Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz. Gu-
ten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir setzen, wie vereinbart, die Haushaltsberatungen
– Tagesordnungspunkt 1 – fort:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2011
– Drucksache 17/2500 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Finanzplan des Bundes 2010 bis 2014
– Drucksache 17/2501 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Gestern haben wir für die heutige Aussprache eine
Redezeit von insgesamt achteinhalb Stunden beschlos-
sen. Sind dazu in der Zwischenzeit neue Wünsche oder
Einsichten entstanden? – Das ist nicht der Fall. Dann
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bleibt es bei dieser Vereinbarung.
Wir beginnen die heutigen Haushaltsberatungen mit
dem Geschäftsbereich des Bundeskanzleramtes,
Einzelplan 04; das ist auch nicht gänzlich überraschend.
Das Wort erhält zunächst der Kollege Sigmar Gabriel
für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-deskanzlerin, irgendwie ist es keine so richtig große in-tellektuelle Herausforderung, heute etwas zu IhremHaushalt und zu Ihrer Regierungspolitik zu sa
Herr Kauder, Sie haben recht; Sie unterfordern uns.
an braucht doch nur die Zeitungsüberschriften vorzu-esen; man braucht gar nicht als Sozialdemokrat etwasu sagen. „Etikettenschwindel“ titelt die Bild-Zeitungber Ihren Haushalt. „Von Konzept keine Spur“, heißt esn der Financial Times Deutschland. Und weiter: „einensammlung von Luftbuchungen, falschen Signalennd beliebigen Einzelpunkten“. Die Karikatur eines zu-unftsorientierten „Windbeutels“, das sagen nicht Oppo-itionspolitiker; das sagt die Süddeutsche Zeitung überhren Bundeshaushalt.
Es wird noch besser. – Man braucht in Wahrheit nochicht einmal die Zeitungen zu zitieren; es reicht, wennan Sie selber zitiert und Sie über Ihre eigene Arbeit ur-eilen lässt.
a sagt der FDP-Gesundheitsminister, eigentlich sei dasextgar keine Koalition, Frau Bundeskanzlerin, sondern eineschlagende Verbindung.
Es ist schwierig, Sie zu toppen, wenn Sie erklären, Sieseien „Wildsäue“ und eine „Gurkentruppe“.
ls Oppositionspolitiker mit einer durch-itteleuropäischen Erziehung darüber hi- noch sagen? Das ist schon bemerkens-sich gegenseitig beschreiben. Es fälltgen.IS 90//CSUWas soll man aschnittlichen mnaus eigentlichwert, wie Sie
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6032 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Sigmar Gabriel
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wirklich schwer, zu glauben, dass Sie noch gemeinsameine Regierung bilden wollen.
Wie konnte es passieren, dass eine Regierung derartheruntergekommen ist wie die Ihre? Was ist da eigent-lich passiert in den letzten Monaten?
Der Grund für Ihre katastrophale Jahresbilanz ist janicht nur, dass Sie handwerklich schlecht arbeiten. Dereigentliche Grund ist, dass Ihnen, Frau Bundeskanzlerin,und Ihrem Wunschkoalitionspartner von Anfang an jedeVorstellung davon fehlte, was eigentlich Gemeinwohl inDeutschland ist.
Dieses Wort kommt deshalb in Ihrem Ehevertrag auchgar nicht vor. Warum auch? Wenn Sie regieren, bedienenSie im Wesentlichen Klientelinteressen.
Am Anfang haben wir Sie ja dafür kritisiert, dass Siegar nicht regieren; denn alle schwierigen Entscheidun-gen haben Sie bis auf die Zeit nach der Wahl in Nord-rhein-Westfalen vertagt. Als die Wahl in NRW vorbeiwar, wussten wir allerdings, es wird noch schlimmer,wenn Sie denn regieren. Was hatten Sie vorher nicht al-les versprochen! Mehr Netto vom Brutto und eine Steu-ersenkung mit einem Umfang von 24 Milliarden Euro.Das Gegenteil kommt heute heraus: höhere Kassenbei-träge, Zusatzbeiträge und höhere Gebühren, weil Sie dieKommunen ausbluten, und neue Steuern wie die Luft-verkehrsabgabe. Diese kritisieren wir zwar nicht, aberSie haben das Gegenteil im Wahlkampf versprochen undim Koalitionsvertrag beschlossen.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Es gibt mehrNetto vom Brutto als Dankeschön an Hoteliers, reicheErben und große Konzerne.
– Warum rufen Sie eigentlich dazwischen? Dieses Hote-liergesetz ist doch Ihrem Koalitionspartner, wenn ich dieAussagen von Herrn Lindner richtig verstanden habe, in-zwischen sogar selber peinlich. Sie selbst wollen dasdoch wieder abschaffen, nachdem Sie die jetzige Situa-tion erst herbeigeführt haben.
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Als es zur bislang größten Krise des Euro kam, habenie, Frau Bundeskanzlerin, erst die eiserne Kanzlerin ge-pielt, um dann über Nacht die Steuerzahler für dasocken der Spekulanten in Haft zu nehmen. Bis heuteahlen die Finanzmärkte keinen Cent zur Beseitigunger Schulden aufgrund der Finanzkrise. Auch das ist Be-tandteil der Politik, die wir von Ihnen hier in Deutsch-and erleben.
Die einen leben in Saus und Braus und zocken amnde die ganze Welt in die Krise. Die anderen, die hartrbeiten, bekommen immer weniger und sollen jetzt dieeche zahlen. Wenn wir über Politikverdrossenheit ineutschland und Europa reden, müssen wir festhalten,ass Sie dazu wirklich einen überragenden Beitrag leis-en. Die von Ihnen gestern vorgelegten Haushaltszahlenind nämlich die falschen für die Krise. Ausgerechnet ininer Zeit, wo wir das Wachstum im Inland erhöhenüssen, weil auf das Exportwachstum nicht dauerhafterlass ist, legt diese Bundesregierung die Axt an die er-olgreichsten Mittelstandsprogramme, die wir je hatten,ämlich das Programm zur energetischen Gebäude-anierung und die Städtebauförderung, ausgerechnetitten in der Krise.
Wie wenig muss man eigentlich, Frau Bundeskanzle-in, von Wirtschaft verstehen, wenn man das kürzt undusammenstreicht, was Tausende Jobs im Handwerk ge-chaffen hat, was durch geringeren Energieverbrauchosten senkt und wovon die Umwelt profitiert? Wie we-ig muss man eigentlich eine Vorstellung davon haben,ie Politikfelder verbunden sind? Es zahlen die Kinder-ärten, die Schulen, die Volkshochschulen, die Vereinen den Städten und Gemeinden; denn Sie nehmen denommunen 2,8 Milliarden Euro durch Ihr unsinnigesoteliergesetz weg. Diese zahlen die Zeche für die Steu-rpolitik, die Sie in Deutschland betreiben.
Wissen Sie, wie viele Kindergartenplätze man für daseld schaffen könnte, das Sie da verschleudern? Manönnte 280 000 Kindergartenplätze oder 70 000 neuetellen für Lehrerinnen und Lehrer schaffen, statt denalschen Leuten Steuergeschenke zu machen. Das ist der
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6033
Sigmar Gabriel
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Kompass, den Sie eigentlich brauchten. Aber der fehltIhnen offensichtlich in Ihrer Regierung.
Sie sind sich auch nicht zu schade, die Qualifizie-rungsmaßnahmen für Arbeitslose zusammenzustrei-chen. Ich nehme an, es dauert nicht lange, bis Sie, FrauMerkel, wieder zu einem Gipfel einladen und den Fach-kräftemangel beklagen. Wir müssen vermutlich nichtlange darauf warten.Als wäre das nicht alles schon genug, Frau Bundes-kanzlerin, wollen Sie gleichzeitig auch noch an den fal-schen Stellen mehr Geld ausgeben.
Wie man angesichts der offensichtlichen Sprachpro-bleme und der anderen Schwierigkeiten bei der Integra-tion in Deutschland auf die Idee kommen kann, in Zu-kunft 150 Euro pro Monat dafür zu zahlen, dass ein Kindnicht in den Kindergarten geht, bleibt wirklich Ihr Ge-heimnis.
Das ZEW berechnet, dass Sie zwischen 1,4 und 1,9 Mil-liarden Euro dafür ausgeben wollen, dass Kinder inDeutschland nicht gefördert werden. Wenn es ein Bei-spiel für den Wahnsinn Ihrer Regierungspolitik gibt,dann ist es diese Herdprämie, die wir in Deutschlandkennengelernt haben.
70 000 Schülerinnen und Schüler machen keinen ver-nünftigen Schulabschluss. 20 Prozent eines Jahrgangserreichen keine Berufsreife. Unter ausländischen Ju-gendlichen sind es sogar 40 Prozent. Ich finde, dass wirals Exportnation im Wettbewerb um Spitzenkräfte dabeisein müssen. Aber wie wäre es denn, wenn wir uns ersteinmal um diejenigen kümmern, die schon hier sind?
Wir geben wieder einmal viel Geld aus, um ganz oben inden Universitäten und in der Forschung mehr zu tun.Warum ist es in Deutschland eigentlich so schwer, sicheinmal auf Hilfe für die ganz unten zu einigen?
Frau Bundeskanzlerin, wenn Sie nicht begreifen, dassman in der Breite etwas machen muss, damit am Endebei der Spitze mehr ankommt, dann haben Sie wedervom Sport noch von Bildung etwas verstanden.
Frau Bundeskanzlerin, stoppen Sie die Geldver-schwendung für Herdprämien und andere unsinnige Vor-haben und führen Sie ausnahmsweise in die richtigeRichtung! Lassen Sie uns doch die unsinnige Verfas-sbumsn–sbdmsPGrdddIuwghunrhsJsszvDdPJzöD
Frau Kollegin Schavan, jetzt habe ich doch etwas ge-agt, was auch Ihre Meinung ist. Ich verstehe daher garicht, warum Sie hier vorne so unruhig werden.
Herr Westerwelle, Sie dürfen von mir aus sogar klat-chen. Sie müssen es nur beim Präsidenten beantragen.
Was unsere Kinder, Jugendlichen und Eltern wirklichrauchen, ist doch etwas ganz anderes: Wir brauchen inen sozialen Brennpunkten Kindertagesstätten, die Fa-ilienbildungsstätten sind. Wir brauchen Ganztags-chulen mit Lehrern, Erziehern, Sozialpädagogen undsychologen. Das kostet natürlich Geld. Aber dieseseld haben die Länder nicht. Wenn wir es nicht an ande-er Stelle falsch ausgeben würden, könnten wir ihnenieses Geld geben.Stattdessen tun Sie das Gegenteil. Sie rechtfertigenie Einsparungen, die Sie vornehmen, mit Sprüchen,ass „wir alle über unsere Verhältnisse gelebt“ hätten.ch weiß nicht, Frau Dr. Merkel, in welchem Land Sienterwegs sind. Aber in Deutschland haben nur ganzenige über ihre Verhältnisse gelebt, nämlich diejeni-en, die zu dem obersten 1 Prozent der Vermögenden ge-ören
nd deren Vermögen in den letzten zehn Jahren trotz Fi-anzkrise um 10 Prozent gewachsen sind. Auf der ande-en Seite arbeiten 1,3 Millionen Menschen jeden Tagart und müssen trotzdem hinterher zum Sozialamt, weilie ihre Miete nicht bezahlen können. Nur jeder zweiteugendliche bekommt nach der Ausbildung einen an-tändigen Job. 70 Prozent der Gering- und Durch-chnittsverdiener in Deutschland haben in den letztenehn Jahren Reallohnverluste und Vermögensverlusteon 7 Prozent hinnehmen müssen.
as ist die Bilanz eines Landes, von dem Sie glauben,ass es über seine Verhältnisse lebt.Ich sage Ihnen offen: Auch für mich und für meineartei ist es nicht besonders erfreulich, dass auch elfahre mit uns nicht dazu beigetragen haben, die Scherewischen Arm und Reich zu schließen. Sie allerdingsffnen sie weiter, und das Gegenteil wäre richtig ineutschland.
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6034 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Sigmar Gabriel
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Sie müssten einmal wieder dafür sorgen, dass Rechtund Ordnung auch auf den Arbeits- und den Finanz-märkten einkehren. Natürlich muss der, der arbeitengeht, mehr verdienen als jemand, der nicht arbeitet, aberdoch nicht dadurch, dass man die Regelsätze fürHartz IV kürzt, sondern indem man in Deutschland ei-nen Mindestlohn einführt. Das ist der richtige Weg, umdas zu erreichen.
Ihr Außenminister hat das Gegenteil davon gefordert.Dass er dabei nach Auffassung des Bundesverfassungs-gerichts gegen die Verfassung verstößt, interessiert ihnvermutlich nicht besonders. Herr Westerwelle, was sa-gen Sie eigentlich dazu, wenn Frau von der Leyen jetztdie Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze vorschlägt, undzwar nicht nur für Kinder? Ich nehme an, Sie warten einpaar Monate ab, um irgendwann nach dem Motto „Daswird man doch noch sagen dürfen“ wieder zu fordern,die Regelsätze zu kürzen.Weil wir gerade in mancherlei Hinsicht erleben, dassunter der Überschrift „Das wird man ja wohl noch sagendürfen“ – er war ja der Erste, der das gemacht hat – dasNutzen von Ressentiments wieder in Mode kommt, nurso viel zu einer Debatte, die mir jedenfalls in der politi-schen Kultur in Deutschland ziemlich Sorgen macht:
– Es ist interessant, dass Sie da nervös werden.
Ja, es gibt eine wachsende Kluft zwischen Bevölke-rung und Politik. Ja, das hat auch viel mit Fehlern undVersagen der Politik und der Parteien selbst zu tun. VieleMenschen haben den Eindruck, dass wir nichts mehrüber ihren Alltag wissen und uns auch nicht dafür inte-ressieren. Es gibt ein wachsendes Ohnmachtsgefühl: dieda oben, wir hier unten. Wahlenttäuschung, aber auchRadikalisierung sind Folgen davon.In der Integrationsdebatte, meine Damen und Her-ren, hat ein Teil von uns zu lange die Augen davor ver-schlossen, dass wir längst ein Einwanderungsland sind.Die Wahlparolen gegen das Zuwanderungsgesetz, gegendie doppelte Staatsbürgerschaft und gegen das kommu-nale Ausländerwahlrecht sind uns noch gut in Erinne-rung.
Ein anderer Teil hat mit zu viel Naivität von der Multi-kultigesellschaft geträumt. Diese Naivität hatten aller-dings offenbar nicht nur Sozialdemokraten und Grüne.Ich erinnere mich noch gut daran, dass auf einmal diedeutsche Fußballnationalmannschaft als Beispiel für diebunte Republik Deutschland gepriesen wurde, auch vomneu gewählten Bundespräsidenten.
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as gilt für soziale Ressentiments ebenso wie für ethni-che und kulturelle. Es gilt übrigens auch für historischeessentiments gegen unsere Nachbarn, die – wie dieolen – unsagbares Leid durch den Angriffskrieg Hitler-eutschlands erlitten haben.
Wer aus dem Führungspersonal der Republik Ressen-iments und Vorurteile in der politischen Auseinander-etzung von Demokraten salonfähig macht, der mussich nicht wundern, wenn sich die Falschen ermuntertühlen. Wir wissen doch genau, meine Damen und Her-en, dass es in jeder Gesellschaft solche Ressentimentsibt, natürlich auch bei uns hier im Saal und bei deneisten von uns persönlich.Umso wichtiger ist es doch, dass wir nicht dann ausiesem schier unerschöpflichen Reservoir schöpfen,enn wir uns einmal unter Druck fühlen oder es oppor-un gegenüber der scheinbar kochenden Volkseele er-cheint. Der Boulevard hat kein Gedächtnis. Er muss imweifel nach der Auflage schreiben; wir dürfen das imweifel nicht.
a hat jeder sein Päckchen zu tragen, Sie, wir und an-ere auch. Das ist so.
Ich finde das, ehrlich gesagt, nicht lustig.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6035
Sigmar Gabriel
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Sie müssen überlegen, ob Sie bereit und in der Lagesind, über so etwas ernsthaft zu reden, oder ob es Sie nurdavon ablenkt, wie Sie mit Ihrer Politik dazu beitragen,dass die Menschen den Eindruck haben, wir geben unsnicht genug Mühe. Denn eines muss ich schon sagen:Den Eindruck, dass Sie sich darum kümmern, dass dasVolk wieder zusammengehalten wird, kann man beimLesen Ihres Haushalt wirklich nicht gewinnen.
Eigentlich müsste es jetzt in Deutschland um einenAufschwung für alle gehen. Es gibt einen Aufschwung;wir freuen uns darüber. Aber Sie werden sicher verste-hen, Frau Bundeskanzlerin, wenn wir es als Satire emp-finden, dass sich ausgerechnet Ihr Bundeswirtschafts-minister damit brüstet, dazu einen Beitrag geleistet zuhaben.
Nur um die Erinnerung ein bisschen aufzufrischen: Sie,Herr Brüderle, haben doch am 4. Dezember 2008 gegendas Konjunkturpaket und am 28. Mai 2009 gegen dieVerlängerung der Abwrackprämie gestimmt. Sie undIhre FDP haben alles getan, um das zu verhindern, wasuns am Ende durch die Krise gebracht hat. Das ist, wasSie eigentlich gemacht haben.
Herr Westerwelle hat es „Schrott“ und „Flickschuste-rei“ genannt. Herr Brüderle hat das Konjunkturpaket als„harte Droge“ abgelehnt.
Herr Brüderle, wissen Sie, wer Sie eigentlich sind? Siesind der größte Abstauber, den wir in der Politik seit lan-gem erlebt haben. Mehr sind Sie wirklich nicht.
Wir wollen einen Aufschwung für alle mit sicherenArbeitsbedingungen und fairen Löhnen; denn die Arbeit-nehmer haben doch verzichtet, um die Unternehmendurch die Krise zu bekommen. Es ist doch fair, ihnenjetzt davon etwas zurückzugeben.Natürlich gehört zum Aufschwung für alle, dienächste Krise zu verhindern; denn noch einmal werdenwir nicht Hunderte von Milliarden Euro zusammenbe-kommen. Die jetzt verabschiedeten Eigenkapitalvor-schläge im Basel-III-Abkommen sind doch kein Ersatzdafür, dass der Verbraucher die Finanzkrise endlich nichtnur selbst bezahlen soll, sondern diejenigen, die die Ver-ursacher dieser Finanzkrise sind. Die müssen Sie endlichmit zur Kasse bitten.
Zu Hause große Reden halten über die Regulierungder Finanzmärkte, aber wenn es ans Eingemachte geht,dann führen Ihnen die Großbanken die Feder. DiesenEindruck haben nicht nur wir, sondern auch die Sparkas-sen und Volksbanken. Anders kann man sich Ihre Ban-kenabgabe in Deutschland übrigens nicht erklären. AmEdSwsdl–vbAnacgksh–gvDiiWgzesüwtSbhA
ie müssen sich einmal entscheiden, was Sie eigentlichollen: wirtschaftspolitisch mehr Kredite für den Mittel-tand und höhere Eigenkapitalquoten oder eine Abgabe,ie genau das schwieriger macht. Sie, Herr Kauder, wol-en das besteuern, was wir uns alle wünschen.
Die Bilanzsumme ist die Grundlage dessen, was Sieorschlagen. Das sind Mittelstandskredite, Wohnungs-aukredite, Investitionskredite. Darauf wollen Sie einebgabe erheben. Das ist doch das Gegenteil von ver-ünftiger Wirtschaftspolitik. Ich weiß gar nicht, wie Sieuf die Idee kommen, so etwas vorzuschlagen.
Was wir wirklich brauchen, ist eine Steuer für die Zo-ker an den europäischen Finanzmärkten und keine Ab-abe für Volksbanken und Sparkassen auf Mittelstands-redite. Das sollten Sie sich als Auftrag in die Bücherchreiben, nicht den Unsinn, den Sie hier in den Haus-alt hineinschreiben.
Wenn es das alles nicht gibt, dann würde ich vorschla-en: Erklären Sie das einmal dem Sparkassen- und Giro-erband und den Volksbanken!
ie kritisieren das nämlich an Ihrem Gesetzentwurf. Esst nicht so, dass nur ich das sage.Am 7. Mai 2010 hat hier übrigens Herr Westerwellen einer großen Rede gesagt:Es weiß jeder, dass wir diesen Spekulationen Ein-halt gebieten müssen. … Wir müssen erkennen,dass wir – auch für unser Land – eine Aufgabe zuerfüllen haben.
ohl wahr, Herr Westerwelle. Aber warum hören wir ei-entlich nichts von Initiativen von Ihnen, um das voran-ubringen? Was haben Sie nun eigentlich nach fastinem Jahr in Ihrem Amt als Außenminister vorzuwei-en? Ihr Kabinettskollege Norbert Röttgen hat im Sternber Sie gesagt, Sie seien „irreparabel beschädigt“. Dasar sicher nicht nett von Herrn Röttgen; aber es ist na-ürlich wahr.
eit Sie Ihre Partei schneidig an die Wand gefahren ha-en, ist von Ihnen im Lande nichts mehr zu hören. Sieaben als Außenminister, Herr Westerwelle, im erstenmtsjahr keinen einzigen wahrnehmbaren Impuls ge-
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Sigmar Gabriel
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setzt. Deutschland hat sich unter Ihrer Führung als Ak-teur von der internationalen Bühne abgemeldet, und so-gar die Beamten im Auswärtigen Amt sind inzwischenverzweifelt über das, was Sie angerichtet haben.
Wir nutzen unsere Möglichkeiten nicht, wir verlierenGewicht in der Welt, und wir verspielen unser Ansehen,jeden Tag. Sie, Herr Westerwelle, haben viel dazu beige-tragen, dass Deutschland weiter unter Wert und weit un-ter seiner internationalen Bedeutung regiert wird.Frau Bundeskanzlerin, ob es um die Finanzmarkt-regulierung geht, die Bildung oder den Bundeshaushalt:Die Financial Times Deutschland hat schon recht, wennsie Ihnen am 2. September attestiert:Schwarz-Gelb probiert mal dies, mal jenes – und jenachdem, wie stark die Gegenströmung ist, wech-selt die Koalition die Richtung.
Den Beweis dafür haben Sie nirgends so drastisch er-bracht wie in der Energiepolitik. Nun könnte man sichdarüber lustig machen, meine Damen und Herren, wiedas von Ihnen selbst so hochgepriesene Energiekonzeptgerade von Ihren eigenen Ministern in der Regierungauseinandergenommen wird. Der Umweltminister hältes für verfassungswidrig. Herr Schäuble hat gestern ge-sagt: Wir schaffen Anreize für mehr Energieeffizienzund Energieeinsparung. Ich frage Sie, Herr Schäuble:Reden Sie eigentlich gelegentlich mit Ihrem Kabinetts-kollegen Ramsauer? Der hat sich gerade in Bausch undBogen gegen alle Effizienzmaßnahmen ausgesprochen,die in Ihrem angeblichen Konzept enthalten sind.
Ich weiß aus meiner Zeit als Umweltminister, HerrRamsauer ist wahrlich ein Filigrantechniker der Effi-zienz bei der Energiepolitik.
Ehrlich gesagt: Angesichts meiner Erinnerung daran,wie Sie ihn dabei unterstützt haben, finde ich es einengelungenen Täter-Opfer-Ausgleich, dass Sie sich jetztmit ihm herumschlagen müssen. Das finde ich ange-nehm.
Wissen Sie, was ich richtig gut an Herrn Ramsauerfinde? Er ist auch noch stolz darauf. Das finde ich wirk-lich bemerkenswert.
Kommen wir einmal zum Eingemachten. In der Ener-giepolitik schustern Sie vier Konzernen 100 MilliardenEuro zu. Herr Brüderle, Sie gerieren sich doch so gerneals Freund des Wettbewerbs und als Mittelständler. Siepredigen Wettbewerb, und in Wahrheit bedienen Sie dieOdaAwmdJvWdddvHaEsknndwuswfbktsnFiBFlih
Ich will mit Ihnen nicht über Sinn oder Unsinn dertomenergie streiten und auch nicht über die wirklichidersinnige Politik gegen einen der wichtigsten Leit-ärkte, die Deutschland aufzuweisen hat, nämlich dener erneuerbaren Energien. Wir könnten in den nächstenahren die derzeit vorhandenen 300 000 Arbeitsplätzeerdoppeln. Das haben Sie eben richtig ausgebremst.enn Sie wirklich glauben, den vier Konzernen die För-erung der erneuerbaren Energien anzuvertrauen, alsoer mittelständischen Wirtschaft,
ann glauben Sie bestimmt auch, Sie könnten Gänseom Sinn von Weihnachten überzeugen.
ier hat sich nur ein Interesse durchgesetzt: mit alten,bgeschriebenen Atomkraftwerken pro Tag 1 Millionuro zu verdienen. Sie haben wieder einmal einer Wirt-chaftslobby nachgegeben, mehr haben Sie nicht hinbe-ommen.
Frau Bundeskanzlerin, als wäre das, was Sie tun,icht schon schlimm genug, toppen Sie alles andereoch dadurch, wie Sie es machen. Jedem anderen hätteas übrigens die Schamesröte ins Gesicht getrieben. Daird monatelang über eine Steuer nicht in der Regierungnd nicht im Parlament verhandelt, sondern hinter ver-chlossenen Türen mit der Atomlobby. Und nächtensird bei den Energieversorgern noch einmal nachge-ragt, ob es denn auch genehm ist, was die Regierung daeschlossen hat. Als reichte das nicht schon aus, umlarzumachen, was Sie unter „Durchregieren“ verstehen,reffen Sie auch noch in Geheimverträgen Nebenab-prachen, die nur deshalb öffentlich werden, weil sich ei-er der Manager verplappert hat.
rau Kanzlerin, ist es das, was Sie auf Ihrer Energiereisem Sommer gelernt haben? Wenn ja, dann habe ich eineitte: Bleiben Sie im nächsten Sommer zu Hause.
rau Dr. Merkel, in allem Ernst: Tun Sie mir und uns al-en und Deutschland einen Gefallen: Benehmen Sie sichn der Politik wie eine Kanzlerin und nicht wie eine Ge-eimrätin!
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6037
Sigmar Gabriel
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Sie reden ja immer von der Sicherheit der Menschenin Deutschland, wenn Sie Verträge mit Atombetreibernaushandeln. Wissen Sie, alles, was Sie über Sicherheits-fragen wissen müssen, steht im Atomgesetz. Darin stehtauch, wer die Sicherheitsstandards zu setzen hat, werihre Einhaltung kontrolliert und wer die Kosten zu tra-gen hat. Deshalb hat man es als Umweltminister übri-gens leicht, sich gegen die Unziemlichkeiten von Bundes-wirtschaftsministerium und Kanzleramt durchzusetzen,wenn man das wirklich will. Glauben Sie mir, ich weiß,wovon ich rede.
– Das ist ganz einfach: Wenn Sie nicht wollen, dass einaltes Atomkraftwerk länger läuft, dann weisen Sie alsUmweltminister auf die Sicherheitstechnik hin. WennIhnen das Kanzleramt, die Frau Merkel, einen Briefschreibt und Sie auffordert, das Atomkraftwerk trotzdemlänger laufen zu lassen, dann sagen Sie einfach Nein.Schon haben Sie die Verfassung auf Ihrer Seite. So müs-sen Sie das machen, wenn Sie das nicht wollen.
Ich kann Ihnen ja einmal vorlesen, was Ihre Kanzlerinund Ihre Wirtschaftsminister gefordert haben. Biblis Asteht seit Jahren still, nicht weil wir es stilllegen wollten,sondern weil die Sicherheitstechnik nicht ausreicht. Siewollen die Laufzeit dieses Dings um acht Jahre verlän-gern. Das haben wir Ihnen verweigert, solange wir dieMöglichkeit dazu hatten. Das könnte Herr Röttgen heuteauch noch, aber er traut sich das nicht, weil ihm seinWahlkampf in NRW mehr wert ist als der Widerstandgegen den Unsinn, den Sie da produzieren.
Dass Sie am Umweltminister vorbei über die Reak-torsicherheit verhandeln, ist schon schlimm genug. DassSie gegen die Verfassung verstoßen wollen, weil Sie denBundesrat aushebeln, das mag bei Ihren Kollegen janoch Beifall finden; ich habe aber gehört: Der Bundes-tagspräsident hat eine ganz andere Einschätzung dazu.Aber, meine Damen und Herren von CDU/CSU undFDP, was finden Sie eigentlich gut daran, dass FrauMerkel die Regeln, die Sie im Parlament gesetzlichschaffen müssten, jetzt außerhalb des Bundestages in ei-nem Vertrag macht? Sie schaffen sich gerade selber ab.Sie klatschen auch noch Beifall für diese Politik.
Das ist doch der Unterschied zum rot-grünen Aus-stiegsvertrag mit der Atomindustrie.
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Sie merken überhaupt nicht, was Sie in Deutschlandnrichten. Noch nie hat sich eine Regierung so sehr zumandlanger von Großkonzernen degradiert. Deminanzminister machten Hoteliers und Großbankenteuervorschläge. Ihrem Gesundheitsminister führt dieharmaindustrie die Hand, wenn er Gesetzentwürfechreibt, und Sie machen im Bereich der Energiewirt-chaft mit vier großen Konzernen Verträge gegen denest der Republik. Ich sage Ihnen: Sie machen sich sel-er zur Kanzlerin der Konzerne. Das muss man Ihnenar nicht vorwerfen. Darauf scheinen Sie auch nochtolz zu sein.
Sie eröffnen erneut einen gesellschaftlichen Großkon-likt, den SPD und Grüne endlich befriedet hatten. Des-egen verspreche ich Ihnen: Das hat keine lange Lauf-eit. Wir werden dagegen demonstrieren. Wir werdenamit vor das Verfassungsgericht ziehen. Ich sage Ihnen:ei der nächsten Bundestagswahl endet die Laufzeit die-es Gesetzes ganz sicher.
Nein, das ist keine „Hetzrede“.
enn Sie meinen, dass das so eine ist, dann fragen Sieich, ob es Hetzerei ist, wenn man Sie darum bittet, Ge-etze im Bundestag und nicht außerhalb zu verhandeln.
Ihre Regierung, Frau Bundeskanzlerin, ist verant-ortlich für zwölf Monate politische Lähmung. Seit ei-em Jahr sind Sie gemeinsam mit Ihren Kabinettskolle-en auf einem Selbstfindungstrip. Gegen Ihre Regierungnd das, was Sie so über sich sagen, ist der Kinderladener 68er so diszipliniert wie eine preußische Kadettenan-talt.
Wie viele Neuanfänge möchten Sie der Republik ei-entlich noch zumuten? In Wirklichkeit fangen Sieichts neu an, sondern verletzen fortwährend das Gefühlür Fairness und Balance in unserem Land. Ihr Haushalträgt die Handschrift der Lobbyisten. Er zeigt, dass Sieicht bereit sind, alle in die Pflicht zu nehmen. Sogar derhef des CDU-Wirtschaftsrates, Herr Lauk, kritisiertie.
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6038 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Sigmar Gabriel
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Er sagt: Das Sparpaket hat eine soziale Schieflage. Undwo er recht hat, hat er recht. Sie, Frau Bundeskanzlerin,und Herr Westerwelle sind mit markigen Worten ange-treten. Den Zusammenhalt, Frau Dr. Merkel, wollten Siestärken. Ihre angeblich bürgerliche Koalition wollte bür-gerliche Werte stärken. Seit fast zwölf Monaten machenSie das genaue Gegenteil. Sie verstoßen gegen elemen-tare Wertvorstellungen in unserem Land, auch gegen dievon liberalen und konservativen Wählern. Fairness,Glaubwürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein findetman in Ihren zwölf Monaten Regierungsarbeit nicht.
Deshalb sind die bürgerlichen und liberalen Wähler fas-sungslos und wenden sich enttäuscht ab.Tun Sie bitte nicht so, als sei Ihr Kurs alternativlos. Esgibt durchaus Wege, die Schulden abzubauen und trotz-dem Impulse für Bildung und Investitionen zu geben.
Nehmen Sie die Besserverdienenden im Land in ihrepatriotische Pflicht, wie Herr Lauk das gefordert hat.
Erinnern Sie mutig daran, dass im Grundgesetz steht:„Eigentum verpflichtet.“ Nehmen Sie die unsinnigenSteuergeschenke an Hoteliers zurück, und führen Sie dieBrennelementesteuer nicht als Ablasshandel für langeLaufzeiten alter Atommeiler ein, sondern dafür, dassnicht die Steuerzahler 10 Milliarden Euro aufbringenmüssen, um marode Atommüllendlager zu sanieren, diedie Atomwirtschaft hinterlassen hat. Dafür ist die Brenn-elementesteuer gut.
Stoppen Sie die absurden Ausgabenwünsche fürHerdprämien und andere Spielarten einer verfehlten Bil-dungspolitik. Kürzen Sie stattdessen die wirklich unsin-nigen Subventionen im Umweltbereich, statt mit demRasenmäher die Energiesteuern zu erhöhen und damitwichtigen Exportindustrien das Leben schwer zu ma-chen. Auf diesem Weg können wir die Schulden abbauenund Fairness ins Land zurückkehren lassen. In Wahrheithat nämlich eine freiheitliche Wirtschaftsordnung keinendauerhaften Erfolg, wenn sie nicht auch mit sozialemAusgleich und sozialer Sicherheit verbunden wird.CDU/CSU und FDP scheinen das auch nach derFinanzkrise nicht verstanden zu haben. Sie machen dasGegenteil: Wer sie unter Druck setzt, bekommt, was erwill, und wer keine Lobby hat, bleibt auf der Strecke.Das ist das Markenzeichen Ihrer Regierung. DiesesStigma, Frau Bundeskanzlerin, werden Sie auch mit die-sem Haushalt nicht los.
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Sie können partiell mitklatschen; Sie sind nicht daranehindert. Damals waren Sie ja noch vernünftig.
Meine Damen und Herren, die Prognosen waren düs-er. Umso mehr freuen wir uns heute, glaube ich, alleber den breiten Aufschwung. Nach der mit Abstandchwersten Rezession der Nachkriegszeit ist Deutsch-and wieder auf Wachstumskurs. Die europäischerognose sagt uns für dieses Jahr sogar ein Wachstumon über 3 Prozent voraus.Das Allerwichtigste für uns und für mich ist aber,ass sich der Arbeitsmarkt in der schwersten Krise derachkriegszeit robust gezeigt hat und dass die Arbeitslo-igkeit wieder auf ein Niveau vor der Krise gesunken ist.as bedeutet etwas für Millionen von Menschen. Wiraben in den neuen Bundesländern seit 1991 zum erstenal eine Arbeitslosigkeit unter 1 Million.Meine Damen und Herren, da lohnt schon einmal einlick zurück. Als ich vor knapp fünf Jahren Bundes-anzlerin wurde – nach sieben Jahren Rot-Grün –, lagie Arbeitslosigkeit bei fast 5 Millionen. Heute sind esnapp über 3 Millionen. Vielleicht unterschreiten wiriese 3 Millionen noch. Das ist der Erfolg der Arbeit und
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6039
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
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auch der Erfolg der Arbeit der christlich-liberalen Koali-tion.
– Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was es da zu lachengibt. Ob 2 Millionen Menschen weniger arbeitslos sindoder nicht, das ist eine zentrale Frage der Gerechtigkeitin unserem Land. Wenn Sie über Gerechtigkeit und Soli-darität sprechen, dann ist Arbeit einer der entscheiden-den Punkte, um die es geht.
Wir haben natürlich in den letzten zehn Monatenwichtige Weichenstellungen vorgenommen. Wir habeneine Kreditklemme verhindert. Wir haben Familien mehrKindergeld gegeben.
Vielleicht erinnern Sie sich auch einmal daran. Wir ha-ben eine Rekordsumme von 12 Milliarden Euro in dieVerkehrsinfrastruktur gesteckt. Wir haben die Konjunk-turprogramme vorangebracht. Wir haben die Lohnzu-satzkosten stabilisiert, um Arbeit zu erhalten. Das alleshat dazu geführt, dass wir heute die Wachstumslokomo-tive in Europa sind, meine Damen und Herren. Damitwird Deutschland seiner Verantwortung gerecht.
Richtig ist aber auch, dass noch ein großes Stück Wegvor uns liegt, bis wir wieder einen nachhaltigen weltwei-ten Aufschwung gesichert haben. Wir als christlich-libe-rale Koalition wissen, vor welchen Aufgaben wir in dennächsten Jahren stehen: der veränderte Altersaufbau un-serer Gesellschaft, der globale Wettbewerb, der zunimmt– ich nenne China und Indien als Stichworte –, sowie dieAufgaben, die sich aus den begrenzten Ressourcen undden Aufgaben des Klimaschutzes ergeben.Auf keine dieser Herausforderungen Sie sind einge-gangen, Herr Gabriel, geschweige denn, dass Sie ir-gendeinen Lösungsvorschlag gemacht haben.
Deshalb beobachten wir mit Interesse, wie Sie Schritt fürSchritt eine Rolle rückwärts machen, statt in die Zukunftzu blicken. Wir sagen: Dies ist der Herbst der Entschei-dungen für wichtige Weichenstellungen in Deutschlandfür das neue Jahrzehnt zwischen 2010 und 2020. Das istunser Anspruch, und dem werden wir gerecht.
Meine Damen und Herren, dabei sind solide Finan-zen einer der Kernbausteine. Warum? Weil das für dieMenschen bedeutet, dass sie keine Inflationsängste ha-ben müssen, dass die, die wenig haben, nicht auch nochdurch die Inflation enteignet werden, und dass wir Spiel-rwvsbfgdhdPbä–snlksfI1uOdEdFDuuDvBdrnd
Hören Sie doch einmal zu. Wenn 2 Millionen Men-chen weniger arbeitslos sind, dann haben davon zu-ächst einmal Millionen von Familien profitiert. Viel-eicht könnten Sie das einmal zur Kenntnis nehmen.
Eines ist doch klar: Wir brauchen Spielräume für Zu-unftsinvestitionen. In dem Haushalt des Jahres 2010ind ungefähr 72 Prozent fixe Ausgaben: für Soziales,ür Personal und für Zinsen. Nur 28 Prozent bleiben fürnvestitionen und politische Zukunftsgestaltung übrig.991 waren das noch über 43 Prozent. Meine Damennd Herren, da müssen wir wieder hin. Es ist nicht inrdnung, wenn die Ausgaben für Zinsen höher sind alsie Ausgaben für Investitionen.
s ist nicht in Ordnung, wenn die Ausgaben für Zinsenoppelt so hoch sind wie die Ausgaben für Bildung undorschung.
as werden wir ändern, weil wir an die Zukunft denkennd uns nicht in der Gegenwart aufhalten, meine Damennd Herren.
arauf habe ich gestern und heute keine einzige Antworton Ihnen gehört.
Wenn man sich manche Landeshaushalte ansieht, zumeispiel den von Nordrhein-Westfalen,
ann hat man den Eindruck: Das findet alles im luftlee-en Raum statt und hat mit der realen Welt überhauptichts mehr zu tun. Genau das werden wir Ihnen nichturchgehen lassen, Herr Gabriel.
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Wir nehmen einige Bereiche ganz bewusst aus. Wirsparen nicht bei Bildung und Forschung,
weil wir wissen, dass hier unsere Zukunft liegt.
Wir sparen nicht bei der Kinderbetreuung, sondern set-zen den Ausbau weiter fort, so wie wir begonnen haben.Wir sparen nicht bei den Investitionen.
Was noch ganz wichtig ist: Wir setzen durch das, waswir tun, neue Anreize, Arbeit aufzunehmen, weil ArbeitWohlstand für die Menschen bedeutet. Das ist unserZiel, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, natürlich hat die Finanz-krise tiefe Spuren hinterlassen. Wir haben uns im Früh-jahr ganz wesentlich auch mit der Frage einer stabilenWährung zu befassen gehabt.
Ich will daran erinnern: Hätten wir den Euro in dieserKrise nicht gehabt, wäre gerade eine Exportnation wieDeutschland von den Währungsturbulenzen in unseremHauptexportmarkt, nämlich in Europa, sehr stark beein-flusst worden. Das heißt, der Euro hat uns geholfen,durch die Krise zu kommen.
Aber die Krise hat auch zutage gefördert, dass die So-lidität der Haushalte und die Wachstumskräfte in der Eu-ropäischen Union nicht gleich verteilt sind, dass wirgroße Ungleichgewichte haben und dass man an ver-schiedenen Stellen nicht entsprechend dem Stabilitäts-und Wachstumspakt gearbeitet hat.Ich will nur daran erinnern: Die Sozialdemokraten ha-ben bezüglich des Euro zweimal historisch versagt.
Das erste Mal war, als Bundeskanzler Schröder 2004 denStabilitätspakt, im Übrigen gegen das Votum seines eige-nen Finanzministers, aufgeweicht hat
und damit viel kraftloser gemacht hat; das war das erstehistorische Versagen.
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Wenn wir uns schon richtigerweise innenpolitischtreiten – das gehört zwischen Opposition und Regierungazu –, dann hätte man wenigstens erwarten können, dassie bei den Verhandlungen mit Griechenland und überen Euro-Schutzschirm deutsche Interessen vertreten,
ass Sie sich dafür einsetzen, dass der IWF einbezogenird,
ass in Griechenland eine Haushaltskonsolidierung statt-indet, dass die Länder sparen und dass wir im Interesseines stabilen Euro unsere Stabilitätskultur auch in Eu-opa verankern, meine Damen und Herren.
as wäre Ihre Pflicht gewesen.
Herr Poß, hören Sie auf zu schreien. Ja, ich habe zweionate gebraucht, um Europa davon zu überzeugen,
ass erst einmal die Länder selbst sparen müssen
nd dass erst dann die Solidarität der Gemeinschaftommt. Wenn Sie hier geholfen hätten, dann wäre esielleicht schneller gegangen, aber das haben Sie nichtetan, und deshalb hat es so lange gedauert.
Was die Regulierung der Finanzmärkte und dieehren aus der Krise anbelangt, sind wir noch nicht amnde, aber wir haben einiges erreicht:Es gibt jetzt eine europäische Finanzaufsicht, deruch die Ratingagenturen unterstellt sind. Auch wenn
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wir internationale Kritik bekommen haben: Es war rich-tig, dass wir mit dem Verbot von Leerverkäufen voran-gegangen sind, um ein Zeichen dafür zu setzen, dassman nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten kann.Wir haben einen Restrukturierungsfonds eingerichtet,um die Bankeninsolvenzen zu bearbeiten, und wir habeneine Bankenabgabe eingeführt.Sie erzählen darüber, wer dadurch belastet wird undwer nicht. Schauen Sie sich doch die Details an. Es istvollkommen klar: Je risikobehafteter das Kapital ist unddie Geschäfte sind, umso mehr Abgabe muss gezahltwerden, damit in Zukunft nicht mehr der Steuerzahlerfür solche Krisen eintreten muss, sondern die Bankendas selber tun müssen.
Wir werden auch weiter für die Besteuerung der Fi-nanzmärkte arbeiten. Der Bundesfinanzminister tut diesin vielen, vielen Gesprächen, und wir werden versuchen,möglichst viele Länder davon zu überzeugen. Leider istdie Welt nicht immer so, wie wir sie uns wünschen.
Auch das gehört zum Betrachten der Realität. Aber wirgeben nicht auf und bohren das dicke Brett. Es war auchrichtig, dass jetzt die Eigenkapitalvorschriften verbessertwerden.
Wir erwarten von der EU, dass sie die Derivatemärkteordentlich regelt. Wir als Staat müssen aus den krisenbe-dingten Beteiligungen in Deutschland Schritt für Schrittaussteigen.All das ist auf dem Weg, aber es bleibt noch viel Ar-beit vor uns.
Wir bleiben bei dem Credo: Jedes Produkt, jeder Akteurund jeder Finanzmarktteilnehmer muss reguliert sein,damit wir einen Überblick darüber haben, was auf denFinanzmärkten geschieht.
Das ist die soziale Marktwirtschaft, wie wir sie in derRealwirtschaft seit Jahrzehnten kennen, und das mussauch für die Finanzwirtschaft in gleicher Weise gelten.
Zu den Zukunftsaufgaben gehört zweitens die Siche-rung der Zukunft der sozialen Sicherungssysteme. Hiermuss man einfach feststellen, dass die Veränderungen imAltersaufbau von einigen in diesem Hause überhauptnicht zur Kenntnis genommen werden. Schauen wir unsd36wdwtmdhntlwddz„RRmekimsDesMw––FuD
Wir werden das Gesetz Ihres früheren Bundesarbeits-inisters Franz Müntefering,
er bitter über Ihren Kurs enttäuscht ist – das wird manier ja einmal festhalten dürfen –, umsetzen. Wir werdenatürlich einen Bericht über die Erwerbstätigkeit der Äl-eren erstellen, und wir stellen fest, dass sich diese in denetzten Jahren verdoppelt hat. Das ist der Erfolg, auf demir aufbauen. Denn es gibt keine Alternative dazu, je-enfalls keine vernünftige,
ass man sagt: „Wenn die Lebenserwartung steigt“ – inehn Jahren steigt sie um durchschnittlich zwei Jahre –,dann muss sich das auch im Erwerbsleben und in derente niederschlagen“, wenn man möchte, dass dieente der Lohn für die Lebensleistung bleibt, und dasöchten wir im Gegensatz zu anderen, die die Realitätinfach nicht akzeptieren, meine Damen und Herren.
Ein mindestens ebenso sensibler Bereich ist die Zu-unft des Gesundheitssystems. Wir wissen: Wenn wirn einer alternden Gesellschaft leben, wenn wir mehredizinische Möglichkeiten haben, dann ist es wahr-cheinlich die schwierigste Aufgabe – wir erleben dieseiskussion ja in allen Industrieländern –,
in gerechtes, faires, bezahlbares und gutes Gesundheits-ystem auf Dauer zu erhalten.Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir denenschen sagen: Wenn wir keine Zweiklassenmedizinollen – –
Ich weiß nicht, ob Sie sie wollen; ich will sie nicht.
Wir wollen sie nicht.
ür uns ist es Ausdruck der sozialen Marktwirtschaftnd unseres Bildes von Menschen, dass die Menschen ineutschland wissen: Sie haben eine sichere Gesund-
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heitsversorgung, und zwar für jeden, egal, ob arm oderreich.
– Mir fällt auf, dass die FDP jetzt gleich mitklatscht,weil sie das genauso will wie wir.
Die FDP hat eine Eigenschaft: Sie wartet immer, bis ichzum Ende des Satzes komme, und klatscht nicht einfachzwischendrin.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Thema ist zuernst.
Hier gibt es eine gewisse Neigung, über zentrale The-men nicht mehr mit der notwendigen Ernsthaftigkeit zusprechen.
Das Thema der Gesundheitsversorgung ist zu ernst, alsdass es hier in irgendwelchem Gebrüll untergehen sollte.Ich sage noch einmal: Die Gesundheitskosten werdensteigen, auch die medizinischen Möglichkeiten. Darausergibt sich die Frage: Wie können wir das solidarisch be-zahlbar machen?
Ich sage Ihnen, dass es nicht möglich sein wird, wie wires Jahrzehnte gemacht haben, wie es sich bewährt hatund wie wir es auch erhalten wollen, wie es heute ist,dass wir die paritätische Finanzierung, das heißt dieKopplung an die Arbeitskosten, voll aufrechterhalten.
Denn entweder geraten sonst Arbeitsplätze im interna-tionalen Wettbewerb in Gefahr, oder aber die Finanzie-rung der Gesundheitskosten steht nicht in dem notwendi-gen Umfang zur Verfügung. Deshalb sagen wir – das istSolidarität –:
Wir entkoppeln für die aufwachsenden Kosten die Ar-beitskosten und die Gesundheitskosten stärker. Wir sor-gen dafür, dass niemand mit dem, was er zahlen muss,überfordert wird, indem wir eine Grenze einlegen. Dannmachen wir den Solidarausgleich nicht mehr nur von densozialversicherungspflichtig Beschäftigten bis zur Bei-tlrddtnFseWwnbueAwükasIkkhfaUnJgkmWm
Wenn Sie glauben, Sie können sich da noch ein, zwei,rei Jahre durchmogeln, dann sage ich Ihnen: Wir stellenie Weichen für die Zukunft. Vertrauen in Politik resul-iert auch daraus, dass Menschen berechenbare Verhält-isse haben und wissen, was auf sie zukommt. Auch dieragen, was mir eine Krankenkasse bietet, welche Ent-cheidungsmöglichkeiten ich habe und wie ich präventivtwas für meine Gesundheit tun kann, gehören dazu. Dieahlmöglichkeiten für die Patienten müssen gestärkterden. Anders geht es in einer modernen Gesellschafticht, meine Damen und Herren.
Drittens. Wir müssen etwas gegen die Langzeitar-eitslosigkeit
nd etwas für diejenigen Familien tun, deren Kinder ininer schwierigen Situation sind.
uf der einen Seite gibt es einen Fachkräftemangel – dasird überall beklagt –, und auf der anderen Seite gibt esber 2 Millionen Menschen, die erwerbsfähig sind undeinen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Das sind vorllen Dingen alleinerziehende Mütter, und das sind Men-chen über 50 Jahre.
ch finde mich nicht damit ab, dass wir einerseits Pflege-räfte von überall her holen müssen, und andererseits er-lären müssen, dass über 2 Millionen Menschen, dieeute keine Erwerbsmöglichkeit haben, per se nicht da-ür geeignet sind. Deshalb geht es darum, die Langzeit-rbeitslosigkeit abzubauen, und zwar ganz entschieden.rsula von der Leyen als Bundesarbeitsministerin tut ge-au dies.Herr Trittin, vielleicht darf ich Sie daran erinnern: Imahr 2006, als wir fast 5 Millionen Arbeitslose hatten,ab es weniger Eingliederungshilfen, als wir heute mitnapp über 3 Millionen Arbeitslosen und nächstes Jahrit um die 3 Millionen Arbeitslosen haben.
er da von sozialem Kahlschlag spricht, der lügt – souss man es sagen –, der sagt einfach die Unwahrheit.
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In der Großen Koalition war es immer auskömmlich. Beimehr Arbeitslosigkeit mussten wir weniger Geld pro Ar-beitslosem ausgeben als heute. Wir werden dieses Geldsogar noch effizienter einsetzen.Wenn wir uns den Bundeshaushalt anschauen, dannstellen wir fest, dass die 40 Milliarden Euro, die wir fürLangzeitarbeitslose und ihre Familien ausgeben müssen,genau der Teil des Haushalts sind, aus dem wir Zukunftformen können, indem wir Menschen wieder eine Ar-beitschance geben und damit die Ausgaben in diesemBereich senken. Kein anderer Bereich des Bundeshaus-halts eignet sich dafür. Deshalb ist unsere Hauptaufgabe,die Langzeitarbeitslosigkeit anzugehen und Hartz-IV-Empfängern wieder bessere Vermittlungsmöglichkeitenzu geben. Glücklicherweise haben wir in der Frage gutzusammengearbeitet, als es um die Neuregelung der Job-center ging. Deshalb wird bei der Umsetzung des Bun-desverfassungsgerichtsurteils Ursula von der Leyen vorallen Dingen auch etwas für die Kinder aus diesen Fami-lien tun. Dabei bitte ich um Ihre tätige Mithilfe, wennwir das bis zum Beginn des Jahres auf die Reihe bringen.
Wir sagen: Bildung ist der Schlüssel für Teilhabe ander Gesellschaft. Wie wir gestern aus der Shell-Studieerfahren haben, gibt es 10 bis 15 Prozent Kinder, für diediese Teilhabe noch nicht gilt und die frustriert sind.
– Ja, trotz elf Jahren sozialdemokratischer Regierung, indenen Sie immer den Arbeitsminister gestellt haben, hates nicht geklappt.
Es gibt halt Probleme, an denen wir noch weiter arbeitenmüssen, und wir werden entschieden daran arbeiten.Wir sagen zum ersten Mal: Wir wollen Sachleistun-gen, damit Bildung auch bei den Kindern ankommt. Aufdieser Basis wird Ursula von der Leyen Vorschläge ma-chen. Das ist richtig und gut.
Der vierte Punkt hat etwas damit zu tun, ob wir Indus-triestandort bleiben werden, ob wir uns als Industrielandmodernisieren werden oder nicht. Das ist die Energie-politik.
Die Energiepolitik ist klar ein wesentliches Element derZukunft unseres Landes. Dabei muss man die Frage be-antworten, wie wir den Wandel in diese Zukunft gestal-ten. Wir haben Ihnen dafür ein Energiekonzept vorge-legt. Dieses Energiekonzept beruht seit langer Zeit zumersten Mal auf klaren Analysen, wie sich die Entwick-lung gestalten wird, soweit man dies für 10, 20 oder30 Jahre vorhersagen kann.
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ieses Ziel heißt für uns: Wir wollen das Zeitalter derrneuerbaren Energien erreichen, aber so, dass Wirt-chaft und Umwelt zusammenkommen, statt gegenein-nder ausgespielt zu werden. Das ist unser Konzept.
Dieses Konzept werden wir am 28. September in deregierung verabschieden und in der nächsten Sitzungs-oche hier debattieren. In diesem Energiekonzept gibts Brückentechnologien, ja.
as ist die Kernenergie; das sind die Kohlekraftwerke.ie brauchen wir, und wir tun den Menschen keinen Ge-allen, wenn wir so tun, als ob wir das alles nicht mehrrauchen, den Bau jedes modernen Kohlekraftwerkserhindern und aus ideologischen Gründen die Kern-raftwerke abschalten.
as ist nicht unser Zugang. Wir machen es wirtschaft-ich vernünftig, weil das Arbeitsplätze für Deutschlandichert.
Wir wollen bis 2050 80 Prozent erneuerbare Ener-ien. Wir wollen die Energieeffizienz so verbessern,ass wir bis 2050 den Energieverbrauch halbieren kön-en. Wir wissen um unsere Aufgaben bei den Klima-chutzzielen, und wir brauchen eine neue Netzinfra-truktur, Mobilität und Energieforschung. All das hat dieundesregierung erarbeitet, oder sie wird es erarbeiten.Was in der Diskussion auftaucht, ist zum Teil sehrbenteuerlich.
ie haben damals im Zusammenhang mit dem Ausstiegit den Elektrizitätsversorgungsunternehmen einen Ver-rag geschlossen, in dem Sie den Stand der Sicherheitanifestiert haben, während wir im Atomgesetz mehr
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Sicherheit für Kernkraftwerke verankern wollen. Dasist die Wahrheit.
Sie haben sich überhaupt nicht mehr um die Entsorgunggekümmert.
– Herr Trittin, Sie haben nachher das Wort. Wir wollender Wahrheit die Ehre geben.
Für die schwach radioaktiven Abfälle haben Sie amSchacht Konrad weitergearbeitet.
– Im eigenen Wahlkreis, ganz toll. – Damit haben wir in-zwischen wenigstens für Röntgenbilder und Ähnlichesein Lager in Deutschland. Für schwach radioaktive Ab-fälle haben wir das.
Aus Ihrem Schreien spricht doch nur Ihr schlechtesGewissen.
Sie haben damals ein drei- bis zehnjähriges Morato-rium für Gorleben verhängt. Sie haben sich um die Ent-sorgung der stark radioaktiven Abfälle überhaupt nichtmehr gekümmert und tun heute so, als wäre es unsereSchuld, dass es so etwas noch nicht gibt. Wir heben dasMoratorium auf. Wir erkunden ergebnisoffen weiter,weil wir verantwortlich handeln und nicht den Kopf inden Sand stecken, wenn es um radioaktive Abfälle geht.
Es ist richtig – Ihre Zahlen kann ich aber nicht nach-vollziehen –: Durch die Verlängerung der Laufzeiten vonKernkraftwerken entstehen zusätzliche Gewinne. Weildie Unternehmen damals einen Deal mit Ihnen gemachthaben und sich darauf eingelassen haben, auf GewinnezVeutsDgdfreaAbdDfWfauftEdgnHog–w
m erneuerbare Energien zu fördern, und zwar nicht un-er der Ägide der EVU, sondern durch einen Fonds, des-en Verwendung wir bestimmen.
amit verbessern wir die Einführung erneuerbarer Ener-ien in Deutschland. Es kann schneller gehen, weil wirie Brückentechnologie vernünftig nutzen.
So wird es uns dann auch gelingen, die Technologie-ührerschaft Deutschlands – diese besteht in vielen Be-eichen; daran haben viele mitgearbeitet – bei den erneu-rbaren Energien weiterzuentwickeln und weiter führenduf dem Weltmarkt zu bleiben. Wenn wir heute großenteile am weltweiten Export bei der Windenergie ha-en, dann ist das gut für Deutschland. Dann ist das Mo-ernisierung.
as hat etwas mit Technologieführerschaft zu tun.Ich möchte noch einen Moment bei der Technologie-ührerschaft bleiben.
enn man in Deutschland herumfährt, dann stellt manest, dass jeder für erneuerbare Energien ist. Wenn ichber nach Baden-Württemberg komme
nd ein Laufwasserkraftwerk besichtige, dann stelle ichest, dass die Grünen oder jedenfalls ihre Sympathisan-en als Erste dagegen sind, weil man natürlich keineningriff in die Natur will. Wenn ich in den Norden fahre,ann stelle ich fest, dass es laufend Demonstrationen ge-en 380-Kilovolt-Leitungen gibt. Jeder möchte zwar er-euerbare Energien, aber keine neue Leitung.Es kann nicht sein, dass die ganze linke Seite diesesauses nichts dazu beiträgt, dass der Technologiestand-rt Deutschland wirklich zum Leben erweckt wird, undegen alles und jedes ist.
Herr Kelber, die ganzen schönen Offshore-Standorteerden uns nichts nutzen, wenn der Strom anschließend
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nicht dorthin kommt, wo er gebraucht wird. Da habenSie genauso wie alle anderen die Pflicht, dafür Sorge zutragen und den Menschen zu erklären, dass neue Infra-struktur gebaut werden muss, um neue Technologieneinzuführen.
Damit komme ich zu einem anderen Projekt, das auchdie Gemüter bewegt. Die Grünen sind immer für dieStärkung der Schiene. Wenn es aber einmal um einenneuen Bahnhof geht, sind sie natürlich dagegen.
Die SPD war jahrelang für Stuttgart 21.
Jetzt, wo man ein bisschen dafür kämpfen muss, fangenSie an, dagegen zu sein. Diese Art von Standhaftigkeitist genau das, was Deutschland nicht nach vorne bringt.Wir wollen etwas anderes.
Bei völlig rechtmäßig getroffenen Entscheidungenbraucht man keine Bürgerbefragung in Stuttgart. Viel-mehr wird genau die Landtagswahl im nächsten Jahr dieBefragung der Bürger über die Zukunft Baden-Württem-bergs, über Stuttgart 21 und viele andere Projekte sein,
die für die Zukunft dieses Landes wichtig sind. Das istunsere Aussage.
Wir werden eine große Debatte über die Zukunftsfä-higkeit Deutschlands führen. Einen Tunnel von Baselnach Karlsruhe oder was weiß ich von wo nach wobauen zu wollen, aber nicht einmal aus einem Sackbahn-hof einen Untergrundbahnhof, einen Bahnhof unter derErde zu machen, ist verlogen, Herr Trittin.
Als in Berlin ein Nord-Süd-Tunnel gebaut wurde, warenSie dafür. Wenn es jetzt Proteste gibt, dann sind Sie da-gegen. So kann man Deutschlands Zukunft nicht gestal-ten, meine Damen und Herren.
Wir werden uns in der Koalition natürlich auch denaußen-, sicherheits- und innenpolitischen Aufgaben stel-len.
–WduawdIBeädmwDHodaGacTduuwedbfwWeSktjeufus
Ich sage Ihnen: Wenn wir im November die zweitend die dritte Lesung des Haushaltes haben, wenn wirls christlich-liberale Koalition ein Jahr im Amt seinerden,
ann werden wir Ihnen an den Entscheidungen, die ichhnen heute hier genannt habe – auf die Zukunft derundeswehr gehe ich gleich ein –, zeigen können, dassin Jahr christlich-liberale Koalition dieses Land so ver-ndern wird,
ass wir die Aufgaben für die Zukunft endlich ernst neh-en und nicht weiter von Tag zu Tag leben. Das ist das,as die Menschen spüren.
ie Menschen in diesem Land spüren das ganz genau.err Gabriel, ich bin bei Ihnen, dass Menschen im Landft sagen: Wissen die noch von unseren Sorgen? Kennenie unser Problem? Wissen die, wie lange man vielleichtuf einen Arzttermin wartet? Wissen die, wie das mit derewalt und der Sicherheit auf der Straße ist? – Es nütztber nichts, die Rente mit 67 wieder rückgängig zu ma-hen, weil ich dadurch bei meinen Versammlungen dreiage lang schönes Wetter kriege. Die Aufgabe heißtoch vielmehr, eine verantwortliche Politik zu machennd mit den Menschen darüber zu sprechen, was richtignd wichtig für unsere Zukunft ist. Das machen wir.
Das machen wir in der Frage der Bundeswehr, indemir fragen, ob das, was uns allen – jedenfalls wenn ichinmal für die Union sprechen kann – lieb ist, nämlichie Wehrpflicht, die wir viele Jahrzehnte lang für richtigefunden haben, noch notwendig und machbar ist. Wirragen: Werden wir den sicherheitspolitischen Verant-ortungen gerecht, die in einer neuen und verändertenelt bestehen?Wir machen das auch bei der Frage, wie viel individu-lle Freiheit wir im Internet brauchen und wie vielchutz wir dafür brauchen. All das ist Neuland. Hier hateiner sofort die Lösungen parat. Darüber muss disku-iert werden. Wenn in diesem Land jede Diskussion undeder Meinungsaustausch ein Streit ist, dann muss esben Streit sein. Ohne solche Diskussionen, Diskursend Dispute werden wir nicht die richtigen Antworteninden. Wir stehen dazu. Zum Schluss wird entschieden,nd es wird durch Mehrheit das gemacht, was wir insge-amt für richtig befinden.
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6046 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
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Ich bin auch sehr dafür, das wir nicht mit Ressenti-ments arbeiten, aber ich sage auch: Man kann unter-schiedlicher Meinung darüber sein, aber wenn Sie eineLeistung für Mütter in Familien, die ihre Kinder zuHause erziehen, einfach als Herdprämie diffamieren,dann leisten Sie einen Beitrag zu Ressentiments, die wirnicht wollen.
Auch das Thema der Integration ist ein Thema, beidem man mit Ressentiments nicht weiterkommt. UnsereGesellschaft verändert sich. Etwas weniger als 20 Pro-zent der Bevölkerung haben einen Migrationshinter-grund. Wenn wir diese Menschen integrieren wollen,dann müssen wir auch sehen, dass sich dadurch unsereGesellschaft verändert. Wir können daraus etwas Gutesmachen. Im Übrigen gibt es viele gelungene Beispiele.Es gibt 600 000 Selbstständige mit Migrationshinter-grund und 2 Millionen Arbeitsplätze in diesem Bereich.Das soll man nicht verschweigen.Es gibt aber auch riesige Probleme. Hierzu sage ichganz einfach: Wir haben Fehler gemacht. Wir habenvielleicht zu lange von Gastarbeitern gesprochen undnicht zur Kenntnis genommen, dass sie in der zweiten,der dritten oder der vierten Generation bei uns leben. Sieaber haben von Multikulti geredet, ohne zu sagen: Inte-gration ist Fordern und Fördern, und zwar ein Fordern ingleicher Größenordnung. Das haben Sie viele Jahre langvöllig vernachlässigt.
Ich habe die Integrationsbeauftragte ins Kanzleramt ge-holt.
Wir waren es, die Integrationskurse verpflichtend ge-macht haben. Wir waren es, die gesagt haben: Wer zuuns zieht, der muss auch unsere Sprache können, damiter sich in dieser Gesellschaft bewegen kann. Wir habendie Verpflichtung, an den Schulen deutsch zu sprechen,und die Sprachtests eingeführt.
Nichts kam von dieser Seite des Hauses. Da hilft auchdas Schreien im Nachhinein nicht.
Deshalb werden wir als Bundesregierung am 3. No-vember wieder einen Integrationsgipfel veranstalten.
Ich werde mit den Ministerpräsidenten bei dem jährli-chen Treffen im Dezember über Fragen der Integrationsprechen. Ja, es ist richtig: Es gibt zu viele Vollzugsdefi-zite. Wer nicht zum Integrationskurs geht, obwohl erdsutWwtMskuGmDBirgkiudzdtMLdgmRLwenBwzlwndfzw
nd zwar um 30 Prozent, 60 Prozent bis hin zu Sachleis-ungen.
ir werden überprüfen, ob das wirklich überall gemachtird, weil Strenge und striktes Fordern auch bei der In-egration die notwendige Voraussetzung dafür sind, dassenschen hier ihre Chancen bekommen und an der Ge-ellschaft teilhaben. Ich will das, weil wir ansonsteneine menschliche Gesellschaft sind.
Vor 20 Jahren hat eine christlich-liberale Koalitionnter der Führung von Helmut Kohl, Hans-Dietrichenscher und Theo Waigel die deutsche Einheit mitutigen Entscheidungen möglich gemacht.
ie Bürgerbewegung der ehemaligen DDR hat ihreneitrag dazu geleistet, genauso wie die vielen Menschenn den neuen Bundesländern, die die völlige Verände-ung ihres Lebens durch erhebliche Kraftanstrengungenemeistert haben und heute riesige Erfolge verzeichnenönnen. Ihren Beitrag haben auch Millionen Menschenn der alten Bundesrepublik geleistet, die Solidarität fürnser Vaterland gezeigt haben. Ich glaube, dass wir iniesem Land auf dieser Grundlage auch für die nächstenehn Jahre die Weichen richtig stellen können. Wenn wirie Herausforderungen analysieren, wenn wir den Reali-äten ins Auge sehen, wenn wir die Kraft haben, dieenschen zu gemeinsamen Anstrengungen für diesesand zu motivieren, dann haben wir diese Chance.Die christlich-liberale Koalition ist eine Koalition, dieen Menschen in diesem Lande etwas zutraut, dielaubt, dass die Menschen ihren Beitrag für unser Ge-einwesen leisten wollen, die glaubt, dass, wenn wir dieahmenbedingungen setzen, sich Leistung in diesemande lohnt, dass, wenn wir den Schwächeren helfen, et-as leisten zu können, Teilhabe für alle möglich ist. Obs Menschen im Ehrenamt sind, ob sie vielleicht in ei-em freiwilligen Wehrdienst sind oder ob im sozialenereich Ältere freiwillig mit Jüngeren arbeiten – wirerden alle brauchen, um diese Gesellschaft menschlichu gestalten. Wer den Eindruck erzeugt, dies könne al-ein der Staat tun, hat ein falsches Menschenbild. Nurer den Menschen etwas zutraut und sie motiviert, sichicht nur für ihre eigenen Interessen einzusetzen, son-ern auch an die Gemeinschaft zu denken, wird es schaf-en, dieses Land zu einem weiterhin wohlhabenden Landu machen. Das ist unser Ansatz. Das wollen wir. Dasird die christlich-liberale Koalition auch schaffen.Herzlichen Dank.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6047
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
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Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi für
die Fraktion Die Linke.
Herr Bundestagspräsident! Meine sehr verehrten Da-
men und Herren! Frau Bundeskanzlerin Merkel, ich
muss Ihnen ja eines lassen: Sie haben heute hier ein be-
achtliches Kämpfertum gezeigt. Zu welchen Fähigkeiten
Frust und Verzweiflung doch so führen können!
Auf der anderen Seite muss ich Ihnen sagen, Frau
Merkel, dass Sie einen Eid geleistet haben, und zwar
Schaden vom deutschen Volk zu wenden und Gerechtig-
keit gegenüber jedermann zu üben. Ich muss Ihnen sa-
gen, dass Sie diesen Eid permanent verletzen. Sie sind
keine Kanzlerin der Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer, der Rentnerinnen und Rentner, der Hartz-IV-Emp-
fängerinnen und Hartz-IV-Empfänger
und auch nicht der kleinen und mittleren Unternehmerin-
nen und Unternehmer. Sie sind die Bundeskanzlerin der
Bankenlobbyisten, der Pharmalobbyisten, der Lobbyis-
ten der privaten Krankenversicherung und nun in einem
kaum vorstellbaren Ausmaß auch der Atomlobbyisten.
Lobbyisten entscheiden in Deutschland inzwischen
darüber, was sie bekommen und was sie zu leisten bereit
sind. Wenn diese das nicht zugestehen, passiert das
Ganze auch nicht.
Herr Kollege Gysi, darf ich Sie einen kleinen Augen-
blick unterbrechen? – Ich appelliere an die Kolleginnen
und Kollegen, die noch nicht genau wissen, ob sie dem
weiteren Verlauf der Debatte folgen können oder wollen,
oder jedenfalls nicht wissen, von wo aus, Kollegen
Flosbach und Dautzenberg zum Beispiel! Hallo!
Herr Präsident, die Uhr läuft die ganze Zeit weiter.
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Ich sage es ganz offen: Diese Bundesregierung haturch ihre Art der Politik die freiheitlich demokratischerundordnung der Bundesrepublik Deutschland gefähr-et. Wenn dieses komische Bundesamt für Verfassungs-chutz etwas taugte, dann würde es sich um die Regie-ung kümmern und nicht um die Linke;
enn die Linke ist eine Bereicherung für die freiheitlichemokratische Grundordnung in Deutschland.
Aber es hat sich in unserer Gesellschaft etwas verän-ert. Was sich verändert hat, wird bei Stuttgart 21 deut-
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6048 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Dr. Gregor Gysi
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lich. Sie haben hier vom Tunnelbau erzählt. Sie wollenMilliarden in einem sinnlosen Projekt versenken, obwohles viel günstigere Varianten gibt. Dazu stehen Sie bloßnicht. Aber das Interessante ist etwas anderes. Alle Ver-träge sind geschlossen. Man sagt: Rechtlich ist gar nichtsmehr zu machen. – Früher führte so etwas dazu, dass dieBürgerinnen und Bürger jeden Widerstand aufgaben undsich sagten: Es hat ja keinen Sinn mehr. – Dann kamenbloß noch hundert Leute; es wurde irgendwie langweilig.Heute werden es täglich mehr. Die lassen sich das nichtmehr bieten.
Es gibt einen rebellischen Geist in der Bevölkerung, unddas nehmen Sie nicht zur Kenntnis.Frau Bundeskanzlerin, Sie haben nach Ihren Verhand-lungen mit der Atomlobby von einer Energierevolutiongesprochen. In Wirklichkeit haben Sie natürlich nur ge-sellschaftspolitische Auseinandersetzungen provoziert.Dann haben Sie gesagt, Sie hätten endlich Langfristig-keit hineingebracht, nämlich bis zum Jahr 2050. Wiekommen Sie denn darauf, noch im Jahr 2050 Kanzlerinzu sein? Schon im Jahr 2013 wird sich das ändern, unddann wird das ganze Gesetz wieder gekippt werden.
Ich sage nur zwei Dinge inhaltlich dazu:Erstens. Die Frage des Endlagers ist bis heute nichtgelöst. Über Gorleben braucht man an sich gar nicht zudiskutieren, weil es eben indiskutabel ist.Zweitens. Sie beherrschen die Atomkraftwerke imFalle einer Katastrophe nicht. Bei jedem Flugzeugun-glück kennen wir die Zahl der Toten – was schonschlimm genug ist. Aber wenn uns jemals ein AKW umdie Ohren fliegt, können wir gar nicht einschätzen, waspassiert. Wir wissen nicht, ob man in diesem Land über-haupt noch leben kann oder über wie viele Generationenman hier nicht mehr leben kann. Wenn man im Un-glücksfall eine Technik nicht beherrscht, hat man sichvon ihr zu verabschieden, statt sie per Laufzeitverlänge-rung noch weiter einzusetzen.
An die Adresse von SPD und Grünen sage ich: AlsSie damals den Atomkompromiss geschlossen haben,haben wir gesagt, die Fristen sind viel zu lang. EureMehrheit im Bundestag hält nicht so lange. Irgendwanngibt es wieder eine Mehrheit von Union und FDP. Dannwird der Atomkompromiss wieder rückgängig gemacht. –Das haben Sie uns ja nicht geglaubt. Wenn Sie die Din-ger damals dichtgemacht hätten, könnten heute ihreLaufzeiten nicht verlängert werden. Dann wäre Schlussgewesen.
Nun sagt ja die Bundesregierung, Atomenergie sei alsBrückentechnologie unverzichtbar. Deshalb müsse mannoch länger auf sie zurückgreifen. Diese Behauptung istfalsch. Die Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen hat ge-rndäDnDwwmmdggdnwsLrvN1AJs9ZtsedNsSd5tdEwhhE1r1olnA
Eben hat die Bundeskanzlerin erklärt, von den Ge-innen, die zweifellos bei den Energieriesen entstehen,olle man einen großen Teil abschöpfen. Sie sagten ein-al, die Hälfte wollten Sie abschöpfen. Nun habe ichir das einmal angesehen:Die Zusatzgewinne liegen mindestens bei 67 Milliar-en Euro, aber nur unter der Bedingung, dass die Preiseleich bleiben. Aber nicht einmal ein einziges CDU-Mit-lied glaubt, dass die Preise gleich bleiben. Wenn manie realen Schätzungen bezüglich Preissteigerungenimmt, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass die Ge-inne bei 127 Milliarden Euro liegen werden.Welche Abgaben haben Sie nun beschlossen?Da gibt es zum einen die Brennelementesteuer. Ur-prünglich hatten Sie gesagt, Sie wollten für jedes Jahraufzeitverlängerung 2,3 Milliarden Euro haben. Da-aufhin hat die Atomlobby gesagt, das sei ihr erstens zuiel und zweitens zu lange. Daraufhin haben Sie gesagt:a gut, wenn ihr das nicht wollt, nehmen wir eben nur,5 Milliarden Euro. – Mit diesem einen Punkt war dietomindustrie dann einverstanden, wollte aber nur sechsahre lang zahlen. Nun haben Sie auch diese Frist vonechs Jahren akzeptiert. Das heißt, der Staat nimmtMilliarden Euro auf diese Art und Weise ein.Zum anderen haben Sie gesagt, es müsse noch eineusatzabgabe für die erneuerbaren Energien entrich-et werden. Diese Forderung basiert ja auf Ihrer fantasti-chen Idee, zu glauben, dass die Atomindustrie die erneu-rbaren Energien fördert. Sie haben also gefordert, dassie Atomindustrie hierfür 15 Milliarden Euro zahlen soll.un habe ich mir all dies genauer angesehen und festge-tellt: In Ihrem Geheimvertrag steht auch drin – das habenie der Öffentlichkeit nur noch nicht gesagt –, dass bei je-em Atomkraftwerk Sicherheitsmaßnahmen in Höhe von00 Millionen Euro durchzuführen sind, dass aber die Be-reiber, wenn diese Sicherheitsmaßnahmen teurer wer-en, diese Mehrkosten von der Abgabe für erneuerbarenergien abziehen dürfen. Der zuständige Bundesum-eltminister selber schätzt aber die Kosten für Sicher-eitsmaßnahmen pro AKW auf 1,2 Milliarden Euro. Daseißt, von den 15 Milliarden Euro werden 700 Millionenuro pro AKW abgezogen. Dann bleiben von Ihren5 Milliarden Euro gerade einmal 3 Milliarden Euro üb-ig.9 Milliarden Euro plus 3 Milliarden Euro macht2 Milliarden Euro. Die Hälfte von 127 Milliarden Euroder auch nur von 67 Milliarden Euro sieht jedoch gänz-ich anders aus; das kann man durch einfachste Berech-ungen herausfinden. Es sind also nur Peanuts, die dietomlobby zu bezahlen hat, während sie Gewinne in rie-
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Dr. Gregor Gysi
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siger Höhe erwirtschaften kann. Das zeigt, wie Sie Poli-tik betreiben.
Noch eine Kleinigkeit: Die Brennelementesteuer, überdie ich zuerst gesprochen habe, darf die Atomindustriezum großen Teil von der Körperschaft- und Gewerbe-steuer absetzen. Der Atomindustrie ist es völlig wurscht,wie sie das absetzt. Wenn sie diese Steuer nun von der Ge-werbesteuer, die ja die Kommunen bekommen, absetzt,wird das dazu führen, dass die Kommunen noch pleiterwerden, als sie ohnehin schon sind.
– Ja, wenn das ginge. – Dann kommt noch etwas hinzu:Viele Stadtwerke sind von anderen Rahmenbedingungenausgegangen und haben Investitionen vorgenommen.Diese Investitionen können sie jetzt zum Teil abschrei-ben; so entstehen weitere Verluste in Höhe von 4,5 Mil-liarden Euro. Im Wettbewerb um die Stromerzeugunghaben die Stadtwerke nun gar keine Chancen mehr.Herr Bundesminister Brüderle, Sie haben behauptet,die Stromkosten würden um 8 Milliarden Euro niedri-ger liegen. Das wäre schön. Doch RWE hat gleich klar-gestellt, das komme gar nicht infrage, man sehe das ganzanders. Herr Brüderle, ich muss es einfach einmal sagen:Sie haben Unsinn erzählt. In Wahrheit ist es doch so,dass sich die vier Energieriesen, die wir haben, einmalkurz telefonisch verständigen und dabei entscheiden,wie die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmenabgezockt werden sollen. Das ist die Realität, mit der wires zu tun haben.
Ihr Atomvertrag verstößt aus mindestens drei Grün-den gegen die Verfassung:Erstens haben Sie beim Geheimvertrag den Bundes-tag ausgeschlossen. Das steht im Widerspruch zumGrundgesetz.Zweitens haben Sie den Vertrauensschutz für Investi-tionen der Kommunen verletzt.Drittens wollen Sie den Bundesrat ausschließen. Dasgeht beim besten Willen nicht; denn es ist auch eine An-gelegenheit der Länder und der Kommunen. Deshalbwollen fünf SPD-geführte Landesregierungen – darunterzwei, an denen wir beteiligt sind – logischerweise eineKlage beim Bundesverfassungsgericht erheben. Ichhoffe auch, dass die Unterschriften aus der Mitte desBundestages für ein Normenkontrollverfahren ausrei-chen. So geht es nicht! Wir dürfen dies den Bürgerinnenund Bürgern nicht zumuten.
Aber dieser Stil Ihrer Politik ist nicht neu. Wie sah esbei den Banken aus? Ich darf daran erinnern, dass wir in-nerhalb einer einzigen Woche über 480 Milliarden EuroeBmdeünaAmgiv1lsdpnsnsedzPhwBdasdfEzarBüpdkNwwbsvsk
Frau Kanzlerin, heute sprechen Sie doch allen Ernsteson der Bankenabgabe. Ich bitte Sie! Sie wollen nur gutMilliarde Euro haben. Außerdem ist das Konzept völ-ig falsch angelegt, weil die Sparkassen mit einbezahlenollen. Sie haben aber nichts mit dieser Krise zu tun, undeshalb sind sie diesbezüglich auch nicht zahlungs-flichtig. Das Geld in Höhe von 1 Milliarde Euro soll jaicht zum Schuldenabbau genutzt werden, sondern esoll in einen Fonds gesteckt werden, damit bei derächsten Krise darauf zugegriffen werden kann. Sie wis-en nämlich, dass Sie nichts unternommen haben, damits keine nächste Krise gibt. Angesichts von 480 Milliar-en Euro brauchen wir etwa 480 Jahre, bis wir das Geldusammenhaben. Das ist wirklich eine sehr langfristigeolitik.
Jetzt erleben wir erneut einen Fehler im Zusammen-ang mit der HRE. Wie sind Sie über uns hergefallen, alsir damals gesagt haben: Sie können nicht nur eineank verstaatlichen; wenn Sie verstaatlichen wollen,ann müssen Sie, wie dies in Schweden geschehen ist,lle großen Banken verstaatlichen! Darauf haben Sie ge-agt: Das geht nicht. Ihre Logik ist zu einfach. Die HRE,ie uns allen gehört, ist hoch verschuldet. Zum Beispielordert die Deutsche Bank von der HRE 20 Milliardenuro. Jetzt müssen alle Steuerzahlerinnen und Steuer-ahler in Deutschland über die HRE 20 Milliarden Euron die Deutsche Bank zahlen. Von diesem Geld werdeniesige Gewinnausschüttungen an Großaktionäre undoni bezahlt. So geht es nicht! Wenn man die Schuldenbernimmt, dann muss man auch von den Einnahmenrofitieren. Weil Sie konservativ sind, hätten Sie, nach-em das Geld zurückgeflossen ist, meinetwegen – dasann man auch anders sehen – reprivatisieren können.ichts zu tun, war ein schwerwiegender Fehler.
Jetzt wird an einem Wochenende entschieden, dasseitere 40 Milliarden Euro an die HRE fließen müssen,eil das Geld nicht gelangt hat. 40 Milliarden Euro – ichitte Sie! Das passiert mir nichts, dir nichts und ohne Zu-timmung des Bundestages. Ich darf Sie erinnern: Nochor kurzem wurde erklärt, die HRE sei gesund. Jetzttellt sich heraus, sie ist doch noch schwerwiegendrank. Das Ganze ist indiskutabel.
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6050 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Dr. Gregor Gysi
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Nun komme ich zur Pharmaindustrie und zu den pri-vaten Krankenkassen. Ich nenne zwei Beispiele:Das erste Beispiel. Herr Rösler, Sie hatten vorgese-hen, dass eine Kommission, die aus Vertreterinnen undVertretern der Krankenkassen sowie der Ärztinnen undÄrzte besteht, über neue Arzneimittel entscheiden soll.Dann meldeten sich die Pharmahersteller bei Ihnen in ei-nem Brief, in dem stand: Nein, das wollen wir nicht; wirwollen, dass Sie, Herr Rösler, darüber alleine entschei-den. Daraufhin sagten Sie: Ich bin frei von Sachkennt-nis; also entscheide ich ab jetzt alleine darüber. Sie ha-ben es genau so gemacht, wie es die Leute von derPharmaindustrie wollten; denn es geht Ihnen nicht umFortschritt in der medizinischen Versorgung, sondern umWirtschaftsinteressen. Das ist reinste Klientelpolitik.Das zweite Beispiel. Sie haben einen Vertreter der pri-vaten Krankenkassen in Ihre Grundsatzabteilung beru-fen. Nun legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der an zweiStellen interessant ist. Gutverdienende Angestellte muss-ten bisher mindestens drei Jahre in der gesetzlichenKrankenkasse sein, bevor sie zu einer privaten Kranken-kasse wechseln durften. Nun kommen Sie mit dem Ar-gument „Freiheit“ und sagen: Das geht nicht; diese Per-sonen sollen darüber frei entscheiden und schon nacheinem Jahr wechseln können. Das ist Ihre Argumenta-tion.
– Passen Sie auf!Nun passiert Folgendes: Bis jetzt dürfen die gesetzli-chen Krankenkassen gegen einen Zusatzbeitrag zumBeispiel eine zusätzliche Zahnversorgung, eine Aus-landsversicherung, eine Chefarztbehandlung sowie einEinbett- oder Zweibettzimmer im Krankenhaus anbie-ten. Da sagen Sie, die Freiheitsverfechter: Das sollen diegesetzlichen Krankenkassen zukünftig nicht mehr anbie-ten dürfen, sondern nur die privaten. Da verletzen Sie dieganze Logik. Sie wollen ausschließlich, dass die privatenKrankenversicherungen besser verdienen und die gesetz-lichen Krankenkassen geschwächt werden. Das ist alles,was dabei herauskommt. Tolle Lobbyarbeit!
Wir hatten nach der Finanzkrise eine Staatsschulden-krise. Im Jahre 2010 beträgt die Neuverschuldung65 Milliarden Euro.
Bei Ihrem ganzen Sparpaket, das Sie vorgelegt haben,beträgt der Anteil der Lasten für Arbeitslose und Gering-verdienende 37 Prozent; 37 Prozent Ihres Entlastungs-vorschlags übernehmen Arbeitslose und Geringverdie-nende. Was sagen Sie? Sie wollen die Bezugsdauer desElterngeldes von einem Jahr streichen. Die SPD wirdsich erinnern: Sie hat in der Großen Koalition zuge-stimmt, die Bezugsdauer des Elterngeldes von zwei Jah-ren auf ein Jahr zu reduzieren. Da sagt diese Regierungndg–evtnEguav1NsmuHNWbhkdtgsEdbcwzAdAEgdduSnHhsrb
Jetzt kommen Sie mit Ihren Bildungschipkarten,uch die Bundeskanzlerin heute wieder. Wissen Sie, wieiele Bescheide das für die Jobcenter bedeutet?7 Millionen im Jahr; denn es gibt 1,7 Millionen Kinder.a, das wird ja lustig. Sie müssen die Anzahl der Be-chäftigten in den Jobcentern verdoppeln, und dannüssen wir ungefähr doppelt so viele Sozialrichterinnennd Sozialrichter einstellen. Wahnsinn!Dann wollen Sie das Übergangsgeld ALG I zuartz IV, also zu ALG II, streichen. Was heißt das?ehmen wir eine Ingenieurin, die ganz gut verdient hat.enn sie arbeitslos wird, bekommt sie ein Jahr lang Ar-eitslosengeld, mit dem sie ihren Lebensstandard nichtalten kann, aber so einigermaßen über die Rundenommt. Wir alle haben gesagt: Es geht nicht, dass sieann gleich in Hartz IV fällt; da muss es doch wenigs-ens einen Übergang geben. Jetzt streichen Sie den Über-ang und sagen: Einen Tag später soll sie arm sein, undie muss einfach sehen, wie sie hinkommt.Dann streichen Sie die Rentenbeiträge für Hartz-IV-mpfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger. Das be-eutet nicht nur, dass die Betroffenen geringere Renteneziehen, sondern das bedeutet auch, dass der gesetzli-hen Rentenkasse jährlich 1,8 Milliarden Euro entzogenerden. Wie wollen Sie das eigentlich erstatten?Darüber hinaus entscheiden Sie, dass der Heizkosten-uschlag für Wohngeldempfänger gestrichen wird.ußerdem beschließen Sie – dazu hat sich auch der Bun-esfinanzminister geäußert –: Insgesamt müssen dieusgaben für aktive und passive Leistungen für Hartz-IV-mpfänger um 16 Milliarden Euro bis zum Jahre 2014ekürzt werden. Wissen Sie, was das heißt, Frau Bun-eskanzlerin? Das heißt, dass die Maßnahmen für Bil-ung, für Training etc. für Hartz-IV-Empfängerinnennd Hartz-IV-Empfänger zusammengestrichen werden.ie haben eben gesagt: keine Kürzung bei Bildung. Den-och beschließen Sie die größte Kürzung bei Bildung fürartz-IV-Empfängerinnen und Hartz-IV-Empfänger, daseißt bei denjenigen, die sie am dringendsten benötigen.
Außerdem machen Sie den öffentlich geförderten Be-chäftigungssektor in Berlin und Brandenburg tot. Wa-um eigentlich? Was ist denn so schlimm daran, statt Ar-eitslosigkeit eine vernünftige Tätigkeit zu bezahlen, mit
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Dr. Gregor Gysi
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der die Leute zufrieden sind und wirklich einmal Geldverdienen? Ich verstehe es nicht.
Nun sagen SPD und Grüne und auch Teile der Union,das Ganze sei sozial nicht ausgewogen. Das stimmt. Aber,lieber Herr Gabriel, das reicht doch nicht. Es geht nichtdarum, dass die Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfän-ger etwas bezahlen und der Banker auch etwas bezahlt.Es gilt das reine Verursacherprinzip. Diejenigen, die dieKrise verursacht haben und die Nutznießer der Krisesind, sollen das bezahlen und keine Hartz-IV-Empfänge-rin, kein Geringverdienender, keine Arbeitnehmerin,kein Arbeitnehmer. Das ist unser Standpunkt.
Oder Sie weisen mir nach – Herr Kauder, Sie werdendas ja können –, wie groß der Schuldanteil einer Hartz-IV-Empfängerin oder ihres Kindes oder eines Geringver-dienenden an der Finanzkrise und damit an der Staats-verschuldung ist. Erklären Sie es mir. Der Schuldanteilliegt bei null.
Ziehen Sie die heran, die das Ganze verursacht haben,und nicht diejenigen, die damit nichts zu tun haben!
In derselben Zeit hat das Geldvermögen in Deutsch-land, das zunächst abgenommen hatte, wieder zugenom-men. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung– keine linke Einrichtung – hat festgestellt: Es gibt jetzt51 000 Vermögensmillionäre mehr als vor einem Jahr.Es sind jetzt insgesamt 861 000. Nicht einen einzigenCent müssen sie für die Krise bezahlen, obwohl sie rei-cher geworden sind; vielmehr sollen die Hartz-IV-Emp-fängerinnen und -Empfänger das Ganze bezahlen. Daskönnen Sie nicht vermitteln, weder in Stuttgart noch inBerlin.
Durch die Regierung von SPD und Grünen, durch dieRegierung von Union und SPD und durch die Regierungvon Union und FDP gehen dem Bund, den Ländern undden Kommunen jährlich 30 Milliarden Euro Steuerein-nahmen verloren. Deshalb sind die Kommunen so pleite.Deshalb kann man dort nicht mehr regeln, wie das Kran-kenhaus, die Kindertagesstätte und vieles andere bezahltwerden.Wir brauchen Steuergerechtigkeit. Dafür brauchenwir eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes bei der Ein-kommensteuer. Dafür brauchen wir eine Millionärsteuer.Die Einführung einer solchen Steuer wird inzwischensogar von Millionären vorgeschlagen – denen ist daspeinlich –; aber Sie verlangen sie natürlich nicht. Wirbrauchen eine Erhöhung der Erbschaftsteuer bei großenErbschaften, eine Erhöhung der Körperschaftsteuer so-wie die Einführung einer Bankenabgabe – einer richti-gen Bankenabgabe – und der Finanztransaktionsteuer.Wenn Sie mir schon nicht glauben, dann glauben Siedoch einmal Obama, nicht bei allen Fragen, aber wenigs-tzDlfDnüwFnwmDJDLdbWsrmJagcstdghdgsmSwuOwcd
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6052 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
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Richtig. – Dann schaffe ich aber, Folgendes zu sagen:
Ein weiterer Fehler bestand darin, dass die Eliten nicht
vereinigt worden sind. Vor allem bestand ein Fehler da-
rin, dass Sie sich den Osten nicht angesehen haben.
Wenn Sie zehn Strukturen aus dem Osten als weiterhin
geeignet empfunden und für ganz Deutschland einge-
führt hätten, dann hätten die Frau in Passau,
der Mann in Frankfurt am Main und der Mann in Kiel
eine andere Erinnerung an die deutsche Einheit, nämlich
dass durch die deutsche Einheit auch ihre oder seine Le-
bensqualität in diesen zehn Punkten erhöht worden ist.
Das haben Sie keinem Westdeutschen gegönnt; außer-
dem haben Sie das Selbstbewusstsein der Ostdeutschen
beschädigt. Das ist bis heute sehr traurig. Dadurch haben
wir nach wie vor große Probleme.
Jetzt sage ich Ihnen eines: Zur Einheit gehört endlich
die gleiche Rente für die gleiche Lebensleistung sowie
der gleiche Lohn für die gleiche Arbeit und die gleiche
Arbeitszeit.
Wer das nicht will, will auch keine Einheit.
Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie kommen aus Ost-
deutschland. Wenn ich mich frage, was Sie als Kanzlerin
für die Vertiefung der deutschen Einheit getan haben,
dann komme ich zu dem Ergebnis: gar nichts.
Sie behaupten das Gegenteil und glauben es mir nicht.
Herr Kollege.
Letzter Satz. – Nicht Sie, sondern meine Partei steht
für Frieden, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und
– endlich – für eine wirkliche deutsche Einheit.
– Ich wollte, dass Sie sich einmal aufregen können. Jetzt
können Sie es.
Das Wort hat nun die Kollegin Birgit Homburger für
die FDP-Fraktion.
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Es gab gute Rahmenbedingungen, die die Politikeschaffen hat. Durch die Entlastung der Familien zueginn dieses Jahres, durch den Abbau von Wachstums-remsen bei der Unternehmen- und Erbschaftsteuer,urch eine Verlängerung der Kurzarbeiterregelung undinen Zuschnitt auf den Mittelstand und durch die Rück-ahme der Erhöhung der Steuern auf Biokraftstoffe ha-en wir für vernünftige Rahmenbedingungen gesorgt.ir haben mit kluger Politik dem Aufschwung den Wegeebnet. Wir werden mit kluger Politik die Weichen fürie Zukunft stellen.
Wir wollen den Wohlstand sichern. Das bedeutet,ass wir die Währung stabilisieren müssen. In diesemusammenhang werden wir versuchen, mit viel Auf-and einen Fehler, den Rot-Grün unter der Regierungchröder/Fischer seinerzeit auf europäischer Ebene zuerantworten hatte, zu korrigieren. Im Jahre 2004 wurdeon Deutschland aus kurzsichtigen parteipolitischen In-eressen heraus der Stabilitätspakt aufgeweicht. Das warin Fehler, und dieser Fehler muss jetzt korrigiert wer-en.
Die Euro-Krise hat uns erneut bestätigt, dass es keinelternative zur Konsolidierung der Haushalte gibt.ein Spekulant der Welt hätte die Chance gehabt, demuro etwas anzuhaben, wenn die Haushalte der Euro-taaten in Ordnung gewesen wären. Deshalb haben wirer Haushaltssanierung oberste Priorität eingeräumt. Wirämpfen für einen stabilen Euro. Das bedeutet, dass wirie Haushalte konsolidieren wollen. Das bedeutet, dassir aus Solidarität für drei Jahre eine Zweckgesellschaftufgebaut haben, um den Euro zu stützen. Diesen Zeit-aum wollen wir nicht verlängern. Das Problem mussurch solides Wirtschaften in allen Euro-Staaten gelösterden. Wir wollen keine Fortsetzung dieser Zweckge-ellschaft. Wir wollen Haushaltskonsolidierung stattransferunion. Dafür werden wir uns einsetzen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6053
Birgit Homburger
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Wir beenden die Schuldenpolitik der letzten Jahr-zehnte. Wir werden – im Vergleich zu der Planung vonHerrn Steinbrück – bis 2014 80 Milliarden Euro einspa-ren, um die Neuverschuldung abzubauen. Wir wollen,dass der Staat sich so verhält wie jede Familie. Sie hatein Einkommen, und mit diesem Einkommen muss sieauskommen. Deshalb gilt für uns: Der Staat muss mitdem auskommen, was er hat, und genau so werden wirden Haushalt gestalten.
Der vorliegende Haushalt ist Ausdruck von Hand-lungsfähigkeit und von Gestaltungswillen. Erstmals seitJahren wird bei den Ausgaben gespart und werden nichtwieder großflächig Steuern erhöht. Das hätte es ohne dieFDP nicht gegeben.
Der Beginn der schwarz-gelben Regierung, der christ-lich-liberalen Koalition, markiert einen Politikwechselin Deutschland.
Wir haben zu Beginn dieses Jahres mit einer Entlastungder Familien begonnen.
Sie haben in Ihrer Regierungszeit mit der Erhöhung derMehrwertsteuer und 20 weiterer Steuern begonnen. Siehaben die Bürgerinnen und Bürger belastet, wir habensie entlastet. Das zeigt sich daran, dass in diesem Jahrder sogenannte Steuerzahlertag, also der Tag, von deman die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr für den Staat,sondern nur noch für sich selbst arbeiten, zehn Tage frü-her war als im letzten Jahr.
Dieser Haushalt zeugt von Gestaltungswillen. HerrGabriel, Sie haben hier vorhin Krokodilstränen über dieBildungsausgaben vergossen. Elf Jahre haben Sie re-giert. Elf Jahre hatten Sie Zeit, etwas zu tun. Elf Jahrehat die Bildungspolitik bei Ihnen ein Schattendasein ge-fristet. Wir haben entschieden, dass wir in diesem Haus-halt überall sparen, nur an einer Stelle nicht: Im BereichBildung und Forschung werden wir die Ausgaben bis2013 um 12 Milliarden Euro erhöhen. Das ist eine Tatsa-che, und das ist ein Paradigmenwechsel hinsichtlich derPolitik, die Sie früher betrieben haben.
Wir sind der Meinung: Bildung ist die soziale Frageunserer Zeit. Deshalb werden wir uns bei diesem Themamit aller Macht engagieren. Wir wollen, dass jedes Kindin diesem Land unabhängig von seiner Herkunft eineChance auf sozialen Aufstieg hat. Der Schlüssel dazu istdie Bildung. Deshalb wollen wir einen Teil des Geldes,das wir zusätzlich investieren, für eine Exzellenzinitia-tive „frühkindliche Bildung“ einsetzen, um diejenigen,die von zu Hause nicht die nötige Rückendeckung be-kdmtsnWDfLidNdkwcfdbSwhJmgdLZdKbstbvssk
Wir werden bei der frühkindlichen Bildung Impulseetzen, die mit denen zu vergleichen sind, die wir in ei-em anderen Bereich gesetzt haben – sie werden zumintersemester dieses Jahres greifen –: Wir haben ineutschland endlich ein Stipendienprogramm einge-ührt, das es ermöglicht, junge Menschen anhand ihrereistung zu fördern. Damit schließen wir endlich zu dennternationalen Standards auf. Auch das ist eine Leistungieser Koalition.
Natürlich ist dieser Haushalt sozial ausgewogen. Dasiveau der sozialen Sicherung liegt immer noch überem Niveau zur Zeit der rot-grünen Regierung. Dasann man mit den Zahlen dieses Haushalts beweisen. Ichill Ihnen das an qualitativen Merkmalen deutlich ma-hen: Wir haben das Schonvermögen für Hartz-IV-Emp-änger verdreifacht, weil wir der Meinung waren, dassiejenigen, die ihr Leben lang gearbeitet und gespart ha-en, aber am Ende ihres Berufslebens in eine schwierigeituation kamen, nicht genauso behandelt werden dürfenie diejenigen, die nichts gespart haben.
Nach dem Grundsatz „Leistung muss sich lohnen“aben wir zum Sommer dieses Jahres durchgesetzt, dassugendliche aus Hartz-IV-Familien, die einen Ferienjobachen, ihr Geld behalten dürfen und dass die Leistun-en für die Eltern damit nicht verrechnet werden. Auchas ist eine soziale Leistung, die wir erbracht haben.
Im Rahmen der Hartz-IV-Reform werden wir dieeistungen für die Bildung von Kindern verbessern.um ersten Mal überhaupt wird in einem Hartz-IV-Satzie Bildung von Kindern als besonderes Bedürfnis derinder ausgewiesen und finanziert werden. Auch dasringt diese Koalition auf den Weg. Sie haben das ver-chlafen.
Diese Koalition steht für uneingeschränkte Solidari-ät mit den Bürgerinnen und Bürgern. Wer Hilferaucht, kann sich auf die Solidarität dieser Gesellschafterlassen. Aber wir sagen auch: Wer diese Hilfe erwirt-chaftet, muss sich auch auf die Solidarität der Gesell-chaft und der Politik verlassen können.
Im Gegensatz dazu sieht die SPD die Mitte als Melk-uh der Nation. Sie schlägt Steuererhöhungen in großem
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6054 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Birgit Homburger
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Umfang vor. Wir machen eine Politik für die Mitte derGesellschaft durch Steuersenkungen für die Familien,
aber auch dadurch, dass wir in der Wirtschaftspolitikendlich neue Akzente gesetzt haben.Das zeigt sich an einer Stelle.
Wir haben immer wieder gesagt: Es kann nicht sein, dasszu den großen Unternehmen die Bundeskanzlerinkommt und zu den kleinen Unternehmen der Insolvenz-verwalter. Deshalb haben wir uns entschieden, dass wirbei Opel konsequent sind. Sie hätten einem liquidenKonzern gern noch das Geld der Steuerzahlerinnen undSteuerzahler persönlich vorbeigebracht.
Wir haben es für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahlergerettet und in den Haushalt zurückgeholt. Das ist dieLeistung dieser Koalition und des WirtschaftsministersRainer Brüderle.
Diese Politik ist klar, verlässlich und erfolgreich fürdie Menschen. Herr Gabriel hat hier erklärt, Schwarz-Gelb probiere mal dies, mal jenes. Das sagt der Richtige.Es gibt kaum jemanden, der so der Beliebigkeit frönt wieSie, Herr Gabriel.
Sie wechseln Ihre Positionen wie ein Fähnchen im Wind.Sie haben in Ihrer Regierungszeit den Spitzensteuersatzgeändert; jetzt wollen Sie ihn wieder erhöhen. Sie warenzwar gegen eine Mehrwertsteuererhöhung, haben sieaber dennoch beschlossen. Sie haben die Rente mit 67auf den Weg gebracht; jetzt sind Sie plötzlich dagegen.Zu dem wichtigen Infrastrukturprojekt „Stuttgart 21“ hatdie Kanzlerin schon das Nötige gesagt.
Sie verabschieden sich von allen Positionen, die Sie ir-gendwann einmal gehabt haben.Von heute an sind es noch 100 Tage bis Weihnachten.
Allerdings funktioniert eine Politik für den Wirtschafts-standort Deutschland nicht nach dem Motto: Wünsch dirwas. Es geht nur nach dem Motto, dass man die Realitätanerkennt und entsprechend handelt. Das tut diese Ko-alition.a2wfgBdDsahWkVttshn2g–Dg2alasI
Wir haben vor, in diesem Haushalt die Nettokredit-ufnahme deutlich abzusenken. Wir werden sie im Jahr010 um mindestens 25 Prozent senken. Jetzt schauenir uns einmal im Vergleich an, was in Nordrhein-West-alen passiert, wo es jetzt eine rot-grüne Minderheitsre-ierung gibt. Sie wird unter denselben wirtschaftlichenedingungen in demselben Zeitraum die Neuverschul-ung Nordrhein-Westfalens um 35 Prozent erhöhen.as, was man dort tut, ist unverantwortlich und rück-ichtslos. Eine solche Politik wird es jedenfalls mit unsuf Bundesebene nicht geben.
Kommen wir einmal zum Energiekonzept, das Sieier so angegriffen haben.
ir halten Wort und setzen das um, was wir im Wahl-ampf gesagt haben.
ersorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Umweltver-räglichkeit, das sind die Leitlinien unserer Energiepoli-ik.
Schauen wir noch einmal, welche Ziele wir uns ge-etzt haben. Das Energiekonzept der Bundesregierungat das Ziel, bis zum Jahr 2020 die Treibhausgasemissio-en in Deutschland um 40 Prozent und bis zum Jahr050 um 80 Prozent zu reduzieren. Was macht dieseroßartige rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen?
Ja, gerade Sie, Herr Kelber. –
ie, die immer behaupten, sie hätten die Umweltpolitikepachtet, haben festgelegt, dass sie bis 2020 um5 Prozent reduzieren wollen. Das ist deutlich weniger,ls wir auf Bundesebene machen. Die nordrhein-westfä-ische Landesregierung bleibt sogar hinter den Zielen derlten Regierung zurück. Ich würde mich an Ihrer Stellechämen.
Frau Kollegin Homburger, darf der Kollege Kelber
hnen eine Zwischenfrage stellen?
Ja.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6055
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Vielen Dank, Frau Kollegin. – Wenn der Kollege Ih-
rer Fraktion, der gestern die gleiche Behauptung aufge-
stellt hat, Ihnen eine Zwischenmeldung gegeben hätte,
hätten Sie das hier nicht sagen können. Sie haben be-
hauptet, die alte schwarz-gelbe Regierung im NRW habe
höhere Klimaschutzziele verfolgt als die neue rot-grüne
Regierung. Ist Ihnen bekannt, dass im Umweltbericht
dieser schwarz-gelben Regierung, veröffentlicht durch
die Landesregierung NRW, festgehalten wurde, dass un-
ter der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-
Westfalen der CO2-Ausstoß nicht gesunken, sondern von
280 Millionen auf 290 Millionen Tonnen CO2 im Jahr
angestiegen ist?
Herr Kollege Kelber, mir ist bekannt, dass es genü-gend Versuche gegeben hat.
Im Rahmen des Energiekonzepts gab es genügend Ver-suche, zukunftsweisende Wege einzuschlagen. Diesesind immer wieder behindert worden. Das hat auch et-was mit Protest gegen Projekte zu tun, beispielsweisegegen Kraftwerksneubau oder Netzausbau. Das hängt al-les damit zusammen.Ich sage Ihnen: Wir haben hier ein klares Konzept mitdeutlich höheren Zielen, als Sie sie anstreben. Wir wer-den den Beweis erbringen, dass wir diese Ziele auch er-reichen werden.
Wir haben erstmals ein konsistentes Gesamtkonzept.Wir wollen das Zeitalter der erneuerbaren Energien er-reichen. Deshalb ist für uns die Kernenergie eine Brü-ckentechnologie. Deshalb werden wir die zusätzlichenGewinne in erheblichem Maße abschöpfen, und zwar zu58 Prozent. Weit über die Hälfte der zusätzlichen Ge-winne werden abgeschöpft, unter anderem durch dieBrennelementesteuer.Nun möchte ich auf Ihren glorreichen Tipp zu spre-chen kommen, Herr Gabriel. Sie haben vorgeschlagen,das Aufkommen der Brennelementesteuer für etwasanderes zu verwenden. Ich stelle mir die Frage: Warumhaben Sie eigentlich in Ihrer Regierungszeit keineBrennelementesteuer eingeführt? Ich kann Ihnen dieAntwort geben, Herr Gabriel: Sie haben keine Brennele-mentesteuer eingeführt, weil Herr Trittin den Energie-versorgungsunternehmen in einem Vertrag schriftlichgarantiert hat, dass das nicht geschieht. Das ist die Wahr-heit in diesem Land.
Wir wollen einen guten Teil dieses Steueraufkom-mens in einen Fonds investieren. Es wird einen Fondszur Förderung erneuerbarer Energien geben. Es ist nichtso, wie Sie zuvor behauptet haben, dass die Energiever-sorgungsunternehmen die Förderung übernehmen sollen.NFthnELeEddmdvGDdKdhTshcZhehngwdD
Wir haben vor, eines der größten Probleme, die wiraben, anzugehen, nämlich die Frage der Speichertech-ologie, die Frage der Netzintegration der erneuerbarennergien. Das ist die Herausforderung, vor der diesesand steht.Wir wollen das Zeitalter der erneuerbaren Energienrreichen. Das erreichen wir nur, wenn wir erneuerbarenergien letztlich grundlastfähig machen. Deshalb wer-en wir genau in diesen Bereich investieren und genauas tun, was wir zuvor gesagt haben.Herr Gabriel, wenn Sie uns vorwerfen, wir würdenit den Energieversorgern reden,
ann muss ich Ihnen sagen: Wir setzen das um, was wirersprochen haben. Von uns hat niemand mit Herrnroßmann Rotwein getrunken und Zigarre geraucht.as war Ihr Amtsvorgänger Schröder, aber niemand vonieser Koalition.
Wir erhöhen jetzt die Sicherheitsanforderungen fürernkraftwerke. Auch das ist wahr. Kernkraftwerke iniesem Land werden so sicher sein wie nie zuvor. Auchier gilt: Rot-Grün hat seinerzeit nichts dafür getan. Herrrittin, Sie waren damals Umweltminister. Sie habeneinerzeit den Vertrag mit den Energieversorgern ausge-andelt. Sie waren es, der ausdrücklich auf höhere Si-herheitsstandards verzichtet hat. Um Ihre ideologischeniele durchzusetzen, haben Sie damals bei den Sicher-eitsstandards Zugeständnisse gemacht. Meine sehr ver-hrten Damen und Herren, Rot-Grün hat einen Sicher-eitsrabatt gegeben. Das ist ein unanständiger Deal,icht das, was diese Koalition tut.
Sie werfen uns vor, dass wir in der Frage des Endla-ers keine Antwort hätten. Auch das ist ganz bemerkens-ert. Wir waren immer dafür, dass ein Endlager erkun-et wird.
as hatte einen langen Vorlauf, der dazu geführt hat,
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Birgit Homburger
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dass man in Gorleben erkunden will. Sie sind doch dieje-nigen, die seinerzeit, in Ihrer Regierungszeit – natürlichwar es wieder Herr Trittin –, ein Moratorium verhängthaben. Sie waren nicht bereit, sich der Verantwortungund der unangenehmen Frage der Endlagerung zu stel-len. Sie haben sich verweigert.
Sie haben ein Moratorium verhängt. Wir werden diesesMoratorium aufheben und dieses Endlager verantwor-tungsvoll und ergebnisoffen zu Ende erkunden.
Wie bei der Haushaltssanierung und beim Energie-konzept werden wir auch in anderen Bereichen Hand-lungsfähigkeit beweisen. Durch die Gesundheitsreformwollen wir mehr Wettbewerb und mehr Solidarität errei-chen. Das werden wir auch bei Hartz IV tun. Hier gibt esdrei große Bereiche, in denen wir im Herbst dieses Jah-res Entscheidungen treffen werden. Kinder aus Hartz-IV-Familien werden zum ersten Mal Bildungsleistungenbekommen. Wir werden das so organisieren, dass dieseBildungsleistungen treffsicher bei den Kindern ankom-men und nicht etwa irgendwo anders landen. Auch dasist ein Ziel, das wir haben.
Wir werden außerdem über die Hartz-IV-Sätze für Er-wachsene sprechen müssen. Herr Gabriel, hören Sie end-lich auf mit diesem Ammenmärchen: Niemand aus unse-rer Koalition hat gefordert, die Hartz-Sätze zu kürzen.
– Nein. Wir haben das nicht gefordert. Das hat auch derVizekanzler nicht gefordert.
Das, was Sie sagen, ist völliger Unsinn.
Orientieren Sie sich bitte an der Realität. Es geht hiernicht um eine Kürzung der Hartz-IV-Sätze, sondern esgeht darum, den Auftrag des Bundesverfassungsgerichtszu erfüllen.
Es hat deutlich gemacht, dass die Regelsätze nicht evi-dent unzureichend sind. Wir sind aber gehalten, transpa-rent zu machen, was in sie hineingerechnet wird. Genaudiesem Auftrag werden wir nachkommen.wsblmnsddLtBslmzwizdekzawrbdBuzlpgbsnfrekvwcw
Wir werden die Hinzuverdienstgrenzen ändern. Wirerden diese Regelung verbessern, weil wir Anreizechaffen möchten, dass diejenigen, die derzeit Hartz IVeziehen, aus eigener Anstrengung wieder in eine regu-äre sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kom-en. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Wir wissen, dass esicht einfach wird, dieses Ziel zu erreichen. Aber wirtellen uns dieser Aufgabe, weil wir den Menschen iniesem Land mehr Chancen eröffnen wollen. Daran wer-en wir arbeiten, gerade für diejenigen, die es in diesemand am nötigsten haben.
Als letzten großen Bereich möchte ich die Umstruk-urierung der Bundeswehr ansprechen. Wir werden dieundeswehr auf der Grundlage unserer sicherheitspoliti-chen Interessen umstrukturieren. Wir werden sicherstel-en, dass wir unseren Bündnisverpflichtungen nachkom-en können. Der Umbau der Bundeswehr ist vonentraler Bedeutung, weil sie zukunftsfähig gemachterden muss. Deshalb war es richtig, dass die Koalitionn diesem Jahr bereits beschlossen hat, die Wehrdienst-eit zu verkürzen. Dies hat dazu geführt, dass ein Nach-enkprozess eingesetzt hat.
Jetzt sind wir in der Situation, dass erstmalig überine tatsächliche Umstrukturierung diskutiert werdenann, und zwar dahin gehend, dass wir die Bundeswehru einer Freiwilligenarmee machen und die Wehrpflichtussetzen. Sie ist sicherheitspolitisch nicht mehr not-endig, und sie ist vor allen Dingen in keiner Weise ge-echt gegenüber den jungen Männern, die derzeit davonetroffen sind. Die FDP-Bundestagsfraktion freut sich,ass es in dieser Frage bei unserem Koalitionspartnerewegung gibt und dass es erstmals in der Geschichtenserer Republik die Chance gibt, diese Änderung vor-unehmen.
Als Koalition tragen wir Verantwortung für Deutsch-and. Mit dem Haushalt, der Finanzplanung und unsererolitischen Agenda werden wir dieser Verantwortungerecht. Wir wollen unseren Kindern keine Schulden-erge hinterlassen, sondern Freiräume für eigene Ent-cheidungen; denn auf Schuldenbergen können Kindericht spielen. Das ist eine verantwortungsvolle Politikür die nächsten Generationen.Ich kann Sie nur auffordern: Beteiligen Sie sich da-an! Machen Sie Vorschläge! Bringen Sie Vorschlägein, wie dieser Haushalt weiter saniert werden kann!Wir sind offen für jeden Vorschlag, der von Ihnenommt. Beherzigen Sie dabei aber, was für Millionenon Bürgern in diesem Land gilt: auskommen mit dem,as man hat. Das ist der Grundsatz, den zu verwirkli-hen wir uns vorgenommen haben, und dadurch werdenir mehr Chancen für mehr Menschen in diesem Land
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Birgit Homburger
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erarbeiten. Mehr Chancen auf Arbeit, auf Teilhabe undauf Bildung: Das ist das Ziel dieser Koalition. Das habenwir versprochen, und jetzt wird geliefert.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Jürgen Trittin für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines,Frau Homburger, werden wir Ihnen nie mehr durchge-hen lassen,
nämlich dass Sie behaupten, Sie würden nicht an der Bil-dung sparen.
Wer Anfang dieses Jahres über das Gesetz für Hoteliersden Ländern 2,8 Milliarden Euro weggenommen hat, derhat bei der Bildung gekürzt; denn wo sollen die Länderkürzen, wenn nicht in ihren Haushalten?
Frau Merkel, in Ihrem Urlaub waren Sie irgendwo inden Dolomiten. Dort ist es schön. Wenn morgens etwaskräht, dann ist es der Hahn und nicht Guido Westerwelle.
Trifft man auf schwerverständliche Einheimische, dannheißen sie Reinhold Messner und nicht Horst Seehofer.Statt Gurkentruppen und Wildsäuen gibt es Steinpilzeund Gämsen. Irgendwo dort zwischen Ortler und Late-mar müssen Sie beschlossen haben,
endlich Ihrem Wählerauftrag nachkommen und – zwölfMonate nach der letzten Bundestagswahl – regieren zuwollen. Das haben Sie heute hier zum Ausdruck zu brin-gen versucht.Ist das aber eigentlich auch in Ihrem Kabinett, in IhrerMannschaft, angekommen und verstanden worden?
Was versteht diese Bundesregierung und was verstehtdiese Koalition unter Regieren? Das ist doch die span-nende Frage, wenn man festgestellt hat: Zwölf Monatelang ist nicht regiert worden, und jetzt versucht man, zuregieren.–wlglGlFKHdvWgrdEWqwRaz–EDgWAajPd
Dem Eindruck, dass Sie die Krisen aussitzen wollten,ollen Sie heute auch entgegentreten. Bei der Griechen-and-Krise musste Europa diese Kanzlerin aber zum Ja-en tragen. Die Führungsrolle in Europa hat diese Kanz-erin verspielt.
Schauen wir uns die ersten Versuche an:Der Klassenprimus im Kabinett Merkel, Herr zuuttenberg, meldet sich und sagt, er habe eine Feststel-ung gemacht. Diese liegt ungefähr auf der Ebene dereststellung des Kindes in Andersens Des Kaisers neueleider. Es stellt nämlich fest: Der Kaiser ist nackt. –errn Karl-Theodor zu Guttenberg hat nach 20 Jahreneutscher Einheit die Erkenntnis ereilt: Deutschland iston Freunden umzingelt.
ir brauchen diese Bundeswehr als Territorialverteidi-ungsarmee nicht mehr.
Jetzt ist die spannende Frage: Was folgt daraus? Da-aus folgt genau das, was viele Menschen im Lande aner Politik abstößt, nämlich dass man aus gewonnenenrkenntnissen keine Konsequenzen zieht. Statt dieehrpflicht abzuschaffen und die Bundeswehr konse-uent umzubauen, wird die Wehrpflicht nur ausgesetzt,eil diese Koalition nicht in der Lage ist, sich auf dieealität zu einigen. Das verstehen Sie unter Regieren;ber dadurch wird die Politikverdrossenheit erhöht.
Nehmen wir ein anderes Kabinettsmitglied. Das istiemlich uncharmant.
Der Herr Rösler.
r hat die Kanzlerin mit einer Barbiepuppe verglichen.as gehört sich nicht.Aber die Frage ist: Was versteht Herr Rösler unter Re-ieren? Ich will Ihnen das an einem Beispiel erläutern:ir haben in Deutschland ein Problem, nämlich zu hoherzneimittelpreise. Wir müssen 32,4 Milliarden Eurousgeben; das sind 5 Milliarden Euro mehr als im Vor-ahr. Nur in Deutschland, Dänemark und Malta kann dieharmaindustrie die Preise noch selbst festsetzen, wasazu führt, dass Medikamente in Deutschland bis zu
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Jürgen Trittin
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500 Prozent teurer sind als im Rest Europas. Dem mussund soll begegnet werden.Was macht Herr Rösler? Als Erstes feuert er denjeni-gen, der für eine unabhängige Kontrolle des Zusatznut-zens von Medikamenten verantwortlich ist.
Er war der Pharmaindustrie schon immer ein Dorn imAuge.
Als Nächstes wird über die Frage gestritten: Wer ent-scheidet künftig über den Nutzen? Jetzt gucken wir unsan, wie regiert wird. Da machen Sie etwas ganz Moder-nes:
Outsourcing. Sie lassen Ihren Gesetzentwurf vom Ver-band Forschender Arzneimittelhersteller schreiben.
Dann beginnt das eigentliche Regieren: Mit der Mauswird der Text markiert, ausgeschnitten und in das Ge-setzblatt kopiert.
Dann kommt die geistige Eigenleistung des Ministersdazu: Er fügt eine Apposition ein, die lautet: ohne Zu-stimmung des Bundesrates. – Das hatten die Pharmalob-byisten dummerweise vergessen.
Meine Damen und Herren, jeder Studierende, der beiso etwas erwischt wird, fliegt durch die Prüfung. AberSie versuchen uns zu erklären, das sei Regierungshan-deln!
Frau Merkel, Sie haben gesagt, Sie wollten in Deutsch-land keine Zweiklassenmedizin. Die Wahrheit ist: Wir ha-ben eine Zweiklassenmedizin. Fragen Sie doch einmaldie gesetzlich Versicherten, wann sie einen Termin be-kommen,
und fragen Sie die FDP-Mitglieder, die zu Vorzugstari-fen in der privaten Krankenkasse versichert sind, wannsie ihre Termine bekommen. Das ist die Wirklichkeit indiesem Lande.
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Sie haben gesagt, der Haushalt sei auch ein Stück Ge-taltung für die Zukunft. Ja, wo gestalten Sie in diesemaushalt Zukunft?
ie sparen bei denjenigen, die sowieso nichts haben. Ge-ingverdienern – nicht nur Hartz-IV-Empfängern, die ar-eitslos sind, sondern auch denjenigen, die so wenig ver-ienen, dass wir ihnen helfen müssen – streichen Sie daslterngeld; so viel zum Thema Lohnersatzleistungen.ie sagen in dieser Frage nicht die Wahrheit. Sie nehmens von denjenigen, die am wenigsten haben, und lasseniejenigen, die es im Überfluss haben, schön in Ruhe.
ie kürzen beim Übergangsgeld. Sie kürzen die Renten-uschüsse auf Kosten der Kommunen.Frau Merkel, Sie haben gesagt, das mit den Eingliede-ungshilfen sei nicht so schlimm, weil wir weniger Arbeits-se hätten. Sie sollten sich das einmal genau ansehen: Dieahl der Langzeitarbeitslosen, die Zahl derjenigen, dierbeitslosengeld II beziehen, ist nicht gesunken.
as sind aber diejenigen, die am dringendsten auf Ein-liederungshilfe angewiesen sind.
enn Sie sich das nächste Mal aufschreiben lassen,ehr Deutsche sollten in der Pflege beschäftigt werden,iebe Frau Merkel, dann sollten Sie bedenken, dass Sies sind, die in diesem Jahr die dreijährige Ausbildung imereich der Pflege für Langzeitarbeitslose auslaufenässt. Sie produzieren gerade den nächsten Pflegenot-tand mit Ihrer Arbeitsmarktpolitik. So sieht die Wirk-ichkeit aus.
Ganz anders ist es, wenn sich andere von Maßnahmenetroffene melden. Sie wollten Mitnahmeeffekte im Be-eich der Ökosteuerausnahmen endlich abräumen. Esibt einen Brief von Herrn Hambrecht. Zudem gibt esine Entscheidung, die die CDU/CSU-Bundestagsfrak-ion auf ihrer Klausur getroffen hat, nämlich die Rück-ahme dieses Vorschlages des Finanzministers. Da reichtin Brief von Herrn Hambrecht an Herrn Fuchs aus, und
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Jürgen Trittin
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die CDU spurt. Genau das verstehen wir unter unsererFeststellung, hier werde Klientelpolitik betrieben.
Sie haben ein Riesenfeld für Einsparungen. Ihr eige-nes Umweltbundesamt hat Ihnen 48 Milliarden Euroaufgelistet, die Sie an ökologisch schädlichen Subven-tionen einsparen könnten. Sie trauen sich nicht einmal,Mitnahmeeffekte abzuräumen.Hinzu kommen Buchungstricks zuhauf. Wo wollenSie eigentlich die Globale Minderausgabe in Höhe von5,6 Milliarden Euro hernehmen? Vorgesehen ist auch einSchattenhaushalt: Künftig soll sich die Bundesagenturfür Arbeit verschulden dürfen. Was hat das mit Genera-tionengerechtigkeit zu tun?
Nein, Sie huschen darüber hinweg und klopfen sichwegen der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt auf dieSchulter. Liebe Frau Merkel, genau in dem Moment, alsSie das gesagt haben, brach über der Reichstagskuppeldie Sonne durch die Wolken. Ich habe mich gewundert,dass Sie nicht auch noch das zu Ihrem eigenen Verdiensterklärt haben. Denn wenn es ein Verdienst an der Ent-wicklung des Arbeitsmarktes und der Auftragslage gibt,dann schauen Sie bitte nach China. China hat mit seinemKonjunkturprogramm und seiner massiven staatlich in-duzierten Nachfragesteigerung dafür gesorgt, dass inDeutschland wieder Aufträge eingegangen sind.
Bei dieser Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt ist vielWen Jiabao und ganz wenig Merkel drin.
Stattdessen machen Sie selbst in den Bereichennichts, in denen Sie Einnahmen erzielen könnten: je1 Milliarde Euro durch die Anhebung des Spitzensteuer-satzes und die Streichung des Steuerprivilegs für dickeDienstwagen sowie eine halbe Milliarde Euro durch dieRücknahme der Steuerermäßigung für Hotels.
Wenn Sie hier erklären, Sie seien für Integration, dannsage ich Ihnen: Wer das Elterngeld für Geringverdie-nende kürzt, wer die Mittel für den Ausbau von Kinder-tagesstätten in Kommunen kürzt und wer bei der Inte-gration von Langzeitarbeitslosen kürzt, der betreibtkeine Integration, sondern Desintegration. Er betreibt dieSpaltung dieser Gesellschaft.eidksBDsksmbzDfuSMttHzgDggrVgKm
Wenn wir über Integration reden, dann muss ich diehemalige Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU daran er-nnern, dass es ihre Fraktion unter ihrer Führung war, dieem Zuwanderungsgesetz mit den verbindlichen Sprach-ursen, die wir auf den Weg gebracht haben, nicht zuge-timmt und es in ein elendes Vermittlungsverfahren imundesrat geschickt hat.
as war Ihre Politik. Sie haben bei der Integration ver-agt. Zeigen Sie dabei nicht auf andere in diesem Hause!
Wir bräuchten eine Haushaltspolitik, die den Zu-unftshorizont einer CO2-neutralen hochmodernen Wirt-chaftsweise in reale Maßnahmen umsetzt. Aber stattehr in Wärmedämmung zu investieren, kürzen Sieeim Marktanreizprogramm.Zudem wird behauptet, Stuttgart 21 sei ein Beitragum Schienenverkehr.
as Geld, das Sie in Stuttgart im Bahnhof versenken,ehlt uns künftig für den Ausbau des Regionalverkehrsnd den notwendigen Ausbau des Güterfernverkehrs.ie können einen Euro nur einmal ausgeben.
Es ist absurd, wie Herr Mappus das alte Erbe von Uliaurer, damals SPD-Vorsitzender in der Großen Koali-ion in Baden-Württemberg, auf Teufel komm raus ver-eidigt, und Frau Merkel steht nicht an, das Erbe vonerrn Maurer sowie Herrn Mappus lautstark und falschu verteidigen.
Die Frage muss erlaubt sein, wer in diesem Lande ei-entlich regiert.
as schlimmste Beispiel ist die Vereinbarung zur Ener-iepolitik. Sie haben, nachdem 40 Unsympathen – übri-ens alle Männer – per Anzeige eine Laufzeitverlänge-ung gefordert haben, umgehend Gehorsam gezeigt undollzug gemeldet. Sie haben die Laufzeiten mehr verlän-ert, als die Industrie selbst in den Verhandlungen zumonsens verlangt hat. Sie verdoppeln die Reststrom-enge. Sie erhöhen die Menge des Atommülls. Wenn
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Jürgen Trittin
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Sie in dieser Situation hier sagen, dass Sie Verantwor-tung in der Endlagerfrage übernehmen wollen, dannfrage ich erstens: Was ist das für eine Verantwortung, diedas Problem vergrößert und nicht verkleinert?
Das Zweite ist – ganz persönlich –: Ich war in derschlimmen Situation, Ihr Erbe aus Morsleben überneh-men zu müssen. Ich habe an den Salzhöhlen gestanden,
deren Gestein von oben auf die verrotteten Fässer herun-terbröckelte. Das haben Sie zu verantworten. Da wolltedie Umweltministerin Merkel Atommüll aus West-deutschland einlagern. Wir mussten das nicht nur stop-pen, sondern auch aufwendig mit viel Geld sanieren.Wenn Sie sagen, dass Sie Verantwortung übernehmenwollen, und in dem Zusammenhang auf Gorleben ver-weisen, dann sage ich Ihnen: Wenn Ihre Morsleben-Poli-tik die Perspektive für Gorleben ist, dann übernehmenSie keine Verantwortung. Dann empfindet die Mehrheitder Bevölkerung dieses Landes dies als eine massive Be-drohung ihrer Sicherheit.
Ausweislich Ihrer eigenen Gutachten wollen Sie denAusbau erneuerbarer Energien jedes Jahr um 20 Prozentreduzieren; das haben Sie selber aufschreiben lassen. Siemachen mit Ihrer Laufzeitverlängerung Deutschland vonStromimporten abhängig. Bis zu 31 Prozent des Stromssollen nach Ihren Energieszenarien künftig importiertwerden. Was hat das mit Energiesicherheit zu tun? Washat das mit Brückentechnologie zu tun? Das ist das Ge-schäftsmodell von RWE, das Sie uns hier verkaufen.
Wenn Sie das mit der Brückentechnologie ernst meinten,dann müssten Sie angesichts der gewaltigen Exportüber-schüsse, die wir mittlerweile dank der erneuerbarenEnergien in diesem Land erzielen, schneller aus derAtomenergie aussteigen.Wenn man die Frage ernsthaft stellt, wessen Regie-rung Sie sind, dann lautet die Antwort: Sie, Frau Merkel,sind die Kanzlerin von RWE, Eon, EnBW und Vatten-fall. Die Richtlinien der Energiepolitik werden vonJürgen Großmann von RWE geschrieben, nicht mehrvon einem gewählten Kabinett.
Diese Unternehmen profitieren mit 100 Milliarden Euro.Dennoch behaupten Sie, die 14 Milliarden Euro, die fürEnergieeffizienz davon abgezweigt werden, würden dasausgleichen. Nein, das ist etwas mehr als das, was Sieden Stadtwerken in diesem Land wegnehmen. Sie redu-zDGwwksstBkrLDvsHvnaUnzebntps2gWnIwhinusB
aufzeitverlängerungen sind zustimmungspflichtig. –er gleiche Herr Röttgen wird uns aber hier ein Gesetzorlegen, das ohne Zustimmung des Bundesrates verab-chiedet werden kann; das hat er angekündigt. Liebererr Röttgen, man kann sich irren, aber vorsätzlich einerfassungswidriges Gesetz einzubringen, gehört sichicht für einen Minister.
Ich füge noch einen weiteren Punkt hinzu. Man kannuch gegen Herrn Brüderle verlieren. Aber nie darf einmweltminister so tief sinken, dass er den Kakao auchoch genüsslich schlabbert, durch den ihn Herr Brüderleieht. Das machen Sie gerade.
Nein, meine Damen und Herren, diese Regierung hatin neues Motto: Von planlos zu schamlos. Die Frageleibt aber, ob es nicht ein grundlegendes Missverständ-is ist, wenn die Bundesregierung selbst erklärt: Exeku-ive heißt, die Befehle von anderen auszuführen. Vonlanlos zu schamlos, das kann kein Motto für eine deut-che Bundesregierung sein. Damit werden Sie nicht bis013 kommen.
Liebe Frau Merkel, ich nehme gern auf, was Sie hieresagt haben. Sie haben erklärt, Sie wollen in Baden-ürttemberg die Herausforderung mit uns suchen. Wirehmen diese an.
n Stuttgart demonstrieren die Menschen wöchentlich,as sie von Stadtzerstörung und Geldverschwendungalten. Am nächsten Samstag werden die Menschen hiern Berlin zeigen, was sie von Ihrer Energiepolitik halten,ämlich gar nichts.Ich bin sicher: Das Ergebnis in Baden-Württembergnd in Rheinland-Pfalz am 27. März wird kein anderesein. Deutschland möchte nämlich nicht von RWE undDI regiert werden. Vielen Dank.
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Jürgen Trittin
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Nächster Redner ist der Kollege Volker Kauder für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Gabriel, heute Morgen wurde in diesemPlenarsaal in aller Öffentlichkeit gezeigt, worin der Un-terschied zwischen verantwortungslosem und perspek-tivlosem demagogischen Geschrei und einer Politik füreine gute Zukunft in unserem Land besteht. Das ist heuteMorgen gezeigt worden.
Herr Trittin, Sie reden von Politikverdrossenheit. Ichmuss Ihnen eines sagen – ich hätte Ihnen das gern er-spart, weil ich mich gern inhaltlich mit Ihnen auseinan-dersetzen würde –: Die Art Gekasper, mit der Sie IhreRede begonnen haben, schürt Politikverdrossenheit. Ih-nen fehlt die Ernsthaftigkeit in einer Zeit, in der es ge-nau auf diesen Ernst ankommt.
Um es klar zu sagen: Die Herausforderungen sind großgenug. Wir können uns nicht aufführen wie auf einemgrünen Abenteuerspielplatz. Ich erwarte mehr Ernsthaf-tigkeit, aber die ist offenbar bei Ihnen fehl am Platz.
Nun will ich sowohl Ihnen, Herr Gabriel, als auch Ih-nen, Herr Trittin, sagen, warum ich kritisiere, was Sieheute mit Ihren Beiträgen abgeliefert haben. Sie habenvor knapp einem Jahr, als diese Regierungskoalition dieersten Entwürfe zu den Wachstumsbeschleunigungsge-setzen vorgelegt hat, Aussagen über die Zukunft diesesLandes gemacht. Wenn Sie sich diese heute noch einmalanschauen, dann müssen Sie sich für das schämen, wasSie im letzten Jahr gesagt haben, als wir mit unserer Ar-beit begonnen haben.
Herr Gabriel, deshalb sind auch alle Aussagen, dieSie zur Perspektive dieses Landes machen, überhauptnicht überzeugend. Einen Tag nachdem die Shell-Studieveröffentlicht wurde, in der klar und deutlich gesagtwird, dass eine junge Generation wieder Zuversicht undMut gefasst hat, dass eine junge Generation sich und die-sem Land etwas zutraut, heute solche Reden zu halten,ist unsäglich. Ich kann nur sagen, das ist unsäglich.
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it Ihnen ist eine Weiterentwicklung dieses Landes, dieotwendig ist, gar nicht möglich.Jetzt will ich ein Beispiel nennen: Wir brauchen Men-chen in diesem Land, die einen Beitrag dazu leisten,ass es vorangeht. Wir brauchen eine moderne Infra-truktur. Es ist wunderbar, wenn grüne Entwicklungs-olitiker nach Asien, beispielsweise nach Indien, fahrennd sagen, da müsse unglaublich viel für die Infrastruk-ur getan werden. Es geht aber nicht, dass Sie dann beins die notwendige Modernisierung der Infrastrukturerhindern.
as ist nicht glaubwürdig.
ie Grünen sagen, sie seien für den Ausbau der Schienend für eine moderne Infrastruktur. Hier in Berlin aberaben die Grünen gegen den Tunnel demonstriert, durchen sie heute mit großer Freude fahren. Das ist die realeolitik von Rot und Grün: zunächst dagegen sein undann erkennen, dass es doch sinnvoll war.
ei Stuttgart 21 handeln Sie verantwortungslos. Es gehtämlich nicht allein um Stuttgart, sondern es geht umine große europäische Verkehrsentwicklung, von dericht nur die Zukunft unseres Landes, sondern auch dieukunft Europas abhängt. Sie sind gegen das Projekt,bwohl Sie wissen, dass es eine Zukunftsperspektive füraden-Württemberg, für Deutschland und Europa bietet.as nenne ich verantwortungslos.
Herr Gabriel, man wird nicht richtig schlau, was Sieigentlich genau wollen. Das ist das eigentlichchlimme. Ihr Parteifreund Ivo Gönner aus Ulm hat ge-agt: Eine Partei, die in schwieriger Situation, wenn esrnst wird, nicht die Kraft hat, zu stehen, ist keine Regie-ungspartei mehr. – Das hat Ivo Gönner von der SPD ge-agt, nicht wir. Genauso ist es. Wer Entscheidungen mit-rägt und zigmal sagt, sie müssten sein, dann abermfällt, der hat kein Recht, in diesem Land zu regieren;enn er bringt dieses Land nicht voran, sondern wirft esurück.
Wir diskutieren in dieser Zeit auch darüber, wie wiriesem Land eine Zukunftsperspektive geben können,amit alle mitgenommen werden und alle mitmachen.ir, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, haben imahr 2007 nach den Zeiten von Rot-Grün ein Integra-ionskonzept auf den Tisch gelegt. In diesem Integra-
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6062 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Volker Kauder
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tionskonzept beschreiben wir minutiös, was passierensoll. Ich kann nur sagen: Mit dem Eintritt der CDU/CSUin die Regierung hat nach vielen Jahren Multikulti zumersten Mal überhaupt eine Integrationspolitik begonnen.
Sie müssen sich vorwerfen lassen, dass Sie geglaubt ha-ben, durch Multikulti erfolge die Integration. Sie tragendie Verantwortung dafür, dass ganze Jahrgänge keine ge-scheite Schulausbildung erhalten haben und damit keineguten Chancen in unserem Land haben. Das verantwor-ten Sie.
– Herr Beck, von Ihnen brauche ich schon gar keine Fra-gen, um das einmal deutlich zu machen.
Jetzt kommen wir zur Politik des Senats hier in Ber-lin. Daran kann man genau sehen, wie Integration erfolgtist. Herr Trittin, die Rede, die Sie gehalten haben, hättenSie an die Sozialdemokraten richten müssen.
– Seien Sie ruhig, Sie kommen gleich dran. – Sie habenhier in Berlin die Mittel für die Integrationsklassen ge-kürzt, sodass über 10 000 Migrantenkinder keine rich-tige Ausbildung mehr bekommen haben.
Das war die Politik, die Sie gemacht haben.
Und dann machen Sie solche Sprüche. Ich kann nur sa-gen: Von Ihnen können wir, was Integration anbelangt,nichts lernen. Wir machen Politik auf der Grundlage deschristlichen Menschenbilds. Wir versuchen, alle in die-ser Gesellschaft mitzunehmen, damit sie Chancen undZukunftsperspektiven haben.
Jetzt kommen wir zum nächsten Punkt. Das hat sicherst in diesem Jahr hier im Deutschen Bundestag abge-spielt, nämlich am 26. Februar 2010. Es gehört schon einbesonderes Maß an Frechheit dazu, hier aufzutreten undzu sagen: Wir brauchen Sprachkurse; wir wollen, dassdie Leute die Sprache lernen. – Wir haben doch immergesagt: In Deutschland wird deutsch gesprochen. In denSchulen wird deutsch gesprochen, damit die jungenLeute auch mitkommen.–GdegdzrgkjiFdtssgcdezemngdgjLdGHanGusgRrOdEn
Warten Sie doch einmal ab!Da hat doch die SPD am 26. Februar 2010 hier einenesetzentwurf eingebracht. Sie hat vorgeschlagen, aufie Sprachkurse zu verzichten, um die Einbürgerung zurleichtern. Einen größeren Quatsch habe ich in meinemanzen Leben noch nicht gehört!
Neben den jungen Menschen, den etwa 60 Prozent,ie eine gute Zukunftsperspektive sehen, die sich etwasutrauen und die der Überzeugung sind, dass sie in unse-em Land den Beruf ergreifen werden, den sie wollen,ibt es nach der Shell-Studie – darauf hat die Bundes-anzlerin mit Recht hingewiesen – die 15 Prozent derungen Leute – in dieser Größenordnung liegt das –, diehre Chance nicht sehen, die frustriert sind, die über ihreamilie kein gutes Urteil abgeben können.Im Übrigen ist bemerkenswert, dass die jungen Leuteurch die Bank – durch die Bank! – sagen, sie wünsch-en sich eine gut funktionierende Familie. Das von Ihneno attackierte Modell „Familie“ erlebt also eine Renais-ance, und zwar nur deswegen, weil wir es immer hoch-ehalten haben.
Es gibt also 15 Prozent, die eine Perspektive brau-hen. Deswegen haben wir dafür gesorgt, dass die Bun-esagentur aus Mitteln, die wir zur Verfügung stellen,ine Schulausbildung zu einem späteren Zeitpunkt finan-ieren kann. Die Bundesagentur sagt: Jeder kann auch zuinem späteren Zeitpunkt noch einen Schulabschlussachen. – Wir kürzen die Mittel für die Bildung alsoicht, und es ist völlig richtig, dass wir mit den Ländernerade darüber reden, wie wir Geld aus unserem Bun-eshaushalt den Ländern für diese Aufgabe zur Verfü-ung stellen können. Wir tun also alles, um genau diesenungen Menschen eine Perspektive zu geben.Wenn es darum geht: „Was können wir tun, um diesesand voranzubringen?“, dann ist eine zentrale Frage, dieie Menschen stellen: Haben wir genügend Sicherheit?erade in einer Zeit der Globalisierung, wo besondereerausforderungen auf uns alle, auf die Politik, aberuch auf jeden einzelnen Menschen, zukommen, wirdatürlich gefragt: Sind wir gegen die Dinge, die mit derlobalisierung zusammenhängen, genügend gesichert?Da ist eine Erkenntnis bemerkenswert, die viele vonns täglich gewinnen und die die Bundeskanzlerin ange-prochen hat: Die Menschen, die Bürgerinnen und Bür-er, sehen in den sozialen Sicherungssystemen – in derenten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversiche-ung – ihre persönliche Sicherheit. Das ist ja auch inrdnung. Sie wissen ganz genau – ganz genau! –, dassiese sozialen Sicherungssysteme vom wirtschaftlichenrfolg unseres Landes abhängen. Die Leute glauben Ih-en nicht, dass diese Dinge einfach so vom Himmel fal-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6063
Volker Kauder
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len. Die Bürgerinnen und Bürger wissen: Soziale Sicher-heit muss erwirtschaftet werden; sie wird einem vonniemandem geschenkt.
Deswegen sagen die jungen Leute – schauen Sie sichdie Shell-Studie einmal genau an! –, aber auch die ältereGeneration: Sicherheit haben wir dann, wenn die Wirt-schaft läuft und die Arbeitslosigkeit zurückgeht, jeden-falls nicht weiter steigt. – Das sind die Zusammenhänge,die wir sehen. Deswegen geht es darum, auch in dieserglobalisierten Zeit die Wirtschaft voranzubringen. Wirstehen in einem Wettbewerb, in dem uns nichts ge-schenkt wird. Besonders der Wettbewerb in einer globa-lisierten Welt kennt keine Pause.Ich war in der Sommerpause ein paar Tage in Südost-asien. Da bin ich in einem bevölkerungsreichen Land– nicht in China oder Indien, sondern in Indonesien mit240 Millionen Einwohnern – auf junge Menschen ge-troffen, die zu mir gesagt haben: Wir wollen vorankom-men. Wir wollen genauso gut sein wie ihr in Europa. Wirwollen genau den gleichen Lebensstandard. – Im An-schluss daran sagten sie: Und angesichts eurer Diskus-sionen in Europa – dagegen, dagegen, dagegen – ent-scheiden wir uns anders und werden dafür sein. Wir sinduns deshalb sicher, dass dieses Jahrhundert uns, den jun-gen Leuten in Asien, gehören wird. – Ich sage: Ich will,dass dieses Jahrhundert auch unser Jahrhundert ist unddas Jahrhundert unserer jungen Leute. Deswegen brau-chen wir Forschung, Innovation und moderne Infrastruk-tur. Sonst wird uns das nicht gelingen, meine lieben Kol-leginnen und Kollegen.
Der Verweigerungshaltung, die ich bei Rot und Grünfeststelle, werden wir deshalb durch einen Aufbruch be-gegnen. Wir stoßen jetzt auf eine junge Generation, diedieses genauso sieht.Meine sehr verehrten Damen und Herren, es kommtsomit darauf an, dass wir in dieser Gesellschaft denGemeinsinn wieder etwas mehr in den Vordergrund stel-len. Dazu gehört, dass wir auch in diesem Parlament beieinigen Dingen diesen Gemeinsinn nach draußen zeigen.Bei allem Streit – das meine ich schon, Herr Trittin undHerr Gabriel – müsste man den Bürgerinnen und Bürgern,die jeden Tag neben ihrer Arbeit auch noch ehrenamtlichtätig sind und sich in diese Gesellschaft einbringen, schoneinmal Dank sagen. Wir müssen denen dankbar sein, diegroße Geldbeträge spenden, damit in dieser GesellschaftDinge passieren können, die sonst nicht passieren wür-den.
Wir müssen deutlich sagen: Das gehört zu einemDeutschland, wie wir es uns vorstellen. All das fördernwir deshalb, und dazu ermuntern wir auch die Menschenin unserem Land.
Jetzt werden Sie fragen: Was meint der denn konkret?
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Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege
oachim Poß.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieberollege Kauder, ich verstehe nicht, warum Sie gegen ei-en Volksentscheid sind, wenn – wie in Stuttgart – dieinge offenkundig so verfahren sind, wie sie es sind.
ch verstehe auch nicht, dass sich Frau Merkel indirektegen einen solchen Weg ausgesprochen hat. Ich glaube,ie Menschen in Stuttgart und in Baden-Württembergeurteilen das gänzlich anders als Sie.
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6064 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
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Herr Kollege Poß, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Barthle?
Gleich am Anfang? Im weiteren Verlauf – bitte.
Ja oder nein?
Im Moment nicht.Herr Kauder, die ganze Welt bescheinigt uns, dass esnicht allein diese neue Regierung war – Sie wollten mitIhrer Rede nur von Ihrer fragwürdigen Regierungsleis-tung ablenken –,
sondern dass es neben anderen Faktoren auch der Sozial-staat war, der aufgrund seiner Stabilität dazu beigetragenhat, dass wir gut durch die Krise gekommen sind.
Er wird uns hoffentlich auch weiterhin helfen, diesenWeg zu gehen.Frau Merkel, aus jedem Ihrer Sätze – das gilt auch fürdie Stellen Ihrer Rede, an denen Sie kämpferisch wurden –sprach falscher Stolz auf die schwarz-gelbe Koalition.Sie tragen damit zur Legendenbildung mit Blick auf dieletzten Jahre bei und verleugnen so die Leistungen derGroßen Koalition. Ich finde, das sollte man nicht tun.Frau Merkel, Sie sollten die besten Jahre, die Sie wahr-scheinlich in einem Regierungsamt verbracht haben,nicht verleugnen.
Das wäre auch für Ihre Biografen nicht nachvollziehbar.Es wird sich aller Voraussicht nach herausstellen, dassdie Zeit als Kanzlerin in der Großen Koalition Ihre bestepolitische Zeit war. Denn was wir bisher von der neuenRegierung erleben konnten, war einfach grottenschlecht.Es ist Legendenbildung, das anders darzustellen.Wenn Sie die SPD historischer Fehler zeihen und alsBeispiel dafür die Euro-Krise anführen, dann müsstenSie mit vier Fingern auf sich selbst zeigen. Sie waren inden Wochen der Krise doch überhaupt nicht handlungs-fähig.
Sie waren über Wochen mit dem eigenen Finanzministerund mit der FDP zerstritten. Sie selbst waren gegenüberdem von uns gewünschten Instrument der Finanzmarkt-transaktionsteuer durchaus aufgeschlossen. Aber dasgalt nicht für die FDP und nicht für weite Teile IhrerFraktion. In der Euro-Krise waren Sie ein zerstrittenerHühnerhaufen. Das war die eigentliche Bedrohung unse-res Landes.
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ventuell geht dies auch noch zulasten der Steuerzahler.ir wollen es nicht hoffen.Wenn man sich genau anschaut, was Sie mit Ihremogenannten Sparpaket machen, und wenn man es unterirtschaftlichen Aspekten sieht, dann muss man sagen,ass Sie Investitionen behindern werden. Die Konjunk-urpakete laufen jetzt aus. Gleichzeitig verhindern Sienvestitionen in Milliardenhöhe in erneuerbare Energien.leichzeitig streichen Sie Mittel für die Städtebauförde-ung. Damit verhindern Sie Investitionen in den Städten,ie dringend gebraucht werden und mit denen die Be-chäftigung gesichert und auch oftmals die Umweltsitua-on verbessert werden kann. Das alles ist kontraproduktivür die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Deswegenuss man feststellen: Diese Regierung ist eher eine Be-rohung für die wirtschaftliche Entwicklung unseresandes und kein Pluspunkt.
Sie versuchen, von Ihrer Klientel- und Spaltungspoli-ik abzulenken und sich hinter den derzeit günstigen Wirt-chaftsdaten zu verstecken. Aber ich denke, das ist sourchsichtig und simpel – das merken die Leute auch –,ass Sie damit nicht erfolgreich sind. Bisher waren Sie esedenfalls nicht.Sie sind doch aus der Sommerpause herausgekom-en, wie Sie hineingegangen sind, wenn man sich dientscheidungsabläufe in Ihren Reihen anschaut. Sie ha-en im Kern und in der Substanz von Ihrer Absicht, die-es Land weiter zu spalten und Privilegien wirtschaftlichtarker nicht anzutasten, nicht abgelassen. Sie habenielleicht Ihren Entscheidungsstil ein wenig verändert.ber richtige Lösungen haben Sie bisher nicht bringenönnen. Das gilt für jedes Thema, das hier genannt wer-en kann.Seit den Atombeschlüssen vom vorletzten Wochen-nde hat Deutschland faktisch keinen Umweltministerehr. Röttgens Hosen sind mittlerweile verdammt kurzeworden. Jedenfalls kann er, wenn man sich das einmalörtlich vorstellt, bei offiziellen Treffen nicht in dieserekleidung auftreten.
Man muss ja sagen, dass sowohl Sigmar Gabriel alsuch Jürgen Trittin als Umweltminister in den jeweiligenoalitionen eine ganz andere Rolle gespielt haben. Wasützt die vermeintliche Entschlussfreude, die Frauerkel jetzt neu beweisen will, wenn es sich um falschentscheidungen handelt, wie bei dem Atomdeal? Dietombeschlüsse – das wird Sie noch einholen – schaffeneder eine verlässliche Grundlage für die Energiepolitik
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Joachim Poß
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in Deutschland noch schaffen sie verfassungsrechtlicheKlarheit.
Was Sie damit erreicht haben, ist erneuter jahrelangerStreit, nachdem wir dachten, wir hätten mit dem, was inden letzten Jahren verabredet wurde, endlich nach Jahr-zehnten Frieden in der Atomfrage geschaffen.
Erheblicher Streit in Politik und Gesellschaft hat auchwirtschaftliche Auswirkungen, und die werden nicht po-sitiv sein.Die Laufzeitverlängerung war für Frau Merkel einewillkommene Gelegenheit, sich in den eigenen Reihenetwas Luft zu verschaffen. Aber immer mehr Menschenspüren – übrigens auch in den eigenen Parteien, derCDU und CSU –, dass das alles etwas damit zu tun hat,Frau Merkels Position und Machtbasis abzusichern.Deswegen macht sie nicht das, was sachlich geboten ist,sondern was die schwarz-gelbe Koalition möglichstlange zusammenhält; womöglich verbleibt ihr nach denEntscheidungen, die jetzt getroffen wurden, politischauch keine andere Option mehr.
Um es offen zu sagen: Schwarz-Grün ist nicht einfa-cher geworden für diejenigen, die das wollen. In denLändern mag das für manchen vielleicht noch vertretbarsein. Aber ich glaube, in Zukunft wird es auch da nichteinfacher.Frau Merkel hat sich auch stärker in die Hände vonWesterwelle und Seehofer begeben. Ich glaube, dass IhreStrategiekonferenz vom Wochenende bei weitem nichtdie letzte sein wird.Bei diesem kalkulierten Politikstil fragen die Men-schen doch: Wo bleiben denn wir dabei? Sie finden das al-les sehr kalt und machtzynisch. Ich glaube, dass die Men-schen trotz aller Kritik an der Vorgängerregierung denEindruck hatten, dass diese in schwieriger Zeit Verant-wortung für unser Land gezeigt hat. Wie gesagt, es warendie Sozialdemokraten, die wirklich geholfen haben. Eswaren die Sozialdemokraten Steinmeier, Steinbrück, undScholz, die die richtigen Entscheidungen vorgeschlagenhaben, von denen wir auch heute noch profitieren. Daswar wesentlich für die wirtschaftliche Entwicklung undfür den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. Ich ver-stehe deswegen, dass es auch eine gewisse Nostalgie gibt.Viele, die die SPD kritisch gesehen haben, sehnen sichjetzt wieder nach der SPD in Regierungsverantwortungzurück.
Ich höre das auch in meinen Gesprächen. Ich finde, dieMenschen haben recht, wenn sie sich danach zurückseh-nen;
denn sie können vergleichen, was wir geleistet habenund was diese Koalition zu leisten nicht in der Lage ist.DsshvwsrfmnspguectmhGRdDsaadHjslnBdnkDdkdf
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Nachdem die Opposition vorgetragen hat, istetzt Zeit und Gelegenheit für einen Vergleich der politi-chen Konzepte. Sie haben beklagt, dass wir beim Sozia-en sparen würden, obwohl der Sozialbereich dabei we-iger stark herangezogen wird, als es seinem Anteil amundeshaushalt entspricht. Sie haben beklagt, dass beien sozial Schwachen gespart würde. Sie haben abericht ein einziges Mal über konkrete Maßnahmen, Wir-ungen und Ergebnisse von Sozialpolitik gesprochen.as ist Ihr alter sozialdemokratischer und grüner Gestus,en wir hier in Berlin im Senat schon oft beobachtenonnten.Es ist der gleiche Gestus, der dazu geführt hat, dasser rot-rote Senat über Jahre eine Obdachloseninitiativeinanziert hat,
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Christian Lindner
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bei der später durch Zufall sichtbar wurde, dass der Ge-schäftsführer, ein ehemaliger SPD-Abgeordneter, dasGeld nicht für Obdachlose, sondern für den Dienst-Maserati aufgewendet hat.
Ihr sozialdemokratischer Gestus, soziale Gerechtigkeitan sozialen Ausgaben zu messen, ist gescheitert.Sie haben im Übrigen auch mit dem Makel zu leben,dass das Verfassungsgericht Ihnen einen Bruch des So-zialstaatsgebots ins Stammbuch geschrieben hat. Sie ha-ben als Rote und Grüne ein System von Hartz IV poli-tisch zu verantworten,
bei dem Kinder aus benachteiligten Familien systema-tisch benachteiligt worden sind; ihnen sind Bil-dungschancen genommen worden. Das gehen wir in die-sem Herbst konkret an. Da räumen wir das auf, was Sieversäumt haben.
Mögen Sie sich weiter auf Etats fixieren! Wir küm-mern uns im Herbst darum, dass Menschen Arbeits-markt- und Bildungschancen bekommen. Bleiben Sie fi-xiert auf die Ausgabenseite des Staats! Wir sorgen dafür,dass es konkrete soziale Chancen im Alltag gibt. Dennsoziale Rhetorik zählt nichts; nur die sozialen Ergebnissezählen für die Menschen in diesem Land.
Jetzt ist auch Gelegenheit, die haushalts- und finanz-politischen Konzepte zu vergleichen. Die SPD berät aufihrem nächsten Bundesparteitag über ein neues – sonennt sie es – „Fortschrittsmodell“. Ich habe mir dassehr genau angesehen. Im entsprechenden Leitantrag desParteivorstands finden sich nur einige dürre Zeilen zurHaushaltskonsolidierung, aber Steuererhöhungen in ei-ner Größenordnung von 15 Milliarden Euro für den wirt-schaftlich tätigen Mittelstand; die Konzerne schonen Sienämlich. Was passiert mit dem Geld? Es wird verwendetfür neue Sozialprogramme, neue Subventionen und neueStaatsbeteiligungen an Unternehmen. Dafür haben diesozialdemokratischen Begriffsklempner sogar ein neuesWort erfunden:
Public Equity. Früher hieß das, was Sie wollen, Volksei-gentum.
Ich sage Ihnen eines: Wir sehen, dass jetzt Wachstumund Beschäftigung florieren, weil wir genau das Gegen-twsMwvKflwewEsAEKsavrIlavbDtwndmdgdgln
Herr Kollege Lindner, gestatten Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Ströbele?
Nein, ich will einige Unterschiede exemplarisch deut-ich machen und nicht noch weiter andere Aspekte ge-ichten.Ich will über die Energiepolitik sprechen. Wir habenine Allianz aus verlängerter Laufzeit von Atomkraft-erken und dem größten Programm für erneuerbarenergien und Energieeffizienz zustande bekommen, wieie dieses Land noch nicht gesehen hat.
uch die Grünen haben auf ihrer letzten Klausur einnergiekonzept vorgelegt. Das habe ich mit Interesse zurenntnis genommen. Sie lassen uns beispielsweise wis-en, dass Sie zur Rettung des Weltklimas in Deutschlandb dem Jahr 2015 Motorroller verbieten wollen. Respektor Ihrem politischen Mut und vor der Detailliertheit Ih-er Forderungen! Aber ein paar Worte kommen mir inhrem Konzept zu oft vor: „möglicherweise“, „viel-eicht“, „streben an“, „es könnte gelingen“. Da heißt esn zentraler Stelle: Möglicherweise könnte die Energie-ersorgung bis 2030 komplett auf erneuerbaren Energienasieren.
as ist zwar ein visionäres, schönes Ziel, aber ohne Fak-en. Und: Was, wenn nicht? Zu welchen Kosten und aufessen Kosten? Die Energieversorgung einer Industrie-ation, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen,arf man nicht auf Wunschdenken aufbauen, sondern sieuss auf Rationalität basieren, und genau das leistetiese Koalition.
Herr Trittin hat eben auch über Gesundheitspolitikesprochen. Auch dazu ein Wort. Rot-Grün hat immerie Schwächung der privaten Krankenversicherung an-estrebt. Sie haben die Beitrittsfrist auf drei Jahre ver-ängert, weil sie die privaten Versicherungen austrock-en wollten. Sie haben dafür gesorgt, dass die privaten
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Christian Lindner
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Krankenversicherungen nicht in gleicher Weise Rabatteaushandeln konnten, wie die gesetzlichen das tun. Des-halb haben viele Versicherte in der PKV Beitragssatz-steigerungen zu verzeichnen gehabt. Das sind aber nichtdie Besserverdiener und Reichen, sondern in der PKV istauch der kleine Polizeibeamte an der Ecke versichert.Das sind 10 Millionen Menschen, die endlich faire Wett-bewerbsbedingungen brauchen. Für die setzen wir unsein.
Ein letzter Gedanke. Von der SPD wird fortwährendüber Klientelismus gesprochen. Das ist der große Vor-wurf, der uns gemacht wird, und das ausgerechnet vonder SPD. Sie haben in den letzten Wochen beschlossen,die Agenda 2010 rückabzuwickeln. Von der Rente mit67 wollen Sie nichts mehr wissen. Sie fordern einenMindestlohn von 8,50 Euro. Trotz der Euro-Krise habenSie den Kreditgarantien nicht zugestimmt, sondern sichenthalten. Sie machen Klientelpolitik.
Wissen Sie, wer Ihre Klientel ist? Sie sitzt auf der linkenSeite des Hauses. An sie wollen Sie sich heranrobben, sowie in Nordrhein-Westfalen,
wo Sie die Neuverschuldung um 30 Prozent erhöhen, umSozialpopulismus zu betreiben, um die Stimmen derLinkspartei im Landtag zu kaufen. Das ist die Politik,die Sie betreiben.
Große Sozialdemokraten wie Willy Brandt, HelmutSchmidt und Gerhard Schröder haben stets das Notwen-dige getan und es danach populär gemacht. Unter Füh-rung von Sigmar Gabriel verlegen Sie sich darauf, nurdas Populäre zu wollen und das Notwendige zu verleug-nen.
Brandt, Schmidt und Schröder haben ihrem Land dienenwollen.
Sigmar Gabriel hat gesagt: Der Grundsatz „Erst dasLand, dann die Partei“ habe für ihn keine Bedeutungmehr. So verspielt Ihr Vorsitzender jede Legitimation fürpolitische Führung in diesem Land.
Das Wort hat nun der Kollege Hans-Peter Friedrich
für die CDU/CSU-Fraktion.
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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnennd Kollegen! Das, was die Opposition bereits gestern,ber auch heute, von Herrn Gabriel bis zu Herrn Trittin,bgeliefert hat, war eine Mischung aus Polemik, unsach-ichen Angriffen und Unwahrheiten.
it dieser Mischung richten Sie sich selbst. Wir werdens nicht zulassen, dass von der Opposition die Stimmungn diesem Land in einer Phase kaputtgeredet wird, in derie ganze Welt Deutschland dafür bewundert, was eseistet.
Wir haben allen Grund, selbstbewusst zu sein. Imweiten Quartal verzeichnen wir beim Bruttoinlandspro-ukt eine Zunahme von 2,2 Prozent. Wir haben allehancen, im Jahresdurchschnitt auf insgesamt 3,0 Pro-ent, vielleicht sogar auf mehr zu kommen. Ich glaube,as ist eine großartige Leistung. Ich denke, dass das dieirtschaftsdynamik dieser Volkswirtschaft widerspie-elt.Heute ist des Öfteren in Zwischenrufen gefragt wor-en: Kommt der Aufschwung bei den Menschen an?
ie Frau Bundeskanzlerin hat das heute dargestellt: StattMillionen Arbeitsloser, wie zu Zeiten von Rot-Grün,aben wir nur noch 3,2 Millionen oder sogar weniger.,8 Millionen Menschen haben ihren Arbeitsplatz nichterloren. 280 000 Menschen fanden allein im letztenahr einen neuen Arbeitsplatz aufgrund der Zunahme derozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhält-isse. Diese Menschen profitieren. Bei denen kommt derufschwung an. Hunderttausende von Kurzarbeitern,ie noch vor einem Jahr um ihren Arbeitsplatz gebangtaben – jedenfalls gilt das für den einen oder anderenon ihnen –, arbeiten jetzt wieder Vollzeit. Auch bei ih-en kommt der Aufschwung an. Er kommt auch bei denielen Millionen an, die jetzt oder eines Tages auf die so-ialen Sicherungssysteme angewiesen sein werden. Sieind durch diesen Aufschwung wieder sicherer gewor-en, und auch sie profitieren insofern von diesem Auf-chwung.Nun ist die Frage: Wie kommt dieser großartige Auf-chwung in Deutschland, anders als in anderen europäi-chen Ländern, anders als in anderen Industrieländern,ustande?
Erstens. Die deutsche Volkswirtschaft – das könnenir voller Selbstbewusstsein sagen – hat eine großartigeubstanz. Wir haben qualifizierte, fleißige Arbeitnehmer
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Dr. Hans-Peter Friedrich
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und innovative, risikofreudige Unternehmer. Das ist einwichtiges Potenzial, das wir haben und brauchen.
Zweitens haben wir ein gutes Krisenmanagementder Politik, angefangen bei einem Konjunkturpaket, dasdie Einbrüche in der Krise auffangen sollte und aufge-fangen hat. Lieber Herr Poß, es war doch immer klar,dass dieses Konjunkturpaket nicht jedes Jahr wieder-kommen kann, sondern man irgendwann den Ausstiegfinden muss, weil das alles finanziert werden muss. Da-rum geht es; schließlich muss das alles dauerhaft mög-lich gemacht werden. Wir haben die Familien dauerhaftentlastet: Erhöhung des Kindergeldes, Entlastung derSteuerzahler in diesem Land zu Beginn dieses Jahres inzweistelliger Milliardenhöhe. Auch der Schutzschirmfür die Arbeitnehmer, der in der Kurzarbeiterregelungund der Subventionierung der Krankenversicherungsbei-träge zum Ausdruck kam, darf nicht geringgeschätztwerden. Aber er muss natürlich abfinanziert werden.Was drittens ganz wesentlich dazu beigetragen hat, istdie positive Grundstimmung in diesem Land, der Zu-kunftsoptimismus. Dieser Zukunftsoptimismus ist Vo-raussetzung dafür, dass ein Land überhaupt blühen kann.
Es gibt diesen Zukunftsoptimismus, weil diese christ-lich-liberale Koalition Ja sagt zu Leistung, Ja sagt zu Ei-gentum, Ja sagt zu moderner Technologie, Ja sagt zuVersorgungssicherheit im Energiebereich, Ja sagt zumehr Innovation, zu mehr Forschung, zu mehr Bildung.Deswegen ist die Grundstimmung positiv und zukunfts-orientiert.
Sie hingegen, meine Damen und Herren im linkenSpektrum, von der Linken bis zu den Grünen, stehen fürdas Gegenteil. Ein Blick nach Nordrhein-Westfalenzeigt, wohin die Reise mit den Linken, den Roten undden Grünen in diesem Land geht – Christian Lindner hates soeben angesprochen –: Schamlos wird ein Schulden-haushalt aufgestellt, der das Land über Jahre belastenwird, den die Enkel und Urenkel bis ins dritte und vierteGlied eines Tages doppelt und dreifach zurückzahlenmüssen.
Mehr noch: Diese Regierung in Düsseldorf, die offi-ziell nur von Rot und Grün getragen wird, wird von denlinken Genossen geduldet. Um diese Duldung ordentlichzu machen, haben Sie dafür gesorgt, dass das Wahlpro-gramm der Linken in Ihrer Koalitionsvereinbarung inDüsseldorf unterkommt. Die Linken versprechen einRecht auf Rausch. Was macht Rot-Grün in Düsseldorf?Rot-Grün sagt: Die erlaubte Menge Rauschgift für denEigenbedarf muss erhöht werden. Die Linken sagen: we-niger Freiheitsentzug. Rot-Grün schreibt im Koalitions-vertrag: Wir müssen den offenen Vollzug ausweiten.SztkWswbrvbsdpUDsDrNsPvrBdFdWgnhs6SadspVhvG
Die Opposition steht für exakt das Gegenteil von Auf-ruch, Zuversicht und Zukunftsoptimismus. Ihre Forde-ung nach Steuererhöhungen vernichtet die Basis für In-estitionen. Ihre Forderung nach einer Vermögensteueredeutet den Eingriff in das, was sich Menschen in müh-amer Arbeit ihr Leben lang geschaffen haben. Ihre For-erung nach höheren Energiepreisen vernichtet Arbeits-lätze im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland. Ihremverteilungsideologie zerstört die Leistungsbereitschaft.afür steht Rot-Grün, und dafür steht die linke Seite die-es Hauses. Wir sind froh und glücklich und können ineutschland selbstbewusst nach vorne blicken; denn Sieegieren hier in Berlin, im Bund, nicht.
Deutschland im Jahr 2010 – das bedeutet, dass unsereachbarn und Freunde in der Welt uns beneiden. Wirind Vorbild für Europa.
räsident Sarkozy hat vor kurzem in einer Fernsehredeom „Modell Deutschland“ gesprochen. Es ist kein ge-ingerer als der frühere französische Premierministeralladur, der den Franzosen zugerufen hat: Lasst unsem Mut der Deutschen folgen! Dies war kürzlich in Leigaro nachzulesen.
Was bedeutet das, der Mut der Deutschen? Mut be-eutet, sich vor die Bürger zu stellen und ihnen zu sagen:eil wir alle länger leben wollen, müssen wir auch län-er arbeiten; denn sonst können wir das Rentensystemicht finanzieren. Das ist Mut; denn es bedeutet Wahr-eit.
Natürlich weiß ich auch, dass wir in einzelnen Fällenehr differenzierte Lösungen bei der Frage der Rente mit7 finden müssen. Natürlich weiß ich auch, dass einchwerstarbeiter, dass ein Dachdecker, der 66, 67 Jahrelt ist, nicht mehr aufs Dach steigen kann. Aber wir wer-en gemeinsam mit den Tarifpartnern differenzierte Lö-ungen für diese Probleme finden. Was machen Sie? Sieropagieren den Ausstieg aus dem, was Ihr ehemaligerorsitzender Müntefering damals selber vorgeschlagenat. Deswegen, liebe Kollegen der Sozialdemokratie,erlieren Sie an Glaubwürdigkeit. Sie verlieren anlaubwürdigkeit, weil Sie alle Positionen, die Sie in elf
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Jahren aufgebaut haben, jetzt, wo Sie in der Oppositionsind, räumen. So werden Sie das Vertrauen der Men-schen nicht gewinnen.Es bedeutet Mut, ein Sparpaket auf den Tisch zu le-gen. Es hat nichts mit Mut zu tun, jedem alles zu ver-sprechen, und es hat nichts mit Mut zu tun, jedes Ge-schenk per Kredit zu finanzieren. Aber es ist mutig, zufragen: Wo kann ich einschneiden, vielleicht auch da, woes schwierig und durchaus umstritten ist? Deswegen istes mutig, ein Sparpaket vorzulegen, das, wenn auch mo-derat, den größten Ausgabenblock des Bundeshaushal-tes, den Sozialbereich, reduziert.
Es ist mutig, was unsere Minister in ihren Ressorts imEinzelnen leisten. Ich will nur einige herausgreifen.Peter Ramsauer, der Bundesverkehrsminister, leistet groß-artige Arbeit, wenn es darum geht, die Substanz, die fürdieses Land wichtig ist, die Infrastruktur, aufrechtzuer-halten und auszubauen.
Wir sparen in der wichtigen Frage der Infrastruktur nichtbei den Zukunftsinvestitionen; denn die Erschließungdes Raumes, die Entwicklung des Landes ist davon ab-hängig.Ilse Aigner, die Ministerin für Ernährung, Landwirt-schaft und Verbraucherschutz, setzt sich dafür ein undkämpft dafür, dass der ländliche Raum mit seinemPotenzial, mit seinen großartigen Möglichkeiten eineZukunft hat, sich einbringen kann in die Entwicklungunseres Landes.
Schließlich: Klare Orientierung, Mut und Entschlos-senheit kennt einen Namen in Deutschland: Karl-Theodor zu Guttenberg.
Er analysiert Reformbedarf, schlägt Lösungen vor undsetzt sie durch. Das ist entschlossene und gestaltendePolitik. Darum geht es. Deswegen werden wir diesesLand nach vorn bringen.Lassen Sie mich nun noch einige Sätze zur Energie-politik sagen, nachdem hier schon eine gewaltige Mi-schung aus Ignoranz und Unwahrheiten – leider ist HerrTrittin nicht mehr da, aber vielleicht kann man ihm dasausrichten – vorgeführt worden ist. Die Energieversor-gung ist essenziell für unsere Wirtschaft. Es war das ver-arbeitende Gewerbe, das unser Land aus dieser Krisewieder herausgezogen hat. Es stehen die Arbeitsplätzeim verarbeitenden Gewerbe auf dem Spiel, wenn wirnicht für eine gute, verlässliche und preiswerte Energie-versorgung sorgen.Zur Wahrheit gehört: Wo immer Sie in die Wirt-schaftsgeschichte schauen, stellen Sie fest: Der Wohl-shEgwznddsNKlshmizJ1dZdad4ÖrgvssedwiKdddKnagb
r hängt von der Möglichkeit ab, über Energie zu verfü-en, um produzieren zu können. Lieber Herr Kollege,erfen Sie einmal einen Blick zurück in die Geschichte,ur Erfindung der Dampfmaschine. Gehen Sie einmalach Selb ins Porzellanmuseum. Dort können Sie sichas anschauen. Die Erfindung der Dampfmaschine be-eutete einen Sprung für die Entwicklung des Wohl-tands der Bevölkerung.
In diesen Zusammenhang gehört auch die friedlicheutzung der Kernenergie. Verehrte Kolleginnen undollegen der Sozialdemokratie, Sie sollten einmal nach-esen, was Willy Brandt damals über die Kernenergie ge-agt hat. Lesen Sie einmal nach, was er vorgeschlagenat, wie viele Kernkraftwerke man in Deutschland bauenüsse. Sie werden sich wundern, was da alles steht.Eines ist aber auch richtig: Unser gemeinsames Zielst es, die erneuerbaren Energien in diesem Land voran-utreiben und mit aller Kraft ihren Anteil von Jahr zuahr zu steigern. Wer das Ziel hat, bis zum Jahr 20208 Prozent oder 20 Prozent des gesamten Energiebedarfsurch erneuerbare Energien zu decken, wer das großeiel hat, bis zum Jahr 2050 60 Prozent des Energiebe-arfs durch erneuerbare Energien zu decken, der mussuch die Frage beantworten, woher im Jahr 2020 die an-eren 80 Prozent und woher im Jahr 2050 die anderen0 Prozent kommen sollen.Die Antwort kann nur sein: aus Kohle, aus Gas, ausl, also aus fossilen Energieträgern, die CO2 produzie-en – was Gas und Öl betrifft, so machen uns diese Ener-ieträger zudem abhängig vom Ausland, von Ölscheichs,om Russengas –, und von der Kernenergie.Wenn wir die Kernkraftwerke abschalten, dann müs-en wir den Einsatz fossiler Energieträger und damit un-ere Abhängigkeit von Russland und von den Ölscheichsrhöhen. Wenn wir die Kernkraftwerke abschalten undiese Abhängigkeit nicht erhöhen wollen, dann müssenir Strom aus den Kernkraftwerken unserer Nachbarnmportieren. Es wird jetzt über eine Erweiterung desraftwerks in Temelin, bei mir vor der Haustür, nachge-acht. Der damalige rot-grüne Ausstiegsbeschluss machtiese alten Mühlen in unseren europäischen Nachbarlän-ern erst rentabel, während wir unsere guten sicherenernkraftwerke abschalten sollen. Sie haben sie dochicht alle, wenn Sie das wirklich vorschlagen wollen.
Wir haben eine Steuer beschlossen, weil wir wollen –nders als Sie das damals gemacht haben –, dass die vierroßen Konzerne einen großen Teil ihres Gewinns abge-en,
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sodass wir diese Mittel für die Allgemeinheit nutzbarmachen können durch die Einstellung in den Haushalt.Wir haben – dazu werden wir einen Gesetzentwurf ein-bringen – ihnen zusätzliche Sicherheitsauflagen gemacht.Rot-Grün hatte damals auf solche Auflagen verzichtet.Spielen Sie sich jetzt also nicht so auf! Auch das wirdgesetzlich verankert.Außerdem haben wir einen Vertrag geschlossen. Indiesem Vertrag steht eigentlich nur – deswegen ist IhreAufregung gespielt und nicht nachzuvollziehen –, dassdie vier Konzerne auch Geld für erneuerbare Energienherausrücken müssen.
Dafür sollten Sie uns loben. Sie sollten uns sogar prei-sen, weil wir eine so großartige Idee hatten, die Ihnendamals, als Sie regiert haben, nicht eingefallen ist.
Das scheint das eigentliche Problem zu sein: Wir habeneinen Weg gefunden, dass sich die Kernenergie über dieFinanzierung der erneuerbaren Energien selbst abschafft.Das ist so intelligent, dass Sie nicht darauf gekommensind.
Meine Damen und Herren, leider winkt mir die FrauPräsidentin zu, dass ich an dieser Stelle nicht weiterre-den darf.
Aber Sie haben heute ja schon in vielen Reden der Kol-legen gehört: Diese christlich-liberale Regierung ist mu-tig und entschlossen,
das Land zu modernisieren und es in ein neues Jahrhun-dert zu führen,
das ein gutes Jahrhundert für unser Land sein wird.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Siegmund Ehrmann
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im RahmendrSattsstastmacgMwzUAskjKddew„sks„rdmbVvgrdlzVite
Zum Kulturetat im engeren Sinne. Etatpolitik ist Ge-taltungspolitik. Die Frage ist, ob dieser Haushalt einemulturpolitischen Gestaltungsanspruch gerecht wird. Ichpreche zwei Themenkomplexe an.Erstens. Als zentrales Thema unter dem ObergriffBildungspolitik“ ist immer und zwangsläufig die kultu-elle Bildung mitzudenken. Herr Staatsminister, hier hatie Regierungskoalition mit dem letzten Haushalt einarkantes Zeichen gesetzt. Es wurden 2 Millionen Euroereitgestellt, um die Arbeit der kulturellen Bildung undermittlung in den Kulturinstitutionen des Bundes zuerstärken. Das will ich nicht kritisieren. Nein, im Ge-enteil, ich finde das toll.Jetzt stellen wir fest: Diese Etatposition wird deutlicheduziert. Was wird daran für ein Gestaltungsansprucheutlich? Werden hier Felder geräumt? Haushaltskonso-idierung ist wichtig; aber man muss die richtigen Ak-ente setzen. Wenn wir im Kernbereich unserer eigenenerantwortung dieses Signal setzen, dann ist dies, wiech finde, mit Blick auf die kulturpolitische Bildung fa-al.Das zweite Thema ist der Denkmalschutz. Auch hierrleben wir eine gewisse Dramatik. So gibt es das Pro-
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Siegmund Ehrmann
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gramm „National wertvolle Kulturdenkmäler“. Die Mit-tel für dieses gute Programm, das auch Investitionen mo-bilisiert, werden um ein Drittel gekürzt.
Nehme ich noch hinzu, was im Hause Ramsauer disku-tiert wird, dass nämlich die Mittel für den städtebauli-chen Denkmalschutz erheblich gedeckelt werden, undzwar um etwa 50 Prozent – so steht es im Raum –, dannist das in der Addition ein mehr als fatales kultur- undstädtebaupolitisches Signal. Es geht nicht nur um denAspekt Kulturpolitik. Das ist auch volkswirtschaftlichBlödsinn. Insofern hoffe ich sehr, dass es da Korrekturengibt.Zusammenfassend komme ich zu dem Ergebnis, dassdurch diesen Etat keine kulturpolitischen Gestaltungsan-sprüche, die nach vorne weisen, zu erkennen sind.
Möglicherweise bedürfen Sie auch hier wieder desDrucks von außen.Wir haben das am Beispiel der Digitalisierung derKinos erlebt. Ich habe Zweifel, dass wir in Kürze einProgramm des Bundes freizugeben hätten, mit dem denProgrammkinos in der Fläche die Chance eröffnet wird,die technische Umstellung zu realisieren,
wenn wir als Sozialdemokraten nicht initiativ tätig ge-worden wären und das nicht auf die Agenda der Kultur-politik im Bund gesetzt hätten.
Fazit: Herr Staatsminister, liebe Kolleginnen und Kol-legen der Regierungskoalition, Sie haben Gelegenheit,die Punkte, die ich hier angesprochen habe, zu korrigie-ren. Der Staatsminister hat gleich die Chance, in seinerRede seine Sicht der Dinge darzulegen. Wir werden dieDebatte auf jeden Fall in diesem Sinne forcieren.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Bundesregierung hat Herr Staatsminister
Bernd Neumann das Wort.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! ZumSchuldenabbau und zur Sanierung der Haushalte vonBund, Ländern und Kommunen – das haben wir mehr-fach gehört – gibt es keine Alternative. Vor diesem Hin-tusuLRivDdKbDVms1TlsaDmEsenwiDwIKrdapgDGz
assen Sie es mich ganz deutlich sagen: Der kulturelleeichtum unseres Landes und seine Attraktivität auchm Ausland hängen nicht zuletzt mit unserer reichen,ielfältigen und dichten Kulturlandschaft zusammen.
as breite Angebot nicht nur in den Stadtzentren, son-ern auch in den Regionen ist das Fundament unsererulturnation. Hier wird vieles gerade auch durch hohenürgerschaftlichen Einsatz geleistet.
ie Verbindung von öffentlicher Förderung mit privatererantwortung für die Kultur in unserem Lande ist, soeine Überzeugung, unabdingbar, auch wenn keine Kri-enszenarien drohen.Brauchen wir sie alle, die 150 Theater und die30 Orchester, die die öffentliche Hand finanziert, dieausenden von Museen, Galerien und Ausstellungshal-en, trotz der überbordenden Angebote in den elektroni-chen Medien, trotz der vielfältigen privaten Freizeit-ngebote oder der Offerten des Tourismus? Meineamen und Herren, meine Antwort ist: Ja, ja und noch-als ja.
s ist die Kultur, die unser Wertefundament bildet. Esind die Künste, die uns zum Reflektieren und Besinnenrmuntern. Es ist dieses gleichsam überflüssig Schei-ende, das ganz wesentlich die Basis unseres Gemein-esens bildet. Lassen Sie es mich plastisch sagen: Kunstst nicht das Sahnehäubchen, sondern die Hefe im Teig.
ie Kultur ist gerade in der Krise ein unentbehrliches,esentliches, integratives Element unserer Gesellschaft.dentität, Zugehörigkeit, Zusammenhalt – all das stiftetultur.Natürlich gibt es bei der notwendigen Haushaltssanie-ung erst einmal keine Tabus. Alle Ausgaben müssen aufen Prüfstand, und nicht jede Maßnahme und Förderunguch im Bereich der Kultur hält einer kritischen Über-rüfung stand. Aber eines steht auch fest: Mit Kürzun-en bei der Kultur kann man keine Haushalte sanieren.
er Anteil der Kulturausgaben in den Ländern undemeinden in Deutschland liegt bei mageren 1,9 Pro-ent, was immer noch mehr ist als beim Bund, weil dort
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Staatsminister Bernd Neumann
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die eigentliche Kompetenz liegt. Mit über 1,1 MilliardenEuro, die mein Haushalt im Bund ausmacht, liegen wirdeutlich unter 1 Prozent. Selbst drastisches Sparen beiden Kulturausgaben bringt keinen bemerkenswertenKonsolidierungserfolg. Aber es zerschlägt so vielekleine und auch große kulturelle Einrichtungen und Ak-tivitäten, die unsere Gesellschaft so bunt und lebenswertmachen.
Deshalb bin ich stolz, dass diese Bundesregierung trotzdrastischer und notwendiger Sparmaßnahmen die Kulturgeschont hat.
Damit will sie auch für die Haushalte von Ländern undKommunen ein Beispiel geben.Nach meiner Übernahme des Amts als Kulturstaats-minister im Jahr 2005 gelang es, den Kulturhaushalt desBundes Jahr für Jahr zu erhöhen, insbesondere partei-übergreifend durch den Haushaltsausschuss. Für denjetzt diskutierten Haushalt 2011 kann ich feststellen: DieFörderung kultureller Aktivitäten und Projekte wird fort-gesetzt; sie bleibt unbeeinträchtigt.
Es ist gelungen, den Kulturhaushalt 2011 trotz finanziellschwieriger Zeiten stabil zu halten und neue Schwer-punkte zu setzen. Ich verweise beispielsweise auf unsereBeteiligung bei der Vorbereitung des Jubiläums„500 Jahre Reformation“ im Jahre 2017. Hierfür ha-ben wir jährlich zusätzlich 5 Millionen Euro für dienächsten Jahre eingestellt.
Ich verweise auf beträchtliche Summen in den nächstenJahren für die notwendige flächendeckende Digitalisie-rung der Kinos. Kollegin Krüger-Leißner und KollegeBörnsen waren ja kürzlich dabei.
An uns liegt es nicht, dass wir da nicht zu Potte kom-men. Im Gegenteil: Wir müssen diejenigen, um die es ei-gentlich geht, nämlich die Filmwirtschaft, noch treiben,damit es zu Ergebnissen kommt.Vielleicht sollte ich noch sagen, dass es auch gelun-gen ist, für die nächsten Jahre, von 2011 bis 2014, ausdem Bereich der Forschungsmittel zusätzlich 41 Millio-nen Euro für den BKM zu bekommen.
Auch hier haben wir Möglichkeiten, Neues zu machen.
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erden wir hier weiterhin einen Schwerpunkt setzen,eil wir glauben, dass kulturelle Bildung auch aus natio-aler Verantwortung heraus gemacht werden muss, undeil wir das nicht allein den Ländern überlassen wollen.
Der zweite Punkt, den Sie ansprachen, betraf denenkmalschutz. Ja, es gibt ein großes Sparpaket. Ichabe schon gesagt, dass ich erreichen konnte, dass meinereich nicht entscheidend davon betroffen ist; andereereiche hingegen sind schon betroffen. Auch derinister, der für Bau und Stadtentwicklung verantwort-ich ist, der Kollege Ramsauer, stand vor der Aufgabe,ur Sanierung des Haushalts beizutragen, und zwar auchm Bereich Städtebausanierung. Auch mir wäre es lieberewesen, wir hätten bei den alten Summen bleiben kön-en. Aber ich muss eines sagen: Das, was wir noch ge-einsam in der Großen Koalition im Hinblick auf denenkmalschutz mit Zusatzprogrammen gemacht haben neben der normalen Förderung gab es ein Extrapro-ramm mit 40 Millionen Euro seitens des Bundes; dieleiche Summe kam von den Ländern hinzu –, kann sichehen lassen. Ich wäre dankbar dafür, wenn man dasiederholen könnte. Ich bitte die Haushälter darum, sichier innovativ zu verhalten. Aber Sie haben recht: Inem anderen Bereich ist reduziert worden. Ich hoffe, dasilt nicht auf Dauer, damit wir unser kulturelles Erbe ins-esamt erhalten können.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ab-chluss sagen: Dass es der Bundesregierung trotz ihreseachtlichen Haushaltskonsolidierungsprogramms – im-erhin 80 Milliarden Euro bis 2014; dies sucht übrigensn Europa seinesgleichen – gelungen ist, den Kulturbe-eich im Bundeshaushalt vor dramatischen Kürzungenu verschonen, ist im Vergleich mit anderen europäi-chen Regierungen einzigartig. In Frankreich wird derulturhaushalt um 5 Prozent zurückgefahren. Noch dra-atischere Einbrüche bei der Kultur finden Sie in Grie-henland und Italien, wo die Wiege unserer abendländi-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6073
Staatsminister Bernd Neumann
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schen Kultur stand. Über Großbritannien war vorgesternin den Schlagzeilen zu lesen: Der neue Kulturministerschlägt der Filmförderung den Kopf ab. – Das ist unge-fähr so, Frau Kollegin Roth, als würden wir die ganzeFFA und deren Zuschüsse abschaffen. In Großbritannienzeichnen sich Streichungen im Kulturbereich von rund25 Prozent ab, sodass von Kulturschaffenden in Großbri-tannien die Kampagne „Save the Arts“ ins Leben geru-fen wurde. Das alles ist auf die jeweilige nationale Re-gierung bezogen.Natürlich weiß ich, dass Länder und Kommunen inDeutschland vor großen Herausforderungen stehen. DieArbeitsgruppe beim BMF wird voraussichtlich imHerbst einen Vorschlag vorlegen, wie die Finanzvertei-lung zwischen Gemeinden, Ländern und Bund gene-rell erfolgen soll. Ich hoffe, dass Länder und Kommunender Versuchung widerstehen, gerade den Kulturbereichals besondere Sparbüchse zu betrachten. Dafür gibt esgute und schlechte Beispiele.
Für die Bundesregierung allerdings darf ich feststellen:Mit dem vorgelegten Haushaltsentwurf 2011 wird dieAussage in der Koalitionsvereinbarung sowohl der Gro-ßen Koalition als auch der neuen christlich-liberalen Ko-alition, dass Ausgaben für Kultur keine Subvention, son-dern Investitionen in die Zukunft unserer Gesellschaftsind, eindrucksvoll unterstrichen.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Lukrezia
Jochimsen für die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für das dreifache Jazum Erhalt der kulturellen Infrastruktur unseres Landes.Ich finde, Sie sind zu Recht stolz darauf, dass Ihr Haus-halt 2011 stabil geblieben ist. Das ist angesichts der bru-talen Kürzungen sonst nicht hoch genug einzuschätzen.Gerade deshalb frage ich: Wofür wird das unter schwie-rigsten finanziellen Bedingungen erkämpfte Geld ausge-geben?Für die skandalumwitterte Bundesstiftung „Flucht,Vertreibung, Versöhnung“ zum Beispiel sind 2,5 Mil-lionen Euro für 2010 und 2,5 Millionen Euro für 2011eingestellt. Sind 5 Millionen Euro in diesen Zeiten derkulturellen Not eigentlich viel oder wenig Geld? Ichmeine, das ist sehr viel Geld für ein Ausstellungs- undDokumentationszentrum des Bundes, das seinem Auf-trag, der Versöhnung zu dienen, von Monat zu Monat,von Woche zu Woche, von Tag zu Tag immer wenigergerecht wird und unserem Ansehen als Kulturgesell-schaft immer mehr schadet.
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in stabiler Haushalt allein ist nicht viel wert, wenneld für unhaltbar gewordene Projekte ausgegebenird.Im Dezember 2007 gab es einen viel beachteten Vor-chlag des Willy-Brandt-Kreises. Anstelle der Stiftungegen Vertreibung solle ein Zentrum gegen Krieg inerlin eingerichtet werden. Zu den Initiatoren gehörtengon Bahr, Günter Grass, Friedrich Schorlemmer,aniela Dahn und Klaus Staeck. Über 1 000 Künstler,ournalisten und Politiker haben diesen Vorschlag unter-tützt. Das wäre eine Alternative: ein Museum, das denrieg ächtet und die Ächtung der Vertreibung ein-chließt. Dafür könnten 2,5 Millionen Euro gut umge-idmet werden.
ie Linksfraktion würde das gerne unterstützen.Vielen Dank.
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Nächster Redner ist der Kollege Reiner Deutschmann
für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Ich danke Staatsminister Neumann
für die Vorstellung des Bundeskulturhaushaltes 2011.
Damit ist es der christlich-liberalen Koalition gelungen,
die Kulturausgaben des Bundes trotz der schweren
Finanz- und Wirtschaftskrise stabil zu halten. Zwar ist
uns in diesem Jahr kein Aufwuchs gelungen. Trotzdem
ist vorgesehen, auch neue Projekte zu fördern. Es ist
durchaus ein Erfolg, dass sich die Kulturförderung nur
geringfügig an den Einsparungen des Bundeshaushaltes
beteiligen muss, während der Gesamthaushalt des Bun-
des um 3,8 Prozent sinkt. Damit setzt die Koalition ein
deutliches Zeichen für die Kultur.
Denn bis auf wenige Ausnahmen werden die Einsparun-
gen im Kulturhaushalt durch das Auslaufen von Einzel-
maßnahmen erzielt. Dadurch können die vielen dauerhaft
geförderten Einrichtungen sowie Projekte erfolgreich
weitergeführt werden und sogar neue hinzukommen,
auch zur Förderung der Laienkultur.
Die aktuellen Wirtschaftsdaten hören sich gut an. Die
Arbeitslosigkeit sinkt. Die Wirtschaft wächst wieder,
und die Wachstumsrate überrascht die Ökonomen im In-
und Ausland. Liest man die Presse, so erfährt man, dass
das Ausland mit Bewunderung auf das Krisenmanage-
ment in unserem Land schaut. Deutschland scheint so
vom angeblich kranken Mann Europas zu dessen Lehr-
meister zu werden. Für uns Liberale hat trotz dieser
positiven Entwicklung die Haushaltskonsolidierung
höchste Priorität. Die Schulden müssen eingedämmt
werden. Sonst rauben wir zukünftigen Generationen die
Luft zum Atmen. Auf Schuldenbergen wächst keine
Kultur.
Schuldenberge und die dann zwangsläufig notwendige
Rotstiftpolitik gefährden insbesondere die kulturelle Bil-
dung für unsere Kinder und Jugendlichen. Deswegen ist
jede sinnvolle – ich betone: sinnvolle – Sparanstrengung
zu begrüßen, auch wenn Sparen bei manchen sehr un-
populär zu sein scheint. Aber genau dadurch erhalten
und schaffen wir finanzpolitische Handlungsspielräume,
die zukünftig auch der Kulturförderung dienen werden.
Wie erwähnt, sieht der Haushaltsentwurf auch neue
Förderungen vor. Hervorzuheben sind insbesondere die
5 Millionen Euro, die laut Haushaltsentwurf für die
Luther-Dekade bereitgestellt werden. Damit fördert der
Bund zu Recht und frühzeitig einen kulturellen und kul-
turtouristischen Höhepunkt in unserem Land.
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Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin mir
icher, dass sich – wie immer – auch über diesen Haus-
alt trefflich streiten lässt. Dennoch glaube ich, dass al-
en Kulturpolitikern dieses Hauses insgeheim oder offen
ewusst ist, dass ein solcher Haushaltsentwurf keine
elbstverständlichkeit ist, sondern harter Arbeit bedarf.
ie christlich-liberale Koalition stellt damit sicher, dass
er Bund seiner Verantwortung für die Förderung und
ewahrung der Kultur unter Beachtung der Kulturkom-
etenz der Länder und Kommunen gerecht wird.
In diesem Sinne möchte ich mit einem Zitat von
heodor Heuss schließen:
Mit Politik kann man keine Kultur machen, aber
vielleicht kann man mit Kultur Politik machen.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun das
ort die Kollegin Agnes Krumwiede.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! „Das Wesentliche ist für die Augen unsicht-ar.“ Das gilt für den Rückwärtsgang ins radioaktivetomzeitalter genauso wie für Entstehungsprozesse iner Kunst. Um die richtigen Entscheidungen für Menschnd Umwelt zu treffen, brauchen wir Herz und Verstand.ir verstehen unter einem Aufbruch, unter einem neuenenken, Erneuerung und nicht das Verharren im techno-ratischen Systemfehler.
ir dürfen nicht zulassen, dass uns spätere Generationenuf den Gattungsbegriff Homo oeconomicus reduzieren,er sein Handeln allein an materieller Bereicherung aus-erichtet hat.Die schwarz-gelbe Kulturpolitik ist bei der Haushalts-lanung 2011 symptomatisch für eine einseitige Förde-ung der repräsentativen Materie. Allein für die Vorbe-eitung des Reformationsjubiläums sind im HaushaltMillionen Euro vorgesehen. Das ist fast doppelt so vielie für die Künstlerförderung. Das erlaubt die Frage,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6075
Agnes Krumwiede
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was die Veranstaltung insgesamt kosten soll; denn dasJubiläum findet erst 2017, also in sieben Jahren, statt.Kulturförderung hat aber nicht nur mit der Verteilungder Mittel zu tun, sondern auch mit Ideen. HerrNeumann, wo bleiben Ihre Ideen und Konzepte zur Ver-besserung der sozialen Lage von Kulturschaffenden,um die Ausbeutung hochqualifizierter Musiker als Prak-tikanten und als Honorarlehrkräfte zu beenden?
Wo bleibt die Einführung einer Ausstellungsvergütungfür bildende Künstlerinnen und Künstler? Wir werdenIhnen in nächster Zeit konkrete Vorschläge machen.Ein weiterer Schwerpunkt des Haushalts liegt auf derVergabe von Forschungsgeldern. Eine der zahlreichenaktuellen Studien zur Lage der Kulturschaffenden inDeutschland besagt: Zwei Drittel der Theaterschaffen-den und Tänzer leben unterhalb der Armutsgrenze. HerrNeumann, wir kennen die alarmierenden Statistiken undZahlen. Es ist absurd, dafür Forschungsgelder auszuge-ben und gleichzeitig bei der Förderung von Künstlern zusparen oder Stipendienprogramme – wie bei der deut-schen Künstlerakademie in Istanbul – ganz zu streichen.
Was helfen Statistiken, wenn die Regierung aus den Er-kenntnissen keine Konsequenzen zieht? Vonseiten derRegierungsbank fehlt der Mut, in die Kulturlandschaftvon morgen zu investieren, in das, was Kunst ausmacht,nämlich noch nicht sichtbar zu sein, der Mut, das Ideellezu fördern, die Entstehungsprozesse von neuem.Wir haben die Aufgabe, Mittel so zu verteilen, dasssie bei den Menschen ankommen, die durch ihre Kunstunser Land und die Gesellschaft bereichern oder berei-chern werden. Es ist von nationaler Bedeutung, jungeMenschen in ihrem eigenen künstlerischen Ausdruck zubestätigen. Wir fordern ein Konzept zur Stärkung derJugendkultur, das Jugendliche mit ihren Interessen inden Mittelpunkt stellt, egal ob Hip-Hop, Klassik oderZirkus.
Denn Kultur hat einen unmittelbaren Einfluss auf un-ser Denken und Fühlen und somit auch auf unser Verhal-ten.Wir müssen endlich anfangen, Kultur mit Bildungund Kunst mit Lernen zu verknüpfen. Kulturpolitik istauch Integrationspolitik. Aber was ist der RegierungIntegration wert? Schwarz-Gelb kürzt die Mittel für denIntegrationsplan und damit ausgerechnet für die Integra-tionsförderung. Kultur muss beim Thema Integrationeine größere Rolle spielen. Gemeinsame kulturelle Akti-vitäten geben Kindern und Jugendlichen die Möglich-keit, sich über alle Sprachgrenzen hinweg in einer ge-meinsamen Sprache zu verständigen. Wir brauchenKh„RaWgdnWdrutVdkgWemedwmwHbmdw
Noch einige Worte zu den Vorgängen um die StiftungFlucht, Vertreibung, Versöhnung“. Jeder hat dasecht auf seine eigene Meinung, aber nicht das Rechtuf seine eigenen Fakten, auch nicht Frau Steinbach.
er durch sein Verhalten und unterschwellige Äußerun-en ausländische Wissenschaftler, Sinti und Roma unden Zentralrat der Juden aus der Stiftung vertreibt, dienticht dem Stiftungszweck der Versöhnung.
ir fordern, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dassie Herren Tölg und Saenger aus dem Stiftungsrat abbe-ufen werden. Außerdem fordern wir ein Moratoriumnd eine Haushaltssperre, bis geklärt ist, ob diese Stif-ung in ihrer jetzigen Form überhaupt noch Sinn macht.
Ich wünsche mir, dass wieder mehr Kulturschaffendeertrauen in die Politik gewinnen; denn wir brauchenringend ihre kreativen Impulse, die Ideen der Querden-er, ihre Interpretationen unserer Gesellschaft in Klän-en oder Bildern, damit wir das Wesentliche in dieserelt wieder erkennen können. Es ist nicht gesagt, dasss besser wird, wenn es anders wird; aber so viel wisseneine Fraktion und ich: Es muss anders werden, wenns gut werden soll.Vielen Dank.
Zu diesem Einzelplan liegen keine weiteren Wortmel-ungen vor.Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Aus-ärtigen Amts, Einzelplan 05.Als erstem Redner erteile ich dem Bundesaußen-inister Dr. Guido Westerwelle das Wort.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-ärtigen:Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Erlauben Sie mir, dass ich aus aktuellem Anlass,evor ich in die Grundsätze der Außenpolitik einsteigenöchte, nicht nur für die Bundesregierung, sondern füras gesamte Hohe Haus erkläre, wie froh wir sind undie sehr wir begrüßen, dass aus den indirekten Gesprä-
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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)chen im Nahen Osten direkte Friedensgespräche gewor-den sind. Wir betrachten dies als einen Fortschritt. Es istim Augenblick noch nicht viel mehr als eine Chance.Viele haben vor einigen Monaten nicht für möglich ge-halten, dass es überhaupt noch direkte Friedensgesprä-che geben kann. Unser Appell von Deutschland aus ist,dass alle Beteiligten des Friedensprozesses im NahenOsten alles unterlassen, was diesen Friedensprozess ge-fährden kann. Wir setzen auf eine Zweistaatenlösung.Dazu zählt der vollständige Gewaltverzicht, dazu zähltaber selbstverständlich auch das Einfrieren aller Sied-lungsaktivitäten. Das ist die gemeinsame Haltung diesesParlaments.
Wir leisten unseren Beitrag im Nahen Osten. Wir leis-ten unseren Beitrag als Europäerinnen und Europäerdurch eine koordinierte Außenpolitik, wobei der Lissa-bon-Vertrag die Möglichkeit eröffnet, unsere Außenpoli-tik mehr und mehr abzustimmen. Wir alle werden in dennächsten Jahren noch viel darüber reden, wie sich die na-tionale Außenpolitik vor dem Hintergrund des Europäi-schen Auswärtigen Dienstes und der Möglichkeiten derstrukturierten Zusammenarbeit auf der Grundlage desLissabon-Vertrags verändert. Eines ist völlig klar: Wirhaben dann Chancen, in der Welt mit Autorität aufzutre-ten, wenn wir in Europa eine gemeinsame Sprache spre-chen. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Lehren ausunserer Geschichte beherzigen, gerade in den Tagen, indenen sich der Zwei-plus-Vier-Vertrag jährt. Wir stehenfür das europäische Kooperationsmodell, das das Kon-frontationsmodell überwunden hat. Wir können nieman-dem in der Welt vorschreiben, wie er zum Frieden findet.Wir können aber eines tun: Wir können die europäischeErfolgsgeschichte allen Konfliktregionen der Welt zurNachahmung empfehlen.
Wir wollen Kooperation statt Konfrontation. Das ist dieLehre aus unserer Geschichte auf dem Kontinent.Europa – das spüren wir alle – befindet sich in einerBewährungsprobe. Damit will ich, weil das in den erstenMonaten die Kräfte dieser Regierung ganz überwiegendgebunden hat, beginnen. Wir haben eine europäischeWirtschafts- und Finanzkrise zu bewältigen gehabt.Diese europäische Wirtschafts- und Finanzkrise zu be-wältigen, das war weit mehr als das Sichern unsererWährung, das war weit mehr als das Sichern unsererWirtschafts- und Exportchancen. In Wahrheit ging esauch darum, Europa als eine politische Union zu vertei-digen. Es ist in diesen Zeiten nach der Wirtschafts- undFinanzkrise in Europa natürlich leicht geworden, überEuropa auch gefällige schlechte Reden zu halten. Jedemfällt irgendwo auch etwas ein. Aber man machte einengroßen Fehler, wenn man es nach den schwierigen Pha-sen, die wir in den letzten Monaten gehabt haben, zu-ließe, dass über die Wirtschafts- und Finanzkrise einSchaden am Projekt der Europäischen Union entsteht.Die Zukunft Deutschlands, sie lag in Europa, sie liegt inEuropa, und sie ist auch in Zukunft fest in Europa einge-bEWFnrhmvdwdzdakslwSdwThrehsnnGikeZnfDnüJJDh2FbsrhwuL
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6077
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aufgeweicht. Es war ein historischer Fehler der Regie-rung von SPD und Grünen, dass sie im Jahr 2004 denStabilitätspakt aufgeweicht hat. Noch heute tragen wiran den Folgen, die sich daraus ergeben.
Meine Damen und Herren, es ist absolut berechtigt,Sie dafür zu kritisieren, dass Sie in diesem Jahr erneutnicht bereit waren, wenigstens an der Beseitigung derFolgen dieser Politik mitzuwirken. Ich halte das für ei-nen schweren Fehler; denn es ging natürlich nicht nurum den Schutz der europäischen Währung, sondern auchum den Schutz von Europa. Sich dafür einzusetzen, isteine wesentliche Grundlinie deutscher Außenpolitik.Deutsche Außenpolitik ist eingebettet in die internatio-nale Staatengemeinschaft und geschieht vor allen Din-gen in Abstimmung mit der Europäischen Union.Gerade weil wir Europa schützen wollen, arbeiten wirjetzt daran, die Regeln zu verändern, wollen wir dafürsorgen, dass es wirklich Konsequenzen hat, wenn einLand gegen die Stabilitätspflichten verstößt, zum Bei-spiel in der Form, dass sämtliche Infrastrukturmittel derEuropäischen Union gekürzt oder gar gestrichen werden.Verstöße dürfen nicht folgenlos bleiben. Nachdem esfast 40 Verstöße gegen die Stabilitätsregeln in Europagegeben hat, ohne dass es ein einziges Mal Konsequen-zen für die entsprechenden Nationalstaaten gehabt hat,dürfte doch jedem klar sein, dass der europäische Stabi-litätspakt Zähne braucht. Wer Europa schützen will,muss jetzt handeln.
Das bedeutet allerdings auch, dass wir nicht bereitsind – das haben wir hier im Parlament auch in zwei gro-ßen Debatten besprochen –, einfach nur einen Krisenme-chanismus zu verlängern. Statt gewissermaßen denHilfsmechanismus in Form der Garantiezusagen natio-naler Parlamente bzw. von Nationalstaaten, also den Ret-tungsschirm, zu verlängern, fordern wir ganz klar, dassin Europa eine strukturelle Veränderung stattfindet, beider natürlich auch die privaten Gläubiger einbezogenwerden müssen. Die Lehre aus der Krise, die wir nichtanders hätten bestehen können als so, wie wir es getanhaben, muss sein, Bereitschaft dafür zu wecken und un-seren Beitrag dazu zu leisten, dass sich die Regeln än-dern. Entsprechende Debatten führen wir derzeit. Es sindschwierige Debatten, weil es viele Länder gibt, die an-ders vorgehen wollen.Wir Deutschen stehen dabei übrigens nicht allein,sondern es gibt auch sehr viele, die ganz genau wissen,wie gefährlich es für Europa ist, wenn die Stabilitätskul-tur den Bach heruntergeht. Wir müssen hier unserendeutschen Beitrag leisten. Ich glaube im Gegensatz zudem, was Sie hier vertreten, nicht, dass das Deutschlandisoliert. Ganz im Gegenteil: Wer jetzt dafür sorgt, dassdie Regeln in Europa verändert werden, der handeltnicht nur im Interesse deutscher Steuerzahlerinnen undSteuerzahler, sondern er schützt und bewahrt in Wahrheitauch den Kerngedanken der Europäischen Union. NebenSanktionen ist allerdings auch eine Beteiligung der pri-vaten Gläubiger nötig, wenn es künftig noch einmal zusa–fDn–rfjiDsddneeKlwnufakgsdCAiDlIgrwknhE
Ja, das ist genau der Punkt, warum ich das hier an-ühre. Statt das hier zu kritisieren – –
as, was ich gerade zusammengefasst habe, sollten mei-es Erachtens in dieser heißen Phase der Verhandlungen das sage ich vor dem Hintergrund der anstehenden Be-atungen – nicht die Bundesregierung, die Koalitions-raktionen alleine verhandeln, sondern eigentlich sollteeder von Ihnen uns in seinen Kreisen und Parteifamilienn Europa dabei unterstützen, damit wir Erfolg haben.as sollten Sie tun, anstatt hier alles immer nur zu kriti-ieren.
Meine Damen und Herren, wie attraktiv Europa ist,as sehen wir derzeit auch an der Debatte, die wir aufem westlichen Balkan ausgelöst haben. Auch das mussoch einmal erwähnt werden, weil wir in diesen Tageninen bemerkenswerten Erfolg europäischer Diplomatierlebt haben, und zwar bei der Frage der Lösung deronflikte zwischen Serbien und Kosovo. Diese Ange-egenheit wird bei uns gerne etwas geringgeschätzt, aberer sich daran erinnert, dass es vor etwas mehr als ei-em Jahrzehnt noch einen Krieg in dieser Region gab,nd wer sich an die Konsequenzen erinnert, die das auchür uns gehabt hat, der kann die Lösung der Problemeuf dem westlichen Balkan nur mit voller Aufmerksam-eit betrachten.
Deshalb haben wir uns um die Lösung der Problemeekümmert. Dies hat nicht nur die Bundesregierung,ondern haben auch viele Verbündete wie zum Beispielie Briten getan. Ich erwähne in diesem Zusammenhangatherine Ashton, über die oft schlecht geredet wird.ber das ist in meinen Augen sehr unfair, weil sie genaun diesem Punkt dazu beigetragen hat, der europäischeniplomatie zu einem Erfolg zu verhelfen.Es ist ein großer Erfolg. Die Serben haben ihre Reso-ution zurückgezogen. Sie haben sich auch auf unserenitiative hin der Haltung der 27 EU-Mitgliedstaaten an-eschlossen. Sie haben erklärt: Wir sind jetzt auch zu di-ekten Gesprächen bereit. Deswegen sage ich: Dann sindir bereit, den Staaten des westlichen Balkans in Zu-unft die europäische Perspektive anzubieten, die wir ih-en in den letzten Jahren immer angeboten haben. Sieaben Wort gehalten, und wir sollten das bei unserenntscheidungen in Europa berücksichtigen.
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6078 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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Herr Kollege Westerwelle, möchten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Sarrazin zulassen?
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:
Wer?
Herr Sarrazin.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:
Ist der jetzt auch Mitglied dieses Hauses?
Ja, schon seit einiger Zeit.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:
Herr Kollege, ich bitte um Entschuldigung.
Herr Kollege, ich bin nicht nur Mitglied dieses Hau-
ses. Ich gehöre auch einer anderen Fraktion an und habe
andere Überzeugungen.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:
Wenn Sie jetzt noch ein Buch schreiben, bin ich platt.
Ich habe zwar überlegt, ob ich eine Partei gründe.
Aber ich bin in meiner Fraktion ganz gut aufgehoben.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-
wärtigen:
Frau Roth, ich glaube, da haben Sie noch etwas zu
tun.
Entschuldigen Sie, dass ich jetzt an dieser Stelle, woSie gerade über Serbien und den Westbalkan reden, eineFrage zu dem vorherigen Punkt stelle. Uns wurde ausdem AStV berichtet, dass Deutschland für eine Verta-gung des Beschlusses von Schlussfolgerungen im Zu-sammenhang mit den Ergebnissen der Van-Rompuy-Taskforce, der eigentlich für morgen vorgesehen war,emadMwesTwoWwssvgDfhv–pszbclHmmLmbudhHvclEwzEPwew
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6079
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Findung der europäischen Entscheidungen für uns im-mer wichtiger und immer bedeutsamer.Meine Damen und Herren, dazu zählt für mich auch,dass wir Europa nicht nur als ein Europa begreifen, wiees jedenfalls diejenigen in den letzten Jahren überwie-gend wahrgenommen haben, die im Westen der Repu-blik groß geworden sind, nämlich als ein Westeuropa.Europa ist für uns nur komplett, wenn wir Europa um-fassend verstehen. Dazu zählt ausdrücklich auch Ost-europa.Ich habe nicht ohne Grund meinen ersten Antrittsbe-such in Warschau gemacht. Ich bin dafür auch kritisiertworden. Ich kann Ihnen versichern, das hat zu keinerleiVerwerfungen in Paris geführt. Viele von Ihnen wissenauch, dass das stimmt. Aber es hat vor allem im Ostenein wichtiges Signal gegeben. Die Freundschaft, die wirzu unseren Nachbarn im Westen als selbstverständlicherleben, ist – wie wir in den jüngsten Tagen gesehen ha-ben – gegenüber unseren Nachbarländern im Osten über-haupt noch nicht selbstverständlich. Wir sind erst dannzufrieden, wenn wir dieselbe enge Freundschaft zu allenunseren Nachbarländern – West wie Ost – begründet ha-ben.
Zu Geschichtsdebatten habe ich alles Notwendige ge-sagt.Was das Thema der globaleren Politik angeht, so willich jetzt nicht auf alles eingehen. Man müsste viel zurTürkei sagen. Sie wissen, meine Damen und Herren Kol-legen, dass ich dazu nie ein öffentliches Wort gescheuthabe, auch wenn es gelegentlich nicht nur Zustimmungbringt.
Was die globale Politik angeht, so will ich noch etwaszur Abrüstungsagenda sagen. Ich nehme mit etwas Be-unruhigung und sorgenvoll auf, wie bei uns in der öffent-lichen Debatte zum Teil über Abrüstung gesprochenwird, als ob Abrüstung ein Thema der 80er-Jahre sei.Damit wir uns nicht missverstehen: Das richtet sich jetztnicht an die Opposition. Das richtet sich ausdrücklich anniemanden in diesem Hause, sondern grundsätzlich an
– ich sage es Ihnen – to whom it may concern. – Jetztsind Sie überrascht, oder? Das war Englisch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der entschei-dende Punkt dabei ist, dass Abrüstung in meinen Au-gen, und zwar gerade im nächsten Jahrzehnt, eine ebensogroße Bedeutung für die Menschheit haben wird wie dasThema Klimaschutz. Ich glaube, wir unterschätzen dieGefahr, die zum Beispiel aus nuklearer Verbreitung fürden Frieden in der Welt und auch für die Bürgerinnenund Bürger entsteht. Deshalb mag das zurzeit nichtTnhfögswaedwßpaidpsAtmüdkd–amshbBfszktsalunwtwwde
Meine Damen und Herren, es gäbe noch eine Mengeber die strategischen Partnerschaften zu sagen. Ichenke, Sie wissen, dass man nicht zu allem etwas sagenann. Wir müssten viel über die Werteorientierung re-en.
Dazu habe ich jetzt zweimal eine Regierungserklärungbgegeben; das wissen Sie. Ich kann aber, wenn Sie esöchten, gern noch etwas dazu sagen.Was Afghanistan angeht, so will ich Ihnen ganz klaragen: Ich mache mir da überhaupt nichts vor. Wir ste-en vor einem sehr schwierigen Wochenende. Wir sindereit, als internationale Staatengemeinschaft unsereneitrag dazu zu leisten, dass diese Wahlen auch wirklichrei stattfinden können. Wir appellieren an die afghani-che Regierung und erwarten von ihr, ihren Beitrag dazuu leisten, dass diese Wahlen wirklich frei stattfindenönnen. Zugleich dürfen wir nicht die Illusion verbrei-en, als seien dort Wahlen mit mitteleuropäischen Maß-täben zu erwarten. Auch da ist eine Portion Realismusngebracht.Wir werden weitere Rückschläge bei der Sicherheits-age erleben. Trotzdem bleiben wir bei dem Ziel, das wirns gemeinsam in London und Kabul gesteckt haben,ämlich dass wir uns eine Abzugsperspektive erarbeitenollen und dass wir Präsident Karzai bei seinem Ziel un-erstützen, dass er im Jahre 2014 die Sicherheitsverant-ortung für sein Land übernimmt. Das heißt nicht, dassir uns dann aus der Verantwortung stehlen. Das heißt,ass die Sicherheitsverantwortung übergeben wird. Dasrwarten die Bürgerinnen und Bürger zu Recht. Bei al-
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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lem Respekt – Sie können alles kritisieren –: Diese Bun-desregierung ist die erste Bundesregierung, die diesemHohen Hause ein umfassendes Afghanistan-Konzept zurBeratung vorgelegt hat.
Wir müssten über die strategischen Partnerschaftensprechen; sie wissen, dass wir im Augenblick in Europaüber China und Indien beraten. Wir müssten über Pakis-tan und vieles mehr reden. Da wir hier mehrfach darüberberaten haben, habe ich mir erlaubt, die drei Schwer-punkte zu unterstreichen, die mir wichtig sind, in Europaund, was das Thema Abrüstung angeht, international.Ich möchte zum Schluss nur um eines bitten – –
– Ich wollte eine Schlussbemerkung zu der Finanzvertei-lung machen. Herr Kollege, bisher war es immer üblich,dass die Einbringung des Haushalts eine politische Ein-bringung ist und nicht das Vorlesen eines Zahlenwerkes.Hätte ich die Zahlen vorgetragen, würden Sie mir übri-gens vorwerfen, dass ich nichts zur Politik gesagt hätte.Da kann man es Ihnen nie recht machen.
Ich möchte etwas zu dem sagen, was ich heute in derZeitung gelesen habe. Dort heißt es, das Auswärtige Amtwürde beim Haushalt ausgerechnet dort kürzen, wo dieAusgaben so wichtig seien: bei der zivilen Krisenprä-vention, bei der humanitären Hilfe, bei der Pflege kultu-reller Beziehungen zum Ausland. Ich möchte dazu nureinmal sagen: Für die zivile Krisenprävention hatten Siebei Rot-Grün zuletzt 16,5 Millionen Euro in den Haus-halt eingestellt; im Haushaltsansatz für das nächste Jahrsind es jetzt 90,3 Millionen Euro.
Für humanitäre Hilfe hatten Sie im Schnitt 50,7 Millio-nen Euro im Haushalt; jetzt sind es 78,8 Millionen Euro.Für die Pflege kultureller Beziehungen hatten Sie imJahre 2005, als Sie die Regierung abgegeben haben,546 Millionen Euro im Haushalt; jetzt sind es703 Millionen Euro. Ich sage Ihnen eines: Bei den Prio-ritäten für diesen Haushalt liegt diese Regierung richti-ger, als Sie es jemals waren.Ich danke sehr für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Dr. Rolf Mützenich für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Herr Bundesaußenminister, es ist, glaube ich,nicht zu viel verlangt, dass Sie bei Ihrer Haushaltsrede,dtlTgglbIrptngiTdmGfIswihderDwdHH3r3neDkkh
ch will in meinen Ausführungen auf diese Frage zu-ückkommen.Ich will versuchen, die letzten zehn Monate Revueassieren zu lassen. Ich will Ihnen überhaupt nicht Pa-hos und Demut absprechen; Sie haben in den vergange-en Wochen und Monaten oft genug Pathos und Demutezeigt. Sie haben sich auch hingestellt und gesagt: Esst eine Ehre, diesem Land zu dienen. Ja, das ist es in derat. Ich glaube aber, man kann unserem Land und dereutschen Außenpolitik nur dienen, wenn man Engage-ent, Initiative und Ideen in die Außenpolitik einbringt.enau das hat in den letzten zehn Monaten nicht stattge-unden. Ihre Rede hat das dokumentiert.
ch habe selten einen Außenminister erlebt, der so fanta-ielos und gleichgültig mit seinem Amt umgegangen istie Sie, Herr Bundesaußenminister.
Wenn man sich Ihren Einzelplan für 2011 anschaut,st es doch viel interessanter, zu schauen, was Sie jetzterausstreichen, anstatt ihn mit Zahlen zu vergleichen,ie vor fünf Jahren aktuell gewesen sind. Sie müsseninmal die Zahlen zur Kenntnis nehmen, die Sie von Ih-em Amtsvorgänger übernommen haben.
ann stellt sich das Zahlenwerk ganz anders dar – des-egen verstehe ich, dass Sie am Anfang gar nicht überiesen Einzelplan gesprochen haben –: humanitäreilfsmaßnahmen im Ausland: minus 20 Prozent, Afrika-ilfe: minus 22 Prozent, Krisenprävention: minus0 Prozent, Abrüstung und Rüstungskontrolle – die He-ausforderung, die Sie eben beschrieben haben –: minus0 Prozent, Hilfe zur Demokratisierungshilfe und Maß-ahmen zur Förderung der Menschenrechte – angeblichin Anliegen der liberalen Partei –: minus 50 Prozent.as ist ein Dokument der Handlungs- und Ideenlosig-eit. Das hätten Sie hier anders vertreten müssen.
Ich will Ihnen einige Beispiele nennen, was für kon-rete Auswirkungen das hat. Ich will zum einen auf dieumanitäre Hilfe zu sprechen kommen. Wir haben die
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6081
Dr. Rolf Mützenich
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Flutkatastrophe in Pakistan erlebt. Ich muss Ihnen ehr-lich sagen, dass ich mich ein wenig dafür geschämt habe,wie diese Bundesregierung mit der Hilfe für Pakistanumgegangen ist, welches Geschachere am Anfang ge-macht worden ist und wie wenig staatliche Mittel in dieHand genommen wurden, um das Überleben in Pakistanüberhaupt möglich zu machen. Sie haben an die Deut-schen appelliert, aber das hilft doch nichts, wenn derStaat keine Sofortmaßnahmen ergreift. Ich vermisse es,dass Sie in diesem Haushalt konkrete Ansätze für zu-künftige Katastrophen bieten, um zum Beispiel einenAufbau in den betroffenen Ländern möglich zu machen.Dafür ist deutsche Außenpolitik angetreten, und Sie set-zen das auf das Spiel.Der zweite Aspekt ist der Aufbau von Zivilgesell-schaften. Auch in diesem Bereich kürzen Sie. Sie habeneben über die Türkei gesprochen. Das ist sehr interes-sant. Ich bewundere die Menschen in der Türkei, dieeine Zivilgesellschaft aufbauen und offensichtlich mehrAngst vor der Vergangenheit haben als vor einer AKP-Regierung. Das sind insbesondere Künstler und Intellek-tuelle gewesen. Die müssen wir unterstützen. Frank-Walter Steinmeier hat das getan, indem er damals diedeutsch-türkische Kulturakademie aufbauen wollte, in-dem er die deutsch-türkische Universität aufbauenwollte und indem er die Ernst-Reuter-Initiative unter-stützt hat. Darüber ist von Ihnen kein Wort zu hören. Siekürzen nur. Sie wollen sich aus diesen Initiativen verab-schieden, und damit schaden Sie dem Aufbau der türki-schen Gesellschaft, der dringender Unterstützung bedarf.
Es ist interessant, dass Sie erst nach einem Zwischen-ruf auf das Thema eingegangen sind, das Deutschlandund die deutsche Außenpolitik bewegt, nämlich Afgha-nistan. Sie reden sich heraus, indem Sie darauf hinwei-sen, dass Sie zwei Regierungserklärungen abgegebenhaben. Aber das Entscheidende ist doch: Wer beherrschtdie innenpolitische, die deutsche Debatte über Afghanis-tan? Das ist Ihr Kollege, der Verteidigungsminister. Erführt eine Debatte über Afghanistan, die genau in die fal-sche Richtung geht. Er stellt die militärischen Initiativenin den Vordergrund, wo wir doch wissen, dass wir politi-sche Antworten auf die bestehenden Herausforderungenbrauchen. Dafür sind Sie zuständig, aber Sie sagen dazukein Wort.
Ich komme zu einem weiteren Punkt. Auch hier über-holt Sie im Grunde genommen Ihr Kollege. Im Kabinettsind Sie für die Herausforderungen der deutschen Si-cherheitspolitik zuständig. Wo sind Sie bei den Diskus-sionen über die Aufgabe der Bundeswehr der Zukunft,über die originären Fragen der sicherheitspolitischen He-rausforderung?
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azu gibt es keine Regierungserklärung. Sie beteiligenich an gar keiner Debatte. Die Abrüstung ist nur ein As-ekt, es geht insbesondere auch um die Menschenrechte ich habe eben auf den Haushalt hingewiesen – und dieodernisierungspartnerschaft. Wir müssen versuchen,as Land mit aufzubauen, auch um den wirtschaftlichennteressen in Deutschland gerecht zu werden. Auch dasuss man an dieser Stelle sagen. Natürlich wollen wiruch Handel mit diesem Land betreiben. Kein Wortazu, weder in den letzten zehn Monaten noch heute.An die Verhandlungspartner in Jerusalem gerichtet,agten Sie: Wir wünschen euch viel Glück! Verhandeltut! – Es ist im Grunde richtig – das stelle ich überhaupticht in Abrede –, dass die USA es als einziges Landchaffen, beide Parteien zueinanderzuführen. Aber deut-che und europäische Außenpolitik müssen das doch ab-edern und letztlich unterstützen. Ich glaube, es wäreut, wenn wir die Realitäten in Palästina einfach einmalns Auge fassen würden.Sie reden nicht über den Libanon. An die UNIFIL-ebatte will ich gar nicht erinnern. Sie waren in Syrieneim Präsidenten. Ich frage mich: Was ist denn dabeiolitisch herausgekommen? Im Nahen und Mittlerensten findet eine Entwicklung statt, die mir wirklichroße Sorgen bereitet. All das zeigt, dass Sie nicht aufer Höhe der Zeit diskutieren. Sie reden zwar über Ab-
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Dr. Rolf Mützenich
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rüstung, aber auf der anderen Seite hörten wir in denletzten Tagen vom größten Rüstungsgeschäft, das dieUSA mit Saudi-Arabien und anderen Ländern durchfüh-ren will: mehr als 60 Milliarden Dollar. Aufrüstung fin-det in dieser Region statt. Das ist doch aber nicht die Al-ternative zu einer klugen Diplomatie für den PersischenGolf.
Sie müssen mithelfen, diese Länder davon zu überzeu-gen, ein regionales Sicherheitssystem zu bilden, in demnicht Rüstung, sondern Politik die entscheidende Rollespielt. Das ist es, was ich von einem deutschen Außen-minister verlange.
Viele andere Dinge haben Sie ebenfalls nicht ange-sprochen. Auch ich habe eine begrenzte Redezeit,möchte aber noch sagen: Ich glaube, Sie machen sich et-was vor, wenn Sie nur so über Europa diskutieren. Ichbefürchte, dass sich in Europa eine Gedankenwelt fest-setzt, in der Deutschland zum ersten Mal nicht mehr ander Fortentwicklung der europäischen Integration mit-wirkt. Viele Länder in Europa denken das bereits. Ichfürchte, Deutschland ist in den Schlusswagen, vielleichtsogar ins Bremserhäuschen eingestiegen.Ich glaube, die deutsche Außenpolitik hat eine andereAufgabe. Herr Außenminister, es reicht nicht, dienen zuwollen. Nur durch Ideen, Arbeits- und Gestaltungswillenverdient man sich Anerkennung und Unterstützung. Lei-der haben Sie in den letzten zwölf Monaten zu wenig ge-tan. Sie haben weder Ihrem Haus noch der Außenpolitikgedient.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die CDU/CSU hat das Wort der Kollege
Mißfelder.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Lieber Herr Kollege Mützenich, Ihre Schlussbe-merkung fand ich so bemerkenswert, dass ich sie auf-greifen möchte.Zunächst einmal möchte ich daher in der Debatte überdiesen Einzelplan dem Minister für die gute Koopera-tion in dieser Legislaturperiode danken. Ich glaube, dassman abseits des Getöses von vorhin erstens heraushebenmuss, wie gut das Miteinander im Kreis der Obleute undim gesamten Ausschuss funktioniert, und zweitens sagenmuss, dass eine beispiellos gute Informationspolitik be-trieben wird. Natürlich würden Obleute der die Regie-rgkDdlaA–eIRibItsPBdnrpwdasgdZmplDtsRfndubtassud2s
Frau Zapf war da, richtig. – In der Tat ist es aber so, dasss keinerlei Defizite beim Miteinander und auch keinerleinformationsdefizite gibt. Vergleicht man das mit anderenessorts oder mit der vergangenen Legislaturperiode, sost ein Dank an den Minister Dr. Westerwelle dafür ange-racht, dass wir jederzeit Zugang zu allen wichtigennformationen, zu allen wichtigen Gesprächen und Hin-ergründen haben. Das möchte ich einmal lobend heraus-tellen.
olitisch kann man natürlich immer zu unterschiedlichenewertungen kommen. Ich finde aber, dass der gute Stiles Miteinanders durch Ihre Schlussbemerkung aus-ahmsweise aufgebrochen wurde.Wir planen, an vielen Stellen noch enger zu kooperie-en, wenn es um die gemeinsamen Interessen der Außen-olitik geht. Dies ist aus meiner Sicht auch dringend not-endig, weil die Herausforderungen für unser Land undie Außenpolitik unseres Landes sehr groß sind und wiruch nicht vergessen dürfen, dass dies ein historisch be-onders wichtiges Jubiläumsjahr ist. Vor dem Hinter-rund 20 Jahre deutsche Einheit, vor dem Hintergrunder großen Verträge, des Einigungsvertrages und deswei-plus-Vier-Vertrages, ist es doch bemerkenswert,it welcher Ernsthaftigkeit heute außenpolitische, euro-apolitische Debatten geführt werden und welchen Stel-enwert dies mittlerweile in den Diskussionen hier imeutschen Bundestag bekommen hat. Die Rolle des ge-eilten Deutschlands – ich kenne es ja nur aus den Ge-chichtsbüchern – war eine vollkommen andere als dieolle, die wir heute haben. So haben sich auch die An-orderungen an Außenminister, an Parlamentarier, aberatürlich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiteres Auswärtigen Dienstes fundamental verändert.Ich möchte – ich glaube, dass ich hier im Namen vonns allen spreche – den Mitarbeiterinnen und Mitar-eitern des Auswärtigen Dienstes erneut danken – diesun wir mittlerweile in jeder Haushaltsdebatte –, aberuch den vielen Angestellten, nicht nur dem diplomati-chen Korps, sondern auch den Ortskräften, die auch inchwierigen Situationen ihren Dienst für unser Land tunnd damit einen erheblichen Beitrag dazu leisten, dassas Ansehen Deutschlands in der Welt in den letzten0 Jahren gewachsen ist. Diesen Dank möchte ich be-onders hervorheben.
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Philipp Mißfelder
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Man muss schon sagen – es spielte in der Debatte bis-her keine Rolle –, dass die Außenpolitik aktuell sehrstarke Akzente setzt. Denken Sie an die Balkan-Politikder Bundesregierung. Herr Minister, ich finde, das, wasvergangene Woche in Bezug auf Serbien unter tätigerMithilfe von Ihnen und unter der Meinungsführerschaft,die Sie dort für Deutschland errungen haben, erreichtworden ist, bemerkenswert. Dies ist eine herausragendeLeistung, deren Bedeutung wir jetzt überhaupt nochnicht absehen können.
Unsere Außenpolitik sollte an drei Maßstäben ausge-richtet sein – nicht nur an diesen dreien, aber auf diesemöchte ich mich jetzt konzentrieren –: Es geht um dieWertegebundenheit, um eine interessengeleitete Außen-politik und um Zielorientierung und Effizienzsteigerung.Vor ein paar Tagen haben wir – Volker Kauder, unserFraktionsvorsitzender, Andreas Schockenhoff, der fürAußenpolitik zuständige stellvertretende Fraktionsvor-sitzende, und ich – unter dem Gesichtspunkt der Situa-tion der Christen, aber auch anderer religiöser Minder-heiten, Südostasien besucht. Gerade dort war es uns einbesonderes Anliegen, auf die Religionsfreiheit als zen-trales Thema der deutschen Außenpolitik hinzuweisenund den Menschen Mut zu machen, in Ländern, wo sieals Minderheit zum Teil unter Druck stehen, ihren Wegweiterzugehen und sich engagiert zu ihrer Religion zubekennen.Vor dem Hintergrund der deutschen Integrationsde-batte dürfen wir nicht vergessen, dass sich Christen in al-ler Welt in schwierigen Situationen befinden. Es sollteein Maßstab unserer konkreten Außenpolitik sein, sichnicht nur dieser religiösen Minderheit in vielen Ländern,sondern sich allen religiösen Minderheiten verpflichtetzu fühlen. Deshalb rufe ich alle meine Kolleginnen undKollegen dazu auf, bei ihren Reisen darauf zu achten,dass sie mit den Botschaften vor Ort, die an dieser Stellesehr hilfreich sind, aber auch mit vielen NGOs und wei-teren Organisationen vor Ort diese Minderheiten in ihreBesuchsprogramme integrieren. Wertegebundene Au-ßenpolitik ist eben nicht nur das Besuchen von Reprä-sentanzen im Ausland, sondern vor allem auch der Dia-log mit religiösen Minderheiten, um diesen den Rückenzu stärken und als starke Nation deutlich zu machen,dass wir hinter ihnen stehen.
Wir leiten diese wertegebundene Außenpolitik in vieleHandlungsfelder der Politik über. Die Bundesregierunghat dies offensiv getan mit dem Afrika-Konzept, mit demLateinamerika-Konzept, aber auch zum Beispiel in Formunseres Antrags zur Religionsfreiheit. Wir können daraufverweisen, dass dieses Thema für uns weiterhin wichtigbleibt.Nichtsdestotrotz treten auch immer mehr Wirtschafts-interessen in den Blickpunkt unserer Außenpolitik. Auchin diesem Bereich hat, glaube ich, ein Umdenken stattge-funden. Früher hat das Wort „deutsche Interessen“ zusg–dßdiptfcEvtcnAendiRk–gstwkgEWdvkeIS–UetfwluImD
Ich möchte für meine Fraktion besonders unterstrei-hen, dass wir uns der Themen Rohstoffsicherheit undnergiesicherheit immer mehr annehmen. Wir habenor kurzem einen großen Kongress dazu mit der Frak-ion durchgeführt und setzen dies mit vielen Fachgesprä-hen fort. Natürlich beißen sich an dieser Stelle – nichtur manchmal, sondern sehr häufig; denken Sie anfrika – die wertegebundenen Vorstellungen, die wirinbringen wollen, und die Partikularinteressen einzel-er Unternehmen.Nichtsdestotrotz müssen wir versuchen, das miteinan-er in Einklang zu bringen, um offensiv den Wettbewerb,n dem wir uns zum Beispiel mit China im Wettlauf umohstoffsicherheit befinden, angehen und gewinnen zuönnen. Wir werden ihn allerdings nur gewinnen können ich glaube, dass dort in den vergangenen Monaten sehrute Fortschritte erzielt worden sind –, wenn wir gemein-am mit einer europäischen Außenpolitik stärker auftre-en.Dies ist beim Thema Rohstoffe besonders schwierig,eil einige unserer Nachbarn der Meinung sind, sieönnten dies allein tun. Ich will dafür werben, dass wiremeinsam weitaus mehr erreichen können. Wenn es umnergiesicherheit, um Rohstoffsicherheit und um denettbewerb mit China geht, müssen wir auf den Erfolger Etablierung des Europäischen Auswärtigen Diensteserweisen, um sagen zu können, dass wir nun auch einonkretes Handlungsinstrument im Ausland haben, umuropäische Außenpolitik kraftvoll zu personifizieren.ch stimme dem Minister zu, dass Lady Ashton an diesertelle eine schwierige Aufgabe hatte, diese Aufgabe aber was den EAD angeht – auf einem sehr guten Weg ist.nd wenn wir damit rechnen können, dass eventuelline starke deutsche Persönlichkeit diese wichtige Posi-ion in China einnehmen wird, dann halte ich auch dasür wichtig.
Meine Damen und Herren, ich möchte mich einemeiteren Thema, das Interessen der Menschen in Deutsch-and betrifft, widmen, und zwar der Frage von Sicherheitnd Frieden. Vorhin ist über Abrüstung geredet worden.ch glaube, dass wir nicht nur über Abrüstung diskutierenüssen, sondern auch über die Bereiche, bei deneneutschland mit entschiedener Härte und mit ganz star-
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Philipp Mißfelder
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kem Engagement auftreten muss. Das betrifft aus meinerSicht den Iran.Wenn wir in Deutschland über den Nahen Osten undauch über die Sicherheitsinteressen Israels diskutieren,dann hat man den Eindruck, als sei dies alles ziemlichweit weg. Ich glaube nicht, dass wir es uns leisten kön-nen, die Debatte unter diesen Vorzeichen zu führen.Vielmehr glaube ich, dass wir von Anfang an klarma-chen müssen: Wenn es um die Sicherheit und um dasExistenzrecht Israels geht, dann geht es dabei nicht nurum Israels Sicherheitsinteressen, sondern um die Sicher-heitsinteressen der gesamten westlichen Wertegemein-schaft. Das müssen wir mit voller Härte gegenüber demIran deutlich machen. Wir müssen dort nicht nur rheto-risch, sondern mit allen zur Verfügung stehenden diplo-matischen Mitteln stärker auftreten, als dies bisher derFall war.
Meine Damen und Herren, diese Debatte wird in Is-rael sehr genau verfolgt. Zu dem, was wir hier im Hausediskutieren, bekommen wir sehr engagierte und zum Teilauch sehr kritische Rückmeldungen. Vor diesem Hinter-grund ist die gute Rolle, die Deutschland im Vermitt-lungsprozess im Nahen Osten spielt, besonders hervor-zuheben. Die wahre Bewährungsprobe aber wird dieAuseinandersetzung mit dem Iran sein. Dabei müssenwir uns mit voller Entschiedenheit auf die Seite Israelsstellen und alles daransetzen, dass deren und die Interes-sen unserer Freunde dort gewahrt bleiben und dass dieSicherheitsinteressen der Menschen dort berücksichtigtwerden.Ich glaube, dass sich die Außenpolitik – auch in einerHaushaltsdebatte – den Zielen widmen muss, die wir ha-ben. Jeden Cent, über den wir in den kommenden Wochenbeschließen wollen – insgesamt sind es etwa 3,2 Milliar-den Euro –, müssen wir vor den Bürgerinnen und Bürgernrechtfertigen können. Das heißt, wir müssen auf Effi-zienzsteigerungen setzen. Wir müssen Dinge auch in-frage stellen. Deshalb ist klar, dass wir auch im Etat desAuswärtigen Amtes Dinge auf den Prüfstand stellen müs-sen. Der Minister und unsere Haushaltspolitiker habenschon an anderer Stelle deutlich gemacht, dass wir insge-samt eine Balance gefunden haben, mit der die Grund-struktur der auswärtigen Politik nicht infrage gestellt wirdund mit der wir die bisherige Schwerpunktsetzung beibe-halten und in Afghanistan sogar massiv intensivierenkönnen.Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, sich in denkommenden Wochen engagiert an der Debatte über denHaushalt zu beteiligen und einen Beitrag zu leisten, dassdie Arbeit für unser Ansehen in der Welt auch finanziellgut ausgestattet wird.Herzlichen Dank.
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enn Sie sich hier hinstellen und von „voller Härte“ ge-enüber dem Iran sprechen, dann höre ich schon dieanzer rollen. Daran sind Sie mit schuld. Bitte mäßigenie sich, oder schweigen Sie stille, wenn es um „volleärte“ geht!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herresterwelle – ist er noch da? –, es gibt in Ihrem Etat einaar Ausgaben, die ich liebend gern einsparen würde,um Beispiel Rüstungslieferungen an ausländische Ar-een. Das muss man sich einmal vorstellen: Sie sind dereutsche Außenminister, sozusagen unser oberster Di-lomat, und Sie finanzieren Rüstungslieferungen. Abern diesen Etat gehen Sie gar nicht heran. Richtig radikalürzen Sie nur bei den wirklich wichtigen und guten Ele-enten der Außenpolitik:
ei der Abrüstung, bei der Flüchtlingshilfe, bei den Men-chenrechten und bei der friedlichen Lösung von Kon-likten.
Hier wird es meiner Meinung nach richtig gefährlich.enn Frieden fällt nicht einfach so vom Himmel. Manuss etwas dafür tun. Konflikte gibt es immer und über-ll, im Großen wie im Kleinen. Aber manchmal führeniese Konflikte direkt auf Gewalt und Krieg zu. Es mussoch Ihr wichtigstes Ziel als Außenminister sein, solcheonflikte frühzeitig zu erkennen und zu entschärfen, da-it sie eben nicht in Gewalt und Krieg enden.
Dafür muss man gar nichts neu erfinden. Was die Me-hoden der zivilen Konfliktbearbeitung angeht, gibt esnendlich viele Beispiele aus der Geschichte. Weil Herrrler heute hier ist, möchte ich ein solches Beispiel nen-en, wie das konkret funktionieren kann.Vor drei Jahren drohte Kenia in einem Bürgerkrieg zuersinken. Es fand eine Wahl statt, bei der sich zwei ri-
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Jan van Aken
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valisierende Parteien gegenüberstanden, diese Wahl istganz knapp ausgegangen, es gab Unruhen und vieleHundert Tote; Sie alle erinnern sich an die blutigen Bil-der. Kofi Annan ist als Vermittler aufgetreten und hatden damaligen Staatsminister Erler eingeladen, um denbeiden Parteien zu erklären, wie eigentlich eine GroßeKoalition funktioniert, wie zwei Parteien, die sich ei-gentlich spinnefeind sind – das waren sich SPD undCDU ja auch einmal, vor langer, langer Zeit –,
ein gemeinsames Programm entwickeln, eine gemein-same Regierung bilden und vor allem – das ist ja dasWichtigste – die Posten verteilen können. Der Einsatzvon Herrn Erler hat damals direkt dazu beigetragen, dassdie beiden Parteien in Kenia zusammen eine Regierunggebildet haben und dass es nicht zu einem Bürgerkrieggekommen ist.
Es gibt noch viele andere Beispiele, wie Sie mit zivi-len Mitteln Gewalt und Kriege rechtzeitig verhindernkönnen. Wie können Sie, Herr Westerwelle, es dawagen, an genau diesem Punkt, bei der zivilen Konflikt-bearbeitung, massive Einschnitte vorzunehmen? Im ge-samten Haushalt wollen Sie hier 71 Millionen Euro ein-sparen. Ich sage Ihnen: Wer heute nicht versucht,Konflikte friedlich zu lösen, der organisiert die Kriegevon morgen.
Das ist einfach nur eine falsche Politik. Wirklichskandalös wird es allerdings da, wo Sie am Bundestagvorbeiregieren und unsere Beschlüsse ignorieren. Siemachen in der Außenpolitik nichts anderes als bei denGeschenken an die Atomindustrie.
Ich nenne Ihnen zwei Beispiele. Vor zwei Monaten,am 1. Juli, hat der Bundestag Sie einstimmig dazu aufge-fordert – ich zitiere –,… Initiativen zur Verbesserung der humanitärenLage in Gaza mit allem Nachdruck zu unterstüt-zen …„Einstimmig“ heißt, sogar Sie selbst, sogar die Kanzlerinhaben das mitbeschlossen. In Ihrem Haushalt machenSie aber genau das Gegenteil. Sie kürzen die Zahlungenfür die UN-Hilfe für palästinensische Flüchtlinge um1,7 Millionen Euro. Hier mit großartigen Gesten erstHilfe zu versprechen und zwei Monate später das Gelddafür zusammenzustreichen, ist Betrug und Missachtungunserer Beschlüsse hier im Parlament.
dtfrkbSdPGDknIssfsskuGNhuerkDtrzfsohzzRke
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschlandeine Waffen mehr exportieren sollte. Die Welt brauchticht mehr Waffen, sondern weniger Waffen.
hnen müsste eigentlich die Schamesröte ins Gesichtteigen, wenn Sie sich, wie gerade geschehen, hier hin-tellen und sagen – ich zitiere Sie –: Abrüstung hatür uns eine ebenso große Bedeutung wie der Klima-chutz. – Dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Klima-chutz! Denn die Mittel für Abrüstung streichen Sie radi-al um 19 Millionen Euro zusammen. Meine Fraktionnd ich finden das einfach nur noch unverschämt.
Kerstin Müller hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Dierünen.Kerstin Müller (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Meine Damen und Herren! Herr Außenminister, Sieaben hier zwar einiges zur europäischen Finanzpolitiknd auch ein bisschen zu Europa gesagt, aber ich hätteigentlich erwartet, dass Sie auch etwas zu einem weite-en zentralen Thema Europas sagen, nämlich zur Tür-ei; denn ich meine, dass es richtig wäre, wenn dereutsche Bundestag das würdigen würde, was am Sonn-ag da passiert ist: ein wirklich beeindruckendes Refe-endum.
58 Prozent der Menschen in der Türkei haben sich fürentrale Verfassungsänderungen ausgesprochen. Ichinde die Botschaft wirklich klar: Sie wollen demokrati-cher, liberaler und weltoffener werden, und das Landrientiert sich ganz klar nach Europa und nicht nach Te-eran, wie es in der Debatte gesagt wird. Sie sagen Jaur Modernisierung. – Ich glaube, dass das seit Jahr-ehnten der wirklich ernsthafteste Schritt der Türkei inichtung Beitrittsfähigkeit und Reformen ist. Dennochönnen sich die EU und allen voran Deutschland nichtntscheiden, ob sie die Tür zuschlagen oder aufstoßen
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Kerstin Müller
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wollen. Ich muss sagen: Eine solche Reaktion finde ichkontraproduktiv und völlig unangemessen.
Sie haben im Koalitionsvertrag eine Formel, nach derder EU-Beitritt ein Prozess mit offenem Ende sei. Ichglaube, dass sie offensichtlich nichts mehr wert ist; denneinerseits haben Sie, Herr Außenminister, das Referen-dum ja zumindest begrüßt – ich meine, in dem Fall zuRecht –, andererseits wurden Sie sofort von der CSU zu-rückgepfiffen, und zwar zum Beispiel mit der Ansagedes Vizechefs der EVP – ich zitiere –: „Westerwelle sollder Türkei reinen Wein einschenken, der EU-Beitrittwird sowieso nicht kommen.“Mich würde interessieren, was Herr Polenz dazumeint. Er hat nämlich ein gutes Buch geschrieben: Bes-ser für beide: Die Türkei gehört in die EU.
Leider ist das nicht Regierungslinie. Man fragt sich, wasRegierungslinie in diesem Punkt ist. Ich meine, wenndas Recht in Europa noch etwas gelten soll, dann musses dabei bleiben: Der Beitritt der Türkei entscheidet sicheinzig und alleine daran, ob die Türkei die Beitrittskrite-rien erfüllt, und nicht nach politischer Opportunität.Ich bin der festen Überzeugung: Eine modernisierteTürkei in der EU wäre eine zentrale Brücke in den Na-hen Osten, in die islamische Welt, und würde weit mehrzur Stabilisierung dieser krisengeschüttelten Region bei-tragen als irgendetwas anderes, und deshalb müssen wirdie Türkei ermutigen, auf diesem Weg weiter voranzuge-hen.
Herr Westerwelle, irgendwie kann ich mich allerdingsdes Eindrucks nicht erwehren: Egal was Sie machen, Sieschaffen es nicht, Tritt zu fassen und damit der deut-schen Außenpolitik genügend Gewicht zu verleihen.Entweder werden Sie vom Koalitionspartner sofort zu-rückgepfiffen, wenn Sie einmal etwas machen, was gutund richtig ist – zum Beispiel bei der Türkei; allerdingswar er da heute ganz leise –, oder Sie schweigen gleichganz zu zentralen Feldern der deutschen Außenpolitik.
Mit nur einem Satz haben Sie heute zum Beispiel et-was zum Nahen Osten gesagt. Das ist meiner Meinungnach ein zentrales Feld der deutschen Außenpolitik. Eswurde zwar der deutsch-palästinensische Lenkungsaus-schuss eingerichtet – das ist eine gute Geschichte –, aber
– ich habe das nie anders bewertet – in den gerade wie-der aufgenommenen direkten Verhandlungen spieltDeutschland nach allem, was ich weiß, keine Rolle.DaCduVdwZizdzThdNhpdkhdupbgddgaEEfwnaGdSIgEsmASegi
Hier sind klare Worte und Initiativen des deutschenußenministers und auch der Bundeskanzlerin gefragt.ie ist eine Freundin Israels. Das ist gut, aber jetzt wäres notwendig, hinzufahren und zu reden. Man muss dasar nicht als Lautsprecher machen, sollte aber zumindestntervenieren, um die amerikanischen Bemühungen zu
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Kerstin Müller
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unterstützen. Die Amerikaner fragen uns nämlich in Ge-sprächen: Wo sind eigentlich die Europäer? Wo sind dieDeutschen, die uns an einer solchen Stelle einmal unter-stützen könnten? An dieser Stelle kommt wenig bis garnichts.Bei anderen zentralen Themen ist es ähnlich, zumBeispiel bei der Bundeswehrreform. Auch dazu habenwir nichts von Ihnen gehört. Sie überlassen die Debattevollständig dem Verteidigungsminister, obwohl ichfinde, dass ein Wort des Außenministers nötig wäre, da-mit das Militärische in der deutschen Außenpolitik inZukunft nicht eine noch stärkere Rolle erhält. Das drohtnämlich, wenn sich das Konzept von Herrn zuGuttenberg durchsetzt. Darin ist von einem „ganzheitli-chen Ansatz“ die Rede, habe ich in diesem Vorkonzeptgelesen. Aber was ist das für ein ganzheitlicher Ansatz,wenn nur das Militärische ausbuchstabiert wird und dasZivile zu kurz kommt? Ich glaube, die deutsche Außen-politik muss hier dafür sorgen, dass es in die richtige Ba-lance kommt. Zivile Instrumente sind erste Wahl, militä-rische Mittel ganz klar letzte Wahl.Stattdessen – Kollege Mützenich hat es angesprochen –wird dann genau in diesem Bereich gekürzt: der Etat fürzivile Krisenprävention um ein Drittel, die Demokrati-sierungshilfe um die Hälfte. Der Aktionsplan „ZivileKrisenprävention“ wird sowieso links liegen gelassen,obwohl ich finde, dass er durchaus helfen könnte, das zi-vile Profil der deutschen Außenpolitik zu stärken. Kurz:Beim Thema zivile Krisenprävention sind Sie mutlosund ohne Visionen. Ich glaube, damit schadet man denzentralen Anliegen deutscher Außenpolitik, für die dieVerhütung von Konflikten und der Einsatz ziviler MittelVorrang hat.Meine Damen und Herren, Schweigen ist meinerMeinung nach nicht die höchste Form der Diplomatie.Wir erwarten vom deutschen Außenminister, dass er sichzumindest in denjenigen Krisengebieten Gehör ver-schafft und als ernsthafter Makler auftritt, wo Deutsch-land Einfluss nehmen kann und muss: zum Beispiel imNahen Osten und in Afghanistan. So, wie es jetzt läuft– im Höchstfall mit den anderen mitlaufen –, verlierenwir an Einfluss. Herr Westerwelle, Sie müssen das än-dern. Sie müssen politische Initiativen ergreifen. An-sonsten gehen Sie vielleicht als Don Quichotte, als „Rit-ter der traurigen Gestalt“, in die Geschichte ein, dergegen Windmühlen kämpfte und doch nichts bewegte.Ich glaube, das wäre nicht so nett, oder? Für das Landwäre das nicht gut.
Der Kollege Dr. Rainer Stinner hat jetzt das Wort für
die FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Wenn ich mir den Verlauf der Debatte von heuteMdWbzllgDpsEAnhusSswBRvpgvAhdhwngwMgtdDcS
ies zeigt ein weiteres Mal, dass in Ihrer Partei Außen-olitik bei der Parteiführung nicht die geringste Rollepielt. Herr Gabriel hat heute Morgen seine unsäglicheröffnungsrede zu Außenpolitik und Afghanistan vonnfang dieses Jahres fortgesetzt. Das ist keine ernstzu-ehmende Opposition für uns.
Die Redner der Opposition, die sich hier abgearbeitetaben, haben sich an dem Parteipolitiker Westerwellend bedauerlicherweise zum Teil auch an dem Men-chen Westerwelle abgearbeitet. Ihre Einlassung zumchluss, Herr Mützenich – Sie wissen, dass ich Siechätze –, war durchaus grenzwertig. Ich möchte jetztieder zu außenpolitischen Themen zurückkehren.
Dieser Haushalt ist der erste Haushalt unter denedingungen der Schuldenbremse, dem die Regierungechnung tragen musste. Das hat sie getan, und zwarerantwortungsvoll und mit der entsprechenden Schwer-unktsetzung. Wir haben das Vermächtnis der alten Re-ierung übernommen, und die jetzige Regierung gehterantwortungsvoll damit um.Es sind einige Kritikpunkte genannt worden. Herr vanken, Sie sind offensichtlich nicht bereit, sich den Haus-alt etwas genauer anzuschauen. Wie kommt es denn,ass sich bei einigen Positionen Veränderungen ergebenaben? Das liegt zum Beispiel daran, dass sich das Ab-racken russischer Atom-U-Boote langsam dem Endeähert. Deshalb werden dafür keine Mittel mehr bereit-estellt. Das ist richtig und wichtig, und es ist gut so. Soerden wir auch weiter vorgehen. Wir werden keineittel für russische Atom-U-Boote bereitstellen, die esar nicht mehr gibt. So wird diese Regierung nicht arbei-en.
Der Grundvorwurf ist, dass Minister Westerwelle undiese Regierung nichts erreicht haben.
as ist völlig falsch. Ich kann nur einige Punkte anspre-hen. Was Afghanistan angeht, wissen wir alle, dass dieituation schwierig ist. Kein Mensch – weder der Minis-
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6088 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Dr. Rainer Stinner
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ter noch wir – sagen, dass die Situation rosig ist. Abervergleichen Sie die Situation der deutschen Politik heutemit der vor zehn Monaten! Dann werden Sie sehen, dassin der Zwischenzeit die Konferenz in London stattgefun-den hat, angestoßen von Deutschland und organisiertvon diesem Außenminister. Das Ergebnis der Konferenzin London ist, Herr Mützenich – das haben Sie in IhrerAmtszeit nicht geschafft –, dass wir erstmals in derNATO ein einheitliches Gesamtkonzept haben.Sie haben von vernetzter Sicherheitspolitik geredet.Wir tun etwas. Die Zusammenarbeit zwischen Auswärti-gem Amt und BMZ ist beispielhaft. Kann sich jemandvon Ihnen vorstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen,dass Herr Steinmeier und Frau Wieczorek-Zeul in einemFlugzeug gereist wären? Das kann ich mir beim bestenWillen nicht vorstellen.
Die beiden Minister sind gemeinsam nach Afrika ge-reist und haben dort die wichtige Botschaft übermittelt,dass in Deutschland tatsächlich erstmals – darin sind wirbesser als vor einem Jahr; das können Sie sich hinter dieOhren schreiben – eine Vernetzung in aktueller Politikzwischen den einzelnen Ressorts erfolgt.
Das Thema Balkan ist angesprochen worden. Ichsage es sehr knapp: Was wir erlebt haben, ist mit dreiNamen verbunden, die ich in der Reihenfolge nenne, wieich sie sehe: Westerwelle, Hague und Ashton. So einfachist die Welt. Ohne das energische und zupackende Ein-greifen von Westerwelle in Serbien wäre es nicht so weitgekommen. Das ist auch ein Erfolg deutscher Außen-politik. Damit stehen wir besser da als vor einem Jahr.Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.
Das nächste Thema ist der Nahe Osten. Frau Müller,Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir bei diesenVerhandlungen eine wesentliche, eigenständige deutscheVerhandlungsrolle spielen können. Das wollen Sie unssicherlich nicht vormachen. Das meinen Sie doch selbernicht. Ich kenne Sie doch, Frau Müller.Außenminister Westerwelle hat dazu beigetragen,dass das Quartett, das im Tiefschlaf lag – ich habe einigeKameraden persönlich besucht und kann Ihnen sagen,dass der Schlaf sehr tief war –, aufgeweckt wurde. Jetztgibt es eine neue Initiative des Quartetts. Auch damitstehen wir besser da als vor einem Jahr, Herr Mützenich.
Thema Auslandseinsätze: Afghanistan habe ichschon erwähnt. Ich weise nur kurz darauf hin, dass wirbei UNIFIL eine Umorientierung auf das Wichtige undRichtige vorgenommen haben, nämlich die Ausbildungder libanesischen Armee. In diesem Punkt sind wir bes-ser als vor einem Jahr. Wir verkleinern die Auslandsein-sätze dort, wo es möglich ist.I1SJenwHgdDdAtlssdtSALTwldgAnbFKsKmeDws
m Kosovo haben wir die KFOR-Truppenstärke von5 000 auf 10 000 und dann auf 5 000 Soldatinnen undoldaten gesenkt. Darin sind wir besser als vor einemahr, Herr Ströbele.Wir haben lange gefordert, dass das Auswärtige Amtndlich Regionalkonzepte vorlegt. Wir haben ein Regio-alkonzept vorgelegt, das erfolgreich implementiertorden ist. Damit sind wir besser als vor einem Jahr,err Mützenich. Das hat Ihre Regierung nicht zustandeebracht, obwohl Sie es eigentlich auch wollten.Wir sind in einem weiteren Punkt besser, in dem wir –as gestehe ich zu – sicherlich nicht einer Meinung sind:er Außenminister sieht seine Aufgabe auch ganz klararin, die deutschen wirtschaftlichen Interessen imusland zu vertreten. Ich weiß, das ist ideologisch kon-rovers. Sie wollen das nicht. Aber ich biete Ihnen an,iebe Kollegen von der SPD: Falls es in Ihrem Wähler-tamm noch Arbeiter gibt, besuche ich jeden Arbeiter-tammtisch und diskutiere darüber, ob es auch Aufgabees Außenministers ist, Außenwirtschaftspolitik zu be-reiben. Ich glaube, dass ich recht bekomme und nichtie. Bei den Grünen ist das kein Thema. Sie haben keinerbeiter in den eigenen Reihen. Die Lehrerinnen undehrer bei Ihnen sind so abgesichert, dass das keinhema ist.
Dass die Welt nicht in Ordnung ist, ist völlig klar; dasissen wir. Aber ich konnte an diesen wenigen Beispie-en darlegen, dass der Anwurf und der Angriff, dassiese Bundesregierung außenpolitisch nichts zustandeebracht hat, völlig falsch sind und herbeigeredet sind.ber das wird nicht verfangen. Ich bin gerne bereit, dasoch zu vertiefen, wenn Sie mir längere Redezeiten ge-en, und zwar jederzeit und jeden Tag.Herzlichen Dank.
Der Kollege Klaus Brandner spricht jetzt für die SPD-
raktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenolleginnen und Kollegen! Minister Westerwelle hat ineinen Reden die Marke „made in Germany“ zumennzeichen seiner Außenpolitik erklärt. „Made in Ger-any“ ist – darin stimme ich Ihnen zu, Herr Minister –in Markenzeichen bei Produkten und Dienstleistungen.as ist auch ein Markenzeichen deutscher Außenpolitik,enn Qualität, Kontinuität und Verlässlichkeit dahinter-tehen.
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Klaus Brandner
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Qualität, Kontinuität und Verlässlichkeit, das ist, wasviele Menschen mit dem Angebot unserer auswärtigenKultur- und Bildungspolitik verbinden. Deshalb freueich mich, dass auch in diesem Jahr wieder fast ein Vier-tel des Etats in diesen wichtigen Bereich der deutschenAußenpolitik investiert wird. Das ist ein Zeichen derKontinuität, das gerade wir Sozialdemokratinnen undSozialdemokraten zu schätzen wissen.Im Gegensatz zu dem, was der Minister gerade vorge-tragen hat, lässt sich anhand der Zahlen aber deutlichmachen, wer tatsächlich dafür steht. Im Jahr 2005 wur-den in diesem Etatbereich 546 Millionen Euro zur Verfü-gung gestellt. Dann wurde dieses Themenfeld unter demdamaligen Bundesaußenminister Steinmeier kontinuier-lich ausgebaut. 2009 stiegen die Mittel auf 726 Millio-nen Euro. Schon 2010 wurden die Mittel von der schwarz-gelben Bundesregierung um 3 Millionen Euro gesenkt.In diesem Jahr sollen sie auf 703 Millionen Euro gesenktwerden. Daran kann man sehr schnell sehen, wer fürKontinuität steht, wer der deutschen Außen-, Kultur-und Bildungspolitik höchste Bedeutung beigemessen hatund beimisst und wer nicht.
Es ist gut zu wissen, dass auch in diesem Jahr diepolitischen Stiftungen, die Auslandsschulen, der DAADund viele Akteure im Bildungsbereich in der deutschenAußenpolitik durch stabile Mittelansätze Wertschätzungfür ihre Arbeit erfahren. Es wird aber deutlich, dass dieBundesregierung und insbesondere der Bundesministereinen sehr gespaltenen Haushaltsentwurf vorgelegt ha-ben; denn allein die Beispiele, die ich gerade genannthabe, reichen für eine verlässliche und qualitativ hoch-wertige Politik „made in Germany“ nicht aus.Noch zu Jahresbeginn haben Sie, Herr Minister, hieran gleicher Stelle neben der auswärtigen Kultur- undBildungspolitik weitere Schwerpunkte Ihrer Außenpoli-tik vorgestellt, zum Beispiel die Friedens- und Abrüs-tungspolitik. Wo finden wir nun diese Schwerpunkte imHaushaltsplan wieder? Die Mittel für die Unterstützungvon internationalen Maßnahmen auf den Gebieten derKrisenprävention, der Friedenserhaltung und Konflikt-bewältigung sollen um rund 30 Prozent gekürzt werden,und das, obwohl der Bedarf an solchen Maßnahmennicht geringer, sondern eher größer geworden ist.
Kontinuität und Verlässlichkeit als Markenzeichen deut-scher Außenpolitik sehen aus meiner Sicht anders aus.Bei den Maßnahmen der Abrüstung, Rüstungs-kontrolle und Nichtverbreitungszusammenarbeit sindes sogar rund 32 Prozent, um die die Mittel gekürzt wer-den sollen. Ich erkenne nicht, dass die Bedarfe entfallensind. Sie haben in Ihrer Rede gerade vor wenigen Minu-ten noch deutlich gemacht, welche große Bedeutung Siediesem Themenfeld beimessen und welche Aufgaben-stellungen Sie für sich und Ihr Haus sehen. Aber IhreMlhSSAdssdBtadtthdHzgm2tdg1ahnhsBcwdbskFkuewßdnD
ehr geehrter Herr Minister, noch zu Jahresbeginn habenie die deutsche Friedenspolitik und die Maßnahmen zurbrüstung und Nichtverbreitungszusammenarbeit alsas Wertvollste bezeichnet, das Deutschland an politi-chem Inventar zu bieten hat. Nur acht Monate späterollen die Ansätze um beinahe ein Drittel gekürzt wer-en. Ich sage es deutlich: Das entspricht nicht meinemild von Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit.Herr Minister, Sie betonen, dass deutsche Außenpoli-ik wertegeleitet ist und bleiben muss. Ja, ich glaube, wirlle hier im Hause stimmen dem uneingeschränkt zu;och ich frage mich, welche Werte gemeint sein könn-en, wenn zum Beispiel der Mittelansatz für die humani-ären Hilfsmaßnahmen, über die wir gerade gesprochenaben, um 20 Prozent gekürzt wird, und das angesichtser furchtbaren Katastrophen, die wir im letzten Jahr inaiti, in Chile oder jetzt in Pakistan zu beklagen haben.Am Schluss Ihrer achtzehnminütigen Rede haben Siewei Minuten gebraucht, um zu sagen, wer die Vorgän-er waren, was diese gemacht haben und was Sie ge-acht haben. Dazu will ich Ihnen eines sagen: Wir sind005 mit 53 Millionen Euro für humanitäre Hilfe gestar-et, aber es wurden 71 Millionen Euro ausgegeben. Dieamalige Große Koalition hat daraus die Lehren gezo-en und den Titel erheblich aufgebaut. 2009 waren es02 Millionen Euro. Im letzten Haushalt, den Sie zu ver-ntworten haben, ging man schon auf 96 Millionen Euroerunter. Auch darüber wurde gestritten. Jetzt haben Sieur noch 76 Millionen Euro in diesem Haushalt vorgese-en. Von einem Ausbau Ihres Haushalts in Ihren politi-chen Kernfeldern kann wahrlich keine Rede sein.
Ich will gar nicht sagen, dass ich – wie viele andereürger in diesem Land – darüber beschämt war, mit wel-hen Kleinstbeträgen ein ökonomisch so starkes Landie Deutschland den Menschen in Pakistan angesichtser Katastrophe zu Hilfe gekommen ist. Ich frage michei diesem Punkt auch, von welchen Werten die deut-che Außenpolitik geleitet wird, wenn der Titel „Demo-ratisierungs- und Ausstattungshilfe, Maßnahmen zurörderung der Menschenrechte“ um über 50 Prozent ge-ürzt werden soll. Ich finde, hier wäre der richtige Ort,m Deutschland zu präsentieren, indem wir dank der an-rkannten Arbeit der Hilfsorganisationen zur Stelle sind,enn Hilfe dringend gebraucht wird. Das wäre eine Au-enpolitik „made in Germany“, wie ich sie mir vorstelle.
Meine Damen und Herren, wir können hier nicht überen Etat des Auswärtigen Amtes sprechen, ohne Afgha-istan zu erwähnen. Um es gleich vorwegzunehmen:ie zivilen Wiederaufbauhilfen sind nötig und richtig,
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Klaus Brandner
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doch dieser besondere Bedarf braucht aus meiner Sichtauch eine schlüssige und besondere Finanzierung. Nochvor wenigen Monaten hat meine Fraktion der Verdoppe-lung der Mittel für die Afghanistan-Hilfen zugestimmt,weil sie zusätzlich, also on top, zum Einzelplan 05 ver-anschlagt wurden und somit nicht die Handlungsfähig-keit des Auswärtigen Amtes in anderen Regionen derWelt gefährdeten.Heute finden wir einen Haushaltsentwurf vor, bei demein Drittel der Mittel für die politischen Kernaufgabenausschließlich in eine Region, nämlich nach Afghanis-tan, fließen soll. Das ist eine Entwicklung, die wir sonicht unterstützen können. Ich sage es deutlich: DasAuswärtige Amt muss überall in der Welt politisch hand-lungsfähig bleiben und darf nicht ein Regionalbüro fürAfghanistan werden.Herr Minister, viele haben mir gesagt, dass Sie mit Ih-rer Zustimmung zu den tiefen Einschnitten nur Ihrensolidarischen Beitrag zu den Kürzungsmaßnahmen derBundesregierung leisten wollten. Ich begrüße es, wennMenschen mit anderen solidarisch sein wollen. In die-sem Fall kann ich diesen Begriff von Solidarität abernicht nachvollziehen. Für mich ist Solidarität ein Prin-zip, das die Verantwortung der Stärkeren gegenüber denSchwächeren betont. Ich verstehe deshalb nicht, dass dieLeistungen für die Ärmsten und Armen in Katastrophen-und Krisengebieten zum Beispiel nur gekürzt werden,um die Steuergeschenke an Hoteliers und reiche Erbennicht rückgängig machen zu müssen.
Herr Kollege, meinen Sie, Sie könnten zum Ende
kommen?
Das verstehe ich jedenfalls nicht unter Solidarität
oder unter einer wertegeleiteten Politik „made in Ger-
many“. Ich baue darauf, dass im Rahmen der Haushalts-
beratungen gemeinsam für diese Werte gestritten wird.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Thomas Silberhorn für
die CDU/CSU-Fraktion.
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Der deutsche Vorschlag, ein geordnetes Insolvenz-egime einzuführen, greift die Lücke auf, die in den ver-raglichen Grundlagen der Europäischen Union bestehtnd die eine Ursache für die Turbulenzen gewesen ist.
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Thomas Silberhorn
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Wir können in der Wirtschafts- und Währungsunion nie-manden ausschließen, auch wenn er noch so oft undstark die Regeln bricht. Wir dürfen aber nach den Verträ-gen auch nicht einfach für die Haushaltssünden unsererPartner in der Europäischen Union einstehen. Deswegenist es notwendig, diese Lücke dadurch zu schließen, dasswir ein geordnetes Insolvenzregime errichten. Wenn dasin der Europäischen Union nicht durchsetzbar seinsollte, dann lassen Sie uns darüber nachdenken, ein sol-ches Regime auf internationaler Ebene zu etablieren;denn diese Währungsturbulenzen sind keineswegs eineBesonderheit der europäischen Wirtschafts- und Wäh-rungsunion, sondern das Merkmal dieser Vorkommnissewaren gerade die weltweiten Auswirkungen. Ich hätteohnehin mehr Verständnis dafür, wenn wir eine interna-tionale Konvention unter dem Dach des InternationalenWährungsfonds etablieren könnten. Diejenigen, diediese Konvention nicht ratifizieren wollten, würden siespätestens dann ratifizieren müssen, wenn sie Hilfe, diedurch die Konvention möglich wäre, in Anspruch neh-men wollten. Daher sollten wir dieses Thema auf einerhöheren Ebene weiterverfolgen und uns einen internatio-nalen Insolvenzmechanismus überlegen.
Ich glaube, dass wir schon heute sehr deutlich sagenkönnen: Bei jeder künftigen Unterstützung und Stabili-sierung unserer Währung müssen zwingend die Gläubi-ger in Haftung genommen werden. Ich halte es für einMenetekel, dass es uns mit unseren bisherigen Rettungs-schirmen nicht gelungen ist, die Gläubiger mit ins Bootzu nehmen. Wir können nicht auf der einen Seite denGläubigern die hohen Zinsen lassen, die sie als Risiko-prämie erhalten, dann aber, wenn das Risiko eintritt, dieKonsequenzen allein dem Steuerzahler aufbürden. Hiermüssen wir zwingend dazu kommen, dass die Gläubigermit in die Haftung genommen werden.
Wenn die Kommission nun vorschlägt, den Rettungs-schirm, den wir im Frühjahr beschlossen haben, zu ent-fristen, also nicht nur bis 2013 bestehen zu lassen, dannmüssen wir dem strikt entgegenhalten: Die Befristungwar eine Geschäftsgrundlage für unsere Zustimmung zudem Rettungsschirm. Wir haben ausdrücklich gesagt,dass wir nicht zu einer Transferunion kommen wollenund auch keinen dauerhaften Hilfsmechanismus etablie-ren wollen.
Von daher bedanke ich mich beim Außenminister undauch beim Herrn Staatsminister Hoyer dafür, dass siehier klar gegen eine Entfristung des Hilfsfonds Stellunggenommen haben. Das zeigt, dass wir innerhalb der Ko-alition in diesen Finanzfragen, die ja von größter Bedeu-tung sind, bestes Einvernehmen haben. Ich füge hinzu:Namentlich zwischen CSU und FDP gibt es in diesenFragen ein hohes Maß an Einvernehmen.
Zusammenfassend sei gesagt: Wir brauchen substan-ielle Reformen zur Stabilisierung der Euro-Zone, nichtur deshalb, weil wir der größte Garantiegeber sind, son-ern auch deshalb, weil der Euro eine identitätsstiftendeirkung in der Europäischen Union hat. Wir solltenrnsthaft überlegen, das Mandat der Van-Rompuy-ruppe noch etwas zu verlängern, wenn die Ergebnisseo dünn ausfallen sollten, wie wir das zum jetzigen Zeit-unkt befürchten müssen. Aber wir müssen aufpassen,ass wir das nicht aufs Spiel setzen: Der Euro hat eineroße identitätsstiftende Wirkung in der Europäischennion. Wir müssen die Stabilitätskultur erneuern. Ichin fest davon überzeugt: Das wird die Europäischenion weiter stärken.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Kollege Michael Leutert hat jetzt das Wort für die
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Außenminister, Sie haben Anfang dieser Woche dertuttgarter Zeitung ein Interview gegeben und darin ver-ündet, deutsche Außenpolitik müsse wertorientiert undnteressengeleitet sein. Welche Interessen Sie damit mei-en, haben Sie auch noch gleich gesagt, nämlich die dereutschen Unternehmen im Ausland. Die Frage ist nur,ie das umgesetzt wird.Anfang August haben Sie als Vizekanzler eine Kabi-ettssitzung geleitet. Darin wurde das Lateinamerika-onzept – das ist heute schon einmal angesprochen wor-en – beschlossen. Dieses Papier zeigt meines Erachtensxemplarisch, was unter wertorientierter und interes-engeleiteter Außenpolitik ganz konkret verstandenird. Dabei geht es, kurz gesagt, darum, den deutscheninfluss im ehemaligen Hinterhof der USA wesentlichu verstärken.Wenn man sich einmal den Weg der Entstehung die-es Konzepts anschaut, dann muss man sagen: Es gibt iner Regierung sehr wohl eine Kontinuität; denn obtichwort „Steuergeschenk an die Hoteliers“, ob Stich-ort „Laufzeitverlängerung für die AKWs“, ob Stich-ort „Pharmalobby und Arzneimittelmarkt-Neuord-ungsgesetz“: Immer ist es derselbe Weg; Schwarz-Gelbst Erfüllungsgehilfe für die Großkonzerne und Lobby-sten.
n diesem Fall ist es wieder so. Ich möchte das auch kurzkizzieren.Anfang dieses Jahres, im März, hat die sogenannteateinamerika-Initiative der deutschen Wirtschaftmpfehlungen zu den deutsch-lateinamerikanischen
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Wirtschaftsbeziehungen an die Bundesregierung ge-sandt. Darin ist von der zunehmenden Bedeutung desWirtschaftsstandorts Lateinamerika, von dessen Reich-tum an Bodenschätzen und Energieressourcen die Rede.Von der Industrie wird gefordert, dass die deutsche Poli-tik endlich ihre wirtschaftlichen Interessen vertreten soll.Ganz konkret heißt das, die Bundesregierung solle sichdoch bitte dafür einsetzen, dass die lateinamerikanischenBankenmärkte geöffnet werden und auf Schutzzölle undandere Maßnahmen für die dort ansässige Wirtschaftverzichtet wird.Lediglich fünf Monate später ist die besagte Kabi-nettssitzung. Das Konzept wird beschlossen. Sie wieder-holen fast wortwörtlich Formulierungen der Industrieund sichern zu, dass die Bundesregierung mit aller Ent-schiedenheit gegen Marktbeschränkungen kämpfenwerde.Letzte Woche, lediglich einen Monat später, fand hierin Berlin der Wirtschaftstag statt, zu dem die über200 Leiter der Auslandsvertretungen und über 1 000 Un-ternehmer und Wirtschaftsfunktionäre geladen gewesensind.
Herr Kollege, möchten Sie eine Frage von Frau
Schuster zulassen?
Sofort. – Das nenne ich effektives Arbeiten.
Komisch an dieser ganzen Angelegenheit ist lediglich,
dass das immer nur dann funktioniert, wenn die Interes-
sen von Großkonzernen, egal ob es Energiekonzerne,
Pharmakonzerne oder Hotelkonzerne sind, bedient wer-
den. In anderen Punkten klappt so ein effektives und
schnelles Arbeiten der Regierung nicht.
Frau Kollegin, bitte.
Herr Kollege, sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu
nehmen, dass Ihre Schilderung der Chronologie hier
komplett falsch ist? Wir haben als Allererstes in den Ko-
alitionsvertrag geschrieben, dass wir ein neues, ressort-
übergreifendes Lateinamerika-Konzept auf den Weg
bringen wollen. Das bisherige Lateinamerika-Konzept
stammte aus dem Jahr 1995 und ist der veränderten
Weltlage nicht mehr gerecht geworden. Ich bitte Sie sehr
darum, Ihre Ausführungen in diesem Punkt zu korrigie-
ren.
In unserem Konzept geht es ja beileibe nicht nur um
Wirtschaftsinteressen, sondern auch um Umweltschutz,
erneuerbare Energien und Biodiversität sowie Men-
schenrechte.
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er Erstellung des Konzeptes ging ja auch eine Reise
oraus; dabei wurden unter anderem mit der GTZ Ge-
präche in Brasilien über die Zertifizierung von Tropen-
ölzern und über Biodiversität geführt. Was Sie hier dar-
estellt haben, entbehrt jeder Grundlage.
Liebe Kollegin, ich nehme das sehr wohl zur Kennt-is. Traurig ist allerdings, dass Sie nicht in der Lage wa-en, ein eigenes Konzept vorzulegen,
ondern dass Sie tatsächlich die Hilfe eines Industriever-andes benötigt haben, um etwas auf die Reihe zu brin-en. Das ist die Wahrheit.
Wie sieht es denn im vorliegenden Haushalt mit dererteorientierung aus? Das Bild, das sich mir da bie-et, ist ein Bild des Grauens. Darüber bin ich wirklich er-chüttert. Entsprechende Zahlen sind ja hier schon ge-annt worden; ich möchte aber trotzdem noch einmalinige nennen. Seitdem Sie das Amt des Außenministersbernommen haben, seit Oktober 2009, wurden die frei-illigen Leistungen an die Vereinten Nationen um1 Prozent heruntergefahren. Das trifft insbesondere dieahlungen an das Hochkommissariat für Menschen-echte mit einem Minus von 32 Prozent. Der Titel „De-okratisierungs- und Ausstattungshilfe, Maßnahmenur Förderung der Menschenrechte“ wurde um 51 Pro-ent heruntergefahren. Darin enthalten sind 6 Millionenuro für Ausstattungshilfe, was quasi ein militärischerosten ist. Der Titel „Unterstützung von internationalenaßnahmen auf den Gebieten Krisenprävention, Frie-enserhaltung und Konfliktbewältigung durch das Aus-ärtige Amt“ wurde gegenüber 2009 um 9 Prozenteruntergefahren. Der Titel „Für Humanitäre Hilfsmaß-ahmen im Ausland“ wurde um 25 Prozent herunterge-ahren. Der Titel „Maßnahmen der Abrüstung, Rüs-ungskontrolle und Nichtverbreitungszusammenarbeit“urde um 35 Prozent heruntergefahren. Man könnteiese Liste noch um Stipendien, Goethe-Institute und an-eres beliebig erweitern. All das betrifft die zivileußenpolitik.Eine Zahl, die heute hier noch nicht genannt wurde,ie ich aber auch für wichtig halte, ist, dass Sie im Ge-ensatz zu 2009 70 Millionen Euro mehr im Haushaltaben. Es ist überhaupt nicht so, dass Sie mit wenigereld auskommen müssten; Sie haben 70 Millionen Euroehr. Wenn jetzt gesagt wird, dieses Geld fließe in dentabilitätspakt Afghanistan, der auf 180 Millionenuro aufgebauscht wurde, möchte ich dem gerne einmalas gegenüberstellen, was in einem Schreiben aus Ihrem
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Michael Leutert
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Hause steht, in dem es um die Kultur- und Bildungspro-jekte des Auswärtigen Amtes in Afghanistan geht. ImVergleich zu 2009 sind demzufolge für Schulförderung1 Million Euro weniger vorgesehen; das Projekt„Deutsch als Fremdsprache“ wurde auf null gefahren; dieUmfeldstabilisierung – das heißt berufliche Bildung –wurde um 2,4 Millionen Euro gekürzt und damit auchauf null gefahren; für den Kulturerhalt gibt es800 000 Euro weniger. Angesichts dessen frage ichmich, wohin denn die Gelder für den Stabilitätspakt Af-ghanistan fließen.
All das ist die Schattenseite Ihrer wertegeleiteten Au-ßenpolitik. Im Gegensatz zu den Interessen der Wirt-schaft, wofür die Mittel hochgepowert wurden, wurdendie Ansätze für die Umsetzung von Werten wie Men-schenrechte, Demokratisierung, Krisenprävention, Frie-denserhalt in diesem Haushalt geschleift. Ich bin derfesten Überzeugung: Wenn dieser Haushalt so, wie ervorliegt, beschlossen wird, hinterlassen Sie ein Trüm-merfeld ziviler Außenpolitik.
Eines muss man Ihnen sicherlich lassen: Sie haben,wie gesagt, vor nicht einmal einem Jahr, nämlich vorzehn Monaten, das Amt übernommen. In dieser kurzenZeit haben Sie die Außenpolitik gründlich umgepflügt:Wirtschaftsinteressen hoch – Kultur, Bildung, humani-täre Hilfe, Friedenserhaltung runter.Es bleibt für uns alle eigentlich nur ein Trost: Sie ha-ben nicht nur an den Zahlen des Einzelplans gearbeitet,sondern Sie haben auch an den Zahlen Ihrer eigenen Par-tei gearbeitet: Innerhalb von zehn Monaten von 15 Pro-zent auf 5 Prozent bei den Umfragewerten – macht1 Prozent weniger pro Monat.
Ich hoffe für uns alle und im Interesse der deutschen Au-ßenpolitik, dass Sie zumindest bei den Prozentzahlen Ih-rer Partei Kurs halten. Dann wäre das nächste Wahl-ergebnis von Ihnen einfach, niedrig und gerecht.
Jetzt hat unser Kollege Sven-Christian Kindler dasWort für Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Als ich den Einzelplan 05 für das AuswärtigeAmt durchgesehen habe, hat mir ein Titel besonders gutgbZAusGAwbdunIzNmgAiKVfwtDlwohidtHtSewrsasftBGßsdd
enn es geht nicht nur um das Gedenken, sondern auchm die Erinnerung, die wichtig ist, um aus diesen Ereig-issen für die Gegenwart und für die Zukunft zu lernen.n unserer Gesellschaft gibt es immer noch zu viele Na-is, zu viel Rassismus, zu viel Antisemitismus, zu vielationalismus. Ich finde, es sollte uns allen im Parla-ent über alle Fraktionsgrenzen hinweg eine Herzensan-elegenheit sein, dafür zu kämpfen, dass so etwas wie inuschwitz nie wieder passiert.
Das weitere Durcharbeiten dieses Einzelplans fandch deutlich weniger erfreulich, insbesondere was dieürzungen anbetrifft. Herr Minister Westerwelle, bei derorstellung des Sparpakets Anfang Juni wurden Sie ge-ragt, wieso Sie zuerst Segnungen wie den halben Mehr-ertsteuersatz für Hoteliers mit dem Füllhorn ausschüt-en, aber dann mit dem Sparpaket die Machete zücken.er Ausdruck „Machete“ war Ihnen damals zu martia-isch, aber der Ausdruck „Sparen mit der Nagelschere“ar Ihnen auch nicht ausreichend. Egal ob Nagelschereder Machete, egal ob Heckenschneider oder Rasenmä-er: Der falsche Einsatz von Schnittwerkzeugen kannmmer zu schweren Blessuren führen. Das sieht maneutlich an diesem Haushalt. Ihren Konsolidierungsbei-rag erbringen Sie vor allen Dingen bei der humanitärenilfe, bei der Krisenprävention, bei der Friedenserhal-ung und bei der Rüstungskontrolle. Zusammengefasst:ie sparen hier und kürzen damit bei der Menschlichkeit.In diesem Bereich wird um 90 Millionen Euro, fastin Fünftel der Mittel in dieser Titelgruppe – diese Zahlurde schon genannt –, gekürzt. Sie haben zu Recht da-auf hingewiesen, dass Rot-Grün damals die zivile Kri-enprävention eingeführt, aber weniger Mittel dafürufgebracht hat. Die rot-grüne Idee war, die zivile Kri-enprävention als Bestandteil der Außenpolitik einzu-ühren. Man musste zunächst die entsprechenden Struk-uren schaffen und ist natürlich mit einem geringerenudget gestartet. Die Mittel sind aber auch unter Rot-rün stetig gewachsen. Ich finde es gut, dass unter Au-enminister Steinmeier die Mittel weiterhin geflossenind. Ein großes Lob an Frank-Walter Steinmeier füras, was er in diesem Bereich getan hat. So erklären sichie Zahlen.
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Sven-Christian Kindler
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Vor diesem Hintergrund muss man das beurteilen,was Sie jetzt mit diesem Einzelplan machen. Sie sagen,ein Schwerpunkt deutscher Außenpolitik solle Friedens-politik und Abrüstungspolitik sein. Das passt aberüberhaupt nicht mit der Tatsache zusammen, dass Sie beiAbrüstung, Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung 20 Mil-lionen Euro sparen. Das ist ein klarer Widerspruch zu Ih-ren Aussagen, die Sie eben getroffen haben.
Wir wissen, dass die Not weiter wachsen wird. Dieverheerende Flutkatastrophe in Pakistan ist nur eines vonvielen Beispielen. In den letzten 30 Jahren hat sich dieAnzahl der Menschen, die von klima- und wetterbeding-ten Naturkatastrophen betroffen sind, versechsfacht,nämlich von 250 Millionen auf heute 1,5 MilliardenMenschen. Naturkatastrophen treffen besonders die ar-men Menschen im Süden. Das ist doppelt ungerecht.Man sollte sich klarmachen: Der Hauptverursacher desKlimawandels sind die Bewohnerinnen und Bewohnerin den Industriestaaten des reichen Nordens. Die armenMenschen im globalen Süden müssen die Folgen, für diesie nicht verantwortlich sind, ausbaden, wenn etwa ihrZuhause überschwemmt wird. Ich finde es skandalös,dass die Regierung in diesem und in anderen Einzelplä-nen besonders in diesem Bereich spart.
Die Regierung verabschiedet sich vom Ziel der glo-balen Armutsbekämpfung. Das sieht man daran, dassdie ODA-Quote mit diesem Etat sinken wird, weil ent-sprechende Mittel des Auswärtigen Amtes gestrichenwerden und weil die Regierung die Kopenhagener Ver-sprechen komplett bricht. Das ist ein Skandal für diedeutsche Außen- und Entwicklungspolitik und zeigt, wiekaltherzig Schwarz-Gelb auch international agiert.Besser jedoch, als humanitäre Hilfe zu leisten, ist es,einzugreifen, bevor Konflikte entstehen. Das heißt, diezivile Krisenprävention müsste man eigentlich aus-bauen, weil dadurch Krisen entschärft werden oder garnicht erst entstehen. Ihre Politik trägt aber nicht zu einerfriedlichen Welt bei und zeugt nicht von einer wertege-leiteten Außenpolitik.Es stellt sich natürlich die Frage, wie wir Maßnahmenzur zivilen Krisenprävention finanzieren. Es gibt meh-rere Etats, in denen man Kürzungen vornehmen könnte.Das ist zum Beispiel im Wehretat möglich. Da kann manbei unsinnigen und teuren Rüstungsprojekten sparen.
Aber, Herr Westerwelle, Sie können sich auch einmal fürmehr Einnahmen einsetzen. Sie sind, soweit ich weiß,auch Europaminister und damit für die Europapolitik zu-ständig. Die Bundesregierung ist für die Einführung ei-ner europaweiten Finanztransaktionsteuer. Da frageich mich schon, warum Sie in der Europäischen Unionnde–zmuesatKNVmwfnpbdIwdrNM–bwd
Ja, aber der Europaminister kann das doch unterstüt-en. Ich fände es schon gut, wenn Herr Westerwelle fürehr Einnahmen aus den Finanzmärkten werben würde,m globale Gerechtigkeit zu finanzieren, Spekulationinzudämmen und nicht weiter die Finanzlobby zu be-chützen. Deswegen, Herr Westerwelle, fordere ich Sieuf: Setzen Sie sich endlich für eine europaweite Finanz-ransaktionsteuer ein.
Herr Kindler, möchten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Koppelin zulassen?
Gerne.
Kollege Kindler, wir werden nachher auch über denerteidigungsetat sprechen. Sie haben den Vorschlag ge-acht, bei Rüstungsprojekten zu kürzen und mit den freierdenden Mitteln andere Dinge zu machen. Das ist,inde ich, eine sehr gute Anregung. Ich hätte dazu von Ih-en gern konkrete Vorschläge; denn die großen Rüstungs-rojekte, die Sie wahrscheinlich im Blick haben – MEADS,estimmte Transportflugzeuge oder anderes –, sind alle iner Zeit der rot-grünen Koalition beschlossen worden.
nsoweit wäre ich sehr daran interessiert, zu erfahren, woir kürzen könnten und ob Ihre damaligen Bestellungen,ie uns schon jetzt Milliarden gekostet haben, falsch wa-en.
Erstens. Ich war, wie Sie wissen, Herr Koppelin, nichtitglied der rot-grünen Koalition.
Na ja, das stimmt; das muss man ehrlicherweise zuge-en.Zweitens. Wir haben MEADS damals abgelehnt; aberir haben uns gegen die Sozialdemokraten leider nichturchsetzen können.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6095
Sven-Christian Kindler
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– Das gehört doch zur Wahrheit, liebe Kolleginnen undKollegen.Wir wollen bei Rüstungsprojekten deutlich sparen.Wir wollen da kürzen, weil das zu einer friedlicherenWelt beiträgt.
Grüne Außenpolitik ist vor allem Friedenspolitik. Siesteht für eine Kürzung bei Rüstungsprojekten; das istvöllig klar.
Der Einzelplan 05, Auswärtiges Amt, zeigt ganz klar:Man kürzt radikal bei ziviler Krisenprävention, bei Frie-denserhaltung. Damit pfeift diese Bundesregierung aufunsere globale Verantwortung und lässt die Ärmsten derWelt im Regen stehen. Hier zeigt sich eindeutig:Schwarz-Gelb kürzt nicht nur im Inland unsozial, son-dern auch im Ausland.Vielen Dank.
Der Kollege Gunther Krichbaum hat jetzt das Wort
für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Letzte Woche hat eine Meldung leider keineSchlagzeilen gemacht, die dies verdient gehabt hätte,nämlich die Resolution in der UN-Vollversammlung,mit der Bewegung in den Kosovo-Streit gekommen ist.Und in diesem Zusammenhang ist es insbesondere Ih-nen, Herr Außenminister Westerwelle, zu verdanken,dass Serbien dazu bewegt werden konnte, eine modera-tere Rolle, eine moderatere Position einzunehmen. Ichglaube, das war ganz wichtig; denn hier ist es im Zusam-menwirken mit der Europäischen Union und unter IhrerMeinungsführerschaft gelungen, Bewegung in einenStreit zu bringen, von dem wir eigentlich gedacht hatten,dass er uns noch über Jahre hinweg beschäftigen wird.Er wird es auch tun. Es ist jetzt aber Bewegung in dieSache gekommen, weil die Tür für einen konstruktivenDialog zwischen Kosovo einerseits und Serbien anderer-seits geöffnet wurde.Es ist folgerichtig, dass wir jetzt das Ansinnen derAußenminister unterstützen, das Beitrittsgesuch Ser-biens an die Europäische Kommission mit der Bitteum eine Stellungnahme und um Erteilung eines Avisweiterzuleiten – letztlich muss sich diese Kooperation andieser Stelle auch für Serbien auszahlen –; denn wir sindstswDwdßnRdMp–uidswrdImosUmVmdUhfDmddskuhmdSkslH
Es hat bei einer weiteren Frage Bewegung gegebenes ist bereits bei einigen Vorrednern angeklungen –,nd zwar durch das Referendum in der Türkei. Ja, esst ein wichtiger und richtiger Schritt: 58 Prozent habenafür gestimmt. Man könnte jetzt mit der Lupe hin-chauen und sicherlich das eine oder andere finden, wasir uns anders vorstellen. Es war aber ein Schritt in dieichtige Richtung; denn er ebnet den Weg zu Reformen,ie die Menschen in der Türkei, aber auch wir brauchen.ch möchte hier kein Wasser in den Wein gießen, egal oban die Verhandlungen als ergebnisoffen bezeichnetder ob man dafür ist, dass die Türkei gleich die Per-pektive einer Vollmitgliedschaft in der Europäischennion erhält.Wir stehen bei einer anderen Frage in Europa zuneh-end vor einem Dilemma. Damit meine ich, dass dieerhandlungen über viele Kapitel im Augenblick nichtultilateral – durch die Europäische Union selbst –, son-ern bilateral blockiert sind.
m überhaupt davon sprechen zu können, dass eine Ver-andlung ergebnisoffen geführt werden kann, ist es er-orderlich, dass überhaupt Verhandlungen stattfinden.eswegen ist es wichtig, dass wir hier einen Mechanis-us finden – insofern hat sich der europäische Geist iner Europäischen Union ein Stück weit verändert –,urch den in einem Mehrheitsentscheid in der Europäi-chen Union darüber entschieden wird, ob sich Streitig-eiten auf der Ebene der Europäischen Union befindennd dorthin gehören oder ob sie bilateralen Charakteraben. Wenn sie aber bilateralen Charakter haben, dannuss sich ein Schiedsgerichtsverfahren anschließen, beiem beide Seiten im Vorfeld anerkennen, dass sie denchiedsspruch umsetzen werden.Wir erlebten und erleben das bei Zypern und der Tür-ei. Wir erleben es im Hinblick auf den Konflikt zwi-chen Griechenland und Mazedonien. Wir haben es zu-etzt – ich kann die Liste gar nicht abschließen – iminblick auf die Vorgänge zwischen Großbritannien, den
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Niederlanden und Island, aber auch zwischen Kroatienund Slowenien erlebt. Wir müssen hier voranschreitenund dem Rechnung tragen. Eines Tages wird nämlich si-cherlich auch Kroatien Mitglied der Europäischen Unionsein und Serbien an deren Tür klopfen.Wir müssen insgesamt Gewähr dafür tragen, dass einMitgliedstaat der Europäischen Union keine nationalenForderungen zum Faustpfand gegenüber einem Staat er-heben kann – ich unterstelle dies nicht unseren kroati-schen Freunden –, der der Europäischen Union erst nochbeitreten möchte.
Das ist sicherlich nicht in unser aller Sinn.Herr Außenminister, Sie hatten den Vertrag von Lis-sabon angesprochen. Beim Europäischen AuswärtigenDienst, aber auch an anderer Stelle festigen sich dieStrukturen. Wir kommen zunehmend weg von der Nabel-schau der Europäischen Union und gelangen stärker hinzu anderen Themen. Das ist gut so. Dies betrifft – Kol-lege Silberhorn hat es angesprochen – die Finanzbezie-hungen. Allerdings sei hier in einer Randbemerkung er-wähnt, dass es hier im Haus sicherlich keine Mehrheitdafür geben würde, Euro-Bonds aufzulegen – PräsidentBarroso hat das kürzlich vorgeschlagen – oder eineEU-Steuer einzuführen. Ich glaube, dass dies im Ergeb-nis kontraproduktiv wäre: Es würde bei unseren Bürge-rinnen und Bürgern mehrheitlich auf Ablehnung stoßen.Ich glaube, eine solche Steuer wäre nicht vermittelbar.Unsere Ablehnung kann ordnungspolitisch ganz klar da-mit begründet werden, dass die Europäische Union einStaatenbund ist und kein Bundesstaat. Deswegen wird esmit uns sicherlich kein eigenes Steuerrecht für die Euro-päische Union geben.Ein letzter Gedanke zu den Strukturen sei genannt. Hiergeht es um einen Vorschlag von Herrn Pöttering, dem vor-maligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, aberauch von Ihnen, Herr Außenminister Westerwelle. DieserVorschlag betrifft die Einführung einer europäischenArmee. Ich glaube, dass wir gerade durch den Vertrag vonLissabon die große Chance haben, in diesem Politikfeldzu einer zusätzlichen Vertiefung zu gelangen, so wie wires auf anderen Feldern mit dem Schengen-Abkommenund der Einführung des Euro schon geschafft haben.
Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich komme zum Ende. – Erlauben Sie mir den letzten
Satz. Eine große Chance steckt darin, dass wir beispiels-
weise gemeinsam mit Franzosen, mit Polen, vielleicht
sogar im Format des Weimarer Dreiecks Strukturen fin-
den, die in die Zukunft weisen.
Herr Kollege.
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Die Kollegin Edelgard Bulmahn hat nun das Wort für
ie SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Ohne eine konsequente Abrüstungs- undriedenspolitik, ohne wirtschaftliche Aufbauhilfe,hne die Sicherung der Menschenrechte und ohne dieicherung der Demokratie würden wir heute nicht in ei-em friedlichen Europa und werden wir auch nicht in ei-er friedlichen Welt leben.
ehr geehrter Herr Außenminister, deshalb teile ich dieussage, die Sie vor wenigen Minuten an dieser Stelleemacht haben, dass Abrüstung in Zukunft von ebensoroßer Bedeutung sein wird wie der Klimawandel. Dasst ein richtiger Satz; aber der gleiche Außenminister be-reibt eine falsche Politik, wenn er die finanziellen Mittelür Abrüstung und Rüstungskontrolle um ein Dritteltreicht.
ute Politik braucht nicht nur Worte, sondern sie brauchtuch Taten.An anderer Stelle, Herr Außenminister, führten Sieus – ich zitiere –:Werteorientierung und Interessenleitung gehörenbeide zum Kompass einer guten deutschen Außen-politik.as ist richtig, Herr Außenminister. Aber ich frage Sie:on welchen Werten und von welchen Interessen lassenie sich leiten, wenn Sie die Mittel zur Förderung derenschenrechte und der Demokratisierung um dieälfte – liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben rich-ig gehört: um die Hälfte – streichen? Offensichtlichehlt dem Außenminister der Kompass für eine strin-ente Außenpolitik im deutschen Interesse. Oder wie ists zu erklären, dass Sie, Herr Westerwelle, ausgerechnetort kürzen und streichen, wo es um die zentralen Auf-abenfelder der deutschen Außenpolitik, wie die Siche-ung der Menschenrechte, die Krisenprävention oder dieuswärtige Kulturpolitik, geht?Deutsche Außenpolitik sollte engagierte Friedens-olitik sein, eine Friedenspolitik, die auf Menschen-echte, soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratieetzt.
ine solche Außenpolitik gründet auf Vertrauen. Soziale,irtschaftliche, kulturelle und nachhaltige Entwicklung
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6097
Edelgard Bulmahn
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ist die Basis für eine erfolgreiche Außenpolitik. Gerademit den Konzepten der zivilen Krisenprävention, derKonfliktbearbeitung und der Friedenskonsolidierungleistete Deutschland bisher einen international hochaner-kannten und hochrespektierten Beitrag zur Friedens-sicherung. Die Beispiele, die in der Debatte genanntwurden, haben das sehr deutlich unterstrichen. Stattdiese Kompetenzen zu nutzen und auszubauen, streichtdie schwarz-gelbe Koalition ausgerechnet diese Mittelgnadenlos zusammen. Verstehe das, wer wolle!
Das ist unverständlich. Es ist eine falsche Politik. Einesolche Politik ist nicht nur kurzsichtig, sondern sie istauch gefährlich.Insgesamt sollen im kommenden Jahr 88 MillionenEuro weniger für Maßnahmen und Leistungen zurSicherung von Frieden und Stabilität sowie für huma-nitäre Hilfsmaßnahmen zur Verfügung stehen. Alleinim Bereich der Krisenprävention sollen 30 Prozent die-sen skandalösen Sparmaßnahmen zum Opfer fallen, ob-gleich die Bundesregierung in ihrem Umsetzungsberichtzum Aktionsplan Zivile Krisenprävention – im Übrigenzu Recht – von wachsenden Anforderungen an Krisen-prävention und Konfliktbewältigung spricht.Ziel ziviler Krisenprävention ist es, gewaltsameAuseinandersetzungen im Vorfeld zu verhindern. Welt-weit haben wir sehr viele Krisenregionen, als Beispielnenne ich den Sudan. Wir wissen nicht, ob es dort imZuge des Referendums eventuell zu einem Bürgerkriegkommt. Dort ist sofortiges Handeln notwendig. Dafürbraucht man eine angemessene Finanzierung und Men-schen, die in dieser Krisenregion tätig sind. Genau dasGegenteil wird angestrebt. Das ist nicht nur bedrückend,das schadet unserem Land und auch den Menschen imSudan, die auf unsere Hilfe und unsere Unterstützungsetzen.
Alle Maßnahmen haben nur Erfolg, wenn sie aufDauer angelegt sind. Kontinuität, Verlässlichkeit undPlanungssicherheit sind ganz entscheidend, weil sie einewichtige Voraussetzung dafür sind, dass Vertrauen ent-steht. Gerade deutsche Nichtregierungsorganisationenleisten seit Jahren eine ungeheuer wertvolle Arbeit, dienun massiv gefährdet ist. Wie mir Frau Pieper noch inder vergangenen Woche geantwortet hat, sind die deut-schen Nichtregierungsorganisationen über die Kürzungs-pläne informiert. Ein Szenario, wie es nun weitergehensoll, wurde vom Auswärtigen Amt bisher jedoch nichtentwickelt. Als ich diese Antwort gelesen habe, habe ichmich gefragt, wie sich die Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter der Nichtregierungsorganisationen fühlen müssen,wenn sie so etwas lesen.
Welche Wertschätzung erleben sie eigentlich, wenn siesich mit großem Engagement und manchmal sogar unterEinsatz ihres Lebens für Frieden und MenschenrechteegvkeLSdrAsswKSFwludDSßowgntdsdcn
Dass ausgerechnet Deutschland beim Aufbau demo-ratischer Strukturen, bei der gesellschaftlichen Wieder-ingliederung von Kindersoldaten, bei der friedlichenösung des Darfur-Konfliktes, bei den Opfern vontreumunition, bei Minenopfern in Kolumbien oder beier humanitären Hilfe kürzt, schadet dem Ansehen unse-es Landes. Damit wird nicht nur ein hoffnungsvollernsatz zivilgesellschaftlichen Engagements zerstört,ondern auch das Vertrauen in die Verlässlichkeit deut-cher Außenpolitik, und das ist wirklich nicht zu verant-orten.Ein ähnliches Bild bietet sich in der auswärtigenulturpolitik, die von Willy Brandt einst als dritteäule der Außenpolitik bezeichnet wurde und unterrank-Walter Steinmeier stark, sogar gewaltig ausgebauturde. Auch hier stehen die Signale auf Halt. Mein Kol-ege Brandner hat bereits darauf hingewiesen, dass innserer globalisierten Welt Kultur- und Bildungsarbeitas Fundament einer erfolgreichen Außenpolitik sind.avon bin ich zutiefst überzeugt.
ie muss deshalb ein zentraler Bestandteil jeglicher au-enpolitischer Strategie sein.Allerdings ist das Interesse des Außenministers daranffenkundig nicht allzu groß. So werden allein die Zu-endungen an das Goethe-Institut um 8 Millionen Euroekürzt. Die Verwaltungsausgaben werden darüber hi-aus bis 2014 eingefroren.
Frau Kollegin!
Damit wird die erfolgreiche Reform der Goethe-Insti-
ute, die seit 2005 flexibler und handlungsfähiger gewor-
en sind, nachhaltig gefährdet.
Ein weiteres Beispiel kann ich jetzt nur noch nennen.
Eigentlich auch das nicht mehr.
Das ist Tarabya. Hier wird ein Kulturgut infrage ge-tellt und aufgegeben, das eine ganz wichtige Rolle fürie deutsch-türkische Zusammenarbeit spielt.
Ich fürchte, dass die Bundesregierung mit einer sol-hen Amtsführung Gefahr läuft, als verlässlicher Partnericht mehr ernst genommen zu werden.Vielen Dank.
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6098 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Edelgard Bulmahn
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Der Kollege Ruprecht Polenz hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Solange die Vertreterinnen und Vertreter der Opposition
keinen einzigen konkreten Vorschlag zum Sparen im Be-
reich des Auswärtigen Amtes vortragen, ist ihre Kritik
vergleichsweise billig.
– Er hat nicht zum Auswärtigen Amt vorgetragen.
– Doch.
Solange Sie nicht anerkennen, dass bei einer Ver-
schuldungssituation, in der sich Deutschland aufgrund
der Wirtschafts- und Finanzkrise gegenwärtig befindet,
jeder Etat eine Einsparleistung erbringen muss, werden
Sie der Verantwortung für zukünftige Generationen nicht
gerecht. Das muss man als generelle Bemerkung vor
diese Etatdebatte stellen. Sonst könnten wir alle natür-
lich kritisieren, dass da oder dort jetzt weniger Geld auf-
gewandt wird; denn jede Position, bei der gekürzt wurde,
hat einen Sinn.
Eine zweite Vorbemerkung. Frau Kollegin Bulmahn,
wenn es dadurch, dass wir ein paar Millionen Euro mehr
für den Sudan in unseren Bundeshaushalt einstellen, in
Darfur übermorgen besser wird, dann werden wir uns
schnell einig.
Sie haben mit Ihrer Kritik den Eindruck erweckt, dass
die Lösung im Sudan vor allen Dingen davon abhängig
ist, welche Mittel im deutschen Bundeshaushalt stehen.
Das ist leider nun einmal so nicht der Fall.
Herr Kollege Polenz, es gibt den Wunsch nach einer
Zwischenfrage von Herrn Brandner. Möchten Sie diese
zulassen?
Bitte schön.
Bitte schön.
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Hier geht es um eine Größenordnung von etwa
0 Millionen Euro. Das ist, insgesamt gesehen, eine
enkbar kleine Summe. Ich würde Sie bitten, zu erklä-
en, warum Sie sagen, dass es überhaupt keine konstruk-
iven Vorschläge für einen anderweitigen Ausgleich gab.
Herr Kollege Brandner, ich habe von Vorschlägen be-
üglich des Haushaltes des Auswärtigen Amtes gespro-
hen. Ich teile Ihre Sorge, dass der Anteil des Haushalts
es Auswärtigen Amtes am gesamten Bundeshaushalt,
er nach wie vor bei 1 Prozent liegt, nicht in einem an-
emessenen Verhältnis zu der Bedeutung der äußeren Si-
herheit und der Außenpolitik steht und sich auf einem
tand befindet, der niedriger als beispielsweise der der
ranzosen oder der Briten ist. Das zu klären, bedeutet
ine Diskussion darüber zu führen, welche Priorität wir
er Außenpolitik und damit auch der äußeren Sicherheit
eben und wie viel wir dafür im Verhältnis zu unseren
taatsaufgaben insgesamt aufwenden. Über diese Frage
üssten wir sicherlich auch sprechen. Der damit verbun-
ene Prozess hat spätestens nach 1990 eingesetzt und
urde seither von allen Regierungen fortgesetzt. Das
anze würde ich als Außenpolitiker natürlich immer mit
inem großen Fragezeichen versehen.
Herr Kollege Polenz, es gibt noch das Angebot einerwischenfrage des Kollegen Leutert. Möchten Sie auchiese zulassen?
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Ja, bitte schön.
Bitte schön.
Herr Kollege Polenz, ich habe zwei Fragen:
Erstens. Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass
der Etat des Außenministers im Vergleich zu 2009 über
70 Millionen Euro mehr umfasst und dass es deshalb
sehr fraglich ist, warum genau in diesen Bereichen, aus-
wärtige Kulturpolitik und Bildung, gespart wird?
Zweitens. Sie haben davon gesprochen, dass, wenn
man sparen muss, alle Bundesministerien betroffen sind
und jeder eine Bringschuld hat. Meine Frage ist: Warum
ist das Verteidigungsministerium von dieser Bringschuld
ausgenommen?
Wir werden gleich über den Etat des Verteidigungs-ministers debattieren. Auch dort gibt es Einsparungen.Der Etat des Auswärtigen Amts wird im Vergleich zumVorjahr um etwa 3 Prozent gekürzt.Natürlich kann man über die Prioritäten reden. Beiden Punkten, bei denen wir in der Zukunft einmal ge-meinsam darüber sprechen können, ob sich Einsparun-gen erzielen lassen, sind solche Änderungen allerdingsnicht von heute auf morgen möglich. Ich will Ihnen zweidieser Punkte nennen.Erster Punkt. Ich sehe im Augenblick noch nicht, dasswir aus der immer dichteren politischen Zusammenar-beit in der Europäischen Union, die mehrfach im JahrTreffen der Staats- und Regierungschefs und der Res-sortminister vorsieht, Konsequenzen für die Besetzungund die Stellenkegel in unseren EU-Botschaften ziehen.Wenn wir da etwas verändern würden, würde das nichtsofort haushaltswirksam werden, hätte in der Perspek-tive aber möglicherweise eine Bedeutung. Dabei geht esnicht darum, etwas zu kürzen, sondern darum, es ander-weitig zu verwenden.Zweiter Punkt. Mit einem Schengen-Visum könnenSie sich in allen Schengen-Staaten frei bewegen. Trotz-dem werden die Schengen-Visa in den Konsularabteilun-gen der jeweiligen Botschaften der Schengen-Länderausgestellt. Ich finde, es ist höchste Zeit, dass man sichunter den Schengen-Ländern einmal darüber unterhält,ob man nicht zu gemeinsamen Visastellen kommenkann. Möglicherweise gibt der Aufbau des EuropäischenAuswärtigen Dienstes einen zusätzlichen Impuls, wieman das lösen könnte. Auch das wäre eine strukturelleEinsparung, die allerdings nicht sofort in dem Umfangkassenwirksam wird, wie man es für dieses Jahr braucht.
Nun zurück zur Debatte, in der zu Recht ein Nachden-ken über Europa im Mittelpunkt gestanden hat. DiesenEindruck gewinne ich zumindest aufgrund einiger Bei-träge. Ich möchte hervorheben, dass Deutschland – ichgsabwambEWVgwdlWzNkDndSstzK–sglhdlmHsdgKtuddnmw
enn wir auch bei uns die Europa-Idee auf die Netto-ahlungsströme reduzieren, machen wir Europa zu einemullsummenspiel, bei dem der eine nur so viel gewinnenann, wie einem anderen weggenommen wird.
as war ein Teil dieser Diskussion.Wenn wir Gefahr laufen, eine Transferunion zu orga-isieren – das muss man denen vorhalten, die der Bun-esregierung vorgeworfen haben, zu hart auf der Euro-tabilität zu bestehen –, dann sprengen wir die Europäi-che Union von der anderen Seite. Insofern war es rich-ig, dass die Bundesregierung solidarisch zum Euro undur Euro-Stabilität gestanden hat; denn der Euro ist dielammer für die Europäische Union.Es hat sich gezeigt, dass die Hilfen für Griechenlandvon den Griechen bisher erfreulicherweise sehr kon-truktiv umgesetzt – greifen und wirksam sind. Die Be-leitmusik „Schmeißt sie doch raus!“ aber war unerträg-ich. Das möchte ich an dieser Stelle noch einmal gesagtaben.
Meine Vorredner – ich bin Herrn Krichbaum sehrankbar für die Vorschläge hinsichtlich der Verhand-ungsprozesse – haben zu Recht den Erfolg des Außen-inisters, der auch ein persönlicher Erfolg von Ihnen,err Westerwelle, war, bei der Serbien-Frage herausge-tellt. Mich wundert nicht, dass die Fraktion der Linkena nicht geklatscht hat. Sie sind mittlerweile die Einzi-en, die weiterhin von der Völkerrechtswidrigkeit derosovo-Anerkennung ausgehen, obwohl der Interna-ionale Gerichtshof inzwischen anders entschieden hatnd obwohl inzwischen auch die Serben merken, dasser Weg über Europa der beste Weg ist, um die Verbin-ung zum Kosovo weiter aufrechtzuerhalten. Sie sindun auch bereit, mit der Europäischen Union und auchit dem Kosovo konstruktiv zusammenzuarbeiten. Icharte darauf, dass Sie ebenfalls zu dieser Einsicht kom-
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6100 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Ruprecht Polenz
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men, dass sozusagen Ihr Godesberg in dieser Frage ver-kündet wird.
Lieber Herr Kollege Mützenich, Sie haben darauf ver-wiesen, wie bedeutsam die Abrüstungsfragen sind, undhaben dem Minister die taktischen Nuklearwaffen derAmerikaner auf deutschem Territorium vorgehalten undgesagt, da sei noch nichts geschehen. Wir beide wissensehr wohl, dass bei der Frage, ob wir auf dem Weg zuGlobal Zero vorankommen, das Iran-Problem viel be-deutsamer ist als das, was möglicherweise in Rheinland-Pfalz noch in irgendwelchen Bunkern liegt.Gerade bei dieser Frage war die Europäische Union inden weiteren Schritten a) geschlossen und b) mit demverschärften Sanktionsrahmen insofern erfolgreich, alser das klare Signal an den Iran gesendet hat, dass einePolitik, die nicht vernünftig mit der InternationalenAtomenergie-Organisation kooperiert und auch nicht aufdie Angebote eingeht, die die Europäische Union undauch die Amerikaner zur wirtschaftlichen, kulturellenund wissenschaftlichen Zusammenarbeit gemacht ha-ben, mit immer höheren Kosten verbunden ist.Sie haben die von den Amerikanern geplanten großenWaffenlieferungen an Saudi-Arabien und an die Golf-staaten kritisiert. Das sehe auch ich mit gemischtenGefühlen. Aber auch das gehört natürlich in diesen Kon-text. Ich glaube, in dem Moment, in dem dasNuklearproblem im Iran diplomatisch vom Tisch wäre– weil alle Welt und auch die Nachbarn sicher sein könn-ten, dass der Iran nur ein friedliches Nuklearprogrammverfolgt –, wäre auch eine Abrüstungsinitiative oder zu-mindest ein Ende des Rüstungswettlaufes im Nahen Os-ten möglich. Insofern ist eher dies die Schlüsselfrage alsder Punkt, den Sie, so wichtig auch er sicherlich seinmag, so emphatisch in den Mittelpunkt Ihrer Rede ge-stellt haben.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Annette Groth für
die Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!Für die Bundesregierung ist das Eintreten für Menschen-rechte Grundkonstante ihrer Außenpolitik. Wie siehtaber die Realität aus, verehrter Herr Kollege? An Flücht-lingen, Menschen ohne Aufenthaltsrecht und Opfern vonMenschenhandel wird die menschenrechtsfeindliche Pra-xis der deutschen Regierung besonders deutlich. Soge-nannte Illegale leben in ständiger Angst vor Abschiebung.Um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sind sie ge-zwungen, unter sklavenähnlichen Bedingungen zu arbei-ten.dndlgFBdhnpdZeütdBabiMDSwmsfhnhlhPFdzpthiTkGeBK
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6101
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mittelspekulation blüht. Die Spekulation mit Nahrungs-mitteln führt zu steigenden Preisen und ist damit fürzunehmenden Hunger verantwortlich. Sie ist ein Verbre-chen und gehört verboten.
Sehr geehrte Damen und Herren, der einzige Titel imHaushalt, in dem die Menschenrechte ausdrücklich er-wähnt werden, heißt: „Demokratisierungs- und Ausstat-tungshilfe, Maßnahmen zur Förderung der Menschen-rechte“. Ich frage Sie: Was haben die Menschenrechtemit Ausstattungshilfe zu tun?11 Millionen Euro wurden 2009 für die Ausstattungs-hilfe für ausländische Streitkräfte ausgegeben. Lediglich3 Millionen Euro standen für die Menschenrechte zurVerfügung. Nun soll der Etat für Menschenrechte – wirhaben es schon gehört – 2011 noch einmal um 50 Pro-zent gekürzt werden.Kurzum: Menschenrechte sind für die Regierungspar-teien Rhetorik, Geld gibt es dafür nicht.
Das Wort hat nun die Kollegin Erika Steinbach für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Der Kollege Krichbaum hat Serbien vorhin – ichbin überzeugt: zu Recht – dafür gelobt, dass es für dieBewältigung der schwierigen Situation in dieser Regioneinen Weg mit aufzeigt und mithilft, dass Lösungen ge-funden werden.Ich kann diesem Lob ein anderes Lob anschließen.Bereits vor einem Jahr hat die serbische Regierung einGesetz auf den Weg gebracht, gemäß dem alle geheimenGräber, in denen die von Tito Ermordeten verscharrtwurden, aufgenommen werden. Die Bevölkerung wurdeaufgerufen, dazu beizutragen, diese geheimen Gräber zufinden, damit die Menschen heute eine würdige Bestat-tung bekommen. Das ist ein deutliches Zeichen dafür,dass man das Unrecht aus jener Zeit heute nicht mehrmittragen, sondern offenlegen und die Menschen auchversöhnen will.
Ein anderer aktueller Vorgang hat mich sehr gefreut.Ich begrüße es, dass die Türkei als Mitschuldige für dieErmordung des türkisch-armenischen Journalisten HrantDink verurteilt wurde, den sie vor seiner Ermordung jawegen Beleidigung des Türkentums verurteilt hatte, wo-durch sie zu einem Klima des Hasses gegen diesen arme-nischstämmigen Mann mit beigetragen hat. Dieses Urteildes Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte istein wichtiges Zeichen der Mahnung in Richtung Türkei,was den Bereich der Religionsfreiheit und Meinungsfrei-heit anbelangt, und es war nötig.
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Diese Bundesregierung tut außerordentlich viel fürie Menschenrechte, mehr als alle Bundesregierungenuvor. Das sei einmal deutlich angemerkt, und ich be-rüße das.
Für die Politik der CDU/CSU, die sich am christli-hen Menschenbild orientiert, haben Menschenrechteine grundlegende Bedeutung. Außenpolitik ist für unsit Menschenrechten verbunden. Daher sind der Schutznd die Förderung von Menschenrechten auch einchwerpunkt christlich-liberaler Außenpolitik.Tiefe Sorge bereitet uns – das wurde auch von demollegen Mißfelder schon angesprochen – die Lage imran. Über 4 000 Verhaftungen wurden seit den Wahlenm vorigen Jahr bereits gezählt, und reformorientierte,egierungskritische Personen wurden systematisch inefängnisse gesteckt, in Schauprozessen angeklagt undum Teil zum Tode verurteilt, oder sie wurden schon zu-or, noch ehe sie verurteilt werden konnten, so gefoltert,ass sie gestorben sind.Die abstoßende Methode der Steinigung droht Frauenm Iran als Bestrafung des Ehebruchs. Der aktuelle Faller Sakine Mohammadi Aschtiani entsetzt die Menscheneltweit. Das Bild dieser Frau ist um den Globus gegan-en. Wir wissen, dass es diese Art der Todesstrafe auchn Nigeria, in Pakistan und im Sudan gibt. Dort ist Stei-igung an der Tagesordnung.Aber eines sage ich auch: Steinigung ist nur eine Me-hode der Todesstrafe. Die Todesstrafe muss weltweitbgeschafft werden,
atürlich auch in unserem befreundeten Land, in denereinigten Staaten. Ob Steinigung, elektrischer Stuhl,trang oder Giftspritze – sie gehört ganz einfach weg.
Förderprogramme zur Durchsetzung von Demokratiend Menschenrechten sind wichtig; daran besteht über-aupt kein Zweifel. Solche finanziellen Förderprogram-e können aber nur dann Wirkung entfalten, wenn das
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6102 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Erika Steinbach
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Bekenntnis zu den Menschenrechten auch in den Län-dern, in denen wir Hilfestellung geben und in denen De-fizite vorhanden sind, von oberster Ebene mitgetragenund immer wieder eingefordert wird.Ich sage: Geld alleine genügt nicht und hilft nichtnachhaltig. Man kann Menschenrechte leider nicht mitGeld kaufen. Es muss in den Köpfen implementiert sein.Dazu müssen wir durch Mahnen, durch Überzeugungund am Ende durch Miteinander beitragen.Ich bedanke mich.
Frau Kollegin, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage
des Kollegen Beck?
Nein, danke schön.
Das Wort zu einer Kurzintervention hat nun der Kol-
lege Beck.
Geschätzte Frau Kollegin Steinbach, es ist schön,
wenn wir hier wortreiche Appelle zur Abschaffung der
Todesstrafe hören. Im Menschenrechtsausschuss gab es
den Versuch, zu einer fraktionsübergreifenden gemeinsa-
men Entschließung zur weltweiten Abschaffung der To-
desstrafe zu kommen. Wir haben uns, auch in den Be-
richterstattergesprächen, auf Forderungen an diejenigen
Staaten verständigt, die die Todesstrafe noch praktizie-
ren. An den Iran sollte der Appell gerichtet werden, sich
an die Zivilpaktstandards zu halten und die Todesstrafe
entsprechend auszusetzen. Das sollte verbunden werden
mit Appellen zur Rettung ganz konkreter Menschen, die
von der Todesstrafe bedroht sind. Eine solche gemein-
same Entschließung ist maßgeblich an Ihnen gescheitert,
obwohl SPD und Grüne alle Vorschläge aus der Union
aufgenommen haben.
Sie haben gerade zu Recht gesagt, es brauche nicht
nur Geld. Vielmehr ist bei fundamentalen Menschen-
rechtsfragen auch ein gemeinsames parlamentarisches
Eintreten über die Partei- und Fraktionsgrenzen hinweg
erforderlich. In der Vergangenheit war das Tradition des
Hohen Hauses und auch Tradition des Menschenrechts-
ausschusses. Es ist maßgeblich Ihrem Verhalten zu ver-
danken, dass wir hier nicht mit einer Stimme sprechen.
Der Antrag liegt noch im Ausschuss. Ich appelliere an
die Unionsfraktion, das zu heilen. In der vorvergangenen
Wahlperiode gab es unter Rot-Grün eine gemeinsame
Entschließung des Hauses dazu. Das sollte wieder gelin-
gen.
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Frau Kollegin Steinbach, bitte.
Herr Kollege Beck, an der klaren Sprache mangelt es
ei mir in aller Regel nicht; das kann ich Ihnen sagen.
ch kann Ihnen eines zusagen: Wir sind immer bereit,
it Ihnen zu sprechen. Aber der Berichterstatter unserer
raktion, der auch über einen gemeinsamen Antrag ver-
andelt hat, hat festgestellt: Ihnen geht es primär um
anz bestimmte Einzelopfer.
ir sind für den Einsatz für alle Opfer, die von Todes-
trafe bedroht sind. Indem wir Einzelne in einem Grund-
atzantrag herausgreifen,
assen wir alle anderen in der Anonymität und schaffen
ine Hierarchisierung. Wenn man den Iran anspricht,
ann das letzte Bild der Frau, die gesteinigt werden soll,
n der Tat als plastisches Beispiel dienen. Aber wenn ein
ntrag formuliert werden soll, dann sind wir grundsätz-
ich an der Seite aller, die zum Tode verurteilt sind. Jeder
erurteilte ist einer zu viel.
Nächster Redner ist der Kollege Axel Schäfer für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ir führen keinen Wettstreit darüber durch, welche Bun-esregierung sich am meisten für die Menschenrechteingesetzt hat, vor allen Dingen dann nicht, wenn wirlle gemeinsam gegen die Todesstrafe sind. Aber einesuss an dieser Stelle erwähnt werden, wenn man auf die
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6103
Axel Schäfer
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Bundesregierungen der Vergangenheit zurückschaut:Derjenige, der wie kein anderer für Menschenrechte undFrieden steht, hat als letzter Deutscher den Friedensnobel-preis bekommen: Willy Brandt. Er war Außenministerund später Bundeskanzler. Die Menschenrechtspolitik isteine Tradition, in der die Sozialdemokratinnen und So-zialdemokraten und, hoffe ich, auch das ganze Haus ste-hen.
Der Bundesaußenminister hat Europa in den Mittel-punkt seiner Rede gestellt. Das war vom Ansatz her rich-tig. Er hat nichts dazu gesagt, wie zerstritten die eigeneKoalition in dieser Frage ist. Das ist für Deutschland ins-gesamt falsch.Ich will das an drei Punkten deutlich machen. Erstens.Es gibt heute wie nie zuvor Kompetenzstreitigkeitenzwischen dem Bundeskanzleramt und dem AuswärtigenAmt zulasten der Handlungsfähigkeit deutscher Europa-politik.
Ich führe das nicht im Detail auf. Sie alle wissen, wastäglich auf den Fluren diskutiert wird.
Das schadet unserer Position innerhalb der EuropäischenUnion.Zweitens. Man kann in der Debatte über den Euro-Rettungsschirm für Griechenland nicht die Fakten um-drehen. Weil Schwarz-Gelb sich nicht einig war, eineResolution zu verfassen, in der konkrete Fragen wie dieFinanztransaktionsteuer angesprochen werden, hat sichdie SPD zu Recht enthalten; denn es gab nicht einmaldie Möglichkeit, das zu unterschreiben, was WolfgangSchäuble vorher im Europaausschuss zugesagt hatte.Das war der konkrete Grund. Alles anderes ist Ge-schichtsklitterung.
Drittens. Herr Außenminister, Sie haben gesagt, dasswir das Thema in den europäischen Parteizusammenhän-gen und -familien diskutieren sollten. Dazu muss ich Ih-nen allerdings sagen: Was wir dazu an Debatten seitensder christdemokratischen Parteifamilie und an Regie-rungshandeln in Europa haben, liegt zum Teil in der Ver-antwortung Ihres größeren Koalitionspartners. Wir ha-ben die Situation, dass wir ständig, ohne dass darübergeredet wird, an die Grenzen des Rechtsstaates stoßen,zum Beispiel mit einer italienischen Regierung, derenwichtigster Repräsentant Christdemokrat ist. In Frank-reich ist es gerade unter einem christdemokratisch-kon-servativen Regierungschef zu einem klaren Bruch euro-päischen Rechts im Bereich der Menschenrechtegekommen, Stichwort Sinti und Roma. In den Nieder-landen will man seitens unserer christdemokratischenKollegen mit Rechtspopulisten koalieren. Gott sei DankhwtsRkbtssdkuHsdvtuhßIAOTnbKtsbskkmddksSb„m
Nächster Redner ist der Kollege Rüdiger Kruse für
ie CDU/CSU-Fraktion.
Lieber Herr Schäfer, nachdem Sie einen langen Ex-urs in die Vergangenheit unternommen haben, um einozialdemokratisches Idol auszugraben, haben Sie zumchluss an die Grenzen Europas gehen müssen, um Vor-ilder der heutigen Sozialdemokratie zu finden. Da Siechristdemokratisch“ immer so schön betont haben,öchte ich auf Folgendes hinweisen: Keine einzige Re-
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6104 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Rüdiger Kruse
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gierung hat so viel für Europa getan wie die christdemo-kratisch geführte deutsche Regierung.
Wir haben Einsatz für ein stabiles Europa, ein Europader Solidarität und ein Europa gezeigt, das einen krisen-festen Neuanfang nimmt.Da wir nun die Haushaltsdebatte führen, schadet esvielleicht nicht, wieder ein bisschen herunterzukommenund auf ein paar Zahlen zu schauen. Wir haben dasThema Kultur schon gestreift. Es ist Tradition, dass wirüber den Kulturetat zweimal diskutieren, unter anderembei den Beratungen über den Etat des Auswärtigen Am-tes. Kultur ist schließlich ein bedeutendes Thema. Vonder Summe her – Frau Krumwiede hat mit ihrem Hin-weis, dass gewisse Kulturvorgänge fast unsichtbar sind,recht – scheint das nicht der Fall zu sein. Der Etat sacktdiesmal um 2,7 Prozent ab. Nichtsdestotrotz haben wirdie Mittel in wichtigen Kernbereichen im Prinzip verste-tigt. Zum Beispiel wurden die Mittel für die deutschenSchulen im Ausland, aber auch für die Projektarbeit, diesehr empfindlich auf Schwankungen reagiert, nur um0,8 Prozent gesenkt. Es ist richtig, dass sich die Schul-denbremse auch hier auswirkt. Wir haben die Mittel fürdie institutionelle Förderung gesenkt, weil wir glauben,dass dies für einen gewissen Zeitraum vertretbar ist. Diebetroffenen Institutionen haben einen wesentlich länge-ren Atem als kleinere Projekte. Im Endergebnis geht esum 20 Millionen Euro. Bernd Neumann hat recht: MitKürzungen im Kulturbereich kann man einen Haushaltnicht sanieren. Aber natürlich sind alle Bereiche gefor-dert, einen Beitrag zu leisten.Ich möchte eine Sache aufgreifen, die von der Summeher überhaupt nicht bedeutend ist, die aber ein gewissesLicht auf die ständige Konfliktlinie zwischen Parlament,Regierung und Verwaltung wirft. Ich empfehle derStaatssekretärin Pieper, einmal ins Internet zu gehen undsich ein, zwei Folgen der alten britischen FernsehserieYes Minister anzuschauen. Dann wird sie sehen, wie essein kann, wenn Politik etwas will, was Verwaltungscheinbar nicht will. Was meine ich? Ich meine die VillaTarabya. Das ist vom Etat her kein großes Projekt. Aberdas Parlament hat sich für dieses Projekt eingesetzt. Abeiner gewissen Willensstärke des Parlaments kann auchVerwaltung so etwas nicht ignorieren. Das heißt, siemuss handeln. Manchmal wird dann zu guter Letzt ge-sagt: Jetzt machen wir, kurz bevor es so weit ist, einneues Konzept. – Zufälligerweise sind die Haushaltsbe-ratungen auf einen Termin gefallen, zu dem das Konzeptnoch nicht fertig ist. Das finden wir natürlich schade.Vielleicht kann man noch einmal insistieren; denn wenndas Parlament einen solchen Akzent setzt, erwarten wir,dass dem gefolgt wird. Wenn es Bedürfnisse gibt, das zuergänzen oder zu verändern, dann kann ich nur sagen:Herzlich gerne, aber bitte nicht so, dass wir nicht mehrdarüber beraten können. Das wäre ein Wunsch.Uns ist dieses diplomatisch-kulturelle Projekt wich-tig, weil Kultur identitätsstiftend ist, wie es BerndNeumann vorhin formuliert hat. Im Ausland ist unsereKultur unsere Visitenkarte. Sie ist quasi ein Bild, das wirvon unserem Land abgeben. Wir haben es vorhin gehört:GblwrdwMsiihtsdsdstednsgdAaadiWdmdHwfhnucdwg
Zu diesem Einzelplan liegen nun keine weiterenortmeldungen vor.Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bun-esministeriums der Verteidigung, Einzelplan 14.Als erstem Redner erteile ich das Wort Herrn Bundes-inister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg.Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg, Bun-esminister der Verteidigung:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bundes-ehr steht vor einer der größten gestalterischen Heraus-orderungen seit ihrer Gründung im Jahr 1955. Wir ste-en vor einer Reform, über die in einigen Teilen auchoch politisch zu entscheiden sein wird, und mit der wirns in diesem Jahr auch bei den Haushaltsberatungen si-her noch entsprechend befassen werden. Ich darf anieser Stelle sagen, dass es sich um eine Reform handelnird, die logisch auf mutigen Vorarbeiten und auf muti-en Schritten meiner Vorgänger aufbaut. Ich umfasse
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Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
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hierbei sowohl meinen Amtsvorgänger Franz Josef Jungals auch die Kollegen Struck, Scharping und Rühe.
Ich möchte hierfür danken, weil große und mutigeSchritte gegangen wurden. Wir bedürfen jetzt allerdingsnoch einmal eines entsprechend mutigen Schrittes. Dankauch an meine Amtsvorgänger für das, was geleistetwurde.
Diese Herausforderungen und diese Reform haben– und das ist entscheidend – zunächst einmal einesicherheitspolitische Analyse zur Grundlage. Es isteine Analyse darüber, wie sich die sicherheitspolitischenHerausforderungen der Gegenwart und der Zukunft dar-stellen werden. Aufbauend auf diese Analyse gibt esletztlich auch ein formuliertes Aufgabenspektrum. Alldas hat in den letzten Wochen der Generalinspekteur derBundeswehr zu Papier gebracht, und ich glaube, er hateine sehr breite, eine sehr tiefgehende und eine letztlichsehr plausible Analyse vorgelegt, die die Grundlage fürdie kommenden Schritte darstellen und bieten soll. HerrGeneralinspekteur, Sie sind heute hier. Ihnen, IhrerMannschaft und jenen, die mitgewirkt haben, sage ichauch von meiner Seite aus Danke für diese intensivenund guten Arbeiten.
Neben dieser Analyse, neben dem Aufgabenspek-trum, das daraus erwächst, gab es in diesem Jahr einevon mir angewiesene Defizitanalyse, die deutlich ge-macht hat, wo wir mit Blick auf unsere Strukturen nochNachbesserungs- und Verbesserungsbedarf haben. Alldas bildet die Grundlage dessen, weshalb Entschei-dungsbedarf gegeben ist. Ich habe schon oft betont, dasswir dringenden Entscheidungsbedarf haben. Ich würdemich freuen, wenn wir diese nächsten Schritte auch ineinem parteiübergreifenden und gemeinsamen Vorgehengestalten könnten, weil ich den Eindruck habe, dass wir– bis auf die eine oder andere Ausnahme – mit unserenGrundüberlegungen nicht so weit auseinanderliegen.
– Herr Gehrcke, Ihre Position ist klar. Sie bilden dieAusnahme, die ich jetzt betonen durfte.
Ich glaube aber, dass wir bei vielen Punkten sehr nahebeieinanderliegen und eine gute Basis dafür haben, zueinem gemeinsamen Ergebnis zu kommen. Dieser Punktwäre in meinen Augen sehr erfreulich. Das wäre dieGrundlage dafür, dass nicht nur unserer Truppe mitBlick auf ihre künftigen Einsätze, sondern auch unserenzivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ebensowie die Soldaten in den letzten Jahren unglaublich flexi-bel und mit hoher Motivation und Professionalität aufStrukturdefizite reagieren mussten, eine Perspektive ge-gtdlIaruugurimtnavsfbAtidtDigAdrsBsdwguwfzdmHdtrdsjldg
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Grenzen, wenn das Aufgabenspektrum, das formuliertwurde, nicht mehr erfüllt werden kann. Das Aufgaben-spektrum umfasst die Notwendigkeit, weiterhin vollbündnisfähig zu sein und weiterhin sowohl innerhalb derNATO als auch innerhalb der Europäischen Union eineführende Rolle wahrnehmen zu können. Es umfasst auchdie Notwendigkeit – ganz wichtig – des Schutzes unsererHeimat dort, wo es verlangt ist, und dort, wo wir daraufzurückgreifen wollen. Es umfasst aber auch das breiteSzenario dessen, was heute in Auslandseinsätzen gefor-dert ist und dort künftig gefordert sein kann. Es sind sehrviele sehr unterschiedliche Szenarien, die hier abgefor-dert werden können. Gerade auch in dieser Hinsichtmüssen wir planen.Auf der Grundlage dieses Ansatzes kamen wir zu un-terschiedlichen Modellen und haben nunmehr auch ausSicht des Ministeriums eine Empfehlung für ein Modellabgegeben, das von einer Zielgröße von mindestens163 500 Soldatinnen und Soldaten ausgeht.
Dieser Ansatz bietet gerade noch ein geeignetes Fähig-keitsprofil und wird den heutigen wie den künftigen si-cherheitspolitischen Herausforderungen durch eine hö-here Einsatzfähigkeit besser gerecht.Das ist der absolute Mindestumfang. Er darf nichtgeringer und er kann durchaus höher ausfallen, wenn ichdas so sagen darf. Das wird im Einzelnen noch festzule-gen sein. Das ist natürlich auch Gegenstand der parla-mentarischen Beratungen und der Abstimmungen. Ichbin alles andere als undankbar für die vielen Hinweise,die ich in dieser Richtung schon bekommen habe. Esgibt viele, die sich entsprechend eingebracht haben.Danke auch für die Begleitung in den letzten Wochenund Monaten durch die Fachpolitiker, durch die Frak-tionsvorsitzenden und auch durch die Berichterstatter imHaushaltsausschuss, die mit Blick auf die künftigen Ge-staltungen sicher vor keiner einfachen Aufgabe stehen.Mit der Reduzierung, aber nicht nur deswegen, stelltsich auch die Frage nach der Wehrform. Das ist eine derFragen, über die wir derzeit am intensivsten debattieren,wobei es eine logische Folgefrage aus den Strukturüber-legungen ist, die wir gerade angehen. Manchmal hat mandas Gefühl, dass es in der Diskussion eher schon umge-kehrt ist. Aber es ist so, dass die Wehrform in untrennba-rem Zusammenhang mit dem Auftrag, mit dem Umfangund mit den Strukturen steht. Genau um diesen Zusam-menhang geht es. Es ist bereits heute so, dass wir nachunserem politischen Konsens keine Wehrpflichtigenmehr in die Einsatzszenarien schicken, die sich heutebieten. Das ist ein Konsens, der gebildet wurde.Es lohnt sich gelegentlich ein Blick zurück. Obwohlwir in den beiden letzten Jahrzehnten die Streitkräfte– ausgehend von annähernd einmal 500 000 Soldaten –nahezu halbiert haben, ist die Anzahl der Berufs- undZeitsoldaten nahezu gleich geblieben. Heute leisten al-lerdings weniger als 17 Prozent eines Jahrgangs ihrenGrundwehrdienst ab. Vor zehn Jahren waren es noch40 Prozent. In den frühen 80er-Jahren waren es fast6fsGAnsmtsAWsMeakuGeanpteFWdDidtwvtatgsCEaZmmsajr
ine sicherheitspolitische Begründung zu geben. Dierage ist ja: Ist für den einzelnen Wehrpflichtigen oderehrdienenden auch sicherheitspolitisch der Maßstab,en die Verfassung uns letztlich abverlangt, erfüllt?iese Begründung können wir bereits heute nicht mehrn dem Maße geben.Deswegen und auch vor dem Hintergrund dessen,ass das Regenerationsargument heute nicht mehr sorägt, wie es einmal getragen hat, ist es in unserer Verant-ortung, zu sagen: Wir wollen uns nicht in eine Mängel-erwaltung hineinbegeben, sondern wir sehen den Auf-rag, zu gestalten – im Sinne der jungen Menschen, aberuch im Sinne der Bundeswehr. Diesen Gestaltungsauf-rag sollten wir annehmen.
Das heißt aber auch, dass wir uns bei einigen wichti-en Fragen, die auch im Kontext mit der Wehrpflicht zuehen sind, nicht einfach bequem zu Hause auf dieouch legen können. Das gilt etwa für unvorhersehbarereignisse wie zum Beispiel Naturkatastrophen und fürlles, was mit der zivil-militärischen Zusammenarbeit inusammenhang steht. Hier müssen wir kluge Vorschlägeachen. Das wird geschehen; denn diese werden wir ge-einsam mit vielen anderen ausarbeiten.Wir brauchen einen zeitgemäß organisierten Heimat-chutz. Das bleibt ungemein wichtig. Das verlangt aberuch professionell aufgestellte Streitkräfte und mehr denne gut ausgebildete und motivierte Reservisten. Auch da-auf möchte ich hinweisen. Deswegen ist es wichtig, diese
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Bundesminister Dr. Karl-Theodor Freiherr zu Guttenberg
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entsprechend ihrer wachsenden Verantwortung in einneues Konzept einzubinden. Ich glaube sogar, dass dasein wesentlicher Bestandteil der Neuausrichtung seinmuss. Die Größenordnung jährlich ausscheidender Zeit-soldaten und ein kluges Reservistenkonzept sichern zu-dem auch die hinreichende Aufwuchsfähigkeit, die wirletztlich brauchen.
Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. – All das, ver-bunden mit einer gewissen Attraktivität, muss Bestandteilder Neuausrichtung sein. Zugleich muss es natürlich imrealistischen Einklang mit den Erfordernissen des Haus-haltes stehen. Die wichtige und entscheidende Frage füruns ist aber in jedem Fall, was uns künftig die Sicherheitunseres Landes wert ist. Es darf also nicht allein um dieFrage gehen, was wir uns noch leisten können. Die sicher-heitspolitische Grundlage ist das Maßgebliche. Daraufaufbauend wollen wir in die Diskussionen und Debattendieses Herbstes gehen. Ich würde mich freuen, wenn wirparteiübergreifend zu Lösungen kommen würden.Ich bedanke mich für die Unterstützung in den letztenWochen. Ich glaube, wir werden im Sinne unsererTruppe und im Sinne unserer Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter ein erstklassiges Ergebnis finden.Herzlichen Dank.
Für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Rainer
Arnold.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister, Sie haben am Anfang Ihrer heutigen Redeeinen neuen Aspekt gebracht: Sie haben anerkannt, dassIhre Vorgänger auch schon wichtige Reformen gemachthaben. Bisher haben Sie je nach Publikum immer eher sogeredet, als ob Sie derjenige wären, der das Rad erfun-den hat.
Ich darf Ihnen vielleicht noch sagen: Jeder Fachpoliti-ker wusste, dass nach Erreichen der Zielstruktur des Jah-res 2010 im Jahr 2011 selbstverständlich weitere Trans-formationsschritte anstehen.
Es gibt aber diesbezüglich einen Unterschied zu IhrenVorgängern, Herr Minister. Alle Ihre Vorgänger haben inder Vergangenheit vor notwendigen Reformschritten sorg-fältige sicherheitspolitische Analysen durchgeführt.Sie haben daraus den Auftrag für die Bundeswehr defi-niert und daraus die notwendige Struktur abgeleitet. UndwhvcnunGnInsnsSfddaEowwzSdurmSghzpenoGgfwuavmlAl
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Minister, die sicherheitspolitische Bewertung verändertsich doch nicht zwischen Frühjahr 2010 und Herbst2011. Es gibt nur eine Veränderung, nämlich den Spar-druck in den Haushaltsberatungen. Es ist ganz klar: DieWehrpflicht in der bisherigen Form steht einer, wie auchwir meinen, möglichen und auch notwendigen Verklei-nerung der Bundeswehr schlicht im Wege. Deshalb istes auch nicht Ihr Verdienst, dass es diese Debatte gibt.Es ist auch nicht Ihr Verdienst, dass Herr Seehofer amEnde – das kennen wir von ihm – seine Meinung geän-dert hat. All die Damen und Herren haben gemerkt, es istdie Macht des Faktischen, dass man bei der Wehrpflichtnicht einfach so weitermachen kann wie in der Vergan-genheit. Sozialdemokraten sagen dies seit drei Jahren.Wir haben diese Entwicklung unaufhaltsam auf uns zu-kommen sehen. Deshalb haben wir schon damals dieIdee entwickelt, dass wir, wenn es die Wehrpflicht nichtmehr gibt, junge Menschen bei der Truppe brauchen, diefreiwillig ihren Grundwehrdienst leisten. Das hat nichtsmit dem alten Argument zu tun, die Bundeswehr bedürfedieser Kontrolle.Mich hat sehr beeindruckt, was die französische Ver-teidigungsministerin bei uns im Verteidigungsausschussgeantwortet hat, als wir sie gefragt haben, welche Wir-kung die Abschaffung der Wehrpflicht in Frankreich ge-habt hat. Sie sagte sinngemäß, dass sich seither nicht diefranzösische Armee von der Gesellschaft entfernt hat,dass sie aber beobachtet, dass sich die Gesellschaft vonder Armee entfernt.Wir alle wissen, dass die Bundesrepublik eine andereKultur im Umgang mit dem Militärischen hat. Das istein sehr wichtiges Argument. Deswegen ist die Idee derFreiwilligkeit gut. Sie nähern sich jetzt in Trippelschrit-ten unserer Idee an. Das begrüßen wir. Aber was not-wendig wäre, fehlt. Sie schaffen zwar verzagt mit demRechenstift 7 500 Plätze für Freiwillige und begründendies damit, dass man soundso viele Soldaten zur Nach-wuchsgewinnung braucht. Trotzdem fehlt bei Ihnen derentscheidende Schritt: Es ist nicht nur ein Projekt für dieBundeswehr mit 7 500 Freiwilligen. Hinter unserer Ideesteckt ein breites gesellschaftspolitisches Konzept derStärkung und des Attraktivermachens der Freiwilligen-dienste für junge Menschen, sowohl materiell als auchideell und in der gesamten gesellschaftlichen Breite.Hierzu gibt es viele Ideen. Unser Angebot, HerrMinister, bleibt: Wir sind bereit, uns bei diesem gesell-schaftlichen Projekt, um das es im Kern geht, mit unse-ren Ideen auch in Zukunft einzubringen. Ich weiß auch,dass wir das eine oder andere Detail, über das wir vordrei Jahren in der Sozialdemokratie diskutiert haben,heute selbstverständlich an der einen oder anderen Stellenachjustieren müssen.Herr Minister, wir erwarten von Ihnen mit Blick aufdie Bundeswehrstruktur – das ist der nächste Punkt –,dass Sie die Sicherheitsinteressen unseres Landes ernstnehmen und dass Sie der Öffentlichkeit und dem Deut-schen Bundestag ein schlüssiges Modell präsentieren,das der Verantwortung Deutschlands und den wohlver-standenen deutschen Interessen in der Welt gerecht wird.üeSzaptsbvswtrndnvMw„WurPNwHdkgsldNFSNsHSmMRg
atürlich würde es Spaß machen, der Frage nachzugehen,oher das kommt. Kommt es von politisch qualifiziertemandeln, oder ist es eher der medialen Inszenierung, beier die Truppe bei Ihnen manchmal auch Staffage und De-oration ist, geschuldet? Ich will dieser Frage nicht nach-ehen. Aber eine andere Frage möchte ich Ihnen dochtellen: Was macht ein Minister, der so populär ist, eigent-ich mit seiner Popularität? Wo bringt er das Gewicht,as ihm seine Popularität verschafft, auch tatsächlich zumutzen der Soldaten ein?
Sie sind Klassenprimus, was das Sparen angeht, beiminanzminister. Der erste Sündenfall war W6. Der zweiteündenfall war, dass Sie, ohne einen Piep zu sagen, deracht-und-Nebel-Streichaktion Ihrer Haushälter zuge-timmt haben, die Ihnen 456 Millionen Euro aus demaushalt genommen haben mit der Folge, dass sich dieoldaten jetzt wundern, dass das Geld bei den Betriebs-itteln so knapp ist.Sie haben den dritten Sündenfall begangen, Herrinister, indem Sie bei Ihrer so bedeutenden Hamburgerede gesagt haben: Der höchste Parameter für die strate-ische Ausrichtung der Bundeswehr ist die Schulden-
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Rainer Arnold
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bremse, und der Finanzrahmen wird den strukturellenRahmen und den eigenen Anspruch vorgeben. Das wa-ren Ihre Worte in Hamburg. Heute reden Sie wieder ganzanders. Ich weiß nicht, was stimmt. Aber eines weiß ich:Wer dem Finanzminister – egal was für ein Parteibuch erhat – einen solchen Ball zuspielt, der darf sich nichtwundern, dass der Finanzminister diesen Ball sehr dank-bar annimmt.
Damit mich niemand falsch versteht: Auch Sozialde-mokraten wissen, dass man auch bei der Bundeswehrsparen muss, dass es dort Effizienzreserven gibt, dass esDoppelungen gibt, dass es Schwächen in der Führungs-struktur gibt. Wir sind auch bereit, darüber mit Ihnen zureden. Wir werden aber bei den Debatten in den nächstenWochen auf ein paar Punkte in besonderer Weise achten.Auf dem Weg zu dieser neuen Struktur werden wirdarauf drängen, dass die Zusagen, die Deutschland deninternationalen Organisationen gegeben hat, stringenteingehalten werden. Es reicht nicht, dass Frau Merkelund Herr Westerwelle nach New York fahren, wenn dieBundeswehr nicht mehr in der Lage ist, die Zusage,1 000 Mann für besondere Aufgaben der Vereinten Na-tionen zur Verfügung zu stellen, einzuhalten.Wir werden einfordern, dass es nicht nur eine Debatteüber die Bundeswehrstruktur und diesen vernetzten An-satz in Sonntagsreden gibt, sondern dass wir auch einmaldarüber reden, was wir eigentlich tun, nachdem wir wis-sen, dass internationale Krisenbewältigung nicht nur Sol-daten, sondern auch viele zivile Fähigkeiten braucht. Wastut die Bundesrepublik eigentlich im Bereich der Zurver-fügungstellung von Polizeifähigkeiten für internationaleKrisen? All dies fehlt.Wir werden darauf achten, dass es nicht nur eine Ein-satzarmee ist, sondern dass es weiterhin glaubhafte Bau-steine zur Bündnisfähigkeit gibt; denn wir haben eineeuropäische Vision von Streitkräften. Diese europäischeVision wird nur erreicht werden, wenn das größte undwirtschaftsstärkste Land in Europa Vertrauen bei denkleinen Partnern, vor allen Dingen in Osteuropa, findet.Nur dann, wenn die Osteuropäer wissen, die Deutschensind bereit, mit ihrem Gewicht und ihren Möglichkeitenfür die gemeinsame Sicherheit einzutreten, werden wirtatsächlich eine Chance haben, weitere Schritte hin zurVision einer europäischen Armee zu gehen. Im Übrigenwerden wir nur so die Chance erhalten, in Europa zuweiteren Abrüstungsschritten zu kommen; denn dies hatauch etwas mit Vertrauen in eigene Fähigkeiten zu tun.Zum Ende möchte ich sagen, was bei der Bundeswehrbesonders wichtig ist – eigentlich hätte ich es an den An-fang meiner Rede stellen sollen –: der Mensch. Wichtigsind nicht Technik, nicht Waffen; wichtig ist, was dieMenschen leisten, ihre Motivation, ihr Verantwortungs-bewusstsein, ihre Moral, ihr Verständnis vom Staatsbür-ger in Uniform, das Leben der Prinzipien der InnerenFührung. Dazu gehört auch: Wir werden alles verhin-dern, was dazu führt, dass die deutschen Soldaten struk-turell bedingt länger als vier Monate in den Auslands-einsatz müssen. Dies würde sie aus ihrem sozialenGdAmsrSuSSfsdgtMddfHrSgFlFWegWwSpds1wdks
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Minister, Sie haben von der großen Herausforde-ung gesprochen, vor der wir jetzt stehen. Das ist richtig.ie haben vom Mut auch Ihrer Vorgänger gesprochen. Esab jemanden, der besonders viel Mut hatte: Das war diereie Demokratische Partei. Wir haben nämlich seit vie-en Jahren gefordert, dass aus unserer Bundeswehr einereiwilligenarmee wird.
ir haben uns das nicht leicht gemacht; wir haben sogarinen Sonderparteitag veranstaltet und unter den Mit-liedern darüber abgestimmt. Das war ein schwierigereg.Herr Minister, insofern habe ich Verständnis dafür,enn es bei Ihnen in der Fraktion, bei CDU und CSU,timmen gibt, die sich für die Beibehaltung der Wehr-flicht aussprechen. Man muss natürlich sagen: Wer fürie Wehrpflicht ist, müsste sich für eine Wehrpflicht aus-prechen, die nicht 6 oder 9 Monate dauert, sondern8 Monate oder länger; denn dann macht sie Sinn. Dasill aber keiner mehr. Respekt, dass Sie die Mitgliederer Fraktion der CDU/CSU überzeugt haben! Vielleichtönnen Sie mir bei Gelegenheit sagen, wie Sie es ge-chafft haben, Herrn Seehofer zu überzeugen.
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Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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Aber alle Achtung: Sie haben es geschafft! Dafür Res-pekt und Anerkennung!
Nun kommt der Kollege Arnold und beklagt sich.Dazu muss ich sagen: Ich hätte gerne gehört – die Öf-fentlichkeit wäre sehr interessiert gewesen –, wie die Al-ternative der Sozialdemokraten aussieht. Sie kommendann und sagen – da wird es nebelig –: Wir Sozialdemo-kraten haben vor drei Jahren etwas beschlossen. Warumhaben Sie es nicht früher umgesetzt?
Sie haben doch regiert.
– Nein, nein. Sie waren doch vorher in einer Koalitionmit den Grünen. Die Grünen waren zumindest für dieAussetzung der Wehrpflicht oder gar für ihre Abschaf-fung. Da haben Sie sich doch stur geweigert.
Nun kommen Sie und werfen uns vor, es gäbe nochkeine Ergebnisse von irgendeiner Kommission. Sie sit-zen schon seit ein paar Jahren im Verteidigungsaus-schuss. Ich habe auch im Verteidigungsausschuss ange-fangen.
Da müssten Sie eigentlich die Ergebnisse der Unabhän-gigen Kommission kennen, die auf Wunsch der FreienDemokraten eingesetzt wurde. Das Ergebnis war da-mals:Sollte jedoch die Reduzierung der Streitkräfte aufunter 370 000 erforderlich werden, stellt sich dieFrage der Wehrform neu. Die Option Freiwilligen-armee sollte dann ernsthaft geprüft werden.
Das kannten Sie doch. Sie waren in der Regierung undhätten es machen können.
Ich könnte weitere Zitate anbringen. Sie haben nichts ge-tan und sich stur geweigert. Sie waren zu Reformennicht bereit.Ich sage das, weil etwas Ähnliches vorhin bei der Dis-kussion über den Bereich des Auswärtigen eine Rollespielte. Der Kollege Kindler hat gesagt: Wir als Grünehaben uns nicht durchsetzen können.GFsn–rsTmDtal–vSFbHgdgBcDhshwlehdtegg
Dazu kann ich Ihnen gerne etwas bei der Abschluss-unde am Freitag sagen.
Zu einem anderen Punkt. Wenn Sie mich schon an-prechen: Was habe ich denn von den Grünen in diesenagen gelesen? Die großen Beschaffungsmaßnahmenüssten auf den Prüfstand.
as finde ich wunderbar. Wissen Sie, was wir abarbei-en? Wir arbeiten die großen Beschaffungsmaßnahmenb, die uns Rot und Grün eingebrockt haben und die Mil-iarden kosten. MEADS wurde von Ihnen beschlossen.
Herr Kollege Bonde, ich lege Ihnen gerne die Anträgeor: Der Deutsche Bundestag hat mit den Stimmen vonPD und Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU undDP die Bestellung von 90 Transportflugzeugen A400Meschlossen.
err Struck hat die Zahl auf 60 gesenkt. Wir mussten so-ar vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, weil Sieas am Parlament vorbei machen wollten. Wir haben ge-en den damaligen Verteidigungsminister obsiegt. Derundesrechnungshof hat damals schon gesagt: 40 rei-hen. – Was ist mit den anderen? Was ist mit Herkules?as war ein Milliardengrab. Das Ergebnis war null. Werat das damals beschlossen? Wir haben es nicht be-chlossen. Sie haben es beschlossen, Rot und Grün. Sieaben Milliarden in den Sand gesetzt, die der Bundes-ehr gefehlt haben.
Kollege Arnold, Sie sprechen davon, dass wir bei dentzten Haushaltsberatungen Streichungen vorgenommenaben. Wissen Sie, wann die größte Streichorgie stattgefun-en hat? Das war, als der sozialdemokratische Finanzminis-r entgegen dem Wahlversprechen die Mehrwertsteuer an-ehoben hat. Das hat die Bundeswehr 700 Millionenekostet.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6111
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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Das war die größte Streichaktion.Ich finde, Herr Kollege Arnold, Sie haben die Chanceverpasst. Es gibt nämlich bei der Bundeswehr große Pro-bleme, die wir lösen müssen. Ich greife eines heraus: dasSanitätswesen. Das bereitet mir große Sorgen. Nachdemich Anfragen an das Verteidigungsministerium gestellthabe, muss ich feststellen, dass uns eine Vielzahl, meh-rere Hundert, Sanitätsoffiziere fehlen, die in kürzesterZeit den Dienst quittiert haben. Mitarbeiter der vier Bun-deswehrkrankenhäuser haben 40 000 Überstunden ange-sammelt. Ich könnte diese Liste fortsetzen. Wir müssenuns in den Haushaltsberatungen dieser Sache annehmen.Das kann so nicht mehr weitergehen. Wir sind es unserenSoldaten schuldig, dass wir uns darum kümmern.
– Herr Kollege Kahrs darf das, weil er heute Geburtstaghat und ich ihm herzlich gratuliere.
Herr Kahrs, bitte sehr.
Ich danke für das erteilte Wort. – Wenn das alles so
tragisch ist, dann frage ich mich, warum du alleine, auch
gegen die CDU/CSU, die Kürzung in Höhe von 450 Mil-
lionen Euro beim diesjährigen Etat der Bundeswehr
durchgesetzt hast; denn das Geld fehlt doch jetzt.
Das will ich gerne beantworten. Wir haben in den Berei-
chen Kürzungen vorgenommen, in denen wir festgestellt
haben, dass im Etat zuvor die Mittel nicht abgeflossen sind.
Ich bin für Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit; das
heißt, wenn das Verteidigungsministerium meint, dass
die Mittel knapp sind, dann muss man mit uns darüber
reden. Ich könnte viele Beispiele nennen, das erlaubt mir
die Zeit aber nicht; denn die Uhr läuft.
Ich weiß.
Aber ich erkläre dir das gerne. Du bist ja Experte im
Bereich des Haushalts des Verteidigungsministeriums,
wie man allgemein weiß und auch in der Zeitung lesen
kann.
Wenn die Mittel nicht abfließen und ich als Haushälter
weiß, dass sie auch in diesem Jahr nicht abfließen wer-
den, dann kann ich die Kosten reduzieren. Wir haben
auch Steigerungen vorgenommen. Ich zeige es dir gern.
Ich weiß, dass du auch in den letzten Haushaltsberatun-
gen diese Frage immer gestellt hast. Sie wird dadurch
aber nicht besser.
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6112 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es istfolgerichtig, dass wir hier nicht über einzelne Etatpostenim Einzelplan reden, sondern über die geplante Reformder Streitkräfte, also über die Zukunft der Bundeswehr –nicht mehr und nicht weniger.Fragt man die Leute, so sagen 82 Prozent, bei derRüstung könnte und sollte angesichts der Haushalts-schwierigkeiten gespart werden. Eine seit langem stabileMehrheit von deutlich über 60 Prozent erklärt, dass dieBundeswehr schnellstens aus Afghanistan abgezogenwerden müsste. Ja, so klug sind die Leute.
Ich finde es auch interessant, dass die neueste Shell-Jugendstudie herausgefunden hat, dass die Mehrheit derJugendlichen, die befragt worden sind – das ist ein gro-ßer Unterschied zu früher –, gegen die Auslandseinsätzeist. Auch hier hat sich etwas verändert.
Dass die Mehrheit der Bevölkerung bei den Rüs-tungsausgaben kürzen will, zeigt, dass sich diese Mehr-heit nicht mehr einer akuten Gefahr ausgesetzt sieht. An-ders kann man das nicht erklären. Das deckt sich auchmit Ihrer sicherheitspolitischen Aussage: Deutschland istauf absehbare Zeit nicht militärisch bedroht.Unter dieser Voraussetzung sagt die überwältigendeMehrheit, dass wir uns einen Wehretat von mehr als34 Milliarden Euro nach NATO-Kriterien nicht längerleisten können und wir das Geld an anderer Stelle drin-gender benötigen. Auch das sagen die Leute deutlich.Für mehr Kita-Plätze, für eine vernünftige sozialeGrundsicherung und den Ausbau des öffentlichen Perso-nennahverkehrs soll das Geld ausgegeben werden, sagtdie Mehrheit der Bevölkerung, und das ist vernünftig.
Die Mehrheit für den Abzug aus Afghanistan ist da-mit zu erklären, dass die Leute sehen, dass dort etwasgrundsätzlich schiefgelaufen ist. Sie wollen nicht, dasswir und nicht zuletzt unsere Soldatinnen und Soldatenimmer tiefer in den Morast eines Krieges gezogen wer-den, der nicht zu gewinnen ist.Ich finde, beides sind vernünftige Positionen. Das isteine Messlatte für die Bundeswehrplanung, für die Re-form der Streitkräfte. Rüsten Sie kräftig ab, oder tun Siees nicht? Beenden Sie diese militärischen Abenteueroder nicht? Das sind die Grundfragen.
Für uns geht es in dieser Debatte tatsächlich darum:Soll nur das Bestehende effektiviert und optimiert wer-den, oder soll eine neue Grundrichtung eingeschlagenwerden? Die Linke will, dass es eine andere Sicherheits-politik gibt, die darauf setzt, dass wir uns an keinen Krie-gen in der Welt beteiligen, dass wir uns NATO-Militärin-terventionen verweigern, dass wir Ernst machen mitKonzepten ziviler Krisenvorbeugung und wir durch Ab-rwhswSdbsmjoltDgggdlsgddjdUkIrkIsVRiADrvdmtZstsdpe
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6113
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Brei herum. Die Grünen haben Afghanistan fest imBlick und wollen vom Einsatz her denken. Da bleibtnicht mehr viel Kritik. Die SPD wirft der Regierung vor,diese verordne der Truppe ein Spardiktat, das in diesemMaße nicht gerechtfertigt sei. Nach dem Motto – Sie, lie-ber Kollege Arnold, haben es an anderer Adresse er-wähnt – „Darf’s ein bisschen mehr sein?“ wollen Siebeim Personalumfang und bei den Rüstungsausgabenden Minister Guttenberg noch toppen und ihn dazu brin-gen, wieder etwas draufzupacken. An der Musterungwollen Sie sogar festhalten. Ich sehe mich in einer ver-kehrten Welt. Wo aber wollen Sie eigentlich hin?
Ich finde, es wird Zeit, dass sich die Parteien, die unsden Militärinterventionismus mit dem SündenfallKosovo eingebrockt haben, neu besinnen und auf eineBeendigung der NATO-Militäreinsätze drängen.
Für die Linke besteht kein Zweifel: Deutschlandbraucht eine andere, eine friedlichere Außen- und Si-cherheitspolitik. Wir schlagen dazu Folgendes vor.Erstens. Keine deutsche Beteiligung an Auslands-kriegseinsätzen. Gerade Afghanistan hat gezeigt, wieschwer oder unmöglich es ist, wenn man erst einmal inder Gewaltspirale ist, dort wieder herauszukommen.Wenn man sich auf so etwas einstellen will, heißt das: Eswerden enorme Ressourcen verschlungen, für U-Boote,Fregatten oder Langstreckenflugzeuge, die wir uns spa-ren sollten.Zweitens. Tiefgreifende Abrüstung ohne Sicher-heitseinbußen ist möglich. Das muss jetzt energisch vo-rangebracht werden. Die Bundeswehrführung hat esgerade noch einmal bestätigt: Eine unmittelbare Bedro-hungslage existiert nicht. Daher ist eine erhebliche Ver-kleinerung der Bundeswehr, ist der Verzicht auf eineReihe von Waffensystemen ohne Sicherheitseinbußenmöglich. Dadurch werden sogar Mittel frei für eine Au-ßen- und Sicherheitspolitik mit friedlichen und zivilenInstrumenten, die eine tragfähige Entwicklung in ande-ren Regionen der Welt ermöglichen und damit unter demStrich unsere Sicherheit erhöhen.
Die atomare Abrüstung – das sagen alle – steht mehrdenn je auf der Tagesordnung. Leisten wir doch unserenBeitrag zu Global Zero, indem wir mit der Null hier inDeutschland anfangen und die nukleare Teilhabe endlichauf den Müllhaufen der Geschichte werfen! Das wärenötig.
Dann kann man auch das Luftgeschwader der Bundes-wehr, das diese Terrorwaffen ans Ziel bringen soll, auf-lösen.Drittens. Das Grundgesetz stellt fest, dass der BundStreitkräfte zum Zweck der Verteidigung aufstellt. Wirwollen, dass man sich auf die Landesverteidigung imBddErMdkGssemeAmdawbMRbbrtdbbzkvdveuagSptmsihPmnz
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brauchen wir bei diesen Großprojekten einen hundert-prozentigen Ausgabenstopp. Die Zeit der Alimentierungder deutschen Rüstungsindustrie muss endlich vorbeisein.Vielen Dank.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun
der Kollege Alexander Bonde.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die vergangenen Auseinandersetzungen über den Bun-deswehretat haben wir noch gut in Erinnerung. Sie fan-den zu Beginn dieses Jahres statt. Schon damals habe ichdarauf hingewiesen, dass es eine Verschwendung ist,knappe Ressourcen fortdauernd in sicherheitspolitischnicht mehr zu begründende Strukturen zu stecken. Au-ßerdem haben wir Grüne darauf hingewiesen, dass derErhalt des Grundwehrdienstes zu einem erheblichenfinanziellen Mehrbedarf führt, der nicht mit einem si-cherheitspolitischen Mehrwert verbunden ist.Das Neue an dieser Debatte ist, dass diese zwei Sätzenicht mehr von mir stammen, sondern vom General-inspekteur, und keine wütenden Proteste der Union undder FDP mehr hervorrufen, sondern Teil dessen sind,was Sie uns heute als neue Erkenntnisse vorgestellt ha-ben.Die spannende Frage ist, woraus diese Wende resul-tiert. Das werden wir heute nicht erörtern. Wir könnenIhnen aber sagen: Wir sind froh, dass Sie sich endlichaus der Verweigerungshaltung herausbegeben und er-kannt haben, dass sich auch die Bundeswehr der Frageeines effizienten Mitteleinsatzes stellt und stellen muss.Wir sind dabei an einem spannenden Punkt, weil Sieüber die Ankündigung bisher noch nicht hinaus sind. Siehaben heute ein Modell vorgestellt – mit 163 500 Solda-ten – und sind gleich wieder zurückgerudert mit der An-sage: Es dürfen auch gerne noch mehr werden. – Im Ver-teidigungsausschuss haben wir einen Wettbewerb vonCDU und SPD erlebt hinsichtlich der Frage, wie vielmehr es noch werden dürfen. Ich bin gespannt, ob Sie indiesem Wettbewerb der Volksparteien zum Schlusswirklich noch etwas reduzieren, wenn es Ihnen darum zugehen scheint: Wer bietet eigentlich mehr Soldatinnenund Soldaten?
Sie wissen auch, dass Sie bei der Effizienz noch nichtda angekommen sind, wo Sie anzukommen versprochenhaben. Sie haben den Verteidigungsetat jetzt der Spar-frage unterworfen. Sie haben angekündigt – das bringtder Finanzplan zum Ausdruck, den wir heute mit beraten –,dass Sie bis 2014 in der Lage sein werden, dem Finanz-minister 4,7 Milliarden Euro an Einsparungen im Jahr zuliefern.Ihr Sparbeitrag für dieses Jahr ist, dass Sie laut Haus-halt 1 Milliarde Euro mehr brauchen. Selbst Ihr optimis-t2gzsuRnsgNSlKmrBbFIhWmAtenSsshWznTrSnsjeGgst
ch weiß nicht, welchen Kontakt Sie bei der Musterungatten. Ich kann nur sagen: Das Kommando „Hinter dieand und jetzt bitte husten!“ hat die Bundeswehr fürich nicht attraktiver gemacht, Kollege Bartels.
ber geschenkt.Die entscheidende Frage ist: Kommt die Reform jetztatsächlich auf den Weg? Sie haben sicherheitspolitischinen weiten Weg zurückgelegt, den Sie strukturell nochicht unterfüttert haben. Eine Nagelprobe wird sein, wieie mit den Rüstungsbeschaffungen umgehen, diechon heute nicht mehr in die Finanzlinie zu bekommenind.Vor der großen Kehrtwende – bevor Sie die Blockade-altung Ihres Vorgängers beendet haben, der in Sachenehrreform überhaupt nichts zustande gebracht hat bzw.ustande bringen wollte – haben Sie Ihre Unterschriftoch unter richtig große Kostenblöcke gesetzt: dritteranche Eurofighter und A400M. Massive Kostensteige-ungen haben Sie einfach in Kauf genommen, auf dietrafzahlungen der Industrie verzichtet und die Chanceicht genutzt, in Neuverhandlungen zumindest eine mas-ive Reduzierung, wenn nicht die Einstellung dieses Pro-ekts, von dem keiner weiß, ob es jemals funktioniert, zurreichen. Die Strategie „Erst bei den Kosten auf dasaspedal treten, um hinterher die Bremse anzukündi-en“ ruft schon die eine oder andere Frage nach Ihremicherheitspolitischen Führerschein hervor, Herr Minis-er.
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Alexander Bonde
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Sie haben jetzt Zeit, diese Fragen zu beantworten. Wirverstehen, dass Ihr Konzept einige Parteitage durchlau-fen muss. Wir verstehen nicht, dass Sie uns heute nichtsagen, wo Sie die globale Minderausgabe in Höhe von800 Millionen Euro in Ihrem Haushalt aufbringen wol-len. Aber das werden Sie uns bestimmt noch verraten.Ab sofort gilt: Gemessen werden Sie nicht an einem„Top Gun“-Bild auf Seite eins der Bild-Zeitung, sonderndaran, welche konkrete sicherheitspolitische Verände-rung Sie am Ende liefern.Herzlichen Dank.
Das Wort hat nun der Kollege Ernst-Reinhard Beck
für die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-ginnen und Kollegen! Der Kollege Arnold hat etwas sehrRichtiges und Wichtiges gesagt. Er hat gesagt: Im Mit-telpunkt steht bei all unseren Überlegungen der Mensch. –Insofern gilt mein erster Dank denen, die in der Bundes-wehr treu ihren Dienst leisten, den Soldaten in den Ein-satzgebieten und zu Hause und auch den zivilen Be-schäftigten.Herr Kollege Arnold, wenn dies Ihr Maßstab ist, kannich nicht verstehen – das hat mir weniger gefallen, alsich es in den Zeitungen gelesen habe –, dass Sie mitBlick auf Oberst Klein und nach all dem, was geschehenist, noch nachtreten und ihn in einer Art und Weise be-handeln, die er nicht verdient hat. Das muss ich Ihnen andieser Stelle sagen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die Haus-haltsberatung zeigt, dass wir eine wichtige Weichenstel-lung vornehmen. Dem großen Umformungs- und Struk-turveränderungsprozess unserer Streitkräfte müssen wirden notwendigen finanziellen Rückhalt geben.Herr Kollege Arnold, Sie haben gesagt, dass jetzt ver-schiedene Modelle vorgestellt werden, und dem Ministervorgeworfen, es ginge ständig hin und her. Das ist nichtganz schlüssig. Denn der Minister hat im Grunde einesehr stringente sicherheitspolitische Analyse vorgenom-men und sich daraufhin gefragt – das ist die entschei-dende Frage –: Was ist im Hinblick auf die Abwehr vonGefahr für unser Land notwendig, und welches sind dieFähigkeiten, die unsere Streitkräfte vorhalten müssen?Damit ist die Reihenfolge klar: Es geht um den Schutzdes eigenen Landes, Deutschlands und seiner Bürger, dieBündnisverteidigung und die internationalen Verpflich-tungen, die wir in NATO, EU und UN übernommen ha-ben. Damit haben wir ein breites Spektrum an Fähigkei-ten vorzuhalten. Deshalb ist es völlig legitim und auchnotwendig, einmal nachzufragen: Können wir mit dervorhandenen Struktur all diese Aufgaben so erfüllen,wie es notwendig ist?dgboje–dEcbSWgdwIdSmWsBdtdü–ÜltbhfhiGckbBdWj3zbas
11 000 auch, Herr Kollege Arnold –, im Hinblick aufie Effizienz zu gering ist. Ich glaube, darüber bestehtinigkeit in diesem Haus.Wenn man dann in einem weiteren Schritt fragt, wel-he Strukturen notwendig sind und was man dafürraucht, um die Sicherheit auch auf mittlere und längereicht zu garantieren, dann kommt die Sprache auf dieehrform. Ich sage ganz ehrlich, dass ich hier mit einerewissen Wehmut stehe. Durch die Wehrpflicht wurdeie Sicherheit unseres Landes über viele Jahrzehnte hin-eg, in der gesamten Zeit des Kalten Krieges, garantiert.m Grunde wurden durch sie auch Leistungen erbracht,ie für die Integration der Streitkräfte in demokratischetrukturen unschätzbar sind. In der heutigen Zeit hörtan manchmal, vor allem vonseiten der Linken, dieehrpflicht sei im Grunde ein Instrument der Militari-ierung. Nein, die Wehrpflicht war in der Geschichte derundesrepublik ein wichtiges Instrument zur Einbettunges Militärs in demokratische Strukturen, und dafür soll-en wir dankbar sein. Dank verdienen auch all die, dieer Wehrpflicht nachgekommen sind und als Reservistenber die ganze Zeit ihren Dienst geleistet haben.
Lieber Kollege Kahrs, das enthebt uns ja nicht derberprüfung, ob die Wehrpflicht angesichts der aktuel-en und zukünftigen Herausforderungen noch die rich-ige Wehrform ist.Ich hätte mir durchaus vorstellen können, dass manestimmte Elemente übernimmt. Wenn man die sicher-eitspolitische Analyse, die die Bundesregierung durch-ührt, aber ernst nimmt, dann sieht man, dass die sicher-eitspolitische Begründung dafür nicht mehr gegebenst. Die Panzerarmeen des Warschauer Paktes haben sichott sei Dank aufgelöst. Wir brauchen keine entspre-hende Anzahl Soldaten mehr, um die Wehrgerechtig-eit annähernd zu erreichen. Das ist aber auch das Pro-lem, das es zu lösen gilt. Wenn die sicherheitspolitischeegründung nicht mehr vorhanden ist, dann stellt sichie Frage nach der Verfassungsmäßigkeit – Stichwort:ehrgerechtigkeit. Dass diese Situation nicht neu ist, istedem hier klar. Im Grunde hätte bereits der Schritt von75 000 auf 250 000 Soldaten, der eine drastische Redu-ierung der Anzahl der eingezogenen Wehrpflichtigenedeutet hat, zu solchen Überlegungen führen müssen;ber ich glaube, der Blick sollte nach vorne gerichtetein.
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Ernst-Reinhard Beck
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Der Blick ist richtig nach vorne gerichtet, wenn ichsage: Die staatspolitische Begründung der Wehrpflichtkann natürlich auch über die „Pflicht“ hinaus Wirkungentfalten. In dem Augenblick, in dem gesagt wird: „Tuetwas für die Gemeinschaft, leiste etwas für dein Land“und man diesen Impetus durch die Neugestaltung derFreiwilligendienste erreicht – Herr Kollege Arnold, Siehaben ja zu Recht ausgeführt, dass wir nicht nur für denWehrdienst, sondern auch für die anderen Dienste in die-ser Gesellschaft zu einer Freiwilligkeit finden müssen –,sind wir, glaube ich, auf einem guten Weg.
Ich sage ganz eindeutig: Der Staatsbürger in Uni-form war sicher ein wichtiges und notwendiges Ele-ment. Ein Stück weit nehmen wir davon Abschied; derStaatsbürger als Soldat ist mit diesem Einschnitt imGrunde Vergangenheit. Das heißt aber nicht, dass dieSoldaten nicht weiter Staatsbürger sind und ihre staats-bürgerlichen Rechte nicht in Anspruch nehmen. Was wiralle gemeinsam verfolgen sollten, ist, dass das Prinzipder Inneren Führung, das unsere Armee im Vergleich zuvielen anderen Armeen dieser Welt auszeichnet, inner-halb der neuen Struktur neu definiert wird. Es kann unsnicht gleichgültig sein, wer den Nachwuchs stellt undwelcher Geist in dieser neuen Bundeswehr herrscht. Ichhabe überhaupt keine Bedenken, dass dies ein guterGeist sein wird, getragen von der Inneren Führung undvom Leitbild des Staatsbürgers in Uniform.
Herr Kollege Beck, gestatten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Kahrs?
Aber gerne.
Herr Kahrs, bitte.
Herr Kollege Beck, ich habe in den letzten Jahren ge-
meinsam mit Ihnen für die Wehrpflicht gestritten. Das
haben wir gut hinbekommen, egal ob Rot-Grün oder die
Große Koalition in diesem Land regiert hat.
Wie man das, was Sie machen, bewertet – geschenkt.
Die Probleme, die Sie deswegen in Ihrer Partei und mit
Ihren Wählern haben, müssen Sie selber aushalten. Aber
wenn Sie sagen, dass der Staatsbürger in Uniform mit
der Abschaffung der Wehrpflicht nicht mehr Realität sei,
dann frage ich mich allen Ernstes, wo die Union gelan-
det ist. Staatsbürger in Uniform sind auch der Zeitsoldat
und der Berufssoldat. Deswegen können Sie sich doch
nicht hier hinstellen und sagen – bei aller Freundschaft
und aller Sympathie –, wenn die Wehrpflicht weg sei,
seien die Zeit- und Berufssoldaten nicht mehr Staatsbür-
ger in Uniform. Dann weiß ich überhaupt nicht mehr,
wohin die Union will.
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meine, dass der Minister dafür die Unterstützung desHauses verdient. Die Unterstützung meiner Fraktion hater auf jeden Fall.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Bernhard Brinkmann
für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr KollegeKoppelin, nicht nur, weil Sie gestern einen besondersschönen Geburtstag gefeiert haben, sondern weil es auchvöllig richtig ist, was Sie zu den Problemen bei der Sani-tät gesagt haben, will ich zu Beginn meiner Ausführun-gen deutlich darauf hinweisen, dass dies auch die volleUnterstützung der SPD-Bundestagsfraktion finden wird.
Allerdings ist das Problem nicht erst seit gestern be-kannt, sondern schon etwas länger. Hier besteht dringen-der Handlungsbedarf wie in vielen anderen Bereichenauch, auf die ich im Laufe meiner Ausführungen nochzurückkommen werde.Wer ernsthaft behauptet, mit der Globalen Minderaus-gabe und den Kürzungen, die Sie, die CDU/CSU und dieFDP, zu verantworten haben, könnte die Truppe gut le-ben, der redet zu einem Prozentsatz jenseits der90 Prozent an den Realitäten vorbei.
Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen.Der Minister hat eine Sommerreise gemacht. VieleKolleginnen und Kollegen waren ebenfalls in der Som-merpause unterwegs. Ich habe mir das auch in dieserZeit zu eigen gemacht und mich vor Ort informiert. HerrMinister zu Guttenberg, wenn wir Attraktivitätssteige-rung gemeinsam wollen, ist es nach meiner festen Über-zeugung unerträglich, dass Soldatinnen und Soldaten,die nach Berlin reisen, um sich weiterzubilden und anPlenardebatten teilzunehmen, ihre Fahrtkosten selber zuzahlen haben, weil dafür kein Geld mehr zur Verfügungsteht. Das ist ein Skandal. Dies müsste relativ schnell inIhrem Haus, Herr Minister zu Guttenberg, im Interesseund zugunsten der Soldatinnen und Soldaten pragma-tisch gelöst werden.Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der sichwie ein roter Faden durch die Haushaltsberatungen zie-hen wird. Die Größenordnung des Einsparvolumensist mehr als nebulös. Zunächst wurde eine Summe von8,3 Milliarden Euro angekündigt. Dann ist aufgrund derabsehbaren Faktoren berechnet worden, wo man dennlanden könnte. Es gibt Berechnungen des Finanzministe-riums und des Bundeskanzleramtes, die auf 1,5 Milliar-den Euro kommen. Das ist von 8,3 Milliarden Euro weitentfernt. Kurz vor der Sommerpause hat die Bundeskanz-ldgssa5nRdepHalswidSnZnHsbbugrdLgiauti–gpsv–nüansnneSg
Wenn man die Diskussion über das Thema Wehr-flicht verfolgt, dann stellt man beeindruckt fest, wieich innerhalb weniger Monate festgefügte Meinungenerändern. Ich war 1970 bei der Bundeswehr, und zwar damals war dort eine stationiert – bei einer Panzergre-adierbrigade in Hildesheim. Schon damals haben wirber dieses Thema diskutiert. Natürlich ging es um ganzndere Prozentsätze bei der Einberufungsquote. Aber ei-es steht fest: Nachdem Sie den Grundwehrdienst aufechs Monate reduziert hatten, war der nächste Schritticht mehr zu verhindern. Wir werden im Laufe derächsten Zeit erleben – wenn es nach der FDP geht, wirds etwas schneller gehen –, dass wir uns Schritt fürchritt auf eine Berufsarmee zubewegen. Wenn das dennewollt ist
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Bernhard Brinkmann
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– Frau Hoff, ich mache ja einen Vorbehalt –, sollten wirbereit sein, sehr offen darüber zu diskutieren, wie vieleine Berufsarmee letztendlich kostet und welche Belas-tungen sie für künftige Bundeshaushalte bringt.Die Sicherheit Deutschlands und die Bewältigungder damit verbundenen Herausforderungen für unsereStreitkräfte müssen auch künftig durch die erforderli-chen Finanzmittel gewährleistet sein. Daher muss dieBundesregierung schnell und klar eine Antwort auf dieFrage finden, welche Bundeswehr wir uns künftig nochleisten wollen. Einige Zeit ist darüber gesprochen wor-den, welche wir uns noch leisten können. Das war abereine falsche Vorgehensweise.In diesem Sinne freue ich mich auf die Ausschussbe-ratungen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Elke Hoff für die
FDP-Fraktion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Ein etwas störender Aspekt in dieser Debatte ist dieBegriffsverwirrung. Deswegen nehme ich Ihre Äußerun-gen zum Anlass, lieber Herr Kollege Brinkmann, um diePosition meiner Fraktion noch einmal klarzumachen.Wir sind für eine Freiwilligenarmee. Wir sind für dieAussetzung der Wehrpflicht. Wir sind für einen vernünf-tigen Anteil an Kurzzeitdienenden. Hier haben wir eineetwas andere Auffassung als der Minister; darüber wer-den wir diskutieren müssen. Wir sind in keinem Fall füreine Berufsarmee. Wir sind weiterhin glühende Anhän-ger einer Parlamentsarmee.
Ich muss an dieser Stelle auf Paul Schäfer eingehen.Der Versuch, den Eindruck zu erwecken, dass ein globa-les Expeditionskorps oder eine Interventionsarmee durchden geplanten vernünftigen Umbau der Bundeswehr auf-gebaut werden soll, läuft schon alleine deswegen völligfehl, weil dieses Haus an dieser Stelle über jeden Einsatzder Bundeswehr entscheiden wird und nicht die Bundes-regierung oder der Bundesminister der Verteidigung.Das ist für uns alle ein hohes Gut.
Eben wurde kritisiert, der Minister habe mehrere Mo-delle vorgelegt und habe sich nicht klar und deutlich füreines ausgesprochen. Art. 87 a des Grundgesetzes sagteindeutig, dass sich Umfang und Struktur der Streitkräfteaus dem Haushaltsplan ergeben. Ergo entscheidet dasParlament darüber. Herr Minister, ich begrüße, dass SieRiogzinüaBZdbvmcCdSvHRzdlsnnüeeMrfgWmrdzceWdPmnVwbW
ir werden die qualifizierten jungen Frauen in Zukunftehr denn je brauchen, nicht nur, weil sie in vielen Be-eichen qualifizierter sind, sondern auch, weil uns dieemografische Entwicklung dazu bringen und auchwingen wird, die Bundeswehr für alle gesellschaftli-hen Gruppen zu öffnen. Insofern ist es wichtig, dass wirine vernünftige Nachwuchsgewinnungsstruktur auf deneg bringen, die flächendeckend ist, und dass die Bun-eswehr attraktiver wird.Die entscheidenden Momente sind nicht, wenn wir imarlament entscheiden. Die Arbeit fängt danach an. Esuss uns gelingen, die Lebenswirklichkeit junger Män-er und Frauen auch in den Streitkräften abzubilden. Dieereinbarkeit von Dienst und Familie wird ein ganzesentliches Moment für die Attraktivität des Arbeitge-ers Bundeswehr sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hinzu kommt:enn wir so viel Wert darauf legen, dass die Bundes-
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Elke Hoff
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wehr in der Mitte der Gesellschaft ist, dann müssen wir– stärker, als wir es in der Vergangenheit bewirkt haben –endlich zu Verbesserungen für die Soldatinnen und Sol-daten im Einsatz kommen, die an Seele und Körperverwundet aus dem Einsatz zurückkommen. Es ist heutemit Recht sehr häufig den Soldatinnen und Soldaten undden zivilen Mitarbeitern gedankt worden. Ich finde, wirmüssen an dieser Stelle auch den Familienangehörigen,den Freunden und den Bekannten von den Soldatinnenund Soldaten danken, die damit leben müssen, dass dasLeben ihrer Partner, wenn sie aus einem Einsatz zurück-kommen, in den wir sie geschickt haben, aus den Fugengeraten ist und nichts mehr so ist, wie es vor dem Einsatzwar. Hier fängt unsere Verantwortung an. Ich glaube,dass wir an dieser Stelle – wenn wir uns um genau dieseSoldatinnen und Soldaten mehr als bisher kümmern –wirklich beweisen können, dass die Bundeswehr in derMitte der Gesellschaft ist. Ich wäre sehr dankbar, wennwir das gemeinsam schaffen würden.
Es wurde eben auch über das Thema Einsparungengeredet. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube,wenn wir alle der Meinung sind, dass Sicherheitspolitiknicht nach Kassenlage erfolgen soll, dann werden wir ei-nen attraktiven Arbeitgeber Bundeswehr finden und unsdurchaus mit dem Gedanken anfreunden, dass wir Ein-sparziele erreichen wollen – wenn auch vielleicht nichtso schnell wie geplant – und dass das eine gemeinsameAnstrengung ist. Ich glaube, dass wir als Parlamentariervon unserem Recht Gebrauch machen, über Struktur undUmfang der Streitkräfte so zu entscheiden, wie es die Si-cherheitsbedürfnisse und die Sicherheitslage unseresLandes und unsere Bündnisverpflichtungen erfordern.Ganz kurz an dieser Stelle, bevor ich fertig bin: Kol-lege Schäfer, gerade der Balkan, gerade der Kosovo, hatdeutlich gemacht, dass eine militärische Intervention inpolitischen Situationen dazu führen kann, dass Men-schen und Nationen am Ende der Reise in Frieden undFreiheit leben können. Das Kind hier mit dem Bade aus-zuschütten und zu sagen: „Wir brauchen die Streitkräftefür solche Dinge nicht“, halte ich an dieser Stelle fürpolitisch verfehlt.
Ich darf mich sehr herzlich für die Aufmerksamkeitbedanken und wünsche dem Minister und uns allen vielErfolg bei der Umsetzung dieser sehr ehrgeizigen Re-form. Vielen Dank.
Der Kollege Omid Nouripour ist nun der nächste
Redner aus der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Karl-Theodor zu Guttenberg vor sechs Monaten – Zitat –: Dieverkürzte Wehrpflicht W 6, das sind sechs bestens ge-nMDiDdmSGtnHisntWrdHpsFwkifsnwldgrÜsivbFteBg
ie Musterung ist ebenso schwer zu rechtfertigen wieie Wehrpflicht als solche. – In einem anderen Zusam-enhang hat er erklärt, W 6 sei ein entbehrlicherchnupperkurs. Herr Minister, ich weiß nicht, welchesetränk der Erleuchtung Sie in den letzten zwei Mona-en getrunken haben. Es wäre schön, dieses in den eige-en Reihen weiterzureichen. Ich kann nur sagen: Dieoffnung, zu verstehen, was Sie eigentlich wollen, habech längst aufgegeben. Mein Eindruck ist: Sie wissenelber nicht, was Sie wollen, und Sie wollen es auchicht wissen. Wenn das anders wäre, hätten Sie wenigs-ens den Übergangsmurks – wir haben derzeit eineehrpflicht von sechs Monaten –, den Sie wider besse-es Wissen vor wenigen Wochen verabschiedet haben, inen Haushalt geschrieben. Nicht einmal das steht imaushalt. Das heißt, wir beraten heute über einen Einzel-lan, der Makulatur ist.
Es gibt aber noch mehr Probleme. Sie haben es ge-chafft, in den letzten Monaten zu jeder erdenklichenrage jede erdenkliche Position einzunehmen,
as dazu führt, dass Sie, völlig gleichgültig, was heraus-ommt, sagen können: Das habe ich doch gesagt. – Dasst beliebig. Beeindruckend dabei ist, dass Sie es schaf-en, diese Beliebigkeit in Zahlen zu gießen. Das nenntich dann Wehretat 2011. Wer so beliebig ist, muss sichatürlich Sorgen machen, ob das Auditorium tatsächlichach ist. Das ist eine berechtigte Frage. Da diese Ange-egenheit aber sehr ernst ist, kann ich Ihnen versprechen,ass wir sehr wachsam sind und zuschauen, was Sie ei-entlich treiben.Ich komme zu den fünf Modellen. Sie scheinen in Ih-em Haus eine unglaubliche Überkapazität zu haben. Imbrigen: Herr Generalinspekteur, vielen Dank für Ihreeriöse und detaillierte Arbeit. Herr Minister, Sie lassenn Ihrem Haus fünf Modelle erarbeiten und sagen vonornherein, vier von diesen seien überhaupt nicht mach-ar.
rau Kollegin Hoff, diese fünf Modelle sind keine ech-en Modelle, wenn der Minister so nebenbei sagt, dasine sei nicht finanzierbar und mit dem anderen sei dieündnisfähigkeit nicht gewährleistet. Das ist nicht ernstemeint.
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Omid Nouripour
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Er scheint es nur mit einem einzigen Modell ernst zumeinen. Herr Kollege Arnold hat gesagt, was daran un-redlich ist. Es fehlen dort einige Elemente. Ich weißnicht, ob ich ihn ernst nehmen soll, wenn der Ministersagt, das einzige Modell, das einen Sinn ergebe, sei dasModell mit 163 500 Soldaten, aber die Zahl sei gar nichtso wichtig und könne nach oben korrigiert werden, dassei relativ egal. Das zeugt nach meiner Ansicht von Be-liebigkeit.
Dabei braucht die Bundeswehr jetzt Führung, Überblickund Voraussicht. Das alles ist nicht sichtbar.
Ein Problem habe ich: Ich muss Sie jetzt eigentlichloben – das ist nicht mein Job als Oppositionspolitiker –,weil Sie Realitätssinn gezeigt haben, indem Sie sich end-lich an die Wehrpflicht herangewagt haben. Das hatkeine große Tradition in Ihren Reihen. In diesem Zusam-menhang muss ich ein Wort zur Sozialdemokratie los-werden. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir habensieben Jahre lang gemeinsam regiert. Hätten Sie damalsdie Blockade, die ich bis heute nicht verstehe, aufgege-ben und gemeinsam mit uns die Wehrpflicht abgeschafft,was wir damals gefordert haben – das war damals ge-nauso sinnvoll wie heute –, dann könnte der Ministerheute nicht den harten Macher spielen und die Bundes-wehr hätte sich in den zehn Jahren strukturell weiterent-wickelt. Es ist sehr bedauerlich, dass dies damals nichtgelungen ist.
Die Bundeswehr braucht Führung, weil die beabsich-tigten Einschnitte immens sind. Zur Führung gehört aberauch, dass man die Ziele benennt und sagt, was man ei-gentlich vorhat. Sie wollen Strukturen schaffen, alles aufden Kopf stellen und verändern und am Ende ein neuesWeißbuch herausgeben. Das ist komplett falsch. Siemüssen erst die Aufgabenkritik machen und formulie-ren, was die Bundeswehr können muss. Sie müssen zu-erst beschreiben, welche Fähigkeiten wir brauchen, unddann können Sie die Strukturen verändern. Sie dürfenaber nicht Fakten schaffen und die Debatte komplett aufden Kopf stellen. So ergibt das überhaupt keinen Sinn.Ich nenne als Beispiel die vernetzte Sicherheit. Allewissen – das ist Konsens in diesem Hohen Hause –, dassdie komplexe Sicherheitsrealität des 21. Jahrhundertsnur ein Instrument kennt, mit dem man arbeiten kann,und das ist die vernetzte Sicherheit. Ich finde das bei Ih-nen bisher nicht. Ich weiß nicht, wo das vorkommensoll, wo sich das in den Strukturen findet. Im Übrigenfehlt auch ein Bekenntnis zum Primat des Zivilen. Daswerden wir möglicherweise in zwei Jahren in einemWeißbuch lesen, wenn die Debatte um die Reform derBundeswehr vorbei ist.Der Kahn „Bundeswehr“ ist in schwierigen Gewäs-sern; das wissen wir alle. Auch den Reformbedarf ken-nen wir alle. Es wäre jetzt Ihre Aufgabe als Verteidi-gungsminister, die Bundeswehr vor parteipolitischenSiBnPtcwwtvgeDnnCKzWdsfKVkJbsFvsnsfeezshskn
Das Wort hat nun Kollegin Karin Strenz für die CDU/
SU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Bei aller Pflicht zum Sparen ist klar: Wir kür-en nicht auf Kosten der Sicherheit unserer Soldaten.er Soldaten in den Einsatz schickt, muss nicht nur fürie bestmögliche Ausbildung und Ausrüstung sorgen,ondern auch für die bestmögliche Betreuung. Das giltür die Zeit im Einsatz genauso wie danach. Ich bin derollegin Elke Hoff für ihre Einlassungen zu seelischenerwundungen sehr dankbar; darauf möchte ich michonzentrieren.Mehr als 460 Kameraden ließen sich im vergangenenahr wegen Posttraumatischer Belastungsstörungenehandeln – doppelt so viele wie im Jahr 2008. In die-em Jahr werden es wahrscheinlich 600 traumatisierterauen und Männer sein. In Wahrheit aber sind es sehriel mehr; denn die Dunkelziffer ist sehr hoch. Es ist un-ere Pflicht, die seelischen Wunden genauso ernst zuehmen wie die körperlichen. Soldaten erleben im Ein-atz Grausamkeiten, die sie manchmal nicht ohne pro-essionelle Hilfe verarbeiten können. Oft dauert es vier-inhalb Jahre – viereinhalb Jahre! –, bis ein Soldat eineinsatzbedingte Traumatisierung überhaupt erkennt undugibt. Deshalb reicht es nicht, nur die Vorgesetzten zuensibilisieren. Wir alle müssen diese besondere Krank-eit aus dem Schatten holen.Da die seelisch Verwundeten doch im Dienst für un-eren Frieden und für unsere Sicherheit ihr Leben ris-iert haben, ist es selbstverständlich unsere Pflicht, ih-en zu helfen, gesund ins Leben zurückzufinden.
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Karin Strenz
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Eine seelische Wunde darf kein Stigma sein. Wer sich zuseiner Schwäche bekennt, ist kein Schwächling.Gerade vorgestern saß in meinem Büro ein Soldat ausmeiner Heimat; nachgewiesen PTBS. Auf dem Tischzwischen ihm und mir: ein Aktenberg. Er musste einenlangen Weg durch viele Instanzen gehen, um sich in ei-nem Wirrwarr von Zuständigkeiten und Gesetzen zu-rechtzufinden. Er hat nicht die optimale Für- und Nach-sorge erfahren. Auch das ist noch Realität, aber das wirdsich ändern. Nicht nur dieser Mann braucht Hilfe, nichtnur er wird die Bilder aus dem Einsatz nicht los, liegtnachts wach, schreckt auf, wenn draußen eine Autotürzuknallt, und war fast dabei, sich aus dem Leben zu ver-abschieden.Wir haben die Soldaten in den Einsatz geschickt. Wirmüssen ihnen auch die Rückkehr garantieren. Damitmeine ich: teilnehmen am Leben, die Kinder zur Schulebringen, dem Partner zur Seite stehen können und denAlltag meistern. Das gilt auch für ihre Familien; denn ingewisser Weise ziehen sie selbst mit in den Einsatz.Auch sie müssen mit ihren Sorgen kämpfen.Was sie allerdings sehr beruhigt – das als ein Beispiel –,ist das Krankenhaus in Masar-i-Scharif – ich war dort –,welches mit modernster Technik und großem Know-howausgestattet ist und um das uns andere Nationen benei-den. Es gibt Sicherheit, ein Höchstmaß an Qualität undschnellstmögliche Hilfe.Das Berliner Psychotrauma-Zentrum im Bundes-wehrkrankenhaus stellt sich den enormen Herausforde-rungen, etwa bei der lückenlosen Erfassung und Behand-lung von PTBS-Patienten, aber auch bei der Vernetzungvon nationalem und internationalem Fachwissen. Dort,wo wir Expertise haben, muss man das Rad nicht neu er-finden. Es hilft bei der Schulung des Personals von Fa-milienbetreuungszentren zur Betreuung der Patientenoder Soldaten und deren ebenfalls belasteten Familien.Es steht für stärkere Vernetzung regionaler Betreuungs-einrichtungen und Selbsthilfegruppen. Es geht auch umdie Organisation einer professionellen Begleitung beiVersorgungsansprüchen.Das ist ein Fortschritt, aber auch eine große undschnell zu leistende Aufgabe. In diesem Fall heißt esnämlich nicht „Zeit ist Geld“, sondern „Zeit ist Leben“.
Dies, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf aber nichtnur für die aktiven Soldaten gelten, sondern auch für diebetroffenen Militärpfarrer und die Reservisten. Das isteine Frage der Gerechtigkeit und des politischen An-stands.Es ist kein Geheimnis, dass wir im Sanitätsdienst ei-nen akuten Personalmangel haben. Es fehlen Pflegerund Ärzte. So hat die Bundeswehr beispielsweise nur 23Psychiater bei doppelt so vielen Planstellen.
Es ist nicht leicht, Fachleute zu finden. Sie sind Mangel-ware. Vorerst können nur Psychologen diese Lückeschließen, und eine Dauerlösung ist das nicht. Es fehlenagBJkhKsgRkdJsrEEawbcSRmiVkksMbtMnsfsuDa
In der Attraktivitätsagenda 2011 des Bundeswehr-erbandes gibt es einige Vorschläge, die wir umsetzenönnten und auch sollten, zum Beispiel bei Vereinbar-eit von Beruf und Familie, bei der Regelung der Ein-atzdauer und beim Laufbahnrecht. Ich denke, Herrinister, Sie selbst werden einige weitere Vorschlägeerücksichtigen wollen.Dass es eine attraktivere Bundeswehr nicht zum Null-arif geben kann, ist klar. Aber manches kostet eben denut, den Fehler im System, von dem so viele reden,icht nur erkennen zu wollen, sondern ihn einfach abzu-tellen. Erst dann werden wir behaupten können, allesür das körperliche und auch für das seelische Wohl un-erer Soldaten und ihrer Familien getan zu haben. Das istnsere moralische Pflicht.Herzlichen Dank.
Frau Kollegin Strenz, dies war Ihre erste Rede imeutschen Bundestag. Unsere herzliche Gratulation undlle guten Wünsche für die weitere Zusammenarbeit!
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6122 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse
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Das Wort hat nun Klaus-Peter Willsch für die CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich bin der Kollegin Strenz dankbar für den Bei-trag, den sie geleistet hat, weil sie eine sehr menschlicheSeite der Bundeswehr aufgezeigt hat. Diese Seite ma-chen wir uns nicht immer bewusst, wenn wir über Ein-sätze reden, die Soldaten in Einsätze fern der Heimatschicken, in diese ständige Bedrohung mit Gefahr fürLeib und Leben. Auch die Tatsache, dass, wenn der Ein-satz vorbei ist, nicht alles andere auch vorbei ist, sondernmanche Erlebnisse in den Menschen weiterarbeiten,müssen wir uns immer vor Augen halten, wenn wir hierüber die Bundeswehr reden.Der Verteidigungsminister hat gesagt: Strukturen undProzesse sollen konsequent an den Erfordernissen desEinsatzes ausgerichtet werden. Ich glaube schon, Kol-lege Nouripour, dass diese Abfolge – Sie haben sie ange-sprochen; das ist das Henne-Ei-Problem – das richtigeHerangehen ist. Während meiner Zeit bei der Bundes-wehr in der zweiten Hälfte der 80er-Jahre
war die Lage natürlich völlig anders: Die Landesvertei-digung stand im Vordergrund. Warschauer Pakt undNATO standen sich waffenstarrend in der Mitte unseresVaterlandes gegenüber. Wir mussten stark genug und sodisloziert sein, dass der Gegner, bei dem eine aggressiveIdeologie vorherrschte, abgeschreckt wurde, sich nichttraute, Einschüchterungsversuche zu unternehmen oderuns gar militärisch anzugreifen.Vor 20 Jahren ist im Zuge der deutschen Einheit dieIntegration der unbelasteten Teile der Nationalen Volks-armee hervorragend gelungen. Seitdem ist Schritt fürSchritt der Übergang zu einer Armee im Einsatz erfolgt.Es ist sicherlich richtig, dass wir uns, ausgehend von derFrage, was die Bundeswehr leisten soll, zunächst mitdem Umfang der Streitkräfte beschäftigen. Genau dashat der Verteidigungsminister mit seinen Überlegungen,die auf den Arbeiten des Generalinspekteurs fußen undfür die ich ihm auch noch einmal ganz herzlich dankenmöchte, getan. In diesen Überlegungen ist die Ausset-zung der Wehrpflicht enthalten.Ich finde es ein bisschen unfair, Herr KollegeNouripour, dass Sie uns dafür loben, dass wir uns diesemThema nähern,
und dass Sie zugleich unterstellen, hier würde Verteidi-gungspolitik nach Parteitagsterminen gemacht. Natür-lich gibt es hier demokratische Entscheidungserforder-nisse, die Sie als ausgewiesene Basisdemokraten ohneMühe nachvollziehen können müssten. Das behindert indiesem Jahr unsere Haushaltsberatungen ein wenig, dawir letzte Gewissheit erst nach Beschlüssen von demo-kratisch legitimierten Delegiertenversammlungen wiePsekndmwgEwugDSFsdtd„mhustTEdtAgErVswszhgfztnriurT
s ist gegenüber dem Parlament ein völlig fairer Ansatz,enn man verschiedene Möglichkeiten durchrechnetnd eine bestimmte Variante hervorhebt.Es wird noch im Herbst die Beschlüsse von Parteita-en und die Ergebnisse der Weise-Kommission geben.ann sind wir mit der Festlegung des Umfangs dertreitkräfte durch. Danach schließt sich natürlich dierage an, wie es um die Standorte steht. Die klare An-age ist: Nicht vor Mitte des nächsten Jahres werden wirarüber Aufschluss in Form von Vorschlägen des Minis-ers bekommen.Die Festlegung von Ausrüstung und Ausstattung ister nächste Schritt, der folgen muss. Die Frage nach demlevel of ambition“, also danach – ich will hier im Parla-ent deutsch reden –, was die Bundeswehr leisten soll,at erheblichen Einfluss auf Ausrüstung, Ausbildungnd Gerät. Dieser Punkt beschäftigt den Haushaltsaus-chuss natürlich ganz besonders.Ich habe in diesem Jahr zur Entscheidungsvorberei-ung mehrere Wehrübungen gemacht und mehrmals dieruppe besucht. Ich will ausdrücklich sagen, dass derinsatz der Reservisten an den Heimatstandorten, vonenen aus Kontingente in den Einsatz gehen, sehr wich-ig ist. Permanent sind ungefähr 500 Reservisten imuslandseinsatz. Diese Tatsache können wir nicht hochenug würdigen. Auch in Zukunft soll ein sinnvollerinsatz der Reservisten möglich sein.
Beschaffungsvorhaben haben uns in den letzten Jah-en im Haushaltsausschuss schon häufig beschäftigt. Dieorwürfe lauteten: zu teuer, zu spät und nicht alle Eigen-chaften abdeckend, die gefordert sind. Solche Vorhabenerden wir uns eines nach dem anderen anschauen müs-en. Aber ich will dazu noch eines sagen: Als wir inweiter und dritter Lesung den Haushalt 2010 behandeltaben, habe ich gesagt, dass wir den Einzelplan 14 auf-rund seiner Enge, mit der er gestrickt ist, nicht mehr da-ür nutzen dürfen, um Strukturpolitik oder Sektorpolitiku betreiben. Wir sehen, dass wir im Bereich der Rüs-ungsindustrie hervorragende Güter produzieren, mit de-en wir technologisch an der Spitze liegen. Die Bundes-egierung soll helfen – die entsprechende Aufforderungst aus meiner Sicht richtig –, den Markt zu erweitern,m die Exportmöglichkeiten auszubauen. Die Bundes-egierung kann für unsere Industrie in diesem Bereichüren öffnen und ihr beim Exportgeschäft helfen. So
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Klaus-Peter Willsch
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können wir die Technologieführerschaft in diesen Berei-chen erhalten oder vielleicht sogar noch ausbauen.Die Probleme bei der Budgetplanung will ich aus-drücklich belegen. Ich habe schon etwas zu den Abläu-fen gesagt, bei denen sich natürlich Veränderungen erge-ben können. Ich erlebe auch, dass aus demparlamentarischen Raum verschiedene Zahlen genanntwerden, die von dem abweichen, was der Minister alsseine Empfehlung vorlegt.Ich bin weit davon entfernt zu sagen, wir machen Si-cherheitspolitik nach Kassenlage. Man muss aber zurKenntnis nehmen, dass Haushalte, über die man spricht,und Zahlen, die man aufschreibt, auf irgendeiner Grund-lage basieren.
Jeder muss wissen, dass das, was an Zahlengerüstvorliegt, auf Zahlen vom Jahresbeginn basiert, das heißtauf 156 000 plus 7 500, also 163 500 Soldaten, und dassfür Attraktivierungsprogramme, die wir uns im Einzel-nen noch gar nicht ausgedacht haben, nur eine Grund-ausstattung vorgesehen ist. Jeder, der mehr will, alsonicht Verteidigungspolitik nach Kassenlage machen will,muss bereit sein, mehr Geld zur Verfügung zu stellen.Allein mit der ausgebrachten globalen Minderausgabe inder Größenordnung von 838 Millionen Euro liegt nochein sehr schwerer Weg vor uns, den wir in den Detailbe-ratungen im Haushaltsausschuss bewältigen müssen.Herr Präsident, ich sehe, meine Redezeit ist abgelau-fen; daher komme ich zum Schluss. Ich bin – wie derKollege Koppelin – der Meinung, dass wir uns dasThema BImA noch einmal ganz genau daraufhin anse-hen müssen, ob das, was durch das BImA-Errichtungs-gesetz auf den Weg gebracht worden ist, wirklich schonVeranschlagungsreife hat. Vielleicht kann das ein wichti-ger Ansatz für die Auskleidung der globalen Minderaus-gabe sein.Zum Schluss will ich der Hoffnung Ausdruck geben,dass Martin Walser recht hat. Wir sind auf einem Weg,bei dem wir noch nicht wissen, wie alles genau werdenwird. Aber ich glaube, dass wir uns in die richtige Rich-tung bewegen und dass wir damit den Erfordernissen derTruppe im Einsatz gerecht werden können. Martin Wal-ser sagt: Den Gehenden schiebt sich der Weg unter dieFüße. – Wir wollen hart daran arbeiten, dass das so ge-schieht.Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegennicht vor.Wir kommen damit zum letzten Tagesordnungspunktfür heute, dem Geschäftsbereich des Bundesministe-riums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung, Einzelplan 23.Ich erteile dem Bundesminister Dirk Niebel das Wort.
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Ich bin nach wie vor der Überzeugung: Nicht dieSumme des ausgegebenen Geldes ist das Entscheidende,sondern die Wirkung, die man damit erzielen kann. DieODA-Quote ist zur heiligen Kuh geworden. Bevor derSaal auf der linken Seite beginnt, sich zu empören,möchte ich Sie darauf hinweisen, dass ich damit nurWilly Brandt zitiert habe, den großen Nord-Süd-Politi-ker, SPD-Bundeskanzler und Nobelpreisträger: Wenn esnach ihm ginge, sollte man von „heiligen Kühen“ und„willkürlichen Messlatten“ ablassen. Hier stehe ich zuBrandt.Ich stehe aber auch zu unseren internationalen Ver-pflichtungen und stelle zugleich selbstbewusst fest, dasssich die Bundesrepublik Deutschland als drittgrößter Ge-ber in der Entwicklungszusammenarbeit weltweit nichtverstecken muss. Wir haben uns nicht vorzuwerfen, dasswir uns zu wenig um die Partnergesellschaften in derWelt kümmern würden. Weil das so ist, werden Sie beiBetrachtung dieses Haushalts, der – wenn es der Haus-haltsgesetzgeber mitträgt – einen kleinen Aufwuchs ha-ben wird, feststellen, dass das, was wir im letzten Jahrgeschafft haben – eine deutliche Erhöhung der Mittel fürdie Zusammenarbeit mit Zivilgesellschaft und Wirt-schaft um 51 Millionen Euro –, hier fortgeschriebenwird. Wir wollen weiterhin die Zivilgesellschaft stärken,bei uns, vor allem aber in den Partnerländern; denn dannwerden die Zivilgesellschaften dort zu Kontrolleuren derPartnerregierungen.Wir stärken weiterhin die Zusammenarbeit mit derdeutschen Wirtschaft, weil wir der festen Überzeugungsind – so steht es auch im Entwurf des Abschlussdoku-ments des MDG-Gipfels in New York –, dass inklusivesWirtschaftswachstum in unseren Partnerländern – eigeneWertschöpfungsketten, die mit eigenen Arbeitsplätzenund eigenen Einkünften zur Armutsbekämpfung beitra-gen – der beste Weg ist, um hier zum Ziel zu kommen.
Wir haben uns vorgenommen, die Arbeitsteilung zuverbessern, die Kohärenz zu erhöhen. Das geht sogar soweit, dass zum ersten Mal in der Geschichte des Ministe-riums eine deutsche Landwirtschaftsministerin den Ent-wicklungsminister besucht hat und wir beide gemeinsamgewaltfrei eine Erklärung abgegeben haben, dass wir unsfür das Auslaufen der EU-Agrarexportsubventionen ein-setzen, etwas, das Rot-Grün und Schwarz-Rot in derVergangenheit nicht geschafft haben.
Wir haben in Deutschland mit unseren Hausaufgabenbegonnen; denn wenn wir von unseren Partnern mehrWirksamkeit verlangen, dann müssen wir das auch vonuns selbst verlangen. Deswegen reformieren wir die Ent-wicklungsorganisationen im staatlichen Bereich dertechnischen Durchführung; hier sind wir auf einem gu-ten Weg. Wir werden Doppelstrukturen abbauen und dieFähigkeit des Ministeriums zur politischen Steuerungzurückgewinnen, damit sich die Durchführungsorganisa-tMtpdEuunPzdwaBdbmdsEHkstBCskEnFeusrcsüldnhn
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(Priska Hinz [Herborn] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Das ist auch kohärentes Handeln!)– Das ist auch kohärentes Handeln, sehr richtig.Schauen wir uns den vorliegenden Haushalt, den Sieals Rekordhaushalt bezeichnen, näher an. An den vorge-sehenen 6,1 Milliarden Euro sieht man, dass es sich umeinen stagnierenden Haushalt handelt. Im Vergleich zumletzten Haushalt sieht man, dass sich nichts geändert hat.Sie haben außerdem vergessen, ein paar Punkte anzufü-gen, nämlich Ihre mittelfristige Finanzplanung, diemittlerweile netterweise vorliegt. Wenn man sich die nä-her betrachtet, stellt man fest, dass der Etat sinkt. Es istvorgesehen, die Ausgaben bis zum Jahr 2014 auf5,6 Milliarden Euro zu senken. Ich hoffe, dass Sie 2014nicht mehr an der Regierung sind. Mit dem, was Siedurch Ihr Tun vorprogrammieren, hinterlassen Sie denje-nigen, die nach Ihnen vernünftige Entwicklungszusam-menarbeit gestalten wollen, eine schwere Hypothek.
Herr Minister, ich hätte eigentlich erwartet, dass Sieuns anhand der mittelfristigen Finanzplanung begrün-den, wie Sie Ihre internationalen Zusagen erfüllenwollen. Sie haben eben gesagt, Sie werden es tun, aberich frage Sie: Wie erfüllen Sie die ODA-Quote? Wie er-füllen Sie die internationalen Zusagen mit dieser von Ih-nen und Ihrem Haus vorgelegten mittelfristigen Finanz-planung? Das möchte ich von Ihnen, aber auch von derKanzlerin wissen, weil sie offensichtlich, im Gegensatzzu dem, was Herr Niebel vorgetragen hat, auf zahlrei-chen internationalen Konferenzen Mittel zugesagt hat,die sich im vorliegenden Haushalt nicht widerfinden.
Ich kritisiere die Kanzlerin nicht dafür, dass sie dieseMittel zugesagt hat. Wir als Sozialdemokraten halten dieBereitstellung von Mitteln für die Ernährungssicherheit,die HIV-Bekämpfung, für Bildung, Müttergesundheitund die Bekämpfung der Kindersterblichkeit für wich-tige und richtige Zusagen der Kanzlerin. Nur: Wo findensie sich in diesem Haushalt wieder? Nirgends! Sie stra-fen mit diesem Haushaltsentwurf die Kanzlerin Lügen.
Ich kann das anhand zahlreicher Beispiele belegen.Rechnen wir einmal zusammen und fangen mit dem Bei-spiel Heiligendamm an. Damals hat sich die Kanzlerinals „Afrika-Kanzlerin“ feiern lassen. Bis 2011 wurdenMittel in Höhe von 3 Milliarden Euro zugesagt. Wo fin-det man in diesem Haushalt die Mittel für Afrika? Siehaben selber gesagt, dass man Subsahara-Afrika mitdemselben Euro stärken muss. Ich habe meine Zweifelan demselben Euro; denn wenn man die Planung fürSubsahara-Afrika und auch für Afrika insgesamt für dasnächste Jahr betrachtet – dies kann man an den Ver-pflichtungsermächtigungen ablesen –, stellt man ein Mi-nus von 42 Prozent fest. Das ist nicht derselbe Euro, denSie eben noch angekündigt haben.4z5TDBüdFWsfetwwhrwsbrEAwbsnksJRnMzAwdkHmM
Zur HIV-Bekämpfung. In Heiligendamm wurdenMilliarden Euro für den Zeitraum von 2008 bis 2015ugesagt. Das sind in jedem Jahr Pi mal Daumen00 Millionen Euro. Heute lese ich in der Presse zumhema Globaler Fonds:Bislang konnte die Bundesregierung lediglich fürdas Haushaltsjahr 2011 ihre Unterstützung zusagen.Darüber hinaus ist Deutschlands Beitrag unsicher.er zuständige Beauftragte des Globalen Fonds, Herrenn, fordert die Bundesregierung auf, ihre Position zuberprüfen und auch im nächsten Haushalt die Mittel füren Globalen Fonds einzustellen. Ich kann mich dieserorderung nur anschließen.
enn es darum geht, Effektivität in der Entwicklungszu-ammenarbeit einzufordern, dann wäre das ein Beispielür effektive Entwicklungszusammenarbeit. Ich nenneinige Schlagworte: 2,5 Millionen Menschen haben Un-erstützung bei der HIV-Behandlung erhalten, präventivurden 104 Millionen Moskitonetze verteilt, seit 2002urden Hunderttausende von Menschen als Gesund-eitsfachkräfte aus- und weitergebildet, es gab Aufklä-ungskampagnen in Schulen zum Thema Malaria, esurden Mittel für Malariaschnelltests zur Verfügung ge-tellt usw. Das ist effektive Entwicklungszusammenar-eit, die Sie, Herr Minister, stoppen wollen. Damit füh-en Sie die Zusagen der Kanzlerin ad absurdum.
Lassen Sie mich weitere Beispiele nennen: L’Aquila,rnährungssicherheit. Sie selbst haben auf eine Kleinenfrage, die wir als SPD-Fraktion gestellt haben, geant-ortet: Sie werden in den Haushalten für die Jahre 2010is 2012 3 Milliarden US-Dollar einstellen. Wo findenich die in Ihrem Haushalt?Zu Kopenhagen kann ich nur sagen: alter Wein ineuen Schläuchen. Das ist das einzige, was Sie hier ver-aufen. Die Kanzlerin hat 1,26 Milliarden Euro zuge-agt, 420 Millionen Euro neues Geld pro Haushaltsjahr.etzt findet man im Bereich Biodiversität Mittel, die zuecht ausgegeben werden, die aber bereits 2008 auf ei-er anderen Konferenz zugesagt wurden.
an findet auch zinsverbilligte Darlehen, obwohl es umusätzliche, frische Mittel, um zusätzliche Kredite ging.lter Wein in neuen Schläuchen. Internationale Zusagenerden nicht eingehalten. Auch dies ist ein Beispiel füras Versagen der Kanzlerin und Ihres Hauses.
Weiteres Beispiel: Mütter- und Kindersterblich-eit. Das ist ein MDG-Ziel, bei dem wir alle in diesemaus uns einig sind, dass auf diesem Gebiet wesentlichehr getan werden muss. Ich erinnere Sie: Eine halbeillion Frauen stirbt jährlich aufgrund von Komplika-
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Dr. Bärbel Kofler
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tionen während der Schwangerschaft, bei der Entbin-dung oder kurz nach der Geburt. 9 Millionen Kindersterben jährlich an behandelbaren Krankheiten. Wir allesind uns einig, dass wir mehr tun müssen, auch mehrMittel zur Verfügung stellen müssen; denn ohne einen fi-nanziellen Einsatz kommt man hier nicht voran.Die Kanzlerin hat 400 Millionen Euro zugesagt. Dasist richtig. Nur, wo findet man das im Haushalt? Für dieHaushalte 2011 bis 2015 müssten das 80 Millionen Europro Jahr sein. Wo ist das Geld dafür in diesem Haushaltzu finden? Nirgends.
Auch wenn ich Unterlagen aus Ihrem Haus immer sospät bekomme, dass es schwerfällt, sie in Debattenbei-träge einzubauen, habe ich mir die Mühe gemacht, mirdie Erläuterungen anzusehen. Ich zitiere aus dem, wasSie hier eingestellt haben. Bei der Finanziellen Zusam-menarbeit gibt es einen kleinen Bereich, bei dem es eineErhöhung um 100 Millionen Euro gibt. Es ist völligokay, dass man hier erhöht; ich möchte nicht missver-standen werden. Aber was steht hier? Der angehobeneAusgabenansatz wird benötigt, um die inhaltlichenSchwerpunkte in internationalen Verpflichtungen derBundesregierung in den Bereichen Klima- und Umwelt-schutz einschließlich Biodiversität, Grundbildung, Ge-sundheit, inklusive HIV-/Aidsbekämpfung, Mütter- undKindergesundheit umzusetzen. Regionaler Schwerpunktder FZ soll weiterhin Afrika sein. – Das wollen Sie miteiner Erhöhung um 100 Millionen Euro machen? Ichhabe gerade vorgetragen, was auf internationaler Ebenealles zugesagt wurde. Wie soll das gehen, vor allem,wenn Sie im nächsten Jahr die Planungen für die Ver-pflichtungsermächtigungen für das nächste Jahr schonwieder um 330 Millionen Euro zurückfahren? Das, wasSie hier tun, ist Mumpitz.
Das und die Tatsache, dass internationale Zusagennicht eingehalten werden, gefährdet die Glaubwürdig-keit Deutschlands. Das, was Sie betreiben – das habenSie auch in dieser Rede getan –, ist mehr als schäbig. Siestellen sich hier hin und tun so, als könnte man Wirk-samkeit der EZ und finanzielle Ausgestaltung gegenein-ander ausspielen.
Sie benutzen diese Argumentation nicht, um eine wirk-samere und effektivere EZ zu gestalten. Sie benutzen sienur, um Ihr Versagen hinsichtlich Ihrer finanziellen Ver-pflichtungen und das finanzielle Desaster dieses Haus-haltes schönreden zu können.
Die Arbeitsgruppe unserer Fraktion fordert Sie auf:Korrigieren Sie den Haushaltsentwurf. Legen Sie einenEntwurf vor, der den internationalen Zusagen, die dieKvwRwFfsdEvnMdgendgKEbsBUmüÖsSDFd–
Das Wort hat nun Christian Ruck für die CDU/CSU-
raktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichreue mich immer, wenn ich nach der Kollegin Koflerprechen kann;
enn dann können wir wieder über die Grundzüge derntwicklungspolitik und nicht nur über ein Feuerwerkon Taschenspielertricks reden.
Wir stehen in diesem Herbst vor drei wichtigen inter-ationalen Konferenzen, die für die Zukunft vonensch und Natur auf der ganzen Welt von großer Be-eutung sind – sie sind auch für unseren Haushalt vonroßer Bedeutung; denn an dieser Herausforderung mussr sich messen lassen –, dem Gipfel der Vereinten Natio-en in New York zur Überprüfung der Millenniumsziele,er Vertragsstaatenkonferenz zur Artenvielfalt in Na-oya und der Vertragsstaatenkonferenz zum Schutz deslimas in Cancún. Auf diesen Konferenzen besprechenntwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer, wie glo-ale Missstände eingedämmt werden können – über dieind wir uns ja einig –: über Armut und unzureichendeildung, über eigentlich vermeidbare Krankheiten, übernterversorgung mit Trinkwasser – dies alles sind The-en, die in den Millenniumszielen behandelt werden –,ber den kaum gebremsten Verlust von Artenvielfalt undkosystemen und schließlich über den Klimawandel miteinen desaströsen Folgen für Entwicklungs- undchwellenländer.Ich sage Ihnen und dir, Bärbel, noch einmal ganz klar:eutschland hat in der Tat für alle Bereiche zu Rechtinanzzusagen ausgesprochen, und die wollen und wer-en wir einhalten.
Jetzt seien Sie doch nicht so kleinmütig.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6127
Dr. Christian Ruck
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Auch der Haushalt 2011 muss und wird dazu einengewichtigen Beitrag leisten.
Wir werden die Zusagen einhalten. Ich werde Ihnen auchsagen, wie wir das machen wollen. Trotz der einmaligenSparzwänge wächst, wie Minister Niebel schon ausge-führt hat, der Einzelplan 23 erneut gegen den allgemei-nen Trend. Dies unterstreicht die große Bedeutung, diedie Bundesregierung diesen globalen Zukunftsfragenbeimisst. Wir haben 2010 eine ODA-Quote von 0,4 Pro-zent erreicht; das ist der höchste Wert seit 20 Jahren. Na-türlich sind wir von der ODA-Quote in Höhe von0,7 Prozent im Jahr 2015 noch ein gutes Stück entfernt.Aber es ist auch nötig, dass wir dieses Ziel mit Realis-mus angehen. Wir brauchen bis 2015 10 Milliarden Euroan zusätzlichen ODA-Mitteln, um das gesteckte Ziel zuerreichen. Dafür brauchen wir einen realistischen Ent-wicklungspfad.
Dieser realistische Entwicklungspfad, liebe Kolleginnenund Kollegen von der Sozialdemokratie, liebe ehemali-gen Koalitionäre, unterscheidet sich in nichts von dem,was wir damals – das haben Sie offensichtlichvergessen – zusammen ausgemacht haben.
Es nützt niemandem, vor allem nicht den Entwick-lungsländern und der Entwicklungszusammenarbeit,wenn wir einen schwachen Euro haben
und wenn die Kraft der europäischen Zusammenarbeitaufgrund einer Destabilisierungspolitik absinkt. Deswe-gen halte ich es für vollkommen richtig, wenn auch dieEntwicklungspolitik auf eine stabile Finanzgrundlagegestellt wird.Wenn du, Bärbel, von der mittelfristigen Finanzpla-nung ausgehst,
dann schau dir einfach einmal die mittelfristige Finanz-planung unter Steinbrück an. Wenn wir das alles hätteneinhalten müssen, dann wären wir damals auf keinengrünen Zweig gekommen.
Deswegen lassen Sie uns doch darüber nachdenken,wie wir über das normale Haushaltsverfahren hinaus inder Lage sind, zum Beispiel durch innovative Finanzie-rhnhdWsEdkmFDDIsh–wsnKswaFnAlpcasadK
as ist etwas, das auch Sie zur Kenntnis nehmen sollten.Ich bin auch der Meinung, dass wir die sehr klugendeen, die die KfW und GTZ hinsichtlich einer Mi-chung von Zuschüssen mit Haushaltsmitteln entwickeltaben, berücksichtigen sollten.
Nein, Sascha, auch das haben wir alles gemeinsam ent-orfen; auch da hast du offensichtlich ein ziemlichchwaches Gedächtnis. – Damit könnten wir eine ver-ünftige zusätzliche Finanzierung vor allem auch fürlimaschutzmaßnahmen erreichen. Das sollten wir zu-ammen angehen.Schließlich wollen wir versuchen – das war immer et-as, was wir gemeinsam haben erzielen wollen; aberuch dabei habt ihr euch komplett verabschiedet –, dieinanztransaktionsteuer doch noch in Europa oder imationalen Kontext auf die Beine zu stellen.
uch dabei wollen wir einen Anteil für die Entwick-ungspolitik haben.
Bei all diesen Vorschlägen wäre es gut, wenn die Op-osition in Anbetracht der zurückliegenden erfolgrei-hen gemeinsamen entwicklungspolitischen Zusammen-rbeit der Kanzlerin und Minister Niebel den Rückentärken würde,
nstatt hier mit Schaum vor dem Mund immer wiederie gleichen Taschenspielertricks vorzuführen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage desollegen Raabe?
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Der Sascha Raabe hat immer Schaum vor dem Mund,
wenn es um den Haushalt geht.
Herr Kollege Ruck, nur eine ganz kurze Zwischen-
frage. Sie sagten gerade, die SPD-Bundestagsfraktion
solle doch bitte der Kanzlerin und Minister Niebel den
Rücken stärken bei der Frage der Einführung einer Fi-
nanztransaktionsteuer, damit wir über die entsprechen-
den Mittel verfügen. Herr Kollege Dr. Ruck, ist Ihnen
bekannt, dass Herr Minister Niebel mehrmals öffentlich
und auch im Ausschuss gesagt hat, dass ihn nicht inte-
ressiert, was die Kanzlerin sagt, er sei gegen eine Fi-
nanztransaktionsteuer? Wie passt das Ihrer Meinung
nach zusammen?
Erstens hat Herr Minister Niebel das in einem ande-
ren Zusammenhang und mit anderen Worten gesagt.
Zweitens sind wir uns inzwischen auch über dieses De-
tail der Entwicklungspolitik einig geworden und näher-
gekommen.
Ich kann nur sagen: Auch die Sozialdemokratie
könnte sich den Ideen der Union und der Kanzlerin an-
schließen. Da fällt Ihnen kein Zacken aus der Krone.
Ich möchte noch einmal auf den Vorwurf eingehen,
wir würden in puncto Biodiversität oder Klimaschutz
unser Wort nicht halten. Auch das ist falsch. Ich halte es
für eine gute Idee der neuen BMZ-Führung, die Bio-
diversitätsmittel in einer Sonderfazilität zusammenzu-
fassen, die allein im Jahr 2011 300 Millionen Euro um-
fasst. Können Sie sich noch erinnern, worum wir uns
damals bei der Vorgängerministerin bemüht haben? Das
war eine Steigerung von 20 Millionen Euro auf 170 Mil-
lionen Euro in drei Jahren. Ich finde, dabei haben wir ei-
nen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht.
Wir werden auch die Verpflichtungen für Cancún er-
füllen. Auch diese Mittel sind in den Haushalt einge-
stellt. Sie müssen aber auch die bilateralen Beiträge zu-
sammenrechnen. Dabei lasse ich mich gern auf jede
Diskussion bei den parlamentarischen Beratungen ein.
Am Schluss wirst du sehen, dass wir auch die Ziele für
Cancún voll und ganz erfüllen werden.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Koczy von den Grünen?
Frau Koczy.
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Zweitens kennen Sie meine Meinung zum Yasuní-ationalpark. Wir haben als Union den Antrag der Grü-en grundsätzlich unterstützt. Das können Sie hier auchuhig einmal ganz deutlich sagen. Das ist auch nicht all-äglich. Es gab bei diesem Antrag und bei diesem Vor-ang insgesamt Tausende von Schwierigkeiten und Pro-lemen, die gelöst werden mussten. Wir haben ihn abermmer unterstützt. Deswegen habe ich überhaupt keinerobleme, zu sagen, dass wir auch weiterhin versuchen,n diesem Projekt dranzubleiben. Wir müssen uns natür-ich konkret fragen, aus welchem Topf bzw. aus welchenuellen dieses Vorhaben finanziert werden kann. Aberch habe Ihnen ja schon bilateral zugesagt, dass wir über-aupt keine Probleme haben, weiterhin gemeinsam zuersuchen, dieses Modellprojekt auf den Weg zu brin-en.
Bitte schön. – Klar ist aber – jetzt sage ich es auch ein-al öffentlich, Frau Koczy –: Das ist nicht meine Mei-ung, sondern das war immer die Meinung unserer Ar-eitsgruppe; das wissen Sie.Für mich ist ganz wichtig, dass das hohe Niveau dernterstützung für den NGO-Bereich, für die Kirchennd Stiftungen, in diesem Haushalt beibehalten wird.uch hier, Herr Niebel, stärken wir dem Fonds den Rü-ken. Für uns ist diese Zusammenarbeit gerade im Hin-lick auf die Unterstützung der Zivilgesellschaft sehrichtig.Ich bin der Meinung, dass die Unterstützung durchie Politik die Unabhängigkeit der NGOs nicht ein-chränken darf. Ich bin aber auch der Meinung, dass jederganisation, die vom Staat Geld bekommt, auch ausntwicklungspolitischen Töpfen, zumindest zu eineminimum an Koordination und Kooperation bereit seinuss; das hat nicht nur mit Afghanistan zu tun, sondernst eine allgemeine Anmerkung. Dies muss dazu führen,ass wir unsere gemeinsamen Anstrengungen noch stär-er bündeln können.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6129
Dr. Christian Ruck
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Herr Niebel, auch was die laufende Vorfeldreform an-belangt, haben Sie uns an Ihrer Seite. Ich halte es fürwirklich wichtig, dass wir dieses Reformwerk, das wirschon unter der Vorgängerregierung durchzusetzen ver-sucht haben, jetzt zügig und erfolgreich abschließen. Dasist für mich auch ein Quantensprung in Sachen Koordi-nation und Effizienz. Auch über diese Aspekte müssenwir natürlich, wie über die finanzielle Ausstattung, im-mer diskutieren. Es geht nämlich auch darum: Wie be-kommen wir mehr politische Effizienz in die Entwick-lungszusammenarbeit?Ich darf daran erinnern: Es ist ganz wichtig, auch inNew York auf die Tagesordnung zu setzen, dass es nichtnur um Geld und Technik gehen darf. Wir müssen nichtnur von uns selbst, sondern auch von den Entwicklungs-ländern mehr politische Effizienz einfordern. Wir habenden Entwicklungsländern damals versprochen, dass wirunsere finanziellen Anstrengungen erhöhen, und dieEntwicklungsländer haben uns versprochen, dass sie fürGood Governance sorgen. Good Governance, gute Re-gierungsführung, ist gerade in Afrika die Grundvoraus-setzung dafür, dass wir mit unseren Finanzen überhauptetwas bewegen können.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Jawohl.
So sehr ich dafür bin, dass wir in den parlamentari-
schen Beratungen noch einmal über die Verpflichtungs-
ermächtigungen für Afrika und andere Teile der Welt
diskutieren, so sehr mahne ich uns, von den Afrikanern
auch Konzeptionen einzufordern – Konzeptionen, die
nicht bei uns entstehen dürfen, sondern in Afrika entste-
hen müssen –, wie der Reichtum in Afrika besser ver-
waltet werden kann und wie zu verhindern ist, dass
Afrika aufgrund der Korruption untergeht. Außerdem
sollten wir über Sicherheit und Entwicklungspolitik
nachdenken.
Herr Kollege!
Wir sollten uns bei der Beratung des Einzelplans 23
nicht nur über die Finanzen streiten, sondern uns auch
überlegen, wie wir konzeptionell neue Wege gehen kön-
nen, damit wir mit dem Geld, das wir zur Verfügung ha-
ben, am Schluss den optimalen Erfolg erzielen.
Vielen Dank.
Das Wort hat Kollegin Heike Hänsel für die Fraktion
Die Linke.
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Herr Niebel, Sie stellen sich hier ja gern nassforschin und erzählen viel. Aber Fakt ist, dass die Entwick-ungspolitik auch mit Ihnen auf verlorenem Posten steht.as sieht man ganz klar an diesem Haushalt. Sie habenben nicht für einen deutlicheren Aufwuchs gekämpft.as wäre ja durchaus möglich gewesen. Sie hätten sichielleicht einmal mehr anstrengen müssen. Sie habenicht dafür gekämpft, und mittlerweile fehlen mehr als,5 Milliarden Euro, um die ODA-Quote mittelfristig zurreichen. Wir sind überhaupt nicht im Zeitplan, und dasiegt natürlich auch an Ihnen. Von daher wäre ich an Ih-er Stelle einmal ein bisschen bescheidener in meineneden.
Ganz zu schweigen ist an dieser Stelle von den sonsti-en Versprechungen der Kanzlerin. Das wurde hieruch schon erwähnt. Ich will gar nicht mehr ausführen,uf wie vielen Regierungs- und Klimagipfeln Geld ver-prochen wurde, das sich in diesem Haushalt für dasächste Jahr nicht finden wird. Ich habe heute den gan-en Tag in den Debatten etwas von einer verantwor-ungsvollen Politik und davon gehört, dass Sie Ihre inter-ationale Verantwortung tragen. Dazu kann ich nuragen: Dieser Haushalt ist Ausdruck einer verantwor-ungslosen Politik.
Ich bin einmal gespannt. In New York reisen Sieahrscheinlich mit einer großen Delegation an. Dortird dann viel über die Millenniumsziele geredet, aberiese Politik haben die Leute satt. Heute und nicht erstuf irgendwelchen Gipfeln hätte die Kanzlerin über dieillenniumsziele und über die Entwicklung reden müs-en.
Es gab in diesem Jahr die großen Katastrophen inaiti und Pakistan, und es ist beschämend gewesen zuehen – das finde ich tragisch –, wie wenig Geld dieundesregierung zur Verfügung gestellt hat. Es war je-es Mal weit unter dem, was die Bevölkerung gespendetat. Wenn wir uns die entsprechende Position an-chauen, dann sehen wir, dass auch diese Mittel weiterekürzt werden sollen. Obwohl wir wissen, dass es auf-rund des Klimawandels mehr Naturkatastrophen gebenird, will die Bundesregierung die Mittel für die Not-
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6130 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Heike Hänsel
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hilfe und für die Flüchtlingspolitik noch weiter kürzen.Das ist ein Skandal.
Das betrifft auch die Anpassungsmaßnahmen auf-grund des Klimawandels, die überhaupt nicht ausrei-chend sind. Das betrifft leider auch – Frau Koczy hat esangesprochen – gute, zukunftsweisende Projekte wie inEcuador. Herr Ruck, ich finde es ein Unding, dassDeutschland jetzt nichts geben wird, nachdem so vieleSchwierigkeiten aus dem Weg geräumt wurden und sichso viele Leute bemüht haben, dass endlich ein Fonds ent-steht, in den von der internationalen Gemeinschaft Geldfür Ecuador eingezahlt werden soll, damit das Land aufdie Erdölförderung verzichten kann. Das ist ein Unding.Für was machen wir die ganze Arbeit hier?
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Schuster?
Ich möchte jetzt keine zulassen; am Ende kann sie et-
was sagen. Ich möchte jetzt weiter ausführen. – Danke
schön.
Am Ende ist es ja keine Zwischenfrage mehr.
Der Freiwilligendienst „weltwärts“ ist auch einwichtiges Zukunftsinstrument. Viele Organisationensind darauf angewiesen, und sie brauchen vor allem Pla-nungssicherheit. Auch in meinem Wahlkreis gibt es etli-che Jugendliche, die aufgrund dieses Dienstes jetzt einJahr im Ausland verbringen können. Sie brauchen dieseUnterstützung, und sie brauchen das Geld und rechtzei-tig eine Zusage, um planen zu können. So wie Sie damitumgehen – es gibt keinen Aufwuchs, die Höhe der Mit-tel stagniert also, und die Aussagen sind unsicher –, wer-den viele kleinen Organisationen das nicht mehr machenkönnen.
Auch das ist ein Unding. So können Sie damit nicht um-gehen.Herr Niebel, Sie sprechen von jungen Menschen, dieSie unterstützen wollen, und haben eine Werbebroschüreherausgebracht. Es freut Sie, wenn immer mehr Men-schen das machen können; aber es gibt nicht genügendGeld, um Planungssicherheit zu erreichen. Es zeugt fürmich von entwicklungspolitischer Dummheit, wenn manin diesem Bereich spart.hvmGtvuBktdwtDksdillVgAgdEwsjSidAtEMt
Das betrifft auch den Zivilen Friedensdienst. Auchier wird gespart. Das ist ein wichtiges Instrument inielen Konfliktregionen. Auch hier könnte man vielehr machen. Stattdessen geben Sie lieber noch mehreld nach Afghanistan, weil dort ja die Bundeswehr sta-ioniert ist, die Erfolge aufweisen soll. Dort wird sehriel Geld gebunden,
nd Sie zwingen Entwicklungsorganisationen, mit derundeswehr zusammenzuarbeiten. Herr Niebel, das isteine Aufbauhilfe, das ist Kriegsunterstützung.
Jetzt möchte ich noch einige Sätze sagen: Die Institu-ionenreform wird ja viel diskutiert. Ihre Hauptreform,ie Sie vorhaben, ist eine ganz andere. Das Bundesent-icklungsministerium soll zur Durchführungsorganisa-ion für die deutsche Wirtschaft werden.
as ist der Kern Ihrer Politik, und das werden wir be-ämpfen. Ich frage mich nämlich: Wo ist denn die deut-che Wirtschaft, wenn es um billigere Medikamente inen Ländern des Südens geht? Wo ist denn die Pharma-ndustrie, wenn sie für heilbare Krankheiten in Entwick-ungsländern forschen soll? Wir laden in den Entwick-ungsausschuss dazu ein, aber es kommt kein einzigerertreter. Wenn es um Rohstoffpolitik und Marktzugangeht, dann kommt der BDI mit 20 Vertretern in unserenusschuss. Das zeigt doch, in welche Richtung es hiereht. Das ist in meinen Augen eine fatale Entwicklung,ie die Linke konsequent bekämpfen wird.
s geht nämlich um eine ganz andere Entwicklung.Sie sagen immer, mehr Wachstum bringe mehr Ent-icklung. Schauen wir uns das einmal konkret am Bei-piel Lateinamerika an, wo es große Infrastrukturpro-ekte gibt, zum Beispiel von ThyssenKrupp, das eintahlwerk baut. Dort verlieren über 10 000 Kleinfischerhre Existenz. So sieht es konkret aus. Sie brauchen nichtiese Form von Investitionen. Wir müssen endlich dieusbeutung in diesen Ländern stoppen. Das ist ein Bei-rag zur Armutsbekämpfung.
Die großen Infrastrukturprojekte sind kein Beitrag zurntwicklung. Auch hier, in Stuttgart, erkennen das dieenschen. Darüber wurde heute schon mehrmals disku-iert. Auch Stuttgart 21 ist ein sinnloses Projekt.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6131
Heike Hänsel
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Menschen sowohl in den Ländern des Südens als auchhier gehen gegen solche Projekte auf die Straße. Dashalte ich für sehr wichtig. Die Linke unterstützt dieseProteste.
Bitte, Sie müssen zum Ende kommen.
Ich komme zum Schluss. Auch Herr Ruck hat sich
hier sehr lange ausgebreitet.
Herr Niebel, bei unserem Wirtschaftssystem geht es
nicht um Solidarität und Entwicklung, sondern da geht
es um Profit um jeden Preis, auch wenn es Menschenle-
ben kostet. Deswegen werden wir den Ausverkauf der
Entwicklungspolitik, wie Sie es vorhaben, verhindern.
Das Wort hat nun Thilo Hoppe für die Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichrede jetzt zum Haushalt.
Es ist schon viel Richtiges, aber auch sehr viel Verwir-rendes gesagt worden. Ich befürchte, dass wir im weite-ren Verlauf der Haushaltsdebatte seitens der Regierungnoch viel Jonglieren mit Zahlen und auch viel Schön-rechnerei erleben werden. Das erinnert mich manchmalan die Sendung, die man unmittelbar nach Wahlen erle-ben muss, wenn selbst die Wahlverlierer sagen: Aber imVergleich zur Kommunalwahl 1949 haben wir um0,5 Prozent zugelegt. – Lassen wir diese Rechentrickseinmal beiseite.Wir haben heute schon das Stichwort „Rekordhaus-halt“ gehört. Wir haben immer wieder gehört, Deutsch-land bleibe drittgrößter Geber. Kein Weg führt daranvorbei, die Fakten einfach anzuschauen und zur Kennt-nis zu nehmen: In dem Haushalt 2011, den wir heute dis-kutieren, klaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit4 Milliarden Euro.
– Das muss man eigentlich nicht beklatschen. – Es sindnicht nur 1,5, sondern 4 Milliarden Euro. 4 MilliardenEuro mehr wären nötig, um auf dem Pfad zu bleiben, derzur Erreichung des 0,7-Prozent-Ziels führt. Stattdessenwird der Entwicklungsetat eingefroren. Bei der humani-tt–wdbgfDammiBbÄfN2bKvvcpsdfashwweIgMwkwsMJSAnw
Dazu komme ich noch, Herr Fischer. Das ist der Ein-and, der jedes Mal vorgebracht wird. Ich werde immeras Gleiche darauf sagen.
Aus den vorgelegten Haushaltszahlen ist klar erkenn-ar, dass die ODA-Quote 2011 sinken wird. Für diejeni-en unter den Zuschauerinnen und Zuschauern, die sichragen, wer ODA ist: Das ist die Abkürzung für Officialevelopment Assistance. Damit meint man die Summeller Finanzmittel, die ein Staat für Entwicklungszusam-enarbeit und humanitäre Hilfe ausgibt. Schon seitehr als 30 Jahren wird auf internationalen Konferenzenmmer wieder versprochen, mindestens 0,7 Prozent desruttonationalprodukts für Entwicklungszusammenar-eit und humanitäre Hilfe auszugeben und mit denrmsten der Armen zu teilen. Auf der Millenniumskon-erenz im Jahr 2000 ist dann versprochen worden – vieleationen haben es versprochen –, diese Zielmarke bis015 endlich zu erreichen.Der Minister hat diese Zielmarke als „heilige Kuh“ezeichnet, aber nicht klargemacht, ob er diese heiligeuh schlachten will, ob er sich dann von diesem Zielerabschiedet. Mit dem Haushalt, mit den Zahlen, dieorgelegt werden, können wir dieses Ziel so nicht errei-hen.Wenn der Haushaltsentwurf der Bundesregierung imarlamentarischen Verfahren nicht noch sensationell undubstanziell nachgebessert wird, dann wird Deutschlandie international gemachten Zusagen definitiv nicht er-üllen. Jetzt versuchen Sie bitte nicht, die Stagnationuch noch als Erfolg zu verkaufen. Wir haben das heutechon in der ersten Rede nach dem Motto gehört: Haus-altszwänge sind da. Wir mussten überall kürzen, undir haben überall gekürzt. Aber dieser Bereich ist uns soichtig, dass er vor weiteren Kürzungen bewahrt wurde.Bitte verkaufen Sie die Bürgerinnen und Bürger undrst recht nicht diejenigen für dumm, die in den Kirchen,nitiativen und NGOs und in unseren Durchführungsor-anisationen in der Entwicklungszusammenarbeit allesögliche tun, um extreme Armut und Hunger zu über-inden. Diese Menschen kennen die Zahlen, und sieennen auch die Haushaltszahlen, die heute vorgelegturden.Kommen Sie auch bitte nicht mit dem Argument, esei völlig unrealistisch, die ODA-Zusagen einzuhalten.an hat sich doch bei der Steuerschätzung verrechnet.etzt ist gerade die gute Nachricht gekommen, dass dieteuereinnahmen höher sind als zunächst angenommen.llein mit diesen Mehreinnahmen, die man vor kurzemoch gar nicht im Blick hatte, kann die Lücke gefüllterden.
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6132 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Thilo Hoppe
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Es wäre doch für Frau Merkel und Herrn Niebel vielschöner und besser, nicht mit leeren Händen nach NewYork zu fahren, sondern mitteilen zu können, dass wirnoch einmal die Kurve gekriegt haben und Deutschlandden ODA-Stufenplan erfüllt.Nein, die Überwindung von extremer Armut undHunger, die Bekämpfung von Malaria, Tuberkulose undAids nehmen Sie zwar ernst – das wollen wir nicht inAbrede stellen – und Sie tun auch etwas, aber sie habenin der Bundesregierung nicht die Priorität, die sie eigent-lich haben müssten.Sie tun nicht das, was Sie tun könnten. Sie gebennicht das, was sie geben müssten.
Diesen Vorwurf können und werden wir Ihnen nicht er-sparen. Gleichzeitig sage ich zum wiederholten Male,Herr Fischer: Dieser Vorwurf trifft auch leider auf beideVorgängerregierungen zu. Seit der Millenniumserklä-rung im Jahr 2000 hat keine Bundesregierung das, wassie auf internationaler Ebene versprochen hat, mit kon-kreten Haushaltszahlen unterlegt.
Zu kritisieren ist dabei die Mannschaftsleistung. DieEntwicklungspolitiker haben sich jedes Mal ins Zeug ge-worfen und versucht, die Einhaltung der Zusagen zu er-reichen, aber die Mannschaftsleistung war mangelhaft.Sie konnten sich nicht durchsetzen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Fischer?
Ja.
Herr Kollege Hoppe, können Sie mir bestätigen, dass
in der Zeit der rot-grünen Koalition die Beträge im
Haushalt praktisch stabil waren – sie sind sogar leicht
gesunken – und dass es in den vergangenen vier Jahren
einen Aufwuchs um rund 500 Millionen Euro jährlich
gab?
Herr Kollege Fischer, jetzt geschieht genau das, was
ich am Anfang beschrieben habe. Es ist wie in den Wahl-
sendungen: Jeder bemüht jetzt irgendwelche Statistiken
und Steigerungsraten.
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Das Wort hat nun Kollege Jürgen Koppelin für die
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Daer Haushalt, den wir verabschieden, ein Gesetzentwurfst, wünsche ich mir, dass sich jeder Abgeordnete, egalür welchen Bereich er zuständig ist, mit dem Haushalts-lan insgesamt beschäftigt. Ich bewundere das Engage-ent, das jeder in seinem Fachbereich aufbringt, zumeispiel Frau Kollegin Hänsel. Aber ich vermute, dassie die Frage, wie viele Zinsen die Bundesrepublikeutschland für die Schulden zahlen muss, die im Laufeer Jahre angehäuft worden sind, nicht beantworten kön-en. Ich rate Ihnen deshalb dringend, einen Blick in denundeshaushalt zu werfen.Insofern habe ich alle Achtung davor, dass es Minis-er Niebel gelungen ist, den Haushalt so aufzustellen,ie er vorgelegt worden ist. Denn angesichts der Einspa-ungen, die wir vornehmen müssen, ist das eine großar-ige Leistung. Wir haben in den Koalitionsfraktionen er-ebt, wie er für seinen Haushalt gekämpft hat. Das ist mirichtig, und dem gelten meine Anerkennung und meinespekt.
Es gibt bestimmte Dinge, die bisher nicht erwähnturden, die man aber auch ansprechen muss. Es gehtchließlich nicht allein um Geld. Man muss sich auchragen, was mit dem Geld geschieht. Insofern hätte ichelbst von der Opposition eine Bemerkung zu dem er-artet, was zum Beispiel gerade im Kongo geschehen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6133
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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ist, wo die Konten der GTZ gesperrt und Gegenständebeschlagnahmt wurden. Man müsste auch über die Bud-gethilfe und andere Fragen sprechen.Die Probleme sind vielfältig. Aber Sie wollen nur pau-schal darlegen, dass diese Regierung nicht genügendGeld zur Verfügung stellt, und berücksichtigen nicht, dasswir Probleme auch in unserem Land haben. Die Schuldensind im Laufe der Jahre so hoch geworden, dass ich im-mer sage: Auf Schuldenbergen können unsere Kindernicht spielen. Daran müssen wir denken. Ich könnte esmir ganz einfach machen. Nachdem hier beispielsweisedie Hotelsteuer mehrfach angesprochen wurde – darüberkann man streiten –, sage ich an die Adresse der Sozial-demokraten: Wenn wir noch die 11 Milliarden hätten, dieSie durch die Beteiligung der Bundesrepublik Deutsch-land an der IKB in den Sand gesetzt haben, könnten wirdie ODA-Quote erreichen und noch vieles andere finan-zieren. Sie haben über 11 Milliarden Euro in den Sand ge-setzt! Das ist eine einzige Schande für diese Republik.
Herr Minister Niebel, ich bin sehr dankbar, dass Sieetwas aufgegriffen und gemacht haben, woran schon an-dere sich versucht haben und teilweise gescheitert sind.Sie haben endlich die richtigen Schritte zur Zusammen-führung der deutschen Entwicklungshilfe unternom-men, um sie zu konzentrierter, wirksamer und zielge-nauer zu machen. Das ist eine große Leistung. Wir sindauf einem guten Weg. Über das eine oder andere kannman noch sprechen. Über die Feinheiten kann noch imFachausschuss und im Haushaltsausschuss diskutiertwerden. Aber eines steht fest: Doppelstrukturen werdenabgebaut. Die Entwicklungshilfe wird wirksamer undzielgenauer. Das ist wichtig.Noch etwas anderes ist wichtig: Sie haben endlichdieses Ministerium zu einem vollwertigen Ministeriumgemacht. Es ist nicht mehr ein Marionettenministerium,wie es zum Beispiel in der letzten Legislaturperiode derFall war. Dazu kann ich nur sagen: Alle Achtung!
Ich will noch einen Punkt ansprechen, der mir eben-falls wichtig ist. Das sind die Freiwilligendienste. Ichnehme sehr ernst, was Rupert Neudeck und andere zumProgramm „weltwärts“ gesagt haben. Ich bin für Frei-willigendienste, keine Frage. Aber man darf wohl hinter-fragen, was mit dem Geld geschieht, ob diese Dienstesinnvoll sind und wie die Einsätze aussehen. Nach einerStatistik handelt es sich bei den Teilnehmern zu über90 Prozent um Abiturienten. Schauen Sie sich das allesganz genau an! Lassen Sie uns doch die Freiwilligen-dienste für die jungen Menschen effektiv und sinnvollmachen! Es darf sich dabei nicht um eine Art Reiseun-ternehmen handeln. Herr Neudeck hat das zu Recht kriti-siert. Ich finde es nicht gut, in welcher Form der Ge-schäftsführer des Deutschen Entwicklungsdienstes dieÄußerungen von Herrn Neudeck kritisiert hat. Ich sageals Parlamentarier in aller Deutlichkeit: Kritik an RupertNeudeck in dieser Form steht dem Geschäftsführer desDED nicht zu. Das ist meine Auffassung.glQdbmgswdEtLwMWdsurafarDsfRswkasdKtwsrw
Ich will trotzdem konzedieren, dass Minister Niebelür seinen Etat gekämpft hat. Der Gesamthaushalt stehtber unter starkem Druck. Aber warum ist das so? Wa-um schrumpft er? Das liegt daran, dass man bestimmteinge getan hat: das schreckliche Klientelwachstumsge-etz, die Maßnahmen zur Schwächung der Binnennach-rage, die Belastung der Schwachen und die Stärkung dereichen. Das alles stellt ein großes Problem für den Ge-amthaushalt dar. Ich erinnere daran, wie sehr die Ent-icklungsländer unter der Finanz- und Wirtschafts-rise leiden, und greife die Frage von Herrn Koppelinuf: Was ist eigentlich mit den Banken? Wir haben be-timmt Fehler gemacht. Aber warum werden die Banken,ie den Bundeshaushalt belasten, als Verursacher derrise nicht stärker finanziell beteiligt? Das wäre verdien-ermaßen eine Einnahmequelle, die helfen könnte. Aberas machen Sie? Sie machen nichts.
Es gäbe auch andere Möglichkeiten. Man könnte bei-pielsweise über ein Abzinsungsgebot bei den Risiko-ückstellungen für Atomkraftwerke nachdenken. Dasäre eine gigantische Einnahmequelle. Darüber lohnte
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6134 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Lothar Binding
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es sich nachzudenken. Aber Sie wollen mit den Atom-kraftwerken etwas anderes machen.Ihre gravierenden Fehlentscheidungen bei der Außen-steuer in Form von Konzerngeschenken – ich nenne nurFunktionsverlagerung und Mantelkauf – sind ein Desas-ter für diesen Haushalt. Ich nenne auch die fehlendeFinanztransaktionsteuer. Ich wüsste jetzt gern, ob DirkNiebel für oder gegen die Finanztransaktionsteuer ist,aber das klärt ihr besser unter euch. Zusätzlich bringennoch die Frage der CO2-Zertifikate-Verwendung und na-türlich die gravierende Fehlentscheidung im Zusammen-hang mit der Umsatzsteuer für Hotels diesen Gesamt-haushalt unter Druck. Gemessen an diesem Druck, demDesaster und der Schrumpfung ist dieser Haushalt – sta-gnierend – ein Lob für den Minister, das kann man sichersagen.Was sollen wir nun eigentlich tun, um die Verspre-chen einzulösen, denn das Ziel haben wir doch alle? –Wir bräuchten 4 Milliarden Euro, das hat der KollegeHoppe schon vorgetragen. Das wird ein ganz schönesProblem in diesem Haushalt werden. Wir werden uns si-cher nicht trauen, unsere Vorschläge für 4 MilliardenEuro vorzutragen, denn wir wissen, dass die Maßnah-men, die man für die Gegenfinanzierung bräuchte, in derKoalition keine Mehrheit haben. Hätten diese Maßnah-men eine Mehrheit, dann hätten wir auch die 4 Milliar-den Euro. Diesen Widerspruch müsst ihr unter euch aus-machen.Wie funktioniert dieser Haushalt überhaupt? Vergli-chen mit dem Haushalt 2010 ist er stabil. Aber zu wel-chem Preis? Rechnen wir einmal die Einsparungen bezo-gen auf den Finanzplan 2011 heraus, die sich durchdisponible und flexibilisierbare Mittel ausgleichen las-sen, dann wird die Lücke von 250 Millionen Euro da-durch geschlossen, dass man sich verspricht, dies in denFolgejahren als Kürzung hinzunehmen und in diesemHaushalt schon heute eine Schrumpfung der Mittel biszum Jahr 2014 eingeplant hat. Jetzt kommt der Kardinal-fehler: Man verspricht auch heute noch, bis zum Jahr2015 auf eine ODA-Quote von 0,7 Prozent zu kommen.Gleichzeitig sieht die Finanzplanung aber sinkendeHaushaltsmittel vor. Wie dieser Widerspruch halbwegsseriös aufgelöst werden soll, müsste die Koalition unsnoch einmal erklären.Wie fragil dieses gesamte Gebilde überhaupt ist, merktman an Bemerkungen, die plötzlich aus einer ganz ande-ren – aber keiner unwichtigen – Ecke des politischen Um-feldes kommen, nämlich aus der Ecke der FDP im Euro-päischen Parlament. Der Kollege Chatzimarkakis hatgesagt, man solle das Ministerium mit dem AuswärtigenAmt verschmelzen. Wenn wir wissen, welche Leistungs-kraft dort gegenwärtig ist, dann wissen wir auch, was erdamit tatsächlich gemeint hat.
Noch vor sechs Jahren hat Dirk Niebel gesagt, er setzesich dafür ein, dass die Staatengemeinschaft hinsichtlichdes Millenniumsgipfels bekräftige, die Ziele bis 2015gemeinsam erreichen zu wollen. Ich bin zu 100 Prozentd’accord, frage aber: Wo ist der Aktionsplan? – Ich erin-neeeDlhsvmifgddRteb3nmmwgjluwsImmlvDFdadhamonsun
a wir damals alles falsch gemacht haben, jetzt aber al-es sauber laufen soll, vermisse ich diesen Aktionsplaneute, wenn der Minister diese Erfolge für sich in An-pruch nehmen will.
Es gibt da noch einen zweiten Satz in diesem Inter-iew: Wir müssen festlegen, was wir bis 2015 unterneh-en wollen. Ich hätte mir gewünscht, das stünde schonm Haushalt, anstatt zu sagen: „Wir müssen das einmalestlegen.“ – Nein, wo sind die Verpflichtungsermächti-ungen, die das unterlegen? Wo ist der Gesamthaushalt,er das hergibt? Wo ist die mittelfristige Finanzplanung,ie das begründet?Wir stellen fest: Das Versprechen geht in die eineichtung, die Haushaltsrealität geht in die andere Rich-ung. Diesen Widerspruch müsste uns die Koalition nochrklären. Im Detail gesprochen: Der Finanzplan schrumpftei einer ODA-Quote, die eigentlich steigen müsste, um00 bis 400 Millionen Euro. Das kann man eigentlichur dann schaffen, wenn das Bruttoinlandsprodukt dra-atisch sinken würde, weil die ODA-Quote dann auto-atisch steigt. Ich glaube aber, das ist nicht das, was Sieollen.Kommen wir zu einem wichtigen Thema, bei dem ichlaube, dass der Minister relativ ordentlich gearbeitet hat,edenfalls über eine lange Zeit, nämlich die Zusammen-egung der drei Förderinstitutionen InWEnt, DEDnd GTZ, die jetzt zu einem integrierten Gesamtsystemerden sollen. Das finden wir gut. Im Ausland einen An-prechpartner zu haben, ist gut. Es war auch gut, die dreinstitutionen zu fragen, wie sie sich das vorstellen. Manuss aber sagen: Gegenwärtig schweben die Arbeitneh-er in einer gewissen Unsicherheit. Es gibt keinen Über-eitungsvertrag. Wir kennen noch keinen Gesellschafts-ertrag. Wir kennen den Gesellschaftszweck noch nicht.ie tarifrechtlichen Fragen sind noch ebenso offen wieragen der Alterssicherung. Ich finde es ganz schlecht,ass der Integrationsprozess fehlt. Im Moment tut man so,ls ob es bis zum 31. Dezember keine Zukunft gibt, um abem 1. Januar so zu tun, als hätte es nie eine Vergangen-eit gegeben.Das ist bei einer Fusion ein schwerer Fehler, wie wirus Erfahrungen in der Industrie lernen konnten. Dauss sehr viel passieren. Wir haben zu Recht eine außer-rdentliche Aufsichtsratssitzung beantragt, um einen ge-aueren Einblick zu bekommen, was dort eigentlich pas-iert, was beabsichtigt ist, welche Ziele definiert sindnd insbesondere wie die politische Steuerung funktio-iert.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6135
Lothar Binding
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Oft wird politische Steuerung falsch verstanden, und eswird so getan, als ob es ausreiche, wie in einer Abtei-lung, sich kleinkariert in das operative Geschäft einzu-mischen. Es ist doch interessant, zu wissen, wie die Ziel-definition des Ministeriums in eine bisherige Auftrags-verwaltung übertragen wird.
Man merkt, dass der Haushalt an einer Stelle falsch un-terlegt ist. Hier kommen drei Strukturen zusammen. Fürdie eine gab es Verpflichtungsermächtigungen, für diebeiden anderen nicht. Jetzt wird fusioniert, aber die Ver-pflichtungsermächtigungen betreffen nur die eine Insti-tution. Was ist eigentlich mit den anderen? Wie ist dieZukunft der GIZ, der Gesellschaft für Internationale Zu-sammenarbeit, überhaupt zu sehen? Da bleibt ein großesAufgabengebiet. Wir erkennen, dass ein entwicklungs-politisches Leitbild fehlt. Eine letzte Bemerkung: Das istein guter Schritt, aber es ist auch wichtig – auch wennmanche Bankvorstände das nicht so sehen würden –,künftig die finanzielle Zusammenarbeit in diesen Kom-plex zu integrieren. Erst dann hat man eine einheitlicheInstitution in der Entwicklungszusammenarbeit geschaf-fen, die Planungssicherheit für die Zukunft gibt.Ich möchte noch eine Frage stellen, die möglicher-weise später beantwortet wird. Es fällt bei all diesen Lü-cken hinsichtlich der Verpflichtungsermächtigungen auf,dass die Weltbank die höchsten VE bekommen hat, diees bisher in der Geschichte gab. Jetzt fragt man sich, wiedas eigentlich kommt. Hat das etwas mit dem angestreb-ten Sitz im Sicherheitsrat zu tun? Würde möglicher-weise, wenn dieses Ziel erreicht ist, diesbezüglich etwasganz anderes geschehen? Wir wissen, dass es immernoch ein Dogma gibt, über das wir nachdenken müssen:Das Verhältnis von bilateraler zu multilateraler Hilfe sollzwei zu eins sein. Dabei wird nicht realisiert, dass sichinzwischen die Arbeitsweise vieler Institutionen in derWelt nicht mehr in dieses Schema pressen lässt. DerGlobal Fund oder GAVI arbeiten ganz anders, nämlichin Dreiecksverhältnissen.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Man könnte in der Zukunft eine völlig neue Politik
gestalten. Vielleicht könnte man sogar eine eigene Haus-
haltsstelle für GAVI schaffen und GAVI aus dem UN-Ti-
tel für die UN herausnehmen. Damit würde der Unter-
schied zwischen bilateral, multilateral und einem dritten
Weg deutlicher.
Herr Kollege, Sie müssen zum Ende kommen.
Dieser Unterschied wird zunehmend verwischt.
Vielen Dank.
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enn Sie mit dem Finger auf jemanden zeigen, danneigen drei Finger auf Sie selbst. Das ist nicht hilfreich.s ist auch nicht hilfreich, wenn man wie die Kolleginänsel das Bild von einem kriegsbesessenen Deutsch-and mit einer noch kriegsbesesseneren Bundesregierungalt, der nichts Schöneres passieren kann, als in einand, in dem die Bundeswehr im Einsatz ist, Geld zutecken. Ich frage mich, wo Sie gewesen sind, als dieondoner Konferenz und die Kabuler Konferenz stattge-unden haben. Was hätten Sie denn gesagt, wenn wir unsls Einzige in der internationalen Staatengemeinschafteweigert hätten, unseren Beitrag zum Wiederaufbau infghanistan zu leisten? Es ist doch hanebüchen, was Sieier erzählen.
Darüber, dass Sie die Bundeswehr in Afghanistanicht haben wollen und Sie die Bundeswehr eigentlichirgendwo haben wollen,
önnen wir lange diskutieren. Aber wir kommen nichtu einem vernünftigen Ergebnis. – Ich will aber eines sa-en: Das BMZ hat – das war unter der Leitung von Frauieczorek-Zeul, damit keine Legenden gestrickt wer-en – bei der Freien Universität Berlin eine Studie überfghanistan in Auftrag gegeben. Eines der Ergebnisseer Studie war, dass es einen Zusammenhang zwischenicherheit und Entwicklung gibt und die internationaleemeinschaft dann den größten Erfolg hat, wenn militä-isches und ziviles Handeln Hand in Hand gehen. Wennie es uns nicht glauben: Der EU können Sie es am Endees Tages glauben.
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6136 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Holger Haibach
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Insofern muss man den Einzelplan, wie er heute vor-liegt, in den Kontext der gegenwärtigen Haushaltssitua-tion stellen. Das ist genau das, was Herr Binding fürmich überraschenderweise getan hat. Es gibt ein Pro-blem, aber dieses Problem – das hat Herr Hoppe dasletzte Mal sehr schön gesagt – ist nicht das Problem un-serer Koalition; das war schon das Problem aller Koali-tionen vorher. Natürlich haben wir eine massive Schwie-rigkeit, und die heißt: Verpflichtungsermächtigungen.Die Verpflichtungsermächtigungen sind ein Problem füruns – das wissen auch alle Beteiligten –, aber sie warenes schon unter Herrn Eichel und auch unter HerrnSteinbrück. Deswegen ist das nichts, was Sie spezielldieser Bundesregierung oder diesem Minister anlastenkönnen.
Nichtsdestoweniger finde ich: Wenn wir eine Auf-gabe im Haushaltsverfahren haben, dann ist es die, ge-nau an der Stelle etwas zu machen.
Wir sind uns auch durchaus einig darüber, dass wir dasmachen wollen.Ich möchte die Diskussion über Effizienz und überdie Frage: „Haben wir einen vernünftigen, effizientenund guten Mitteleinsatz?“ nicht als Ersatzdebatte sehennach dem Motto: Jetzt haben die nicht genügend Geldoder wollen nicht genügend Geld bereitstellen, und des-wegen reden die mal kurz über Effizienz.
– Nein. Die Reform des entwicklungspolitischen Vor-felds zur Effizienzsteigerung der deutschen Entwick-lungszusammenarbeit war überfällig.
Wir haben es in einem Jahr hinbekommen, ein Konzeptdazu vorzulegen. Sie haben das nicht geschafft. – Das istder eine Punkt.
Der zweite Punkt. Man muss immer einmal fragen:Warum macht man das eigentlich? Es gibt mehrereZiele, die erreicht werden sollen, etwa die Effizienzstei-gerung. Ziel ist aber auch, dass Politik, dass diesesMinisterium gegenüber den Durchführungsorganisatio-nen tatsächlich steuerungsfähig ist. Es ist vollkommenklar, dass ein Ministerium, das mit genauso vielen Mitar-beitern wie vor vier oder fünf Jahren anderthalb mal soviele Mittel verausgaben kann, das Problem haben wird,Steuerungsfähigkeit in irgendeiner Form vernünftig her-zustellen. Auch das ist etwas, was wir mit der Vorfeldre-form erreichen wollen. All die Fragen, die Herr Bindingangesprochen hat, sind auch wichtig, müssen auch gelöstwerden, aber das weiß doch auch jeder von uns.1dDOwtWdngdzdsdNdSzfcztddmvAMbsEAtdWdwwmdiznsstDFSrI
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6137
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nach sehr strengen Kriterien neun Ländern Budgethilfe.Gleichzeitig finanzieren wir den Europäischen Entwick-lungsfonds, der nach viel lascheren Bedingungen we-sentlich mehr Ländern Budgethilfe gibt. Warum ist dasso? Weil der Europäische Entwicklungsfonds offensicht-lich ein Mittelabflussproblem hat. Insofern ist es richtig,sich das einmal genauer anzuschauen. Es kann doch nureins von beiden richtig sein. Selbst wenn man ein großerFan von multilateralen Maßnahmen ist, sollte man einInteresse daran haben, dass das einmal überprüft wird.
In dem Zusammenhang möchte ich noch auf ein Wei-teres zu sprechen kommen: Die ursprüngliche Idee füreuropäische Entwicklungshilfe war, abgestimmt vor-zugehen. Europäische Entwicklungspolitik sollte da ein-greifen, wo nationalstaatliche Entwicklungspolitik auswelchen Gründen auch immer keinen Platz hat. DiesesVerhältnis hat sich inzwischen fast umgedreht. Manmuss inzwischen geradezu aufpassen, dass nationalstaat-liche Entwicklungspolitik in irgendeiner Form überhauptnoch stattfindet.Vielleicht liegt darin aber auch die Lösung für einProblem. Christian Ruck hat darauf hingewiesen, dassdie großen Aufwüchse – das ist auch meine persönlicheÜberzeugung –, wenn sie denn kommen, nur durchnichtoriginäre Haushaltsmittel finanziert werden. Er hatden Emissionshandel und viele andere Möglichkeitengenannt. Wenn das so kommen sollte, dann gibt es zwareine Schnittmenge zwischen Klimaschutz und Armuts-bekämpfung, aber beides wäre trotzdem nicht zu100 Prozent deckungsgleich. Armutsbekämpfung mussaber in vollem Umfang geleistet werden; denn wir sinduns ja einig, dass diese eine der konstitutiven Elementevon Entwicklungspolitik ist. Hier stellt sich nun dieFrage, ob man nicht in Kooperation mit der europäi-schen Ebene zu vernünftigen Lösungen kommen kann,damit am Ende des Tages wirklich eine vernünftige undkonsistente Entwicklungspolitik gemacht wird.Es ist also notwendig, alles miteinander zu verzahnen.Ein nüchterner Blick auf die Dinge hilft dabei. Deswe-gen habe ich mich ein bisschen über die Bemerkungenzum Thema „weltwärts“ geärgert. Jeder, der die Debattezum Thema „weltwärts“ in den letzten Wochen und Mo-naten verfolgt hat, weiß, dass die Probleme dadurch ent-standen sind, dass einige Entsendeorganisationen nichtgewartet haben, bis der Haushalt verabschiedet wurde,
sondern auf Basis eines Ansatzes, der aber nicht mit demdes beschlossenen Haushaltes identisch war, Anmeldun-gen bestätigt haben.
So kann man nicht verfahren, weil keiner weiß, wasdann am Ende wirklich kommt. Es ist dem MinisteriumzscHikdivadDeilkAzcMszGfdd0BA4sshvnnBre
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6138 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
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Bundeskanzlerin. Diese tingelt von Gipfel zu Gipfel undmacht fromme Ankündigungen.
Herr Kollege Movassat, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Haibach?
Nein. Er kann gerne nach meiner Rede eine Kurz-
intervention machen.
Noch beim letzten G-8-Treffen vor drei Monaten hat
die Bundeskanzlerin versprochen, sich für den Erfolg
der anstehenden Geberkonferenz für den Globalen
Fonds einzusetzen. Keinen Pfifferling sind die Zusagen
der Kanzlerin wert.
Der Globale Fonds hat seit 2002 fast 6 Millionen
Menschen das Leben gerettet. Trotzdem sterben noch
heute jährlich 2 Millionen Menschen allein an HIV/
AIDS. Ich bin deshalb der Ansicht, die Finanzierung des
Globalen Fonds sollte durch einen völkerrechtlichen
Vertrag abgesichert und deutlich erhöht werden. Dieser
Fonds ist die beste derzeit vorhandene Maßnahme zur
Bekämpfung der Krankheiten, die die Menschheit am
meisten betreffen. Eine Einstellung der Zahlung an den
Globalen Fonds ist deshalb wider jede menschliche Lo-
gik und bedeutet für die Ärmsten dieser Welt eine unter-
lassene Hilfeleistung.
Nächste Woche findet in New York die UN-Konfe-
renz zur Erreichung der Millenniumentwicklungsziele
statt. Es geht um den Kampf gegen die Tatsache, dass
fast 1 Milliarde Menschen hungern und dass Armut und
Krankheiten große Teile der Weltbevölkerung in Geisel-
haft halten. Angesichts Ihrer aktuellen Haushaltsplanung
appelliere ich an Sie, Herr Niebel und Frau Merkel: Fah-
ren Sie nicht, wie angekündigt, zum UN-Gipfel nach
New York! Blamieren Sie Deutschland nicht vor der in-
ternationalen Gemeinschaft mit weiteren Lippenbe-
kenntnissen zu den Millenniumentwicklungszielen.
Dass die Versprechen der reichen Staaten an die ärmsten
Staaten oft Schall und Rauch sind, ist leider nichts
Neues. Ihre Unzuverlässigkeit aber bringt das Fass end-
gültig zum Überlaufen. „Weltmeister im Brechen von
Versprechen“ ist der Titel, den Sie sich zu Recht einhan-
deln werden.
Die eingesparten Mittel steckt Herr Niebel übrigens
nicht etwa in einen anderen Bereich der Entwicklungs-
zusammenarbeit. Er leitet die Gelder stattdessen direkt
weiter an die deutsche Privatwirtschaft. Jetzt will er zum
Beispiel der Papenburger Meyer Werft Unterstützung in
Höhe von 50 Millionen Euro für den Bau einer entwick-
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Diese Wirtschafts- und Wettbewerbsfixierung setzt
ich im Übrigen auch in der Institutionsreform fort. Sie
ollen die Entwicklungsorganisationen der technischen
usammenarbeit fusionieren.
abei soll die Unterstützung der deutschen Consulting-
irtschaft eine erhebliche Rolle spielen. Zum anderen
ollen Sie den Wettbewerb der öffentlichen Entwick-
ungsorganisationen mit der Privatwirtschaft um die
ufträge des Ministeriums stärken. Das ist wieder eine
aßnahme vor allem zugunsten der deutschen Unter-
ehmen und nicht primär zugunsten der Entwicklungs-
änder. Eine solche Fusion lehnen wir ab.
Für die Linke ist ganz klar: Die koloniale Vergangen-
eit und unser heutiges Wirtschaftssystem sind Ursache
ür endloses Leid und Elend in der Welt. Entwicklungs-
olitik ist deshalb eine Verpflichtung gegenüber den
rmsten Ländern und darf auf keinen Fall mit eigenen
irtschaftlichen Interessen verknüpft werden. Die Ent-
icklungspolitik dieser Regierung ist deshalb eine Kata-
trophe.
Danke für die Aufmerksamkeit.
Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem
ollegen Holger Haibach.
Herr Präsident, ich danke Ihnen dafür, dass Sie mirie Chance geben, noch etwas zu dem wichtigen ThemaGesundheitsförderung in Entwicklungsländern“ zu sa-en. – Herr Movassat, es tut mir wahnsinnig leid, dassch sagen muss: Einige Ihrer Aussagen stimmen einfachicht. Das liegt vielleicht daran, dass Sie noch nicht allzuange im Parlament sind.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6139
Holger Haibach
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Erstens. Im Haushaltsentwurf sind 200 MillionenEuro für den GFATM vorgesehen. Ich bitte darum, daszur Kenntnis zu nehmen und nichts anders zu behaupten.Zweitens. Die Zusage der Bundesregierung, derKanzlerin, der vorhergehenden Bundesregierung beziehtsich auf Gelder in dieser Höhe für Maßnahmen in die-sem Bereich und nicht ausdrücklich auf den GFATM.Der GFATM ist ein mögliches Mittel; aber es können ge-nauso gut andere mögliche Mittel genutzt werden. Eskönnen natürlich genauso gut bilaterale Maßnahmen ge-nutzt werden, um diese Zusage einzuhalten und damitauch ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen.Die öffentliche Diskussion, wie sie jetzt in Deutsch-land abläuft, geht an dieser Stelle leider an der Wahrheitvorbei. Auch Sie haben diesen Fehler gemacht. UnserePolitik steht – selbst wenn es irgendwann zu einer Ab-senkung kommen sollte – nicht in krassem Widerspruchzu dem, was Zusage deutscher Regierungen gewesen ist,und dabei bleibt es auch.
Herr Kollege, wollen Sie darauf erwidern? – Bitte
schön.
Sehr geehrter Herr Kollege Haibach, die Kanzlerin
hat vor drei Monaten einen Erfolg bei der Wiederauffül-
lungskonferenz versprochen. Der Globale Fonds ist ein
Erfolgsmittel in diesem Bereich. Deshalb sind die Aus-
sagen der Bundesregierung, die alle darauf abzielen
– Sie haben es mit Ihrem Wortbeitrag gerade im Prinzip
bestätigt –, diesem Fonds mit der Zeit die Mittel zu ent-
ziehen und sie in bilaterale Entwicklungszusammen-
arbeit zu investieren, der falsche Weg. Woher wissen wir
denn, dass die Modelle für bilaterale Entwicklungs-
zusammenarbeit, die entwickelt werden, wirklich besser
sind als der Globale Fonds? Dieser hat Erfolg gehabt.
Ich finde, man sollte eine erfolgreiche Mittelvergabe
fortsetzen und unterstützen. Deshalb ist es richtig und
wichtig, den Globalen Fonds wieder aufzufüllen.
Dieser Fonds braucht noch eine deutliche Mittelerhö-
hung. Insofern sollte Deutschland hier vorbildhaft vo-
rangehen und sich für eine Erhöhung der Mittel einset-
zen, und zwar auch im vorliegenden Haushaltsentwurf,
statt perspektivisch eine Senkung und damit eine Ab-
schaffung der Beiträge in Erwägung zu ziehen.
Danke.
Das Wort hat nun Kollegin Priska Hinz von der Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen.Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrRuck, es geht in dieser Debatte nicht um Kleinmut, son-dSmgit4tGstziwve0gw–uzkwhdaMnIOlhVcsNedbrDzWgSzH
Auch nach Ihren eigenen Aussagen, Herr Niebel,ird Deutschland im Jahre 2010 statt einer ODA-Quoteon 0,51 Prozent eine ODA-Quote von nur 0,4 Prozentrfüllen. Insofern ist es schon ein sportliches Ziel,,7 Prozent bis 2015 zu erreichen. Bis dahin müssten ei-entlich 10 Milliarden Euro mehr zur Verfügung gestellterden, aber nicht einfach so, damit man Geld ausgibtso wurde es hier suggeriert –, sondern zum Beispiel,m Grundbildung in den Entwicklungsländern zu finan-ieren, damit die Menschen dort ihre Existenz gründenönnen, damit gute Verwaltungsstrukturen aufgebauterden können, damit diese Länder also aus sich selbsteraus leben und wirtschaften können. Ich verweise iniesem Zusammenhang auf Maßnahmen zur Anpassungn den Klimawandel.Auch hier versagen Sie. In Kopenhagen hat Frauerkel höchstpersönlich zugesagt, jährlich 420 Millio-en Euro für Klimaschutzmaßnahmen bereitzustellen.m letzten Jahr haben Sie nach heftigem Ringen mit derpposition 70 Millionen Euro eingestellt, davon 35 Mil-ionen Euro im BMZ-Haushalt. Im Entwurf des Haus-alts für das Jahr 2011 steht dafür kein einziger Euro zurerfügung. Wir haben gerade in Pakistan gesehen, wel-he Auswirkungen es hat, wenn der Klimawandel voran-chreitet. Es macht doch keinen Sinn, immer wiederothilfe zu leisten. Nein, wir müssen Gelder präventivinsetzen, gerade für die Entwicklungszusammenarbeit,amit der Klimawandel eingedämmt werden kann.
Wer hindert Sie eigentlich daran, das, was in der Ka-inettsvorlage steht, umzusetzen, nämlich die Einfüh-ung neuer, innovativer Finanzierungsinstrumente?as steht darin; das brauchen Sie, um die ODA-Quoteu erreichen. Was ist mit der Finanztransaktionsteuer?ie steht es darum, das Mehrwertsteuerprivileg bei Flü-en aufzuheben? Sie regieren doch; zumindest solltenie regieren. Führen Sie bitte solche innovativen Finan-ierungsinstrumente ein! Wir unterstützen Sie, damit dieaushaltsentwürfe ab 2011 besser aussehen.
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6140 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Priska Hinz
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Wenn man sich die Verpflichtungsermächtigungen imBereich der technischen Zusammenarbeit im Haushalts-entwurf ansieht, dann erkennt man, wie ernst Sie die Er-füllung Ihrer internationalen Verpflichtungen nehmen:Hier ist ein Minus von 130 Millionen Euro vorgesehen.Bei der finanziellen Zusammenarbeit ist ein Minus von311 Millionen Euro veranschlagt. Das bedeutet, dass Siedie von Ihnen selbst in Angriff genommene Fusion derVorfeldorganisationen behindern; denn sie brauchenVEs, damit sie Projekte planen können, damit die Um-stellung auf das Auftragsverfahren vollzogen und derBestandsschutz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter– Sie haben ihn versprochen – gewährleistet werdenkönnen.Wir Grünen werden Ihnen bei den Haushaltsberatun-gen zeigen, wie wir bei Einhaltung der Schuldenbremsedas 0,7-Prozent-Ziel erreichen können. Wir erwartenmehr Einsatz vom Minister. Unseren Einsatz werden wirbringen.Danke schön.
Frau Kollegin, ich wollte Sie gerade fragen, ob Sie
eine Zwischenfrage zulassen. Jetzt sind Sie schon da-
vongestürzt. Ich konnte Ihren Redefluss nicht eher unter-
brechen. Sie haben nicht einmal Luft geholt.
– Ja, dann bitte sofort.
Verehrte Frau Kollegin, wenn ich es richtig sehe, sind
wir beide sowohl im Haushaltsausschuss als auch im
Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundes-
tages.
Da ich weiß, dass Sie eine der belesensten Kolleginnen
sind und genau wissen, was in den einzelnen Bereichen
läuft, unterstelle ich einmal, dass Sie davon Kenntnis ha-
ben, dass der Bundesrechnungshof den Bundeshaushalt
überprüft. Der Rechnungshof hat sich einmal mit den
Verpflichtungsermächtigungen in den Bundeshaushal-
ten der Vergangenheit auseinandergesetzt: Er hat war-
nend festgestellt, dass wir viel zu viele Verpflichtungs-
ermächtigungen ausbringen und dass ihre Anzahl
drastisch verringert werden muss.
Wenn sich jetzt die Bundesregierung an das hält, was
der Rechnungshof vorgegeben hat und was wir im Haus-
haltsausschuss zustimmend zur Kenntnis genommen ha-
ben, dann können Sie nicht hingehen und die Bundes-
regierung hier für ihr richtiges Verhalten kritisieren.
Würde man Ihrer Kritik folgen, hätte dies zur Konse-
quenz, dass an der einen oder anderen Stelle mehr Ver-
pflichtungsermächtigungen ausgebracht werden müssen.
Ich sage Ihnen bei allem Respekt unter uns Haushältern
bzw. unter uns Vertretern des Rechnungsprüfungsaus-
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Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist gar nicht
ächerlich.
Ich sage ernsthaft: Jeder weiß, dass die Mitgliedschaft
m Haushaltsausschuss das Höchste ist, was man im
eutschen Bundestag erreichen kann, es sei denn, man
ird Präsident dieses Parlaments. Ich bitte um Nach-
icht.
Lieber Kollege, es ist gut, dass Sie gerade noch die
urve gekriegt haben.
Bitte schön, Kollegin Hinz, zur Erwiderung.
Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
EN):
Herr Kollege, da ich so belesen bin, lese ich nicht nur
echnungsprüfungsberichte und Haushalte, sondern
ümmere mich auch darum, wie die Fusion von GTZ,
nWEnt und DED funktionieren soll. Ich weiß deshalb,
ass diese Fusion und die Umstellung auf das Auftrags-
erfahren nur funktionieren, wenn Verpflichtungsermäch-
gungen nicht nur für die GTZ zur Verfügung stehen, son-
ern eben auch für die neue, größere Organisation; denn
ED und InWEnt müssen das ganze Haushaltsverfahren
mstellen. Deswegen ist es in diesem speziellen Fall tat-
ächlich notwendig – das sollten wir als Haushälter eben
uch zur Kenntnis nehmen –, Umfang und Anzahl der
erpflichtungsermächtigungen zu erhöhen.
Lieber Herr Kollege, ich finde, wir sollten, wenn wir
chon zur Elite gehören, über den Tellerrand hinaus-
chauen und uns neue Erkenntnisse zu Gemüte führen,
m zu guten Ergebnissen im Sinne der Entwicklungszu-
ammenarbeit und der Effizienz bei der Ausgabe von
itteln zu kommen.
Das Wort hat nun Kollege Jürgen Klimke für die
DU/CSU-Fraktion.
Danke sehr. – Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir kommen voner Elite zur Normalität zurück. Vielleicht erinnern Sieich gemeinsam mit mir an die letzte Haushaltsdebatte,ie wir vor sechs Monaten geführt haben. Dort ging eshnlich aufgeregt zu. Man hat damals Minister Niebelorgeworfen, er könne es nicht, das von ihm protegierteeam in seinem Ministerium würde es ebenfalls nicht
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6141
Jürgen Klimke
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packen. Es gab Personal- und Umstrukturierungsdiskus-sionen. Im Übrigen wurde behauptet, mit der Entwick-lungszusammenarbeit und der Entwicklungspolitik gehees steil bergab. Aber das Gegenteil ist der Fall. Wir ha-ben mehrfach darauf hingewiesen – ich wiederhole es –:Der Bundeshaushalt geht insgesamt um 3,8 Prozent zu-rück. In unserem Einzelplan ist immerhin ein Aufwuchsvon 3 Millionen Euro vorgesehen. Das muss man fest-halten. Lassen wir doch einmal die Kirche im Dorf.
Ich möchte auch auf etwas anderes hinweisen. Die tazund Der Spiegel kommen in diesen Tagen an einem Lobfür Minister Niebel nicht vorbei. Die Lobeshymnen derZeitungen aus dem linken Spektrum sind nicht nur eineBestätigung, nein, sie stellen zusätzlich eine Prognosefür seine weitere Amtszeit dar. Seine Arbeit wird kurzund bündig als positiv und konstruktiv beschrieben. Ichfreue mich darüber, dass die meisten anderen Medien dieRichtigkeit dieses Urteils inzwischen eingesehen und dieKritik an Minister Niebel eingestellt haben.Nun muss sich die Opposition fragen, ob sie den ei-nen oder anderen Satz der Anerkennung oder der persön-lichen Wertschätzung des Ministers – zwei, drei Ansätzedazu hat es gegeben – artikulieren könnte. Man hat ange-sichts der Oppositionsarbeit in den letzten Monatenmanchmal das Gefühl, dass die Ideen und die Vorstellun-gen der Opposition regressiv sind und dass programma-tisch eher von mangelnder Kreativität gesprochen wer-den sollte.Die Opposition will zum Beispiel mehr Budgethilfefür Länder, die nachweislich korrupt sind. Das ist nichtkreativ. Die Opposition verneint, dass der Aufbau wirt-schaftlicher Leistungskraft auf regionalen Märkten mithilfedes Know-hows der deutschen Wirtschaft zukunftswei-send ist. Die Opposition stellt sich gegen den entwick-lungspolitischen Nutzen von Infrastrukturprojekten; dashaben wir hier mehrfach gehört. Sie ist gegen die Förde-rung innovativer Agrarforschung, mit der in den nächstenJahren die Nahrungsmittelknappheit bekämpft werdenkann. Einige von denen, die jetzt in der Opposition sind,haben in Regierungsverantwortung ein Jahrzehnt lang dieMittel für zukunftsweisende Sektoren, zum Beispiel fürden Bereich Bildung, zurückgefahren. Im Gegensatz dazuhaben wir, die Entwicklungspolitiker von Union undFDP, konstruktive Vorstellungen, die wir gemeinsam inder Koalition umsetzen. Man merkt, dass nicht mehr ge-bremst wird, wie von der SPD zu Zeiten der Großen Ko-alition.Lassen Sie mich auch auf die Fusion der techni-schen Zusammenarbeit hinweisen; wir haben dasmehrfach angesprochen. Zum 1. Januar 2010 geht es los.Das möchte ich festhalten.Außerdem ist es wichtig – ich betone das immer wie-der gerne, weil es deutliche Defizite in den letzten Jah-ren gegeben hat –, die Kooperation mit der Wirtschaftzu stärken. Der vorliegende Haushalt belegt diese pro-grammatische Neuausrichtung. Das ist eine Grundaus-richtung, wie die SPD sie immer verhindert hat. Jetztwerden die Vorhaben endlich umgesetzt.wtabrWurskuSsb1ssVbDtKclgnWdDdssgWirrdzgdPwvzA
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6142 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
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und einen entwicklungspolitischen Ansatz verfolgt, FrauHänsel, und diesen Ansatz mehr und mehr in ihre Arbeitaufnimmt. Gerade diese Reform beweist die Regierungs-fähigkeit der Union und macht deutlich, dass wir in derLage sind, Bewährtes neuen Strukturen anzupassen.Ein weiterer Punkt ist die Durchsetzung der Men-schenrechte in der Entwicklungs- und Außenpolitik.Auch das ist zur Zeit der Großen Koalition nicht immerleicht gewesen. In unseren Partnerländern, in denen dieMenschenrechte mit Füßen getreten werden, machen wirdeutlich, dass wir dies nicht länger dulden wollen. DasGleiche gilt für Korruption. Die Lage der Homosexuel-len in Uganda, die Rolle der GTZ im Kongo,
aber auch der Druck von uns und von der EU auf die Re-gierung in Mosambik machen deutlich, dass wir es ein-fach nicht mehr hinnehmen, wenn wesentliche Elementeunserer Grundauffassung von unserer Politik, wie dieEinhaltung der Menschenrechte, mit Füßen getreten wer-den. Dann wird eingegriffen.
Auf einen weiteren Punkt, die Millenniumsentwick-lungsgrundsätze, die wir in vollem Umfang realisierenwollen, hat der Kollege Haibach hingewiesen. Es istwichtig, zu sagen, dass wir zu den Geldern des GlobalFund stehen und verstärkt bilateral investieren wollen.Ziel ist die Bekämpfung der Krankheiten mit vielen In-strumenten, nicht nur global, sondern auch bilateral.In der nächsten Woche stehen die Millenniumsent-wicklungsziele auf der Tagesordnung des Gipfels in NewYork. Ich glaube, es ist wichtig, dass wir dort folgendeSchwerpunkte setzen: Wir müssen die Eigenverantwor-tung unserer Partnerländer stärken, die Zivilgesellschaftin den jeweiligen Ländern stärker fördern, nachhaltigesWirtschaftswachstum dort begünstigen und die Fähigkei-ten der Menschen vor Ort unterstützen, damit sie in derLage sind, sich selbst zu helfen und voranzukommen.Wenn es uns gelingt, die anderen Gebernationen von die-sen Grundsätzen zu überzeugen, dann kann dieser Gipfelein großer Erfolg werden. Wir sollten uns das gemeinsamwünschen, auch im Interesse der Entwicklungsländer.Danke sehr.
Das Wort hat nun Sascha Raabe für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! In der nächsten Woche findet eine wich-tige Konferenz in New York statt. Auch einige aus die-sem Haus werden hinfahren, etwa Herr Minister Niebelund die Kanzlerin. Die Abschlussresolution dieser Kon-ferenz, der Konferenz zur Überprüfung der Millen-niumsentwicklungsziele, liegt uns schon vor. DarinwseNzewtHdbÖdHägdDdbrdmauezatvhtgDsW
Sie müssen sich schon entscheiden. Sie sagen immer,as Geld sei nicht entscheidend, sondern die Effizienz.
ann müssen Sie jetzt erst einmal einräumen, dass Sieas erforderliche Geld nicht zur Verfügung stellen. Ichin gerne bereit, mit Ihnen die Effizienzdebatte zu füh-en. Einige Vorredner haben immer so getan, als wäreas, was Sie da verbessern, schon in Ordnung. Aber wasachen Sie in dem Bereich? Sie treten die Instrumente,uf die sich die internationale Gemeinschaft geeinigt hat,m wirksamer zu werden, doch mit Füßen. Statt sich inine multilaterale, international abgestimmte Politik ein-uordnen, wollen Sie weiterhin überall deutsche Flaggenuf die Projekte setzen und in die Steinzeit der Projekti-is zurückfallen. All diese Dinge werden Ihnen zu Rechtorgeworfen.Da der Kollege Klimke behauptet hat, die linke Presseabe Herrn Niebel gelobt, zitiere ich einmal aus dem Ar-ikel „Am Hofe Niebel“ aus dem Spiegel vom 23. Au-ust 2010.
ort steht, dass der Globale Fonds entgegen den Rat-chlägen der Experten nicht fortgeführt werden soll.eiter heißt es:Aus Niebels Sicht hat der Fonds einen Makel: Es isteine multilaterale Organisation, die nicht vor ihrenProjekten die deutsche Fahne hochzieht – mitFolgen. …Niebel wird in der Branche nicht als erster Anwaltseiner Sache wahrgenommen. So muss er sich vor-halten lassen … bei den Etatverhandlungen fast leerausgegangen zu sein.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6143
Dr. Sascha Raabe
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An einer anderen Stelle heißt es:Nichtregierungsorganisationen, die bislang eng mitdem Ressort kooperierten, gehen auf Distanz. WerKritik übt, bekommt Niebels Zorn zu spüren.Im Spiegel steht auch, was das Personal im BMZ sagt:… die Urteile sind vernichtend: „Die FDP hat sichunser Ministerium zur Beute gemacht“, „Wir wis-sen nicht, was Niebel inhaltlich will, es kommennur Phrasen“. Die Stimmung ist miserabel.Dem kann ich mich nur anschließen, Herr Minister. Siehaben es in einem Jahr geschafft, die gute deutsche Ent-wicklungszusammenarbeit so zu beschädigen, dass Ih-nen das zu Recht von Nichtregierungsorganisationenund auch der freien Presse vorgehalten wird.
Das müssen Sie sich auch von uns vorhalten lassen,Herr Minister. Wenn Sie in andere Länder gehen undgute Regierungsführung einfordern, dann muss manhier einmal schauen, wie diese Bundesregierung diesesLand mittlerweile zur Beute von Atomlobbyisten undHotellobbyisten gemacht hat.
Überall dort wäre Geld zu holen. Meine lieben Haushäl-ter, die Sie sich hier selbst als Elite des Parlaments be-zeichnen, wenn Sie bei der Besteuerung der Energiewirt-schaft einmal auf den Gedanken gekommen wären,denen jetzt nicht unter dem Strich 80 oder 90 MilliardenEuro zu schenken, sondern dort ein bisschen kräftigerzuzuschlagen,
dann hätten Sie auch das nötige Geld, um die Mittel fürEntwicklungszusammenarbeit entsprechend internatio-nalen Zusagen zu steigern. Wir sollten, wenn wir vonguter Regierungsführung sprechen, hier in diesem Hausedamit anfangen, Herr Minister. Da gäbe es sehr viel zutun.
In der Tat, wo sollen die Mittel herkommen? Die Ein-nahmen aus der Flugticketabgabe gehen jetzt in denHaushalt und werden nicht für die Entwicklungszusam-menarbeit verwendet, wie es einmal gedacht war. Die Fi-nanztransaktionsteuer lehnt der Herr Minister ab. Es istschon interessant, dass man sich dafür rechtfertigt, dassman die Mittel nicht erhöht, indem man darauf hinweist,dass es in vielen Entwicklungsländern Korruption gibtund man deswegen kein Geld dorthin geben muss. WennHerr Koppelin in seiner Rede sagt, wir Entwicklungspo-litiker wollten immer nur mehr Geld für die EZ, es gebedoch genug Probleme in Deutschland, dann liegt das ge-nau auf der Linie, die auch Frau Steinbach neulich ver-fAssdvwwMNEfnMzldsstmsS
Herr Koppelin hat schon im letzten Jahr dafür ge-orgt, dass ein erfolgreiches Programm wie „weltwärts“,as jungen Menschen die Möglichkeit gibt, eigene wert-olle Erfahrungen zu sammeln – sie leisten dabei in Ent-icklungsländern wertvolle Aufbauarbeit –, diskreditiertird. Herr Niebels Etat wurde an dieser Stelle gekürzt.an hat sich von Herrn Koppelin schon mehrfach amasenring herumführen lassen.
s ist nicht zu erwarten, dass in diesen Verhandlungenür „weltwärts“ noch etwas herausgeholt wird.
Ihre Redezeit ist bereits vorüber.
Ich will – –
Nein, Ihre Redezeit ist vorüber.
Dann ist es auch ganz gut, dass der Koppelin jetzt
ichts mehr sagt.
Ich kann zu Herrn Kollegen Koppelin, der die jungen
enschen hier diskreditiert, nur sagen, dass ich –
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende. Sie müssen
um Schluss kommen.
– zum Schluss – auf Auslandsreisen in Entwicklungs-
ändern immer wieder die Erfahrung gemacht habe, dass
iese jungen Leute ganz schwere Arbeit machen, dass
ie etwas Gutes für die Ärmsten der Armen tun und dass
ie in Kindergärten und Schulen helfen. Wenn ein Abi-
urient dort Englisch unterrichtet, ist dieser – leider – oft-
als besser ausgebildet als der eine oder andere Lehrer.
Herr Kollege!
Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe der Men-chen dort. Deswegen, Herr Kollege Koppelin, solltenie Ihre Kritik an „weltwärts“ zurücknehmen.Danke.
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6144 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
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Nun hat Kollege Koppelin eine Kurzintervention von
zwei Sätzen erbeten. Mal sehen!
Satz Nummer eins lautet: Ich hätte auch keine Zwi-
schenfrage mehr gestellt, weil ein allgemeines Aufatmen
zu vernehmen war, als es hieß, die Rede sei zu Ende.
Satz zwei: Ich kann nicht ernst nehmen, was der Kol-
lege vorhin vorgetragen hat, wie ich auch vieles andere
nicht ernst nehmen kann. Ich erinnere an die letzte De-
batte. Damals habe ich zum Beispiel gesagt, die ODA-
Quote habe im Jahr 2009 bei 0,36 Prozent gelegen. Da-
mals hat er mich als Lügner und als sonst etwas bezich-
tigt. Insofern nehme ich auch diese Bemerkung jetzt
nicht so ernst. Meistens haben Sie danebengelegen, Herr
Kollege.
Können auch Sie sich auf zwei Sätze beschränken?
Jetzt führen Sie alte Debatten an, in denen ich zu
Recht darauf hingewiesen habe, dass Sie zu dem Zeit-
punkt die ODA-Quote noch nicht kennen konnten, weil
der Entwicklungsausschuss der OECD die Zahlen noch
nicht überprüft hatte. Damals konnten wir nicht wissen,
dass der Herr Minister in den vergangenen Monaten die
vorgesehenen Mittel nicht hat abfließen lassen, um seine
ODA-Zahlen für das Jahr 2009 zu schönen. Das ist be-
legbar.
Deshalb weise ich die Unterstellung der Lüge aufs
Schärfste zurück, Herr Kollege Koppelin.
Sie haben die ODA-Zahlen für 2009 frisiert, um hier
besser dazustehen. Ich möchte Sie bitten, nicht auf eine
Wortwahl zurückzugreifen, die in der Sache nicht richtig
ist.
Nun hat Kollege Volkmar Klein von der CDU/CSU-
Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich glaube, die gerade geführte Diskussion brau-chen wir nicht besonders ernst zu nehmen. Bei dem ge-samten Beitrag des Kollegen Raabe hatte man den Ein-druck, dass bei ihm die Textbausteine irgendwie einbisschen durcheinandergeraten sind.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6145
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den Wirtschaftlichkeitsberechnungen vorgelegt werden;auch ich hätte sie gerne schon früher gehabt. Erst wenndiese vorliegen, können wir sie inklusive der Verpflich-tungsermächtigungen für die bisherigen Zuwendungs-empfänger InWEnt und DED, nach denen zu Recht ge-fragt worden ist, im Haushalt für das nächste Jahraufgreifen. Dann müssen wir als Parlament die notwen-digen Änderungen in den Haushalt einbringen, damit dasVerfahren wirklich zum 1. Januar des nächsten Jahresbeginnen kann.
Zweitens ist es richtig, die Schwerpunkte unserer Ent-wicklungszusammenarbeit ein bisschen zu verschieben,in Form von Mikrokrediten und Folgefinanzierungenmehr Private einzubinden und für mehr Unternehmen,für mehr Arbeitgeber in den Entwicklungsländern zusorgen. Das ist ein Erfolg, den wir anstreben müssen, deraber wenig mit der Menge des dafür ausgegebenen Gel-des zu tun hat.
Der Abbau von Handelshemmnissen bringt zwar keineErhöhung der ODA-Quote, auf die Sie geradezu fetisch-artig blicken, mit sich; aber er hilft. Er hilft sogar vielmehr als manche ODA-Mittel oder Almosen.Meine Damen und Herren, jüngst hat uns eine Afrika-nerin, die sambische Wirtschaftswissenschaftlerin Dam-bisa Moyo, in ihrem eindrucksvollen Buch die Botschaftpräsentiert, dass wir die eine oder andere Selbstverständ-lichkeit unserer bisherigen Entwicklungshilfe durchauseinmal hinterfragen sollten. Wir müssen helfen, wirt-schaftliche Chancen zu eröffnen, die in den Entwick-lungsländern für Arbeit sorgen. Das ist nicht nur fürdeutsche Unternehmen gut, die dort vielleicht über Di-rektinvestitionen Arbeitsplätze schaffen; vielmehr ist esauch gut für Afrika, denn diejenigen in Afrika, die Geldhaben, investieren es bisher leider noch viel zu wenigdort.Die UNCTAD, die United Nations Conference onTrade and Development, hat für ihren Bericht imJahre 2007 die Kapitalflucht aus Afrika analysiert undist zu dem Ergebnis gekommen, dass in den Jahren 1970bis 2005 rund 400 Milliarden Euro aus Afrika abgeflos-sen sind. Andere Wirtschaftswissenschaftler haben er-mittelt, dass das von Privatleuten in einigen LändernAfrikas gehaltene Auslandsvermögen – ich könnte Ihnenjetzt die einzelnen Zahlen nennen – deutlich größer alsdie Gesamtverschuldung des jeweiligen Landes ist.Meine Damen und Herren, wir müssen darauf hinweisendürfen, wie wichtig es ist, dass die Menschen in AfrikaVertrauen in ihr eigenes Land haben und auch ihr eige-nes Geld für dessen Entwicklung einsetzen.
Gestern Abend fand hier in Berlin eine eindrucksvolleeranstaltung mit John Kufuor, dem Ex-Präsidentenhanas und der Afrikanischen Union, statt. Diese Veran-taltung war unter anderem deswegen eindrucksvoll,eil der Kollege Fischer dort einen hervorragenden Bei-rag geleistet hat,
or allen Dingen aber, weil wir gemeinsam ein Gesprächber die Frage geführt haben: Wie müssen wir sozialearktwirtschaft im internationalen Kontext heute neuefinieren? John Kufuor hat seine Erkenntnisse in fol-endem Satz zusammengefasst: Afrika braucht Compe-ence for Competition. – Ich finde das toll: Afrikaraucht Wettbewerbsfähigkeit, die es ermöglicht, aus derrmut herauszukommen, um auf eigenen Beinen zu ste-en. Das wäre dann auch nachhaltig.John Kufuor hat beklagt, dass der innerafrikanischeandel bisher leider nur 10 Prozent des Gesamthandelser afrikanischen Länder ausmacht. Das ist ein Armuts-eugnis, und das gilt es zu ändern.Ich denke, wir sollten uns weniger mit dem kleinka-ierten Aufrechnen irgendwelcher Zahlen beschäftigen,ie es von der linken Seite dieses Hauses heute ständigetan wurde.asst uns gemeinsam helfen und gemeinsam dafür sor-en, dass John Kufuors Vision von Afrika Wirklichkeitird!Danke sehr.
Bundesminister Niebel hat noch einmal ums Wort ge-eten, wohl wissend, dass er damit die Debatte neu er-ffnet.
Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-ammenarbeit und Entwicklung:Herr Präsident! Ihre Anmerkung ist vollkommen rich-ig. Da ich in meiner Funktion als Abgeordneter nicht zuiner Kurzintervention zugelassen wurde, kann ich ineiner Funktion als Bundesminister hier einige Unklar-eiten ausräumen.Der Abgeordnete Raabe hat Jürgen Koppelin, der lei-er wegen einer Veranstaltung eher gehen musste, in deron ihm angesprochenen Debatte wissentlich der Lügeezichtigt, weil Jürgen Koppelin hier behauptet habe,ass die ODA-Quote der Vorgängerregierung im letztenahr 0,36 Prozent des Bruttonationaleinkommens betra-en habe. Er hat das damit begründet, dass die Zahlenoch nicht haben vorliegen können, weil der DAC Peereview noch nicht abschließend durchgeführt wordenei.
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6146 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010
Bundesminister Dirk Niebel
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Er weiß aus seiner Zeit als Mitglied einer Regierungs-partei natürlich, dass man diese Daten im Wesentlichenschon im Vorhinein, bevor sie offiziell abgestimmt sind,hat. Er weiß darüber hinaus auch – deswegen hatte ichmich zu der Kurzintervention gemeldet –, dass die neueBundesregierung zu keinem Zeitpunkt irgendwelcheMittel willentlich nicht hat abfließen lassen, um irgend-welche Quoten zu verändern, sondern dass eine Ent-schuldungsverhandlung – ich meine, es sei mit Liberiagewesen; das lässt sich aber nachprüfen –, die nicht vomMinisterium, sondern von der KfW Entwicklungsbankgeführt wurde, nicht abschlussfähig gewesen ist.Er wollte mit dem Vorwurf, dass die Bundesregierungwillentlich Gelder nicht habe abfließen lassen, um sichstatistisch besser darzustellen, nichts anderes tun, alsvom Versagen der Vorgängerregierung abzulenken, dieeine ODA-Quote von 0,35 Prozent, also deutlich unterallen vereinbarten Stufenplänen, die man hier immer wieeine Monstranz vor sich herträgt, erreicht hat. Zudemwollte er davon ablenken, dass die Quote der neuen Bun-desregierung im Jahre 2010 aller Voraussicht nach zwarauch unterhalb des Stufenplans, mit 0,4 Prozent aber im-merhin deutlich höher sein würde.Ich glaube, das macht in bezeichnender Art undWeise deutlich, wie unsinnig es ist, sich über den Ab-fluss von irgendwelchen Summen zu unterhalten, undwie richtig es ist, dass sich diese Bundesregierung aufEffizienz, Wirksamkeit und wirkliche Hilfeleistung kon-zentriert.Vielen Dank.
Herr Kollege Niebel, ich darf Sie an Ihre Zeit als Ab-
geordneter erinnern: Erstens ist es unüblich, dass ein
Präsident kritisiert wird. Zweitens ist es unüblich, dass
eine Kurzintervention auf eine Kurzintervention zuge-
lassen wird. Mit Kurzinterventionen soll auf Reden re-
agiert werden. Das ist unsere Praxis.
– Ja, aber er wollte auf die Kurzintervention des Kolle-
gen – –
– Moment! Ob zu Recht oder nicht, ist eine inhaltliche
Frage, die ich nicht zu bewerten habe. Wir haben Forma-
lien und Regularien, an die ich mich halten muss.
Jetzt können wir die Sache vielleicht so verkürzen,
dass Kollege Raabe noch einmal möglichst kurz – zwei,
drei Minuten – darauf reagiert und wir dann zum Schluss
der heutigen Debatte kommen.
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ann ist es nur richtig, darauf hinzuweisen, dass die Mit-el, die wir 2009 eingestellt hatten und die Sie 2010 ver-usgabt haben, obwohl sie schon ein Jahr früher hättenerausgabt werden sollen, natürlich die ODA-Quote für010 nach oben treiben.
Ich sage einmal: Dem einen oder anderen Mitglied imarlament nehme ich es nicht übel, wenn er diese zuge-ebenermaßen komplizierte Berechnung nicht versteht.ber der Kollege Koppelin weiß, wie es geht. Wenn einangjähriger Haushälter wie Herr Koppelin dann behaup-et, wir hätten so wenig Geld zur Verfügung gestellt, dassie ODA-Quote auf einmal auf 0,35 Prozent gesunkenei – wie soll das gehen, wenn man den Haushalt um80 Millionen Euro aufwachsen lässt? –,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 58. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 15. September 2010 6147
Dr. Sascha Raabe
(C)
(B)
dann muss ich der Klarheit halber ganz einfach sagen,dass meine Aussagen und meine Kritik an HerrnKoppelin richtig waren.Ich halte fest: Im Gegensatz zu Ihnen haben wir 2008und 2009 den Haushalt immer um 13 oder 14 Prozentgesteigert. Bei Ihnen wird er um 0 Prozent gesteigert.Das macht nach Adam Riese: Wir haben mehr Geld fürEntwicklungszusammenarbeit ausgegeben als Sie. Dabeibleibt es.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
ordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 16. September
2010, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen einen
freundlichen Abend.