länder dafür
eine Infrastruktur aufbauen müssen – zu flächendecken-
den BSE-Schnelltests kommt. Wenn die Regierungsfrak-
tionen und die Regierung das jetzt auch wollen, dann halte
ich das für sehr positiv und für eine begrüßenswerte Ent-
wicklung, aber ich finde, dass hätte man uns am Dienstag-
morgen auch schon erklären können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Gestern fand wieder eine Beratung statt. Ich kann be-

stätigen, dass sie sehr sachlich abgelaufen ist. Ich glaube,
dass wir von der CDU/CSU-Fraktion für Argumente zu-
gänglich waren. Es wurde zwischenzeitlich über einen An-
trag diskutiert, der vorsah, dass Fischmehl an Ferkel bis
35 Kilogramm verfüttert werden kann. Wir haben diesen
Antrag gar nicht für so schlecht gehalten. Aber nachdem
wir erfahren hatten, dass die EU ein generelles
Tiermehlfütterungsverbot, das auch eine Fischmehlverfüt-
terung nicht zulässt, aussprechen will, haben wir gesagt,
dass wir jetzt mit Klugheit handeln müssen.


(Zuruf von der SPD: So ist es!)

Man kann sich natürlich ein anderes Vorgehen vorstel-

len. Aber es wäre sozusagen idiotisch gewesen, wenn wir
in dieser Woche etwas beschlossen hätten, was die EU
durch ihren Beschluss schon am nächsten Montag konter-
kariert hätte. Dieser Beschluss hätte kein Vertrauen in den




Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
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Verbraucherschutz in Deutschland geschaffen und hätte
auch nicht das Vertrauen der Rinder haltenden Landwirte
und Rindfleisch produzierenden Betriebe in unsere Politik
gestärkt. Wir haben uns auf diese Vorgehensweise in kon-
struktiver Weise eingelassen.


(Zuruf von der SPD: Gut!)

Wir von der Christlich Demokratischen Union und von

der Christlich-Sozialen Union werden den Gesetzge-
bungsprozess konstruktiv begleiten und die sich aus dem
Gesetz ergebenden Folgen beobachten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Aber wir sind der Auffassung, dass es eine bessere Koor-
dination und Zusammenarbeit zwischen den Ministerien
geben muss, um die Folgen zu bewältigen.

Gestern hat meine Kollegin Annette Widmann-Mauz
gefragt, ob denn jemand etwas zu der Kontamination der
Böden mit BSE-Erregern sagen könne. Der Landwirt-
schaftsminister hat darauf geantwortet, da gebe es nichts.


(Karl-Heinz Funke, Bundesminister: Nein!)

Gestern lagen aber schon Erkenntnisse vor. Ich erwarte,
dass ein Landwirtschaftsminister darüber Bescheid weiß
und uns gegenüber nicht den Eindruck erweckt, dass er
nichts weiß.


(Karl-Heinz Funke, Bundesminister: Das stimmt doch gar nicht!)


Möglicherweise hat er tatsächlich nichts gewusst, aber das
darf angesichts der großen Probleme nicht sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Wenn wir Vertrauen schaffen wollen, dann muss ein bes-
seres Management an den Tag gelegt werden, als es von
der Gesundheitsministerin und dem Landwirtschaftsmi-
nisterium bisher gezeigt wurde.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir alle, die Bundesregierung und das Parlament, soll-

ten dazu beitragen, dass von uns das Signal ausgeht, dass
wir angesichts der BSE-Krise gemeinsam daran arbeiten,
das Risiko zu vermindern. Ich setze mich beruhigt in ein
Flugzeug, wenn ich weiß, dass die Airline alles tut, um die
Absturzgefahr zu mindern. Man kann zwar nie wissen, ob
man nicht möglicherweise abstürzt. Aber es ist für mich
wichtig, zu wissen, dass die Fluggesellschaft und die Flug-
hafenverwaltung alles tun, damit es nicht zu einem Ab-
sturz kommt. Bei der BSE-Bekämpfung müssen wir in
gleicher Weise handeln. Die Bevölkerung muss wissen
– nur so kann sie wieder Vertrauen fassen –, dass wir alles
zur Risikominderung in diesem Bereich tun werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Natürlich muss es nach dem Tiermehlverbot finanzielle

Regelungen geben; denn wir wissen, dass die Landwirte in
finanziellen Nöten sind, dass sie teilweise mit dem Rücken
zur Wand stehen, dass ihre Existenz gefährdet ist und dass
ein Stück Kulturlandschaft in Deutschland möglicher-
weise kaputtgeht. Ich fordere alle Fraktionen dieses Hau-

ses auf, mit uns dafür zu kämpfen, dass es zu finanziellen
Regelungen zugunsten der Landwirte und der Schlachte-
reien kommt, damit dieses Stück deutsche Kultur, das sich
in vielen Grünlandschaften widerspiegelt,


(Volker Beck GRÜNEN]: Leitkultur!)


nicht kaputtgeht.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Der Landwirtschaftsminister hat im Rahmen der Dis-
kussion über die Preisentwicklung, die es in bestimmten
Bereichen gab und gibt, erklärt, wir von der CDU/CSU
würden immer nur über Geld und nur die anderen würden
über Strukturen reden. Jetzt reden wir auf einmal alle
über Strukturen. Ich habe hier erlebt, wie die Sozialdemo-
kraten über die bayerischen und baden-württembergischen
Strukturen in der Landwirtschaft geredet haben. Sie haben
sich lustig gemacht – ich kann mich noch an das Lachen
erinnern. Aber darüber, dass die strukturelle Ausgangssi-
tuation dort eine andere war, ist nicht gesprochen worden.

Jetzt kritisiert jeder die bäuerlichen Strukturen; plötz-
lich gibt es nur noch industrielle Agrarfabriken. Ich weiß
nicht, ob es sich bei den beiden im Gespräch befindlichen
Betrieben – bei dem einen ist die Wahrscheinlichkeit eines
BSE-Vorfalls sehr groß, bei dem anderen ist tatsächlich ein
BSE-Fall aufgetreten – nicht um bäuerliche Betriebe han-
delt. Ich halte es aber für ungerecht, wenn jetzt schon wie-
der die konventionelle Landwirtschaft ausgespielt wird
und jemand auf der Anklagebank sitzt, der dort nicht hin-
gehört.

Die Landwirte in Deutschland haben Tiermehl meiner
Meinung nach legal eingesetzt, und zwar nicht bei Wie-
derkäuern, sondern bei Schweinen und Hühnern. Das ha-
ben wir gesetzlich nicht untersagt. Warum gerät die Land-
wirtschaft jetzt so massiv in die Kritik? Warum tut auch
der Bundeskanzler so, als wäre die bäuerliche Agrarstruk-
tur in der Bundesrepublik Deutschland eigentlich eine in-
dustrielle? Ich halte das für ungerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Die Landwirte stehen so nicht nur finanziell, sondern auch
psychologisch mit dem Rücken zur Wand. Aus dieser Lage
müssen wir sie befreien.

Ich fordere noch eines: Machen wir doch bitte eine
Agrarpolitik, die die Landwirtschaft nicht ständig belastet!
Wenn es um steuerliche Entlastungen oder um die Sen-
kung der Sozialabgaben in der Landwirtschaft geht, han-
delt es sich nach Meinung dieses Landwirtschaftsministers
um Subventionen. Wenn wir aber die Sozialabgaben oder
die Steuern im industriellen Bereich senken, handelt es
sich um die Verbesserung von Rahmenbedingungen.
Diese Unterschiede zwischen Agrarpolitik und der übrigen
Wirtschaftspolitik belasten die Bauern in unserem Land.
Von daher fordere ich zum Umdenken in der Agrarpolitik
auf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich hoffe, dass wir hier im Bundestag verdeutlichen, dass
nicht nur die CDU/CSU-Fraktion dafür einsteht, sondern
das sich auch andere Fraktionen dafür einsetzen.




Heinrich-Wilhelm Ronsöhr

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Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413713000
Herr Kollege
Ronsöhr, Ihre Redezeit.


Heinrich-Wilhelm Ronsöhr (CDU):
Rede ID: ID1413713100
Vielen
Dank, Frau Präsidentin, dass Sie mir eine zusätzliche
Minute zugestanden haben. –Tschüs.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413713200
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Iris Hoffmann.


Iris Hoffmann (SPD):
Rede ID: ID1413713300
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich einige
Worte vorweg sagen. Da wir uns heute in der Haushalts-
debatte befinden, habe ich mir einmal die Änderungsan-
träge der CDU/CSU angeschaut: Inhaltlich müsste man
zwischen den Anträgen sicherlich differenzieren, aber in
finanzieller Hinsicht hätten Sie damit in kürzester Zeit
round about 900Millionen DM verfrühstückt. Bis jetzt ha-
ben Sie uns nicht wissen lassen, wie Sie dies finanzieren
wollen. Das ist letztendlich haushaltspolitische Schleuder-
wirtschaft und deshalb wurde Ihre Regierung vor zwei
Jahren abgewählt. Sie konnten es nicht, deshalb machen
wir es.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Landwirtschaft im Haushalt 2001 heißt, das beschlos-
sene Zukunftsprogramm 2000 auch in diesem Bereich
fortzuführen. Die Sanierung der Staatsfinanzen ist für uns
nach wie vor eine Hauptaufgabe; denn solide Haushalts-
politik ist eine unverzichtbare Grundlage für neue Arbeits-
plätze, für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung
und für soziale Stabilität. Trotz aller Sparzwänge stand für
uns im Mittelpunkt, dass die grundlegenden Ziele und
Wirkungen des Einsatzes von Bundesmitteln für die
Agrarsozialpolitik nicht beeinträchtigt werden. Ich denke,
so ist es uns gelungen, einen Haushalt vorzulegen, der
auch im nächsten Jahr tragfähig ist.

Der Anteil der Ausgaben für die landwirtschaftliche So-
zialpolitikwird trotz des großen Drucks auf den Agraretat
– resultierend aus der allgemeinen Haushaltslage – bis
zum Jahr 2004 von gegenwärtig 66 Prozent auf 73 Prozent
erhöht. Der Bund stellt dafür im kommenden Jahr über
7,3Milliarden DM bereit. Allein 4,3Milliarden DM davon
entfallen auf die Alterssicherung der Landwirte. Damit fi-
nanziert der Bund die Alterssicherung der Landwirte zu
zwei Dritteln und entlastet diese dadurch von den Auswir-
kungen des Strukturwandels.


(Beifall bei der SPD)

Wir haben Wort gehalten: Die in der landwirtschaft-

lichen Krankenversicherung versicherten Landwirte
mussten lediglich im Jahr 2000 einen einmaligen Sparbei-
trag von 250 Millionen DM für den Haushalt aufbringen.
Ab dem Jahre 2001 werden wir wieder den ungeschmäler-
ten Bundeszuschuss zur Übernahme der Leistungsauf-
wendungen der Altenteiler bereitstellen.

Fakt ist jedoch, dass die jetzigen Organisationsstruk-
turen in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung dem
Wirtschaftlichkeitsgrundsatz und dem Strukturwandel in

keiner Weise gerecht werden. Der Handlungsbedarf auf
diesem Gebiet ist keine Erfindung von Rot-Grün, sondern
besteht schon seit längerer Zeit. Eine Neugestaltung der
Organisation der agrarsozialen Sicherung ist deshalb das
dringendste Gebot. Primär geht es hierbei um den ver-
stärkten Einfluss des Bundes auf die Haushalt- und Wirt-
schaftsführung der landwirtschaftlichen Sozialversiche-
rungsträger. Nach wie vor gehe ich davon aus, dass die
Bundesregierung noch bis zum Jahresende einen Gesetz-
entwurf hierzu vorlegen wird, der auf den Feststellungen
des Rechnungsprüfungsausschusses vom April dieses Jah-
res basiert.

An die Länder geht mein Appell, sich angesichts ihrer
Verantwortung gegenüber den Landwirten nicht länger zu
verweigern. Ansonsten muss man sich hier über den Un-
mut der Agrar- und Haushaltspolitiker nicht wundern, die
letztlich entscheidend dazu beitragen, dass die Bundes-
mittel bereitgestellt werden, auf deren richtige Verwen-
dung aber keinen Einfluss haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das muss sowohl im Interesse der Landwirte, die an einer
sparsamen Haushalts- und Wirtschaftsführung der Sozial-
versicherungsträger interessiert sind, als auch im Interesse
der Steuerzahler anders werden.

Die landwirtschaftliche Unfallversicherung wird mit
einem Betrag von 500 Millionen DM im Haushaltsjahr
2001 fortgeführt. Erst seitdem wir in der Regierungsver-
antwortung stehen, wird intensiv und ernsthaft über den
notwendigen Reformbedarf in diesem Bereich diskutiert.
Diese Debatte ist nicht erst seit zwei Jahren fällig, sie hätte
längst geführt werden müssen. Dazu waren CDU/CSU
und F.D.P. jedoch nie wirklich bereit. Deshalb lade ich Sie
ganz herzlich ein, bei uns Nachhilfe zu nehmen, um an-
schließend gemeinsam mit uns die landwirtschaftliche Un-
fallversicherung hinsichtlich der Kriterien für die Vertei-
lung der Bundeszuschüsse an die landwirtschaftlichen
Unternehmer zu reformieren und in diesem Zusammen-
hang auch über die Weiterentwicklung des materiellen
Leistungsrechts nachzudenken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In den Haushaltsgesprächen haben wir immer wieder
betont, dass es uns nicht darum geht, den gegenwärtigen
Titelansatz zu senken, obwohl – das muss man an dieser
Stelle ganz klar feststellen – der Bundesrechnungshof so-
fortige Einsparpotenziale in Höhe von 80 Millionen DM
festgestellt hat. Unser Ziel ist es, notwendige Änderungen,
insbesondere bei der Verteilung der Bundesmittel dazu zu
nutzen, die hierdurch frei werdenden Mittel noch stärker
zugunsten der bundesberechtigten Unternehmer zu ver-
wenden. Wir müssen und werden in den nächsten Wochen
und Monaten darüber diskutieren, wie eine sachgerechtere
Verwendung der Mittel erreicht werden kann.

Auf dem Prüfstand wird unter anderem die Frage ste-
hen, inwieweit Nebenerwerbsbetriebe weiterhin in erheb-
lichem Umfang Bundeszuschüsse erhalten können, da
diese in der Regel ihr Haupteinkommen außerhalb des
landwirtschaftlichen Bereiches erzielen.

Ebenso muss darüber nachgedacht werden, inwieweit
eine Bundesmitteluntergrenze geschaffen wird, die die Be-
zuschussung durch Kleinstbeträge ausschließt. Es ist doch






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lachhaft, wenn ein jährlicher Zuschuss von 82 Pfennig
oder 4,58 DM an einzelne Unternehmer gezahlt wird. Ich
glaube nicht, dass sich die betroffenen Unternehmen da-
durch spürbar entlastet fühlen. Aufwand und Nutzen ste-
hen hier in keinem Verhältnis. Insofern machte eine Bun-
desmitteluntergrenze von zum Beispiel 200 oder 300 DM
– in welcher Höhe auch immer – sicherlich Sinn.

Auch die Auszahlung von Bundeszuschüssen an Unter-
nehmen der öffentlichen Hand wird hierbei eine Rolle
spielen. Dies zeigt, dass die landwirtschaftliche Unfallver-
sicherung nicht auf die einfache Formel zu bringen ist, der
Bund trage die so genannte alte Last und dann werde sich
das Problem irgendwann biologisch lösen. So geht es
nicht. Im Bundeslandwirtschaftsministerium geht man da-
von aus, dass selbst dann wenn die alte Last etwa 850 Mil-
lionen DM betragen würde, noch nicht einmal im Jahre
2010 eine spürbare Entlastung des Bundeshaushalts er-
reicht werden könnte. Dies birgt somit ein großes finanzi-
elles Risiko für den Bund in sich.

Um verlässliche Angaben zu den finanziellen Auswir-
kungen eines Systemwechsels auf den Bund, aber auch auf
die Landwirte zu erhalten, soll zunächst ein versicherungs-
mathematisches Gutachten in Auftrag gegeben werden.
Sobald uns dieses vorliegt, werden wir hier die richtigen
Entscheidungen zur Weiterentwicklung der landwirtschaft-
lichen Unfallversicherung treffen.


(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist es, meine Damen und Herren von der CDU,

aber auch von der PDS, nicht damit getan, in der Bereini-
gungssitzung des Haushaltsausschusses vor 14 Tagen und
jetzt auch hier im Plenum Anträge auf Erhöhung dieses Ti-
telansatzes einzubringen, die nicht nur inhaltlich, sondern
auch politisch absurd sind. Nutzen Sie lieber die Zeit sinn-
voll und machen Sie sich gemeinsam mit uns Gedanken,
wie wir in diesem Bereich eine konsensfähige Reform auf
den Weg bringen! Alles andere nämlich wäre Flickschus-
terei.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In den vergangenen Wochen und Monaten wurde der
Agrardiesel vor dem Hintergrund der hohen Mineralöl-
preise breit thematisiert. Bislang wurde eine Verbilligung
des Agrardiesels auf der Basis des Landwirtschafts-Gasöl-
verwendungsgesetzes gewährt. Erst in der vergangenen
Sitzungswoche haben wir das neue Agrardieselgesetz ver-
abschiedet, welches ab 2001 gelten wird.


(Zuruf von der F.D.P.: Schlimm genug!)

Danach werden die Landwirte mit einem Steuersatz von
57 Pfennig je Liter Diesel belastet werden. Das bedeutet
eine Vergütung oder auch Entlastung von 23 Pfennig pro
Liter und hat für 2002 und 2003 die Folge, dass die Land-
wirtschaft hinsichtlich des Agrardiesels von den weiteren
Stufen der Ökosteuer ausgenommen bleiben wird. Für den
Bund ergeben sich hieraus steuerliche Mindereinnahmen
von insgesamt 700 Millionen DM, die über den Gesamt-
haushalt zu kompensieren sind. Schon hiermit haben wir
als Regierungskoalition ein deutliches Zeichen gesetzt,
dass die Landwirte keineswegs das Stiefkind von Rot-
Grün sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Uns ist sehr wohl bewusst, unter welch komplizierten
Bedingungen auch im Vergleich zu den anderen EU-Mit-
gliedstaaten die deutsche Landwirtschaft produziert. Un-
ter diesem Aspekt haben wir über das eigentliche Zu-
kunftsprogramm 2000 hinaus den zusätzlichen Bedarf von
700 Millionen DM anerkannt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich ist mir klar, dass eine weiter gehende Herabset-
zung des Steuersatzes primär vor dem Hintergrund der
Wettbewerbsfähigkeit wünschenswert wäre. Eine Lösung,
die auch im Vergleich zu den anderen Wirtschaftszweigen
wie zum Beispiel den Transport- und Fuhrunternehmen al-
len Seiten gerecht wird, ist aber nicht in Sicht.

Auch eine weitere Obergrenzenlösung in Betracht zu
ziehen wäre das falsche Signal, hieße das doch, die größe-
ren norddeutschen, aber insbesondere auch ostdeutschen
Betriebe von der Herabsetzung des Steuersatzes auf Agrar-
diesel auszuschließen. Jeder weiß: Der Dieselkraftstoff-
verbrauch ist immer noch an die Fläche, unabhängig von
der Betriebsgröße, gebunden.

Es ist uns noch immer die Möglichkeit gegeben, im
nächsten Jahr Spielräume im neuen Agrardieselgesetz zu
erschließen. Letztlich aber kann dieses Problem nur durch
eine Harmonisierung der Steuersätze zwischen den EU-
Staaten gelöst werden.

Meine Damen und Herren, die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“
kann trotz der notwendigen Haushaltskonsolidierung auf
dem bisherigen Niveau von 1,7Milliarden DM fortgeführt
werden. Wie die Anträge der Opposition uns zeigen, hält
sie es eher mit Shakespeare, der seinen Dramenheld
Heinrich IV. sagen ließ: „Der Wunsch war des Gedankens
Vater.“ Ich darf anfügen: bei Ihnen in diesem Fall wohl
auch.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch heute ist es noch verwunderlich, dass Sie erst vor
zwei Jahren Ihre förmliche Affenliebe zur Gemeinschafts-
aufgabe entdeckt haben und auch erst seitdem permanent
eine Erhöhung des Haushaltsansatzes einfordern, obwohl
Sie diesen doch jahrelang selbst bis an die Schmerzgrenze
reduziert haben, obwohl die Haushaltskonsolidierung für
Sie seinerzeit nicht das Thema war.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Auch das erinnert mich eher an Shakespeare und seinen
Sommernachtstraum: „Gut gebrüllt, Löwe!“ Deshalb ma-
chen wir Ihre Mätzchen nicht mit und lehnen Ihre Anträge
ab.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir als Regierungskoalition stehen für Solidität und
konzentrieren uns auch im Agrarhaushalt auf den Rahmen
des Machbaren, wissen wir doch alle, dass die Gemein-
schaftsaufgabe auch die Kofinanzierung der Länder
einschließt. Jeder von uns, auch die Kollegen von der Op-
position, hat den heftigen Dissens in dieser Frage zwi-
schen Länderfinanz- und Länderagrarministern miterle-
ben dürfen.




Iris Hoffmann (Wismar)


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Trotz des schon dargestellten engen finanzpolitischen
Spielraumes im Agrarhaushalt war es möglich, den Titel-
ansatz „Modellvorhaben“ um 5Millionen DM zu erhöhen.
Hiermit haben wir ein Zeichen gesetzt, dass uns die regio-
nale Entwicklung, aber auch die arbeitsmarktpolitischen
Initiativen am Herzen liegen.

Zusätzlich konnten im Agrarhaushalt ein Hilfspro-
gramm zur Sicherung der Liquidität von Unterglasgar-
tenbaubetrieben sowie eine verbesserte Investitionsför-
derung für Energieeinsparmaßnahmen verankert werden.
Damit tragen wir der schwierigen Situation in diesem Be-
reich Rechnung, da vor allem Unterglasgartenbaubetriebe
von den enorm gestiegenen Energiepreisen überproportio-
nal betroffen sind.

Als kurzfristig wirksame Maßnahme wird ein Pro-
gramm zur Verbilligung der Betriebsmittelkredite aufge-
legt, welches von den Ländern durchgeführt wird. Der
Bund wird sich hieran auch 2001 und 2002 mit 10 Milli-
onen DM beteiligen – ein entsprechender Länderanteil
kommt hinzu –, sodass für dieses Programm jährlich bis zu
20 Millionen DM bereitstehen werden.

Um die Abhängigkeit des Gartenbaus von den Energie-
kosten mittelfristig zu mildern, wird im Rahmen der Ge-
meinschaftsaufgabe auch die Förderung von Investitionen
zur Energieeinsparung, insbesondere im Unterglasanbau,
gezielt verbessert. Dies betrifft zum Beispiel den Neubau
energiesparender Gewächshäuser, aber auch Wärme- bzw.
Kältedämmungsanlagen. Deshalb stellen wir hierfür in
den Jahren 2001 und 2002 jeweils 15 Millionen DM zur
Verfügung. Auch in diesem Fall kommt ein entsprechen-
der Länderanteil hinzu.

Wenn man dem Antrag der CDU folgte – sie fordert
eine Erhöhung auf 300 Millionen DM – und die Logik un-
seres Antrages fortführte, dann müsste es in diesem Be-
reich ebenfalls eine Beteiligung der Länder geben. Die Mi-
nisterpräsidenten, auch die der CDU-geführten Länder,
wären sehr dankbar, wenn sie 300 Millionen DM dazule-
gen dürften – weil sie es nämlich gar nicht könnten.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber nur einige!)


– Nur einige.

(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Und die kennen Sie! – Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir tragen damit jedenfalls zur Standortsicherung des
Unterglasgartenbaus bei und zugleich sichern wir die da-
mit verbundenen Arbeits- und Ausbildungsplätze. Darüber
hinaus sorgen wir für die Steigerung der Energieeffizienz
und auch für die umweltpolitisch unverzichtbare Reduzie-
rung von klimaschädlichen Emissionen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Diese Debatte zeigt, dass wir einen soliden und finan-
zierbaren Agrarhaushalt für 2001 auf den Weg gebracht
haben,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist es!)


der auch mittelfristig Grundlage unserer nationalen Agrar-
politik sein wird. Trotz aller Konsolidierungszwänge ist es

uns darüber hinaus gelungen, eigene agrarpolitische Ak-
zente zu setzen. Auch wenn die Opposition dies gerne als
Peanuts abtun möchte: Dies ist – um wieder mit Shakespeare
zu sprechen – ebenfalls verlorene Liebesmüh, belegen
doch die Fakten, dass wir uns als rot-grüne Regierungsko-
alition sehr wohl den agrarpolitischen Herausforderungen
unserer Zeit stellen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413713400
Liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, ich habe gerade eine, wie ich finde,
sehr schöne Nachricht bekommen, über die Sie sich si-
cherlich mitfreuen: Das Gartenreich Wörlitz ist seit heute
Teil des Weltkulturerbes.


(Beifall)

Wir sollten dem Land Sachsen-Anhalt, den Wörlitzern und
uns allen gratulieren. Vor allem sollten wir denjenigen
danken, die es bis heute erhalten haben.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Marita Sehn.


Marita Sehn (FDP):
Rede ID: ID1413713500
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren!

Die Bauern bekommen endlich wieder einen Land-
wirtschaftsminister, der auch so aussieht.

So wurden Sie, lieber Minister Funke, von den Kollegin-
nen und Kollegen der Regierungsfraktionen als Landwirt-
schaftsminister hier eingeführt. Diese Aussage mag viel-
leicht stimmen, was das äußere Bild des Ministers
anbelangt, aber es handelt sich dabei bestimmt nicht um
Inhaltliches.

Die Landwirte, die ursprünglich große Hoffnung in Sie
als einen Berufskollegen gesetzt haben, sehen sich nun,
nach zwei Jahren funkescher Agrarpolitik, bitter ent-
täuscht. Gut gemeint ist das Gegenteil von gut – so lässt
sich das Krisenmanagement der Bundesregierung bei den
Maßnahmen zur Bekämpfung von BSE wohl am besten
umschreiben.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Gesundheitsministerin scheint, nachdem sie keine
maßgeblichen Strukturverbesserungen in der Gesundheits-
politik auf den Weg gebracht hat, die Agrarpolitik als
Spielwiese entdeckt zu haben. Man kann ihr leider nur be-
stätigen, dass sie von Agrarpolitik doppelt so viel versteht
wie von der Gesundheitspolitik. Nur: Zwei mal null ist
nach den Regeln der Mathematik eben auch null.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Weiß Frau Fischer denn wirklich, wovon sie redet, wenn
sie von einem „GAU der industrialisierten Landwirt-
schaft“ spricht? Den Betrieb, auf dem das infizierte Tier
gefunden wurde, als „industrialisierte Landwirtschaft“ zu
diffamieren, ist in höchstem Maße unseriös.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Iris Hoffmann (Wismar)

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(C)



(D)



(A)



(B)


Frau Fischer täte gut daran, den Ratschlag von Herrn
Müntefering zu befolgen und im Zusammenhang mit BSE
nicht „primitiv und parteipolitisch zu agieren“.

In Anbetracht dessen, dass bislang nicht einmal Infor-
mationen über die Ursachen der Infektion vorliegen, sollte
sich Frau Fischer vielleicht doch etwas zurückhalten, an-
statt die deutsche Landwirtschaft pauschal zu verunglimp-
fen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Der BSE-Skandal eignet sich nicht für gegenseitige
Schuldzuweisungen. Die Verbraucher erwarten von uns
keine parteipolitischen Gladiatorenkämpfe. Sie wollen,
dass alles Erdenkliche getan wird, um diese Bedrohung so
schnell wie möglich zu beseitigen.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Das koalitionsinterne Hickhack zum Verbot der Verfütte-
rung von Tiermehl war in diesem Sinne unwürdig und
kontraproduktiv.


(Beifall bei der F.D.P.)

Die Bundesregierung wäre gut beraten, die Verunsiche-

rung bei den Verbrauchern und – das möchte ich besonders
betonen – auch bei den Landwirten zu beenden.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das schafft man nicht mit Schnellschüssen und unüber-
legtem, kurzatmigem Handeln.

Die weitere Erforschung des Erregers sowie der Infek-
tionswege ist zwingend notwendig. Deshalb fordert die
F.D.P. die Aufstockung der Mittel für die Bundesfor-
schungsanstalt für Viruskrankheiten von 12Millionen DM
um 50 Millionen DM auf 62 Millionen DM.


(Beifall bei der F.D.P. und der F.D.P.)

Wenn fundierte Informationen über die Übertragungs-
wege und eventuelle Möglichkeiten der Bekämpfung der
Erreger vorliegen, kann auch ein optimaler Schutz der Be-
völkerung gewährleistet und die Verunsicherung der Ver-
braucher beseitigt werden. Wir erwarten, dass alle Frak-
tionen, die ernsthaft an einer Lösung des Problems
interessiert sind, diesem Antrag zustimmen.


(Beifall bei der F.D.P.)

Über die schnellstmögliche Einführung von BSE-

Schnelltests sind wir uns einig. Man darf bei der Debatte
eines nicht vergessen: Teurer als jede Maßnahme wäre ein
nachhaltiger Vertrauensverlust der Verbraucher in Bezug
auf die Sicherheit deutscher Agrarprodukte.

Vorrang vor allen wirtschaftlichen Überlegungen müs-
sen die Sicherheit und die gesundheitliche Vorsorge der
Verbraucher haben. Das geht nur im engen Schulterschluss
aller Beteiligten: der Bundesregierung, der Verbraucher
und der Produzenten, unseren heimischen Landwirten.


(Beifall bei der F.D.P.)

Es ist für das Verhältnis der Bundesregierung gegen-

über unseren Bäuerinnen und Bauern bezeichnend, dass
trotz steigender Belastungen der Betriebe der Agrarhaus-
halt erneut vermindert wird. Doch damit nicht genug:
Auch in anderen Bereichen hat die Bundesregierung Pro-

bleme verursacht, mit denen die Landwirte zu kämpfen ha-
ben.

Nehmen Sie zum Beispiel die Debatte um den Agrar-
diesel: Allein durch die Ökosteuer haben Sie der Land-
wirtschaft eine Mehrbelastung von 900 Millionen DM zu-
gemutet. Beim Agrardiesel zahlen die Landwirte pro Liter
Diesel anstatt der ursprünglichen 23 Pfennig ab Januar
57 Pfennig Steuern.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: 1 000 Prozent mehr als die Franzosen!)


– Nicht gerade 1 000 Prozent. – Während die Franzosen
auf die drastisch gestiegenen Energiepreise flexibel mit ei-
ner Steuersenkung reagiert haben, muten Sie den Land-
wirten eine Steuererhöhung um fast 150 Prozent zu.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Immerhin hat Bundesminister Funke in seiner Rede
vom 14. September dieses Jahres sein „außerordentliches
Bedauern“ über die Wettbewerbsverzerrung in der Euro-
päischen Union und insbesondere auf dem Energiesektor
geäußert. Ich bin mir sicher, dass den Landwirten anstelle
Ihrer Krokodilstränen konkrete Maßnahmen lieber gewe-
sen wären. Wir fordern kurzfristig, also in einem ersten
Schritt zur Beseitigung der gravierendsten Wettbewerbs-
verzerrungen, die Absenkung des Steuersatzes für Agrar-
diesel auf 47 Pfennig pro Liter.

Auch im Gartenbau nimmt die Bundesregierung eine
Schlechterstellung deutscher Betriebe im europäischen
Wettbewerb sowie den Verlust von bis zu 30 000 Arbeits-
plätzen in Kauf. Um zumindest den größten Existenznöten
der Betriebe zu begegnen, fordern wir ein Hilfsprogramm
für die Unterglasbetriebe mit einem Gesamtumfang von
300 Millionen DM.


(Beifall bei der F.D.P.)

Dies versetzte die Betriebe in die Lage, langfristig wirt-
schaftlich zu arbeiten und sich am Markt zu behaupten.

Herr Funke hat als Ziel seiner Agrarpolitik „eine leis-
tungsstarke und wettbewerbsfähige Land-, Forst- und
Ernährungswirtschaft“ definiert. Diesem Ziel stimmen wir
ausdrücklich zu. Aber, meine Damen und Herren, Sie han-
deln nicht danach. Wie sonst soll man die im Sommer von
Umweltminister Trittin vorgelegten Eckpunkte zum Bun-
desnaturschutzgesetz verstehen? Sie verletzen die gute
fachliche Praxis der Umweltpolitik, indem Sie auf Kon-
frontation statt auf Kooperation setzen. Das Landwirt-
schaftsministerium wird allenfalls informiert und Herr
Funke in die Rolle eines politischen Wackeldackels ge-
drängt, der nur noch die Vorschläge abnickt. Ich appelliere
deshalb an Sie, Herr Minister Funke: Wachen Sie auf und
sorgen Sie dafür, dass die Interessen der Landwirte ge-
wahrt werden!


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der größte Wettbewerbsnachteil für die deutsche
Landwirtschaft ist die konzeptionslose Agrarpolitik der
Bundesregierung. Sehr geehrter Herr Funke, es reicht
nicht zu wollen, man muss es auch tun.


(Zuruf von der CDU/CSU: Man muss auch können und dürfen!)





Marita Sehn

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(C)



(D)



(A)



(B)


Beim Agrardiesel lassen Sie sich von Herrn Berninger an
der Nase herumführen, die gute fachliche Praxis beim
Bundesnaturschutzgesetz diktiert Ihnen Herr Trittin in die
Feder und bei der Bekämpfung von BSE gibt Frau Fischer
den Takt vor.

Im Interesse unserer Landwirte hoffen wir, dass sich die
Arbeit der Bundesregierung substanziell verbessert. Die
F.D.P. hat Vorschläge dazu unterbreitet.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413713600
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Steffi Lemke.


Steffi Lemke (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413713700
Ver-
ehrte Frau Präsidentin! Werte Kollegen und Kolleginnen!
Da ich, wie einige von Ihnen wissen, aus Dessau stamme,
möchte ich die Gelegenheit nutzen, der Region von
Dessau, Bitterfeld, Wörlitz, Wittenberg herzlich zu der
Aufnahme von Wörlitz in die Weltkulturerbeliste zu gra-
tulieren, und Sie alle einladen, die Region im Frühjahr, im
Sommer, im Herbst und im Winter zu besuchen und zu ge-
nießen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/ CSU]: Frau Lemke, ist das auch eine Einladung zum Rindfleischessen?)


Zum eigentlichen Thema, dem Agrarhaushalt. Zwi-
schen der ersten Lesung dieses Haushaltes und der zwei-
ten Lesung heute sind nur wenige Wochen vergangen.
Dennoch führen wir jetzt eine vollkommen andere De-
batte, als wir sie damals hier im Bundestag geführt haben.

Was hat sich in dieser Zeit verändert? Was ist passiert?
Noch vor wenigen Wochen und Tagen haben wir im Agrar-
ausschuss primär über zusätzliche Hilfen für Landwirt-
schaft und Gartenbau, für die Unterglasbetriebe, für die
orkangeschädigten Waldbauern, für die trockenheitge-
schädigten ostdeutschen Bauern, für die gesamte Land-
wirtschaft, die beim Agrardiesel eine größere finanzielle
Unterstützung braucht, debattiert. Wenn ich mir die Ände-
rungsanträge der Opposition zum Agrarhaushalt anschaue,
stelle ich fest, dass sich die darin enthaltenen Forderungen
auf 1,6 Milliarden DM zusätzlich zu dem Betrag, den wir
im Haushalt haben, summieren.

Ich glaube, dass dies das ganze Dilemma der Agrarpo-
litik in den letzten Wochen, Monaten und Jahren wider-
spiegelt. Wir haben darüber gesprochen, dass immer
versucht worden ist, die systematischen Mängel der Land-
wirtschaftspolitik im Nachhinein mit zusätzlichen Zu-
schüssen in Milliardenhöhe auszugleichen, und dass das
nicht mehr geht. Das hat die Debatte über die Sanierung
des Haushaltes gezeigt und das hat uns in der letzten
Woche in erschreckender Weise und, wenn auch geahnt
und erwartet, sehr plötzlich die BSE-Diskussion vor Au-
gen geführt.

Wir haben im Haushalt 2001 positive Akzente für eine
sozialorientierte und umweltorientierte Politik setzen kön-
nen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Sozialetat steigt – ich möchte das noch einmal beto-
nen – um 332 Millionen DM an. Das heißt: Wir haben die
sozialorientierte Politik, die auch früher schon in Deutsch-
land stattgefunden hat, fortgeführt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Nachdem ihr gekürzt habt, steigt er wieder!)


Das heißt nicht, dass sie unverändert, so, wie sie in den
letzten Jahren von der CDU/CSU/F.D.P.-Bundesregierung
betrieben worden ist, fortgeführt werden konnte. Aber das
heißt, dass sie nach wie vor den Schwerpunkt ausmacht
und wir den landwirtschaftlichen Betrieben soziale Si-
cherheit geben.

Wir haben im Haushalt 2001 umweltorientierte Ak-
zente setzen können. Hätten wir den Haushalt von vorn-
herein im Lichte der BSE-Diskussion, wie sie heute statt-
findet, diskutiert, wären diese Akzente stärker ausgefallen.
Aber die Ansätze in diesem Haushalt sind dennoch sehr
positiv. Das betrifft die Gemeinschaftsaufgabe, in der auch
für den ökologischen Landbau wesentlich bessere Förder-
kriterien enthalten sind. Das betrifft Modellprojekte, die
Zukunftsperspektiven für Arbeitsplätze im ländlichen
Raum entwickeln. Das betrifft auch einen sehr aktuellen
und wichtigen Punkt: die Verbraucheraufklärung und -in-
formation, die deutlich verbessert wird, vor allem inhalt-
lich. Reaktionen seitens der Verbraucherinformation in
Deutschland auf die erste BSE-Krise mit Plakaten, auf de-
nen junge Menschen in – ich nenne es einmal so – attrak-
tiver Weise mit dem Motto „Esst mehr Fleisch“ dargestellt
worden sind, gibt es heute nicht mehr.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Herr Ronsöhr hat in seinem Debattenbeitrag ausgeführt
– Herr Ronsöhr, ich sehe, Sie haben im Moment wichti-
gere Dinge zu erledigen; vielleicht hören Sie mir trotzdem
zu –, dass es legal gewesen ist, in Deutschland Tiermehl,
das als Hauptverursacher für die derzeitige BSE-Krise gilt,
zu verfüttern. Sie haben Recht: Das ist legal gewesen.
Trotzdem war es falsch; das ist der springende Punkt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Was, wie ich meine, in der Landwirtschaftspolitik der
vergangenen Jahrzehnte systemimmanent grundfalsch
war, ist: Man hat sich grundsätzlich nicht an den Verbrau-
cherinteressen orientiert. Vielmehr standen ökonomische
Interessen im Vordergrund. Aber die BSE-Krise zeigt, dass
es sogar ökonomisch falsch gewesen ist, so zu handeln. Im
Rahmen der BSE-Krise kommen Folgekosten auf uns zu,
deren Höhe im Moment niemand beziffern kann.

Ich halte es derzeit wirklich nicht für vordringlich, über
ökonomische Hilfen für Bauern zu sprechen. Natürlich
müssen wir auch darüber sprechen, aber jetzt ist es das
Wichtigste, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, wie wir dies
in dem heute vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zum
Verbot der Verfütterung von Tiermehl vorsehen und wie
wir dies mit der flächendeckenden Einführung von BSE-
Tests tun. Darum müssen wir uns momentan zuallererst
kümmern. Wir müssen zudem darangehen, die Verbrau-
cher zu informieren und ein deutliches Signal zu setzen
– ich bin dem Bundeskanzler dafür dankbar, dass er dies




Marita Sehn
13436


(C)



(D)



(A)



(B)


gestern von seiner Seite aus getan hat –, dass es in Zukunft
eine andere Form von Landwirtschaftspolitik geben muss.
Diese muss sich sehr viel stärker und strikter an den Ver-
braucherinteressen orientieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte dies gemeinsam mit der Opposition tun. Wir
haben ja, was das Verbot der Verfütterung von Tiermehl
anbetrifft, im zuständigen Ausschuss und auch heute hier
im Parlament schon ein Stück Gemeinsamkeit erzielt.
Denn es geht nicht darum, die Landwirtschaftspolitik, die
anders werden soll, gegen die Landwirtschaft und die Bau-
ern auszurichten; das ist wirklich überhaupt nicht beab-
sichtigt. Es geht vielmehr darum, dies im Interesse der
Bauern zu tun. Denn die sind neben den Verbrauchern die
Leidtragenden der momentanen Diskussion.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es geht darum, von industrialisierten Formen der Land-
wirtschaft wegzukommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Gibt es ja nur im Osten!)


Es geht nicht darum, eine Diskussion über große und
kleine Betriebe zu führen – das sollten die letzten Wochen
doch gezeigt haben –, also nicht darum, dass die Politik
vorschreibt, wie viel Hektar Land ein Betrieb umfassen
muss. Es geht vielmehr darum, darüber nachzudenken,
nach welchen kontrollierbaren und für die Verbraucher
nachvollziehbaren Qualitätskriterien in großen bzw. klei-
nen bäuerlichen bzw. nicht bäuerlichen Betrieben Land-
wirtschaft praktiziert werden soll.

Es geht darum, von industriellen Formen, die sich bei-
spielsweise im Rahmen der Käfighaltung von Legehennen
– das ist ein gutes Beispiel; ich glaube, Sie können mir zu-
stimmen, dass das industrielle Landwirtschaft ist – mani-
festiert haben, wegzukommen, also von der flächenunge-
bundenen Tierhaltung, bei der Tiere ohne Auslauf, ohne
Weidehaltung und ohne eigene Futterflächen in industriel-
len Fabriken gehalten werden. Herr Ronsöhr, dies gibt es
nicht nur in Ostdeutschland. Das gibt es auch ganz massiv
in dem Land, aus dem Sie kommen, nämlich in Nieder-
sachsen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir müssen zu einer artgerechten, transparenten und
kontrollierbaren Form von Landwirtschaft kommen. Der
ökologische Landbau gehört aus meiner Sicht in diesem
Zusammenhang an die Spitze. Dies können wir nicht
durch ideologische Diskussionen und im Kontra zur kon-
ventionellen Landwirtschaft erreichen, sondern dadurch,
dass wir, wie Bauernpräsident Sonnleitner das schon vor
zwei Jahren getan hat – in diesem Punkt stimme ich ihm
voll zu –, den ökologischen Landbau als Vorbild für die ge-
samte Landwirtschaft in Deutschland begreifen. Das ist
das, was der ökologische Landbau leistet und schon ge-
leistet hat.

Ich bedanke mich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413713800
Das Wort hat
jetzt die Kollegin Kersten Naumann.


Kersten Naumann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1413713900
Frau Präsidentin! Meine
Damen und Herren! BSE hat die angeblich heile deutsche
Welt wie ein Kartenhaus zusammenbrechen lassen. Das
Vertrauen in die Landwirtschaft ist gebrochen. Landwirte
und Verbraucher sind verunsichert. Viele stehen vor dem
Ruin.

Auch wenn gegenwärtig noch vieles im Dunkeln liegt,
ist zumindest eines klar: Wir haben es hier keineswegs nur
mit einem landwirtschaftlichen, sondern mit einem zu-
tiefst gesellschaftlichen Problem zu tun.


(Beifall bei der PDS)

Ich meine damit zum einen, dass die Bauern unter den
Zwängen der Konkurrenz liberalisierter Märkte immer bil-
liger produzieren müssen, um ihre Existenz zu sichern.
Hieraus resultieren, wie wir alle wissen, eben nicht bloß
positive Wirkungen auf die landwirtschaftliche Erzeu-
gung. Zum anderen will ein Großteil der Verbraucher Le-
bensmittel billig kaufen. Das hat viel damit zu tun, dass die
Verlockungen des Konsums angesichts der Fülle von in-
dustriellen Konsumgütern und Dienstleistungsangeboten
immer größer werden. Die Befriedigung eines mit massi-
ver Werbung manipulierten Kaufrausches erfolgt oft mit
dem Geld, das man bei der Ernährung einsparen zu kön-
nen glaubt.

Ich meine, einige Wertevorstellungen werden immer
fragwürdiger. Die Mechanismen dieser Gesellschaft
gehören deshalb auf den Prüfstand. Die Bewältigung der
BSE-Krise darf also nicht nur auf veterinärmedizinische
und technisch-organisatorische Konsequenzen beschränkt
bleiben. Was wir brauchen, ist eine sachliche Debatte um
notwendige Veränderungen bei der Art und Weise der
Agrarproduktion, damit wir zu einer tatsächlich zukunfts-
fähigen Produktionsweise gelangen.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Das korrespondiert mit der Frage nach einem neuen
Ernährungsbewusstsein und -verhalten in der ganzen
Breite der Bevölkerung.

Der heute vorliegende Gesetzentwurf macht mich
nicht unbedingt glücklich. Er erscheint, so sollte man ehr-
lich sagen, wie ein Kind aktionistischer Hilflosigkeit.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS und der CDU/CSU)


Trotzdem steht außer Frage, dass auch meine Fraktion ihm
zustimmen wird. Erst dann zu handeln, wenn die vielen
offenen Fragen wissenschaftlich beantwortet sind, wäre
nicht zu verantworten. Schließlich geht es um die
Wiederherstellung des Vertrauens der Menschen in die
Landwirtschaft. Gerade das ist jetzt besonders wichtig.


(Beifall bei der PDS)





Steffi Lemke

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(C)



(D)



(A)



(B)


Allerdings sollte allen klar sein, dass diese Entschei-
dung einen ganzen Rattenschwanz von Problemen nach
sich zieht, die gelöst werden müssen. Ich erwarte von der
Bundesregierung, dass sie bald erklärt, mit welcher finan-
ziellen Unterstützung die Betriebe mit Rinderhaltung
überhaupt rechnen können.


(Beifall bei der PDS)

Es reicht mir nämlich nicht, dass Sie, Herr Bundesminis-
ter Funke, eine finanzielle Beteiligung des Bundes für er-
forderlich halten. Sie waren schließlich auch für 47 Pfen-
nig beim Agrardiesel und haben sich, bei allem Respekt,
nicht durchsetzen können.

Einigkeit sollte darin bestehen, dass es nicht angeht,
dass die Landwirte den Erlöseinbruch durch den stark re-
duzierten Schlachtrinderabsatz und sinkende Erzeuger-
preise sowie die Mehrkosten durch längere Haltung und
Umstellung des Futterregimes infolge des Tiermehlver-
bots allein tragen. Handlungsbedarf sehe ich auch hin-
sichtlich der Kostentragungspflicht für die Tierkörperbe-
seitigung; hier ist eine Änderung der derzeitigen
Rechtslage nötig. Es wird nicht gehen, die Länder, Kom-
munen und Landwirte mit den enormen Mehrkosten allein
zu lassen. Hier ist ein Bundeszuschuss dringend erforder-
lich.


(Beifall bei der PDS)

Leider wurde ein solcher im Ausschuss nur sehr vage in
Aussicht gestellt.

Zu meinen Erwartungen an die Bundesregierung gehört
des Weiteren, dass eine Konzeption zur Sicherung pflanz-
licher Eiweißfuttermittel mit Schwerpunkt beim Ausbau
der einheimischen Futterpflanzenproduktion, und zwar
auch auf derzeitigen Stilllegungsflächen, erarbeitet wird.
Ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen zu die-
ser Problematik überraschte uns heute positiv. Ich werte
diesen Entschließungsantrag als einen Schritt in die rich-
tige Richtung. Er gibt mir die Hoffnung, dass Gen-Soja so-
wohl aus eigener Produktion als auch aus Importen keinen
Zugang in die Tierfütterung finden wird.


(Dr. Ilja Seifert [PDS]: Das muss so bleiben!)

Zu meinen Erwartungen gehört außerdem, dass das

Bundeslandwirtschaftsministerium in der Dezember-Sit-
zung des Planungsausschusses für Agrarstruktur und Küs-
tenschutz für eine vorrangige Förderung des ökologischen
Landbaus und der Erzeugung von Biofleisch bis hin zum
Absatz eintritt, dass die Forschung zum Komplex BSE und
Creutzfeldt-Jakob-Krankheit intensiviert und die dafür er-
forderlichen Mittel im Haushalt etatisiert werden und
schließlich, dass sich die Regierung nachdrücklich dafür
einsetzt, dass die BSE-Problematik auf die Tagesordnun-
gen des EU-Gipfels in Nizza und der Verhandlungen mit
den EU-Beitrittskandidaten kommt.


(Beifall bei der PDS)

Auf höchster Ebene, also durch die Regierungschefs, muss
ein europaeinheitliches Herangehen an die nicht vor na-
tionalen Grenzen Halt machende BSE abgesichert werden.

Wem der Verbraucherschutz und das Vorsorgeprinzip
ernst sind, der muss erstens dafür sorgen, dass die Bedin-

gungen für flächendeckende BSE-Tests schnell geschaf-
fen werden, um in Erfahrung zu bringen, wie groß die Zahl
infizierter Rinder in Deutschland tatsächlich ist. Zweitens
müssen Importe von Fleisch und Fleischerzeugnissen aus
Drittländern, die Tiermehl verfüttern und keine BSE-Tests
durchführen, ausgeschlossen werden. Das gehört zur Lo-
gik des Gesetzentwurfs.


(Beifall bei der PDS sowie des Abg. Dr. Wolfgang Wodarg [SPD] und der Abg. Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich komme nunmehr zum Haushalt 2001. Hierzu liegt
Ihnen ein Änderungsantrag meiner Fraktion vor: Erstens
wollen wir, dass die Zuschüsse zur landwirtschaftlichen
Unfallversicherung um 100 Millionen DM aufgestockt
werden. Das soll eine Teilentlastung der Landwirte bei den
Beiträgen ermöglichen, was Sie, Kollegin Hoffmann, als
absurd bezeichnen.


(Dr. Uwe-Jens Rössel [PDS]: Unverschämt!)

Wir solidarisieren uns mit dem Bauernverband hinsicht-
lich seines gerechtfertigten Verlangens nach gleichwerti-
gen Bedingungen bei der Unfallversicherung wie im
Handwerk und der übrigen mittelständischen Wirtschaft.


(Beifall bei der PDS)

Zweitens geht es uns um die Erhöhung des Bundesan-

teils an der Gemeinschaftsaufgabe um gleichfalls
100 Millionen DM, weil insbesondere die Altver-
pflichtungen mit derzeit rund 58 Prozent so hoch sind, wie
dies in den letzten zehn Jahren nur einmal der Fall war.
Damit könnte der nach Ländern sehr differenzierte An-
tragsstau bei der Investitionsförderung der Betriebe und
Dorferneuerung abgebaut werden.

Die Finanzierbarkeit des Antrags ist gegeben, wenn Sie
unserem Ansinnen folgen und die für die Beschaffung des
schlicht überflüssigen Waffensystems Eurofighter 2000
vorgesehenen Mittel, das bekanntlich noch teurer werden
soll, als im Entwurf des Verteidigungshaushalts steht,
dafür und für andere sinnvolle Verwendungen umschich-
ten.

Es ist schon makaber, dass es bisher am politischen Wil-
len für die Einordnung der finanziellen Mittel für eine groß
angelegte BSE-Forschung gefehlt hat. Dies geschah trotz
der Bedrohung durch BSE, die durch die Ereignisse in
England längst eine sehr reale ist, während die so genannte
militärische Bedrohung wohl eher ein Phantom ist, um der
Rüstungsindustrie ihre Profite mithilfe von Steuergeldern
zu sichern und für eventuelle militärische Aus-
einandersetzungen um Rohstoffe fit zu sein. Das sind fi-
nanzielle Mätzchen, werte Kollegin Hoffmann, und ver-
hindern die Aufstockung der Mittel für die GA.


(Beifall bei der PDS)

Als positiv werte ich den Antrag der Koalitionsfraktio-

nen für ein Hilfsprogramm zur Sicherung der Liquidität
von Unterglasgartenbaubetrieben, auch wenn dessen fi-
nanzielle Ausstattung mehr als dürftig ist. Erwähnenswert
ist allerdings, dass die Koalition damit die Intention unse-
res früher gestellten Antrages zur Einrichtung eines Bund-
Länder-Nothilfefonds aufgegriffen und kreativ umge-
schrieben hat.




Steffi Lemke
13438


(C)



(D)



(A)



(B)


Abschließend möchte ich Ihnen, Herr Minister Funke,
Folgendes mit auf den Weg geben: Kluge Regierungen ha-
ben immer für zufriedene Bauern und Verbraucher ge-
sorgt. Das sollte auch diese Bundesregierung beherzigen.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413714000
Das Wort hat
jetzt der Herr Bundesminister Karl-Heinz Funke.

Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Frau Präsidentin! Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst auf ei-
nige Punkte eingehen, die in der Debatte schon eine Rolle
gespielt haben, insbesondere im Zusammenhang mit dem
Gesetz über das Verbot des Verfütterns und der Ausfuhr
bestimmter Futtermittel.

Herr Ronsöhr, Sie haben erwähnt, ich hätte im Aus-
schuss auf die Frage einer Bundestagsabgeordneten – ich
dachte, es sei Frau Lemke gewesen, aber vielleicht irre ich
mich –, ob es Erkenntnisse über die Infektion über die Bö-
den gebe, geantwortet: Da gibt es nichts. – Das stimmt
nicht. Ich habe gesagt: Es gibt keine Erkenntnisse über
eine Reinfektion über die Böden. Exakt so habe ich es for-
muliert. Das ist etwas völlig anderes, als wenn man den
Satz in einer Weise ausspricht, die assoziiert, man habe nie
davon gehört oder kenne es nicht.

Lassen Sie mich noch etwas dazu sagen. Über das Gut-
achten des Wissenschaftlichen Beirates beim Umweltmi-
nisterium – insoweit ist die Diskussion überhaupt nicht
neu – haben der Kollege Trittin und ich – ich glaube, es
war im Mai oder Juni 2000; das genaue Datum könnte ich
feststellen – bei einer Veranstaltung des Deutschen Bau-
ernverbandes mit deren Vertretern diskutiert. Dabei ging
es im Übrigen auch um den Einsatz von Antibiotika. Wir
wissen: Die im Gutachten geäußerte Auffassung wird dort
selbst als theoretisch deklariert.


(Abg. Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Wir sind damals gebeten worden – lassen Sie mich das
noch zu Ende führen, Herr Carstensen –, Flächen, wenn
vorhanden, für Forschungszwecke zur Verfügung zu stel-
len. Das werden wir jetzt machen. Bisher hatten wir keine
Flächen in Deutschland, die wir dafür zur Verfügung hät-
ten stellen können. Wir werden jetzt Flächen zur Verfü-
gung stellen, damit dort Forschung betrieben werden
kann. Ich weiß überhaupt nicht, was eine solche Behaup-
tung in einer solchen Debatte, in der es um Sachlichkeit
und Fairness geht, eigentlich soll.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Peter H. Carstensen (CDU):
Rede ID: ID1413714100
Herr
Minister Funke, können Sie vielleicht etwas zu einer Pres-
semitteilung sagen, die mir heute oder gestern auf den
Tisch gekommen ist –


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was denn nun, heute oder gestern?)


– das spielt, glaube ich, keine große Rolle –, in der einer –
ich glaube sogar, der Chef dieser Expertengruppe – darauf
hingewiesen hat, dass er schon im Februar ernsthaft und
sehr real auf Gefahren in diesem Punkt hingewiesen hat,
und in der er auch gesagt hat, es sei, obwohl er auf diese
Gefahr ernsthaft hingewiesen habe, seitdem weder aus
Ihrem Hause noch aus dem Hause der Gesundheitsminis-
terin eine Antwort gekommen?

Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Entschuldigung, soweit ich
die Pressemitteilung kenne, geht es darum, dass er Flä-
chen, von denen eine BSE-Gefährdung ausgeht, gefordert
hat, die er untersuchen kann. Diese Flächen standen nach-
weislich bisher nun einmal nicht zur Verfügung. Deswe-
gen konnten wir bisher auf diese Aufforderung nicht rea-
gieren, was wir jetzt selbstverständlich tun werden.

Ansonsten kenne ich den Inhalt der Presseerklärung
nicht. Sie können sie mir ja zugänglich machen, damit ich
sehe, ob darin noch andere Forderungen enthalten sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben über diese Problematik sehr offen diskutiert.

Warum auch nicht?

(Zuruf des Abg. Siegfried Hornung [CDU/CSU])

– Herr Hornung sagt jetzt, wir können nicht Millionen
Hektar unter Quarantäne stellen. In Ordnung, ich will das
nicht kommentieren.

Gleichzeitig gehen wissenschaftliche Analysen, basie-
rend auf Erfahrungen in Großbritannien, bisher eindeutig
davon aus, dass es diese Reinfektionen nicht gibt. Genau
das habe ich im Ausschuss gesagt und gemeint, meine Da-
men und Herren. Das ist so, etwas anderes kann ich nicht
behaupten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413714200
Herr Minister,
gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Gerne.


Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1413714300
Herr Minis-
ter, können Sie bestätigen, dass ich Sie gestern im Aus-
schuss gefragt habe, ob die Bundesregierung bei dem Be-
trieb in Schleswig-Holstein, in dem das BSE-Rind auf-
gefallen ist, Quarantänemaßnahmen aufgrund des Bun-
desbodenschutzberichtes der Bundesregierung und auf-
grund der Befunde der Wissenschaftler zur Übertragung
der BSE-Erreger über Weideflächen plant, und dass Sie
mir auf diese Frage keine Antwort gegeben haben?


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Richtig!)





Steffi Lemke

13439


(C)



(D)



(A)



(B)


Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Entschuldigung, ich erinnere
mich wirklich überhaupt nicht an diese Frage im Aus-
schuss. Die haben Sie jetzt formuliert.


(Beifall bei der SPD – Zurufe von der SPD: Wir auch nicht!)


Ich müsste mal einige Kollegen fragen, die dabei gewesen
sind.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Da würde Ihnen auch das Protokoll reichen!)


Die Formulierung Ihrer Frage entnehmen Sie jetzt einer
Pressemitteilung unseres Hauses, in der genau das in etwa
steht.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist alles sehr merkwürdig!)


– Es ist wirklich sehr merkwürdig, was da jetzt läuft. Wie
gesagt, wir haben schon im Mai/Juni darüber diskutiert.

Meine Damen und Herren, ich will ein paar Punkte an-
sprechen. Natürlich wird jetzt die Agrarpolitik insgesamt
infrage gestellt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Der ist angeschlagen, der Mann!)


Darüber findet eine breite Diskussion statt. Es wird über
die Art unserer Ernährung nachgedacht. Mir scheint, wis-
senschaftlicher Rat ist mehr denn je notwendig, um auf die
damit verbundenen Fragen Antworten zu finden – auch
dann, wenn der Politik und den Politikern – mir ja auch
insbesondere – Versagen vorgeworfen wird. Allerdings
kann ich bei dem einen oder anderen Vorwurf, insbeson-
dere auch an meine Adresse, nicht umhin zu sagen: Heuch-
ler.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, so ist es!)


Nun verfolge ich ja diese Diskussion – den Vorteil habe
ich – schon seit längerem, damals noch als niedersächsi-
scher Landwirtschaftsminister in Zusammenarbeit mit
dem Kollegen Seehofer. Ich habe mir das eine oder andere
noch einmal heraussuchen lassen.

Seehofer und ich waren uns damals – er hat mir das im
Übrigen auch bestätigt – in vielen Dingen wie der Beur-
teilung der Situation und den zu ergreifenden Maßnahmen
durchaus einig. Deswegen mache ich auch keine Schuld-
zuweisungen.Das kommt bei mir überhaupt nicht infrage,
weil ich vor mir selber noch bestehen und noch in den
Spiegel gucken will. Ich mache es nicht und ich habe es
bisher auch nicht getan.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Nicht in den Spiegel geguckt!)


Ich richte weder an die Kommission in Brüssel noch an die
vorherige Regierung Schuldzuweisungen. Sonst hätte ich
einen abendfüllenden Zitatenschatz, meine Damen und
Herren.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr richtig!)


Ich könnte hier fragen, was denn davon zu halten ist,
wenn uns Ministerpräsident Stoiber vorwirft, wir würden
den Verbraucherschutz hintenanstellen, wirtschaftliche In-
teressen hätten Vorrang. Dass ausgerechnet Stoiber mir
bzw. einer rot-grünen Regierung vorwirft, bei uns kämen
wirtschaftliche Interessen vor dem Verbraucherschutz, ist
schon eine seltsame Umkehrung der parteipolitischen Po-
sitionen. Aber wie gesagt, darauf möchte ich gar nicht ein-
gehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich habe mich damals gewundert – ich wurde eben da-
rauf hingewiesen; die „Süddeutsche Zeitung“ soll mittler-
weile das eine oder andere aufgearbeitet haben –, als uns
ganz bestimmte Bundesländer, die im Süden der
Bundesrepublik Deutschland liegen und deren Namen ich
nicht nennen möchte, in der Vergangenheit aufgefordert
haben, Klage zu erheben, wenn europäische Richtlinien,
insbesondere diejenigen zum Schutz vor BSE, umgesetzt
werden müssten. Das scheinen diese Bundesländer völlig
vergessen zu haben. Soll ich das Abstimmungsverhalten
dieser Bundesländer in manchen Ausschüssen des Bun-
desrates publik machen? Nein, das tue ich alles nicht; das
möchte ich nicht.


(Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)


– Frau Kollegin, wenn es mir irgendwann zu dumm wird,
dann werde ich das vielleicht machen.

Ich bekenne mich dazu, gesagt zu haben: Deutsches
Rindfleisch ist sicher, Deutschland ist BSE-frei.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Sie haben gefordert, es muss mehr Tiermehl ins Futter!)


– Natürlich, Herr Kollege Carstensen, ich bekenne mich
auch dazu. Nur eines vermeide ich, nämlich heuchlerisch
zu werden und so zu tun, als hätte ich das alles überhaupt
nicht gesagt. Das ist der entscheidende Punkt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich weiß nicht, ob man mir deshalb Versagen und Ver-
säumnisse vorwerfen kann. Ich habe das alles vor dem
Hintergrund ganz bestimmter Erkenntnisse gesagt, wie si-
cherlich all jene, die das auch gesagt haben. Ich unterstelle
ihnen nicht das, was Sie mir unterstellt haben. Deshalb
wünsche ich mir, dass Sie mir das auch nicht unterstellen.

Andere haben gesagt: „Setzt das nicht zu schnell um,
die Bundesregierung soll erst einmal klagen“, und haben
gleich die Zahlen dabei gehabt, anhand derer sie belegen
konnten, wie hoch die Landwirtschaft durch die Umset-
zung der europäischen Richtlinie belastet wird. So sieht
der Sachverhalt aus. Sie haben mich enttäuscht. Aber da-
mit musste ich vielleicht rechnen. Aber das bringt mich
nicht dazu – ich will ja vor mir selber bestehen –, die
Schuld Brüssel in die Schuhe zu schieben. Zu Brüssel






(C)



(D)



(A)



(B)


könnte ich auch einiges sagen. Aber das mache ich auch
nicht.

Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang auch das, was
im Vorwort des F.D.P.-Antrages steht. Über die dort auf-
gelisteten Maßnahmen können wir selbstverständlich re-
den, zum Beispiel über die Schnelltests. Im Übrigen weiß
ich nicht, worin der Widerspruch zwischen dem, was ich
in den verschiedenen Ausschüssen gesagt haben, bestehen
soll. Ich habe auch im Gesundheitsausschuss zu den
Schnelltests Stellung genommen und gesagt, dass wir eine
flächendeckende Testung wollen und dass die Tests mög-
lichst schnell verbessert werden müssen, um entspre-
chende Erkenntnisse zu bekommen. Ich habe dies – das
kann man nachlesen – auch so im Agrarrat gefordert, weil
die Frage der Testung im Hinblick auf das Vertrauen der
Verbraucher ganz entscheidend ist. Nur über die Tests lässt
sich das Vertrauen wieder herstellen. Deshalb müssen wir
die Test weiter verbessern; denn je besser die Tests sind,
desto aussagekräftiger sind die Ergebnisse.


(Beifall bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413714400
Gestatten Sie
eine Zwischenfrage des Kollegen Heinrich?

Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Ja, gerne.


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1413714500
Herr Minister Funke, Sie ha-
ben sich gerade wieder für die Durchführung von Tests
ausgesprochen. Sie sind wie ich darüber informiert, dass
eine große Zahl an Tests – ich glaube, es waren 16 000 –
auf freiwilliger Basis durchgeführt worden sind. Das ist
beachtlich. Warum hat die Bundesregierung angesichts der
großen Bereitschaft nicht schon früher eine flächen-
deckende Testung durchgesetzt bzw. wenigstens Ge-
spräche darüber geführt?


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Warum haben Sie keine Anträge gestellt?)


Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Herr Heinrich, darauf kann
ich sehr sachlich und sehr nüchtern antworten: Die Tests,
die vor allem in der Schweiz weiterentwickelt wurden,
sind erst seit Mitte 1999 von der EU evaluiert und als sol-
che anerkannt worden. Seitdem werden sie durchgeführt
und weiterentwickelt. Die Position der Bundesregierung
war allerdings – offensichtlich ist das auch Ihre Position,
wie aus dem Antrag, den Sie gestellt haben, hervorgeht –,
dass solche Tests im Grunde genommen europaweit
durchgeführt werden müssen, weil sie ansonsten in einem
gemeinsamen Markt ohne Grenzen wenig Wert im Hin-
blick auf die Sicherheit der Verbraucher haben. Genau um
diesen Punkt ist es uns immer gegangen, um nichts ande-
res.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Vorwort Ihres Entschließungsantrages steht – so
läuft das manchmal –, das Exportverbot gegen Großbri-

tannien sei 1999 unter deutscher Präsidentschaft aufge-
hoben worden.


(Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD]: Das stimmt gar nicht!)


– Nein, es ist falsch, aber so wird gearbeitet. Ich erinnere
mich deshalb noch sehr genau, weil es bei meiner ersten
Teilnahme als zuständiger Bundesminister am Agrarrat
war. Es war übrigens unter österreichischer Präsident-
schaft.

Jetzt könnte ich allenfalls sagen – das tue ich aber nicht –,
mein Vorgänger habe versäumt, Mehrheiten dafür zu
schaffen. Es wäre falsch, das zu sagen. Ich tue es auch
nicht. Denn die Kriterien, die letztlich für die anderen Na-
tionalstaaten ausschlaggebend dafür waren, das Export-
verbot aufzuheben, hatten die Regierungschefs aller EU-
Mitgliedstaaten zuvor in Florenz festgelegt. Das lief nach
einem ganz bestimmten Verfahren ab. Wenn die Kommis-
sion sozusagen grünes Licht gegeben hätte, sollte der
Agrarrat auf Vorschlag der Kommission zustimmen. – So
ist es damals gewesen.

Ich würde also meinem Vorgänger niemals sagen: Das
hast du alles versäumt. Ich habe trotzdem – so lautete im
Übrigen auch das Votum des Deutschen Bundestages – da-
gegen gestimmt, meine Damen und Herren, weil wir Ver-
braucherschutz und Gesundheitsschutz höher stellen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


So war es und der Kollege Borchert wird das bestätigen.
Ihm wäre es – davon bin ich überzeugt – in der Agrarrats-
sitzung – ich glaube, sie war im November oder im De-
zember des Jahres 1998 – genauso gegangen.

Da stelle ich mich also nicht hin und sage: Mein Vor-
gänger hat es versäumt, für Mehrheiten zu sorgen; deswe-
gen haben wir das nicht hinbekommen. Das wäre billig
und ich täte ihm unrecht, wenn ich das sagte. Ich werde das
auch nicht tun.

Herr Kollege Heinrich, wenn Sie jetzt davon sprechen,
Sie seien für eine offene Deklaration von Futtermitteln,
so ist dies nun eine Sache, von der ich zufällig weiß, ohne
Mitglied des Deutschen Bundestages oder Mitglied dieser
Regierung gewesen sein zu müssen, dass es hierüber im-
mer Diskussionen gegeben hat und wie die Auffassung der
jeweiligen Beteiligten war. Nun können Sie sagen, Sie
seien als Fraktion immer dagegen oder dafür gewesen, of-
fen zu deklarieren, und die CDU/CSU habe das immer ab-
gelehnt. Mag sein.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So wird es nicht gewesen sein!)


Koalitionsinterna kenne ich nicht. Aber wenn Sie sich
ganz heimlich für die vorausgegangenen Jahre aus der
Regierungsverantwortung verabschieden und sagen, das
müsse aber nun endlich kommen, und den Eindruck er-
wecken, dass die gegenwärtige Bundesregierung dies ver-
säumt habe, so kann man das nicht zulassen, Herr Kollege
Heinrich.




Bundesminister Karl-Heinz Funke

13441


(C)



(D)



(A)



(B)



(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Ist die Forderung jetzt richtig oder nicht?)


Nun sage ich Ihnen eindeutig: Ich bin für die offene
Deklaration und ich weiß, dass die SPD auch immer dafür
war. Also sind wir gemeinsam dafür. Jetzt so zu tun, als
seien die einen die Schlimmen und Sie die Guten – nein,
meine Damen und Herren, so ist die Diskussion um diese
Fragen von Verbraucherschutz und Gesundheitsschutz in
der Vergangenheit niemals geführt worden und deshalb
kann man sie auch jetzt nicht mitmachen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will dazu
noch eine Bemerkung machen, weil in diesem Zusam-
menhang Agrarstruktur und Agrarpolitik angesprochen
worden sind. Ich habe mir von vielen Seiten genug Kritik
angehört, im Übrigen aus allen Parteien, auch aus der ei-
genen, weil ich immer für bäuerliche Strukturen in der
Landwirtschaft eingetreten bin. Aber da bin ich Überzeu-
gungstäter. Da habe ich meine Einstellung. Ich werde im-
mer für bäuerliche Strukturen sein, eingedenk der Tatsa-
che, dass wir auch andere Strukturen haben. Ich bewerte
das auch nicht, indem ich sage, das eine sei alles gut und
das andere sei alles schlecht. Würde man dies tun, so hielte
es auch der Wirklichkeit nicht stand.

Ich könnte jetzt aufzählen, welche Vorlagen ich im
Laufe der Zeit gemacht habe, die damals noch abgelehnt
worden sind. Das will ich aber auch nicht tun. Das bringt
im Grunde auch überhaupt nichts. Wenn jetzt jemand so
tut, als gebe es auf dieser Welt auch in der Agrarpolitik
weder Liberalisierung noch Globalisierung – das geht in
mehrere Richtungen, meine Damen und Herren, weil ich
nicht will, dass man mir irgendwann sagt: Das hättest du
ja auch einmal sagen können –, so kann ich das nicht nach-
vollziehen. Wir brauchen Spezialisierung, wir brauchen
Rationalisierung, um mit dieser Globalisierung und Libe-
ralisierung fertig zu werden. Ob ich die Liberalisierung
immer gut finde, ist etwas völlig anderes. Ich nehme sie als
Realität.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Ein bisschen Kostenentlastung und nicht zusätzliche Kosten! Ist das richtig?)


– Jetzt sind wir wieder bei dem Thema. Gut, wenn wir in-
soweit wenigstens einig sind. – Wenn ich die Realität
wahrnehme, kann ich nicht den Eindruck erwecken, als
könnte ich Europas Grenzen dichtmachen und die Land-
wirtschaft, die wir hier haben, alleine strukturell fest-
schreiben. Das können wir nicht. Wenn ich das sagen
würde, würde ich meiner Verantwortung gegenüber den
deutschen Bauern nicht gerecht, weil das mit Realität
überhaupt nichts zu tun hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das sage ich an alle, die glauben, wir könnten gewisse
idyllische Züge kennzeichnen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413714600
Herr Minister,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meinolf
Michels?


(Dr. Reinhard Loske [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt ist es aber langsam genug!)


Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Ich gestatte eigentlich immer
Zwischenfragen. Es macht mir Freude, darauf zu antwor-
ten.


Meinolf Michels (CDU):
Rede ID: ID1413714700
Herr Minister, Sie sag-
ten gerade, wir könnten die Grenzen nicht dicht machen.
Können die deutschen Verbraucher, wenn wir heute Abend
das Gesetz beschließen, das Vorgaben für die Fleisch-
produktion in Deutschland enthält, davon ausgehen, dass
kein anders produziertes Fleisch aus EU-Ländern oder
Drittländern auf deutschen Frühstückstischen landet?


(Zuruf von der SPD: Rindfleischetikettierungsgesetz!)


Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Herr Kollege Michels, bevor
ich zu Ihrer Frage komme, möchte ich noch einen Satz zu
dem sagen, was ich vorher gesagt habe. Ich bin sehr dank-
bar dafür, dass wir in der durch den BSE-Fall ausgelösten
Debatte jetzt über Vertrauen der Verbraucher in die Land-
wirtschaft und auch darüber reden, dass dann, wenn wir
bäuerliche Landwirtschaft haben wollen, für deren Er-
zeugnisse auch entsprechende Preise auf dem Markt be-
zahlt werden müssen, damit die Landwirte entsprechend
Geld für ihre Produkte bekommen und ihre Betriebe wei-
ter führen können. Hier und da lese und höre ich durchaus
etwas anderes. Es muss klar sein, dass die Preisfrage zu
diesem Komplex dazugehört.

Auf Ihre Frage möchte ich Folgendes antworten: Ich
habe prüfen lassen, ob wir im Rahmen unseres auf natio-
naler Ebene beschlossenen Verbotes, Tiermehl in die Fut-
terkette zu bringen, die Möglichkeit haben, Importe von
Tieren, die mit Tiermehl gefüttert wurden, zu verbieten.
Das ist rein rechtlich nicht möglich. Die einzige Grundlage
hierfür wäre das Tierseuchengesetz. Diese Möglichkeit
wurde schon juristisch geprüft, damit kommen wir aber
nicht zurecht. Im Übrigen habe ich mich deshalb auch
schon vor einer Woche im Agrarrat dafür eingesetzt, dass
man das Verbot, Tiermehl zu Futtermittelzwecken zu ver-
arbeiten, auf europäischer Ebene umsetzen sollte. Europa
hätte nämlich dann die Möglichkeit, an den Außengrenzen
des gemeinsamen Marktes die Importe zu kontrollieren.
Ich bin ganz entschieden dafür – Gott sei Dank werden wir
ja darüber reden, Byrne und Fischler haben sich gestern
dazu geäußert –, ein europaweites Verbot zu erlassen. So
entstehen erstens keine Wettbewerbsnachteile für die deut-
sche Landwirtschaft und zweitens kann dabei über die
Frage der Importe


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Wie ist es mit dem Import?)


– das habe ich gerade gesagt, Herr Kollege Carstensen –
geredet werden. Ich werde sehr darauf drängen, dass mei-
ner Forderung, keine derartigen Importe aus Drittländern
zuzulassen, stattgegeben wird.




Bundesminister Karl-Heinz Funke
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(C)



(D)



(A)



(B)



(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Nehmen Sie unsere Vorgaben auf?)


– Ich kann jetzt nicht alle Zurufe aufgreifen, weil ich sie
schlichtweg akustisch nicht höre. Die beiden oben genann-
ten Dinge gehören aber zusammen.

Ich möchte noch etwas zu den Finanzen sagen. Heute
Abend spricht ja der Bundeskanzler mit den Ministerpräsi-
denten über dieses Thema. Der Bund wird sich seiner Ver-
antwortung für die Bereiche, für die er zuständig ist, nicht
entziehen. Ich gehe davon aus, dass das auch für alle ande-
ren gilt, auch für die Länder.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben – das möchte ich sehr offen sagen – noch keine
exakten Zahlen, sodass wir noch nicht klar abschätzen kön-
nen, wie viel Geld dafür nötig ist, um das umzusetzen.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir uns eingestehen, dass es
keiner von uns weiß. Darum sind der Bundeskanzler, der
Finanzminister und ich heute Nachmittag in einem Ge-
spräch übereingekommen, dass eine Bund-Länder-Ar-
beitsgruppe eingerichtet wird. Diese soll versuchen, alle
Faktoren zu erfassen und zu quantifizieren, sodass dann auf
dieser Basis dort über eine faire Lastenverteilung geredet
werden kann. Dies ist der einzig gangbare Weg, wenn man
seriös bleiben will, anders geht es nicht. Ich bin dankbar,
dass wir diese Absprache treffen konnten. Wenn man sich
heute Abend schon einigt, ist das umso besser.

Da meine Redezeit zu Ende geht, muss ich mich jetzt
beeilen. Ich möchte noch kurz zum Agrarhaushalt und zur
Agrarpolitik überleiten. In der durchaus aufgeheizten Dis-
kussion der letzten Tage ist ein wichtiger Punkt unterge-
gangen, den wir Sozialdemokraten immer für richtig und
notwendig gehalten haben und den ich immer so gut wie
möglich voranzubringen versucht habe, nämlich die ver-
traglich gebundene Landwirtschaft. Das heißt, dass Ver-
träge bestehen, angefangen bei der Art der Erzeugung über
die Futtermittelwerbung bis zur Ladentheke. Durch eine
solche vertragliche Bindung wird alles wie auf einer glä-
sernen Kette aufgereiht und kann nachvollzogen werden.
Einer solchen Landwirtschaft gehört die Zukunft.


(Beifall bei der SPD)

Es gibt in vielen Ländern Deutschlands diesbezügliche An-
sätze. Entscheidend ist, dass dieses in Zukunft kommen
wird.

Abschließend, meine Damen und Herren, nur noch ein
Satz zu den Subventionen: Ich bitte diejenigen, die über
Subventionen geredet haben, nachzusehen, wie Subventio-
nen definiert sind.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413714800
Die Zeit ist vor-
bei.

Karl-Heinz Funke, Bundesminister für Ernährung,
Landwirtschaft und Forsten: Selbstverständlich sind steu-
erliche Rahmenbedingungen dann keine Subventionen.
Darüber ist aber auch nie geredet worden.

Jetzt konnte ich nicht mehr viel zum Haushalt sagen,
aber angesichts des Themas, das auf den Nägeln brennt,
ist das vielleicht zu verantworten. Ich bitte um Verständ-
nis.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Dem Haushalt stimmen wir zu!)


Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413714900
Das Wort hat
jetzt der Kollege Josef Hollerith.


Josef Hollerith (CSU):
Rede ID: ID1413715000
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir den
Saldo beim Einzelplan 10 ziehen, müssen wir feststellen,
dass gerade mal 27 Millionen DM bewegt worden sind
– 44 Millionen DM Kürzungen, 71 Millionen DM Er-
höhungen –, und dies bei einem Gesamthaushalt von
11 Milliarden DM und dies angesichts der existenziellen
Probleme unserer Bauern in Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Zahl belegt, dass im Haushaltsausschuss ein Of-

fenbarungseid der rot-grünen Mehrheit geleistet wurde.
Sie dokumentiert die Verweigerung vor den existenziellen
Problemen der Landwirtschaft in Deutschland.

Ich bekenne mich ausdrücklich dazu, dass wir ange-
sichts dieser Situation Anträge über rund 900 Milli-
onen DM eingebracht haben, weil uns die Menschen, die
Bauern, die bäuerlichen Familien, das flache Land, die
Strukturen dort am Herzen liegen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich nehme das, was Sie über die Solidität der Finan-

zierung gesagt haben, sehr ernst. Es ist eine Frage der Pri-
oritäten. Es ist eine Frage, ob der Herr Bundeskanzler
Schröder Schmiergeld in die Hand nimmt, um Länder zu
kaufen,


(Widerspruch bei der SPD)

oder ob wir das Geld nehmen, um den berechtigten Be-
langen der Landwirtschaft zu entsprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Das ist ja unglaublich! – Schmiergeld war doch bei euch!)


Das ist die politische Frage, vor der wir stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Ulrich Heinrich [F.D.P.] – Zuruf von der SPD: Verleumdung!)


Wir haben Anträge gestellt, 200 Millionen DM für die
Unfallversicherung einzustellen, weil wir die alte Last
vom Bund abfinanziert haben wollen.


(Zuruf von der SPD: Warum habt ihr es nicht vorher gemacht?)


Es ist doch ein besonderes Zeichen der Qualität der
rot-grünen Haushaltsberatung, dass gegen uns mit
der Mehrheit von Rot-Grün 80 Millionen DM bei der




Bundesminister Karl-Heinz Funke

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(C)



(D)



(A)



(B)


Unfallversicherung gesperrt worden sind und bereits
heute die Entsperrungsvorlage der Bundesregierung in
den Fächern liegt.

Ich weiß schon, warum das so ist. Man hat gemerkt,
dass in Rheinland-Pfalz im nächsten Jahr Landtagswah-
len anstehen


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und dass bei einer nicht erfolgten Entsperrung die
Beiträge vor der Landtagswahl raketenartig hätten erhöht
werden müssen. Das ist keine solide Beratung des Haus-
halts, die von Ihnen geleistet worden ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben sich unserem Antrag verweigert, den Unter-

glasbetrieben wirksam zu helfen, und auch hier ist es ja
klar, dass von den drei Gründen für die hohen Energie-
preise zwei politisch von Ihnen, von der rot-grünen Mehr-
heit zu verantworten sind. Die Steigerung der Energie-
preise wird durch die Knappheit, durch den schwachen
Euro – Energie wird in Euro fakturiert – und durch die
Ökosteuer verursacht.

Es ist deswegen auch eine Frage der Gerechtigkeit,
dass die Politik, wenn sie diese Verantwortung für die ho-
hen Energiepreise hat, auch für Kompensation sorgt. Des-
wegen haben wir unseren Antrag für die Unterglasbe-
triebe gestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie verweigern sich unserem Antrag zur Aufstockung

der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe. Wir wollen mit
dem Antrag, 300 Millionen DM für BSE-Folgekosten
einzustellen, ein Signal der Bereitschaft setzen,


(Zuruf von der SPD: Deckungsvorschläge?)

und ich bin froh und dankbar, dass hierzu offensichtlich
auch mit den zuständigen Ministern der Länder eine große
Koalition der Vernunft auf dem Weg ist,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Warten Sie das doch erst einmal ab!)


um den Bauern, die hier mit Milliardenverlusten unschul-
dig in die Misere geraten sind, wirksam zu helfen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Rot-Grün

traktiert die Bauern mit der Ökosteuer. Es ist ein beson-
derer Widerspruch, dass man bei Rot-Grün in Bezug auf
die Ökosteuer offensichtlich bereit ist, in Europa im Al-
leingang voranzugehen, man aber, wenn es um die Ge-
sundheitsvorsorge der Menschen geht, auf Europa warten
will.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ein Quatsch! Und das ausgerechnet von Ihnen!)


Das ist eine besondere Widersprüchlichkeit. Sie schi-
kanieren die Landwirtschaft mit den Kürzungen der
Gasölbeihilfe und mit der Erhöhung der Mineralölsteuer.
In unserer Zeit zahlten die Bauern per Saldo 21 Pfennig
Mineralölsteuer pro Liter Agrardiesel. Sie nehmen den
Bauern jetzt 57 Pfennig ab. Das ist ungerecht; denn die

Bauern haben weniger Mineralölsteuern gezahlt, weil die
Traktoren und Mähdrescher eben nicht die Landstraße be-
lasten, sondern weil sie die meiste Zeit auf den Feldern
fahren. Deswegen haben die Bauern zu Recht weniger
Mineralölsteuern gezahlt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihr Haushalt wird den dramatischen Problemen der

Landwirtschaft in Deutschland nicht gerecht. Die Bauern
verdienen eine bessere Politik. Wir lehnen den Haushalt
ab.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das trifft vor allem die Bauern, wie Sie wissen!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413715100
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Uli Höfken.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413715200
Sehr
geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Zu Recht haben wir Grünen seit 20 Jahren auf einen
grundlegenden Wechsel in der Agrarpolitik gedrängt. Am
Beispiel von Herrn Hollerith sieht man, warum: Ihm klebt
das Esso-Schild auf der Stirn und weist ihn so als einen
Vorkämpfer für die Mineralölindustrie aus.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Es gibt viel zu tun, packen wir es an!)


Wir aber setzen uns für die erneuerbaren Energien und für
die Wettbewerbsfähigkeit von Pflanzenölen, also für Pro-
dukte der Landwirtschaft, ein.

In der BSE-Krise wird auf traurige Weise deutlich: Die
Industrialisierung der Agrarwirtschaft ist am Ende.
Ich meine nicht den Betrieb in Schleswig-Holstein. Wer
kommt denn auf solch blödsinnige Ideen? Ich meine die
Industrialisierung in der Futtermittelindustrie. Was ist
heute wieder passiert? In Rheinland-Pfalz wurde Tier-
mehl in Kälberfutter gefunden.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wer regiert denn da?)


Dieser Zwang zur Industrialisierung, diese Art der
Rohstoffproduktion, die zu den heutigen Strukturen ge-
führt haben, legen den Schluss nahe: Diese Agrarwirt-
schaft ist am Ende.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur eine Landwirtschaft, die Gesundheit und den Ver-
braucherschutz in den Vordergrund stellt und gleicher-
maßen Rücksicht auf die Natur und auf eine artgerechte
Haltung der Tiere nimmt, hat Zukunft.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kersten Naumann [PDS])


Hinsichtlich BSE stand Zögern, Zaudern und Ver-
harmlosen viel zu lange auf der Tagesordnung der natio-
nalen und internationalen Politik. Die Folge ist eine
klammheimliche Ausbreitung der Rinderseuche. Unter




Josef Hollerith
13444


(C)



(D)



(A)



(B)


dem Strich kann man von einem maximalen Schaden für
Verbraucher und Erzeuger sprechen. Neben vielen ande-
ren Schlussfolgerungen ist daraus auch die Schlussfolge-
rung zu ziehen, dass die Ernährungspolitik und der Ver-
braucherschutz eine stärkere Stellung in der
Landwirtschaftspolitik bekommen sollten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben seit vielen Jahren dutzendweise Anträge,
Anfragen und Initiativen in den Bundestag und in das Eu-
ropäische Parlament eingebracht, in denen wir konkrete
Vorschläge gemacht haben, wie die weitere Verbreitung
von BSE zu stoppen ist. Ich erinnere beispielsweise an
den Antrag, den wir am 18. April 1996 eingebracht haben
und in dem stand:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregie-
rung auf, ... die Verfütterung von Tiermehl an alle
landwirtschaftlichen Nutztiere unverzüglich voll-
ständig einzustellen und diese Forderung EU-weit
umzusetzen.

Am 13. Juni 1997 haben wir in einem Antrag explizit den
Ausschluss von Risikomaterialien gefordert. Das hat die
Regierung von CDU/CSU und F.D.P. aber abgelehnt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Dann habt ihr zu eurer Zeit auch kein Tiermehlverbot vorgenommen! Wenn ihr so schlau gewesen wäret, hättet ihr das machen können! Scheinheilig!)


Im Dezember 1999, also vor einem Jahr, haben wir auf
einer Anhörung „Futtermittel im Fokus“ konkrete Maß-
nahmen für mehr Transparenz bei der Fleischetikettie-
rung, die Umsetzung einer offenen Deklaration und die
Herausnahme von Tiermehlen aus der Futterkette formu-
liert, und zwar in Anwesenheit von Vertretern der Futter-
mittelindustrie, die diese Maßnahmen rundweg abgelehnt
haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Unser Ziel war es immer, vernünftige Vorschläge zu
formulieren und Lösungen zu finden, die Übergänge be-
inhalten.


(Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Aber Sie haben nichts getan! Gefordert haben Sie immer!)


Jetzt, wo das notwendige Umsteuern zu lange herausge-
zögert worden ist, helfen nur noch die Notbremse und eine
schmerzhafte Radikalkur.

Die Bundesregierung hat sehr schnell auf den ersten
BSE-Fall bei einem deutschen Rind mit den BSE-Tests
und mit der Herausnahme der Tiermehle aus der Futter-
kette, was wir gemeinsam parteiübergreifend beschließen
werden, reagiert.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Das stimmt nicht mit den BSE-Schnelltests! Da musstet ihr zum Jagen getragen werden!)


Das genügt aber nicht; denn weitere Maßnahmen müssen
kurzfristig erfolgen.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wir mussten den Minister zum Jagen tragen beim BSE-Schnelltest! Das ist wahr! Nicht bei Tiermehl!)


Die Herkunftskennzeichnung muss erweitert werden.
Auch das ist schon angesprochen worden.

Alle geschlachteten Rinder müssen getestet werden.
Das muss die langfristige Zielsetzung sein und dazu müs-
sen die Länder in die Lage versetzt werden. Alle Futter-
mittelbestandteile gehören deklariert. Herr Heinrich, ich
kann mich erinnern, als die Präsidentin noch agrarpoliti-
sche Sprecherin war, ist dieses einmal eine Initiative von
CSU und Grünen gewesen, die dann leider im Laufe der
Jahre wieder gestoppt wurde.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Es gibt weitere Maßnahmen und Notwendigkeiten, zum
Beispiel bei der Forschung. Aber das wird der Kollege si-
cherlich noch weiter ausführen.

EU, Bund und Länder sind aufgefordert, die Umstel-
lung auf den Anbau von Ersatzfuttermitteln und die Um-
stellung der Tierkörperbeseitigungsanlagen mit Sofort-
programmen zu fördern sowie die betroffenen Landwirte
zu unterstützen. Da wird so verfahren, wie Minister Funke
das dargestellt hat. Die Koalitionsfraktionen haben dazu
heute einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem
Ziel, den Anbau von eiweißhaltigen Futtermittelpflan-
zen auf Stilllegungsflächen zu ermöglichen. Das heißt,
auf dem Agrarrat am nächsten Montag muss eine Öffnung
in diesem Bereich erreicht und damit eine Perspektive für
die Pflanzeneiweißversorgung eröffnet werden. Aber
auch das reicht noch nicht aus.

Nur mit einer radikalen Änderung der industriellen
Produktionsweisen in der Agrarwirtschaft sind Ver-
brauchersicherheit und -vertrauen zurückzugewinnen.
Die Lebensmittelproduktion insgesamt muss dabei das
Vorsorgeprinzip immer in den Vordergrund stellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Industrielle und zukunftsfähige Landwirtschaft
schließen sich weitgehend aus. Die Produkte, die wir
durch diese Massenproduktion auf den Markt gebracht
haben, sind nicht wettbewerbsfähig, wie man jetzt sieht.

Die Zukunft der Landwirtschaft muss auf vier Säulen
stehen. Erstens: die Verstärkung der ökologischen Le-
bensmittelerzeugung; wir werden in den nächsten Wo-
chen einen konkreten Aktionsplan vorlegen. Zweitens:
Marktorientierung und Verbraucherschutz; das beinhaltet
auch die Durchsetzung erhöhter Erzeugerpreise und die
Umschichtung der Agrarförderung im Rahmen der Ge-
meinschaftsaufgabe und der Agenda 2000. Drittens: art-
gerechte Tierhaltung und gesunde Tierernährung. Vier-
tens: erneuerbare Energien.

Die Chancen, jetzt die richtigen Weichen zu stellen,
stehen gut. Mit Andrea Fischer haben wir eine Ministerin,
die die Interessen der Verbraucher durchsetzt.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Eine Ministerin, die keine Ahnung hat! – Siegfried Hornung [CDU/CSU]: Die überhaupt nichts weiß!)





Ulrike Höfken

13445


(C)



(D)



(A)



(B)


Bei der neuen Politik unterstützen wir auch Landwirt-
schaftsminister Karl-Heinz Funke, von dem wir erwarten,
dass er diese Neuausrichtung der Landwirtschaft mit aller
Kraft betreibt. Mit Gerhard Schröder haben wir erstmals
einen Bundeskanzler, der klipp und klar sagt: Die Zeit der
Agrarfabriken ist zu Ende, Perspektive hat nur noch eine
verbraucherfreundliche Landwirtschaft. Darin werden
wir diese Bundesregierung mit allen Möglichkeiten un-
terstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413715300
Das Wort hat
jetzt der Kollege Heinrich.


Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1413715400
Frau Präsidentin! Meine lie-
ben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe leider Gottes nur
dreieinhalb Minuten.


(Zurufe von der SPD: Das reicht!)

Ich möchte mich deshalb sehr auf Ihre Rede konzentrie-
ren, Herr Minister. Sie war enttäuschend und es war dem
Anlass nicht entsprechend, was Sie zum Verbraucher-
schutz, was Sie unserer Landwirtschaft und unseren
landwirtschaftlichen Betrieben gegenüber gesagt haben.
Es klingt immer so, als wären die Bauern an dem Problem
schuld. Die Bauern sind nicht schuld.


(Karl-Heinz Funke, Bundesminister: Das habe ich doch gar nicht gesagt!)


Herr Minister, hätten Sie doch ein Wort des Bedauerns
darüber ausgesprochen, dass hier fast jeder landwirt-
schaftliche Betrieb in Mitleidenschaft gezogen wird, auch
diejenigen, die überhaupt keine Rinder halten. Es wird
eine extreme Preisexplosion auf dem Futtermittelmarkt
geben. Ich sage Ihnen: Es hätte Ihnen gut angestanden,
auch einmal die Tragweite dieses Gesetzes darzustellen.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)


Wir reden hier von 3 oder 4 Milliarden DM. Aber es
wird sehr viel mehr kosten. Denn die Beseitigung des
Tier- oder Fischmehls ist nur die eine Seite. Das andere,
all das, was sich noch im Anschluss daran vollzieht,
überblickt heute noch niemand. Hier wäre ein seriöses
Wort angebracht gewesen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Kollegin Höfken, so zu tun, als wäre mit dem
Tiermehlverbot jetzt eine andere Agrarpolitik eingeleitet,
als hätten wir den Agrarfabriken den Kampf angesagt, das
stellt ja doch wohl alles auf den Kopf. Als hätten wir BSE
in Deutschland in einer Agrarfabrik gehabt! Wir haben es
in einem ganz normalen mittelbäuerlichen Betrieb vorge-
funden, der mit einer Agrarfabrik überhaupt nichts zu tun
hat.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das habe ich doch gesagt!)


Nachdem wir noch nicht einmal wissen, wie die Infekti-
onswege ablaufen, kann man auch nicht darüber reden,
wer Schuld oder wer keine Schuld hat wer Verantwortung
zu tragen hat und wer nicht. Unsere Bauern haben sich an
Recht und Gesetz gehalten und sind jetzt, wie sich die ge-
samte Entwicklung von BSE seit 1985 darstellt, die Leid-
tragenden.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Man muss klar feststellen, dass die Bundesregierung
ausgesprochen kopflos gehandelt hat. Sie hat zu keiner
Zeit die Souveränität ausgestrahlt, die sie hätte haben
müssen,


(Zuruf von der SPD: Wie der Ulrich Heinrich!)


obwohl die Wissenschaft klar gesagt hat, dass für
Deutschland eine BSE-Freiheit nicht garantiert werden
kann. Sie hat keine vorbeugenden Maßnahmen getroffen;
das Kabinett ist wie ein Hühnerhaufen durcheinander ge-
laufen und jeder hat etwas anderes gesagt.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)


Die Bauern und die Verbraucher sind auch durch die Po-
litik dieser Bundesregierung verunsichert. Das Kabinett
hat keine einzige vorbeugende Strategie gefahren.

Wenn der Bundeskanzler heute so tut, als wäre jetzt
eine andere Agrarpolitik eingeleitet, irrt er ganz gewaltig.
Durch die jetzigen Maßnahmen ist nichts darüber gesagt,
wie die zukünftige Agrarpolitik aussehen wird. Fest steht
nur, dass die Preise für Futtermittelmassiv steigen, viele
Verwertungsstränge ausfallen und die Betriebe – unab-
hängig von ihrer Größe – hinsichtlich ihrer Rentabilität
ganz gewaltig unter Druck geraten werden. Insofern ist
der vorgelegte Gesetzentwurf für mich nicht schlüssig. Er
enthält Widersprüche und erfasst nicht die finanziellen
Auswirkungen.


(Zuruf von der SPD: Hätten Sie es doch früher besser gemacht! – Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Eben! So lange Zeit und nichts getan!)


Ich bin gespannt, ob die Bauern, die absolut unschul-
dig in eine existenzvernichtende Situation geraten sind, in
dieser Sache nicht entsprechende Regressansprüche ein-
klagen werden. Sie werden von den Landwirten keine An-
rufe bekommen, diese bekommen wir.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Tun Sie doch nicht so, als ob nur Sie auf der Welt wären!)


Die Lage der Landwirtschaft hat durch Ihre Politik und
das BSE-Problem eine Dramatik angenommen, die ihres-
gleichen sucht. Ich bin gespannt, was hier noch auf die
Regierung zukommen wird.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ganz schön arrogant!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413715500
Herr Kollege
Heinrich, ich bitte Sie, jetzt wirklich zum Schluss zu-
kommen.




Ulrike Höfken
13446


(C)



(D)



(A)



(B)



Ulrich Heinrich (FDP):
Rede ID: ID1413715600
Ich werde dem Gesetzent-
wurf deshalb nicht zustimmen und mich der Stimme ent-
halten.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413715700
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Wodarg.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Wodarg hat gesagt, bei Fischen gibt es das auch! Bei Seelachs!)



Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1413715800
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nur wenig Zeit
und möchte deshalb vier Punkte besonders herausstellen.
Zum einen freue ich mich darüber, dass in die Neurege-
lung nicht nur das Tiermehl, sondern auch die Fette mit
einbezogen wurden. Ich erwähne diesen Punkt aus aktu-
ellem Anlass.

Sie wissen, dass ich an dieser Stelle mehrfach davor
gewarnt habe, die Milchaustauscher mit tierischen Fet-
ten anzureichern.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Ist Milchfett ein tierisches Fett oder nicht?)


Das einzige Risiko, das sich jetzt bei dem Rind aus dem
schleswig-holsteinischen Betrieb gezeigt hat, ist die Tat-
sache, lieber Herr Carstensen – dazu hätten Sie längst et-
was tun können –, dass es mit Milchaustauschern gefüt-
tert wurde.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/ CSU]: Ist Milchfett ein tierisches Fett?)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413715900
Herr Kollege
Carstensen, der Kollege Wodarg hat wirklich nur drei Mi-
nuten Zeit. Ich bitte Sie, das zu beachten.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Drei Minuten zu viel, wenn er so weiter redet!)



Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1413716000
Wahrscheinlich ist die-
ses Rind damit durch die Milchaustauscher infiziert wor-
den.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wie können Sie so reden! Das wissen Sie doch noch gar nicht!)


– Ich bitte, das auf meine Zeit anzurechnen – Herr
Carstensen, Sie können sich ja zu einer Zwischenfrage
melden.


(Peter H. Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Wie können Sie das so sagen? – Gegenruf des Abg. Matthias Weisheit [SPD]: Unverschämtheit! Die Qualifikation als Ausschussvorsitzender hast du verloren!)


– Ich kann verstehen, dass Herr Carstensen sich hier sehr
getroffen fühlt, weil er als Ausschussvorsitzender – –


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Sie haben sich schon einmal bei Menschen geirrt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413716100
Liebe Kollegin-
nen und Kollegen, jetzt muss ich aber doch einmal ein
bisschen dafür sorgen, dass der Lärmpegel fällt.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Sie tun so, als ob Sie irrtumsfrei wären! Sie haben doch schon einmal einen Schornsteinfeger als Arzt beschäftigt!)


Insbesondere ist es schwierig, wenn Kollegen nur sehr
kurze Redezeit haben. Es sind nur noch drei Minuten.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Das müssen Sie auch einmal zugeben, wie Sie sich geirrt haben!)


Dann müssen Sie eine Zwischenfrage stellen, damit man
das noch hören kann.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Sie tun so, als ob Sie sich nie geirrt hätten! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ruhe, Ronsöhr! – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/ CSU]: Vielen Dank für den Hinweis!)



Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1413716200
Ich weise darauf hin,
dass in den Milchaustauschern tierische Fette sind. Ich
habe das hier schon dreimal gesagt. Bisher ist nichts ge-
schehen. Jetzt geschieht etwas. Das machen wir gemein-
sam, und darüber freue ich mich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Zweite, was wichtig ist, haben wir eben vom
Landwirtschaftsminister gehört: Jetzt, wo auf EU-Ebene
eine gemeinsame Strategie entwickelt und Tiermehl ver-
boten wird, besteht die Möglichkeit, die risikoreichen Im-
porte aus Drittländern in Angriff zu nehmen. In den Jah-
ren 1990 bis 1995 sind über 800 000 Tonnen Tiermehle
aus der EU in die Nachbarländer Polen, Tschechien, Un-
garn und
Slowakei exportiert worden. In der gleichen Zeit ist
risikoreiches Fleisch importiert worden, insgesamt fast
800 000 Rinder. In Deutschland sind allein 86 000 Tonnen
Rindfleischkonserven aus Ländern verkauft worden, bei
denen wir überhaupt nicht wissen, was dort verfüttert
worden ist. Das muss ein Thema werden. Wenn wir von
Risiken reden, dann sollte das mit auf die Tagesordnung.
Das halte ich für wichtig.

Ein dritter Punkt, den wir beachten müssen: Wenn wir
jetzt flächendeckend Tests machen,


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Er kann einen Schornsteinfeger nicht von einem Arzt unterscheiden und redet über Medizin!)


dann sollte uns bewusst sein, dass jeder gefundene BSE-
Fall mehr Sicherheit bedeutet. Das war bisher nicht
selbstverständlich. Man hatte Angst vor jedem Fall, der
gefunden wurde. Es ist in der Schweiz so gewesen und wir
sollten es uns zum Prinzip machen, dass die Landwirte






(C)



(D)



(A)



(B)


und die Tierärzte, die den Fall melden, nicht bestraft,
sondern gelobt werden. Wir müssen ihnen sagen: Gut habt
ihr das gemacht! – Und wir müssen die Landwirte ent-
sprechend entschädigen, damit sie nicht aus Angst vor
wirtschaftlichen Konsequenzen weiterhin die Fälle ver-
schweigen.


(Beifall bei der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wer hat denn erwiesene Fälle toleriert? Der gehört doch Ihrer Partei an und war Landwirtschaftsminister! Das ist eine Unverschämtheit!)


Das, denke ich, sind drei wichtige Dinge. Mir reicht
leider die Zeit nicht. Ich bedaure sehr, dass diese wirklich
sachlichen Argumente, die ich hier vorzutragen versucht
habe, durch diese Pöbeleien von der rechten Seite
untergegangen sind.


(Beifall bei der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wenn wir jetzt alle Schornsteinfeger als Ärzte einstellen, was sagen Sie denn dann?)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413716300
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Albert Deß.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1413716400
Frau Präsidentin! Liebe Kol-
leginnen und Kollegen! Im Schnellverfahren wurde von
der rot-grünen Mehrheit ein Gesetzestext vorgelegt, der
unausgegoren, mehr als mangelhaft und nicht zu Ende ge-
dacht ist.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist ja merkwürdig! Und dann stimmen Sie zu?)


– Herr Schmidt, wir werden als Union zwar mit Mehrheit
zustimmen, die Verantwortung für das Gesetz aber


(Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Lehnen wir ab!)


muss die rot-grüne Koalition in diesem Hause überneh-
men.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist ja eine merkwürdige Vorgehensweise!)


Mit Sachverstand ist dieser Gesetzentwurf nicht geschrie-
ben worden.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Zu Hause machen Sie sich den weißen Fuß! Das kennen wir doch!)


Deshalb darf man uns dafür nicht in Haftung nehmen.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hören Sie auf! Das ist doch eine unglaubliche Vorgehensweise! – Ludwig Stiegler [SPD]: Albert! Albert!)


Man braucht kein Prophet zu sein, um vorherzusagen,
dass dieses Gesetz nachgebessert oder durch Eilverord-
nungen ergänzt werden muss. Von Krisenmanagement
kann man im Bundeslandwirtschaftsministerium nicht
sprechen.

Laut AFP-Meldung vom 27. November heurigen Jah-

res sagte die Agrarsprecherin der Grünen, Uli Höfken,
Funke richte mit seinem Vorgehen massiven Schaden an.
Sein Vorgehen sei nicht realitätsbezogen. – Wo Uli
Höfken Recht hat, hat sie Recht.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Helmut Lippelt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sehen Sie einmal, wie viel Meinungsfreiheit es bei uns gibt!)


Auch wenn für mich in den ersten Tagen nicht die fi-
nanziellen Auswirkungen im Vordergrund stehen, son-
dern der Gesundheitsschutz, so litt Minister Funke doch
unter Realitätsverlust, als er in der „Bild“-Zeitung sagte,
die Existenz der Bauern stehe nicht auf dem Spiel. Wer so
daherredet, wird seiner Verantwortung als Bundesland-
wirtschaftsminister nicht gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Eine solche Denkweise reiht sich in eine Kette von
Fehlentscheidungen dieser Bundesregierung im Agrarbe-
reich ein. Über die anderen Bereiche will ich nicht reden.

Der Bundeskanzler fordert jetzt eine andere Agrarpoli-
tik; doch gerade er hat mit seiner überhasteten Zustim-
mung zur Agenda 2000 eine Agrarpolitik unterstützt, de-
ren Konsequenzen wir jetzt zu tragen haben.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

– Das könnt ihr doch nicht abstreiten. –


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihr habt der Agrarpolitik zugestimmt, mit der wir es jetzt
zu tun haben. Dafür könnt ihr keine Vorgängerregierung
verantwortlich machen. Mit der Agenda 2000 wurde im
Interesse unserer Agrarindustrie eine Weichenstellung hin
zu Weltmarktpreisen vorgenommen.

Mit der Würde unserer Bauern hat eine solche Agrar-
politik nichts mehr zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wer wertvolle Agrarprodukte zu Ramschpreisartikeln ver-
kommen lässt, der macht sich für Entwicklungen mitver-
antwortlich, wie sie jetzt mit der BSE-Krise zum Ausdruck
kommen. Wo sind denn heute die Wirtschaftsjournalisten,
die schlauen Agrarprofessoren, unsere Wirtschaftsbosse,
die Kommissare und leider auch viele Politikerkollegen,
die unsere bäuerliche Landwirtschaft einer Agrarindustrie
opfern wollen? Sind sie nicht mitverantwortlich für die
Gesundheitsgefährdung unserer Bürgerinnen und Bürger?
Herr Schmidt, damit das zwischen uns klar ist: Ich sage das
parteipolitisch vollkommen neutral.


(Lachen bei der SPD)

Bei Minister Funke sehe ich keinen Ansatz für eine

Agrarpolitik, die unseren Bauern eine Zukunftsperspektive
bietet. Seit er Minister in Bonn bzw. in Berlin ist, hat er
seine früheren Aussagen weitgehend über Bord geworfen.
Auch deswegen gilt für ihn heute das agrarpolitische
Credo: Wachsen oder weichen. 5 Prozent Höfesterben sind
für ihn ganz normal. Auch der agrarpolitische Sprecher der
SPD-Fraktion, der liebe Kollege Matthias Weisheit, hat
hier vor kurzem einen beschleunigten Strukturwandel ein-
gefordert.




Dr. Wolfgang Wodarg
13448


(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413716500
Herr Kollege
Deß, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten
Christa Nickels?


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1413716600
Warum nicht? Ja.


Christa Nickels (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413716700
Herr
Kollege, Sie machen hier dieser Regierung Vorwürfe. Sie
sprechen vom Vorrang von Verbraucherinteressen und re-
klamieren Sicherheit. Wie kommt es dann zustande, dass
Frau Stamm und damit die Bayerische Staatsregierung, als
es um die der Richtlinie der Europäischen Union betref-
fend die Herausnahme der Risikomaterialien ging, auch
bei der Bundesregierung dahin gehend interveniert haben,
dass man das nicht tun solle, weil es zu teuer sei? Was hat
das mit Verbraucherinteressen zu tun? Erklären Sie mir
einmal diesen Widerspruch!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1413716800
Frau Nickels, Sie sollten zur
Kenntnis nehmen, dass es der bayerischen Staatsministe-
rin darum gegangen ist, zu klären, wer die Kosten für die
Herausnahme dieser Risikomaterialien übernimmt.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was ist denn wichtiger: Kosten oder Gesundheit?)


Sie sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass die Umwelt-
ministerin von Nordrhein-Westfalen – soweit ich weiß,
gehört sie zu Bündnis 90/Die Grünen – dieser Bundesre-
gierung vorgeworfen hat, beim Thema BSE zwei Jahre
verschlafen zu haben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Da haben Sie den Kohl aber schön mitgenannt!)


Bevor Minister Funke noch mehr bäuerliche Betriebe
versenkt, soll er lieber selber von Bord gehen; andernfalls
geht das ganze Agrarschiff unter. Der Bundeskanzler kann
bei den Themen Osterweiterung und WTO zeigen, ob er
seinen Worten Taten folgen lässt. Vor den Verhandlungen
zur Agenda 2000 hat er ebenfalls große Töne gespuckt;
umgesetzt hat er aber nichts.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn! Sie haben wieder nicht zugehört!)


Ich fordere alle politisch Verantwortlich dazu auf, über
Parteigrenzen hinweg an einem besseren europäischen
Agrarmodell zu arbeiten.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer so eine Brandrede hält, der kann doch keine Gemeinsamkeit erwarten!)


Unsere Bauern dürfen nicht den Globalisierungsstrategien
geopfert werden. In der Rede von Frau Höfken waren
durchaus Ansätze, denen ich nicht widerspreche.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Albrecht, keine Liebeserklärungen!)


Die von vielen zum neuen Glaubensbekenntnis erhobene
Globalisierungsstrategie hat bisher vor allem im Agrarbe-
reich weltweit Schäden hinterlassen. Wir brauchen ein
Denken in regionalen Kreisläufen, um dem Würgegriff der
Agrarindustrie zu entkommen. Nachhaltigkeit muss im
Vordergrund stehen. Wie sagte doch der frühere EU-Präsi-
dent Santer:

Es bestehen erhebliche Zweifel, ob die BSE-Krise
wirklich ein Unfall der Natur ist. Ist die BSE-Ge-
schichte nicht vielmehr die Folge eines Landwirt-
schaftsmodells, das auf Produktivität um jeden Preis
ausgerichtet ist?

Die Konsequenzen dieser Produktionsweise zu mini-
malen Kosten setzen die Grundgesetze der Natur außer
Kraft und führen letztendlich zu höheren Belastungen für
die Gesellschaft. Insofern hat der Kommissionspräsident
Recht, aber umgesetzt hat er von dem, was er gesagt hat,
leider nichts.

Wir sollten heute gemeinsam darüber nachdenken, ob es
für unsere Bauern zumutbar ist, dass sie zu Preisen produ-
zieren müssen, die unter den Preisen vor 30 oder 40 Jahren
liegen. Ein durchschnittlicher Industriearbeiter musste, um
6Kilogramm verschiedene Grundnahrungsmittel – ich will
jetzt die einzelnen aus Zeitgründen nicht aufzählen – kau-
fen zu können, 1960 acht Stunden und 20 Minuten arbei-
ten, dagegen 1997 – von diesem Jahr habe ich die letzten
statistischen Zahlen – nur noch zwei Stunden und neun Mi-
nuten.

Eines muss man hier sagen: Eine Ernährung zum Null-
tarif kann es nicht geben. Wenn wir eine Lehre aus der jet-
zigen Krise ziehen, dann die, dass wir gemeinsam daran ar-
beiten müssen, in Europa ein Agrarmodell zu
verwirklichen, durch das unsere Bauern eine Chance und
unsere Verbraucher sichere Nahrungsmittel erhalten. Das
muss unser gemeinsames Ziel sein.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Ludwig Stiegler [SPD]: Ja, Albert, da hast du ja Recht!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413716900
Zu einer sie per-
sönlich betreffenden Äußerung in der Debatte erhält jetzt
die Kollegin Uli Höfken das Wort zu einer Kurzinterven-
tion.


Ulrike Höfken-Deipenbrock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413717000
Ich
bin Albert Deß dankbar, dass er mir die Gelegenheit zu
zwei Korrekturen gibt. Die erste Korrektur bezieht sich auf
das Zitat meiner Aussage gegenüber Minister Funke. Von
diesem Zitat habe ich dank Albert Deß gestern erfahren. Es
geht um die Meldung einer Agentur, in der es heißt, dass
ich gesagt hätte, Minister Funke richte Schaden an.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Da hast du Recht gehabt!)


– Es mag ja sein, dass du das findest. – Allerdings habe ich
mich sofort falsch zitiert gefühlt; ich bin auch wirklich
falsch zitiert worden. Ich habe nämlich gesagt, dass die
Rücknahme der Eilverordnung in der Öffentlichkeit
und beim Verbraucher durch Verwirrung entsprechenden






(C)



(D)



(A)



(B)


Schaden anrichte. Das ist zusammengezogen worden, so-
dass das durchaus nicht im Sinne meiner Äußerung war.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Wo ist denn der Unterschied?)


Bei einer zweiten Äußerung meinerseits ist es genauso.
Ich bin gefragt worden, ob ich finde, dass man sagen
könne, dass Deutschland BSE-frei sei. Darauf habe ich ge-
sagt, nein, ich finde nicht, dass das realitätsnah ist. Daraus
ist geworden, dass Funke nicht mehr realitätsbezogen sei.
Auch das ist eine ganz andere Aussage.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Ludwig Stiegler [SPD]: Das war bestimmt wieder der „Bayernkurier“! – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Die Journalisten haben es auf den Punkt gebracht!)


– Aber, wie gesagt, ich habe von dieser Meldung erst zwei
Tage später erfahren.

Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen.
Albert Deß hat eben gesagt, die bayerische Ministerin
habe aus Kostengründen die Herausnahme der Risikoma-
terialien abgelehnt. Dazu muss ich sagen, dass es in der
wörtlichen Darstellung der Rede der bayerischen Staats-
ministerin in der „Süddeutschen Zeitung“ heißt:

Die Entscheidung der Europäischen Kommission
vom 29. Juni

– da geht es um diese Risikomaterialien –
... lehnt Bayern aus rechtlichen und fachlichen Grün-
den ab. Die beschlossenen Maßnahmen sind geeignet,
den Verbraucher zu verunsichern.

Weiter heißt es:
Bayern fordert deshalb die Bundesregierung auf, frist-
gerechte Klage zu erheben und die einstweilige
Aufhebung der Entscheidung beim Gerichtshof zu
beantragen.

Danke.

(Lachen und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Vielleicht wurden die falsch zitiert!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413717100
Bitte, Herr Kol-
lege Deß.


Albert Deß (CSU):
Rede ID: ID1413717200
Frau Kollegin Höfken, ich
nehme zur Kenntnis, wenn Sie sagen, dass hier falsch zi-
tiert worden ist. Ich habe das Zitat der Presse entnommen.
Du hast mir nicht gesagt, dass es falsch ist.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! Unter vielen Zeugen!)


Ich muss zu dem gegen Bayern gerichteten Vorwurf sa-
gen: Ich stehe hier nicht für die bayerische Staatsministe-
rin.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Ich kann doch nicht für jede Aussage geradestehen, die
in München gemacht wird, zumal wenn ich davon nichts
selber in Händen halte.

Aber ich stelle hier Folgendes fest, wenn ich dies in
aller Ruhe hier sagen darf: Bitte nennt mir ein rot-grün re-
giertes Bundesland, in dem im Hinblick auf BSE mehr Un-
tersuchungen vorgenommen worden sind als in Bayern.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

In Bayern sind in den letzten Jahren Untersuchungen an
4 000 Tieren vorgenommen worden, die abgeschlachtet
worden sind. Dabei handelte es sich um so genannte Im-
portrinder aus der Schweiz und aus Großbritannien. Kein
Bundesland hat diese Abschlachtungen so konsequent
durchgeführt wie der Freistaat Bayern.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Unsinn! Das ist doch Quatsch!)


Unter diesen 4 000 untersuchten Rindern war das berühmte
Rind „Maise“ aus der Schweiz, bei dem BSE festgestellt
wurde. Darüber hinaus wurden 9 740 Rinder untersucht, die
verdächtige Krankheitsanzeichen zeigten. Bei diesen
9 740 Rindern hat sich kein Verdacht auf BSE ergeben. Bay-
ern hat aus seiner Sicht also alles für den Gesundheitsschutz
getan.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich fordere – dies noch in aller Kürze –, dass diese Bun-

desregierung darüber nachdenkt, wie unsere Verbraucher
noch besser geschützt werden können. Ich habe vor
kurzem gefordert, dass die für alle Rinder DNA-Analyse
eingeführt wird. Hier kann die Bundesregierung eine Vor-
reiterrolle übernehmen. Herr Minister Funke, dadurch
könnte die Abstammung jedes Rindes mit Sicherheit feh-
lerfrei festgestellt werden. Ich fordere darüber hinaus die
offene Deklaration von Futtermitteln, verbunden mit dem
Nachweis, aus welchen Ländern die einzelnen Kompo-
nenten stammen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Außerdem fordere ich die Bundesregierung auf, massiv
dafür einzutreten – der Minister hat das angekündigt –,
dass Importe aus Ländern verboten werden, in denen nicht
nach unseren Standards erzeugt und untersucht wird. Nur
so können wir die Verbraucher entsprechend schützen.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413717300
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Matthias Weisheit.

Matthias Weisheit (SPD) (von der SPD mit Beifall
begrüßt): Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und
Kollegen! Vielleicht gelingt es mir als vorletztem Redner,
in dieser nicht sehr angenehmen Situation noch einmal auf
die Sache zurückzukommen, um die es heute geht. In die-
ser Woche hat sich bei diesem Thema Gemeinsamkeit ge-
zeigt. Dafür möchte ich mich bei den Oppositionsparteien
ganz ausdrücklich bedanken. Vor allem möchte ich den
Kollegen des Agrarausschusses dafür danken,dass sie die-
sem Gesetzentwurf – wie der Kollege Heinrich-Wilhelm




Ulrike Höfken
13450


(C)



(D)



(A)



(B)


Ronsöhr gesagt hat: mit gewissen Bauchschmerzen –zu-
gestimmt haben.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Matthias, lob mich nicht zu viel! Das schadet mir!)


Dafür danke ich Ihnen nochmals ausdrücklich.
Durch dieses Gesetz tun wir das, was nach dem ersten

originären BSE-Fall in Deutschland notwendig ist: Wir
nehmen das Tiermehl, das nach allen bisherigen wissen-
schaftlichen Erkenntnissen wahrscheinlich der infektiöse
Auslöser dieser Krankheit ist, aus der Nahrungsmittelkette
heraus. Dadurch können wir in Zukunft Infektionen ver-
hindern und beim Verbraucher für Sicherheit und Ver-
trauen sorgen. Das ist im Sinne unserer Landwirte. Ich
halte das, was wir diese Woche auch mit Ihrer Hilfe hier
geschafft haben, für sehr wichtig. Dafür nochmals herzli-
chen Dank!


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Zusammenhang mit diesem BSE-Fall gab es in der

veröffentlichten Meinung wie auch hier im Hause – und
auch während dieser Debatte – Reaktionen, die mich als ei-
nen Agrarpolitiker, der diese Debatten, seitdem es BSE
gibt, mitverfolgt und mitbestritten hat, wirklich fürchter-
lich geärgert haben. Ich muss sagen: Das Maß an Heuche-
lei ist – so wie es der Minister gesagt hat – nicht zu über-
bieten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich kann mich noch an die Debatten mit dem Kollegen
Seehofer erinnern. Ich war bestimmt einer seiner schärfs-
ten Kritiker; ich habe aber nie gefordert, er solle zurücktre-
ten, weil er sich in der EU nicht durchsetzen konnte. Wir
alle wissen doch, dass wir alleine gegen Gemeinschafts-
recht nichts machen können. Bei dem, was in dem Zusam-
menhang heute hier gesagt wurde, hört der Spaß wirklich
auf. Für meine Fraktion und für die Grünen erkläre ich aus-
drücklich: All dieses Gerede, Minister Funke und Ministe-
rin Fischer hätten hier versagt und hätten schlechte Politik
gemacht, ist falsch. Wir stehen hinter diesen beiden Mini-
stern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn es Grund zur Kritik gibt und Eingeständnisse er-
forderlich sind, dann müssen wir alle uns selbst an die Nase
fassen: Wir alle haben zu lange geglaubt, es reiche aus, die
Tiermehlverfütterung an Wiederkäuer – die deutschen Si-
cherheitsstandards beim Tiermehl sind anerkannt hoch – zu
verbieten, um die Bundesrepublik vor BSE zu bewahren.


(Widerspruch der Abg. Annette WidmannMauz [CDU/CSU])


– Ich spreche von den Agrarpolitikern und nicht von Ihnen,
Frau Widmann-Mauz. – Wir sind eines Besseren belehrt
worden. Wir haben einsehen müssen, dass in einem offe-
nen Europa Tiermehl herumgekarrt werden kann. Wenn
ich dann in der Zeitung lese, dass eine Charge Rinderfut-
ter „aus Versehen“ mit Tiermehl versetzt worden ist und so
beim Empfänger ankam, kann ich nur feststellen: Hier sind
wahrscheinlich doch kriminelle Machenschaften im Spiel.
– Wir können nichts Besseres tun, als dem vorliegenden

Gesetzentwurf zuzustimmen, um in Zukunft die Tiermehl-
verfütterung zum Schutz der Verbraucher und zum Schutz
der Bauern zu unterbinden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zum Schluss noch einen Satz zu den Entschädigun-
gen – die Redezeit rennt mir davon; das meiste dazu hat
der Minister schon ausgeführt –: Es ist völlig selbstver-
ständlich, dass wir in dieser Frage die Bauern und auch
diejenigen, die für die Entsorgung verantwortlich sind,
nicht allein lassen können.


(Zurufe von der CDU/CSU)

– Diesen Antrag werden wir im zuständigen Ausschuss be-
raten; das ist gar keine Frage.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413717400
Herr Kollege,
bitte nicht mehr diskutieren!


Matthias Weisheit (SPD):
Rede ID: ID1413717500
Aber die Verbraucher – das
muss ebenso festgestellt werden – werden natürlich für
Fleisch mehr zahlen müssen. Denn in deren Sinne und für
deren Sicherheit passiert das Ganze.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413717600
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Annette Widmann-Mauz.


Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1413717700
Frau Präsi-
dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte
zunächst ein paar Worte an den Kollegen Wodarg richten:
Zunächst finde ich es sehr schön, Herr Kollege Wodarg,
dass Sie Sachlichkeit eingefordert haben. Ich bin gespannt,
wie Sie sich nachher in der Abstimmung über den vorlie-
genden Antrag der Union verhalten werden. Denn viele der
Maßnahmen, die Sie hier als sachlich richtig bezeichnet ha-
ben, sind in diesem Antrag enthalten. Wie Sie sich heute in
der Abstimmung verhalten werden, zeigt, wie glaubwürdig
Sie sind.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Wodarg [SPD]: Da geht es um das Importverbot!)


– Lieber Kollege Wodarg, ich wäre vorsichtig, sich mit sol-
chen Zurufen zu Wort zu melden. Noch vor zwei Wochen
haben Sie uns, als wir im Gesundheitsausschuss unter ei-
nem ganz anderen Gesichtspunkt der Lebensmittelsicher-
heit über das Thema BSE gesprochen haben, Panikmache
vorgeworfen.


(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

Gerade angesichts der Entwicklungen in unserem Land seit
letztem Freitag sollten Sie mit solchen Äußerungen vor-
sichtig sein.

Wer über den Haushalt von Minister Funke sprechen
will, darf über BSE nicht schweigen. Denn enorme Kosten
kommen auf Bund, Länder und Kommunen, auf die Land-
wirtschaft und die Industrie sowie auf die Verbraucherinnen




Matthias Weisheit

13451


(C)



(D)



(A)



(B)


und Verbraucher zu. Der Einzelplan des Landwirtschafts-
ministers berücksichtigt leider nichts davon.

Die Ängste der Menschen sind groß; das Wissen über
BSE ist klein. Die Reaktionen der rot-grünen Bundesre-
gierung auf die ersten BSE-Fälle in Deutschland sind lei-
der unprofessionell und unkoordiniert.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die BSE-Epidemie ist von der Bundesregierung völlig un-
terschätzt worden. Das hat selbst Ministerin Fischer in ihrer
heutigen Rede zum Haushalt klar eingeräumt. Allein ihre
Aussage, jetzt sei es an der Zeit, ehrlich zu sein, zeigt, wie
zögerlich die Bundesregierung die BSE-Problematik be-
handelt.

Sie haben absolut leichtfertig gehandelt und sich trotz
wissenschaftlich fundierter Warnungen und nicht auszusch-
ließender Risiken der Aufhebung des Importstopps durch
die EU-Kommission unterworfen. Die Bundesregierung hat
den Importstopp aufgehoben, obwohl letzte Zweifel nicht
beseitigt waren. Im Gegenteil: Selbst die neuen BSE-Fälle
in Großbritannien und Frankreich haben Sie schlichtweg ig-
noriert. Die Bundesregierung hat den vorsorgenden
Verbraucherschutz unterlaufen und das damit verbundene
Risiko für die Konsumenten billigend in Kauf genommen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Völliger Unsinn!)


Sie haben im Gegensatz zu Frankreich – daran hätten Sie
sich ein Beispiel nehmen können – die Marktinteressen
über den Verbraucherschutz gestellt.

Wenn die europäische Ebene beim Verbraucherschutz
versagt, dann ist ein Handeln einzelner Mitgliedstaaten ge-
rechtfertigt. Im Übrigen sieht das ja eine Kollegin der Grü-
nen, die Mitglied des Gesundheitsausschusses ist, so wie
wir: Sie stimmt bei Abstimmungen zu diesen Fragen mit
uns, enthält sich oder muss den Raum verlassen.


(Heinrich-Wilhelm Ronsöhr [CDU/CSU]: Aha! Hört! Hört!)


Die Bundesregierung muss endlich auf die sichere Seite
kommen und dem Verbraucherschutz Rechnung tragen.
Verbraucherschutz muss in Deutschland endlich wieder
ernst genommen werden; denn jetzt gibt es BSE auch hier.
Die Gefahren durch BSE sind so groß, dass selbst Sie, Herr
Funke, inzwischen erkannt haben, dass sofort gehandelt
werden muss.

Auch die Grünen müssen sich jetzt zu einer einheitli-
chen Linie durchringen. Fischer hier, Höhn da – so geht es
in Zukunft nicht mehr weiter.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch Sie müssen Ihrer Schutzpflicht für die Verbraucherin-
nen und Verbraucher in Deutschland endlich nachkommen.

Wir fordern von Ihnen ein umfassendes Sofortpro-
gramm. Wir müssen umgehend alle notwendigen Schutz-
maßnahmen ergreifen, um die größtmögliche Sicherheit
vor BSE zu gewährleisten und das Vertrauen in unsere
landwirtschaftlichen Produkte wiederherzustellen. Wir
brauchen ein umfassendes Importverbot für Rinder,

Schafe und Ziegen aus Ländern mit regelmäßigem BSE-
Vorkommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen ein umfassendes Importverbot für deren
Fleisch und die daraus hergestellten Erzeugnisse. Wir
müssen auch am Exportverbot für Rindfleisch aus Portu-
gal festhalten.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Am Besten lösen wir die EU auf!)


Sie haben uns in den vergangenen Monaten immer wie-
der Panikmache vorgeworfen und sich allein auf die
Kennzeichnungspflicht verlassen. Sie haben das Junktim
hergestellt, dass wir keine Importverbote bräuchten, wenn
wir eine lückenlose Kennzeichnung hätten. Das war Ihr
Prinzip. Den Fachleuten war von Anfang an klar: In Eu-
ropa ist die Kennzeichnungsregelung für Rindfleisch und
die daraus hergestellten Produkte unzureichend und die
Umsetzung lückenhaft. Warum ziehen Sie daraus denn
keine Konsequenzen? Ihr Junktim existiert doch de facto
nicht.

Wir fordern seit Monaten ein umfassendes Importverbot
für Rinder sowie deren Fleisch und daraus hergestellten
Fleischerzeugnisse aus Großbritannien. Wenn es sein
muss, sollte man das auch im nationalen Alleingang durch-
setzen; denn nur so lässt sich auf europäischer Ebene die
sofortige obligatorische umfassende Kennzeichnung des
Rindfleisches und der Rindfleischprodukte bezüglich Ge-
burts-, Mast-, Schlacht- und Zerlegungsort des Tieres wir-
kungsvoll durchsetzen. Sie können doch nicht auf der einen
Seite sagen, diese Maßnahme sei „blödsinnig“ – wie Herr
Kollege Wodarg es im Ausschuss formuliert hat –, und auf
der anderen Seite mit genau dieser Maßnahme drohen und
auf der europäischen Ebene für Druck sorgen. Da wider-
spricht sich Ihr Verhalten doch wohl vollkommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir müssen heute prüfen, inwieweit diese Kennzeich-

nungspflichten auch auf Schaf- und Lammfleisch sowie
auf weitere Produkte von Schafen und Ziegen auszudeh-
nen sind.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Haben Sie das alles mit Ihren Landwirtschaftlern abgesprochen? Was sagen die denn dazu?)


Die Verfütterung von kontaminiertem Tiermehl ist ein
möglicher Übertragungsweg für BSE. Diese Gefahren-
quelle kann nur durch ein europaweites Verbot der Verfüt-
terung von Tiermehl gebannt werden.


(Unruhe bei der SPD)

– Hören Sie doch einmal zu! Das sind gute Vorschläge, die
die Regierung umsetzen könnte.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir unterstützen in unserem Antrag, den wir einge-

bracht haben, ein umfassendes EU-weites Tiermehlver-
fütterungsverbot, weil Infektionen und Kreuzkontamina-
tionen nicht ausgeschlossen sind. Wir sind aber der




Annette Widmann-Mauz
13452


(C)



(D)



(A)



(B)


Meinung, dass dies nur eine von vielen Maßnahmen sein
kann, um ausreichenden Schutz zu bieten.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Eine lächerliche Veranstaltung da drüben!)


– Ihre Zwischenrufe werden Sie den Verbrauchern erklä-
ren müssen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Reden Sie doch mal mit Ihren Kollegen!)


Wir brauchen die Schnelltests, und zwar nicht nur
schnell, sondern sofort. Sie müssen flächendeckend an allen
geschlachteten Rindern in Deutschland eingesetzt werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch hier muss die EU möglichst schnell nachziehen. Der
von der EU bislang vorgesehene Untersuchungsumfang
reicht aus unserer Sicht noch nicht ganz aus. Es muss un-
verzüglich mit den Untersuchungen von Schlachttieren
begonnen werden. Die Untersuchung muss alle Schlacht-
tiere ab einem Alter, ab dem wissenschaftliche Aussagen
möglich sind, umfassen. Es darf nicht bei den 30 Monaten
bleiben.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Weiterhin muss die Erforschung von BSE, TSE, der

Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und ihrer Varianten endlich
konsequent vorangetrieben werden. Das umfasst auch die
Weiterentwicklung der Schnelltests sowie Bluttests für le-
bende Tiere. Das Forschungsprogramm muss intensiviert
werden. Das kostet Geld. Dieses Geld muss jetzt bereitge-
stellt werden.

Es entstehen vielfältige Kosten; die Landwirte sind schon
jetzt – allein durch die Diskussion über BSE – dramatisch be-
troffen: Absatzeinbrüche, hohe Futtermittelkosten und stei-
gende Entsorgungskosten verstärken die enormen Einkom-
menseinbußen, unter denen die Landwirtschaft, seitdem Sie
an der Regierung sind, ohnehin schon genug leidet. Ersten
Betrieben droht das Aus. Deshalb müssen wir über finanzi-
elle Soforthilfen und Ausgleichsmaßnahmen sprechen, und
zwar auf europäischer und auf nationaler Ebene.
Wir fordern ein umfassendes finanzielles Hilfsprogramm
für die betroffene Landwirtschaft.

Herr Funke, gestern haben Sie im Ausschuss eine fi-
nanzielle Unterstützung des Bundes in Aussicht gestellt.
Werden Sie in dieser Frage endlich konkret; denn es han-
delt sich um eine nationale Herausforderung.

Wir stimmen heute dem Tiermehlverfütterungsverbot
zu. Das ist aber nur ein erster Schritt. Unser Entschlie-
ßungsantrag weist konsequent auf weitere notwendige und
sinnvolle Maßnahmen hin. Deshalb zögern Sie heute nicht
schon wieder, sondern beweisen Sie Glaubwürdigkeit,
liebe Frau Höfken: Stimmen Sie unserem Entschließungs-
antrag zu! Sie haben in Ihrer Rede mehrere Punkte ange-
sprochen, die sich genau so in unserem Antrag wiederfin-
den. Beweisen Sie heute die Glaubwürdigkeit, die Sie
immer einfordern.

Spätestens seit dem letzten Freitag herrscht eine tiefe
Verunsicherung in der Bevölkerung; denn unsere heimi-
schen Produkte und unsere Landwirtschaft stehen unter ei-

nem pauschalen Verdacht. Das ist weder sachlich noch ge-
rechtfertigt. Aber Fakt ist: Es gibt keine pauschale Sicher-
heit mehr. Aus dieser Vertrauenskrise mit all ihren schlim-
men Folgen kommen wir nur mit ganz konkreten Schritten
wieder heraus. Landwirtschaftliche Interessen und unsere
Gesundheit sind kein Widerspruch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der F.D.P.)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413717800
Zu einer Kurz-
intervention erhält der Herr Kollege Wodarg das Wort.


Dr. Wolfgang Wodarg (SPD):
Rede ID: ID1413717900
Frau Präsidentin! Liebe
Kollegin Widmann-Mauz, Sie haben wieder ein Import-
verbot gefordert und gesagt, wir sollten Ihren Antrag un-
terstützen. Sie verkennen offenbar weiterhin, dass ein Im-
portverbot innerhalb der EU völliger Schwachsinn ist, weil
wir ehrlicherweise – endlich – davon ausgehen, dass so-
wohl das gefährliche Tiermehl als auch die Waren im freien
Wirtschaftsraum Europa frei verteilt werden. Wir haben
jetzt die Basis, um epidemiologisch vernünftig zu handeln,
vernünftige Konzepte zu machen und nichts Notwendiges
auszulassen.

Wir müssen grundlegend an das Problem herangehen
und dürfen nicht wieder anfangen, nur ein Land als das
schwarze Schaf anzusehen und gewissermaßen rituelle
Handlungen zu vollziehen, wie wir es schon einmal ge-
macht haben, als zum Beispiel die extensiv gehaltenen Rin-
der, die nun wirklich am wenigsten gefährdet sind, weil sie
nicht mit Tiermehl gefüttert werden, in Bayern geschlach-
tet wurden. Wir dürfen keine Ersatzhandlungen vorneh-
men, sondern wir müssen wissenschaftlich begründet han-
deln.

Es ist nun einmal so, dass in ganz Europa BSE-Fälle auf-
treten. Je mehr gesucht wird, desto mehr findet man. Wir
haben laut gerufen, wir seien BSE-frei. Jetzt suchen wir
und finden welche. Das müssen wir ehrlich zugeben.

Ein Importverbot ist Quatsch. Deshalb ist dieser Teil Ih-
res Antrags Blödsinn. Wir werden uns im Ausschuss über
die anderen, zum Teil vernünftigen Vorschläge unterhalten
können. Aber Ihren Antrag müssen wir ablehnen, weil er
populistische Elemente enthält, die wir nicht unterstützen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Annette Widmann-Mauz (CDU):
Rede ID: ID1413718000
Lieber Herr
Kollege Wodarg, ich finde es schön, dass Sie Ihre Aussage
wiederholt haben. Sie konterkarieren selbst hier im Ple-
num des Deutschen Bundestages die Politik Ihrer eigenen
Bundesgesundheitsministerin. Sie tritt doch auf der euro-
päischen Ebene, wie sie uns immer versichert, mit der
Drohung auf, das nationale Importverbot wieder einzu-
führen, wenn keine umfassende Kennzeichnungspflicht
eingeführt wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wie muss diese Äußerung von Ihnen, Mitglied der tra-

genden Regierungsfraktion, auf die anderen Mitgliedstaaten




Annette Widmann-Mauz

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(C)



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(A)



(B)


der Europäischen Union wirken, wenn Sie diese Maß-
nahme als „völligen Schwachsinn“ und „Quatsch“
bezeichnen?


(Albert Schmidt DIE GRÜNEN]: „Blödsinn“ hat er gesagt!)


– Nein, er hat „Schwachsinn“ gesagt. Das werden Sie im
Protokoll nachlesen können.

Sie haben damit die Verantwortung für eine Gefahren-
quelle übernommen. Wir haben nie behauptet, dass unser
Antrag den umfassenden Schutz bringt. Aber wir sind in
der Lage, jede Gefahrenquelle, die wir kennen, auszu-
schalten.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie nehmen bewusst in Kauf, eine Gefahrenquelle nicht
auszuschalten. Das verstehen auch Ihre Kollegen von den
Grünen im Ausschuss nicht. Hier gibt es einen Dissens. Ich
habe nicht gesagt, dass wir den Importstopp nur für Groß-
britannien wollen, sondern wir wollen ihn für alle Länder-
mit regelmäßigem BSE-Vorkommen.

Sie können die Gefahren durch BSE, die es auch in
Frankreich gibt, doch nicht einfach negieren. Ich frage
mich: Leben Sie immer noch in der Zeit vor dem letzten
Freitag, in der Zeit vor Ihrem Regierungsantritt?


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413718100
Ich schließe da-
mit die Aussprache. Wir kommen zu den Abstimmungen.

Es besteht der Wunsch des Abgeordneten Norbert
Schindler nach einer Erklärung zur Abstimmung. – Er-
klärungen zur Abstimmung sind Abgeordnetenrecht. Das
steht jedem Abgeordneten zu.


Norbert Schindler (CDU):
Rede ID: ID1413718200
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Ich werde dem Gesetz zum
Verbot der Tiermehlverfütterung in der vorliegenden Form
nicht zustimmen. Meine Erklärung dafür: Wie erklären wir
draußen, die Schwarte, die wir am Stück Fleisch ab-
schneiden, muss in die Sonderversorgung – so ist es for-
muliert –, und das andere Stück Fleisch wird zum mensch-
lichen Verzehr absolut empfohlen und zugelassen? Es ist
schon etwas schizophren, wie hysterisch derzeit die Dis-
kussion läuft


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wollen Sie die Rinder wieder in die Tierfütterung geben? Die sind auch zugelassen für den menschlichen Verzehr!)


und dass wir unter öffentlichem Druck – natürlich mit
Recht – ein Gesetz verabschieden. Ich begrüße ausdrück-
lich das Verbot im Zusammenhang mit Tierkadavern. Da-
hinter stehe ich unbedingt. Aber mit diesem Gesetz schüt-
ten wir das Kind mit dem Bade aus.

Der zweite Aspekt betrifft die Kosten. Ich befürchte, es
wird ein teures Gesetz werden und es wird die Bauern –
beim jetzigen Preisabsturz und durch die Verordnung spä-
ter – sehr hart treffen.


(Ulrike Höfken [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nichtstun ist nicht teuer!)


Wir haben dafür keine Lösung. Dass etwas getan werden
muss, ist klar; aber die Erklärung von Herrn Minister
Funke – wir reden darüber; natürlich lässt man die Bauern
nicht im Regen stehen – ist mir etwas zu wenig.

Herr Bundeskanzler Schröder hat gestern Morgen von
der Abkehr von der industriellen Agrarpolitik geredet. Ich
bin bereit, ihm sofort zu folgen,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wenn wir dies europaweit – nicht mit Global-Player-
Sprüchen, sondern in einem europäischen Konsens – tun,
damit wir in bäuerlichen Strukturen Nahrungsmittel pro-
duzieren können, wie wir sie in der Vergangenheit hatten.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413718300
Nur noch der
Hinweis: Man darf nur sein eigenes Abstimmungsverhal-
ten erklären. Man darf in diesem Prozess nicht mehr mit
dem Bundeskanzler diskutieren.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Aber den Bundeskanzler darf man immer loben!)


Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen, und zwar
zunächst zu den Änderungsanträgen.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
CDU/CSU auf Drucksache 14/4782. Wer stimmt dafür? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4783. Wer stimmt
dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen
gegen die Stimmen von CDU/CSU und PDS bei Enthal-
tung der F.D.P. abgelehnt worden

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4784. Wer stimmt
dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch dieser
Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und PDS bei
Enthaltung der F.D.P. abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU auf Drucksache 14/4785. Wer stimmt
dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Auch dieser
Änderungsantrag ist mit dem gleichen soeben festgestell-
ten Stimmenverhältnis abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4807. Wer stimmt dafür? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/4808. Wer stimmt dafür? –
Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die
Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt worden.

Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion
der PDS auf Drucksache 14/4744. Wer stimmt dafür? –




Annette Widmann-Mauz
13454


(C)



(D)



(A)



(B)


Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag
ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, mit einigen
Stimmen der CDU/CSU und der F.D.P. gegen die Stimmen
der PDS bei einigen Enthaltungen aus der CDU/CSU ab-
gelehnt worden.

Ich bitte nun diejenigen, die dem Einzelplan 10 in der
Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei-
chen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 10 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen ge-
gen die Stimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS
angenommen worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den von den
Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen
eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über das Verbot des
Verfütterns, des innergemeinschaftlichen Verbringens und
der Ausfuhr bestimmter Futtermittel, Drucksa-
chen 14/4764 und 14/4838. Ich bitte diejenigen, die dem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wol-
len, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Bera-
tung mit den Stimmen fast des gesamten Hauses bei
mehreren Gegenstimmen aus der CDU/CSU und einer
Gegenstimme aus der F.D.P. und bei einigen Enthaltungen
aus der CDU/CSU und einer Enthaltung aus der F.D.P. an-
genommen worden.

Dritte Beratung
und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Ge-
setzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist
mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenom-
men worden.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entsch-
ließungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/
Die Grünen auf Drucksache 14/4854. Wer stimmt für die-
sen Entschließungsantrag? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Der Entschließungsantrag ist, soweit ich sehe, ein-
stimmig angenommen worden.

Ich rufe die Zusatzpunkte 6 und 7 auf:
ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette

Widmann-Mauz, Horst Seehofer, Wolfgang
Lohmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU
Sofortprogramm zur Abwehr von Gefahren
durch BSE
– Drucksache 14/4778 (neu)
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrich
Heinrich, Detlef Parr, Gudrun Kopp, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der F.D.P.
Vorrang für einen vorsorgenden Verbraucher-
schutz bei der Bekämpfung von BSE
– Drucksache 14/4852 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den
Drucksachen 14/4778 (neu) und 14/4852 an die in der Ta-
gesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind
Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Freitag, den 1. Dezember 2000, 9 Uhr,
ein.

Die Sitzung ist geschlossen.