Rede von
Ulrich
Heinrich
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(F.D.P.)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Frau Präsidentin! Meine lie-
ben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe leider Gottes nur
dreieinhalb Minuten.
Ich möchte mich deshalb sehr auf Ihre Rede konzentrie-
ren, Herr Minister. Sie war enttäuschend und es war dem
Anlass nicht entsprechend, was Sie zum Verbraucher-
schutz, was Sie unserer Landwirtschaft und unseren
landwirtschaftlichen Betrieben gegenüber gesagt haben.
Es klingt immer so, als wären die Bauern an dem Problem
schuld. Die Bauern sind nicht schuld.
Herr Minister, hätten Sie doch ein Wort des Bedauerns
darüber ausgesprochen, dass hier fast jeder landwirt-
schaftliche Betrieb in Mitleidenschaft gezogen wird, auch
diejenigen, die überhaupt keine Rinder halten. Es wird
eine extreme Preisexplosion auf dem Futtermittelmarkt
geben. Ich sage Ihnen: Es hätte Ihnen gut angestanden,
auch einmal die Tragweite dieses Gesetzes darzustellen.
Wir reden hier von 3 oder 4 Milliarden DM. Aber es
wird sehr viel mehr kosten. Denn die Beseitigung des
Tier- oder Fischmehls ist nur die eine Seite. Das andere,
all das, was sich noch im Anschluss daran vollzieht,
überblickt heute noch niemand. Hier wäre ein seriöses
Wort angebracht gewesen.
Frau Kollegin Höfken, so zu tun, als wäre mit dem
Tiermehlverbot jetzt eine andere Agrarpolitik eingeleitet,
als hätten wir den Agrarfabriken den Kampf angesagt, das
stellt ja doch wohl alles auf den Kopf. Als hätten wir BSE
in Deutschland in einer Agrarfabrik gehabt! Wir haben es
in einem ganz normalen mittelbäuerlichen Betrieb vorge-
funden, der mit einer Agrarfabrik überhaupt nichts zu tun
hat.
Nachdem wir noch nicht einmal wissen, wie die Infekti-
onswege ablaufen, kann man auch nicht darüber reden,
wer Schuld oder wer keine Schuld hat wer Verantwortung
zu tragen hat und wer nicht. Unsere Bauern haben sich an
Recht und Gesetz gehalten und sind jetzt, wie sich die ge-
samte Entwicklung von BSE seit 1985 darstellt, die Leid-
tragenden.
Man muss klar feststellen, dass die Bundesregierung
ausgesprochen kopflos gehandelt hat. Sie hat zu keiner
Zeit die Souveränität ausgestrahlt, die sie hätte haben
müssen,
obwohl die Wissenschaft klar gesagt hat, dass für
Deutschland eine BSE-Freiheit nicht garantiert werden
kann. Sie hat keine vorbeugenden Maßnahmen getroffen;
das Kabinett ist wie ein Hühnerhaufen durcheinander ge-
laufen und jeder hat etwas anderes gesagt.
Die Bauern und die Verbraucher sind auch durch die Po-
litik dieser Bundesregierung verunsichert. Das Kabinett
hat keine einzige vorbeugende Strategie gefahren.
Wenn der Bundeskanzler heute so tut, als wäre jetzt
eine andere Agrarpolitik eingeleitet, irrt er ganz gewaltig.
Durch die jetzigen Maßnahmen ist nichts darüber gesagt,
wie die zukünftige Agrarpolitik aussehen wird. Fest steht
nur, dass die Preise für Futtermittelmassiv steigen, viele
Verwertungsstränge ausfallen und die Betriebe – unab-
hängig von ihrer Größe – hinsichtlich ihrer Rentabilität
ganz gewaltig unter Druck geraten werden. Insofern ist
der vorgelegte Gesetzentwurf für mich nicht schlüssig. Er
enthält Widersprüche und erfasst nicht die finanziellen
Auswirkungen.
Ich bin gespannt, ob die Bauern, die absolut unschul-
dig in eine existenzvernichtende Situation geraten sind, in
dieser Sache nicht entsprechende Regressansprüche ein-
klagen werden. Sie werden von den Landwirten keine An-
rufe bekommen, diese bekommen wir.
Die Lage der Landwirtschaft hat durch Ihre Politik und
das BSE-Problem eine Dramatik angenommen, die ihres-
gleichen sucht. Ich bin gespannt, was hier noch auf die
Regierung zukommen wird.