Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichbegrüße Sie alle herzlich. Es wird wieder etwas über-sichtlicher.
Wir haben vor Eintritt in die Fortsetzung unsererHaushaltsberatung noch einige Nachwahlen vorzuneh-men.Die SPD-Fraktion hat mitgeteilt, dass die ehemaligeAbgeordnete Monika Griefahn aus dem Verwaltungsratder Filmförderungsanstalt ausgeschieden ist. Als Nach-folgerin wird die Kollegin Angelika Krüger-Leißnervorgeschlagen. Als deren Stellvertreterin ist die KolleginUlla Schmidt vorgesehen. Können wir das so vereinba-ren? – Sie sind damit offenkundig einverstanden. Dannsind Frau Krüger-Leißner als Mitglied und die KolleginSchmidt als stellvertretendes Mitglied in den Verwal-tungsrat der Filmförderungsanstalt gewählt.Die SPD-Fraktion schlägt ferner vor, für den früherenAbgeordneten Christian Kleiminger die Kollegin BärbelBas in den Stiftungsrat der Stiftung „HumanitäreHilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Perso-zfnebdADRedetnen“ zu wählen. Sind Sie auch damit einverstanden? –Das ist augenscheinlich der Fall. Dann ist die KolleginBas in diesen Stiftungsrat gewählt.Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundeneTagesordnung um Zusatzpunkt 1:Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demÜbereinkommen Nr. 187 der InternationalenArbeitsorganisation vom 15. Juni 2006 überden Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz– Drucksache 17/428 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
zu erweitern und diesen Gesetzentwurf ohne Azur Beratung an den Ausschuss für Arbeit un
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Die zweite Komponente ist das Kurzarbeitergeld.Das kostet Arbeitnehmer, Arbeitnehmerinnen, Arbeitge-ber, aber auch die Politik viel Geld. Aber natürlich ist esallemal besser, in den Erhalt von Arbeitsplätzen, inFachwissen, in Familieneinkommen zu investieren, alsKündigung, Arbeitslosigkeit und Kompetenzschwundteuer zu bezahlen.
Dieses konjunkturelle Kurzarbeitergeld ist in derKrise entwickelt worden. Ich danke an dieser Stelle aus-drücklich meinen beiden Vorgängern, Olaf Scholz undFranz Josef Jung, die dieses konjunkturelle Kurzarbei-tergeld immer mit Augenmaß und genau abgestimmt aufdie Entwicklung der Krise weiterentwickelt haben, ge-wissermaßen am Puls der Zeit. Wir wollen diesen Wegin der akuten Krise in enger Abstimmung mit den Ar-beitnehmervertretungen und den Arbeitgebern weiterge-hen.
Abgesehen von der akuten Krise ändert sich dieStruktur des Arbeitsmarktes langfristig natürlich un-aufhaltsam. Die Industriearbeitsplätze werden immer an-spruchsvoller. Dienstleistungsberufe nehmen an Bedeu-tung zu, wachsen in ihrer Zahl, in ihrer Vielfalt. MehrFrauen arbeiten; das ist gut so. Wir haben mehr Älteream Arbeitsmarkt; auch das ist gut so. Dieser Wandel fin-det statt. Wenn wir ihn ignorieren, weil er uns vielleichtnicht passt, dann werden wir von dieser Entwicklungeinfach überrollt werden. Deshalb ist es so wichtig, pro-aktiv zu reagieren und frühzeitig zu erkennen, was es inZukunft bedarf, wenn wir diesem Strukturwandel amArbeitsmarkt aktiv begegnen wollen. Das heißt, wirmZnctdssMsmien„sdGmsVtAxgsiDscadcldBVbüunaDsagts
m die Beschäftigten zu schützen, aber auch die Unter-ehmen vor Konkurrenten, die zu Hungerlöhnen Arbeitnbieten, zu schützen.
eshalb haben wir bei der Abfallwirtschaft bewusst die-en Weg gewählt und den Mindestlohn jetzt wieder ver-nkert. Ich glaube, das war die richtige, das war eineute Entscheidung.
Bei der Zeitarbeit ist es weiterhin richtig und wich-ig, zu sagen: Sie hat ihren Platz, damit Unternehmenchnell auf Auftragsspitzen reagieren können. Aber das
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyendarf nicht heißen, dass die Zeitarbeit zur dauernden Bil-ligkonkurrenz für die eigene Belegschaft wird. Ich sageIhnen: Wenn die Zeitarbeit, die ich – wenn es den richti-gen Schutzrahmen gibt – für grundsätzlich richtig halte,von einzelnen Unternehmen zum Schaden der Beschäf-tigten missbraucht wird, dann müssen und werden wirdie Gesetze ändern. Denn das ist nicht im Sinne des Ge-setzgebers gewesen.
Auch bei der Arbeitsvermittlung hat sich viel Gutesgetan. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bun-desagentur für Arbeit leisten gute Arbeit. Ich glaube,man muss sagen – wir alle haben unsere Vorurteile überdie Bundesagentur für Arbeit –: Diese schwerfällige Be-hörde ist ein moderner Dienstleister geworden. Es ist,glaube ich, an der Zeit, manches Vorurteil abzubauen.
Ich will Ihnen eine Zahl nennen, die mir ins Auge gefal-len ist. Wenn man die durchschnittliche Dauer der Ar-beitslosigkeit im Boomjahr 2006 mit der im Krisenjahr2009 vergleicht, dann sieht man, dass Arbeitssuchendeim Krisenjahr 2009 im Durchschnitt 36 Tage weniger ar-beitslos gewesen sind als in der guten Zeit 2006. Dasheißt, trotz Krise werden die Arbeitssuchenden deutlichschneller vermittelt als früher. Ich denke, diese Arbeitder Bundesagentur sollte man auch anerkennen.
Wir können noch besser werden. Der alte Grundsatz,dass man nicht unbedingt mehr Geld, sondern mehr Effi-zienz braucht, gilt natürlich auch bei der aktuellen Dis-kussion über die Vermittlung der Langzeitarbeitslosen.Ich sage ganz klar: Unsere Aufgabe ist es, gerade denen,die schon lange arbeitslos sind, bestmöglich zu helfenund sie nicht über einen Kamm zu scheren. Ja, ich weiß,es gibt in Einzelfällen Menschen – dies beobachtet manüberall –, die staatliche Hilfen auf Kosten anderer aus-nutzen. Aber schon jetzt können die Jobcenter in solchenFällen die Leistungen kürzen, im Extremfall auf null,und sie tun das auch. Der Normalfall sieht doch ganz an-ders aus: Die große Mehrheit der Langzeitarbeitslosenwill raus aus Hartz IV. Sie können es aber nicht, weil ih-nen die Kinderbetreuung fehlt, weil ihnen der Schulab-schluss fehlt, weil ihnen die Berufsausbildung fehlt. Damüssen wir genau hinschauen und besser werden. Dasmuss unser erklärtes Ziel sein.
Wir haben in den vergangenen fünf Jahren bei dieserkontroversen Diskussion viel gelernt. Ich möchte deut-lich sagen: In diesen Jahren hat sich bei den Jobcenternein Erfahrungsschatz herausgebildet, der unverzichtbarist.
Deshalb will ich zur Reform der Jobcenter jetzt nur soviel sagen:
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ber aus der Sicht der meisten Rechtspolitikerinnen undpolitiker wäre sie aus rechtspolitischen Gründen nichtichtig.
Ich will Ihnen deutlich sagen: Wir müssten dazu nichtur eine Mehrheit finden – es wird ja immer gesagt, esebe sie bereits –, sondern diese Mehrheit müsste sichuch auf ein und denselben Text einigen. Da liegt derase im Pfeffer, meine Damen und Herren.
as ist zwei Jahre lang erfolglos versucht worden.
s hat sich nichts bewegt.
eshalb ist jetzt Pragmatismus gefragt.
Ich kann Ihnen zur allgemeinen Beruhigung sagen:ür die Betroffenen wird sich nicht viel ändern; das istas Entscheidende – wir führen eine sehr statische Dis-ussion: Die Arbeitslosen werden in den allermeistenällen in dasselbe Gebäude gehen wie jetzt.
ie werden zu ein und demselben Arbeitsvermittler ge-en wie jetzt. Sie werden über den Flur in das nächsteimmer zu ein und derselben Schuldnerberaterin gehenie jetzt. Wenn in den Kommunen die Zusammenarbeitit der Bundesagentur für Arbeit offensichtlich – bisherllerdings unter gesetzlichem Zwang – so ausgezeichnet
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Bundesministerin Dr. Ursula von der Leyengeklappt hat, dass sie jetzt alle erhalten wollen, warumsoll sie nicht auch weiterhin freiwillig mit kooperativenVerträgen funktionieren, meine Damen und Herren?
Um dies zu gewährleisten, werde ich Anfang kommen-der Woche Vorschläge für die neue Jobcenterorganisa-tion vorlegen.
Ich weiß, meine Zeit ist schon abgelaufen; zwei The-men sind mir allerdings noch sehr wichtig.
– Ja, die Redezeit.
Ich hoffe, dass meine Zeit im Allgemeinen noch nichtabgelaufen ist. Aber meine Redezeit ist schon abgelau-fen.
– Meine Lebenszeit ist hoffentlich auch noch nicht abge-laufen. – Mir liegen, wie gesagt, vor allem noch zweiThemen am Herzen; deshalb muss ich sie ansprechen.Wir haben uns vorgenommen, die Situation für Men-schen mit Behinderung zu verbessern. Unsere Vorgabeist die UN-Behindertenrechtskonvention. Wir wollen sieumsetzen und entwickeln, und zwar gemeinsam mit denBeteiligten, die es angeht. Mir ist wichtig, auch einenBewusstseinswandel herbeizuführen, unsere Perspek-tive zu verändern und weiterzuentwickeln: weg von derFürsorge, hin zu einer Sichtweise, nach der die selbstbe-stimmte und gleichberechtigte Teilhabe der Menschenmit Behinderung eine Voraussetzung ist. Das heißt, wirwollen die Inklusion gemeinsam mit den Menschen mitBehinderung zur erfahrbaren Wirklichkeit machen, undzwar in allen Lebensbereichen.20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in unseremLand, die sich ein ganzes Leben lang angestrengt habenund an ihrer Einkommenssituation jetzt nichts mehr än-dern können, erwarten zu Recht eine verlässliche Rente.Das Fundament dafür ist gelegt. Die gesetzliche Renten-versicherung ist stabil und generationengerecht. Ichglaube, man sollte zur Kenntnis nehmen, dass sie geradejetzt, in der Krise, stabiler ist als erwartet und sich auchim internationalen Vergleich sehr viel besser hält als dieSysteme anderer Länder. Wenn man berücksichtigt, dassdie Löhne und Gehälter in Deutschland zum ersten Malseit 50 Jahren gesunken sind, kann man erahnen, welchhohen Wert die Rentengarantie hat, indem sie gewähr-leistet, dass die Renten nicht sinken, obwohl die wirt-schaftliche Entwicklung so negativ war.evDMsgSrRsIuASMascmVaHKhKDbnsvluVizKnlsefb
Dass unser Arbeitsmarkt in dieser Krise robuster da-teht – dies ist zu Recht beschrieben worden –, hat Ursa-hen: Eine rot-grüne Bundesregierung hat Strukturrefor-en durchgeführt, die geholfen haben, die Dauer deserweilens in Langzeitarbeitslosigkeit zu verkürzen. Vorllen Dingen aber hat es mit beherztem Arbeiten undandeln sozialdemokratischer Minister in der Großenoalition zu tun. Deshalb ist es richtig, dass Sie Olaf Sc-olz erwähnt haben, der Änderungen an den Regeln fürurzarbeit durchgesetzt hat – mit dem Effekt, dass ineutschland im letzten Jahr der Arbeitsmarkt stabil ge-lieben ist, aber auch mit dem Effekt, dass die Binnen-achfrage erstaunlich robust geblieben ist in einer ganzchwierigen Zeit. Umso weniger, Frau von der Leyen,erstehe ich, dass die neue Bundesregierung die Rege-ungen für Kurzarbeit verschlechtert und Kurzarbeitnattraktiver gemacht hat.
erbessern Sie sie stattdessen! Wir wissen nämlich, dassn diesem Jahr, 2010 – und deshalb gibt es keinen Grundur Entwarnung –, die Krise nicht überstanden ist. Dieapazitäten der deutschen Wirtschaft sind auch bei ei-em Wachstum von 1,5 Prozent bei weitem nicht ausge-astet. Wir werden erleben, dass die Arbeitslosigkeitteigt und die Binnennachfrage zurückgeht. Deshalb ists wichtig, dafür zu sorgen, dass für die Arbeitgeber wieür die betroffenen Arbeitnehmer Kurzarbeit attraktivleibt.
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Hubertus Heil
Wir schlagen vor, die Dauer der Kurzarbeit – wie esfrüher möglich war – zu verlängern, sie nicht zu be-grenzen. Die Bundesagentur für Arbeit soll auch über2011 hinaus die sogenannten Remanenzkosten, das heißtdie Lohnnebenkosten, übernehmen. Auch die Weiterbil-dung muss stärker gefördert werden. Tragen Sie das mit,Frau von der Leyen – im Interesse der arbeitslosen Men-schen in diesem Land!
Ich kann überhaupt nicht verstehen – Sie sind mitwarmen Worten darüber hinweggegangen –, warum Siein einer Zeit, in der die Arbeitslosigkeit steigen wird, indiesem Jahr, in Kauf nehmen, die Jobcenter in Deutsch-land zu zerschlagen.
Hilfe aus einer Hand und nicht nur unter einem Dach istnotwendig, wenn man arbeitslosen Menschen, zumallangzeitarbeitslosen, effektiv helfen will. Ich kann IhreArgumentation nicht nachvollziehen, Frau von derLeyen. Ich habe den leisen Verdacht, dass Sie es eigent-lich genau wie wir sehen, aber Probleme haben, es Ihremeigenen Laden zu verklickern. Da sage ich Ihnen alsneuer Ministerin: Zeigen Sie mehr Kreuz und mehr Mut!Aber auch Rückendeckung von der Kanzlerin täte gut.Darauf kann man sich allerdings nicht verlassen; dashat Olaf Scholz erleben müssen, als er im letzten Jahrzusammen mit den 16 Ministerpräsidenten einen Kom-promiss für die Fortführung der Jobcenter geschaffenhat, der tragfähig ist, der pragmatisch ist, der Hilfe auseiner Hand ermöglicht, der Argen als Zentren für Grund-sicherung und Arbeit erhält und der auch den Optiererndie Sicherheit gibt, die sie brauchen. Frau Merkel hat ihnim Regen stehen lassen, weil einige Ideologen aus ihrerFraktion, namentlich Herr Röttgen und Herr Kauder, undeinige Rechtspolitiker ihrer Fraktion Sand ins Getriebegestreut haben. Das ist inakzeptabel. Ich wünsche Ihnenmehr Pragmatismus, und zwar, wie ich schon letztes Malgesagt habe, im Sinne von Karl Popper – pragmatischesHandeln zu sittlichen Zwecken – und weniger VolkerKauder.
Wollen Sie denn, dass in diesen Zeiten mit den Ar-beitslosen wieder Pingpong gespielt wird zwischen kom-munaler Verwaltung und Arbeitsagentur, wie es früherüblich war? Wollen Sie eine doppelte Bürokratie unddoppelte Bescheide? Wollen Sie Rechtsunsicherheit?Denn all das, was Sie jetzt in die Diskussion bringen,hält verfassungsrechtlich nicht stand. Allein die Entfris-tung der Optierer ist ohne Verfassungsänderung nichtzu machen, sagen führende Experten, sagen die kommu-nalen Spitzenverbände, der Deutsche Städte- und Ge-meindebund, der Deutsche Landkreistag – von dem Sieja vor einigen Tagen entsprechend Nachricht bekommenhaben –, aber auch der Deutsche Städtetag. Auch dieChefs und die Praktiker vor Ort in den Arbeitsagenturenbitten Sie, die erfolgreiche Einrichtung Jobcenter nichtzu zerschlagen und damit zurück zu einem Zustand zugehen, als Bürokratie und Pingpong mit Langzeitarbeits-losen angesagt waren. Kehren Sie um, Frau von derLminpsLDwdzlSwbAHddtdfvgZzdrPmgclaswGnSwonSVsvvr
Was hat es übrigens mit Ordnungspolitik zu tun, wennerr Rüttgers und diese Koalition einfach nur Zuver-ienstmöglichkeiten erweitern wollen und damit einenauerhaft subventionierten Niedriglohnsektor auf Kos-en der Steuerzahler etablieren? Führen Sie endlich Min-estlöhne in weiteren Branchen ein, und sorgen Sie auchür einen gesetzlichen Mindestlohn, damit Menschenon ihrer Arbeit leben können!
Frau von der Leyen, ich habe mich schon ein bisschenewundert, dass Ihnen das Thema „Missbrauch voneit- und Leiharbeit“ erst beim Problem Schleckerum ersten Mal begegnet zu sein scheint. Tatsache ist,ass es nicht nur Schlecker betrifft. Das ist in vielen Be-eichen das Problem. Es war richtig – damals haben esolitik und Gewerkschaften übrigens gemeinsam ge-acht –, Zeit- und Leiharbeit aus der Schmuddeleckeeholt zu haben. Wir haben damals den Grundsatz „glei-her Lohn für gleiche Arbeit von Stamm- und Leihbe-egschaften“ in das Gesetz geschrieben. Aber wir habenlle miteinander den Fehler gemacht, eine Öffnungsklau-el zu schaffen, die besagt, dass Tarifverträge davon ab-eichen könnten. Dies taten wir in der Hoffnung, dassewerkschaften und Arbeitgeber stark genug sind, ver-ünftig damit umzugehen. Dann allerdings ist übercheintarifverträge und Scheingewerkschaften, auchenn sie sich christlich nennen und durch CSU-Abge-rdnete in diesem Haus präsent sind, diese Klausel be-utzt worden, um Lohndumping und dem Auflösen dertammbelegschaften in Richtung Leihbelegschaftenorschub zu leisten. Dem müssen wir einen Riegel vor-chieben, meine Damen und Herren, und dazu habe ichon Ihnen nichts gehört.
Da reicht es nicht, Frau Ministerin, wenn Sie in Inter-iews die Folgen beklagen, selbst aber nichts tun. Eseicht auch nicht, wenn Herr Rüttgers darüber schwadro-
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Hubertus Heil
niert, nur weil am 9. Mai Landtagswahlen stattfindenwerden. Wir werden Ihnen im Februar in diesem Hauseinen Gesetzentwurf mit drei konkreten Maßnahmenund Vorschlägen vorlegen, und wir werden jeden Einzel-nen von Ihnen in namentlicher Abstimmung befragen,wie Sie es damit halten. Erstens. Sind Sie bereit – das istnotwendig –, die Rechte der Betriebsräte zu stärken, wasden Einsatz von Zeit- und Leiharbeit betrifft? Zweitens.Sie haben vorhin davon gesprochen, Gewerkschaftenund Arbeitgeber sollten Mindestlöhne tarifvertraglichfestschreiben. D’accord, wo sie es können, aber es gibtja bei der Zeit- und Leiharbeit einen Tarifvertrag. Warumsorgen Sie nicht für einen Mindestlohn im Bereich derZeit- und Leiharbeitsbranche? Drittens. Die wichtigsteFrage ist: Warum wehren Sie sich dagegen, den Grund-satz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit von Stamm- undLeihbelegschaften“ durchzusetzen? Ich verstehe esnicht; denn dies ist das wirksamste Instrument gegen denMissbrauch von Zeit- und Leiharbeit. An diesem Punktkönnen Sie mithelfen.
– Herr Kolb, wenn Sie ein ähnliches Hörvermögen wieSchreivermögen hätten, hätten Sie eben vernommen – Siekönnen es im Protokoll nachlesen –, was der Hinter-grund dieser Geschichte ist. Die Frage ist, wie wir jetztdamit umgehen und was Sie tun.
Frau von der Leyen, Arbeitsmarktpolitik ist das eine,Wirtschaftspolitik ist das andere. Wir werden nachhermit Herrn Brüderle noch darüber diskutieren. Unser zen-traler Vorwurf ist nicht, dass wir im Hinblick darauf,dass es in der Analyse des letzten Jahres und auch desBeginns dieses Jahres noch ganz gut aussieht, einer Mei-nung sind. Das haben wir in der Großen Koalition ge-meinsam gemacht, Frau Bundeskanzlerin. Unser Vor-wurf ist, dass Sie diesen Pfad verlassen, dass Sie keinKonzept und keine Wachstumsstrategie, aber auch keinekohärente Vorstellung im Bereich der Arbeitsmarktpoli-tik haben. Wer in Zeiten, in denen Langzeitarbeitslosig-keit wächst, Jobcenter zerschlagen will – ich sage esnoch einmal –, der ist wirklich mit dem Klammerbeutelgepudert.Dann gibt es noch etwas, was uns auch noch nicht soklar ist und was mit der Haushaltspolitik im unmittelbarenSinne zu tun hat: Können Sie uns wirklich versichern,dass Sie den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung dau-erhaft, das heißt über die ganze Legislaturperiode, stabilhalten? Ich habe gestern eine Zwischenfrage an HerrnFriedrich gestellt, der locker sagte: Natürlich, dagegenwerden wir uns stemmen, das soll nicht über 3 Prozentsteigen. – Aber mir fehlt eine klare Aussage in IhrerRede, Frau Ministerin. Was wird sich eigentlich nachdem 1. Januar 2011 im Bereich der Arbeitslosenversi-cherung entwickeln? Der Beitrag wird auf 3 Prozentsteigen. Aber wir dürfen nicht ins Unendliche gehen. Ichwarne Sie davor, die aktive Arbeitsmarktpolitik oder denArbeitslosenversicherungsbeitrag als Steinbruch zu neh-mIdblzDkLRHatiSeJlsdHuUlHDbA
as dürfen Sie nicht zulassen. Dazu muss endlich ein
lares Wort gesagt werden. Kehren Sie um, Frau von der
eyen!
Herzlichen Dank.
Die Kollegin Dr. Claudia Winterstein ist die nächste
ednerin für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Lieber Herr Heil, Ihrer Rede hat man wirklichngemerkt, dass die SPD keine Regierungsverantwor-ung mehr für die Zukunft dieses Landes trägt, und dasst auch gut so.
ehr wohl aber tragen Sie die Verantwortung für Fehl-ntscheidungen und Versäumnisse der vergangenenahre. Ich weiß, dass Sie davon nichts mehr wissen wol-en, Herr Heil. Ich erinnere aber daran: Ohne Wirt-chaftskrise bei sprudelnden Steuermehreinnahmen under größten Steuererhöhung aller Zeiten haben Sie denaushalt und den Schuldenberg stetig wachsen lassennd damit die Chancen zur Konsolidierung verpasst.
nter SPD-Finanzministern ist der Schuldenberg in denetzten elf Jahren um 300 Milliarden Euro gewachsen.Zu Ihrem Redebeitrag wäre vieles zu sagen, Herreil, allerdings nichts Gutes.
as will ich Ihnen und mir ersparen. Teilweise hatte ichei Ihrer Rede das Gefühl, das grenzte schon an partiellemnesie.
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Dr. Claudia Winterstein
Der Haushalt 2010 entsteht also unter sehr schwieri-gen Bedingungen. Trotzdem gibt es für das Jahr 2010 diepositive Nachricht, dass der Einzelplan mit einem deut-lich geringeren Ansatz, nämlich 6,3 Milliarden Euro we-niger, auskommt, als noch unter Finanzminister Stein-brück für 2010 geplant.
Dieser Einzelplan hat somit einen wichtigen Beitragdazu geleistet, dass es uns gelungen ist, gleich zu Beginnunserer Regierungszeit Steuersenkungen durchzuführenund zugleich die von Steinbrück ursprünglich geplanteNeuverschuldung sogar etwas geringer zu halten.Ich will auf einige wichtige Themen eingehen, die un-sere Arbeit in diesem ersten Regierungsjahr bestimmenwerden. Das Bundesverfassungsgericht hat die derzei-tige Struktur der Arbeitsgemeinschaften verworfen.Hier besteht also dringender Handlungsbedarf. UnterSPD-Arbeitsministern hat es allerdings keine Lösung ge-geben; das muss man ganz deutlich sagen.
Die neue Regierung wird nun eine Lösung vorlegen. DieMinisterin hat einen entsprechenden Gesetzentwurf an-gekündigt.Allen Vorschlägen der SPD liegt eine Änderung derVerfassung zugrunde. Das wollen wir nicht.
Insofern sind sie keine Lösung des Problems.Ich möchte noch auf einen anderen Teilaspekt dieserGesetzgebung eingehen. Das Modell der Optionskom-munen hat sich bewährt. Deshalb haben wir im Koali-tionsvertrag festgelegt, dass die Optionskommunen ihreAufgabe unbefristet wahrnehmen können.
Wir werden prüfen, ob wir nicht sogar einen Schritt wei-ter gehen und die Möglichkeit schaffen können, die An-zahl der Optionskommunen zu erhöhen, wenn dies ge-wünscht wird.
Hierfür muss ein rechtssicherer Weg ohne Verfassungs-änderung gefunden werden.
Änderungen bei Hartz IV sind derzeit ein großesThema und in der Tat sehr notwendig. In der Koalitiongibt es dazu klare Verabredungen. Die Grundsicherungfür Arbeitsuchende ist ein Sicherheitsnetz, das zugleichdazu anregen soll, dieses Netz wieder zu verlassen undsich finanziell wieder auf eigene Füße zu stellen. Es gibtaedKgzmKvFrLvs2njtetbHwseHn–buzDmdzKrkvnwgbSKdü
Eine zweite wichtige Änderung bei Hartz IV hat dieoalition bereits auf den Weg gebracht. Mit dem Sozial-ersicherungsstabilisierungsgesetz verdreifachen wir diereibeträge für die Altersvorsorge in der Grundsiche-ung für Arbeitsuchende von 250 Euro auf 750 Euro proebensjahr. Das erhöht den Anreiz für die private Alters-orsorge.In diesem Gesetz gibt es eine weitere Regelung, dieich direkt im Haushalt des Arbeitsministeriums für010 niederschlägt. Die Bundesagentur für Arbeit hatach erheblichen Beitragssenkungen, aber auch nachahrelangen massiven Leistungs- und Personalauswei-ungen in diesem Jahr ein Defizit in Milliardenhöhe zurwarten. Damit das Defizit nicht zu deutlichen Bei-ragserhöhungen führt, erhält die Bundesagentur für Ar-eit, wie gesagt wurde, vom Bund einen Zuschuss inöhe von circa 16 Milliarden Euro, vielleicht auch et-as weniger. Aber die Bundesagentur für Arbeit mussich darüber im Klaren sein, dass dieser Zuschuss nurine einmalige Maßnahme ist und sie ab dem folgendenaushaltsjahr selbstverständlich nur mit Darlehen rech-en kann.
Das ist doch klar. – Deshalb ist es wichtig, die Ausga-en in den Griff zu bekommen.Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, Aufgabennd Strukturen der Bundesagentur für Arbeit einer Kritiku unterziehen.
ie Arbeitsmarktinstrumente der Arbeitsverwaltungüssen auf den Prüfstand gestellt werden. Wir wollenie Vielzahl der Arbeitsmarktinstrumente deutlich redu-ieren, effizienter gestalten und damit natürlich auchosten sparen. Es gab bereits unter der Vorgängerregie-ung den Versuch einer Neuordnung, allerdings mit derlaren Absicht, an der Höhe der Ausgaben ja nichts zuerändern. Das wollen wir anders machen. Wenn wir ei-en Anstieg des Beitragssatzes vermeiden wollen – dasollen wir natürlich –, dann führt an der strikten Be-renzung der Ausgaben kein Weg vorbei.Ab 2011 müssen wir die Vorgaben der Schulden-remse einhalten. Das heißt, wir müssen erheblicheparbemühungen unternehmen. Dazu haben wir imoalitionsvertrag die goldenen Regeln verankert, nachenen alle staatlichen Aufgaben auf ihre Notwendigkeitberprüft werden müssen und alle Ministerien ihren Bei-
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Dr. Claudia Wintersteintrag zur Eindämmung der Ausgaben erbringen müssen.Der Einzelplan 11 ist mit 147 Milliarden Euro der größteEtat im gesamten Bundeshaushalt und muss somit zuden notwendigen Einsparungen ab 2011 einen erhebli-chen Beitrag erbringen.Im Haushalt 2010 halten sich die Möglichkeiten, Ein-sparungen zu verwirklichen, noch in engen Grenzen. Esist aber jetzt unsere Aufgabe, Einsparungen im Jahr 2011den Boden zu bereiten. Wir werden im Jahr 2010 die imKoalitionsvertrag beschlossenen Prüfaufträge zügig be-arbeiten, um im Jahr 2011 aufgrund der Ergebnisse zuUmstrukturierungen und mehr Effizienz zu kommen.Wir werden ebenso aufgrund der bereits vorliegendenIstergebnisse des Haushaltes 2009 – das ist der Vorteildieses Haushaltsentwurfs – sehr genau prüfen, ob höhereAnsätze für das Jahr 2010 überhaupt gerechtfertigt sind.Wir wollen beim Eingliederungsbudget ein deutlichesStoppsignal setzen. Einen weiteren Aufwuchs in diesemBereich soll es nicht geben. Wir werden außerdem sehrgenau darauf achten, inwieweit es verantwortbar ist,neue Projekte ins Leben zu rufen, die uns für mehrereJahre finanziell binden. Außerdem muss sorgfältig ge-prüft werden, in welcher Form und Höhe laufende Pro-jekte weitergeführt werden können.
Frau Kollegin Winterstein!
Mit dem Haushalt 2010 leiten wir somit eine klare
Trendwende ein.
Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Gesine Lötzsch für
die Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Am 3. Oktober 2004 erschien eine ganzseitige An-zeige in der Süddeutschen Zeitung mit der Überschrift„Auch wir sind das Volk“. Ich zitiere daraus:Die unter dem Angst machenden und abschrecken-den Schlagwort Hartz IV beschlossenen Änderun-gen in der Arbeitslosen- und Sozialhilfe sind über-lebensnotwendig für den Standort Deutschland.Weiter heißt es:Jetzt hilft nur noch ein radikaler Kurswechsel. Sol-che Einschnitte tun weh wie alle schwerenOperationen …Aber den in Geld schwimmenden Unterzeichnern die-ser Anzeige haben die Reformen nicht wehgetan. Unterihnen ist zum Beispiel der ehemalige Vorstandschef derWestLB, Dr. Thomas Fischer. Er hat den Steuerzahlernmit der WestLB einen der größten BankensanierungsfälledwBhsDKnksvRtgzDgdbPegreMstsVaWBswvhabsLtdBMEdHzdr
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1363
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a haben Sie von der Koalition einmal recht gehabt. Dasarf man offen sagen.Auf dem entscheidenden Gebiet spielen Sie jedochoulette. Der Arbeitslosenversicherungsbeitrag wirdum 1. Januar 2011 geringfügig auf 3 Prozent angeho-en. Um die Kosten zu decken, müssten Sie ihn eigent-ich auf 4,8 Prozent anheben, also fast verdoppeln. Teilehrer Koalition reden schon darüber. Wir wollen von Ih-en jetzt einmal wissen: Wird es eine Steigerung deseitrags geben oder nicht? Prognostiziert wird, dass dieA 2011 ein Defizit von 11 Milliarden Euro, 2012 vonehr als 8 Milliarden Euro und 2013 von 5 Milliardenuro haben wird. Sie sprechen immer wieder vonchutzschirmen auch für den Arbeitsmarkt. Für 2011 istegen auf dem Arbeitsmarkt angekündigt. Ich frage Sie:iehen Sie den Regenschirm weg oder nicht? Die Ant-ort auf diese Frage bleiben Sie uns schuldig. Das gehticht, Frau von der Leyen.
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Alexander Bonde
Sie haben verschiedene Möglichkeiten. Eine Mög-lichkeit ist, der BA wieder ein Darlehen zu gewähren;das hat Frau Winterstein gerade angedroht. Das hieße,Sie setzten auf eine dauerhafte Überschuldung der Bun-desagentur für Arbeit, für die Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer in Zukunft zahlen müssten. Das ist in die-ser Situation – demografischer Wandel plus Wirtschafts-krise – eine unverantwortliche Strategie. Das sage ichIhnen ganz offen.Eine andere Möglichkeit ist, auf Kürzungen zu set-zen. Auch diese Drohung liegt bereits auf dem Tisch. Ichweiß nicht, Frau Winterstein, ob diese Information schonfreigegeben worden ist oder ob Sie etwas ausgeplauderthaben, was erst im Juni auf den Tisch soll. Ihre Idee ist,bei Qualifizierungs- und Eingliederungsmaßnahmen zukürzen. Auch das ist eine absurde Strategie, weil wir ge-nau wissen, dass über den Eingliederungstitel geradediese Qualifizierungsmaßnahmen in der Krise dieChance bieten, den Fachkräftemangel, der nach derKrise droht, zu verhindern. Wir alle wissen, dass dies dienächste Gefahr auf dem Arbeitsmarkt sein wird.
Im Zusammenhang mit der Beitragserhöhung stelltsich auch die Frage der sozialen Verteilung der Kosten.Wer wäre von einer Verdopplung des Arbeitslosenversi-cherungsbeitrages betroffen? Dem gegenüber steht dieFrage: Was bedeutete eine Steuerfinanzierung in einerKrise, wie wir sie heute erleben?Eine ähnliche absurde Positionierung der Koalitionerleben wir in der Frage der Neuorganisation der Ar-beitsgemeinschaften. Jetzt hat sich in diesem Bereichendlich eine funktionierende Arbeitsweise etabliert, so-dass diejenigen, die Unterstützung brauchen, nicht stän-dig von Pontius zu Pilatus laufen müssen, sondern Hilfeaus einer Hand bekommen. Die Software funktioniertendlich.
Das Anfangschaos ist beseitigt. In dieser Situation wol-len Sie dieses Paket wieder aufschnüren. Ich glaube, Sieschlagen den falschen Weg ein. Sie schicken die Leutezurück in die Mühlen der Bürokratie und verursachenneue Friktionen, die gerade in der Krise niemandem hel-fen.
Ich bin davon überzeugt: Wir brauchen eine verfas-sungssichere Fortführung der Jobcenter und eine Aus-weitung der Optionsmöglichkeiten, die es den Kommu-nen erlauben, den für sie richtigen Weg zu finden. Aberes muss auch darum gehen, dass die Hilfe für dieSchwächsten effizient organisiert wird. Mit Verlaub: Das,was Sie hier in Aussicht gestellt haben, das Optionsmo-dell ohne eine Verfassungsänderung verfassungskon-form auszuweiten, ist ungefähr so, als ob Sie eine WurstidwPUOaladbdMdbMSdaCEBdzvkeczslddDenjwWfewwd1g
Die Minijobs sind die nächste Baustelle, auf der Sienfug anstellen. Jetzt reden Sie über die Lockerung derbergrenzen. Das heißt, Ihre Antwort auf die Situationuf dem Arbeitsmarkt ist eine Ausweitung des Niedrig-ohnbereichs. Damit lösen Sie ähnliche Folgeproblemeus wie das Mehrwertsteuerchaos bei den Hotels. Sieachten, Sie tun etwas Gutes, hatten aber die Folgepro-lematiken nicht im Blick. Sie wissen doch genau, dassie Lockerung der 400-Euro-Grenze dazu führt, dass dieinijobs attraktiver werden. Das wiederum führt dazu,ass es bei den Sozialversicherungen zu Einnahmeein-ußen kommt und der Niedriglohnsektor weiter wächst.achen Sie endlich eine Politik für echte Jobs! Setzenie auf Jobs mit Perspektiven anstatt auf Minijobs undie Ausweitung von Zuverdienstgrenzen!
Ich frage Sie: Auf was setzen Sie? Welche Chancenuf Vermittlung geben Sie den Schwächsten? Welchehancen auf gesellschaftliche Teilhabe geben Sie ihnen?s ist in der Krise nicht einfach, den Arbeitslosengeld-II-etrag anzupassen. Ich glaube aber, dass es trotz Kriseringend an der Zeit ist, den Regelsatz auf 420 Euro an-uheben. Das ist das absolute Minimum, um ernsthafton einer Absicherung und einer Teilhabe sprechen zuönnen.
Ich gebe zu: Die Debatte muss für Sie als Koalitionine Zumutung sein. Wir reden über das Zimmermäd-hen, das hart arbeitet und trotzdem kein Einkommenum Überleben hat, weil es keinen Mindestlohn gibt, an-tatt über die Hotelkettenbesitzer, die im Fokus Ihrer Po-itik stehen. Aber ich glaube, das wirklich Wichtige inieser Republik sind die Leute, die hart arbeiten, nichtie, die hart an die Koalition spenden.
Von Ihrer Politik sind auch die Kommunen betroffen.as haben wir beim Wachstumsbeschleunigungsgesetzrlebt. Das erleben wir aber auch in diesem Bereich. Ichenne das Stichwort Kosten der Unterkunft. Ich meineetzt nicht die Unterkunftskosten im Hotel – nicht nervöserden! –, sondern die Kosten zur Finanzierung derohnung von Arbeitslosengeld-II-Beziehern. Die Mieteür deren Wohnung kostet im Monat etwa so viel wieine einzige Übernachtung in einem 5-Sterne-Hotel.Sie betreiben eine Finanzpolitik, mit der Sie weiteresentliche Lasten auf die Kommunen schieben. Eineeitere Absenkung des Bundesanteils hätte zur Folge,ass die kommunalen Ausgaben im nächsten Jahr um7 Prozent von 10,3 auf rund 12,1 Milliarden Euro stei-en. Sie wissen genau, welche zusätzlichen Belastungen
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Alexander BondeSie damit den Kommunen aufbürden, denen Sie schonmit Ihren bisherigen Klientelgeschenken geschadet ha-ben und die Sie mit Ihren Steuersenkungsandrohungennun wirklich an die Wand spielen. Überlegen Sie sichendlich einmal, was die Grundlage dieser Gesellschaftist, und hören Sie auf, auf Kosten der Kommunen undder Schwächsten Ihre Steuersenkungsfantasien auszule-ben!
Frau von der Leyen, Sie wollten diesen Job. Jetztmachen Sie ihn aber auch! Sie wissen genau, dass dieErgebnisse der nächsten Steuerschätzung keine dramati-schen Veränderungen bringen werden, sondern höchs-tens marginale. Sie wissen, wenn die Einnahmeseite desBundeshaushaltes von Ihrer Koalition systematisch ka-puttgemacht wird, dann wird die Koalition Ihren Einzel-plan als Steinbruch nutzen müssen. Dann bezahlen dieSchwächsten in der Gesellschaft die Steuersenkungenfür die Reichsten. Eine Arbeits- und Sozialministerin hatden Job, das zu verhindern. Daran messen wir Sie. Abheute stehen Sie unter Beobachtung nicht nur des Kabi-netts, sondern auch der Menschen im Land, die sich dar-auf verlassen, dass es wenigstens einer in der Koalitiongibt, die verhindert, dass die Reichen auf ihre Kostennoch reicher werden.Herzlichen Dank.
Karl Schiewerling ist der nächste Redner für die
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Wachstum, Bildung, Zusam-menarbeit – das ist die Antwort der Koalition auf dieKrise. Wir stecken noch mitten in dieser Krise. Bildenwir uns nichts ein: Wenn es, wie mir die Chefin derAgentur für Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen voreinigen Tagen gesagt hat, etwa 100 000 Menschen gibt,die zwar noch einen Job haben, sich aber bereits arbeit-suchend gemeldet haben, weil ihnen die Kündigung aus-gehändigt wurde, dann wissen wir, dass diese Krise nichtvorbei ist. Ich sage Ihnen: All unsere Anstrengungensind gefordert, diesen Menschen trotz allem Sicherheitzu geben und Perspektiven aufzuzeigen. Deswegen ist eswichtig, in diesem Hohen Hause kein dummes Zeug vonSozialabbau zu erzählen, hier nicht zu erzählen, wer ih-nen den Boden unter den Füßen wegziehen will, sondernzu akzeptieren, dass wir eine verlässliche, vernünftigePolitik machen, um diesen Menschen, wenn ihnen Ar-beitslosigkeit droht, Hilfe und Unterstützung anbieten zukönnen.
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ie Dinge, die im Einzelplan 11 stehen, sind also im We-entlichen Dinge, die Sie selbst entwickelt und für dieuch Sie gestimmt haben.
Allein für den Arbeitsmarkt werden 62,6 Milliardenuro bereitgestellt. Das sind 17 Milliarden Euro mehrls im vergangenen Jahr. Das ist im Wesentlichen Geld,as der Bundesagentur für Arbeit zugutekommt. Wirissen nämlich, dass weiterhin Kurzarbeit finanzierterden muss und wir dafür der Bundesagentur für Ar-eit einen Zuschuss geben müssen. Es gab, Herr Kollegeonde, während des Bundestagswahlkampfes kein Her-mgeeiere, sondern wir haben nach einem richtigen undernünftigen Weg gesucht. Wir haben dann den Weg ge-ählt, den wir auch jetzt noch verantworten können.Meine Damen und Herren, betrachtet man all dieseahlen, die wir auf den Tisch legen, dann stellen wir fest,ass von sozialer Kälte und sozialem Kahlschlag nichtie Rede sein kann. Alles das, was Sie unserer Koalitionnheften wollen, wird an uns abprallen. Sie werden fest-tellen, dass wir uns sehr verantwortungsbewusst vonnserem Prinzip und unserem Menschenbild leiten las-en,
ämlich dem Menschenbild von Solidarität, Subsidiari-ät, Eigenverantwortung und personaler Würde. Dasteht im Mittelpunkt der Politik, übrigens auch der Ar-eitsmarkt- und Sozialpolitik.
Das gilt auch für die Neuorganisation im Bereicher Grundsicherung für Arbeitsuchende. Es gibt dasrteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezem-er 2007; Frau Dr. von der Leyen hat darauf hingewie-en. Dieses Urteil hat niemand in diesem Hohen Hauseerbeigeführt; es hat auch niemand so haben wollen. Wirüssen uns der Herausforderung stellen, eine verfas-ungsmäßige, ordentliche Form zu finden.Herr Kollege Heil, die Menschen sind, bevor wir dierundorganisation, die Organisation für Arbeitsu-
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Karl Schiewerlingchende im SGB II, geschaffen haben, nicht zwischendem Sozialamt in der Kommune und der Arbeitslosen-versicherung wie in einem Pingpongspiel hin und her ge-schoben worden, weil es zwischen diesen beiden über-haupt keine Beziehung gab.
Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozial-hilfe war übrigens eine Grundforderung der CDU/CSU.Diese ist dann aufgegriffen und über den Bundesrat vonuns mitgestaltet worden. Die Zusammenlegung ist er-folgt, damit wir den Menschen Hilfe aus einer Hand undauch den Sozialhilfeempfängern die erforderlichen ar-beitsmarktpolitischen Hilfestellungen geben können.Das soll auch weiterhin geschehen.
Daran wird sich auch nichts ändern, wenn wir eine Formfinden, wie wir den Menschen die Hilfe möglichst auseiner Hand und möglichst unter einem Dach gewährenkönnen.Frau Dr. von der Leyen hat in ihrer Rede darauf hin-gewiesen, und ich kann das nur unterstreichen: Heutekommen die Menschen in ein Jobcenter und sprechenmit ihrem Fallmanager. Sie haben bei der Kommune ei-nen Ansprechpartner etwa im Falle einer Erkrankungoder Schuldnerberatung. Ich glaube, dass sich an dieserForm der bewährten Zusammenarbeit auch dann nichtsändern wird, wenn wir keinen strengen gesetzlichenRahmen dafür haben.
Herr Kollege Schiewerling, gestatten Sie eine Zwi-
schenfrage des Kollegen Heil?
Ja.
Bitte schön.
Sehr geehrter Kollege, ich glaube, dass es in dem
Menschenbild, das Sie als Zielsetzung beschrieben ha-
ben, keine großen Unterschiede zu unserem gibt, jeden-
falls nicht, wenn ich mir Ihre Worte anhöre. Können Sie
mir bitte Folgendes erklären: Wenn Sie weiterhin Hilfe
nicht nur unter einem Dach, sondern sogar aus einer
Hand haben wollen, warum ist dann jetzt getrennte Auf-
gabenwahrnehmung Ihr Weg, zumal wir einen Kompro-
miss hatten, der zwischen Olaf Scholz, damals Bundesar-
beitsminister, Ihrem Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers
– Noch-Ministerpräsident – und Kurt Beck aus Rhein-
land-Pfalz vereinbart wurde, den alle 16 Bundesländer
mitgetragen haben? Ich will Ihnen nur sagen, Herr
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Herr Kollege Schiewerling, darf Ihnen die Kollegin
Lötzsch nun noch eine Zwischenfrage stellen?
Ja.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr
Kollege, die solideste Basis für solide Finanzen der Ren-
tenversicherung sind gute Arbeitsplätze, die gut bezahlt
werden, und nicht prekäre Jobs, die sich immer mehr
ausweiten. Stimmen Sie darin mit mir überein? Wenn ja:
Können Sie einmal kurz erläutern, was Sie dafür tun
wollen, dass wir mehr solide Arbeitsplätze auf solider
Grundlage mit entsprechender Bezahlung und weniger
prekäre Beschäftigungsverhältnisse haben?
Erstens. Arbeitsplätze werden nicht durch die Ar-
beitsmarktpolitik geschaffen, sondern in der Wirtschaft,
indem wir Wirtschaftswachstum generieren und indem
Menschen dort investieren.
Gelingt uns dies, schaffen wir Arbeitsplätze.
Zweitens. Auch ich möchte gerne, dass die Menschen
ordentlich bezahlt werden. Aber das ist eine Frage der
Rahmenbedingungen und der Abmachungen zwischen
Arbeitgebern und Gewerkschaften, die die Tarife festle-
gen und die letztendlich ihre Branche und die Produkti-
vität ihres Bereiches besser kennen als zum Beispiel der
Deutsche Bundestag.
Deswegen sind wir – ich sage dies, bevor Sie auf diesen
Punkt abheben – gegen gesetzliche Mindestlöhne, und
deswegen sind wir für tarifliche Mindestlöhne. Wir sa-
gen: Wenn eine Branche so ist, wie sie ist, dann haben
wir nicht zu bestimmen, ob die dort beschäftigten Men-
schen mehr verdienen oder ob sie weniger verdienen.
Denn eine entsprechende Vereinbarung kann letztendlich
darüber entscheiden, ob ihr Arbeitsplatz erhalten bleibt
oder nicht. Wir haben ein Interesse daran, dass jeder zu-
nächst das tut, was er unter den gegebenen Rahmenbe-
dingungen leisten kann. Wenn das der Fall ist, gibt es die
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Wir brauchen für die Überwindung dieser Krise eine
unktionierende Arbeitsmarktpolitik. Wir sind auf ei-
em guten Weg. Wir fangen nicht bei null an. Die Union
at in den letzten Jahren erfolgreich gearbeitet. Wir wer-
en diese erfolgreiche Arbeit fortsetzen gemeinsam mit
nserer Bundesarbeitsministerin Frau Dr. von der Leyen.
ie CDU/CSU-Fraktion freut sich auf eine gute Zusam-
enarbeit. Das hat alles prima angefangen.
ie Menschen im Land werden merken, dass mit Ihnen,
rau Ministerin, ein guter Wind in diesem Hause weht
nd dass wir die Aufgaben gemeinsam geschultert be-
ommen. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit
it Ihnen und auf Ihr Wirken.
Bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe,öchte ich insbesondere die neuen Kolleginnen undollegen darauf hinweisen, dass der nicht nur gut ge-einte, sondern natürlich auch begrüßenswerte Eifer,ie Debatte durch Zwischenfragen und Kurzinterventio-en zusätzlich zu beleben, an die natürliche Grenze deru Beginn jeder Debatte vereinbarten Redezeiten stößt,ie beschlossen werden. Es gehört zu den undankbarenufgaben des jeweiligen sitzungsleitenden Präsidenten,ie tatsächliche Debattenzeit in der Nähe der beschlosse-en Debattenzeit zu halten. Deswegen bitte ich umachsicht, dass die Zahl der zusätzlich zugelassenenwischenfragen und Kurzinterventionen jedes Mal mitinem hoffentlich halbwegs nachvollziehbaren Maß aningerspitzengefühl in Grenzen gehalten werden muss.Nun erteile ich das Wort der Kollegin Bettina Hage-orn für die SPD-Fraktion.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Sie dürfen mir übrigens trotzdemreichlich Zwischenfragen stellen, sofern Sie mögen.
Ich rede hier über den Etat des Arbeits- und Sozialmi-nisteriums und damit über Ausgaben von über 146 Mil-liarden Euro im Jahr 2010. Das sind 6,3 Milliarden Euroweniger, als im ersten Regierungsentwurf von PeerSteinbrück für diesen Bereich vorgesehen waren; Kolle-gin Winterstein hat darauf hingewiesen, hat aber ver-sucht, den Eindruck zu erwecken, als sei dies das Ergeb-nis von Sparbemühungen von Schwarz-Gelb. Allerdingsist diese Reduzierung alleine darauf zurückzuführen,dass wir glücklicherweise seit dem Frühsommer 2009 ei-nen günstigeren Konjunkturverlauf haben, als damalsnoch angenommen werden musste: Damals sind wirnoch von 4,6 Millionen Arbeitslosen im Jahr 2010 aus-gegangen. Sie haben die Zahl in Ihren Annahmen auf4,1 Millionen Arbeitslose reduziert. Wenn ich vorhinden Worten von Frau von der Leyen richtig gelauschthabe, gehen Sie jetzt schon von unter 4 Millionen Ar-beitslosen aus. Damit wollten Sie vermutlich ankündi-gen, dass die Ansätze weiter gesenkt werden. Das wer-den Sie uns dann in der zweiten und dritten Lesungwahrscheinlich wieder als Einsparung verkaufen, wollendamit dann aber an anderer Stelle Sonderwünsche finan-zieren.Es wurde zu Recht von meinen Kollegen darauf hin-gewiesen: Dass wir im Vergleich zu den Annahmen vomletzten Sommer auf 500 000 Arbeitslose weniger hoffendürfen, ist weder vom Himmel gefallen noch auf höhereGewalt zurückzuführen, sondern allein der Erfolg eineraktiven Arbeitsmarktpolitik, die 2009 unter Olaf Scholzals Arbeits- und Sozialminister durchgesetzt worden ist.
Frau von der Leyen, das sind Erfolge, die diese Regie-rung jetzt leider fahrlässig verfrühstückt.Unbestritten bleibt, dass 2010 mit einer steigendenArbeitslosigkeit zu rechnen ist. Bei einer Umfrage zumJahreswechsel haben 47 Prozent der Bundesbürger ge-sagt, die größte Sorge für das Jahr 2010 sei die Angst umihren Arbeitsplatz. Was machen jetzt CDU/CSU undFDP in dieser Situation? Sie muten der Bundesagenturfür Arbeit und den Kommunen mit ihren insgesamt60 000 Mitarbeitern, die in 370 Argen und 69 Options-kommunen im Lande engagiert arbeiten – davon warschon die Rede –, ohne jede Not eine Umstrukturie-rung zu.
Sie führt zu einem Bürokratiemonster und stellt eine un-verantwortliche Rückwärtsrolle in der Sozialpolitik dar;
sie zerschlägt mutwillig die in der Praxis erfolgreiche ge-meinsame Arbeitsvermittlung aus einer Hand. Das ist nichtnur für die Langzeitarbeitslosen, sondern auch für dereneMkbgktgbwEnVdsmdsckcdnIBtddvlEBkAdsvSMEdlnfdvicds
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wenn diese bürgerliche Regierung an die Macht kommt,war nichts anderes als Wahlkampfgetöse, sie hatte keineGrundlage, und die Menschen in diesem Land haben dassehr wohl bemerkt.
Insgesamt geben wir im Bundeshaushalt 177 Milliar-den Euro für soziale Zwecke aus, mehr als 54 Prozentdes Gesamtetats. Wenn man auch diejenigen Bereicheder sozialen Sicherung hinzunimmt, die außerhalb desBundeshaushalts laufen, dann kommen wir auf eineSumme von über 750 Milliarden Euro, die in Deutsch-land für soziale Zwecke ausgegeben werden. Dies ist fürmich der Beleg: Deutschland ist ein sozialer Staat, undvon Jahr zu Jahr haben wir mehr Geld aufgewendet. Dasist hier deutlich festzuhalten. Geld ist genug da. Aller-dings müssen wir uns die Frage stellen, ob wir das Geldauch immer richtig ausgeben, ob es tatsächlich bei denwirklich Bedürftigen ankommt. Diese Frage ist aus mei-ner Sicht durchaus offen.
Nun sagen Sie immer, wenn mehr Geld für sozialeZwecke ausgegeben werde, sei das ein Indiz dafür, dassalles hier schlecht laufe und die Menschen arm seien. Andieser Stelle weise ich darauf hin: Jeder Euro, den wir inDeutschland für soziale Zwecke ausgeben, verhindertAwhwkcwhscZZjgWum7aKtbdddWSnapirwmÜTEShMsuhRv
ir stellen ein klares Stoppschild auf: Zeitarbeit hat ausnserer Sicht eine wesentliche Funktion am Arbeits-arkt. In der Frühphase des letzten Aufschwunges sind5 Prozent der neuen Arbeitsplätze im Bereich der Zeit-rbeit entstanden und das, Herr Heil, mit einem hohenlebeeffekt. Das darf man nicht vergessen. Er ist statis-isch belegt. Viele Menschen, die zunächst durch Zeitar-eit in ein Unternehmen kommen, bleiben auf Dauerort. Das zeigt, dass die Brücke zum ersten Arbeitsmarkturch Zeitarbeit funktioniert. Wir werden nicht zulassen,ass sie zerstört wird.
ir werden prüfen – darin bin ich mit dem Kollegenchiewerling und auch der Ministerin völlig einer Mei-ung –, wie man diese Missstände beseitigen kann.Wir haben in dieser Woche mit den drei großen Zeit-rbeitsverbänden Gespräche geführt. Wir sehen Ansatz-unkte. Natürlich wäre es wünschenswert – da stimmech Karl Schiewerling zu –, wenn die Tarifpartner in ih-en Tarifverträgen selbst regeln könnten, dass die Ab-eichung vom Equal-Pay-Grundsatz, der im Arbeitneh-erüberlassungsgesetz steht, bei einer konzerninternenberlassung von vornherein verhindert wird, dass diearifverträge also nicht anwendbar sind und damit derqual-Pay-Grundsatz nicht ausgehebelt werden kann.ollte das nicht gelingen, werden wir als Gesetzgeberandeln müssen, um das gewünschte Ziel zu erreichen:issbrauch verhindern, aber die im Grundsatz wün-chenswerte Zeitarbeit weiterhin ermöglichen. Das istnser Kurs.Ich will etwas zum Thema Mindestlohn sagen. Wiraben anders als die SPD, die wenige Monate nach demegierungswechsel so tut, als sei sie nie in Regierungs-erantwortung in Deutschland gewesen,
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Dr. Heinrich L. Kolb
gesagt: Wir müssen den Übergang von einer Großen Ko-alition auf eine bürgerliche Koalition verantwortlichhandhaben. Wir haben Regelungen gefunden, wie wirvorgehen wollen. Für den Bereich des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und des Mindestarbeitsbedingungsge-setzes gibt es eine klare Verabredung in der Koalition,die besagt: In den Branchen, die derzeit in § 4 Arbeit-nehmer-Entsendegesetz aufgeführt sind, gibt es den kla-ren Weg, mit einem einstimmigen Votum neue Mindest-löhne zu vereinbaren. Sie werden feststellen, dass dieZeitarbeit in § 4 nicht enthalten ist. Deswegen stellt sichdie Frage, wie man in diesem Bereich vorgeht.
– Herr Heil, im Moment gibt es bei nahezu hundertpro-zentiger Tarifbindung im Bereich der Zeitarbeit für unskeinen Handlungsbedarf.
Die Frage, die sich mit Blick auf die Freizügigkeit,die in Europa entsteht, stellt, lautet: Wird Handlungsbe-darf entstehen? Diese Frage muss man prüfen und disku-tieren. Das werden wir tun und dann entscheiden. Aberdie Behauptung, dass es derzeit einen zwingenden Be-darf für einen Mindestlohn im Bereich der Zeitarbeitgibt, ist aus unserer Sicht nicht zu halten.Zum Schluss möchte ich zum Thema Hartz IV, spe-ziell zur Organisation, Folgendes ausführen. Wir ste-hen auf dem Boden der Koalitionsvereinbarung. Das istkeine Frage. Das heißt: Absicherung der Optionskom-munen, getrennte Aufgabenwahrnehmung in den übri-gen, keine Grundgesetzänderung. Aber ich denke, es istder Anstrengungen aller Edlen wert, sich zu fragen, obohne Grundgesetzänderung möglicherweise mehr drinist. Ich sage das vor dem Hintergrund des Gutachtensvon Professor Henneke, das dieser vor wenigen Tagenvorgelegt hat. Es macht für den Landkreistag deutlich,dass es vorstellbar ist, dass man allen Kommunen, dieoptieren wollen, ein solches Angebot macht.
Das ist zunächst einmal eine Meinungsäußerung untervielen in diesem Bereich, aber ich finde, wir sollten daszum Anlass nehmen, noch einmal drüberzugucken. Wirsind jedenfalls nicht dogmatisch festgelegt, nach demMotto „Was einmal geschrieben ist, muss für alle Zeitgelten“. Vielmehr sind wir der Meinung, dass Neuent-wicklungen möglicherweise die Chance für neue Lösun-gen bieten. Das werden wir prüfen. Wir werden uns al-lerdings nicht auf ein fadenscheiniges Angebot der SPDeinlassen. Ich habe den Eindruck, dass mit Ihren Worten,Sie seien bereit, eine Verfassungsänderung mitzutragen,nichts anderes gewollt ist, als die Regierung aufs Glatt-eis zu führen.
ie werden sich am Ende nicht bereitfinden, das Not-endige mitzumachen, Herr Heil. Deswegen sind wirut beraten, uns an dieser Stelle auf das zu konzentrie-en, was wir aus eigener Kraft realisieren können, näm-ich die einfachgesetzliche Regelung bei weitestgehen-er Ausschöpfung des vorhandenen Rahmens.In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Bera-ungen mit Ihnen im Ausschuss, aber auch, was denaushalt anbelangt, und bedanke mich für Ihre Auf-erksamkeit.
Die Kollegin Katja Kipping hat nun das Wort für die
raktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein zu-unftsorientierter Haushalt müsste an den zentralen Pro-lemen unserer Gesellschaft ansetzen. Zu diesen Proble-en gehört einerseits die Erosion der Demokratie undndererseits, dass immer mehr Menschen sozial ausge-renzt werden. Wir haben also einen doppelten Not-tand, einen demokratischen und einen sozialen.Zur Erosion der Demokratie gehört unter anderem,ass die Möglichkeiten, in diesem Land auf politischentscheidungen Einfluss zu nehmen, sehr unterschied-ich verteilt sind.
er viel Geld hat, hat viel Einfluss, sei es durch großzü-ige Spenden, mit denen man politische Entscheidungeneeinflusst, sei es durch Lobbyisten, die in den Ministe-ien gleich an den Gesetzen mitschreiben, oder sei es da-urch, dass man Institute finanzieren kann und derencheinbar unabhängige Fachleute in Talkshows reden,hne dass im Untertitel steht: sponsored by. Wer arm ist,at all diese Möglichkeiten nicht. Erwerbsloseninitiati-en bleiben sogar dann außen vor, wenn die Höhe derartz-IV-Regelleistungen festgelegt wird, also das Exis-enzminimum. Wer auf Hartz IV angewiesen ist, derann noch nicht einmal alle demokratischen Grund-echte wahrnehmen, weil für Bezieher des Hartz-IV-Re-elsatzes die Monatskarte für den öffentlichen Nahver-ehr einfach nicht drin ist. Wir können also festhalten:emokratischer und sozialer Notstand verstärken einan-er.Dieser Entwicklung setzt die Linke ein anderes Leit-ild entgegen: Wir halten es mit dem demokratischenozialstaat; denn wir gehen davon aus, dass es ein sozia-es Grundrecht auf Teilhabe gibt.
er es ernst meint mit der Demokratie, der muss sicher-tellen, dass keiner ausgegrenzt wird.
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Katja KippingWas nötig wäre, ist ein Gipfel für Demokratie undsoziale Grundrechte. Zu diesem Gipfel sollten alle ver-antwortungsbewussten gesellschaftlichen Kräfte einge-laden werden, vor allen Dingen diejenigen, die dieSuppe am Ende auslöffeln müssen, also die Betroffenen.Zum sozialen Notstand gehört auch, dass der Hartz-IV-Regelsatz weit unter der offiziellen Armutsgefähr-dungsgrenze liegt. Herr Kolb, leider verhindern sozialeTransfers in unserem Land nicht Armut. Die Armutsge-fährdungsgrenze ist keine Größe, die wir Linke uns ein-fach ausgedacht haben. Es gibt zum Beispiel einenBericht zur Bekämpfung von Armut und eine Entschlie-ßung des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 2008.Darin bekennt sich das Europäische Parlament klar zudem Ziel, dass in keinem europäischen Land ein Menschunter diese Armutsgrenze fallen darf. Die Berichterstat-terin war übrigens Gabi Zimmer. Aber auch alle Sozial-demokraten und große Teile der CDU im EP haben demzugestimmt.Diese Armutsgefährdungsgrenze liegt in unseremLand bei 913 Euro. Der Hartz-IV-Regelsatz liegt, wennman von durchschnittlichen Kosten der Unterkunft aus-geht, bei rund 650 Euro. 913 Euro zu 650 Euro – es istoffensichtlich, dass hier eine große Lücke klafft. Deswe-gen sagt die Linke: Der Regelsatz von Hartz IV mussdringend auf 500 Euro angehoben werden, und das wäreauch zu finanzieren, wenn wir einfach eine Börsenum-satzsteuer einführen würden.
Selbst das ohnehin niedrige Arbeitslosengeld II wirdheutzutage noch gekürzt. So sieht es § 31 SGB II vor. Esgibt ein breites gesellschaftliches Bündnis für die Ein-führung eines Sanktionsmoratoriums. Eine der Initiati-ven, die dieses Bündnis mit ins Leben gerufen hat, hat ineiner sehr beeindruckenden Broschüre, die ich Ihnen zurLektüre empfehlen möchte, Fälle von Sanktionen zu-sammengestellt.Da gibt es zum Beispiel den Fall eines Industriekauf-manns, dem einfach ein Drittel des Arbeitslosengeldes IIgestrichen wurde, mit dem Vorwurf, er hätte die Auf-nahme eines 1-Euro-Jobs vereitelt. Was ist wirklich pas-siert? Er bekam den Auftrag, sich bei einem Träger zubewerben. Da er diesen Träger telefonisch mehrmalsnicht erreicht hat, hat er sich schriftlich beworben. Dasist alles nachweisbar. Da aber im Bescheid stand, dass ersich telefonisch oder persönlich melden soll, hat manihm unterstellt, die Aufnahme des 1-Euro-Jobs vereiteltzu haben. Er hat immer wieder versucht, den Fall aufzu-klären und seine Sachbearbeiter zu erreichen. Erfolglos,all seine Anrufe landeten in der Endstation Callcenter.Noch schlimmer erging es Wolfgang Dinse. Das istein Analphabet aus Greifswald. Über ihn wurde kürzlichin der ARD berichtet. Er hatte von Anfang an darauf hin-gewiesen, dass er Analphabet ist. Da er als Analphabetkeine Bewerbungsschreiben verfassen konnte, hat manihm fehlende Mitwirkung unterstellt und für neunMonate das Arbeitslosengeld II komplett entzogen. Erkonnte seine Miete nicht zahlen und wurde wohnungs-lEpDszetVdsemdIwddfWHmtKscdsbvdlwrldg
Da das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hier klein-ich kritisiert wird, möchte ich darauf hinweisen, dasser Großteil der darin vorgesehenen Maßnahmen zu-unsten der Familien ist.
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Max StraubingerIch glaube, niemand in diesem Haus möchte die fami-lienpolitischen Leistungen schmälern. Im Gegenteil:Man sollte sie mit ausbauen. Darüber hinaus ist es wich-tig, dass Unternehmungen durch veränderte Abschrei-bungsbedingungen bessergestellt werden. Damit werdendie Grundlagen für zukünftige Investitionen gelegt. So-mit entsteht ein wichtiger Baustein für die soziale Siche-rung unserer Menschen. Das kann man nicht trennen.In diesem Hohen Haus haben wir uns bereits ausführ-lich mit dem Umfang der sozialen Sicherung für dieMenschen auseinandergesetzt. Die Opposition ist natür-lich immer gerne bereit, das Füllhorn noch größer zumachen, als es gegenüber der Allgemeinheit, gegenüberden Steuerzahlern verantwortbar ist. Dafür habe ichdurchaus Verständnis. Auch heute wurden wieder vieleForderungen gestellt. Vor allen Dingen sind die Sätze,die dem Arbeitslosengeld II zugrunde liegen, kritisiertworden. Meine Vorrednerin hat diese kritisiert, und auchvon Herrn Bonde wurde eine Erhöhung angesprochen.Ich möchte darstellen, was eine Erhöhung der Sätze be-deuten würde. Wir haben eine umfangreiche soziale Si-cherung für die Menschen – das ist richtig und gut –,aber ein Lohnabstandsgebot muss in diesem Zusam-menhang gegeben sein.
Es kann nicht nur um hohe Leistungen gehen, sonderndas gehörige Lohnabstandsgebot muss auch gegebensein.
Die Frau Bundesministerin wurde in einer Fernseh-sendung am vergangenen Sonntag mit einer Familiekonfrontiert. Es ist sicherlich bedauerlich, wenn eine Fa-milie mit drei Kindern auf die Leistungen des Sozialstaa-tes mit angewiesen ist.Ich glaube aber, dass es trotzdem wichtig ist, daraufhinzuweisen, dass eine fünfköpfige Familie eine Netto-leistung von ungefähr 2 500 Euro erhält. Über die nor-male Geldleistung hinaus werden die Kosten für Woh-nung bzw. Unterkunft erstattet, der Staat leistet Beiträgezur Rentenversicherung, und die Kosten für Gesund-heitsleistungen werden übernommen. Im Vergleich zumEinkommen des Durchschnittsverdieners ist das sehrviel. Wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat, liegtder Durchschnittsverdienst bei 3 300 Euro brutto, wäh-rend eine fünfköpfige Familie mit einem Ernährer bzw.einer Ernährerin ein Nettoeinkommen von rund 2 500bis 2 600 Euro erzielt.
Herr Kollege Straubinger, – –
Das zeigt sehr deutlich: Wir erbringen bereits sehr
umfangreiche soziale Leistungen. Das kann man nicht
einfach abtun, indem man irgendwelche theoretischen
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Nun möchte die Frau Kollegin Kipping Ihre Redezeit
erne durch eine Zwischenfrage verlängern.
Dann bedanke ich mich bei der Frau Kipping.
Bitte schön.
Gern geschehen, Herr Straubinger. – Sie haben das
ohnabstandsgebot angesprochen. Darüber kann man
nterschiedlicher Meinung sein. Nehmen wir aber ein-
al an, wir fänden das Lohnabstandsgebot sehr wichtig.
Ich möchte Sie fragen: Teilen Sie meine Auffassung,
ass es zwei Möglichkeiten gibt, das Lohnabstandsgebot
inzuhalten? Eine Möglichkeit ist, immer dafür Sorge zu
ragen, dass die sozialen Leistungen möglichst niedrig
usfallen, damit sie unter jedem Dumpinglohn liegen.
ie zweite Möglichkeit, das Lohnabstandsgebot einzu-
alten, besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Löhne so
och ausfallen, dass man auch die Höhe der sozialen
eistungen armutsfest gestalten kann.
Frau Kollegin Kipping, es kann natürlich nicht Zielnd Zweck sein, die Löhne staatlich festzulegen.
s gab in Deutschland einmal ein System, in dem dieöhne staatlich festgelegt worden sind.
ch habe nicht den Eindruck, dass die Arbeitnehmerin-en und Arbeitnehmer dort bessergestellt waren.Ihre Forderung nach Einführung eines Mindestlohnsat überhaupt nichts mit der sozialen Sicherung derenschen zu tun. Hinzu kommt, dass es zur Höhe desindestlohns unterschiedlichste Vorstellungen gibt: Dieinen fordern 7,50 Euro pro Stunde, Sie gehen mit Ihrerorderung sogar noch etwas weiter. Geht man von einer0-Stunden-Woche aus, würde aber selbst die Höhe desindestlohns, die Sie fordern, nicht ausreichen, um eineamilie mit drei Kindern zu ernähren.
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Max Straubinger
Hier sind wir auf staatliche Unterstützung angewiesen.Deshalb ist das bestehende Transfersystem sehr sinnvoll.
Kollege Straubinger, möchten Sie noch eine letzte
mögliche Zwischenfrage, diesmal vom Kollegen Heil,
beantworten?
Da kann ich nicht widerstehen.
Ich danke Ihnen. Ich nehme es Ihnen nicht übel, dass
Sie das nicht können. – Ich danke auch Ihnen, Herr Prä-
sident, für Ihre Großzügigkeit.
Herr Kollege Straubinger, angesichts Ihrer Gleichset-
zung von Mindestlöhnen und kommunistischen Plan-
wirtschaften frage ich Sie: Halten Sie Großbritannien
und 22 andere europäische Staaten, in denen es einen
Mindestlohn gibt, auch für kommunistische Planwirt-
schaften?
Herr Kollege Heil, Sie wissen haargenau, dass in Eng-
land und anderen Ländern andere Verhältnisse herrschen
und die staatlichen Fürsorgeleistungen bei weitem nicht
so umfassend ausgebaut sind wie in Deutschland.
Deshalb verbieten sich solche Vergleiche.
Ich glaube, dass wir in Deutschland mit der Tarifautono-
mie bisher sehr gut gefahren sind. Wir stehen für starke
Gewerkschaften, genauso aber auch für starke Arbeitge-
berverbände.
Werte Damen und Herren, auch in dieser Woche
wurde immer wieder darüber diskutiert, welche Sank-
tionsmöglichkeiten es gibt und was man tun kann, da-
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Die Kollegin Anette Kramme hat jetzt für die SPD-
raktion das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kollegen undolleginnen! Lieber Herr Straubinger, Sie haben gesagt,n den Ländern, in denen Mindestlöhne existieren, wür-en andere soziale Verhältnisse herrschen als in der Bun-esrepublik Deutschland. Darf ich Sie fragen: Ist Ihnenekannt, dass wir aufgrund Ihrer Politik im Niedriglohn-ektor mittlerweile bedauerlicherweise eine Situationhnlich der in den USA haben?
Meine Damen und Herren, wir alle wissen: Die Zeitenind schwierig. Haushaltspolitik kann aber nur dannunktionieren, wenn alle politischen Bereiche voraus-chauend und vernünftig handeln. Das gilt für den Bun-eshaushalt in gleicher Weise wie für den Gemeinde-aushalt, für den Bundeshaushalt vielleicht sogar nochin klein wenig mehr. Es muss darum gehen, präventivu handeln, damit Einschnitte in das Sozialsystem undoziale Härten vermieden werden können.
Leider ist es manchmal so – in Zeiten wie diesenmso häufiger –, dass die Unvernunft das politischeandeln beherrscht. Manchmal kann man nicht sicherein, ob etwas einfach nur töricht oder bösartig ist.
in Schelm, wer Böses dabei denkt, dass Sie aktuellicht präsentieren, was Sie künftig an Einsparungen vor-ehmen wollen. Das würde uns alle sehr interessieren.
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Anette KrammeOffensichtlich ist es so, dass wir noch bis nach der Wahlin Nordrhein-Westfalen warten müssen,
bis Sie die Katze, nein, besser: den Knüppel aus demSack lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, über Maggie Thatchererzählte man sich ein Gerücht.
Man sagte, sie könne nichts Soziales sehen, ohne mit ih-rer Handtasche darauf einzuprügeln. Ich frage mich: Woschlagen Sie zu, wen trifft Ihre Handtasche? Wir hörenan der einen oder anderen Stelle Andeutungen: HerrBarthle von der Union fordert, dass die Beitragssätze zurArbeitslosenversicherung enorm heraufgesetzt werden.Frau Homburger sagt: Kürzungsmöglichkeiten bei derBundesagentur für Arbeit.
Kommen wir zunächst zu den Beiträgssätzen bei derArbeitslosenversicherung. Sie wissen genau, dass dieseWirtschaftskrise, was den Arbeitsmarkt angeht, mindes-tens bis zum Jahr 2013 dauern wird. Wenn Sie den Ar-beitslosenversicherungsbeitrag stark erhöhen, werdenSie jeden Beschäftigungsaufschwung abwürgen; dassieht sogar die FDP so. Vor allen Dingen: Es wäre zu-tiefst sozial ungerecht, wenn Sie die Beitragssätze zurArbeitslosenversicherung heraufsetzen würden.
Das würde nämlich bedeuten, dass Geringverdiener dieSteuerentlastungen für Hoteliers finanzierten.
Meine Damen und Herren, es ist allgemein bekannt,dass der Koalition, vor allen Dingen Herrn Niebel,
die Bundesagentur für Arbeit nicht sonderlich liegt. Ichsage aber: Es ist unvernünftig, die Instrumente der ak-tiven Arbeitsmarktpolitik gedankenlos zusammenzu-streichen.
Zum einen haben wir mit einer vernünftigen Arbeits-marktpolitik in den letzten Jahren erreichen können, dassdie Zahl der Arbeitslosen enorm gesunken ist, zum ande-ren haben wir erst vor einem Jahr eine Straffung bei denInstrumenten vorgenommen.IeokSEksdEgdsevlddehelEw7cdWzDdNk
ch denke, es ist nur fair und sinnvoll, wenn wir zunächstinmal evaluieren und dann darüber nachdenken,
b weitere Handlungen erforderlich sind.Zum Thema Kurzarbeit. Wer hat’s erfunden? Sie alleennen den hübschen Spruch der Ricola-Werbung. Olafcholz war’s.
s ist eine komplett falsche Politik, in der Wirtschafts-rise die Bedingungen für das Kurzarbeitergeld zu ver-chlechtern. Es gibt Betriebe, die bereit sind, auch imritten Jahr ihre Mitarbeiter zu behalten und dafür ihreigenkapitalbasis anzugreifen. Es wird Unternehmeneben, die erst jetzt in die Kurzarbeit müssen, weil sieurch die wirtschaftlichen Umstände dazu gezwungenind. Es ist nicht einsichtig, wenn diese Betriebe, dienorm schlechte Bedingungen hinzunehmen haben, jetzton Kürzungen beim Kurzarbeitergeld betroffen sind.
Davon abgesehen ist Kurzarbeitergeld wesentlich bil-iger als Arbeitslosengeld. Im Regelfall ist nur ein Dritteler Arbeitszeit Kurzarbeit. Also geht es auch nur darum,ass staatliche Finanzierung für ein Drittel des Lohnesingreift.
Ein weiteres Thema ist der Niedriglohnsektor. Sieaben uns in Ihrem Koalitionsvertrag dargelegt, dass Sieine konsequente Politik der Ausdehnung des Niedrig-ohnsektors betreiben wollen.
s ist unvernünftig, sich gegen Mindestlöhne zu stellen,ie Sie es tun. Mit Mindestlöhnen in einer Höhe von,50 Euro pro Stunde könnten wir allein bei den Aufsto-kern circa 1,5 Milliarden Euro einsparen. Was Sie miten Hinzuverdienstgrenzen machen, ist völlig unklar.as soll das? Dies bedeutet nur eines: Es sind mehr Be-ieher von Arbeitslosengeld II möglich, und vor alleningen ist es möglich, dass mehr Unternehmen Lohn-umping betreiben. Ergebnis ist die Ausdehnung desiedriglohnsektors, was für den gesamten Haushalt in-onsequent und unvernünftig ist.
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Anette Kramme
Frau von der Leyen, Sie sagen immer, dass Sie sichfür Frauen einsetzen. Aber was machen Sie im Bereichder Minijobs? Eine Ausdehnung von 400 auf 600 Euro.In den letzten Jahren haben wir sehr genau beobachtet,was in diesem Sektor passiert ist. Unendlich viele Voll-zeitarbeitsplätze sind gegen Minijobs ausgetauscht wor-den. Auch dies belastet wegen der Aufstockung denHaushalt.
Frau Kollegin, Sie denken an Ihre Redezeit?
Ich komme zum Ende. – Wir beobachten, dass Sie
keinerlei Initiativen für eine Politik für Arbeitnehmer
zeigen. Wir können Ihnen eine Menge Ideen aufzeigen.
Werden Sie bei der Leiharbeit konsequent tätig, machen
Sie dort Equal Pay, nicht nur die schlappen Ansätze, die
Sie dort aufzeigen. Machen Sie etwas beim Arbeitneh-
merdatenschutz, und seien Sie mutig bei den Argen.
Herzlichen Dank.
Letzter Redner zum Einzelplan 11 ist der KollegeAxel Fischer für die CDU/CSU-Fraktion.
Axel E. Fischer (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kramme,Sie haben eben von der Kurzarbeit gesprochen. Sie gabes schon unter Konrad Adenauer; das will ich einmalklarstellen.
Der Haushaltsentwurf, den wir heute diskutieren, ori-entiert sich am Entwurf der Großen Koalition, sprich: andem damaligen Entwurf des BundesfinanzministersSteinbrück. Ich verstehe Ihre Aufregung hier überhauptnicht. Das haben Sie damals mitgetragen.
Der Entwurf steht damit voll im Zeichen von Wachs-tumsbeschleunigung und zielt im Wesentlichen auf eineAnkurbelung unserer Wirtschaft ab. Das ist auch gut so.Schon in der letzten Legislaturperiode wurden unter-stützende Maßnahmen ergriffen, die die neue Bundesre-gierung durch weitere wachstumsstärkende Maßnahmenergänzt hat. All dies spiegelt sich im Entwurf 2010 in derHöhe der Nettokreditaufnahme wider. Die Überwindungder Wirtschafts- und Finanzkrise und ihrer Symptome istnur mit wirtschaftlichem Wachstum möglich; mit Sparenallein ist noch niemand reich geworden.kLrmKMf6wbSdWDvekswsnckrsEASssmaIzfdrbigla
hre gestrige Aussage unterstreicht lediglich Ihren Hangur fortwährenden Umverteilung. Mehr Umverteilungührt nicht zu mehr Wohlstand. Der Kuchen wird da-urch nicht größer.
Meine Damen und Herren, wir kommen im Sozialbe-eich an einer Überprüfung von Leistungen nicht vor-ei. Auch auf die Personal- und Sachmittel werden wirm Rahmen der Haushaltsberatungen ein besonderes Au-enmerk richten und dabei konsequent spezifische Stel-eneinsparungen prüfen.Bei der Suche nach Einsparpotenzialen müssen wiruch die Bundesagentur für Arbeit genau in den Blick
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Axel E. Fischer
nehmen. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit Frank-Jürgen Weise selbst hat kürzlich im Focus gesagt – ichzitiere –:40 Prozent unserer Arbeitsmarktsprogramme füh-ren zu einer dauerhaften Beschäftigung. 60 Prozentder Mittel sind also nicht sofort wirksam. Das mussbesser werden.Wo er recht hat, hat er recht. Ob es allerdings Einsparpo-tenziale in Milliardenhöhe gibt, wie manche meinen,wage ich sehr zu bezweifeln.
Dies müssen wir im Rahmen der Haushaltsberatungenüberprüfen.Eines ist klar: Wir wollen nicht, dass das Sozialsys-tem als soziale Hängematte verstanden wird. Wir wol-len, dass unser Sozialsystem als Sprungbrett zurück inden Arbeitsmarkt verstanden wird. Solidarität ist keineEinbahnstraße.
Es macht mich betroffen, wenn ich aus meinem Wahl-kreis Briefe bekomme, in denen mir Menschen schrei-ben, dass sie ihren Arbeitsplatz verloren haben, weil dasUnternehmen, in dem sie jahrzehntelang beschäftigtwaren, aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise insol-vent geworden ist. Diese Menschen verdienen unsereSolidarität.Aber es ärgert mich, wenn ich von Menschen höre,die Hartz IV beziehen, nebenher schwarz dazuverdienenund dadurch mehr Einnahmen haben als ein Geringver-diener. Diese Menschen haben unsere Solidarität nichtverdient. Auch das muss man an dieser Stelle anspre-chen.
Deshalb ist es gut, dass wir in Deutschland derzeit eineGerechtigkeitsdebatte führen, in die solche Punkte mithineingehören.Im vorliegenden Haushaltsentwurf hat die Bundesre-gierung mit erhöhter Arbeitslosigkeit als Folge der Wirt-schafts- und Finanzkrise gerechnet. Neben den steigen-den Kosten für das Arbeitslosengeld II verursachen mehrArbeitslose auch höhere Verwaltungskosten. Das dafürnotwendige Geld muss bereitgestellt werden; denn wirkönnen und wollen die Arbeitslosen nicht im Regen ste-hen lassen. Unser Ziel ist es, sie möglichst zeitnah wie-der in Arbeit zu bringen. Dieser finanzielle Mehrauf-wand soll und wird aber nach meiner festenÜberzeugung nicht von Dauer sein; denn die Arbeitslo-sigkeit wird wieder sinken. Dafür wollen wir alles tun.Wenn unsere Politik für Wachstum und BeschäftigungErfolg haben wird – davon bin ich überzeugt –, dannwird der Verwaltungsaufwand für die Verwaltung vonArbeitslosen in absehbarer Zeit sinken. Dies ist derGrund, warum die Einrichtung neuer dauerhafter Ar-beitsplätze in der Arbeitslosenverwaltung nicht unbe-dwmITdEsTWhdpamJwmwsustaDSSrfEdclfRbdAuofd
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Wir wollen keinen sozialen Untertan. Wir wollen freie,mündige Bürger. Die Menschen wissen selbst am besten,was sie mit ihrem Geld machen wollen.
Eine vernünftige Steuerpolitik ist auch immer Freiheits-politik.Eines ist allen in der Koalition klar: Wir werden spa-ren müssen. Im Haushalt des Bundesministeriums fürWirtschaft und Technologie gibt es übrigens schon einleichtes Signal zur Konsolidierung. Gegenüber demersten Regierungsentwurf sinkt das Volumen dieses Ein-zelhaushalts leicht ab. Es ist aber auch klar: Wir werdennicht den Versuch machen, über Steuererhöhungen denHaushalt zu sanieren. Durch Wachstum sanieren unddurch Sanieren wachsen, das ist die Konsolidierungs-strategie der Regierung.
Steuersenkungen und Haushaltssanierung sind zweiSeiten derselben Medaille.Ohne Wachstum gibt es keine Konsolidierung. Aberohne Konsolidierung gibt es auch weniger Wachstum,denn die Menschen müssen darauf vertrauen können,dass die Entlastung nachhaltig ist und dass die Schuldenvon heute nicht die Steuern von morgen sind. Deshalbgehört beides zwingend zusammen.
Sozialdemokratische Finanzminister haben 250 Mil-liarden Euro Schulden gemacht; da ist die Erblast ausdiesem Jahr noch nicht mitgerechnet. Zu oft wurde dabeiprobiert, den Haushalt über Steuererhöhungen zu sanie-ren. Gelungen ist es nicht.Jetzt wärmt die SPD den alten Vorschlag einer Ver-mögensteuer wieder auf. Sozialdemokraten wollen of-fenbar an die Unternehmenssubstanz.sUSusVBevbdMqnsW12DmcmKsghtvafvhuAanKMdauvf
anchmal, Herr Heil, habe ich den Eindruck, dass Teileer SPD in elf Wochen vergessen, was sie in elf Jahrenn Regierungspolitik in Deutschland gemacht haben.
Der neue Haushalt des Wirtschaftsministeriums stehtnter der Überschrift „Zukunft, Technologie und Inno-ation“. 2,3 Milliarden Euro fließen in die Technologie-örderung. Wir geben mehr Geld für Forschung und Ent-
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Bundesminister Rainer Brüderlewicklung aus als für Kohlehilfe. Das ist etwas Neues inDeutschland.
Wir investieren in helle Köpfe statt in dunkle Schächte.Wir investieren in die Zukunft, nicht in die Vergangen-heit.Wenn Deutschland auch zukünftig an der Spitze seinwill, müssen wir unser Wachstumspotenzial steigern.Darin liegt eine der strategischen Größen. Das Wachs-tum des Produktionspotenzials ist mit 0,75 Prozent bis1 Prozent in Deutschland zu niedrig; wir hatten früher2 Prozent bis 3 Prozent. Das müssen wir steigern, denndas ist die nachhaltige Perspektive. Da mussInnovations- und Technologiepolitik ansetzen. Ich willzwei Bereiche aus dem Wirtschaftsministerium exem-plarisch ansprechen: die Informations- und Kommunika-tionstechnologie sowie die Elektromobilität. Bei beidengeht es um Vernetzung, Infrastruktur und neue Wert-schöpfungsketten.Das A und O bei der Informations- und Kommunika-tionstechnologie ist der Breitbandausbau. Wir brau-chen in allen Gewerbegebieten nicht nur gute Verkehrs-anbindungen, sondern auch ein schnelles Internet.
Die Erwartungen an die Telekommunikationsunter-nehmen sind entsprechend groß. Die weißen Flecken aufder Breitbandlandkarte müssen beseitigt werden. DieBundesregierung flankiert hier mit Geld und auch da-durch, dass sie durch ein Auktionsverfahren Frequenzenfür zusätzliche Angebote und Anwendungsmöglichkei-ten freigibt. Daneben geht es um neue Möglichkeiten, in-telligente Stromnetze zu nutzen. Das hat positive Aus-wirkungen bis hin zum Klimaschutz. Für Informations-und Kommunikationstechnologien sind 118 MillionenEuro vorgesehen.Elektromobilität ist das zweite Schwerpunktthema.Deutschland hat das Automobil einst erfunden.
Wir müssen es neu erfinden, mit einer anderen Antriebs-technologie. Die Elektromobilität ist der Ansatz dafür.500 Millionen Euro werden für den Themenschwer-punkt Mobilität bereitgestellt.
Dabei geht es um weit mehr als um die Ersetzung desVerbrennmotors durch den Elektromotor. Wir brauchenneue Schnittstellen zwischen Stromnetzen und Autos.Hier liegen große Chancen für unsere Industrie. Ich er-warte hiervon einen weiteren Innovationsschub, durchden viele Bereiche unterstützt würden.
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Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass – ich denke anie heutige Presseberichterstattung – etwas zu unseremonzept, das Wettbewerbsrecht zu novellieren und ihmas Instrument der Entflechtung hinzuzufügen, sagen.
nders als berichtet, wird diese Regelung für alle Bran-hen der Wirtschaft gelten.
as ist keine Regelung für einen Sektor, sondern gene-ell ein letztes Mittel – die Amerikaner kennen denSherman Antitrust Act“ seit über 100 Jahren –, umlare Signale zu setzen. Mit anderen Worten: Wenn eseim „Monopoly“ zu toll getrieben würde, hätte die Ge-einschaft ein Instrument, um korrigierenden Einflussuszuüben. Deshalb soll dieses Instrument in das Kar-ellrecht aufgenommen werden.
Lassen Sie mich eine weitere Anmerkung zur Ener-iepolitik machen. Wir alle wollen in das Zeitalter deregenerativen Energien eintreten, und zwar möglichstchnell. Wir wollen über die Verlängerung der Laufzeiton Kernkraftwerken als Brückentechnologie zusätzli-he Mittel generieren, um diesen Umstieg schneller zuewerkstelligen. Mehr Gelder sollen in Forschung undntwicklung fließen, etwa in die Speichertechnologien.ir werden die regenerativen Energien bei diesem Um-au letztlich nur dann umfassend nutzen können, wennir eine entsprechende Speichertechnologie haben. Derind weht nicht immer dann, wenn wir das Licht ein-chalten. Deshalb ist hier ein weiterer Schwerpunkt zuetzen. Dadurch sollen viele Sektoren befruchtet werden.Das Ziel ist ambitioniert. Wir wollen bis zur Sommer-ause Klarheiten haben. Im Herbst, spätestens Ende Ok-ober, wollen wir ein Energiekonzept, das einen ganz-eitlichen Ansatz verfolgt, vorlegen, was in elf Jahrenuvor nicht geschafft wurde: Weder die Große Koalitionoch Rot-Grün haben ein solches Energiekonzept vorge-egt. Es ist Zeit, ein solches Konzept vorzulegen: Auchuf europäischer Ebene wird über die Erarbeitung einesolchen Konzepts diskutiert. Deshalb muss das auf nati-naler Ebene geklärt sein. Der Ansatz ist, zusätzlicheittel zu generieren. Brückentechnologien brauchenir, weil wir nicht schnell genug über eine ausreichendeenge an Zukunftstechnologien verfügen können. Bisies der Fall ist, ist ein längerer Weg zu beschreiten. Dasiel – auch andere verfolgen es; das gebe ich zu – wird
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Bundesminister Rainer Brüderleschneller erreicht, wenn wir in dem geplanten Umfangzusätzliche Mittel investieren.
Ganz ohne Geld lassen sich Forschung und Entwicklungnicht voranbringen.Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Unterstüt-zung meines Haushalts.Vielen Dank.
Der nächste Redner ist der Kollege Garrelt Duin für
die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ichglaube, wir alle erinnern uns an die vielen Auftritte desKollegen Brüderle hier, nachdem der Haushalt der frühe-ren Wirtschaftsminister aufgerufen worden ist. Wir müs-sen leider feststellen: Mit Blick auf seine immer wiedergleichen Reden, die er hier über Jahre gehalten hat, istzwar ein Verlust an Originalität zu spüren, aber leiderkein Gewinn an inhaltlicher Schärfe oder Tiefe.
Herr Brüderle, wir haben hier im Rahmen der Regie-rungserklärung im November neun Minuten von Ihnengehört, ohne dass man hätte erkennen können, in welcheRichtung Ihre Politik eigentlich gehen soll. Das Gleichehat sich heute hier wiederholt. In den knapp 100 Tagen,die Sie jetzt in diesem Amt sind, ist nichts von dem, wasSie gemacht haben, als bleibender Wert in Erinnerunggeblieben. Eine Ausnahme: Sie haben in China dieWeinkönigin vorgestellt. Aber ich sage Ihnen ehrlich:Genau das haben wir von Ihnen erwartet und gedacht.
Herr Brüderle, Sie sind – dessen müssen Sie sichlangsam bewusst werden – der Wirtschaftsminister einerder größten Industrienationen der Welt. Das ist kein Jobin Altersteilzeit für verdiente Landesminister. Das isthier nicht der Vorruhestand. Füllen Sie dieses Amt alsWirtschaftsminister einer der wichtigsten Nationen aufder Welt endlich aus! Fangen Sie damit an!
Sie haben in Ihrer Rede natürlich auf die sozialeMarktwirtschaft Bezug genommen. Völlig richtig! Lud-wig Erhard als einer derjenigen, die die soziale Markt-wirtschaft in unserem Land vorangebracht haben, wirdvon Ihnen oft zitiert. Das, was Sie aber nicht verstehen,Herr Brüderle, ist, dass Erhards Antworten immer aufder Höhe der Zeit gewesen sind. Ich bin sicher, dass ergerade deswegen heute andere Antworten geben würde;denn die Zeiten haben sich radikal verändert. Die ZeitensvsgdssPanK5mawmLrstgmWALDTwsdtZfMdspgKsseddIt
Leider hat Sie das Schicksal in Form von Herrn Wes-erwelle zum Minister gemacht. Da wird etwas anderesebraucht. Was ein Minister in diesem Amt braucht, istehr Klarheit, mehr Entschlossenheit, mehr Mut, mehrille, um den Betrieben, den Arbeitnehmerinnen undrbeitnehmern zu sagen, wo die Perspektive für unserand ist. In einem Wort: Was wir brauchen, ist Tatkraft.ie Rede, die Sie hier heute gehalten haben, hat dieseatkraft erneut vermissen lassen.
Aber man kann diese Tatkraft natürlich nur zeigen,enn man weiß, was man überhaupt erreichen will. Ichage Ihnen, was für ein Ziel Sie haben sollten, nämlichie Voraussetzungen für Wachstum zu schaffen, quanti-ativ, aber eben auch qualitativ, um so – das muss dasiel sein – den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zuördern. Den Zusammenhalt zu fördern, das muss dieesslatte unseres Handelns sein. Ich bin überrascht,ass Sie gerade gesagt haben: Wirtschaftliche und ge-ellschaftliche Entwicklung gehören zusammen. In Ihrerraktischen Politik ist davon leider nichts zu spüren.
Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungehören in der Tat zusammen. Das galt schon vor derrise und ist jetzt aktueller denn je. Wir brauchen einer-eits ein Bewusstsein dafür, dass Wirtschaft und Gesell-chaft eng zusammengehören. Wir brauchen andererseitsine solidarische und nachhaltige Ökonomie, damitiese Gesellschaft zusammenbleibt. Ich habe den Ein-ruck, dieses Bewusstsein fehlt Ihnen. Sie verschleudernhre Kraft für Steuererhöhungen – Steuersenkungen na-ürlich, Entschuldigung.
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Garrelt Duin– Machen Sie sich keine Sorgen, Herr Westerwelle. – Sieverschleudern Ihre Kraft, Herr Brüderle, für Steuersen-kungen, anstatt sich um die Liquidität wertschöpfenderBetriebe zu kümmern.
Ihre Haltung, wie Sie das mit der Liquidität bei denwertschöpfenden Betrieben machen wollen, ändert sichalle naselang. Sie haben jetzt gerade nichts dazu gesagt.Im November letzten Jahres hieß es bei Ihnen:Wir werden die Kreditanstalt für Wiederaufbau inihrer Funktion als Mittelstandsbank stärken.Dazu haben Sie jetzt nichts gesagt. Im Ausschuss habenSie erklärt: Wir denken darüber nach, das Hausbankprin-zip temporär auszusetzen. Was ist aus dieser Idee gewor-den? Wollen Sie das immer noch, oder nehmen Sie dieseIdee zurück? Ich jedenfalls höre aus der Koalition oft un-terschiedliche Töne.Im Übrigen will ich Sie noch einmal zitieren. Folgen-des haben Sie vor gut einem Jahr in der Haushaltsdebattegesagt:Wer jetzt nicht entschieden handelt, versündigt sichan der Entwicklung. Wir können nicht länger aufImpulse der Weltwirtschaft warten. Wir können unsnicht länger auf den Export verlassen.…Wir brauchen einen kräftigen zusätzlichen Impuls.…Wir brauchen jetzt Nachfrage und ein Ankurbelnder Binnenkonjunktur, …Wenigstens an Ihren eigenen Ansprüchen, Herr Brü-derle, müssen Sie sich doch messen lassen. Wir brau-chen in der Tat eine neue Balance von Export einerseitsund Binnennachfrage andererseits. Aber kein einzigesInstitut, niemand, der sich ernsthaft damit beschäftigt, istin der Analyse Ihres sogenannten Wachstumsbeschleuni-gungsgesetzes zu dem Schluss gekommen, dass es auchnur einen Hauch von Stärkung der Binnennachfrage mitsich bringen würde. Das, was Sie da auf den Weg ge-bracht haben, führt zur Entlastung einiger weniger,bringt aber für das, was wir wirklich brauchen, nämlicheinen kräftigen Schub – das sind ja Ihre Worte –, über-haupt nichts, Herr Brüderle. Das ist ausgesprochen ent-täuschend.
Was wir brauchen, ist eine Auseinandersetzung– dazu haben Sie nichts gesagt – mit den entscheidendenZukunftsfragen: Wie können wir dafür sorgen, dass inden nächsten Jahren neue zukunftsfähige Arbeitsplätzeentstehen? Wie können wir die Leitmärkte von morgenerschließen? Welchen Ordnungsrahmen brauchen wirdafür? Bei all diesen Fragen spielen natürlich die Ener-gieversorgung, aber auch die Entwicklung anderer Bran-chen eine wichtige Rolle. Aber nur eine Entflechtung vor-zunehmen, wird da nicht ausreichen. Eine solcheForderung ist nichts anderes als eine Nebelkerze. Wirbrauchen vielmehr Antworten zum Beispiel auf folgendeFglavAoSvfmUfdEmjdukKdctsznkwsüdlbrFjataKAbsMds
Die Antworten auf die Zukunftsfragen kann man nurinden – Sie haben dazu ein bisschen gesagt –, wennan sich die Arbeitsteilung der Akteure verdeutlicht.m in diesen Punkten voranzukommen, muss man sichragen: Was hat der Staat, was hat der Markt, was habenie Bürgerinnen und Bürger für eine Funktion?Erstens brauchen wir – das ist unzweifelhaft – einerneuerung der Industrie: Die Betriebe im Mittelstandüssen mit Liquidität ausgestattet werden, aber auchunge Unternehmen mit innovativen Ideen; denn sie sinder Motor der Entwicklung, sie stellen die Zugkraft dar,m unseren Wohlstand auf hohem Niveau sichern zuönnen. Dazu brauchen wir aber ordnungspolitischelarheit und natürlich auch Anreizprogramme, die wie-er eine neue Investitionskultur in Deutschland ermögli-hen. Das Wort „Investitionen“ kommt in Ihrem Koali-ionsvertrag genau ein einziges Mal vor. Dann muss manich natürlich nicht wundern, dass da wenig passiert.Neben der Stärkung dieser Faktoren braucht manweitens zwingend auch öffentliche Investitionen in In-ovationen und Infrastruktur. Wir brauchen jetzt nocheine Exit-Strategie, sondern wir brauchen Ideen dafür,ie auch von öffentlicher Seite aus Investitionen ge-tärkt werden können. Wer dieses ignoriert, sollte sichber die derzeit stattfindende Debatte nicht wundern;enn öffentliche Investitionen erfordern einen hand-ungsfähigen Staat. Sie haben gerade von Ihrem Staats-ild gesprochen. Auch ich will keinen fetten, selbstge-echten, die Menschen bevormundenden oder ihrereiheit beschränkenden Staat,
edoch einen handlungsfähigen und – ich füge hinzu –uch einen von den Bürgerinnen und Bürgern anerkann-en Staat, also einen Staat, der seine Reputation nichtufs Spiel setzt.
Beides, Herr Brüderle und liebe Kolleginnen undollegen von der FDP, die Handlungsfähigkeit und dienerkennung, wird durch Sie jeden Tag untergraben undeschädigt, und zwar bewusst und absichtlich. Das ent-pricht nämlich Ihrer Ideologie.
an braucht zum Beispiel für die Handlungsfähigkeites Staates stabile Kommunen. Zwei Drittel der Infra-trukturinvestitionen werden dort getätigt. Sie jedoch
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Garrelt Duintragen die Verantwortung dafür, dass die Kommunenjetzt in eine massive Krise kommen.Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,im letzten Jahr haben wir noch gemeinsam Milliarden-hilfen auf den Weg gebracht, um die Städte und Gemein-den dabei zu unterstützen, längst Überfälliges endlich zurealisieren, zusätzliche Investitionen tätigen zu können.Wir haben damit die Fähigkeiten vor Ort mobilisiert unddamit auch das Handwerk und den Mittelstand – Stich-wort: Vergaberecht – vor Ort gestärkt. Jetzt lassen Siesich von der FDP genau das Gegenteil diktieren. Wiekönnen eigentlich Sie von der CDU, einer Partei, die invielen Orten mit Bürgermeistern und Kommunalpoliti-kern vor Ort Verantwortung für die Menschen in ihrerHeimat trägt, noch ruhig schlafen, wenn Sie wider besse-res Wissen diese katastrophale Lage der Kommunenmitverursachen? Ich kann das nicht verstehen.
Lassen Sie mich abschließend sagen: Noch schlim-mer ist das Bild – das meinte ich mit meinen Worten vonder Anerkennung des Staates durch die Bürgerinnenund Bürger –, das insbesondere von Ihnen von der FDPvom Staat gezeichnet wird.Die Aussage, der Staat sei ein „teurer Schwächling“,ist nicht nur eine Frechheit und eine unglaublicheDummheit derer, von denen sie kommt; darüber hinausist es für unsere Gesellschaft auch gefährlich, den Staatund seine handelnden Ebenen zu verunglimpfen, ver-ächtlich zu machen und den Privaten in jeder Frage denVorrang zu geben. Ich bin sicher: Polizisten, Lehrer, Er-zieherinnen, Richter, Staatsanwälte, Krankenschwesternund Ärzte, die im öffentlichen Dienst tätig sind, sindkeine Repräsentanten eines Schwächlings; vielmehr sindsie die Voraussetzung für eine funktionierende Gesell-schaft und den Wohlstand in Deutschland.
Das ist es, was Ihnen fehlt, Herr Brüderle, was IhrerPartei fehlt, was der ganzen Bundesregierung, die ja lei-der mehr vom FDP-Programm als von allem anderen ge-prägt ist, fehlt: der Sinn dafür, dass wir gerade im Be-reich der Wirtschaft eine Politik brauchen, die dasGemeinwohl im Mittelpunkt sieht. Sie stehen für eineschlechte Mischung aus Egoismus und Stillstand.Deutschland aber braucht Gemeinschaft und Fortschritt.Deswegen will ich mit einem Zitat von Ihnen, HerrBrüderle, schließen. Sie haben, gerichtet an die Bundes-kanzlerin, die uns leider schon verlassen hat,
im November 2006 hier eine Haushaltsrede mit folgen-den Worten beendet:Frau Kanzlerin, befreien Sie Ihre Regierung vomMehltau der unteren Mittelmäßigkeit!
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Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Joachim Pfeiffer
ür die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Gegensatzu Ihnen, Herr Kuhn, habe ich etwas Rechtes gelernt unduch gearbeitet und nicht bloß blöd dahergeredet. Inso-ern habe ich bezüglich meiner Vergangenheit nichts zuereuen.
Deutschland ist bisher besser durch die Krise gekom-en, als wir es im letzten Jahr noch befürchtet haben.as Wirtschaftswachstum ist um 5 Prozent statt um Prozent zurückgegangen; dennoch ist es der größteückgang, den wir in der Geschichte der Bundesrepu-lik Deutschland jemals zu verzeichnen hatten. Derückgang machte sich im vergangenen Jahr auch in derndustrie deutlich bemerkbar: Er wird bei voraussicht-ich 15 bis 18 Prozent liegen. Auch was die Verschul-ung anbelangt, sind wir, zumindest in 2009, mit circa Prozent noch mit einem blauen Auge davongekom-en. In Großbritannien, den USA und Frankreich sinds 10 bis 15 Prozent. Dort ist die kumulierte Verschul-ung innerhalb von einem oder zwei Jahren von einemeutlich niedrigeren Niveau aus als in Deutschland ver-oppelt worden, und zwar von 40 auf 80 Prozent. Das istine Größenordnung, die auch für uns gelten wird.Auch der Arbeitsmarkt ist bisher vergleichsweisengeschoren davongekommen. Statt der befürchteten Millionen Arbeitslosen hatten wir im Jahresdurch-chnitt 3,4 Millionen Arbeitlose. Das ist allerdings diffe-enziert zu betrachten: In bisher schwierigen Regionen,um Beispiel in Ostdeutschland, ist die Arbeitslosigkeitn 2009 sogar zurückgegangen, während sie in anderenegionen – ich komme aus der Region Stuttgart – um0 Prozent gestiegen ist.Es ist also gelungen, zu stabilisieren und den totalenbsturz zu verhindern, international durch eine beispiel-ose und beispielhafte gemeinsame Aktion, die aus mei-er Sicht noch nicht abgeschlossen sein darf – ich werdeleich noch darauf zu sprechen kommen –, nationalurch Konjunkturprogramme. Da hat auch die bisherigeroße Koalition gute Arbeit geleistet, zum Beispielurch die Kurzarbeiterregelung. Unorthodoxes Han-eln war hier richtig, um zu stabilisieren und das not-endige Vertrauen zu schaffen. Das erleichtert den er-orderlichen Aufbau.
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Dr. Joachim PfeifferJetzt befinden wir uns im Jahr 2010, das sicher zu ei-nem Schicksalsjahr und dem Jahr der Wahrheit werdenwird: Ist der Tiefpunkt wirklich erreicht, und geht eswieder aufwärts? Schaffen wir es vor allem, einenselbsttragenden Aufschwung zu organisieren? Die mo-mentane Lage ist im Wesentlichen durch die Konjunk-turpakete und die staatlichen Aktivitäten erreicht wor-den,
was sich im Jahr 2010 entsprechend niederschlagenwird. Ziel muss aber sein, einen selbsttragenden Auf-schwung zu erreichen und zu organisieren.Zentrales Thema ist in diesem Zusammenhang die Si-cherung der Kreditversorgung der deutschen Wirt-schaft auch im Aufschwung. Ich unterstütze deshalb vor-behaltlos und nachdrücklich, was die Bundesregierungbisher auf den Weg gebracht hat: Überarbeitung des Kre-dit- und Bürgschaftsprogramms im Rahmen des Wirt-schaftsfonds, längere Laufzeiten für Investitionskredite,Flexibilisierung der Zinsbindungsfristen, Betriebsmittel-kredite und andere Dinge mehr. Auch der Kreditmedia-tor wird helfen, die Situation zu verbessern.
Diese positive Entwicklung und die ersten Anzeichen,dass der Anleihemarkt wieder in Bewegung kommt, so-dass sich Großunternehmen wieder besser refinanzierenkönnen, sind ermutigend. Trotzdem steht zu befürchten,dass wir in diesem Jahr, auch wenn es aktuell noch keineKreditklemme gibt, in Schwierigkeiten kommen können.Deshalb müssen wir hier weiter justieren und weiter ar-beiten. Wir werden das, Herr Duin, mit einem klarenordnungspolitischen Kompass tun. Den haben wir. Wirwerden das Hausbankprinzip bei der KfW nicht durch-brechen.
Etwas anderes macht keinen Sinn. Wir haben gemerkt,dass die KfW viel Positives bewegt hat. Aber es hatlange gedauert, die Dinge entsprechend umzusetzen.Jetzt sind wir dabei, dass wir etwas schneller, was dieFristen anbelangt, handeln können. Wir wollen abernicht, wie gesagt, das Hausbankprinzip durchbrechen.Ich denke, es ist besser, das Konzept der Globaldar-lehen mit Portfoliogarantie umzusetzen. Dieses ist einintelligentes Instrument, mit dem die KfW den Kredit-instituten Nachrangrisiken abnimmt, finanziert aus ei-nem Topf, der die Mittel für Kredite beinhaltet. Es gibtalso keine Rosinenpickerei. Das führt zu einer Entlas-tung der Banken. Wir werden dafür sorgen – das kannüber die KfW geschehen –, dass die so zur Verfügungstehenden Mittel direkt in die Kreditversorgung fließen.Dann wird ein Schuh daraus. Das ist ordnungspolitischrichtig.Neben diesen Kreditmaßnahmen werden wir eininternationales Regulierungssystem – die Bundes-kanzlerin hat dies gestern angesprochen –, das von derG 20 auf den Weg gebracht wurde, unterstützen. Es wärejLrFadegdrl–ckltMMjwkwvsgndeBrdkWggBehedngfdn
Selbstverständlich. Allfinanzaufsicht heißt: mit Versi-herungen. Das meine ich damit.Wir wollen und werden Möglichkeiten finden, um zu-ünftig zu verhindern, dass sich solche Dinge wiederho-en. In den USA gibt es im Moment den Versuch, die Be-eiligten quasi rückwirkend an der Refinanzierung derittel zu beteiligen. Manche sind nicht mehr auf demarkt. Manche, die keine Mittel benötigten, kommenetzt ebenfalls in das Obligo. Ob das der richtige Weg ist,age ich zu bezweifeln.Ich halte es für viel sinnvoller, wenn wir in die Zu-unft blicken und dafür sorgen, dass sich so etwas nichtiederholen kann. Wir brauchen eine Art Krisenprä-entionsfonds als weitere Säule, ähnlich dem Einlagen-icherungsfonds. Dies hat Herr Ackermann vorgeschla-en. In diese Richtung muss es gehen. Dieser Fonds istatürlich nicht durch den Staat zu füllen, sondern er isturch diejenigen zu füllen, die im Falle einer Krise fürine Stabilisierung verantwortlich sind. Das heißt, dieanken, die in der Zukunft hoffentlich wieder erfolg-eich sind, müssen diesen Fonds füllen. Das ist eine inie Zukunft gerichtete Lösung.
Ich möchte – die Zeit schreitet schnell voran – nochurz auf zwei Punkte eingehen, die zeigen, wie wirachstum generieren können. Es wird unsere Hauptauf-abe in diesem Jahr sein, selbstständiges Wachstum zuenerieren, damit es höhere Steuereinnahmen gibt. Derundesfinanzminister – ich sehe, er ist anwesend – hats dieser Tage in seiner Rede zur Einbringung des Haus-alts angesprochen: In diesem Jahr haben wir Minder-innahmen in Höhe von 43 Milliarden Euro aufgrunder Wirtschafts- und Finanzkrise, die uns als Steuerein-ahmen fehlen. Nur durch mehr Wachstum wird es unselingen, diese Einnahmen wieder zu generieren. Inso-ern ist die Förderung von Wachstum die beste Konsoli-ierungs- und Sanierungspolitik, die wir machen kön-en.
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Wenn wir es aber allein mit Wachstum nicht schaffenkönnen, werden wir im nächsten Jahr selbstverständlichkonsolidieren.Wie aber wollen wir Wachstum schaffen? Ich nennehier – Herr Brüderle hat es bereits angesprochen – denEnergiebereich. Ein Stichwort in diesem Zusammen-hang ist: Energieeffizienz als Königsweg. Wir könnenmit neuen, innovativen Ansätzen und Dienstleistungen,die wir auch exportieren können, ein Vorbild für die Weltsein. Damit schaffen wir eine Win-win-Situation, indemwir neue Technologien und Dienstleistungen, die Wachs-tum schaffen, einführen, Arbeitsplätze sichern und beimKlimaschutz Gutes bewirken.Wir werden die erneuerbaren Energien sinnvoll aus-bauen. Wir legen gerade eine Revision des Bereichs derFotovoltaik vor, wo Überförderungen bestehen. Es gehtdarum, diese zurückzuführen, zu beschneiden und miteinem intelligenten Ansatz in die Zukunft zu gehen, dersogar eine Erhöhung der Ziele im Bereich der Fotovol-taik im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien be-deutet.Es geht auch darum, intelligente Anreize zu setzen,zum Beispiel beim Eigenstromverbrauch. Bisher könnenim Bereich der Ein- und Mehrfamilienhäuser gerade ein-mal 20 Prozent des Bedarfs mit Eigenstrom abgedecktwerden. Wenn wir dort Anreize setzen, kann neue Tech-nologie zum Einsatz kommen, die eine Speicherung vonEnergie ermöglicht und wiederum zum Exportschlagerwerden kann. So können wir die Eigenstromversorgungauf 40 bis 60 Prozent des Bedarfs steigern und damit In-vestitionen in den Ausbau des Verteilungsnetzes einspa-ren. Auch das ist eine Win-win-Situation für alle Betei-ligten; so wird Wachstum geschaffen.
Wir werden den volkswirtschaftlichen Nutzen inHöhe von bis zu 250 Milliarden Euro, den eine Verlän-gerung der Laufzeiten der sicheren deutschen Kernkraft-werke mit sich bringt, auch für die Generierung vonWachstum und die Steigerung der Energieeffizienz ein-setzen.
– Mir kommt jemand zur Hilfe, damit ich noch ein biss-chen reden kann. Vielen Dank.
Sie möchten die Zwischenfrage zulassen? – Bitte
schön.
Herr Kollege Pfeiffer, danke, dass Sie die Zwischen-
frage zulassen.
Sie haben eben über die bei einer Laufzeitverlänge-
rung zu erwartenden Erlöse gesprochen. Sind Sie, wenn
es möglich ist, so viel Geld in der Atomwirtschaft zu ge-
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ilt dies insbesondere für die Milliardenkosten, die in
erbindung mit dem Endlager Asse auf uns zukommen,
nd für EnBW, von der 60 Prozent des Mülls in der
sse stammen? Bleibt denn für Ihr großes Projekt, die
rneuerbaren Energien bzw. die Solarenergie querzu-
ubventionieren, noch etwas übrig, wenn man alle Kos-
en der Atomenergie mit einpreist?
Vielen Dank für diese Frage, die in der Tat wichtignd richtig ist. Sie ist nicht einfach zu beantworten. Er-auben Sie mir deshalb, ausführlich darauf einzugehen.
ch möchte Ihre Frage gerne beantworten.In der Tat bringt eine Laufzeitverlängerung einenolkswirtschaftlichen Nutzen von bis zu 250 Milliar-en Euro, die sonst unwiederbringlich verloren gingen.ieser volkswirtschaftliche Nutzen darf und soll nichtur als betriebswirtschaftlicher Gewinn bei den großenier ankommen. Vielmehr wollen wir diese Mittel ein-etzen, um die Energieeffizienz, die Speichertechnologiend die Systemintegration der erneuerbaren Energien zuerbessern. Damit haben wir die Chance, mehrere Flie-en mit einer Klappe zu schlagen: Wachstum zu generie-en, Arbeitsplätze zu sichern und der Umwelt etwas Gu-es zu tun.Die Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kern-raftwerke, die uns im Moment Emissionen in Höhe vonber 150 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr ersparen – dasind 20 Prozent der Emissionen in Deutschland –, führtazu – –
Ich komme sofort darauf zu sprechen. Es handelt sichchließlich um ein Gesamtkonzept, das ich Ihnen darle-en muss. Herr Friedrich hat das Konzept bisher nichterstanden. Deshalb hat er darum gebeten, dass ich es er-äutere; das mache ich gerne. – Das Gesamtkonzept siehtor, dass wir den Anteil der erneuerbaren Energien aner Energieversorgung bis 2020 auf 30 Prozent oderehr steigern. Wenn wir die Kernenergie im jetzigenmfang beibehalten – –
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Dr. Joachim Pfeiffer– Da gibt es eine weitere Frage. Wir können sie gernehinzunehmen.
Bitte beantworten Sie erst einmal die erste Frage.
Okay, dann gehe ich weiter auf die Frage ein.
Wir haben dann in 2020 die Chance, 60 Prozent und
mehr CO2-freien, versorgungssicheren und wettbewerbs-
fähigen Strom für den Standort Deutschland zu erzeu-
gen.
Jetzt komme ich zur Frage der Entsorgung.
Selbstverständlich ist die Entsorgungsfrage zu lösen.
Wir haben uns in Deutschland entschlossen, den Brenn-
stoffkreislauf nicht zu schließen, wie es in anderen Län-
dern der Fall ist, so in Frankreich und in Japan,
also keine Wiederaufarbeitung vorzunehmen. Deshalb
haben wir gesagt: Wir gehen im Entsorgungsbereich den
Weg der Endlagerung.
– Moment, wenn Sie mich immer unterbrechen, werden
wir heute gar nicht fertig. Aber ich habe Zeit; ich habe
mir nichts weiter vorgenommen.
Wir haben uns also für die Endlagerung entschieden.
95 Prozent des Volumens haben wir jetzt im Sack, indem
wir den Schacht Konrad rechtssicher im Bau haben; er
wird ab 2013 in Betrieb gehen. Bleibt noch eine Größen-
ordnung von 5 Prozent des Volumens im Zusammen-
hang mit der Endlagerung von hochradioaktiven Sub-
stanzen.
– Ich komme noch auf Asse zu sprechen. – Was machen
wir mit diesem Volumen? Wir haben einen nachvollzieh-
baren, an international üblichen Kriterien orientierten
Prozess gestartet, indem wir Gorleben einer Prüfung un-
terziehen. Das hat Ihr komischer Herr Trittin durch ein
Moratorium verhindert.
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r sagt immer, die Frage der Endlagerung sei nicht ge-
öst, hat aber alles unternommen, dass die Endlagerung
icht vorangetrieben werden kann.
ir werden sie jetzt vorantreiben. Wenn wir weitere Un-
ersuchungen durchführen, dann werden wir wissen, ob
ieser Standort geeignet ist oder nicht. Wenn wir dies
icht tun, dann werden wir es auch nicht wissen.
Jetzt komme ich zu Asse.
sse ist natürlich für alle Beteiligten kein besonderes
uhmesblatt. Als Versuchskraftwerk wurde es im Übri-
en nicht von der Wirtschaft und von Unternehmen, son-
ern von staatlicher Seite initiiert.
Ein Endlager; vielen Dank für den Hinweis.
Jetzt besteht die Frage – dafür gibt es ein Konzept –:
önnen wir den Müll dort herausholen?
Diejenigen, die es verursacht haben. Das Verursacher-
rinzip ist hier ziemlich klar nachzuvollziehen. Das kön-
en Sie in einem Protokoll vom Frühjahr letzten Jahres
achlesen, als der zuständige Minister, ein Herr Gabriel,
en Sie wohl kennen, hier an diesem Pult eindeutig ge-
agt hat: Es gibt keine rechtlichen Möglichkeiten. Verur-
acherprinzip heißt letztlich, dass diejenigen zahlen, die
twas verursacht haben, also in diesem Fall der Staat.
In den Laufzeitverlängerungsgesprächen haben wir
ie Chance, dies zu thematisieren und einen Beitrag der
nternehmen zu erreichen. Dann entsteht ein Gesamt-
onzept, und es wird ein Schuh daraus.
Es gab aber eine weitere Frage.
Herr Pfeiffer, angesichts des Zeitumfangs Ihrer Be-ntwortung lasse ich nur noch diese Zwischenfrage zu.
Frau Hendricks, bitte.
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Frau Präsidentin, ich möchte übrigens keine Frage
stellen, sondern eine Zwischenbemerkung machen, was
nach dem Protokoll ja möglich ist. Ich erwarte also keine
Antwort.
– Zwischenbemerkungen sind nach der Geschäftsord-
nung erlaubt. Das steht in § 27. Ich erwarte also keine
Antwort.
Ich darf zunächst Ihnen, Frau Präsidentin, sagen: Ich
hätte eine geschäftsleitende Bemerkung von Ihnen zu
der Art und Weise erwartet, wie der Kollege mit seiner
Antwort umgegangen ist. Aber das ist eine Kritik, die
man vielleicht an anderer Stelle vertiefen kann.
Jetzt komme ich zu meiner Zwischenbemerkung.
Nach den Reden des Herrn Minister Brüderle und nach
den Aussagen des Herrn Kollegen Pfeiffer stelle ich fest:
Dies ist die Regierung, die Koalition der Alchimisten.
Wie Sie wissen, haben die Alchimisten immer versucht,
Gold zu schaffen. Sie haben jetzt schon zwei Punkte be-
nannt, wie Sie Gold – mit anderen Worten: bleibenden
Wohlstand für die Menschen in Deutschland – schaffen
wollen. Das eine sind völlig unsinnige und nicht verant-
wortbare Steuersenkungen,
und das andere ist nach Aussage des Kollegen Pfeiffer
die Verlängerung der Laufzeit der Atomkraftwerke.
Diese Regierung der Alchimisten hat also schon zwei
Perpetuum mobile erfunden und erklärt den Bürgerinnen
und Bürgern allen Ernstes,
damit sei der Wohlstand für die Zukunft zu gewinnen.
Ich bedauere sehr, dass offenbar keine anderen, tiefer ge-
henden Gedanken in dieser Koalition und in dieser Re-
gierung zu finden sind.
Frau Präsidentin, was sagen Sie denn jetzt?
Frau Kollegin Hendricks, unabhängig davon, ob Sie
eine Antwort erwarten oder nicht, muss der Kollege
Pfeiffer natürlich die Chance haben, zu antworten.
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Wir sind nicht bei Grimms Märchenstunde.
ch habe versucht, darzulegen, wie wir in den verschie-
enen Sektoren des Energiebereichs Wachstum schaffen
ollen. Das wird eine zentrale Aufgabe sein. Ich habe
ie Energieeffizienz, die erneuerbaren Energien und die
eitere Nutzung der Kernkraft angesprochen. Es gäbe
eitere Dinge hinzuzufügen, zum Beispiel die grüne
ohle, sprich CCS.
ei dieser Technologie steht Deutschland an der Spitze;
iese Technologie können wir einsetzen.
Mit all dem schaffen wir Wachstum. Das ist keine Al-
hemie, sondern diese Maßnahmen sind geeignet, um ei-
en Wachstumsbeitrag zu leisten, damit wir mehr
teuereinnahmen generieren und letztlich einen Beitrag
ur Konsolidierung des Haushalts leisten können.
Frau Hendricks hat sich wieder hingesetzt. Dann
erde ich jetzt mit meiner Rede fortfahren.
Sie haben noch 30 Sekunden.
Wir werden darüber hinaus in Bildung – es wurde an-esprochen –, in Familien, Innovationen, Forschung undntwicklung investieren.
ir werden eine steuerliche Forschungsförderung ein-ühren.
ir wollen das ZIM-Programm ausbauen, mit dem wirroße Erfolge erzielt haben – leider kann ich das nichteiter ausführen –, dessen Geltungsdauer wir gemein-am verlängert und dessen Geltungsbereich wir auf dielten Bundesländer ausgedehnt haben.
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Dr. Joachim PfeifferDas werden wir im nächsten Jahr hoffentlich auch sobeibehalten. Das ist die beste einzelbetriebliche Förde-rung, um langfristig Wachstum zu schaffen
und den Haushalt zu konsolidieren.Wir sind in unserer Wunschkonstellation auf demrichtigen Weg. Wir werden Herrn Brüderle mit Wort undTat unterstützen und ihn auf dem richtigen Weg halten.Herr Brüderle, wir sind uns einig: Wir brauchen Freiheit,um Wachstum nach vorne zu bringen.
Das Wort hat der Kollege Roland Claus für die Frak-
tion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieLinke steht für eine Wirtschaftspolitik, die zu mehr so-zialer Gerechtigkeit und Stabilität beiträgt, die Mittel-stand und Existenzgründern Zukunftschancen eröffnetund nicht verbaut, und die Arbeit schafft, von der Be-schäftigte auch gut leben können.
Einem solchen Anspruch wird der Etat des Bundeswirt-schaftsministers in keiner Weise gerecht. Eigentlichschlimmer noch: Er setzt sich keine Ziele und stellt auchkeine Ansprüche,
abgesehen von der beabsichtigten Rolle rückwärts beider Atomenergie.Ich glaube, in den letzten Minuten ist eines deutlichgeworden: Mit dieser Rolle rückwärts in Sachen Atom-energie werden all Ihre Beschwörungen zur Förderungerneuerbarer Energien in diesem Lande total unglaub-würdig. Das haben wir jetzt begriffen.
Für die Öffentlichkeit will ich diesen Etat zunächstein bisschen einordnen. Wir reden von 6 Milliarden Eurobei weit über 300 Milliarden Euro im Gesamtetat. Ziehtman davon die Subventionierung der Steinkohle und Ih-rer Raumfahrtlobby ab, bleiben etwa 4,5 MilliardenEuro, das sind 1,5 Prozent des Gesamtetats. Nur zumVergleich: Im vergangenen Jahr wurden allein für das In-strument Abwrackprämie 5 Milliarden Euro eingesetzt.Mir ist natürlich klar, dass auch anderswo Wirtschaftspo-litik gemacht wird. Allein in der BA wird über das Kurz-arbeitergeld in größerem Umfang dazu beigetragen.ueDkBdugslmswSrwolkaatdwunafpsssmn
iese Gefahr bestand heute nicht, aber manchmalommt einem das so vor.
Diesen 6 Milliarden Euro, über die Sie bis zu jedemleistift Rechenschaft ablegen, stehen über 20 Milliar-en Euro gegenüber, die im sogenannten Investitions-nd Tilgungsfonds, einem Sondervermögen, zur Verfü-ung stehen; man kann dazu auch Schattenhaushaltagen. Mehr als das Dreifache des Etats wird der Öffent-ichkeit entzogen und allenfalls mit sehr dürftigen Infor-ationsblättern vor dem Haushalts- und Wirtschaftsaus-chuss begründet.
Nun zitiere ich aus den Bemerkungen des Bundes-irtschaftsministeriums zum Haushalt:Das BMWi unterstützt den Kurs aus Stärkung derWachstumsgrundlagen und krisenbedingten Mehr-ausgaben bei gleichzeitig kluger Sparsamkeit.ie wollen also zeitgleich mehr ausgeben und mehr spa-en. Sollten Sie nicht gleich sagen: „Bis zur NRW-Wahlird die Mathematik außer Kraft gesetzt“? Das ist ver-rdnete Schizophrenie. Das ist Wahlbetrug mit Ansage,iebe Kabinettsmitglieder.
Sie wollen gestärkt aus der Wirtschaftskrise heraus-ommen – das haben wir jetzt oft genug gehört –, sindber nicht wirklich bereit, die Ursachen dieser Krise zunalysieren. Ich sage Ihnen: Ein vernünftiges Wirtschaf-en wird es erst dann wieder geben, wenn die Übermachter Finanzwirtschaft gegenüber der sogenannten Real-irtschaft gebrochen wird. Wir müssen, auch wenn esns schwerfällt, die Fantasie aufbringen, uns eine Fi-anz- und Wirtschaftswelt vorzustellen, in der die Börseuf ihren ursprünglichen, vernünftigen Ansatz zurückge-ührt wird. Kleiner geht es nicht.
Ein alter Hase aus der Industrie hat mir das letztenslausibel gemacht. Er hat gesagt: Wissen Sie, früher hatich ein Industrieller eine Bank gesucht, um Finanzge-chäfte abzuwickeln und zu Krediten zu kommen. Heuteuchen sich die Banken Betriebe aus, um sie auszuneh-en. Einer solchen Entwicklung muss doch, verdammtoch mal, etwas entgegengesetzt werden.
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Roland ClausHerr Wirtschaftsminister, Sie täten gut daran, zu sa-gen: Ich habe mich lange, was meine wirtschaftspoliti-sche Vorstellung angeht, gründlich geirrt; aber jetzt habeich verstanden, dass man zur Stärkung der Binnennach-frage den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnbraucht. – Ich habe das heute nicht erwartet, aber dieForderung ist deswegen trotzdem richtig.
Leider ist die Wahrheit eine andere: 1,4 MillionenVollzeitjobs weniger in den letzten zehn Jahren, dafür1,3 Millionen mehr im Teilzeitbereich. Ein Viertel derBeschäftigten ist inzwischen im Niedriglohnbereich be-schäftigt. Im Osten arbeiten weit über 40 Prozent in die-sem Sektor. Das ist natürlich ein Ergebnis von Rot-Grünund Schwarz-Rot. Ich will aber auch daran erinnern,dass das alles der FDP noch nicht rigoros genug war. Einbisschen wundere ich mich über die Sozialdemokratin-nen und Sozialdemokraten, denen es flächendeckend ge-lungen ist, den Begriff „Agenda 2010“ ganzkörperlichabzustreifen und völlig aus der Erinnerung zu streichen.
Wir müssen auch über das Wort „Kreditklemme“ re-den. Sie haben wie wir die Prognosen auf dem Tisch lie-gen. Im laufenden Jahr ist mit über 45 000 Insolvenzenzu rechnen. Sie haben dafür eine neue Geheimwaffe er-funden, den Kreditmediator. Den haben Sie im Dezem-ber vollmundig angekündigt. Ich habe mir gedacht:Bereite dich auf die Debatte vor und rufe dort einmal an.Das habe ich gestern versucht. Es gibt weder eine Tele-fonnummer noch einen sonstigen Verweis. Mir ist klar,dass Herr Metternich den Beginn für März angekündigthat. Aber was ist das für eine Bundesregierung? Im De-zember veranstaltet sie einen Gipfel, aber danach pas-siert lange nichts.
Wenn Sie mir die Kritik nicht abnehmen, dann solltenSie zumindest einem Ihrer Parteifreunde zuhören, HerrBrüderle, der dazu sagt:Es ist nicht sinnvoll, vor Weihnachten die Ankunfteines Kreditmediators … auszurufen,
ohne konkret zu sagen, was er tun soll und wie ervernetzt ist.Die Verunsicherung in der Krise werde damit nur ver-größert. Der, der das sagt, heißt Jörg Bode, ist Wirt-schaftsminister in Niedersachsen und gehört bekanntlichder FDP an. Nehmen Sie diesen Rat an.Wir sagen Ihnen: Wann immer Sie von einem Ihrerzahllosen Gipfel im Bundeskanzleramt heruntersteigen,lhäBSRsbwejEsdzEvsuurWsiezewSWFmhS–saintMm
Wir haben die Situation, dass die Unternehmer Angstor der Kreditklemme haben, dass sie Angst vor Absatz-chwächen haben. Aber auch die Arbeitnehmerinnennd Arbeitnehmer haben Angst um ihren Arbeitsplatznd vor existenziellen Nöten. Die Aufgabe der Regie-ung ist es, an dieser Stelle Vertrauen zu schaffen undege aus der Krise zu zeigen. Sie aber machen das ab-olute Gegenteil. In einer Umfrage ist dieser Koalitionm Januar 2010 die Schulnote 3,9 gegeben worden. Beiiner Note von 3,9 werden in Baden-Württemberg Elternum Gespräch eingeladen. Da sagen die Lehrer schoninmal: So geht es nicht; sehen Sie zu, dass dies besserird.
Fehlstart, Streit und schließlich das Gezerre um dieteuerreform dominieren das Bild. Das ist auch keinunder. Im Wahlkampf haben Sie, vor allem Sie von derDP, vollmundigste Versprechen gemacht, und auf ein-al herrscht Verwunderung über die leeren Kassen. Jetztat Sie jede Vernunft verlassen. Das zeigt die Politik, dieie uns heute vorlegen.
Von der Wirtschaftskompetenz der Bundesregierung das haben Sie als FDP sich immer auf die Fahne ge-chrieben – ist nichts mehr übrig. Die Presse nimmt Sieuseinander. Selbst die Wirtschaftsverbände müssen Sienzwischen anschreiben und anmahnen. Wir werdenoch öfter die Debatte über dieses sogenannte Wachs-umsbeschleunigungsgesetz und über die reduzierteehrwertsteuer bei Hotelübernachtungen führen. Ichöchte Ihnen eines sagen: Wenn Sie hier noch einmal
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Kerstin Andreaeüber Bürokratieabbau reden, dann machen Sie sich wirk-lich lächerlich. Denn Sie haben bezüglich der Hotelüber-nachtungen sehr viel Bürokratie aufgebaut.
Die FDP spricht ständig über Steuersenkungen. Unsliegt heute ein Bundeshaushalt vor mit einer Rekordneu-verschuldung in Höhe von – wenn man alles zusammen-nimmt – 131 Milliarden Euro, mit einer Bundesverschul-dung, die die 1-Billion-Euro-Marke reißt. Ich weiß garnicht, ob Sie alle wissen, wie viele Nullen eine Billionhat.
Das sind zwölf Nullen. Es gibt keinerlei Generationen-gerechtigkeit. Jeder achte Euro wird inzwischen für Zinsund Tilgung ausgegeben. Das ist die Bremse beim Wirt-schaftswachstum. Sie schaffen kein Vertrauen, wenn Sieweiterhin über Steuersenkungen reden, die weder 2010noch 2011 noch 2012 finanzpolitisch irgendwie verant-wortbar sind.
In den Debatten sind immer wieder die Kommunenangesprochen worden. Die Kommunen sind ein ganzenorm wichtiger Wirtschaftsfaktor. Aber mit Ihren Steu-ersenkungen und mit Ihren sogenannten Entlastungen
– ja, furchtbar, Herr Lindner –, die Sie auf den Weg brin-gen, machen Sie zwei Sachen: Zum einen lassen Sie dieKommunen, die ihre Aufgaben nicht mehr finanzierenkönnen, im Regen stehen, und zum anderen ist es ein to-taler Witz, von mehr netto vom Brutto zu sprechen,wenn die Leute aufgrund der erhöhten Gebühren undBeiträge, die auf kommunaler Ebene anfallen, am Endenicht mehr in der Tasche haben. Das ist wiederum eineganz falsche Politik. Das ist so richtige FDP-Politik,Klientelpolitik. Sie versprechen irgendetwas, und amEnde kommt nichts dabei heraus.
Ich erinnere mich noch gut an die Diskussionen, diewir immer wieder geführt haben. Sie haben hier mit demLiberalen Sparbuch gewedelt.
Ich glaube, es enthält 400 Einzelvorschläge für die Etats.
Wenn ich mir nur unseren Bereich, den Wirtschaftsetat,ansehe, stelle ich fest, dass Sie – und das in einem Mi-nisterium, das von der FDP geführt wird – keinen einzi-gen dieser ach so tollen 400 Einzelvorschläge aus demLiberalen Sparbuch umgesetzt haben.WpwVl–se–ns––kkkdfm–dVIshlI
ie wollen Sie erklären, dass Sie, wenn Sie in der Op-osition sind, tolle Sparvorschläge machen, und dann,enn Sie an der Regierung sind, keinen einzigen dieserorschläge umsetzen? Ihr Sparwille ist vollkommen er-ahmt.
Oh ja, das kriegen wir schon noch. Da bin ich sehr ge-pannt.Nehmen wir doch einmal den Staatssekretär, den Sieinsparen wollten.
Ja, Herr Lindner, Sie wollten im Bereich Wirtschaft ei-en Staatssekretär einsparen. Jetzt haben Sie drei Staats-ekretäre, von denen zwei ein FDP-Buch haben.
Ja, Herr Oswald, das scheint genau der Punkt zu sein.
Ein Anflug von Ehrlichkeit und, Gott sei Dank, proto-ollarisch aufgenommen.Sie wollten bei Dienstreisen sparen; das ist überhauptein Thema mehr. Sie wollten auch bei der Öffentlich-eitsarbeit sparen. Ich kann sogar verstehen, dass Sie dasoch nicht tun. Denn Sie bräuchten eine richtig gute Öf-entlichkeitsarbeit, um die Politik, die Sie machen, zu-indest ein bisschen besser zu verkaufen.
Sie wollten außerdem bei Sachverständigen sparen.
Sie könnten in den laufenden Haushaltsberatungen je-en einzelnen dieser Punkte aufgreifen, jeden einzelnenorschlag Ihres Liberalen Sparbuchs einbringen.
ch bin sehr gespannt, wie Sie sich verhalten werden.Mein Vorschlag: Sparen Sie doch bei den Sachver-tändigen; das wollten Sie nämlich tun. Ehrlich gesagt,abe ich manchmal den Eindruck, das könnten Sie wirk-ich tun. Sie hören nämlich überhaupt nicht auf das, washnen die Sachverständigen sagen.
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Kerstin Andreae
Kein einziger Sachverständiger hat gesagt, dass dieMehrwertsteuersenkung für die Hotellerie etwas bringt.
Man findet im Augenblick keinen Sachverständigen, dererklären kann, wie Sie Ihre Steuerreform gegenfinanzie-ren wollen. Wenn Sie nicht auf die Sachverständigen hö-ren, dann können Sie diese Kosten tatsächlich einsparen.
Frau Andreae, möchten Sie die Zwischenfrage zulas-
sen?
Ja, bitte.
Bitte schön.
Frau Kollegin Andreae, Sie haben die Mehrwertsteu-
ersenkung für die Hotellerie gegeißelt.
Ja.
Waren Sie dabei, als entschieden wurde, diese Forde-
rung in Ihr Wahlprogramm aufzunehmen? Wie haben
Sie sich damals dazu geäußert?
Haben Sie damals dagegengestimmt und diese Forde-
rung abgelehnt,
oder haben Sie dafür gestimmt, dass diese Forderung in
Ihr Wahlprogramm aufgenommen wird? Hat es nicht
auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun, nach der Wahl
bei dem zu bleiben, was man vor der Wahl versprochen
hat, was diese Regierung im Übrigen getan hat?
Auf jeden Fall geht es dabei auch um Glaubwürdig-
eit.
Ich danke Ihnen für Ihre Frage, weil ich nun die Mög-
ichkeit habe, Ihnen ausführlich zu antworten. – Frau
räsidentin, darf ich eigentlich genauso ausufernd ant-
orten, wie es der Kollege Pfeiffer gerade getan hat? Es
ibt nämlich noch viele Punkte, die ich gerne ansprechen
ürde.
Die Redezeit wird gestoppt, und Herr Hinsken bleibt
itte so lange stehen.
Ich gebe eine kurze Antwort: Herr Hinsken, Sie soll-en sich informieren. Diese Forderung steht nicht in un-erem Wahlprogramm. Hiermit ist Ihre Frage beantwor-et, und Sie können sich wieder setzen.
Herr Hinsken, die Grünen haben diese Forderung nichtn ihrem Wahlprogramm.
ir können das gerne textlich belegen. Aber Ihre Frage,err Hinsken, ist hiermit beantwortet.
Der Wirtschaftsetat ist ein kleiner Etat, aber einer mitroßer Wirkung. Denn die Möglichkeit, zum Beispielber Förderprogramme im wirtschaftlichen Bereich tätigu sein, hat eine große Hebelwirkung zur Folge. Einirtschaftsminister, der die Möglichkeit hat, diese He-elwirkung zu nutzen, und dabei an die Zukunft denkt,uss alles, was er im wirtschaftlichen Bereich unter-immt, an diesem Ziel ausrichten.Das bedeutet, dafür zu sorgen, dass sich die neuenragen, die sich angesichts des Klimawandels und derkologischen Herausforderungen stellen, in einem wirt-chaftspolitischen Profil und im Haushalt abbilden. Man
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1390 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Kerstin Andreaemuss also die Förderprogramme durchforsten: Was istzukunftsgerichtet, wo geht es also um erneuerbare Ener-gien oder um Umwelttechnologien? Wo betreiben wirTechnologieförderung insgesamt? Ich bin mit Ihnendurchaus einer Meinung, dass es richtig ist, alle Techno-logien in den Blick zu nehmen. Wir müssen die Techno-logien allerdings auf Möglichkeiten zur Effizienzsteige-rung und auf die Ausrichtung auf Umwelttechnologienüberprüfen, damit wir die Zukunftsmärkte erschließenkönnen.Ein Wirtschaftsminister und die wirtschaftspolitischeKompetenz in diesem Hause müssen folgende Fragenbeantworten: Was kommt nach dem Ölzeitalter? Wie er-reichen wir ein CO2-armes und ressourcenschonendesWirtschaften? Diese Fragen muss ein Wirtschaftsminis-ter mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeitenbeantworten, und seine Antwort muss im Haushalt inForm von Förderprogrammen und Ähnlichem deutlichwerden. Das vermissen wir total.
Wir müssen in das investieren, was für die kommen-den Generationen wirklich wichtig ist. Wir müssen Kli-makiller abbauen, national, aber auch global. Und wirmüssen unser Handeln auf Zukunftsmärkte und auf Zu-kunftsrendite ausrichten. Ich sage Ihnen eines: Das istkeine Veranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen, das istdie Herausforderung überhaupt, das muss das Thema fürunsere Volkswirtschaft sein. Die Frage ist nicht mehr:Wie stellt sich das in 50 Jahren dar? Die Frage ist viel-mehr: Wie müssen wir heute umsteuern, wie müssen wirheute die Wirtschaftspolitik neu ausrichten, wenn wirunsere Chancen nutzen wollen?Für Technologien, mit denen man Energie und Roh-stoffe effizienter nutzen kann, werden sich Zukunfts-märkte eröffnen. Entweder man ist als Volkswirtschaftund als Nation dabei, oder man ist es nicht. Was Sie unsimmer wieder vorlegen, macht mich nicht optimistisch,dass wir dabei sein werden.Wir werden Sie in dieser Sache treiben; denn wirmüssen die gesamte Volkswirtschaft neu aufstellen. Wirmüssen Antworten geben auf die Herausforderungen.Dazu müssen wir aber wissen: In welche Richtung solles gehen, wo liegt die Zukunft?Aus unserer Sicht ist die Frage vor allem: Wie schaf-fen wir es, CO2-arm zu wirtschaften, wie schaffen wir es,ressourcensparend zu wirtschaften? Auch über dieWachstumsfrage müssen wir diskutieren. Diesen Fragenmüssen wir uns stellen. Dies gehört zu den Aufgaben ei-nes Wirtschaftsministers. Sie haben sich dem wiedernicht gestellt.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Georg Nüßlein für
die CDU/CSU-Fraktion.
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Das war vernünftig, Herr Heil. – Wir haben Richtigesnd Wichtiges getan, vom Bankenrettungsschirm, der al-ernativlos war, über das Konjunkturprogramm bis hinur Verlängerung des Zeitraums, für den man Kurzarbeitnmelden kann.
All die Dinge, die wir – gemeinsam, Herr Heil – be-chlossen haben, haben ihre Konsequenzen. Diese Kon-equenzen schlagen sich in dem Haushalt, den wir heuteeraten, nieder. Ich registriere, dass Sie in der Opposi-ionsrolle angekommen sind; aber ich bitte Sie herzlich,ich nicht aus der Verantwortung zu stehlen. Meine Da-en und Herren, wir haben gemeinsam gelöscht, undetzt müssen wir uns – diese neue Regierung tut das –it den Löschwasserschäden beschäftigen.
Sie wollen doch nicht behaupten, dass den Brand dieetzte Regierung oder diese Regierung gelegt hat.
Wir müssen uns jetzt mit einem Haushalt beschäfti-en, dessen Neuverschuldung in der Tat allen Sorgenacht, von der aber 80 Milliarden Euro der Krise ge-chuldet sind. Wir stehen in der Pflicht, uns damit aus-inanderzusetzen, wie es weitergehen soll. Der Bundes-irtschaftsminister hat Richtungsweisendes dazu gesagt.Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass ein Gutteiles zarten Pflänzchens Wachstum, das wir registrierenönnen, geborgt ist. Deshalb ist es richtig gewesen, einechuldenbremse in das Grundgesetz zu integrieren. Da,err Heil, können Sie über die Rolle der SPD nachden-en; denn es war schon zu spüren, dass viele Kollegin-en und Kollegen von Ihrer Seite davon nicht begeistertaren.
Das wird nicht einfach; darüber brauchen wir nicht zuiskutieren.
Hier war einiges zu hören zu dem, was uns noch be-orsteht. Etliches musste einen verwundern, insbeson-ere das, was der Kollege Claus zum Thema Finanzge-erbe gesagt hat. Wir dürfen uns jetzt doch nicht damit
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Dr. Georg Nüßleinbeschäftigen, wie man die Banken nach Möglichkeitknebelt und in die Mangel nimmt, wir müssen überlegen,wie man ihnen den Spielraum eröffnet, in der schwieri-gen wirtschaftlichen Situation, die wir haben, Kredite zugeben.
Das wird in den nächsten Monaten die entscheidendeFrage sein.Da treibt es mich um, wenn ich registrieren muss,dass unser durchaus intelligentes Bad-Bank-Konzeptnicht so aufgenommen wird, wie wir das erwartet haben.Darüber werden wir in den nächsten Monaten noch ein-mal diskutieren müssen. Wenn es darum geht, wie dieAnforderungen an das Eigenkapital angepasst werdenkönnen, wird es nicht nur darauf ankommen, welchewohlüberlegten Schritte man macht, sondern vor allem,zu welchem Zeitpunkt sie stattfinden sollen. Hier kommtes ganz entscheidend auf den Zeitpunkt an. Wir dürfenkeinen Beitrag dazu leisten, dass letztendlich eine Kre-ditklemme auftritt.Der Minister hat das Thema Forschung und Bildungangesprochen. Ich halte dies für ein zentrales Themaauch der Wirtschaftspolitik. 12 Milliarden Euro zusätz-lich sind kein Pappenstiel; aber es ist auch nicht immeralles nur eine Frage des Geldes. Zum einen geht es da-rum, Zukunftsfelder zu identifizieren; Frau Kollegin An-dreae hat vorhin unbestreitbar richtige und wichtige ge-nannt. Darüber hinaus gibt es allerdings weitere. Dieverengte Perspektive der Grünen ist falsch, da es im Be-reich der Nanotechnologie und der industriellen Biotech-nologie über das Thema Umweltschutz- und Klimatech-nologie hinaus, um nur ein paar Beispiele zu nennen,auch noch andere Felder gibt, mit denen wir uns be-schäftigen wollen und sollen. Ich bestreite trotzdemnicht, Frau Kollegin, dass Sie recht haben: Die Umwelt-technologie und insbesondere die Frage der Energieef-fizienz werden im Wirtschaften der Zukunft eine ent-scheidende Rolle spielen.
Uns geht es aber darum, meine Damen und Herren,dass dies nicht staatlich gelenkt, wie es die Linken im-mer predigen, sondern ergebnisoffen stattfindet. Zum ei-nen können wir die Zukunftsfelder nicht nur politischidentifizieren, und zum anderen wollen wir, dass dies aufunternehmerische Initiative hin stattfindet; da spielt derMittelstand eine besondere Rolle.Von dem, was in unserem Koalitionsvertrag steht,halte ich das Thema steuerorientierte Förderung von In-novation und Forschung vor allem im Bereich des Mit-telstands für ganz entscheidend.
Ob man dies steuerorientiert oder mit Zulagen macht, istvöllig egal. Aber wir haben hier eine Chance, über denMarkt zu steuern, dass das erforscht und entwickelt wird,was auf dem Markt wirtschaftlich zum Tragen kommenund am Schluss unsere Wirtschaft voranbringen wird.DsigBhiwWlbDshwKsbiiAgsdSaItgwNbaiewrOdagigadwd
Lassen Sie mich als letzten Aspekt das Thema Ener-iepolitik ansprechen. Es ist richtig und wichtig, dassir ein Energiekonzept auf den Weg bringen. Es ist einovum, dass wir dies nach vielen Jahren wieder zuwegeringen. Entscheidend dabei ist, dass wir mit der Märufräumen, die heute auch wieder vorgebracht wordenst, Herr Kollege Claus, dass die Kernenergie die erneu-rbaren Energien kannibalisieren würde. Das ist falsch,eil wir einen Einspeisevorrang haben. Die erneuerba-en Energien sind deshalb auch ganz vorne in der Merit-rder. Tun Sie nicht so, als müsste man das eine gegenas andere ausspielen. Wir sind auf einem guten Weg,uch im Bereich der Klimapolitik etliches voranzubrin-en,
ndem wir auf beides setzen: auf die erneuerbaren Ener-ien auf der einen Seite und auf die Kernenergie auf dernderen Seite. Denn wir werden die Klimaschutzziele,ie wir uns zu Recht selbst aufgebürdet haben, nicht inirtschaftlich vertretbarer Weise erreichen, wenn wir inieser Republik auf die Kernenergie verzichten.Vielen herzlichen Dank.
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Jetzt hat der Kollege Hubertus Heil das Wort für die
SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Sehr geehrter Herr Brüderle, ich kann es Ihnennicht ersparen: Angesichts dessen, was in der Weltwirt-schaft passiert und was die Sachverständigen für diesesJahr für unsere Volkswirtschaft prognostizieren, war das,was Sie vorgetragen haben, gelinde gesagt, etwas unter-komplex. Wir haben zum Beispiel nichts darüber gehört,wie es nach dem dramatischen Einbruch der Wirtschaftdes letzten Jahres um minus 5 Prozent, der in Deutsch-land dank der aktiven Politik von Peer Steinbrück undOlaf Scholz glücklicherweise nicht die befürchteten Fol-gen gehabt hat, in diesem Jahr weitergeht.
– Ja, auch die Abwrackprämie. Danke für den Hinweis.Diese haben wir mit der Union gemeinsam beschlossen.Das hat in meiner Heimatregion und in vielen RegionenDeutschlands einen Zusammenbruch der deutschen Au-tomobilwirtschaft verhindert. Darauf sind CDU/CSUund SPD sicherlich gemeinsam stolz. Das muss manaber der FDP noch erklären. Herzlichen Glückwunschzum neuen Koalitionspartner!
– Sie haben offensichtlich keine Ahnung, Herr Lindner.Das zeigt sich auch in der Berliner FDP. Sie sollten sichmehr mit der Automobilwirtschaft in Deutschland befas-sen, zum Beispiel mit Volkswagen. Das ist kein Automo-bilkonzern aus Korea; es ist ein deutscher Konzern. Eswar richtig, eine Brücke zu bauen, um einen Absturz indiesem Bereich zu verhindern.
Gleichzeitig stellt sich die Frage, Herr Brüderle, waswir im laufenden Jahr machen. Letztes Jahr sind durchdie Maßnahmen der alten Bundesregierung, der GroßenKoalition, durch die Konjunkturprogramme und durchdie Kurzarbeitsregelungen die Einbrüche in der Export-wirtschaft teilweise von der Binnennachfrage stabilisiertworden.Die Binnennachfrage und die Kaufkraft inDeutschland sind im letzten Jahr allen Prognosen zumTrotz erstaunlich stabil geblieben. Leider können wir imlaufenden Jahr nicht damit rechnen, dass das so weiter-geht. Wie wir alle wissen, wird die Arbeitslosigkeit zu-nehmen. Das wird auch zu einem Rückgang der Kauf-kraft führen. Der Exportmotor springt aber nicht in demMaße an, wie es notwendig wäre, um die Kapazitätenauszulasten. Im Jahreswirtschaftsbericht, der nächsteWoche vorgelegt wird, wird ein Wirtschaftswachstumvon 1,5 Prozent prognostiziert. Das klingt zwar gran-dios, Herr Nüßlein, aber damit werden die bestehendenKgWdkhovuutrAtrKsisLszdnfgaDAJKkdHtdLRRüssd
Sie als FDP verwechseln offensichtlich Klientelpoli-ik mit Wirtschaftskompetenz. Hier ein bisschen was füreiche Erben, da ein bisschen weniger Wettbewerb fürpotheker, dort etwas für die Hoteliers, und dann vertre-en Sie noch die Interessen privater Krankenversiche-ungskonzerne. Das ist keine Wirtschaftspolitik, sondernlientelpolitik.Wenn Ihr neuer Generalsekretär unseren demokrati-chen Rechtsstaat einen Schwächling nennt, dann kannch Ihnen nur eines ins Stammbuch schreiben: Sie solltenich einmal mit der verfassungsmäßigen Ordnung diesesandes beschäftigen. Den sozialen und demokrati-chen Rechtsstaat zu diffamieren und ihn gleichzeitigur Beute von Interessengruppen zu machen, wie esurch Ihre Klientelpolitik geschieht, ist nicht in Ord-ung. Das werden Sie sich vorhalten lassen müssen.
Das hat aber auch etwas mit dem Umgang mit der öf-entlichen Hand zu tun. Wir haben Konjunkturpro-ramme aufgelegt, um auch kommunale Investitionenuszulösen. Für die Jahre 2009 und 2010 ist das der Fall.eshalb ist die Entwicklung besser als befürchtet. Derrbeitsmarkt ist robuster als erwartet. Was aber wird imahr 2011, wenn die Konjunkturprogramme auch für dieommunen auslaufen, aber gleichzeitig Ihre Steuersen-ungspolitik und die Steuermindereinnahmen aufgrunder Weltwirtschaftskrise Löcher in die kommunalenaushalte reißen und damit die Investitionsmöglichkei-en der Kommunen mindern? Es gibt keine Antwort aufiese Frage.Reden Sie doch einmal mit Ihren Bürgermeistern undandräten! Die CDU/CSU stellt schließlich eine ganzeeihe davon.
eden Sie mit ihnen über die Lage der Kommunen undber die Tatsache, dass öffentliche Investitionen in Infra-truktur, Bildung und Kinderbetreuung aufgrund der fal-chen Politik dieser Bundesregierung zurückgehen wer-en.
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Hubertus Heil
Herr Brüderle, Sie haben, wie der Kollege Duin aus-geführt hat, bisher in Ihrer Amtszeit außer einem symbo-lischen Entflechtungsgesetz, das in der Praxis keineWirkung entfalten wird, nicht viel zustande gebracht.Das Gesetz ist ein Placebo. Ich muss darauf hinweisen,dass eine ähnliche Regelung in der amerikanischen Kar-tellrechtspraxis keine zentrale Rolle gespielt hat. Wirwerden uns das anschauen. Aber das wird Sie nicht da-von befreien, Vorschläge für eine Wachstumsstrategiezu machen. Wie wollen Sie private und öffentliche In-vestitionen in Deutschland auslösen? Das ist die ent-scheidende Frage. Was tun Sie konkret für kleine undmittlere Unternehmen? Von Herrn Pfeiffer von derCDU/CSU habe ich vorhin gehört, dass Sie steuerlicheForschungsförderung zugunsten von Unternehmen be-treiben wollen, Stichwort „tax credits“. Das ist keineschlechte Idee. Dagegen sind wir nicht. Aber ich rate Ih-nen, ein Konzept vorzulegen, das gezielt kleinen undmittleren Unternehmen das ermöglicht und nicht Mit-nahmeeffekte zugunsten der Großindustrie hervorruft.Das ist der Unterschied: Sie haben nur heiße Luft undkein Konzept.
Wie wäre es, angesichts der Unterauslastung im Ma-schinenbau dafür zu sorgen, dass andere Bereiche desproduzierenden Gewerbes ihren Maschinenpark inDeutschland ökologisch erneuern, dass sie sich modernedeutsche Maschinen kaufen, weil die Exportnachfragenicht ausreicht? Wie wäre es beispielsweise mit Investi-tionsanreizen in diesem Bereich? Wir könnten im Be-reich des Maschinenparks Instrumente wie eine degres-sive AfA oder eine Art Investitionsprämie einsetzen.Das sind intelligente Instrumente, um Beschäftigung inDeutschland zu sichern. Aber aus dem Hause Brüderlekommt nichts. Das ist eines Bundeswirtschaftsministersunwürdig.Auch im Bereich der Dienstleistungspolitik gibt eskeine Ideen von Ihrer Seite, obwohl wir in diesem Landriesige Potenziale an modernen Dienstleistungen fürMenschen von Menschen haben. In der Gesundheits-wirtschaft und im Pflegebereich, der angesichts einer äl-ter werdenden Gesellschaft immer wichtiger wird, habenSie keinen Ansatz. Im Bereich der ökologischen Indus-triepolitik, eines der wichtigsten Märkte von morgen, aufdenen wir nur mit den besten Produkten und Dienstleis-tungen und nicht mit den niedrigsten Löhnen erfolgreichsein werden, gibt es keine Initiativen und keine Ideen,sondern nur ein paar Broschüren. Für den Bereich derKreativwirtschaft haben Sie jetzt einen Arbeitskreis ge-gründet. Herzlichen Glückwunsch! Aber keine Vor-schläge, keine Konzepte! Das ist Politik à la Brüderle:unterkomplex, unzulänglich und des größten Industrie-standortes in Europa nicht würdig. Das werden wir deut-lich machen.
CDU/CSU und SPD haben gemeinsam in den schwie-rigen Zeiten einer Weltwirtschaftskrise richtig reagiert.Zu einer Zeit, als Herr Brüderle als OppositionspolitikerKonjunkturpolitik reif für die Mottenkiste hielt, habenwGdghAEdsdvplDJgWsdsHguuGdtsPdknlhhSEMaFsMdLidbDbundfdu
a, es muss an der richtigen Stelle über eine Exit-Strate-ie gesprochen werden. Aber es geht um das Timing, dasann und Wie, und um Koordinierung. Einfach zu be-chließen, dass die Krise ab 1. Januar 2011 vorbei ist undass man dann alles zurückfahren kann, hat mit den wirt-chaftlichen Realitäten und Entwicklungen nichts zu tun.err Brüderle, dazu haben wir von Ihnen bisher wenigehört.Wirtschaftspolitik in diesem Land ist mit der Steuer-nd Finanzpolitik, aber auch stark mit der Arbeitsmarkt-nd der Bildungspolitik verbunden. Wenn es gelingt, dierundlagen dieses Landes wieder zu stärken, die uns aufieser Welt erfolgreich gemacht haben, nämlich Investi-ionen in Bildung und Forschung zu tätigen und im wis-enschaftlichen Bereich dafür zu sorgen, dass die bestenrodukte und Verfahren in diesem Land nicht nur er-acht, sondern auch produziert und angewendet werdenönnen, wenn wir die Infrastruktur in diesem Land er-euern und wenn wir in dieser Gesellschaft soziale Ba-ance halten, haben wir Chancen, unseren Wohlstand zualten. Aber dazu bedarf es einer aktiven Politik. Daseißt nicht, dass sich der Staat zurückhalten darf. Dertaat kann sicherlich nicht alles machen. Wir sind keinetatisten. Wir sind für den Marktmechanismus. Aber derarkt braucht einen klaren Ordnungsrahmen und einektive Politik, die Impulse setzt. Das haben viele in derDP nicht begriffen. Die Bedrohung für die offene Ge-ellschaft und eine erfolgreiche Marktwirtschaft geht imoment nicht vom Sozialstaat in Deutschland aus, son-ern eher von Entwicklungen in staatskapitalistischenändern in anderen Regionen dieser Welt, mit denen wirn Konkurrenz stehen. Amerika wird nicht mehr wie vorer Krise das Zentrum sein. Es kommen neue, aufstre-ende Staaten hinzu, mit denen wir konkurrieren. Wenneutschland ein demokratischer und sozialer Rechtsstaatleiben soll, brauchen wir eine aktive Wirtschaftspolitiknd nicht nur alte Parolen aus FDP-Programmen.Herr Brüderle, Max Weber, der große Nationalöko-om und vor allen Dingen, wenn man so will, Erfinderer Politikwissenschaften, hat einmal einen Maßstabür gute Politik definiert. Er hat gesagt, Politik braucherei gute Eigenschaften: Verantwortung, Leidenschaftnd Augenmaß. Die unverantwortliche Klientelpolitik
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Hubertus Heil
der FDP – bei Ihnen läuft im Moment wirklich alles wiegeschmiert –
zugunsten weniger und zulasten vieler zeigt, wie verant-wortungslos Sie mit der Wirtschaftspolitik in diesemLande umgehen.
– Ich weiß gar nicht, wie Sie heißen, Herr Schreihals.
Wer so dreist Klientelpolitik macht wie Sie, beschädigtleider nicht nur die FDP, sondern das Ansehen demokra-tischer Institutionen dieses Land. Herr Lindner, Sie sindhier in Berlin schon als Intrigant verschrien. Sie solltensich schämen!
Leidenschaft habe ich bei der Rede von Herrn Brü-derle eben auch nicht gespürt; ich weiß nicht, wie es Ih-nen geht. Aber man braucht auch eine leidenschaftlicheÜberzeugung für eine neue Ordnungspolitik. Damit ha-ben Sie nicht viel am Hut. Außerdem kann ich beimHandeln dieser Regierung in der Haushaltspolitik auchkein Augenmaß erkennen. Herr Brüderle, wir hatten indiesem Land große Wirtschaftsminister, zum BeispielLudwig Erhard, Karl Schiller und – auch wenn wir nichtimmer einer Meinung waren – Otto Graf Lambsdorff.
Es ist ein Trauerspiel, dass Sie als Nachfolger dieser gro-ßen Männer keine Wirtschaftspolitik zustande bringen,die auf der Höhe der Zeit ist. Deswegen werden Sie eineharte Opposition erfahren, und die brauchen Sie auch.Herzlichen Dank.
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Christian
Lindner das Wort.
Herr Kollege Heil, Ihre heutigen Einlassungen hätten
an vielen Stellen eines Kommentars bedurft. Ich will
aber, weil Sie mich persönlich angesprochen haben, nur
auf einen Aspekt eingehen. Einige Vertreter der Sozial-
demokratie sind erzürnt über meinen Ausdruck des teu-
ren Schwächlings.
Niemand kann doch bestreiten, dass wir gegenwärtig
einen immens hohen Anteil von Staatsausgaben an unse-
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Herr Heil bitte zur Antwort.
Ich freue mich, dass ich zumindest auf einen ange-trengt intelligenten Lindner antworten darf und nichtuf den anderen antworten muss. Wenn wir das umkeh-en, heißt das also, dass Sie keinen teuren Schwächling,ondern einen billigen Autoritären wollen. In dieser Dis-ussion wird deutlich, dass Sie uns unterstellen, es gingens nicht darum, den Staat effektiv zu machen. Das istine Banalität. Es ist die Aufgabe der Politik, dafür zuorgen, dass der Staat den Menschen nicht vor der Naseitzt, sondern an ihrer Seite ist. Das ist unsere Aufgabe.Aber mit einer pauschalen Diffamierung unseres de-okratischen und sozialen Rechtsstaats in dieser Zeit
erden Sie Ihrer Aufgabe nicht gerecht. Wie war dasenn im letzten und vorletzten Jahr, als ungezügelte Fi-anzmärkte unseren Wohlstand und unsere Arbeitsplätzeefährdet haben? Es war der von Ihnen als teurerchwächling bezeichnete Staat, der intervenierenusste, erfolgreich interveniert hat und so die Menscheneschützt hat. Sie unterliegen einem Irrtum. Sie sindeute keine Liberalen mehr, sondern in Ihrer Wirt-chafts- und Finanzpolitik Nachfolger der Neokonserva-iven. Sie haben nicht begriffen, was große liberale Den-
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Hubertus Heil
ker als positive und negative Freiheit beschriebenhaben.Ja, es ist richtig: Es muss eine Freiheit des Bürgers,der Menschen, auch der Unternehmer vor staatlicher Un-terdrückung, vor Willkür und vor Bürokratie geben. Esgibt eine negative Freiheit des Menschen vor dem Staat.Dafür zu sorgen, ist eine Aufgabe, die wir gemeinsam zuerfüllen haben. Ich denke dabei gerade an das, worüberim Bereich der inneren Sicherheit diskutiert wird. Aberes gibt auch eine positive Freiheit: die sozialen Voraus-setzungen, um Freiheit leben zu können – der Staat mussdiese Voraussetzungen schaffen –, und die öffentlichenGüter, die wir gewähren müssen, damit Menschenselbstbestimmt leben können. Das ist unsere Vorstellungvon vorsorgender Sozialstaatlichkeit.Was Sie in der Praxis tun, ist, den Staat handlungsun-fähig zu machen, ihn krankenhausreif zu reden, um sichhinterher als Sanitäter anzubieten. Das ist nichts anderesals das, was Ronald Reagan Anfang der 1980er-Jahregemacht hat: Steuersenkungen für Reiche, hinterherkeine erfolgreiche Konsolidierung und damit den Sozial-staat rasieren. Das ist Ihr Konzept, das ist Ihre Ideologie.Das hat mit sozialem Liberalismus à la Dahrendorf über-haupt nichts mehr zu tun, Herr Lindner. Sie sollten sichnicht in diese Tradition stellen.
Andreas Lämmel hat jetzt das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! In meiner Naivität habe ich gedacht, dass wir indieser Debatte über den Wirtschaftshaushalt diskutieren.Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass der Großteil derRedner auch nur einen Blick in diesen Haushalt gewor-fen hat; vielmehr hat er sich im Wesentlichen eigentlichmit Phrasen begnügt.Frau Andreae, Sie haben mit leichten Worten aller-hand gefordert, was das Wirtschaftsministerium leistensoll. Wenn Sie einmal einen Blick in den Haushalt desBundesministeriums für Wirtschaft geworfen hätten,dann hätten Sie festgestellt, dass genau das realisiertwird:
Das zur Verfügung stehende staatliche Geld wird dahingelenkt, wo es den größten Effekt erzielt, nämlich in dieInvestitionsförderung, in die Forschungsförderung undin die Außenwirtschaftsförderung. Das sind die Aufga-ben, die der deutsche Staat hat, um die Wirtschaft zu un-terstützen, damit sie aus der Krise gestärkt hervorgeht.Ich komme zum Thema Forschungsförderung. Kei-ner ist darauf richtig eingegangen. Offensichtlich wissenSEwsESKgfsgesEdbn7arwwuM1ndpWAEdwcumnsitscRdSzWdRf
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1396 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Das Wort hat Michael Schlecht für die Fraktion Die
inke.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!ie Regierung und auch Herr Brüderle haben zentraleiele für die Wirtschaftspolitik formuliert. Eines bestehtarin, darauf zu hoffen, dass bis zum Jahr 2011 die Wirt-chaft wieder läuft und man in eine Exit-Strategie ein-teigen kann. Vor allen Dingen trägt die Regierung dasantra vor sich her: Wir wollen stärker aus dieser Kriseieder herauskommen.Die spannende Frage ist natürlich, was das eigentlicheißt: „stärker wieder herauskommen“. Stärker werdeneißt bei der Regierung nicht, dass, wie wir wollen,0 Milliarden Euro mehr für Universitäten, Schulennd Kinderbetreuung ausgegeben werden. Stärkererden heißt auch nicht, deutlich mehr für sozialeienste sowie für Kranke und alte Menschen in diesemande auszugeben und damit wirklich deutliche Verbes-erungen in diesem Bereich zu erzielen. Stärker werdeneißt auch nicht, wirklich massiv – wir denken, mindes-ens 50 Milliarden Euro sind dafür angezeigt – in diearode deutsche Infrastruktur zu investieren und vorllen Dingen die Industrieproduktion nachhaltig umzu-auen hin zu binnenländisch verwendbaren Produkten,kologischen Technologien und dergleichen mehr. Wirrauchen vor allen Dingen die Stärkung der Binnen-achfrage; denn selbst dann, wenn man die wunder-arsten ökologischen Produkte entwickelt, wird dieachfrage nicht automatisch kommen. Vielmehr mussier der Staat handeln. Stärker werden heißt vor alleningen auch, mehr in die Berliner S-Bahn und ICEs zunvestieren, damit diese wieder ordentlich fahren kön-en. All das würde dazu beitragen, dass man wirklichieder stärker wird.
Die Linke will ein Zukunftsprogramm, mit dem dieinnennachfrage wirklich nachhaltig gestärkt wird. Soönnte eine Umsteuerung erfolgen. Wir wollen, dass aufiese Weise 2 Millionen neue Jobs geschaffen werden –ie Arbeit von morgen. Finanzierbar wäre das Ganzeum Beispiel durch Einführung einer Millionärssteuer.Stärker werden darf nicht heißen, dass man immerehr darauf setzt, dass die Exporte ansteigen. Die deut-che Wirtschaft hat seit 2002 einen Exportüberschusson kumuliert fast 1 Billion Euro erzielt. Die Regierungst darauf auch noch stolz. Der Haken an der Sache istur, dass dies nur funktioniert, wenn sich immer mehrndere Länder entsprechend weiter verschulden. Es gab
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1397
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Michael Schlechtein Land, das den Exportjunkies Deutschland, Japan undChina die Exportüberschüsse abgekauft hat. Das warendie USA. Möglich wurde dies durch eine dramatisch ge-stiegene Verschuldung. Insofern – das muss man einmaldeutlich sagen – gehören die Verschuldung der USAund die deutsche Wirtschaftspolitik fast so zusammenwie die FDP und Mövenpick.
Das durch die Agenda 2010 hervorgerufene Lohn-dumping hat die Bevölkerung enteignet und deutschenUnternehmern massive Wettbewerbsvorteile im Auslandbeschert. Die Exporte wuchsen immer stärker an.Gleichzeitig wurde die Binnennachfrage immer mehrbeschnitten. So entstand ein gigantischer Exportüber-schuss. Im Finanzdesaster der USA ist dieses Systemkollabiert. Der Ausbruch der Verschuldungskrise in denUSA ist in bestimmter Weise auch ein von der deutschenWirtschaftspolitik hervorgerufenes Desaster. Wer abernach wie vor glaubt, die Binnennachfrage nicht stärkenzu müssen, und darauf hofft, 2011 mit einer Exit-Strate-gie eine Wende einleiten zu können, ist ein wirtschafts-politischer Geisterfahrer, der eine große Gefahr für dieweitere wirtschaftliche Entwicklung darstellt.Im Rahmen der G 20 wurde in Pittsburgh zuletzt ver-einbart, dass Länder mit einem nachhaltigen und deutli-chen Exportüberschuss ihre Strategie ändern und fürmehr Binnennachfrage sorgen sollen. Davon ist hier inDeutschland überhaupt nichts zu spüren. Diese auf demG-20-Treffen eingegangene Verpflichtung wird inDeutschland überhaupt nicht umgesetzt, findet über-haupt keinen Niederschlag im Regierungshandeln.Neben einem massiven Investitionsprogramm inHöhe von 100 Milliarden Euro – ich sagte das schon –benötigen wir vor allen Dingen eine deutliche Stärkungder Löhne, um die Binnennachfrage zu stärken.
Die Einkommen der Beschäftigten müssen steigen. Vorallen Dingen müssen auch die Einkommen der Beschäf-tigten im öffentlichen Dienst steigen. Insofern ist es ei-gentlich unverantwortlich, wenn ein Wirtschaftsministerdazu aufruft, bei Lohnforderungen ganz kurz zu treten.Genau das erleben wir ja jetzt bei der aktuellen Tarif-runde des öffentlichen Dienstes. Ich hoffe, dass meineKolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst mitEntschiedenheit durch Gegenmaßnahmen, auch durchStreiks, nicht nur ihre eigenen Interessen vertreten, son-dern Sie damit auch zu einem Kurs der wirtschaftspoliti-schen Vernunft zwingen. Das würde unser Land voran-bringen.Danke schön.
Michael Luther hat jetzt das Wort für die CDU/CSU-
Fraktion.
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urz bevor der Haushalt – und es geht ja um das Haus-altsgesetz – dem Haushaltsausschuss durch Überwei-ung überantwortet wird. Ich habe sehr aufmerksam dieetzten anderthalb Stunden der Debatte verfolgt
nd habe mir dabei meine eigenen Gedanken gemacht.ch glaube, das Parlament hat seine Rolle genau wahrge-ommen. Die Regierung, Herr Brüderle, und die Rednerer Union haben versucht, deutlich zu machen, woraufs in der Wirtschaftspolitik in den nächsten Wochen undonaten ankommt.
uch die Opposition hat ihre Rolle gespielt. Sie hat allas benannt, was nicht geht. Am meisten verwundertich natürlich die SPD: Nach elf Jahren in der Regie-ungsverantwortung hat sie – schwupps – den Schaltermgelegt und sagt heute genau das Gegenteil von dem,as sie im letzten Jahr erzählt hat.
as war für mich schon spannend.
Gleichwohl glaube ich, dass wir uns in diesem Hauseber eine Wahrheit einig sein sollten, nämlich dass derirtschaftsminister mit seinem Haushalt eine zentraleerantwortung für die Wirtschaft in Deutschland trägt.enn die Wahrheit heißt: Wenn die Wirtschaft floriert,ann geht es Deutschland gut; dann gibt es genügend Ar-eitsplätze und gute Löhne; dann fließen Steuern undozialabgaben.
amit können wir dann unseren Sozialstaat finanzieren.
Ich denke, dass – und davon ist die Debatte auch nichtnbeeindruckt geblieben – die Finanz- und Wirt-chaftskrise, die wir 2008/2009 auch in Deutschland er-eben mussten, bislang gut „gehändelt“ worden ist. Wiraben durch die Konjunkturpakete richtige Schwer-unkte gesetzt, um letztendlich Schlimmeres zu verhin-ern. Das ist uns, glaube ich, auch gelungen.Jetzt aber, zu Beginn des Jahres 2010, stellen wir fest,ass unsere Wirtschaft wieder wächst, zwar nicht soehr, wie wir uns das wünschen würden, aber immerhin.ie Aufschwungkräfte sind aber noch zu gering. Wirüssen aus fiskalischer und wirtschaftspolitischer Sicht
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1398 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Dr. Michael Luthernoch manches tun, um sie zu stärken und voranzubrin-gen. Ich denke, die Große Koalition – ich meine: die Ko-alition, ohne groß –
– die Koalition ist groß; in Ordnung – erfüllt genau dieseAufgabe.
Wir haben mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetzbegonnen. Es ist ein wichtiges Signal,
dass Entlastungen vorgenommen und Wachstumshemm-nisse abgebaut werden.
Wir müssen auch in schwierigen haushaltspolitischenZeiten genau diesen Weg weitergehen. Ansonsten wer-den wir das Konjunkturpflänzchen, das langsam wiederzu wachsen beginnt, nicht weiterwachsen sehen.
Meine Damen und Herren, ich will noch einiges zumHaushalt selbst sagen. Wir haben ein Volumen vonknapp 6,3 Milliarden Euro; das ist eine leichte Etatstei-gerung. Diese leichte Etatsteigerung resultiert aus derStrategie der Bundesregierung, die Bildungs- und For-schungslandschaft in Deutschland für die Zukunft fit-zumachen.
Auch im Wirtschaftsbereich stellen wir uns dieser Auf-gabe, und ich denke, das ist ein wichtiges Signal an dieWirtschaft für die Zukunft in unserem Land.
Ein zweiter Punkt: Auch in diesem Haushalt setzt dieBundesregierung jetzt darauf, Altes zurückzufahren undNeues zu fördern.
Der Rückgang der Kohlebeihilfen ist ein wichtiges Sig-nal, da es sich um eine Technologie handelt, die ausläuft.Wir können die Mittel, die dadurch frei werden, für et-was anderes einsetzen. 2,3 Milliarden Euro – das ist dasKernstück des Einzelplans – werden für Technologieund Innovationsförderung zur Verfügung gestellt. Dasist genau das richtige Signal für die Zukunft.
Das zentrale Innovationsprogramm für den Mittel-stand wurde schon vom Kollegen Lämmel angespro-chen. Wir geben dafür viel Geld aus und legen damitedijinadShssvnsdmamaDlsWabZZuWrsilsuvZfIbjvwtKHg
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Haushaltsaus-chuss wird ein Haushalt mit einer sehr hohen, aber, wiech glaube, wohlbegründeten Neuverschuldung vorge-egt. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass wir einechwere Finanz- und Wirtschaftskrise zu tragen habennd überwinden müssen. Für die Zukunft müssen wiron dieser Verschuldung herunterkommen. Denn dieinsen als Folge der Neuverschuldung müssen wir eben-alls im Haushalt tragen. Sie belasten uns zunehmend.ch kann Ihnen zusagen, dass wir uns in den Haushalts-eratungen diesem Thema stellen werden. Wir werdeneden Titel genau überprüfen und schauen, ob die Neu-erschuldung nicht vielleicht ein Stück zurückgeführterden kann. Jeder Schritt in dieser Richtung ist wich-ig. Ich bin gespannt, was wir mit einer gemeinsamenraftanstrengung erreichen können.In diesem Sinne wünsche ich uns allen eine guteaushaltsberatung. Lassen Sie uns gemeinsam ans Werkehen!Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1399
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Zu diesem Einzelplan liegen keine weiteren Wortmel-dungen vor.Wir unterbrechen die Haushaltsberatungen für einenkurzen Moment.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 sowie Zusatz-punkt 1 auf:3. Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ver-trag über die Errichtung des IT-Planungsratsund über die Grundlagen der Zusammenar-beit beim Einsatz der Informationstechnologiein den Verwaltungen von Bund und Ländern –Vertrag zur Ausführung von Artikel 91 c GG– Drucksache 17/427 –Überweisungsvorschlag:Innenausschuss
RechtsausschussZP 1 Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu demÜbereinkommen Nr. 187 der InternationalenArbeitsorganisation vom 15. Juni 2006 überden Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz– Drucksache 17/428 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Arbeit und Soziales
Hierbei handelt es sich um Überweisungen im ver-einfachten Verfahren ohne Debatte.Zwischen den Fraktionen ist verabredet, die Vorlagenan die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zuüberweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Dann ist esso beschlossen.Wir kommen nun zu den Tagesordnungspunkten 4 abis 4 d. Hier geht es um vier Gremienwahlen, die wirmittels Handzeichen durchführen werden.Tagesordnungspunkt 4 a:Beirat bei der Bundesnetzagentur für Elektri-zität, Gas, Telekommunikation, Post undEisenbahnen– Drucksache 17/460 –Dazu liegen Wahlvorschläge der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünenvor.Wer stimmt für die Wahlvorschläge auf Drucksache17/460 ? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –Dann ist das einstimmig so beschlossen.Tagesordnungspunkt 4 b:Beirat für Fragen des Zugangs zur Eisenbahn-infrastruktur
– Drucksache 17/461 –Dazu liegen wiederum Wahlvorschläge aller Fraktio-nen vor. Wer stimmt für diese Wahlvorschläge? – Ge-genstimmen? – Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.DnCWmsssEvkuzDSMcKgtdmdghgs6rVLggmK
– Drucksache 17/462 –Dazu liegen Ihnen Wahlvorschläge der Fraktionen derDU/CSU, SPD und FDP auf Drucksache 17/462 vor.er stimmt für diese Wahlvorschläge? – Gegenstim-en? – Enthaltungen? – Diese Wahlvorschläge sind ein-timmig beschlossen.Tagesordnungspunkt 4 d:Beirat für die grafische Gestaltung der Son-derpostwertzeichen beim Bundesministeriumder Finanzen
– Drucksache 17/463 –Auf Drucksache 17/463 liegen Ihnen die Wahlvor-chläge der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vor. Wertimmt für diese Wahlvorschläge? – Gegenstimmen? –nthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Auch diese Wahl-orschläge sind einstimmig so beschlossen.Wir setzen jetzt die Haushaltsberatungen fort undommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeri-ms für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ein-elpan 17. Als Erste hat das Wort die Bundesministerinr. Kristina Köhler.
Dr. Kristina Köhler, Bundesministerin für Familie,enioren, Frauen und Jugend:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!it einiger Verwunderung habe ich in den letzten Wo-hen eine offenbar weit verbreitete Auffassung zurenntnis genommen: In der Familienpolitik seien dieroßen, grundsätzlichen Themen abgehakt. Das ist na-ürlich ein schönes Kompliment für die Familienpolitiker Union in den letzten vier Jahren; insofern freue ichich darüber. Ich teile allerdings nicht die Befürchtung,ass uns im Familienressort in den nächsten Jahren dieroßen Themen ausgehen. Ich nutze die heutige Haus-altsdebatte gern für ein paar grundsätzliche Ausführun-en.Der Kabinettsentwurf des Bundeshaushaltes 2010ieht für den Einzelplan 17 einen Etat von insgesamt,56 Milliarden Euro vor. Damit stünden dem Familien-essort rund 171 Millionen Euro mehr als im Vorjahr zurerfügung. Dieses Plus käme den Familien in unseremande zugute; denn es ist zum größten Teil auf Mehraus-aben für die gesetzlich festgelegten Familienleistun-en zurückzuführen, von denen ich drei hervorhebenöchte:Erstens. Familien erhalten seit dem 1. Januar mehrindergeld. Davon ist zwar nur der geringste Teil in un-
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Bundesministerin Dr. Kristina Köhlerserem Einzelplan etatisiert; dennoch ist die Kindergeld-erhöhung ein wichtiges familienpolitisches Signal.
Viele Familien kommen nämlich mit ihrem Einkommengerade so über die Runden. Für sie ist jeder Euro mehrein Stück mehr Lebensqualität. Wir lösen damit daswichtige Wahlversprechen ein, dass wir Eltern und Kin-dern gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten den Rü-cken stärken.Zweitens. Wir geben mehr Geld für den Kinderzu-schlag aus. Dafür sind im Etat 374 Millionen Euro ver-anschlagt. Diese Familienleistung kommt in allerersterLinie Geringverdienern zugute, die sonst nur wegen ih-rer Kinder in Hartz IV abrutschen würden. Wir sagen:Kinder dürfen kein Armutsrisiko sein; der Fleiß dieserEltern muss sich lohnen. Sonst brauchen wir uns näm-lich nicht zu wundern, wenn es immer wieder Kindergibt, die nicht Kranführer oder Krankenschwester wer-den wollen, sondern Hartz-IV-Empfänger.Drittens. Größter Posten im Einzelplan 17 bleibt dasElterngeld. Dafür stehen 2010 knapp 4,5 MilliardenEuro zur Verfügung. Damit ermöglichen wir Mütternund Vätern eine berufliche Auszeit nach der Geburt ei-nes Kindes. Im Vergleich zum Vorjahr sind dies 80 Mil-lionen Euro mehr. Das ist aber gut ausgegebenes, gut an-gelegtes Geld, denn Kostentreiber im positiven Sinnesind vor allem die Väter.
Diese zunehmende Akzeptanz der Vätermonate zeigt,dass wir damit ein Bedürfnis junger Familien getroffenhaben. Deshalb möchte ich auch noch in diesem Jahr dieZahl der Vätermonate erhöhen und ein Teilelterngeldeinführen und bitte Sie dafür um Ihre Unterstützung,
denn damit geben wir Vätern und Müttern mehr Zeit, umVerantwortung in der Familie zu übernehmen, und dieskommt vor allen Dingen den Kindern zugute.So viel erst einmal zu den gesetzlich festgelegten Fa-milienleistungen, die im Etat den mit Abstand größtenAusgabenblock darstellen. Ich möchte aber aus demEinzelplan 17 drei weitere Titel exemplarisch heraus-greifen, die sich auf ganz aktuelle Diskussionen bezie-hen.Erstens ist dies der Ausbau der Kinderbetreuungfür die unter Dreijährigen. Vor drei Jahren haben sichBund, Länder und Kommunen auf ein gemeinsames Zielgeeinigt: Bis zum Jahr 2013 sollen 35 Prozent der Kin-der unter drei Jahren Betreuungsangebote nutzen kön-nen. Ich bin überzeugt, dass das zu schaffen ist und dasswir den Bedarf damit werden decken können, denn das35-Prozent-Ziel wurde auf guter empirischer Grundlagevereinbart.Neue Zahlen, die der Deutsche Städte- und Gemein-debund letzte Woche ins Spiel gebracht hat, sind unrea-listisch, denn sie basieren auf einer Umfrage bei Frauenmit Kinderwunsch, ob sie denn Interesse an BetreuunghrwtahiubldAlBKpanDKdnnTfalphdfmifDcBgdddgdgbld
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Bundesministerin Dr. Kristina KöhlerDabei ist es doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit,dass wir gegen alle Feinde unserer freiheitlich-demo-kratischen Grundordnung vorgehen: gegen Rechtsextre-misten, gegen Linksextremisten, gegen Antisemiten undgegen Islamisten. Es gibt keine guten Extremisten.
Deshalb werde ich die Präventionsprogramme zur Ex-tremismusbekämpfung umbauen.Wir starten noch im Jahr 2010 zwei Pilotprojekte ge-gen Linksextremismus und gegen Islamismus. Dafür ste-hen 2 Millionen Euro aus Mitteln zur Verfügung, die2009 nicht abgerufen wurden. Die im Einzelplan 17 vor-gesehenen 24 Millionen Euro für die bereits bestehendenBundesprogramme zur Extremismusprävention bleibenunangetastet. Erst für 2011 plane ich eine Neukonzep-tion der Programme. Grundlage sind dann auch die Er-fahrungen, die wir 2010 mit den erwähnten Pilotprojek-ten zur Bekämpfung des Linksextremismus und desIslamismus machen werden.Der Einzelplan 17 des Bundeshaushalts 2010 zeigtnicht nur, wo wir heute stehen, sondern er weist auchden Weg zu einem großen familienpolitischen Themader Zukunft. Denn er zeigt klar und deutlich: Wir tunviel, damit Eltern Zeit für Verantwortung haben. Aberwir tun viel zu wenig, damit pflegende Familienange-hörige Zeit für Verantwortung haben. Als Familien-ministerin verstehe ich mich nicht nur als Anwältin derEltern, sondern auch als Anwältin der Älteren.Menschen, die in unserer Gesellschaft ein Leben langviel geleistet haben, einen würdigen Lebensabend zu er-möglichen – dazu verpflichtet uns unser Menschenbild.Nicht nur aus ethischem Pflichtgefühl, sondern auch austiefem inneren Bedürfnis pflegen Menschen ihre betag-ten Angehörigen, und zwar im Schnitt gut acht Jahrelang. Sie bringen dabei große persönliche Opfer. Vielegehen dabei über die Grenzen ihrer persönlichen Belast-barkeit hinaus. Jeder von uns kennt doch jemanden, derzu Hause die demenzkranke Mutter oder den vomSchlaganfall gezeichneten Vater pflegt. Aber für unsselbst haben wir oft keine Antwort auf die Frage parat,woher wir die Zeit dafür nehmen würden, wenn es un-sere eigenen Eltern treffen sollte.Das Statistische Bundesamt geht davon aus, dass dieZahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland vonderzeit etwas über 2 Millionen auf knapp 3 Millionen imJahr 2020 steigen wird. Spätestens dann stehen wir einzweites Mal vor dem Problem der Vereinbarkeit von Fa-milie und Beruf, dann allerdings mit Blick auf die Ver-einbarkeit von Pflege und Beruf. Zeit für Verantwor-tung heißt deswegen auch: Zeit für Pflege. Da gibt eseine Menge zu tun. Ich glaube, das wird uns über Jahrehinweg beschäftigen.Als Vertreterin der jungen Generation erlaube ich mirden Hinweis: Diese Frage hätte man auch schon früherangehen müssen; schließlich ist der demografische Wan-del nicht über Nacht über uns hereingebrochen.
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Sehr geehrte Frau Dr. Köhler, Sie haben angekündigt,ich als Ministerin für Gesellschaftspolitik zu verstehen.ch finde, das ist ein sehr guter Ansatz. Wenn wir hören,as Sie vorhaben – das haben Sie heute erläutert –, dannragen wir uns: Wo sind die Visionen, von denen Sie ge-prochen haben? Wo sind die Dinge, die Sie voranbrin-en wollen? Wo sind die großen Leitprojekte, mit denenie den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft Sie sprechen immer so schön von den Bindekräften –tärken wollen? Zumindest in Ihrer Rede konnten wiravon nichts erkennen. Nun sind Sie ganz neu im Amt,nd wir hoffen darauf, dass sich das noch verändernird.
Ich möchte Ihnen die Befürchtungen, die wir haben,itteilen. Es reicht nicht, dass man nur Sprechblasenoslässt. Sie müssen natürlich mit Inhalten gefüllt wer-en. Als ersten Punkt nehme ich die Gleichstellungspoli-ik. Wir haben es jahrelang mit freiwilligen Ansätzenersucht, mussten aber feststellen, dass das nicht funk-ioniert. Jetzt haben wir gesetzliche Initiativen ergreifenollen. Blockiert hat, zum Beispiel bei der Frauenquoteei Aufsichtsräten, die Koalition.Nehmen wir die Kinderbetreuung: Die letzte Koali-ion hat einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatzb dem ersten Geburtstag der Kinder ab 2013 gesetzlicherankert. Diese Koalition schlägt den Ländern undommunen jetzt allerdings die finanziellen Mittel auser Hand, die sie benötigen, um diesen gesetzlichen Auf-rag erfüllen zu können.
1 Milliarde Euro für Hoteliers mehr – das kann manicht abstreiten –, aber 2,1 Milliarden Euro weniger fürie Kommunen. Allein diese Diskrepanz muss Ihnen zuenken geben. 1,5 bis 1,9 Milliarden Euro für das Be-
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Dagmar Zieglertreuungsgeld, was am Ende heißt, dass viele Kinder vonBildungsangeboten, auf die Frau Schavan so sehr setzt,ferngehalten werden. Das kann keine gute Familienpoli-tik sein.
Wenn ich die CDU/CSU-Abgeordneten höre, stelltsich für mich schon die Frage, worauf sich das „C“ in Ih-rer Partei bezieht.
Ich beantworte das damit, dass Sie den Spruch Jesu inabgewandelter Form im Munde führen: Herr vergib uns;denn wir wissen nicht, was wir tun.
– Das ist nicht billig, sondern das, was man aus Ihrer Po-litik herauslesen kann.
Ich werde Ihnen das ganz kurz an weiteren Beispielenbelegen. Das Thema Pflege ist ein Thema, das, wie wirgerade gehört haben, auch zu den Highlights der Politikder Ministerin gehören soll.
Auf die Fragen: „Was wollen Sie für die Pflegebedürfti-gen tun?“ und „Was wollen Sie für eine verbesserte Ver-einbarkeit tun?“ fehlen aber die Antworten.
In der letzten Legislaturperiode hat die SPD eine bis zuzehn Tage dauernde bezahlte Freistellung vorgeschla-gen, wenn ein Pflegefall in der Familie eintritt. Wer hatdas abgelehnt? Die jetzigen Koalitionäre, nicht die SPD.
Zur Jugendpolitik. Sie taucht in Ihrem Spektrumheute überhaupt nicht auf; die gibt es für Sie anschei-nend nicht.
Was tun Sie für mehr Mitbestimmung von Jugendlichen?Für mehr Beteiligung in Schule, Kommunen und Ver-bänden? Wir reduzieren im Rahmen der Jugendpolitikdie Jugendlichen oftmals auf Defizite und Problemfami-lien. Aber wo geben wir ihnen Chancen zu wirklicherTeilhabe an der Gesellschaft? Keine Antwort darauf bis-her.
– Ich sitze in der Opposition und warte erst einmal IhreVorschläge ab. Das ist doch wohl unser gutes Recht.WGeiFweZSKibsmrGrGAhmrrvDrdFFnmvDFts
ir waren die Inputgeber in allen Politikfeldern derroßen Koalition. Jetzt müssen Sie alleine klarkommen.
Sehr geehrte Frau Ministerin, was tun Sie für Allein-rziehende, um sie wirksam vor Armut zu schützen? Dasst im Übrigen eine Aufgabe, die Sie gemeinsam mit derast-noch-Familienministerin, Frau von der Leyen,ahrnehmen müssen. Wie gedenken Sie bei Ihren Steu-rsenkungsideen Mehrgenerationenhäuser, Eltern-Kind-entren und lokale Bündnisse für Familien zu erhalten?ie sagen: Die Verantwortung für die Erziehung vonindern liegt vorrangig bei den Eltern. – Wie sollen diehre Verantwortung aber wahrnehmen, wenn die Ange-ote für Beratung und Mitgestaltung wegbrechen? Wieollen die vielen hauptamtlich und die – das sind nochehr – ehrenamtlich Tätigen in diesen Bereichen zu-echtkommen, wenn Länder und Kommunen wenigereld haben, weil Sie ihnen das Geld entziehen, um ande-en Steuergeschenke machen zu können? Wie sieht Ihreesellschaftspolitik aus? Auf diese Fragen werden Sientworten finden müssen. Das sind viele Fragen, die Sieeute leider nicht beantwortet haben.Deshalb sage ich: Wir brauchen eine umfassende Fa-ilienpolitik, bei der der Bund seiner Verantwortung ge-echt wird. Aber wir brauchen auch eine Bundesregie-ung, die die Länder und die Kommunen in die Lageersetzt, ihrer Verantwortung gerecht werden zu können.a müssen Sie noch eine ganze Menge tun, wenn Sie Ih-em Anspruch „Freiheit in Verantwortung“ gerecht wer-en wollen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Florian Toncar von der
DP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!rau Ministerin, auch ich darf Sie zu Ihrer Amtsüber-ahme beglückwünschen. Sie wissen die Liberalen im-er an Ihrer Seite, wenn es um moderne, weltoffene underantwortungsorientierte Familienpolitik geht.
Die Koalition stellt die Familie in den Mittelpunkt.as ist kein Zufall; denn Familien sind der Ort, an demreiheit in Verantwortung, an dem Zuwendung, Solidari-ät und Mitmenschlichkeit jeden Tag gelebt werden. Dasind die Werte, zu denen sich diese Koalition bekennt.
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Florian ToncarWenn man die ersten 100 Tage dieser Regierung be-trachtet, dann muss man feststellen, dass wir uns vor al-lem um die Familien und gerade die mit Kindern geküm-mert haben und damit um die Zukunft unseres Landes.Wir haben im Dezember letzten Jahres – sehr zügig nachder Regierungsübernahme der neuen Bundesregierung –dafür gesorgt, dass der Kinderfreibetrag und das Kinder-geld spürbar erhöht werden, und zwar weil wir wissen,
dass viele Familien, gerade die mit mehreren Kindern,dringend auf größere Spielräume angewiesen sind. Es istauch eine Frage der Fairness, liebe Kolleginnen undKollegen der Opposition, dass Kinder im Steuerrechtnicht weiter wie Bürger zweiter Klasse behandelt wer-den. Wir haben versprochen, das zu ändern, und das ma-chen wir jetzt auch.
Mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz – dasmuss man wirklich sagen – ist ein Gesetz in Kraft getre-ten, das im Wesentlichen ein Familienentlastungsgesetzist. Wer sich die Zahlen anschaut – darüber sprechen Sienicht; das verstehe ich; aber Sie müssen mir zugestehen,dass ich es tue –, der sieht, dass von den 8 MilliardenEuro Entlastungsvolumen, Geld, das bei den Bürgernbleibt – das Geld verschwindet ja nicht, sondern bleibtbei den Bürgern, die es erarbeitet haben –,
4,6 Milliarden Euro Entlastung bei den Familien an-kommt. Das muss man einmal festhalten. Wenn daskeine Politik für Familien ist, weiß ich nicht, was Politikfür Familien sein soll.
Insofern muss ich sagen, dass ich es umso verwunderli-cher finde, dass die Opposition so gegen dieses Gesetzwettert.
Wissen Sie: Auch wir waren in der Opposition, undwir haben immer wieder Punkte gefunden, bei denen wirsehr unterschiedlicher Meinung waren. Darüber mussgestritten werden. Aber ich finde es nicht nur eigenartig,sondern auch beschämend, dass sich der Bundestag nichteinmal geschlossen dazu durchringen kann, 4,6 Milliar-den Euro Entlastung für Familien mit Kindern gutzuhei-ßen und zu sagen: Hier hat die Regierung etwas richtiggemacht.
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hr Fraktionsvorsitzender hat gestern über das Wachs-umsbeschleunigungsgesetz gesagt:Sie verschleudern das Geld, sodass es hinterher anallen Ecken und Enden fehlt.er haushaltspolitische Sprecher Ihrer Fraktion hat vor-estern in der allgemeinen Finanzdebatte über die So-ortmaßnahmen der Regierung gesagt: 10 Milliardenuro verjuxt und verjubelt.
ie Familien in Deutschland, die diese Haushaltswocheerfolgen, wissen, wer auf ihrer Seite steht und wer äu-erst abwertend über Geld für Familien spricht. Das sindie, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Es ist nicht zuletzt eine Frage des Familienbildes, oban glaubt, dass Geld für Familien am besten vom Staaterteilt wird, oder ob man glaubt, dass Familien sehrohl in der Lage sind – jedenfalls in ihrer großen Mehr-eit –, selbst zu entscheiden, was gut für Kinder ist.
Ich glaube nicht, dass es redlich und richtig ist, da ei-en Gegensatz zu konstruieren.
ch glaube nicht, dass das ein Gegensatz ist, Frau Kolle-in. Wir müssen doch sehen, dass wir Familienpolitikicht nur für die Fälle machen, in denen etwas schiefge-angen ist, sondern auch, um die Familien, die sich red-ich bemühen – das sind in Deutschland viele –, zu stär-en, ihre Kinder aus eigener Kraft zu erziehen.
Ihre Reaktion zeigt viel von Ihrer Haltung.Sie haben völlig recht, dass es auch und gerade beiindern Probleme gibt, um die wir uns kümmern müs-en. Das tun wir doch auch. Wir verbessern doch die In-rastruktur bei der Betreuung vor Ort. Da hilft der Bunden Kommunen. Den Grundgedanken teilen wir alle.ies ist eine Aufgabe, die in dieser Dimension neu istnd weitergeführt werden muss. Für uns als Freie Demo-raten ist es völlig selbstverständlich, dass Familie und
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Florian ToncarBeruf vereinbar sein müssen, dass wir Integrations- undBildungsangebote auch für sehr junge Kinder in denKommunen brauchen und dass der Bund hier auch finan-ziell in der Pflicht steht.
Der Einzelplan 17 wird natürlich weiterentwickelt.Die Ministerin hat darauf hingewiesen: Das Elterngeldsoll teilzeitfähig gemacht und bis zu 28 Monate gezahltwerden. Ich glaube, das ist etwas, was für viele Familienwichtig ist, weil es ihre Flexibilität erhöht und Väternwie Müttern erlaubt, ihre Arbeitsbiografien, ihre Wün-sche und Vorstellungen noch besser aufeinander abzu-stimmen. Es darf auch nicht zum Nachteil von Elternsein, wenn sie Teilzeitarbeit wollen. Wir werden das fle-xibilisieren und damit mehr Wahlfreiheit schaffen.Für die Liberalen war besonders wichtig – auch daswerden wir umsetzen –, dass die Bezugsdauer des Unter-haltsvorschusses erweitert wird, sodass er bis zum14. Lebensjahr gezahlt wird. Auch das ist etwas, wasman trotz aller Differenzen einmal hervorheben sollte.Es ist doch eine gute Sache, wenn wir hier vorankom-men, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben im Koalitionsvertrag vorgesehen, ab 2013ein Betreuungsgeld einzuführen. Seine Konzeption istnoch offen. Für die FDP ist die eindeutige Anforderungan dieses Betreuungsgeld – darauf werden wirdrängen –, dass es kein Anreiz sein darf, Familien davonabzuhalten, sinnvolle Bildungsangebote vor Ort wahrzu-nehmen;
darauf werden wir achten.
– Das werden wir bei unserem Vorschlag berücksichti-gen, Frau Kollegin; da kann ich Sie beruhigen. Schließ-lich sind die Liberalen an der Regierung beteiligt undwerden sich dafür starkmachen.
Frau Ministerin, das Volumen des Einzelplans 17wird steigen. Das liegt vor allem daran, dass die gesetzli-chen Leistungen erweitert werden. Wir werden, wie inallen Einzelplänen, natürlich eine Konsolidierung auchbei den freiwilligen Leistungen brauchen. Das gilt eben-falls für das Personal. Darüber müssen und werden wirim Rahmen der Haushaltsberatungen in den nächstenWochen sprechen.VadÜdKMIÖrdmvgemZgddak–vaSfLtmmn91igw
Das Wort hat jetzt der Kollege Steffen Bockhahn von
er Fraktion Die Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenolleginnen und Kollegen! Werte Besuchergruppe ausecklenburg-Vorpommern!
m Vorfeld der Debatte zum Einzelplan 17 standen in derffentlichkeit kaum die Themen Familie, Frauen, Senio-en oder Jugend im Mittelpunkt der Debatte. Ich hatteen Eindruck, es ging in erster Linie um die Extremis-usprogramme der Bundesregierung. Ich kann aucherstehen, dass man darüber intensiv diskutiert.In der Welt war am Dienstag, den 19. Januar, dieroße Schlagzeile zu lesen: „Kristina Köhler bricht ihrrstes Versprechen.“ Das wünscht man sich nicht, wennan neu im Amt ist. Aber es stimmt. Denn bis zu diesemeitpunkt hieß es immer, dass an den Extremismuspro-rammen in diesem Jahr vernünftigerweise nichts geän-ert wird. Noch am selben Tag meldete Spiegel Online,ass doch noch 2 Millionen Euro gefunden wurden, umuch Linksextremismus und Islamismus ordentlich be-ämpfen zu können.
Ja, mich müssen Sie genau beobachten; da haben Sieöllig recht. Aber ich meine das wahrscheinlich andersls Sie. – Darüber kann man sich erst einmal freuen.tatt dieser Zurverfügungstellung von 2 Millionen Euroür Programme zur Bekämpfung von vermeintlicheminksextremismus und Islamismus wäre eine Auswei-ung der Programme zur Bekämpfung des Rechtsextre-ismus dringend notwendig gewesen.Allein der Titel „Jugend, Vielfalt, Toleranz und De-okratie“, aus dem viele verschiedene Aktionspläne fi-anziert werden, ist völlig überlastet. Es gibt derzeit0 lokale Aktionspläne, die bewilligt sind, und es gibt49, die nicht bewilligt wurden,
n erster Linie, weil kein Geld da war. Es gibt 85 überre-ionale Projekte, die im Rahmen dieses Titels geförderterden, und es gibt 241 Ablehnungen, in erster Linie,
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Steffen Bockhahnweil der Etat ausgelastet ist. Das macht deutlich, dass dieAnzahl der Programme gegen Rechtsextremismus längstnicht groß genug ist und dass hier viel mehr Förderungnotwendig ist. Das fordert auch die Fraktion Die Linke.
Es heißt, in diesem Jahr werde an dem, was besteht,nichts verändert. Ich nehme zur Kenntnis: Vor einigerZeit sind die Mittel für den Titel zur Förderung von Be-ratungsnetzwerken von etwa 2,4 Millionen Euro auf5 Millionen Euro erhöht worden, und dieser Betragbleibt auch stabil. Nur, meine Damen und Herren: Eswird nicht mehr, wie bisher, nur ein Beratungsnetzwerkim Osten der Republik gefördert, sondern jetzt wird dieganze Republik gefördert. Ich habe nichts dagegen, dassman Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus inganz Deutschland einführt. Aber dafür reicht das Geldhinten und vorne nicht.Für Mecklenburg-Vorpommern, ein Bundesland, dasmit dem Rechtsextremismus leider ein überdurchschnitt-lich großes Problem hat, bedeutet dies, dass die Zu-schüsse des Bundes für diese Beratungsnetzwerke imJahr 2010 von 950 000 Euro auf nur noch ein Viertel,nämlich auf 250 000 Euro, zurückgefahren werden.Das wiederum hat zur Folge, dass Sie auch die demo-kratischen Strukturen, die zivilgesellschaftlichen Struk-turen vernichten, in denen Leute sich ehrenamtlich demKampf gegen Rechtsextremismus widmen und sich fürdie Förderung von Kultur und Demokratie und Toleranzeinsetzen. Das kann doch nicht das Ziel Ihrer Politiksein.
Forderungen, bei den Programmen gegen Rechts-extremismus nicht zu kürzen, hören Sie nicht nur vonder Linken. Ich glaube BKA-Chef Ziercke ist unver-dächtig, meiner Partei nahezustehen. Aber auch er sagt:Kürzen Sie nicht bei den Programmen gegen Rechts-extremismus! Genau das haben Sie aber angekündigt.Wie wichtig es ist, gegen Rechtsextremismus inten-sivst vorzugehen, zeigt sich an so vielen verschiedenenPunkten. Gestern wurde vor dem Landgericht Rostockerneut ein Prozess gegen eine rechtsextreme Prügel-gruppe eröffnet. 2007 sollen sie in Pölchow, direkt vorden Türen von Rostock, mit Holzlatten auf linke De-monstranten eingeprügelt haben. Mehrere Personen sinddabei teilweise schwer verletzt worden. Einer der Schlä-ger ist – das mag nicht überraschen – im Landesvorstandder NPD.Hier gilt es endlich etwas zu tun; denn das Problem istgroß: Die Zahl der rechtsextrem motivierten Straftatenhat sich zwischen 2004 und 2009 fast verdoppelt. Das istein unglaublicher Anstieg, der zeigt, wie wichtig es ist,dass Sie endlich aktiv werden und deutlich mehr tunmüssen als bisher.2008 sind von Rechtsextremen zwei Straftaten mitTodesfolge verübt worden. Diese reihen sich ein in eineReihe von insgesamt über 130 Todesfällen seit 1990, diealAkgLghÜNEbmeIg–pmgcItnDrwingJ
Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie Programme gegeninksextremismus stärker fördern wollen. In der heuti-en Ausgabe der Frankfurter Rundschau
eißt es in einem Artikel von Steffen Hebestreit mit derberschrift „Wundersame Geldvermehrung“:Noch ist allerdings ziemlich unklar, welche Initiati-ven von diesem Geldsegen profitieren werden. Gibtes linke Aussteiger-Projekte?ein, die gibt es nicht. Die werden auch nicht gebraucht.
s passt also nicht zusammen, was Sie tun.
Ich kann Sie nur warnen, zu machen, was Sie vorha-en. Wenn Sie Rechtsextremismus und Linksextremis-us gleichsetzen, vergleichen Sie Äpfel und Birnen mit-inander. Das funktioniert nicht.Noch schlimmer ist aber, was Sie im Hinblick auf denslamismus tun wollen, nämlich das auch noch allesleichsetzen.
Zum Thema kommen? Schauen Sie sich den Einzel-lan 17 an; in diesem Einzelplan sind die Extremis-usprogramme der Bundesregierung aufgeführt. Alsoehört diese Debatte hierher. Hören Sie also zu!
Mit dem Islamismuswahn, den Sie verbreiten, ma-hen Sie etwas ganz Gefährliches: Sie tun so, als sei derslam als Religion insgesamt gefährlich und demokra-iefeindlich und toleranzfeindlich. Das stimmt abericht. Innenminister de Mazière hat am Dienstag gesagt:er Islam in Deutschland muss tatsächlich einiges klä-en, nämlich wie er sich in dieser Gesellschaft bewegenill, aber auch sein Frauenbild. – Da sind wir an einemnteressanten Punkt. Ich würde nicht behaupten, dass esur im Islam ein problematisches Frauenbild gibt. Ichlaube, das gibt es sehr wohl auch im Christentum, imudentum, im Hinduismus und im Buddhismus.
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Steffen BockhahnLassen Sie uns darüber reden, wie wir insgesamt ge-gen religiösen Fanatismus und gegen religiösen Funda-mentalismus etwas tun können, um Demokratie und To-leranz zu stärken. Was Sie vorschlagen, führt in eineSackgasse.
Das Wort hat jetzt der Kollege Sven-Christian Kindlervon Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es wird all-gemein behauptet, Ursula von der Leyen habe als Fami-lienministerin das Weltbild der Union verändert, dieUnion neu aufgestellt, die Union modernisiert. Manmuss zugeben: Mit der Einführung des Elterngeldes– dessen Bezug auch an Vätermonate geknüpft wurde –und mit der Einführung des Rechtsanspruches auf einenBetreuungsplatz für Kinder unter drei Jahren ab 2013 hatdie Union, gerade die konservative Union, eine guteLeistung erbracht. Das muss man lobend anerkennen.
– Die SPD war beteiligt; aber die SPD war damals schonweiter als die Union.Die Frage bleibt, ob die Union wirklich ihr gesell-schaftliches Weltbild verändert hat. Schauen wir uns dasan: Gleich nachdem der Rechtsanspruch auf einen Be-treuungsplatz für Kinder unter drei Jahren festgeschrie-ben war, hat die CSU quergeschossen und gefordert,dass Eltern, die ihr Kind lieber zu Hause betreuen wol-len, Geld dafür bekommen sollen, ein sogenanntesBetreuungsgeld.
Das war ein Fehler.
Der Streit geht in der neuen Koalition weiter. FDPund CSU streiten sich jetzt um die Frage „Gutscheineoder Barauszahlung“, obwohl dieser Streit nur davon ab-lenkt, dass das Betreuungsgeld an sich einfach widersin-nig ist. Auf der einen Seite werden Betreuungseinrich-tungen ausgebaut, was richtig ist, und auf der anderenSeite werden Anreize geschaffen, die neuen Kitas zumeiden und die Kinder eben nicht dorthin zu schicken.Wo ist denn da die Logik? Das ist doch abstrus.
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Das Betreuungsgeld ist auch keine Maßnahme, dieirklich Kinderarmut bekämpft. Das Thema Kinderar-ut wird seit Jahren intensiv diskutiert. Geändert hatich trotz vieler Absichtserklärungen leider nichts. Vielu viele Kinder in unserer Gesellschaft sind weiterhinon Armut betroffen. Ein Viertel aller Kinder unter5 Jahren, 26 Prozent, sind nach Daten des „Sozio-oeko-omischen Panels“ in der Bundesrepublik vom Armuts-isiko betroffen. Das heißt, jedes vierte Kind in Deutsch-and ist von Armut bedroht. Es gibt verschiedenentersuchungen, warum dies trotz der vielfältigen Leis-ungen für Familien so ist. Unter anderem erforscht dasompetenzzentrum für familienbezogene Leistungen füras Familienministerium, welche Wirkungen auf Kin-erarmut Leistungen wie Ehegattensplitting, Kinderzu-chlag, Elterngeld und das Kindergeld haben. Anstattetzt aber einen Abschlussbericht durch dieses Kompe-enzzentrum vorlegen zu lassen, wird dieser Experten-irkel still und heimlich geschlossen und im Haushalts-ntwurf für 2010 ein neues Kompetenzzentrum fürachhaltige Familienpolitik eingerichtet. Da drängt sichchon die Frage auf, ob das Ministerium gar kein Inter-sse daran hat, dass das alte Kompetenzzentrum einenbschlussbericht vorlegt.
Wie wir alle wissen, haben wir kein Erkenntnispro-lem, sondern ein Umsetzungsproblem. Eigentlich wis-en wir, worum es bei Kinderarmut geht. Ein Umset-ungsproblem haben wir zum Beispiel im Hinblick aufas Ehegattensplitting. Es ist offensichtlich, dass dashegattensplitting nicht der Förderung von Kindernient. Insbesondere kinderlose Ehepaare profitieren von
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Sven-Christian Kindlerden steuerlichen Vorteilen, und gleichzeitig wird fürFrauen ein Anreiz gesetzt, zu Hause zu bleiben und kei-ner Erwerbsarbeit nachzugehen.
Deswegen ist es jetzt an der Zeit, bei der steuerlichenFörderung von Familien nicht mehr die Ehe, sondern dieKinder in den Vordergrund zu stellen.
Jetzt entgegnet die Bundesregierung natürlich: Wieso,wir haben doch die Leistungen für Kinder im Rahmendes „Schuldenbeschleunigungsgesetzes“ erhöht. Kinderin Gutverdienerfamilien bekommen wegen der Erhö-hung des Freibetrages knapp 40 Euro, 20 Euro Kinder-geld gibt es, wenn die Eltern durchschnittlich verdienen,und genau null Euro, nämlich gar nichts, überhauptnichts, gibt es für die 1,8 Millionen Kinder, die in Hartz-IV-Familien leben. So bekämpft man keine Kinderar-mut. Im Gegenteil, so vergrößert man die Spaltung unddie Chancenungleichheit zwischen armen und reichenKindern.
Die Entlastung für Besserverdienende, für Erben, fürUnternehmen, für Mövenpick ist nicht nur unsozial, son-dern sie vergrößert die sowieso schon hohen Defizite,die hohen Schulden in Bund, Ländern und Kommunenum weitere 8,5 Milliarden Euro. Mit 8,5 Milliarden Euroentlasten Sie im Wachstumsbeschleunigungsgesetz IhreKlientel; aber dieses Geld fehlt an anderer Stelle. Esfehlt, um die notwendige Erhöhung der Kinderregelsätzezu finanzieren. Es fehlt beim Ausbau der öffentlichenDaseinsvorsorge. Gerade die öffentliche Daseinsvor-sorge bei der Bildung, beim öffentlichen Nahverkehr, beiBüchereien und Kultureinrichtungen ist bei der Schaf-fung von Chancengleichheit und gerechten Perspektivenfür Kinder und Jugendliche so entscheidend. Generatio-nengerechte Politik würde hier wirklich Schwerpunktesetzen und neben massiven Investitionen in Klimaschutzauch Investitionen in die Kindergrundsicherung, Bildungund öffentliche Daseinsvorsorge tätigen. Das wäre gene-rationengerecht, weil davon die jetzige und zukünftigeGenerationen profitieren würden.
Deswegen fordere ich Sie auf, Frau Köhler: Stoppen Siediese teure Klientelpolitik, und setzen Sie sich für einegerechte Zukunft der Kinder und Jugendlichen ein!
Ich will noch auf das Thema Generationengerech-tigkeit eingehen. Generationengerechtigkeit heißt nicht,dass man junge Menschen gegen alte Menschen aus-sjnGnsslwgJrsagdsnieddmsDcbsdfmcsggasbgIikn
as ist eine perfide, aber leider zum Teil auch erfolgrei-he Strategie, weil die Kommunen entsprechende Ange-ote kürzen oder einstellen. Wir dürfen dazu nichtchweigen oder wegschauen; wir müssen das unterbin-en. Wir müssen die Kommunen mit den notwendigeninanziellen Mitteln für den Kampf gegen Rechtsextre-ismus ausstatten. Insbesondere die zivilgesellschaftli-hen Organisationen brauchen eine verlässliche Unter-tützung beim Kampf gegen Nazis.
Am Montag hat Ministerin Köhler im Ausschuss an-ekündigt, dass sie die Bundesmittel für den Kampf ge-en Rechtsextremismus auf alle Extremismusformenusweiten will; Kollege Bockhahn hat das bereits ange-prochen. Am Dienstag, also nur einen Tag später, zau-erte sie dann plötzlich 2 Millionen Euro zusätzlich ge-en Linksextremismus und Islamismus aus dem Hut.
ch frage mich schon: Was, bitte schön, ist Ihr Plan? Wost das Geld im Haushalt veranschlagt? Frau Köhler, er-lären Sie uns bitte nachvollziehbar und haushaltstech-isch korrekt, woher dieses Geld kommen soll.
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1408 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Sven-Christian Kindler
Die größte Bedrohung für unsere demokratische Ge-sellschaft sind nicht linksradikale Gruppen, sondern ex-trem rechte und menschenfeindliche Einstellungen in derGesellschaft.
Allein 2009 gab es über 20 000 von Rechtsextremen be-gangene Straftaten. Immer wieder werden Menschenvon Nazis schwer verletzt oder sogar getötet. Seit derWende wurden 140 Menschen von Rechtsextremen er-mordet. In wenigen Wochen, am 13. Februar, wollen inDresden wieder viele Tausend Nazis – das ist der größteNaziaufmarsch in Europa – aufmarschieren. Sie werdendabei die Schoah relativieren und deutsche Täter zu Op-fern machen. Es ist wichtig, am 13. Februar auf dieStraße zu gehen, um den Naziaufmarsch friedlich zu blo-ckieren.
Das ist das Problem bei dieser Extremismusdebatte:Jede Gleichsetzung des Rechtsextremismus mit anderenExtremismusformen verharmlost die Gewalt und diemörderische Ideologie von Nazis. Die Mittel für Pro-gramme gegen Rechtsextremismus und für Vielfalt,Toleranz und Demokratie müssen erhöht werden. Ge-rade in Problemregionen brauchen wir dringend mehrdemokratisch angelegte Angebote als bisher. IhreScheindebatten, Frau Köhler, um einen angeblich be-drohlichen Linksextremismus lenken leider in unverant-wortlicher Weise davon ab, dass das Problem inDeutschland die Nazis sind.
Weil es um eine gerechte Zukunft geht, müssen wirjetzt die Weichen richtig stellen und massiv in Infra-struktur investieren, sodass alle Kinder gute Startchan-cen bekommen. Wir müssen in die Infrastruktur investie-ren, damit die Daseinsvorsorge für alle Generationengesichert ist und der Kampf gegen Rechtsextremismuserfolgreich geführt werden kann. Für die Zukunft brau-chen wir Gerechtigkeit.Vielen Dank.
Herr Kollege Kindler, ich darf auch Ihnen im Namen
des ganzen Hauses herzlich zu Ihrer ersten Rede im Bun-
destag gratulieren.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dorothee Bär für die
CDU/CSU-Fraktion.
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hre Rede hat konkrete Vorstellungen und detaillierterogramme enthalten.Frau Ziegler, ich muss in diesem Zusammenhangchon sagen, dass Sie ein sehr seltsames Verständnis vonppositionspolitik haben, wenn Sie sich hierhin stellennd wortwörtlich sagen: Wir sind die Opposition; wirüssen keine Vorschläge machen. – Ich, die ich selberchon Oppositionspolitikerin war, finde das sehr beein-ruckend.
in bisschen Gestaltungswillen erwarte ich auch von derpposition in diesem Hohen Hause.
Wir debattieren heute über den Einzelplan 17. Es gehtm Ausgaben in Höhe von rund 6,56 Milliarden Euro.as ist natürlich nur ein Bruchteil der Aufwendungen,ie jährlich für staatliche Maßnahmen und Leistungenür Familien aufgebracht werden; ich komme gleich zuen einzelnen Posten. Wir haben aber als Familien-,rauen-, Jugend- und Seniorenpolitiker mit einer Viel-ahl von Themen zu tun, bei denen sehr viel nicht miteld geleistet werden kann. Natürlich brauchen wir auchehr Geld. Nicht, dass der Herr Staatssekretär beim Fi-anzminister denkt, dass wir weniger Geld brauchen.as Gegenteil ist der Fall.Ein Beispiel für die Vielzahl der Themen, mit denenir uns auseinandersetzen: Ich habe eine neue europäi-che Studie darüber gelesen, wie stark die Lust aufinder in den einzelnen europäischen Staaten ausge-rägt ist. So wurde gefragt: Was ist für Sie die idealeinderzahl? Die Antworten sind erschreckend. In Frank-eich haben 3 Prozent gesagt, dass gar keine Kinder dieerfekte Anzahl sind. In vielen anderen europäischenändern sagen im Schnitt 5 Prozent, dass keine Kinderer gewünschte Idealzustand sind. In den Niederlandenst die Quote sehr hoch. Dort wünschen sich fast2 Prozent keine Kinder. Aber Spitzenreiter ist Deutsch-and, wo 17 Prozent sagen, dass sie, wenn sie es sichussuchen können, keine Kinder haben wollen. Daranüssen wir gesellschaftspolitisch arbeiten. Schließlicheben wir schon sehr viel Geld für Familien aus. Nacherechnungen des Finanzministeriums und des Fami-ienministeriums handelt es sich um ungefähr 180 Mil-iarden Euro, die nicht nur aus dem Gesamtetat des Bun-es, sondern auch von den Ländern und Kommuneneigesteuert werden.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1409
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Dorothee BärWir investieren trotz einer wirtschaftlich schwierigenLage weiter massiv in die Stärkung der Familie – daswurde schon angesprochen –: Erhöhung des Kindergel-des um volle 20 Euro pro Kind und Monat, des Kinder-freibetrags um fast 1 000 Euro sowie die bessere Absetz-barkeit von Aufwendungen für die Kranken- undPflegeversicherung, die ab dem 1. Januar dieses Jahreswirksam sind und Familien erheblich entlasten. In derHaushaltsdebatte ringt man natürlich darum, wofür dasGeld am besten ausgegeben werden kann. Es ist wichtig,dass wir klug und umsichtig handeln, damit das Geldden Bürgern wieder zugutekommt. Ich denke, wir sinduns alle einig, dass das im Einzelplan 17 für Familien in-vestierte Geld gut angelegt ist, weil das die beste Zu-kunftsinvestition ist. Ich verstehe natürlich den Bundes-finanzminister, Herr Staatssekretär Koschyk, dass erversucht, Einsparungspotenziale zu finden.Herr Kindler, Sie selber haben in Ihrer ersten Rede– dazu herzlichen Glückwunsch – das Thema Genera-tionengerechtigkeit angesprochen. Aber man darf sichnicht über andere erheben und so tun, als hätte die Ju-gendorganisation der Grünen die Generationengerech-tigkeit gepachtet.
Dieses Thema ist für alle Jugendorganisationen, egalwelcher Partei, wichtig. Genauso wenig wie den Kolle-gen von der Jungen Union und den Jungen Liberalenspreche ich der Grünen Jugend ab, sich um das ThemaGenerationengerechtigkeit zu kümmern. Nur so viel alskleine Zwischenbemerkung.Da wir nach Einsparungspotenzialen suchen, möchteich sowohl die Haushälter – auch die der Koalitionsfrak-tionen – als auch das Bundesfinanzministerium bitten,das nicht in unserem Einzelplan zu tun; denn es ist nichtmöglich, hier Einsparungen vorzunehmen. Wir könnennicht weniger Geld für familienpolitische Leistungenausgeben, sondern brauchen eher mehr Geld. Ich bitteSie, Herr Staatssekretär, das an den Minister weiterzuge-ben.Als Familienpolitiker haben wir in den letzten Jahrenmit unserer verlässlichen Politik auf die sich stark verän-dernde Gesellschaft reagiert. Es gibt neue Lebensent-würfe und neue Möglichkeiten in Bildung, Wissenschaftund Forschung, die jungen Menschen und besondersjungen Frauen neue Perspektiven eröffnet haben.Ich bin sehr froh, dass wir in der letzten Legislaturpe-riode unter Federführung von Ursula von der Leyen dasElterngeld eingeführt haben, dass wir die Partnerkom-ponente haben, die wir jetzt verstärkt fördern wollen. Ichbin auch Ihnen, Frau Ministerin Köhler, dankbar, dassSie im Ausschuss noch einmal deutlich gemacht haben,dass Ihnen diese Weiterentwicklung wichtig ist. Es mussauch jungen Vätern die Möglichkeit eröffnet werden,sich sehr stark an der Familienarbeit zu beteiligen. DerErfolg des Elterngeldes hängt natürlich auch damit zu-sammen, inwieweit wir den Ausbau von Kinderbetreu-ungsplätzen unterstützen, um so eine gute Anschlussper-sbknwktIr–WIntbFsPfgv7ufJBaammIAdddMsllsBmsb
Nein, unsere Partei hat noch nie eine Ideologie gehabt.ir haben Visionen.
ch würde Sie bitten, einmal zu versuchen, mit etwas we-iger Schaum vor dem Mund mit uns darüber zu disku-ieren.Um diese Wahlfreiheit ermöglichen zu können,raucht man den Ausbau der Kinderbetreuungsplätze.rau Dr. Köhler hat bereits angesprochen, dass der Bundich daran mit 4 Milliarden Euro beteiligt. Das ist keinappenstiel, sondern wirklich viel Geld, das wir zur Ver-ügung stellen, weil uns der Ausbau wichtig ist. Ich weißar nicht, ob sich jeder den Betrag von 4 Milliarden Euroorstellen kann. Außerdem beteiligen wir uns mit70 Millionen Euro an den Betriebskosten.Mir ist auch der Rechtsanspruch auf einen Betreu-ngsplatz sehr wichtig, weil gute Familienpolitik sichür uns hauptsächlich durch Verlässlichkeit auszeichnet.unge Paare müssen sich darauf verlassen können, einenetreuungsplatz zu bekommen. Natürlich verstehen wiruch die Kommunen; aber das ist eine Gesamtaufgabe,n der sich Bund, Länder und Kommunen beteiligenüssen. Wenn der Bund seine Hausaufgaben macht,üssen das die anderen politischen Ebenen genauso tun.ch sage das auch als Kreisrätin meines Landkreises.
Es gibt auch gute Beispiele wie den Freistaat Bayern.nders als andere Länder schöpft der Freistaat Bayernie Mittel des Bundes aus und legt noch eigenes Geldrauf, um ohne Deckelung fördern zu können. Kein an-eres Bundesland hat seinen Kommunen bisher so vieleittel bewilligt. Es waren Anfang Dezember 2009chon über 230 Millionen Euro. Nirgendwo in Deutsch-and geht der Ausbau so schnell voran. Wir werden es al-er Voraussicht nach in Bayern schon bis Ende 2012 ge-chafft haben, die Quoten zu erfüllen und genügendetreuungsplätze zur Verfügung zu stellen. Ich würdeir wünschen, dass andere Bundesländer, die im Gegen-atz zu Bayern Mittel aus dem Länderfinanzausgleicheziehen, dem Beispiel Bayerns folgen.
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Dorothee Bär
Wir werden also versuchen müssen, in den nächstenJahren klug zu agieren. Ich hätte noch viel mehr The-men, die ich ansprechen möchte. Aber nachdem ichmich auch mit unsinnigen Vorschlägen der Oppositionauseinandersetzen musste, fehlt mir jetzt leider die Zeit.
– Stimmt, mein Fehler. Sie haben ja gar keine Vor-schläge.
Trotzdem biete ich von Unionsseite auch den Opposi-tionsparteien einen konstruktiven Dialog an.
– Frau Ziegler, Sie sagen jetzt: „Lassen Sie mal!“ Ichfrage mich, warum Sie sich in den Bundestag habenwählen lassen, wenn Sie keine Vorschläge machen undkeine konstruktive Oppositionspolitikerin sein wollen.
Ich biete es Ihnen trotzdem an und hoffe, dass Sie nochzur Vernunft kommen.
Wenn man einmal Landesministerin war, sollte man ei-gentlich wissen, wie man mit Opposition umgeht. Ichfreue mich auf weitere gute Verhandlungen und auf kon-struktive vier Jahre Familienpolitik für die Familien indiesem Lande.Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Caren Marks von der SPD-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Bär,
ohne die Ideologie insbesondere der CSU
wären wir heute schon viel weiter beim Betreuungs-
platzausbau. Das steht jedenfalls fest.
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Heute wird mit einer Auftaktveranstaltung in Madrid
as Europäische Jahr 2010 gegen Armut und soziale
usgrenzung eröffnet. Von der schwarz-gelben Regie-
ung aber werden die Armutsbekämpfung und auch der
chutz vor Armut für Familien, Senioren, Frauen und
ugendliche nicht ernst genommen; stattdessen setzt sie
inseitig auf Klientelpolitik.
ktuelle Studien zeigen, dass die Situation von Kindern
nd Familien hierzulande weiter verbessert werden
uss. Wir dürfen uns auf dem bisher Erreichten nicht
usruhen. Das wäre fatal; denn es gibt wirklich noch viel
u tun in unserem Land.
Das Statistische Bundesamt hat Anfang dieser Woche
ahlen vorgelegt: Trotz positiver Entwicklungen liegt
ie Betreuungsquote für unter Dreijährige in den west-
eutschen Landkreisen nur zwischen 5 und 15 Prozent.
ltern haben es im Westen immer noch schwer, einen
rippenplatz zu finden. Vereinbarkeit von Familie und
eruf – Fehlanzeige! Das gilt insbesondere für Nord-
hein-Westfalen und Niedersachsen. Dort regieren CDU
nd FDP.
ie meisten Eltern aber wollen und müssen Familie und
eruf in Einklang bringen. Gerade für Alleinerziehende
ind Betreuungsangebote unverzichtbar, damit sie eine
rbeit aufnehmen können und aus der Armutsfalle kom-
en.
Frau Kollegin Marks, erlauben Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Schirmbeck?
Gerne.
Bitte schön, Herr Schirmbeck.
Frau Kollegin, Sie haben die Ehre, ein paar Jahre jün-
er zu sein als ich. Vielleicht haben Sie im Geschichts-
nterricht über die Bundesrepublik Deutschland ver-
olgt, wer wann regiert hat.
Mir ist das bekannt.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1411
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Wissen Sie, wer der einzige Bundeskanzler ist, der
das Kindergeld gekürzt hat? Wissen Sie, welcher Bun-
deskanzler gesagt hat: „Kindergeld, Familienpolitik, das
ist alles Gedöns“? Wissen Sie, wie lange in Nordrhein-
Westfalen die SPD regiert hat und seit wann dort CDU
und FDP regieren? Wissen Sie also, wer in Nordrhein-
Westfalen und in Niedersachsen für die Missstände, die
Sie ansprechen, die Verantwortung trägt?
Ihre Fragen wundern mich nicht. Wir sind von derCDU und auch von der FDP gewohnt, dass sie sichweiße Füße machen und mit dem, was dort passiert, wosie schon einige Jahre regieren, nichts zu tun haben wol-len. Ich kann nur sagen: Es war Bundeskanzler GerhardSchröder, an den ich mich gut erinnere, der das Kinder-geld in einer rot-grünen Koalition deutlich erhöht hat
und die Defizite, die in den 16 Jahren unter Bundeskanz-ler Kohl entstanden sind, beseitigt hat.
In den letzten Jahren haben andere Bundesländer,zum Beispiel das SPD-regierte Rheinland-Pfalz, deutli-che und sichtbare Erfolge in diesem Bereich erzielt, undzwar nicht nur beim Ausbau, sondern auch bezüglichQualität und Beitragsfreiheit. Vielleicht sollten Sie sichdavon einmal eine Scheibe abschneiden. Schauen Sienicht nur die Anfänge der Geschichte an, sondern führenSie sich auch einmal Bücher zur Zeitgeschichte zu Ge-müte.
Ab 2013 gilt der von der SPD gegen den erheblichenWiderstand von CDU und CSU – Frau Fischbach, viel-leicht erinnern Sie sich noch daran – in der Großen Ko-alition durchgesetzte Rechtsanspruch auf einen Krip-penplatz. Ich fordere die Bundesregierung auf, ihreKräfte zu bündeln, um gemeinsam mit den Ländern undKommunen den Betreuungsausbau schneller voranzu-treiben. Das erwarten die Eltern, und das brauchen un-sere Kinder. Dabei darf die Qualität der Einrichtungennicht auf der Strecke bleiben.Bisher hat die schwarz-gelbe Koalition ihre Kräfte fürdie steuerliche Entlastung von Hoteliers gebündelt.
iese Klientelpolitik ist unverantwortlich.
it dem sogenannten Wachstumsbeschleunigungsge-etz beschert die Regierung dem Staat Steuerausfälle inilliardenhöhe. Bund, Ländern und Kommunen fehltadurch dauerhaft Geld für die soziale Infrastruktur, aberuch für die frühkindliche Bildung. Dieser Regierungind Hotelbetten wichtiger als die Förderung von Kin-ern. Schwarz-Gelb lässt die Kommunen ausbluten.iele Kommunen haben wegen Ihrer Steuerpolitik be-eits höhere Gebühren angekündigt, auch höhere Kitage-ühren.
ie Familien zahlen die Zeche für diese desaströse Steu-rpolitik. Auch 20 Euro mehr Kindergeld pro Monat hel-en da nicht weiter. Das wissen Sie;
rst recht wissen das die Familien in unserem Land.
Mit der Forderung nach einem unsinnigen Betreu-ngsgeld, das jährlich bis zu 1,9 Milliarden Euro ver-chlingen würde, setzt die neue Bundesregierung demanzen wirklich die Krone auf. Dieses Geld wird drin-end für den Ausbau von Krippen, Kitas und natürlichuch Ganztagsschulen gebraucht. Nach Ihrer Argumen-ationslogik, meine Damen und Herren von Union undDP, müssten Sie als Nächstes eine finanzielle Zuwen-ung für diejenigen einführen, die keine öffentlichen Bi-liotheken besuchen; denn mit dem Betreuungsgeld wol-en Sie gerade die Eltern belohnen, deren Kinderinnvolle Einrichtungen nicht nutzen. Viele Studien be-egen dagegen, dass sich Kinder wesentlich besser ent-ickeln, wenn sie von frühkindlicher Bildung in einerrippe profitieren.
ahlreiche Verbände haben das Betreuungsgeld alsrundsätzlich kontraproduktiv und als sozial- undleichstellungspolitischen Rückschritt abgelehnt. Demchließen wir uns an.
Nicht nur das Betreuungsgeld, nein, grundsätzlichässt die konservative Gleichstellungspolitik nichts Gu-es erahnen. So lässt die Frauenministerin bei derleichstellungspolitik die Wirtschaft machen, was sieill, und setzt unbeirrt weiter auf unverbindliche An-ündigungen. So werden Sie den nach wie vor geringennteil von Frauen in Vorständen und Aufsichtsrätenicht erhöhen, Frau Köhler. Wenn Sie bei der Wirtschaftediglich für mehr Entgeltgleichheit werben wollen,
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Caren Marksdann ist das mehr als zu wenig. Die Lohnungleichheitzwischen Frauen und Männern ist in den letzten Jahrensogar noch größer geworden. Es muss Schluss sein mitfreiwilligen Vereinbarungen mit der Wirtschaft.
Frauen erwarten zu Recht verbindliche gesetzlicheMaßnahmen und endlich gleiche Löhne für gleiche undgleichwertige Arbeit. Das ist nicht nur ein Gebot der Ge-rechtigkeit. Es ist auch Voraussetzung für eigenständigeExistenzsicherung und soziale Absicherung für Frauenim Alter. Hier hilft nur ein Gesetz zur Herstellung vonEntgeltgleichheit. Es ist nicht hinnehmbar, dass der An-teil von Frauen mit Niedriglohn doppelt so hoch ist wieder Anteil der Männer. Ein gesetzlicher Mindestlohnkäme insbesondere Frauen zugute. Diesen lehntSchwarz-Gelb kategorisch ab. Es ist wirklich alarmie-rend, dass über 63 Prozent der Minijobber sowie80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten Frauen sind. Eswäre falsch, hier noch zusätzliche Anreize für Teilzeitar-beit und prekäre Beschäftigung zu setzen, wie von derRegierung geplant. Das Modell „die Frau als Zuverdie-nerin“ hat ausgedient. Andere Staaten sind hier längstweiter.Auch in Unternehmen bedarf es einer wirklichenGleichstellungspolitik. Wir brauchen ein umfassendesGleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft. Dafürwerden wir als SPD weiter kämpfen;
denn im Gegensatz zu Ihnen, meine Damen und Herrenvon Union und FDP, haben wir begriffen: Wer nur aufdie Freiwilligkeit der Wirtschaft setzt, wird in derGleichstellungspolitik von Frauen auf dem Arbeitsmarktkeine Fortschritte erleben. Fakt ist: Frauen sind in derGesellschaft nach wie vor benachteiligt. Daher muss derbestehende Diskriminierungsschutz weiterentwickeltwerden. Die Verankerung einer Verbandsklage im Allge-meinen Gleichbehandlungsgesetz würde hier helfen.Meine Damen und Herren von Union und FDP, ichappelliere an Sie: Verabschieden Sie sich von einer Poli-tik, die Klientelinteressen bedient,
die die soziale Infrastruktur in den Kommunen aushöhltund auf Fehlinvestitionen wie das Betreuungsgeld setzt.Familien brauchen eine solide Infrastruktur, Kinder undFamilien ein gerechtes und gebührenfreies Bildungssys-tem und Frauen wirkungsvolle Gesetze zur Gleichstel-lung.
Das sind wirklich wichtige Bausteine zur Armutsbe-kämpfung und Armutsvermeidung.
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hr Handeln ist weder christlich noch liberal. Sie sindestenfalls die neoliberale Klientelkoalition.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Nicole Bracht-Bendt von
er FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenamen und Herren! In den Medien ist immer wieder dieede von der überalternden Gesellschaft. Demografennd Ökonomen warnen seit Jahren vor den Folgen dieserntwicklung. Ich bin froh, dass sich jetzt im Gegenzugmmer mehr Pragmatiker zu Wort melden, die die demo-rafische Entwicklung nicht so negativ bewerten. Genauier müssen wir in der Seniorenpolitik anknüpfen. Äl-ere Menschen dürfen nicht zwangsweise aufs Abstell-leis gestellt werden. Die Alterung unserer Gesellschaftur als Gefährdung unserer Sozialsysteme zu sehen, istumm und kurzsichtig.
ie Alterung unserer Gesellschaft als Herausforderungu sehen, um aus einem unermesslichen Erfahrungs-chatz eine moderne und menschliche Gesellschaft zuormen, stellt eine Chance für uns alle dar, auch für unsolitiker.Die FDP-Bundestagsfraktion drängt darauf, dass derechste Altenbericht „Altersbilder in der Gesellschaft“eitnah fertiggestellt wird. Die Ergebnisse müssen dannchnell umgesetzt werden. Diskriminierende Altersgren-en müssen abgeschafft werden. Nicht nur Ärzte, Mana-er und Handwerksmeister empfinden die zwangsweiseersetzung in den Ruhestand als Strafe. Nach einerorsa-Umfrage wünscht sich ein Viertel der Menschenwischen 60 und 80 Jahren einen bezahlten Job. 14 Pro-ent haben einen, und deren Anteil wächst. Aber auchem Ehrenamt müssen wir mehr Bedeutung schenken.ie Frage, wie wir ältere Menschen länger in Gesell-chaft und Arbeitsleben einbinden können, wird unduss für uns ein zentrales Thema sein.
Wir werden uns aber auch verstärkt um die Pflegebe-ürftigen kümmern müssen. Nicht nur Eltern kleinerinder brauchen Unterstützung beim Spagat zwischen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1413
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Nicole Bracht-BendtFamilie und Beruf. Auch Frauen und Männer, die zuHause ihre alten Eltern pflegen, brauchen Hilfe. DamitFamilien Erwerbstätigkeit und Pflege von Angehörigenbesser in Einklang bringen können, wollen wir mit derWirtschaft und dem öffentlichen Dienst unbürokratischeLösungen entwickeln. Stichworte sind hier die Ände-rung des Sozialgesetzbuchs mit Blick auf Teilpflegezeit,die Prüfung flexibler Entgeltmodelle und neue Arbeits-zeitmodelle. Das ist dann „Zeit für Verantwortung“.Als seniorenpolitische Sprecherin meiner Fraktionsetze ich mich auch für eine bessere Pflege und Betreu-ung in Heimen ein. Durch meine ehrenamtliche Tätig-keit im Heimbeirat eines Seniorenwohnheims in Hanno-ver und durch meine jahrelange Erfahrung in derBetreuung Demenzkranker weiß ich nur zu gut, dass esbei der Altenpflege um mehr gehen muss als um „sattund sauber“.
Unsere Aufgabe muss es aber auch sein, die Lebensqua-lität derer zu verbessern, die nicht im Heim leben. VieleAlte möchten auch im hohen Alter in ihrer vertrautenUmgebung bleiben. Deshalb wird sich die FDP-Fraktiondafür einsetzen, dass die Bedingungen für ein selbstbe-stimmtes und barrierefreies Wohnen verbessert werden.Meine Damen und Herren, im Einzelplan 17 ist auchdie Gleichstellungspolitik angesiedelt. Die Ziele derFDP-Fraktion sind klar im Koalitionsvertrag festge-schrieben. Erstens: Der Anteil von Frauen in Führungs-positionen in der Wirtschaft und im öffentlichen Dienstsoll erhöht werden. Dazu wird ein Stufenplan festgelegt.Zweitens: gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Es ist mitnichts zu rechtfertigen, dass Frauen bei der Entlohnungihrer Arbeit immer noch schlechter gestellt sind als Män-ner.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf eines hinwei-sen: Sowohl in der Seniorenpolitik als auch in der Frau-enpolitik reicht Geld allein nicht aus, um ans Ziel zukommen. Bei beiden Themen ist auch ein Bewusstseins-wandel in den Köpfen unerlässlich. Jedem, der Altenpo-litik macht, muss klar sein, dass sich das Leben ab 60nicht nur um Windeln und Lätzchen dreht, und in derFrauenpolitik müssen wir endlich wegkommen vonüberholten Rollenklischees. Ein Beispiel: Solangegrundsätzlich nur ich gefragt werde, aber nie meinMann, wie ich Beruf und Familie unter einen Hut be-komme, ist Gleichberechtigung auch am Anfang desneuen Jahrzehnts leider immer noch ein unerledigtesThema.Danke schön.
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1414 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Mit dem zu niedrig angesetzten Sondervermögen, dasfür den Kitaausbau geschaffen wurde, und mit der kon-sequenten Handlungsverweigerung, was die Ausbildungder Erzieherinnen und Erzieher betrifft, hat sich derBund sträflichst aus der Verantwortung gezogen.
Kommunen und Länder werden das aus eigener Kraftnicht leisten können. Ich bin selbst Mitglied in zweikommunalen Vertretungen und weiß, was von den vielenhier versprochenen Entlastungen bei den Kommunen tat-sächlich ankommt, nämlich nichts.Die Finanzpolitik der Regierung, aber auch die IhresMinisteriums, Frau Köhler, trägt nicht zu einer Entschär-fung der Situation bei. Statt den Bundesanteil am Son-dervermögen aufzustocken, betreiben Sie eine Wünsch-dir-was-Politik für Besserverdienende und große Unter-nehmen, und die Kommunen werden in den Ruin getrie-ben. Eine Politik, die sich, wie Sie, Frau Köhler, es be-zeichnen, um die Kräfte kümmert, die die Gesellschaftzusammenhalten, sieht für mich anders aus.Dass Ihnen zum Thema Kinderarmut in Deutsch-land nur die zaghafte Ausweitung der Zahl der Kinder-zuschlagsberechtigten einfällt, spricht schon Bände.Auch Ihre Vorgängerin, Frau von der Leyen, hat ver-sucht, halbseidene Reförmchen durchzuführen, um denKinderzuschlag zu verbessern.
Das ist nicht angekommen. Lesen Sie die Stellungnah-men dazu. Der Wissenschaftliche Dienst des DeutschenBundestages und der Bundesrechnungshof sind wahrlichkeine linken Institutionen. Schauen Sie sich an, wie vielwirklich bei den Betroffenen ankommt. Schauen Sie sichan, dass gerade Kindern von Alleinerziehenden, die dashöchste Armutsrisiko in Deutschland tragen, der Kinder-zuschlag nicht hilft, sie aus dem Armutsrisiko herauszu-holen. Und dann schauen Sie sich an, was das Bundesfa-milienministerium zur Verbesserung plant, nämlich eineWahloption gegenüber dem Arbeitslosengeld II. Dasführt dazu, dass die Familien, die sich vor der Unterdrü-ckungs- und Erpressungsmaschinerie der Argen rettenwollen, wählen können, dass sie lieber unter der De-ckung ihres Bedarfs bleiben, indem sie den Kinderzu-schlag wählen. Dafür können sie dann aber immer nochnicht ihren Bedarf und schon gar nicht den ihrer Kinderdecken und kommen nicht über die Armutsschwelle.DdelGsVlsvFCuFWnnfwudseiknkrLBilChbZhasE
Der Kollege Erwin Rüddel hat jetzt das Wort für die
DU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damennd Herren! Die christlich-liberale Koalition wird dieamilienpolitik konsequent fortentwickeln.
ir wissen die Familienpolitik bei der neuen Bundesmi-isterin in guten Händen und werden sie in ihrer Arbeitach Kräften unterstützen; denn wir sind mit ihr der Auf-assung, dass es sich hier um ein Politikfeld handelt, daseit über die engeren Grenzen der Familien hinausreichtnd sich nachhaltig auf Wirtschafts- und Arbeitsleben,en Bildungsbereich, die Integrationspolitik, die gesell-chaftliche Entwicklung insgesamt auswirkt.Deutschland wird älter, es wird internationaler, abers wird auch kleiner, und das, obwohl Jahr für Jahr nochmmer viele Menschen aus anderen Ländern zu unsommen, um bei uns zu leben. Ein Land mit immer we-iger Kindern ist aber ein Land mit immer weniger Zu-unft. Deshalb fördern wir die Familien. Dabei orientie-en wir uns an den Lebensrealitäten, den modernenebensentwürfen von Männern und Frauen und an denedürfnissen der Kinder. Wir wollen, dass die Menschenn unserem Land alle Chancen auf ein erfülltes Familien-eben und gleichzeitig auf beruflichen Erfolg haben.
hancengleichheit für Frauen und Männer, Zusammen-alt der Generationen, Austausch von Erfahrungen undürgerschaftliches Engagement machen eine lebendigeivilgesellschaft aus.Noch nie sind so viele Menschen so alt geworden wieeute. Noch nie waren sie dabei so gesund und so gutusgebildet. Unsere Volkswirtschaft, aber genauso un-ere Gesellschaft insgesamt, braucht ihr Wissen und ihrerfahrung. Mit dem Verschwinden der Großfamilie, mit
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1415
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Erwin Rüddelder Auflösung traditioneller sozialer Netze in der Ge-meinde oder in der Nachbarschaft ist etwas, was früherselbstverständlich war, vielfach verloren gegangen, undzwar die gegenseitige Hilfe und die Weitergabe von Er-fahrungen zwischen Alt und Jung. Dem begegnen wirmit der Errichtung der Mehrgenerationenhäuser. In-zwischen gibt es in Deutschland 500 von ihnen.Damit die älter werdende Gesellschaft zu einerChance für jeden Einzelnen und für unser Land wird, hatdie Bundesregierung ferner die Initiative „Alter schafftNeues“ ins Leben gerufen.
Menschen aller Altersgruppen, insbesondere aber dieÄlteren, sollen sich nach eigener Wahl für das Gemein-wohl engagieren können. Das Programm wird Schritt fürSchritt bundesweit etabliert und von der Bundesregie-rung in vielfältiger Weise finanziell unterstützt.Das Programm „Aktiv im Alter“ zielt vor allem aufdie Kommunen. Die älteren Mitbürgerinnen und Mitbür-ger sollen hier verstärkt mitgestalten und mitentscheidenund sich für ihr örtliches Gemeinweisen engagieren.Schließlich verknüpft die Initiative „WirtschaftsfaktorAlter“ Senioren-, Wirtschafts- und Verbraucherpolitikmiteinander. Bessere Dienstleistungen und Produktesteigern die Lebensqualität älterer Menschen und stärkensie als Verbraucher.Ältere Menschen müssen sich auf die Solidarität derGesellschaft verlassen können. Sie alle haben Anspruchauf ein möglichst selbstständiges und selbstbestimmtesLeben. Deshalb werden wir in den kommenden Jahr-zehnten auch neue und innovative Wohnformen undBetreuungsangebote benötigen, die älteren und behin-derten Menschen gerecht werden. Besondere Aufmerk-samkeit gilt zudem der Qualitätssicherung beim ambu-lanten Betrieb betreuter Wohngemeinschaften, vor allemfür Menschen mit Demenz.
Alter bedeutet nicht nur bürgerschaftliches Engage-ment, neue Aktivität und Mobilität, Hilfestellung für dieEnkel oder Reisen in Länder, die während des Berufsle-bens unerreichbar waren. Alter bedeutet auch Leid undKrankheit, Hilfe und Pflegebedürftigkeit. Schicksals-schläge wie Demenz treffen nicht nur die Kranken, son-dern ebenso die unmittelbaren Angehörigen, die sehr oftzeitgleich pflegende und berufstätige Angehörigesind. Wir wollen darüber nachdenken, wie wir die viel-versprechenden Ansätze aus den Bereichen Kindererzie-hung, Familie und Beruf auf dieses Problemfeld übertra-gen können.In den letzten Jahren ist viel geschehen, um Familieund Beruf besser miteinander zu verbinden. Es wurdemehr Familienfreundlichkeit in die deutsche Wirtschaftgebracht und ein Unternehmensnetzwerk geschaffen, indem Erfahrungen gegenseitig ausgetauscht werden, diezu familiengerechten Arbeitsbedingungen führen. DieBundesregierung setzt mit ihrem Förderprogramm auchhier ganz gezielt Anreize für kleinere und mittlere Unter-niumdWdwgePUszkMElBlFewntlUwrzHstHiudaTrfn
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1416 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Es ist so, Frau Ministerin, dass Sie sich seit 2006, alsovor dem Antritt Ihres neuen Amtes, in den Medien – ichhabe noch einmal nachgeschaut – intensiv zu dieserFrage geäußert haben. Da ist zu lesen, dass Sie sagen, esgebe bei den Projekten gegen Rechtsextremismus einriesiges Sparpotenzial. Da ist zu lesen, dass Sie sagen,man müsse dort umschichten, und es ist in Welt Onlinezu lesen – ich will das hier einmal zitieren –:Beide Phänomene– damit meinen Sie den Linksextremismus und den Isla-mismus –sind etwa gleich groß und gleich gefährlich. Diessollte auch bei der Verteilung der Mittel berücksich-tigt werden.MFesISjnJ–tdspIdgvkewhcw
Ich persönlich habe mir noch keine abschließendeeinung gebildet, ob das wirklich Ihre Meinung ist,rau Ministerin, oder ob es dabei nicht auch darum geht,in paar Signale an die rechtskonservativen Teile der Ge-ellschaft auszusenden, was für mich schlimmer wäre.
ch rate Ihnen: Räumen Sie das weg.
ie stehen am Anfang Ihrer Amtsführung, Sie habenetzt noch die Chance dazu. Räumen Sie das weg. Mei-es Erachtens würde dies Ihre Tätigkeit in den nächstenahren wesentlich erleichtern.
Das ist kein vergifteter Rat, sondern ein ernst gemein-er Rat;
enn ich glaube, man darf die Amtsführung bei einemolch wichtigen Thema nicht mit solchen ideologisch ge-rägten Aussagen beschweren.
Sie haben weiterhin in dieser Woche erklärt und es inhrer Rede hier wiederholt, dass da nicht gekürzt wer-en soll, sondern 2 Millionen Euro zusätzlich aus nichtenutzten Mitteln des Haushalts 2009 für dieses Prä-entionsprogramm und die einzelnen Projekte hinzu-ommen sollen.
Ich will festhalten: Eine inhaltliche Korrektur derben von mir zitierten Aussagen ist dies nicht. Aber ichill auch ausdrücklich sagen: Wir werden bei den Haus-altsberatungen, ebenso bei den Berichterstattergesprä-hen und auch im Ausschuss ganz intensiv nachfragen,oher diese zwei Millionen Euro kommen;
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Rolf Schwanitzdenn das ist eine nicht unbedeutende Frage. Das ist einganz entscheidender Punkt, nicht nur für uns Sozialde-mokraten, sondern auch für viele Beteiligte, die in denRegionen
schwer unter rechtsextremistischen Tendenzen und Um-trieben leiden. Es ist entscheidend, dass die Projekte ge-gen Rechtsextremismus durch diese Veränderungenkeine Kürzung erfahren.
Dabei ist es meiner Meinung nach egal, ob das einedirekte oder eine indirekte Kürzung ist, etwa bedingtdurch in der Vergangenheit nicht verausgabte Mittel.Das werden wir klären. Dafür haben wir in den Bericht-erstattergesprächen Zeit.
Deutschland braucht nach meiner festen Überzeugungeine auf Dauer angelegte Auseinandersetzung gegen denRechtsextremismus. Darum geht es. Wir brauchen eineStärkung der Kultur. Deswegen ist das ein ganz sensiblerPunkt.
Ihre Amtsvorgängerin hat sehr intensiv Öffentlich-keitsarbeit betrieben.
Ich glaube, sie ist bei fast allen Einweihungen von Mehr-generationenhäusern vor Ort gewesen.
Ich erinnere mich aber nicht daran, sie bei einem einzi-gen Projekt gegen Rechtsextremismus gesehen zu ha-ben. Frau Minister, ich würde mir wünschen, dass Siesich mehr darum kümmern. Das wäre ein wichtiges Si-gnal für die Menschen vor Ort, die sich in Initiativenstark machen und damit anderen Bürgern Mut beweisen,der nur bewundert werden kann und der zu unterstützenist.Ich will ein zweites Thema ansprechen – vielleicht ei-nes der schwierigsten im Einzelplan 17 –, und zwar denZivildienst.
Zunächst einmal stelle ich fest: Wir müssen in den Haus-haltsberatungen intensiv darüber reden, ob der jetzt etati-sierte Titel tatsächlich das abbildet, was im Dritten Zivil-dienständerungsgesetz geregelt worden ist.hzzaeFHdShpFlsZvDsdlZkgmt
Wir werden das auf den Prüfstand stellen. Sie haben
eute angekündigt, dass zum 1. Januar 2011 die Dienst-
eitverkürzung kommt. Ich kann bei den Haushaltsansät-
en keinerlei Vorbereitung hierfür sehen. Deswegen wird
uch das ein Schwerpunkt der Diskussionen und Aus-
inandersetzungen in den nächsten Wochen sein.
Herzlichen Dank.
Die Kollegin Miriam Gruß hat jetzt das Wort für die
DP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Ich finde, in der letzten Legislaturperiode warie Opposition besser. Ich höre Frau Ziegler von derPD über ein Thema reden, wovon sie keine Ahnungat, weil sie nicht im Ausschuss war und die Aufgaben-lanung nicht mitbekommen hat.
rau Marks spricht wieder einmal nicht frei, sonderniest lediglich ihre ideologischen Ausführungen, die sieeit Jahren wiederholt, ab.
u 50 Prozent der Linken kann ich nur sagen: Themaerfehlt, Note 6, bitte setzen.
er Kollege von den Grünen hat heute Glück, weil ereine erste Rede gehalten hat. Ich muss sagen – Sie wer-en mir sicherlich zustimmen –: Die FDP war in denetzten vier Jahren besser.
Auch wir haben schließlich nachgedacht, Frauiegler, was besser gemacht werden kann, und habenonstruktive Vorschläge eingebracht. Da Sie, meine sehreehrten Damen und Herren von der SPD, wieder ein-al reflexartig reagieren und behaupten, uns seien Ho-els wichtiger als Kinder,
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1418 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Miriam Gruß
will ich Ihnen in Erinnerung rufen, dass Ihnen Autoswichtiger waren als Kinder. Ich sage nur: 100 Euro Kin-derbonus, aber ungefähr 5 Milliarden Euro Abwrackprä-mie.
Sie haben ebenso von der Automobilindustrie Spendenbekommen. Aber wir wollen das gar nicht thematisieren,weil es unanständig ist, solche Dinge anzuführen, wennes um wichtige Zukunftsthemen wie Kinder geht.Jetzt seien Sie doch einfach mal still und hören mirzu. Sie haben nicht nur elf Jahre lang geredet, sondernauch elf Jahre lang regiert. Sie haben nicht das Richtigegemacht, sonst würden Sie die Defizite, die Sie heute an-mahnen, nicht anmahnen müssen. Wenn Sie alles richtiggemacht hätten, dann bräuchten wir heute nicht mehr da-ran zu arbeiten.
Die FDP hat konstruktive Vorschläge eingebracht. Siefinden auch Gehör. Darum richte ich ein herzliches Dan-keschön an das Ministerium. Ihnen, liebe Ministerin,wünsche ich ein gutes Händchen und viel Erfolg für dieArbeit. Wir werden Sie konstruktiv unterstützen.Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht nachwie vor ganz oben auf der Agenda. Flexibilisierung isthier das große Stichwort; denn wir wollen lebensnah anden Familien dran sein. Ich weiß aus der Vorhabenpla-nung, dass das Ministerium und die Koalitionsfraktionenden richtigen, den lebensnahen Weg gehen werden.
Beim Ausbau der Kinderbetreuung kann ich nur be-stätigen, was die Kolleginnen und Kollegen gesagt ha-ben: Wir dürfen uns keinen Sand in die Augen streuenlassen. Die Vertreter der Kommunen saßen mit amTisch. Das Jahr 2013 kommt nicht überraschend. Ichhöre immer wieder, für Kinder sei kein Geld vorhanden,aber ich höre nicht, dass für andere Prioritätensetzungenkein Geld vorhanden ist. Zu viele Sportstätten, zu vielePrestigeobjekte werden von den Kommunen gebaut, ob-wohl angeblich Geld in der Kasse fehlt. Wir setzen unsin den Kommunen und in den Ländern, in denen wir re-gieren, dafür ein, dass in die Zukunft investiert wird. Wirhalten unser Versprechen.
Beim Kinderschutzgesetz war uns – jetzt sind Siebitte wieder ganz still, weil Ihnen das auch wichtig war –das Thema Prävention sehr wichtig. Prävention und In-tervention – auch das wird kommen. Wir werden eine ei-genständige Jugendpolitik haben. Der Kollege Gehringist jetzt leider nicht da; der hat vorhin ganz laut ge-swbsfauwtB–w–zscDfrdzWmJesmSwWvmv
nd den Blick nicht immer nur auf Frauen richten. Wirerden unseren Blick nach wie vor auf die Frauen rich-en, aber auch auf Jungs, die nachgewiesenermaßen dieildungsverlierer von heute sind.
Liebe Ekin, du hast ja auch einen Sohn. Ich glaube, wirerden uns da thematisch irgendwann annähern.
Frau Marks, Sie brauchen Blätter, um überhaupt redenu können. Von daher müssten Sie eigentlich ganz stillein.
Ich kann den Rest der Debatte auch ganz frei spre-hen.
as können Sie nicht, Frau Marks.
Für uns ist es ein ganz wichtiger Punkt, dass wir dieamilienpolitischen Leistungen evaluieren und zielge-ichtet bewerten. Auch das haben Sie nur gefordert, inen letzten vier Jahren aber nichts gemacht.Zum Thema Wachstumsbeschleunigungsgesetz undum Vorwurf, wir würden nichts für die Familien tun.as haben Sie gemacht? Sie haben erst einmal den Fa-ilien das Geld weggenommen. Mein Sohn ist fünfahre alt. Er hat eines schon verstanden: Wenn man ihmtwas wegnimmt und dann so tut, als würde man es ihmchenken, dann sagt er zu mir: Mama, das brauchst duir nicht zu schenken; das gehört sowieso mir. So gehenie mit den Steuergeldern um. Sie nehmen das Geld ersteg und tun dann so, als würden Sie es verschenken.ir lassen das Geld in den Taschen der Familien undertrauen darauf, dass die Familien wissen, was sie da-it zu tun haben.
Frau Gruß, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Frei gesprochen. Frau Marks, das nächste Mal bitteon Ihnen.Danke.
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Miriam Gruß
Der Kollege Andreas Mattfeldt hat jetzt das Wort für
die CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Mi-nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehrgeehrten Damen und Herren!Kinder sind unsere besten Richter.Dieser Ausspruch von Otto von Bismarck ist auch heutenoch der Maßstab für die Familienpolitik der Union.
Wir müssen Familien unterstützen, die Kinder schüt-zen und den sozialen Zusammenhalt der Generationenausbauen und festigen. Familie muss wieder das Erfolgs-modell der Gesellschaft werden. Die Familie ist ein fes-tes Fundament für Kinder und bietet Halt und Orientie-rung.
Im Gegensatz zu vielen in diesem Hause sprechen wirin der Union nicht nur davon, etwas für Familien zu tun,sondern wir setzen unsere Worte auch in Taten um. Alsehemaliger Bürgermeister einer 15 000-Einwohner-Ge-meinde war ich für sechs Kindertagesstätten verantwort-lich. Ich kann Ihnen sagen: Ich war beeindruckt, mitwelch einer Hartnäckigkeit unter Führung der Union derKrippenausbau durchgesetzt und vor allem auch mas-siv unterstützt wurde.
Deshalb dürfen wir mit Stolz sagen: Wir blicken aufeine äußerst fortschrittliche Familienpolitik in den letz-ten vier Jahren zurück. Familienpolitik ist das Schwer-punktthema der Union. Wir werden die Rahmenbedin-gungen für Familien weiter verbessern. Frau Golze, wirbrauchen von Ihrer Seite nun wirklich keinen Nachhil-feunterricht; denn dort, wo Sie regieren, nämlich hier, inBerlin, ist die Kinderarmut am größten. Politik unter Ih-rer Führung bedeutet Armut für Kinder. Das ist mit unsmit Sicherheit nicht zu machen.
Die Menschen im Land haben es anscheinend auchverstanden. Einer Allensbach-Umfrage zufolge sind50 Prozent der Befragten der Meinung, dass unsere Fa-milienpolitik der letzten Jahre die Bedingungen für Fa-milien verbessert hat. Dies zeigt sich beeindruckend ander Entwicklung im Einzelplan 17. Der Einzelplan 17hat sich von 2001 bis zum heutigen Entwurf um19 Prozent erhöht. Das ist eine stolze Leistung.
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Zur Stärkung der Familien trägt auch das Elterngeldei. Hier wurde der Haushaltsansatz erhöht, und zwaruf 4,48 Milliarden Euro. Das sind 80 Millionen Euroehr als im letzten Jahr. Diese Entwicklung zeigt dieositive Akzeptanz des Elterngeldes. Der Anstieg ist aufie verstärkte Inanspruchnahme der Vätermonate zu-ückzuführen. Die Zahl der Väter, die ihre Kinder in denrsten Lebensmonaten betreuen wollen, ist stetig gestie-en. Mit dem Elterngeld haben wir in der Union dieahmenbedingungen geschaffen, dass sich beide Eltern-eile in den so wichtigen ersten Lebensmonaten gemein-am um ihr Kind kümmern können. Eine erheblich stär-ere, vor allem aber auch emotional bessere Bindungwischen Vater und Kind ist das positive Ergebnis.
Der Erfolg des Elterngeldes hat uns gezeigt, dass wiruf dem richtigen Weg sind. Deshalb bin ich der Minis-erin sehr dankbar, dass sie dieses Erfolgsmodell in denommenden Jahren ausbauen möchte. Auch wenn wiraushälter sehr sparsam sind, halte ich es für erforder-ich, das Teilelterngeld einzuführen. Eltern, die bewusstum Wohle ihres Kindes Teilzeit arbeiten, sollen zukünf-ig nicht mehr dadurch bestraft werden, dass bei gleich-eitiger Inanspruchnahme ein doppelter Anspruchsver-rauch angerechnet wird. Damit wollen wir Eltern inhrem Kinderwunsch mehr unterstützen. Die Eltern kön-en dann eine Zeit lang weniger arbeiten und müssenicht ganz aus dem Berufsleben aussteigen. Das kannerade in wirtschaftlich schwierigeren Zeiten sehr sinn-oll sein.Ein weiterer Ausblick gilt dem Jahr 2013. Wir werdenie Zeit bis dahin sorgfältig nutzen und intensiv beraten,amit Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen und er-iehen möchten, Anerkennung erfahren. Es ist für michnerträglich, wie in diesem Haus das Betreuungsgeldls Herdprämie verunglimpft wird.
ir sind uns doch wohl einig, dass die große Mehrheiter Eltern ihrem Erziehungsauftrag gerecht wird. Die El-ern leisten in der breiten Mehrheit eine ausgezeichneterbeit zum Wohle ihrer Kinder.
s ist einfach nur unwürdig, wie Sie alle verantwor-ungsvollen Eltern hier unter Generalverdacht stellen
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1420 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Andreas Mattfeldtund suggerieren, als würde das Betreuungsgeld nur ver-prasst werden.
Die Kindererziehung in den ersten Jahren durch Mütterund Väter verdient genauso Anerkennung wie die Arbeitunserer Erzieherinnen und Erzieher in den Kindertages-stätten. Es geht um Anerkennung.
Die Herkulesaufgabe in den kommenden Jahren wirdbei der Arbeit im Seniorenbereich liegen. In 20 Jahrenwird jeder dritte Bundesbürger älter als 60 Jahre sein.Dieser Herausforderung müssen wir uns mit pragmati-schen Lösungen stellen. Unsere vorrangige Aufgabewird es sein, diejenigen, die hilfe- und pflegebedürftigsind, zu unterstützen. Sie haben Anspruch auf eine men-schenwürdige Pflege im Alter. Hierfür benötigen wirnicht nur qualifiziertes Fachpersonal, sondern es bedarfauch der Unterstützung der pflegenden Angehörigen.Das haben Sie richtig gesehen, Frau Ministerin.
Die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit vonPflege, Beruf und Familie müssen verbessert werden.
Meine Damen und Herren, bei all diesen Zielen dür-fen wir aber nicht vergessen, dass wir schon im kom-menden Jahr deutlichere Anstrengungen unternehmenmüssen, die Schuldenbremse einzuhalten. Wie eingangsgesagt, die Kinder sind unsere Richter. Das bedeutet, wirmüssen noch verantwortungsbewusster im Sinne nach-folgender Generationen mit unserem Geld haushalten.Natürlich muss an gesetzlich zugesagten Familien-leistungen festgehalten werden. Wir alle sind uns, wieich hoffe, genauso einig, dass wir in der Verantwortungstehen, sämtliche Ausgaben auf ihre Wirksamkeit zuüberprüfen. Auch dies wird eine große Aufgabe. Hiermüssen wir ansetzen. Wir tun es für unsere Kinder; des-sen müssen wir uns immer bewusst sein. Strengen wiruns also gemeinsam an!Herzlichen Dank.
Herr Kollege Mattfeldt, das war Ihre erste Rede imDeutschen Bundestag. Dazu gratulieren wir Ihnen rechtherzlich und wünschen viel Erfolg bei der Arbeit!
Zu diesem Einzelplan liegen keine weiteren Wortmel-dungen vor.msRNnGpggwdisDKWEtigsHdranddPCiTbk
Dr. Norbert Röttgen, Bundesminister für Umwelt,aturschutz und Reaktorsicherheit:Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-en und Kollegen! Diese Parlamentsdebatte ist die ersteelegenheit, hier im Parlament auf den Gipfel von Ko-enhagen zu sprechen zu kommen. Darüber könnte vielesprochen werden. Über die Enttäuschung, die er aus-elöst hat, über das, was er nicht gebracht hat, von demir gesagt haben: Das ist unser dringendes Interesse undas, was geleistet werden muss.Ich möchte in dieser Debatte eine Konsequenz, diech daraus ziehe – ich halte sie für die wichtigste –, an-prechen.
iese Konsequenz lautet: Jetzt erst recht machen wirlimaschutz.
ir lassen uns nicht zurückfallen.
Alle Enttäuschten möchte ich davor warnen, dass ihrenttäuschung in Resignation umschlägt. Mit Resigna-ion werden wir keine Veränderung erreichen. Das sagech auch an die Adresse all derjenigen, die jetzt die Gele-enheit wittern, unseren Kurs der entschlossenen Klima-chutzpolitik ändern zu können. Nein, meine Damen underren: Jetzt erst recht.
„Jetzt erst recht“ ist keine Trotzhaltung, die wir anen Tag legen, weil wir recht behalten wollen. „Jetzt erstecht“ ist eine Konsequenz aus einer ganz nüchternen,ber fundamentalen Einschätzung, die mir während mei-er Teilnahme an der Konferenz von Kopenhagen undanach klarer geworden ist, als sie es vorher war. Füren Kern und die entscheidende Rechtfertigung unsererolitik halte ich die Feststellung, dass Klimaschutz,O2-Reduzierung, Ressourcenschonung ganz allgemein,m Zentrum der ökonomischen und geopolitischenransformation stehen, in der sich unsere Welt derzeitefindet.
Das ist auch deshalb so, weil diejenigen, die vielleichtein Abkommen wollen, zum Beispiel China – China
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1421
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Bundesminister Dr. Norbert Röttgenhat sich jedenfalls nicht dafür ausgesprochen und einge-setzt –, in ihrem eigenen Land erkannt haben, dass esdieser Veränderungen bedarf. In China setzt man näm-lich auf Technologie, weil man die Klimafolgen spürtund die Chancen auf den Märkten ergreifen will. DasGleiche gilt für die amerikanische Administration. Siehat allerdings Probleme, dafür im eigenen Land Mehr-heiten zu organisieren.Ganz nebenbei: Die ökonomische Transformation, inder wir uns befinden, hat nicht nur eine geopolitischeBedeutung, die man erleben kann, wenn der amerikani-sche Präsident mit dem stellvertretenden AußenministerChinas in einem Raum verhandelt, um anschließend indas Hotelzimmer des chinesischen Ministerpräsidentenzu gehen, in dem die anderen Führer der Basic-Staaten,der Schwellenländer, zusammensitzen. In dieser Situa-tion wird geradezu hautnah spürbar, dass die Welt imFluss ist und dass mit Blick auf die Klimaschutzpolitikauch internationale Macht neu verteilt wird, aber nochnicht neu verteilt ist.
Das ist auch ein Systemwettbewerb: Ist ein autoritäresRegime, das Ziele einfach in den Fünfjahresplan schrei-ben kann, besser in der Lage, Ziele zu erreichen, als De-mokratien, in denen Politik immer der Legitimation undder Akzeptanz bedarf? In diesem Wettbewerb sind wir,und das möchte ich vermitteln.Die deutsche Position – wir arbeiten daran, dass einenoch geschlossenere europäische Position zustandekommt – besteht darin, diesen Prozess, der so oder sostattfindet, mit unseren Werten, mit unseren Interessenoffensiv zu gestalten, statt alte Strukturen defensiv zu er-halten. Für diese Offensivstrategie, für die wir eintreten,bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.
Wir sind in der besten Position von allen, aus diesemProzess als Gewinner hervorzugehen. Dieser Prozessfindet statt, weil er eine ökonomische Notwendigkeit ist.Wenn wir so weiterleben und die Milliarden Menschenaus den ärmeren Ländern, die sich danach sehnen, unse-ren Wohlstand zu erreichen, die westliche Lebensweiseannähmen, würde der Planet das nicht aushalten. Um desSchutzes unseres Planeten willen – es geht um die Erhal-tung der natürlichen Lebensgrundlagen –, aber ebenso,damit wir auch in Zukunft Wohlstand und Wachstum ha-ben, ist es eine schiere Notwendigkeit, Klimaschutzpoli-tik zu betreiben. Das ist die Grundlage für die Politik,die wir machen.
Darum bleiben wir bei dem nationalen Ziel, den CO2-Ausstoß um 40 Prozent zu reduzieren.
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as ist das, was wir erreichen wollen.Man kann es auch so formulieren: Wir haben in Ko-enhagen versucht, dadurch, dass Deutschland unduropa mit ambitionierten Zielen vorangehen, andereegionen, die Welt mitzuziehen. Damit waren wir nichtrfolgreich; ich mache bei dieser Feststellung keinerleiinschränkungen. Die Schlussfolgerung daraus, dass wirabei, andere mitzuziehen, nicht erfolgreich waren, istür mich nicht, aufzugeben, sondern dazu überzugehen,ie anderen anzutreiben.
enn wir sind in einem Wettbewerb, und wir wollen die-en Wettbewerb gewinnen.
Unsere Strategie ist zugleich eine ökonomische wieine klimaschutzpolitische Strategie; ich habe das be-ont, und ich betone das. Die Energiepolitik ist ein zen-rales Feld, auf dem sich konkret erweist, wie wir dieiele unserer ökonomischen und klimaschutzpolitischentrategie umsetzen wollen. Die Vorgaben, die wir in dernergiepolitik machen – die in dieser Wahlperiode, ja iniesem Jahr 2010 eine wichtige Rolle spielen wird –,ind klar: Der CO2-Ausstoß ist bis 2020 um 40 Prozentu reduzieren, bis 2050 um mindestens 80 Prozent.Die Stellschrauben sind klar: Sie heißen Energieeffi-ienz, und sie heißen erneuerbare Energien. Das sind dieckpfeiler unserer Energiepolitik. Zur CO2-Reduzierungabe ich Ausführungen gemacht. Energieeffizienz wirdm meisten dazu beitragen – ich will diesen Aspekt beto-en –, dass wir die Ziele erreichen. Wir dürfen, wenn wirnergiepolitik machen, nicht nur auf die Angebotsseitechauen, wir müssen auch die Nachfrage nach Strometrachten. Wir dürfen den Bürger nicht wie bislang alsassiven Stromabnehmer verstehen, sondern müssen ihnu einem aktiven Teilnehmer am Strommarkt machen.as ist möglich: Durch intelligente Messsysteme könnenir das individuelle Verbrauchsverhalten steuern. Dazurauchen wir aber ganz andere Netze – intelligenteetze –, und dafür brauchen wir Investitionen. Genauas ist unsere Energiepolitik. Wir nehmen auch den Ver-raucher in den Blick. Wir wollen auch durch indivi-uelle, intelligente Verbrauchssteuerung Energiepolitikachen. Das ist eine neue Sichtweise.
Zur Energiepolitik gehört – das ist keine Frage –, diengebotsseite zu betrachten. Die Angebotsseite ist be-timmt durch eine politische Vorgabe. Das kann man an-ers sehen – andere Länder sehen das anders –, aber ichage: Wir sehen es so, alle Parteien, die die Koalitions-
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1422 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Bundesminister Dr. Norbert Röttgenvereinbarung verfasst haben, sehen es so. Wir zielen da-rauf ab, dass unsere Energieversorgung weitestgehend,hauptsächlich auf erneuerbaren Energiequellen be-ruht. Wollen wir dieses Ziel bis 2050 erreichen, müssenwir eine dynamische Entwicklung und Veränderung un-seres Energiemixes erreichen. Das heißt dann Brücken-funktion: dass die erneuerbaren Energien insbesonderedie Kernenergie, aber auch die fossile Energie sukzes-sive ersetzen, sobald und soweit dies sicher möglich ist.Das ist unser Ziel, das ist der Prozess, an den wir heran-gehen, meine Damen und Herren.
Das ist ein langer Prozess von 40 Jahren. Aber trotzdemmüssen wir heute die Entscheidungen treffen.
– Ja, wir werden das genau nach diesem Prinzip machen:nicht mit politischer Willkür, sondern nach diesem Prin-zip. Wir können ja unterschiedlicher Auffassung sein.
Ich sage es noch einmal, damit es klar ist: Die erneu-erbaren Energien werden in einem dynamischen Prozesssukzessive die Kernenergie und fossile Energiequellenersetzen. Diese Koalitionsvereinbarung werden wir um-setzen.
Entscheidungen treffen wir heute. Wenn wir dies vonden Energieversorgungsunternehmen erwarten, wobeiman auch die Marktpotenziale sehen muss, die für siedarin stecken, dann haben wir auch eine politischeBringschuld. Die politische Bringschuld heißt Klarheit.Was wir wollen, setzt gewaltige Investitionen voraus.Für solche Investitionen und Investitions- und Rendite-zyklen brauchen wir heute Klarheit. Darum stellt sichdiese Regierung anders als Vorgängerregierungen seitzehn Jahren der Herausforderung, ein politisches Ge-samtkonzept zu erstellen.
Das werden wir in diesem Jahr tun, um die notwendigeKlarheit zu geben.
Nach der Verbrauchersicht und dem energiepoliti-schen Konzept bekunde ich Ihnen noch eine dritte Ver-änderung gegenüber meinen beiden Vorgängern. ZurEnergiepolitik und zu den Kernkraftwerken, die wir be-treiben, gehört auch die Entsorgung. Das ist eine Lastaus der Vergangenheit, die mit dem Betreiben von Kern-kraftwerken verbunden ist, meine Damen und Herren.
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Sie haben sich vor der Verantwortung gedrückt, weilie unangenehm ist. Ich halte mich gar nicht lange miter Vergangenheit auf.
ch sage es jetzt für mich: Ich bin nicht bereit, die Ent-orgungsfrage als ungelöste Frage zukünftigen Generati-nen zu überlassen.
ir drücken uns nicht vor dieser Verantwortung für dieächsten Generationen. In diesem Sinne bin ich dashema Asse angegangen, und in diesem Sinne werdenir das Thema Gorleben angehen. In engem Kontaktnd im Austausch mit einer sehr konstruktiven örtlichenevölkerung werden wir das tun. Wir werden weiterhinm Vertrauen und Kooperation werben und an Lösungenrbeiten.
In diesem Sinne werden wir auch die erneuerbarennergien weiter massiv fördern. Wir werden dies bei derotovoltaik tun. Ich habe den Gesetzesvorschlag ges-ern gemacht. Wir werden die Fotovoltaik und ihre Nut-ung aus der Nischenrolle, die sie bislang mit 1 Prozentn der Stromversorgung hat, dadurch herausholen, dassir sie in einen verlässlichen, im Hinblick auf den Marktnpassungsfähigen Rahmen einfügen, und ihr so eineeue Zukunft geben. In zehn Jahren werden wir im Ver-leich zu heute bei einem Ausbauvolumen von 4 bis Prozent, also bei vier- bis fünfmal so viel Solarenergien Deutschland sein. Das ist unser Ziel. Ich habe unsereorschläge dazu gestern vorgelegt.
Vielleicht verlieren Sie Ihre Voreingenommenheit,enn Sie ein paar Kommentare aus der heutigen Presse-andschaft zur Kenntnis nehmen. Ich zitiere zunächst ei-ige Überschriften. Michael Bauchmüller in der Süd-eutschen Zeitung kommentiert in der Überschrift:Clever und hart“. Ich zitiere Jens Heitmann zu unserenorschlägen; die Überschrift in der Hannoverschen All-emeinen Zeitung lautet: „Solarbranche überfördert“.ch zitiere Thomas Exner, Die Welt: „Sinnvoller Ein-chnitt“. Aus der Frankfurter Rundschau zitiere ich
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1423
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Bundesminister Dr. Norbert RöttgenFrank-Thomas Wenzel etwas weiter gehend, weil er un-sere Politik sehr gut wiedergibt:… wir müssen möglichst bald die sogenannte Netz-parität erreichen. Das bedeutet, der Strom vomSolardach wird dann so viel kosten wie der Stromaus der Steckdose. Das ist notwendig, um die Ver-hältnisse in der Energiewirtschaft zum Tanzen zubringen. Deshalb muss das Schmuckstück deut-scher Industriepolitik, das Erneuerbare-Energien-Gesetz, weiterentwickelt werden.Eine entscheidende Komponente hat bislang ge-fehlt. Es gab nur eine unzureichende Rückkopplungzur Markt- und Preisentwicklung – genau dies hatdie Innovationskraft erlahmen lassen.Umweltminister Norbert Röttgen holt Versäumtesnach: Je mehr Anlagen in einem Jahr hinzukom-men, was darauf hindeutet, dass die solare Strom-erzeugung hoch rentierlich ist, umso stärker werdendie Einspeisevergütungen gekürzt. Noch wichtigerist: Erlahmt das Geschäft, fällt die Absenkung derVergütung geringer aus. Das stabilisiert.Leider kommt das neue Instrument mit reichlichVerspätung. Deshalb ist der zusätzliche Abschlagnötig.Genau das ist unsere Politik, die in der Breite Zustim-mung findet, weil sie eine dem Markt angepasste Strate-gie für die Zukunft der erneuerbaren Energien ist.
Ich will mit einem Hinweis darauf schließen, dass dieUNO dieses Jahr zum Jahr der biologischen Vielfalterklärt hat. Leider ist die Zeit knapp, aber ich bitte umErlaubnis, das noch vortragen zu dürfen. Ich will mit denWorten und Einschätzungen von zwei Institutionen zumSchluss kommen.Zum einen hat Papst Benedikt zu Beginn dieses Jah-res gegenüber der Weltöffentlichkeit von seiner großenSorge um die Bewahrung der Schöpfung als moralischeHerausforderung und wichtigen Faktor für Frieden undGerechtigkeit gesprochen. Die Wirtschaftskrise und dieglobale Klimaproblematik haben nach der Auffassungdes Papstes dieselben Wurzeln, nämlich eine egoistischeund materialistische Mentalität.
Der geforderte Wandel bestehe deshalb vor allem in dermoralischen Herausforderung, unser Verhalten zu än-dern.Das Worldwatch Institute ist in seinem Bericht ZurLage der Welt zu dem Ergebnis gekommen, dass 1987der ökologische Fußabdruck der Menschheit erstmalsdie Regenerationsfähigkeit der Erde überschritten hat.WwWdPGddgDWeItwdesglebVurSHDd
enau so ist es. Wenn Politiker auf die Wertgrundlagenes Handelns hinweisen, dann werden sie damit diskre-itiert, dass sie handeln sollen, statt über Werte zu predi-en.
as ist richtig. Darum ist es gut, dass der Papst dieseerte betont hat.
Ich möchte deshalb bekunden, dass die Natur für unsinen Eigenwert hat.
ch möchte auch betonen, dass wir um die Dienstleis-ungsfunktion ganzer Ökosysteme für den Menschenissen. Darum dient das Jahr der biologischen Vielfaltazu, den Raubbau und die Zerstörung der Natur zu be-nden, ein Abkommen im Kampf gegen Biopiraterie zuchließen und Institutionen zu stärken, um des Respektesegenüber der Natur, aber auch um des Menschen wil-en.Darum machen wir von der Klimaschutzpolitik überine konkrete Energiepolitik mit der Förderung erneuer-arer Energien bis hin zum Schutz der biologischenielfalt konkrete Politik für die Zukunft der Menschennd der nächsten Generationen. Ich bitte alle, denen da-an etwas liegt, um Unterstützung.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Matthias Miersch für die
PD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Minister, ich habe sehr aufmerksam zugehört.iese Rede unterschied sich wenig von den anderen Re-en, die wir bislang von Ihnen gehört haben.
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Dr. Matthias MierschSie hören sich gut an, aber ich finde, es wird Zeit, Sieauch ein bisschen an Ihren Taten zu messen. Das will ichtun.Sie haben in der Aussprache zur Regierungserklärungam 11. November 2009 gesagt, ein Ziel sei es, das Leit-prinzip der Nachhaltigkeit durchzusetzen. Die wichtigs-ten Felder der Umweltpolitik seien Klimaschutz, Ener-giepolitik und der Schutz der biologischen Vielfalt. Ichmöchte Ihnen fünf Beispiele nennen, an denen ich deut-lich machen will, dass jedenfalls gegenwärtig Worte undTaten weit auseinander liegen.Erstes Beispiel ist das Thema Nachhaltigkeit, daszwar in den Reden sehr häufig vorkommt, aber nur dannspannend ist, wenn es wirklich konkret wird. Lassen Sieuns den Blick auf den Haushalt mit seiner Rekordver-schuldung und auf Ihren Wachstumsbegriff richten; dennSie garnieren das Ganze noch mit einem sogenanntenWachstumsbeschleunigungsgesetz. Ich frage Sie: Werwächst eigentlich? Wohin wachsen wir? Wo sind unsereGrenzen, die wir als Umweltpolitiker eigentlich sehrdeutlich sehen müssten? Ob Hoteliers oder Erben, sieentziehen dem Staat wichtige Einnahmen, die dann feh-len, um im Klimaschutz aktiv werden zu können.
Ich glaube, der Schlüssel ist, dass wir Wachstum neudenken, dass wir Wachstum tatsächlich mit Nachhaltig-keit verbinden. Wir haben heute Morgen den Beirat fürnachhaltige Entwicklung konstituiert. Wir haben in derletzten Legislaturperiode eine Nachhaltigkeitsprüfungdurchgesetzt, an die sich die Ministerien halten müssen.Wir haben aber nicht dafür gesorgt – das fällt nun auf –,dass auch die Gesetzesvorhaben, die aus dem Parlamentkommen, einer Nachhaltigkeitsprüfung unterzogen wer-den müssen. Das wird schnellstens nachgeholt werdenmüssen; denn uns hätte beispielsweise interessiert, waseine solche Nachhaltigkeitsprüfung beim Wachstumsbe-schleunigungsgesetz erbracht hätte.
Sie haben in der FDP-CDU/CSU-Koalition einen anti-quierten Wachstumsbegriff und haben das Leitprinzipder Nachhaltigkeit zumindest in diesem Haushalt an kei-ner Stelle berücksichtigt.Das zweite Beispiel ist der Klimaschutz als Haupt-ziel der Umweltpolitik in Ihrer Regierungszeit. Wir wis-sen, dass Klimapolitik nach Nicholas Stern viel mehr alsnur Schutz ist. Es geht auch um zentrale ökonomischeFragen. Sie haben in der Aussprache zur Regierungser-klärung am 11. November 2009 argumentiert:… es gibt keinen Plan B … Die Konferenz von Ko-penhagen muss ein Erfolg werden. Wir haben indiesem Prozess eine Vorreiterrolle. Die Stimme un-seres Landes – das zählt zu den Erfahrungen, dieman innerhalb von Tagen machen kann – hat Ge-wicht.IdWndVamwgsnTwehesdbenSMDsEArmKMDMeVabvds1dVndz
as ist mit Ihrer Verhandlungstaktik geschehen? Sie isticht aufgegangen. Schlimmer noch: Sie wurden durchen Minister Niebel regelrecht rasiert; denn der für Ihreerhältnisse hervorragende Antrag, den wir im Umwelt-usschuss durchgewunken hatten, wurde hier im Parla-ent an zentralen Stellen geändert. Diese Änderungenurden von den Verhandlungsteilnehmern in Kopenha-en deutlich kritisiert, lieber Herr Minister. Sie müssenich im Kabinett stärker durchsetzen und dürfen sichicht von einem solchen Fossil – er ist ja zum Fossil desages gekürt worden – über den Tisch ziehen lassen.
Sie sagen, dass Ihr Motto lautet: Jetzt erst recht. – Ichar aber über die Haushaltsrede der Kanzlerin gesternrschrocken; denn diejenigen, die genau zugehört haben,aben festgestellt, dass sie weiter daran festhält – das istin elementarer Fehler –, dass die Europäische Unionich nicht auf das 30-Prozent-Ziel einigt, sondern erstarauf wartet, dass andere nachziehen. So viel Zeit ha-en wir aber nicht mehr. Wenn wir eine Vorreiterrolleinnehmen wollen, dann müssen wir hier unkonditio-iert nach vorne gehen. Wir haben nichts zu verlieren.elbst Sie haben sich in dieser Legislaturperiode auf eineinderung des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent geeinigt.aher verstehe ich nicht, warum nach Kopenhagen eineolche Aussage kommt. Ich will nicht sagen, dass wiruropäer alleine für das Scheitern verantwortlich sind.ber die Europäische Union hatte es in der Hand, Vor-eiter zu sein. Das haben wir mit versemmelt; das konntean in Kopenhagen deutlich vernehmen. Dafür hat dieanzlerin die Verantwortung zu tragen.
Ich frage Sie: Wo sind die in Kopenhagen zugesagtenittel? Wo sind die konkreten Klimaschutzmaßnahmen?ie 130 Millionen Euro, die in diesem Haushalt für dasarktanreizprogramm und kommunale Investitioneningestellt sind, sind gesperrt. Lassen Sie es nicht zurerunsicherung bei den Kommunen kommen, denen Sien anderen Stellen sowieso schon Geld wegnehmen! He-en Sie diese Sperrung auf! Vertrauen ist an dieser Stelleiel wichtiger. Zudem wurden die Mittel für das Gebäu-esanierungsprogramm – das betrifft nicht Ihren Etat,ondern den des Bauministers – von 2,2 Milliarden auf,1 Milliarden Euro gekürzt. Dabei weiß jeder, dass iniesem Bereich großes Potenzial steckt. So darf eineorreiterrolle im Klimaschutz nicht aussehen, Herr Mi-ister.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden Ihnenie Gelegenheit geben, die Lehren aus Kopenhagen zuiehen. Wir werden im Rahmen eines Antrags ein ver-
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Dr. Matthias Mierschbindliches Klimagesetz fordern, und zwar versehen miteinem Monitoring, sodass wir die notwendige Trans-parenz und Steuerung erreichen. Sie haben Klimapolitikals zentrales Ziel definiert, aber ich glaube, dass Sie vondiesem Ziel noch weit entfernt sind.Das dritte Beispiel ist die Energiepolitik. Heute tagtim Kanzleramt eine Elefantenrunde zu diesem Thema.Ich frage Sie: Wann lassen Sie die Katze aus dem Sack?Wann wird der Ausstieg aus dem Ausstieg verkündet?Herr Kollege Röttgen, Ihre erste Handlung, die Beru-fung des Cheflobbyisten der Atomindustrie, HerrHennenhöfer, zum Leiter der Abteilung für Reaktor-sicherheit, zeigt, dass Ihr Handeln nicht mit dem kompa-tibel ist, was Sie heute hier wiederholt haben.
Angesichts der zu erwartenden Milliardengewinne fragtman sich natürlich, welcher Ablasshandel da vonstattengeht.Selbst dieser Haushalt zeigt, dass Atomkraft nichtsmit Nachhaltigkeit zu tun hat. 40 Prozent des Stamm-haushaltes des Umweltministeriums sind schon jetzt fürdie Endlagerproblematik eingestellt – ohne Berücksich-tigung der Asse. Herr Umweltminister, nach Schätzun-gen, die bislang vorliegen – darüber wird man nochstreiten müssen –, müssen wir 1,5 Milliarden Euro al-leine für die Beseitigung der Fehler in der Asse aufwen-den. Das ist mehr als der gesamte Etat des Umweltminis-teriums. Wer auf die Atomenergie setzt, hinterlässt damiteine schwere Hypothek für die Haushalte nachfolgenderGenerationen. Insofern gehen Sie mit der Atomkraftauch finanzpolitisch einen falschen Schritt.
Wer sind Ihre Partner? – Der Chef von E.on Deutsch-land hat erklärt, es gebe keine rechtliche Verpflichtung,sich an den Kosten zu beteiligen. Was ist das für ein Bildvon Gesellschaft und Industrie? Ein bisschen erinnertmich das an so manchen Bankmanager, der sagte, dassdie Bankenkrise wahrscheinlich ein Versehen war. Dannwird aber selbstverständlich verlangt, dass der Steuer-zahler blechen muss. Zwei Drittel der Fässer kommenaus Kernkraftwerken, wenn auch über den Umweg vonForschungsanstalten. Aber die Ursache ist von der In-dustrie gesetzt worden, und insofern kann es nicht sein,dass der Steuerzahler allein bluten muss. Das muss inden Verhandlungen deutlich gemacht werden.
Man sollte auch die Folgen bedenken, die man inzwi-schen erkennen kann, wenn man die Erkenntnisse derWissenschaft genau studiert. Sie werden durch eineLaufzeitverlängerung genau das verhindern, was Sieselbst fordern, nämlich den Ausbau von erneuerbarenEnergien.
BsMgrdktdppnIrreSMdaPFgswldIisfihRutdgbmBgsDaal
Das vierte Beispiel ist die biologische Vielfalt. Da-über kann man im Haushalt wenig nachlesen, dafür aberiniges im Koalitionsvertrag. Darin steht nämlich, dassie das, was wir in der Großen Koalition mit großerühe zur Eingriffsregelung durchgesetzt haben, dass Sieen Dreiklang von Vermeidung, Ausgleich und Ersatzufheben wollen. Wir haben in Deutschland ein zentralesroblem bei der biologischen Vielfalt, und das ist derlächenverbrauch. Jeder, der die Nachhaltigkeitsstrate-ie und den Fortschrittsbericht liest, kann das leicht fest-tellen. Wer an der Eingriffsregelung rütteln will – soie es im Koalitionsvertrag steht –, schützt nicht die bio-ogische Vielfalt, sondern tut genau das Gegenteil. Auchieses vierte Beispiel passt also nicht zu Ihren Worten.
Das fünfte Beispiel schließlich ist das BMU selbst.ch glaube, es ist richtig, über Personalaufstockungenn den Umweltverwaltungen nachzudenken. Es gibt einehr interessantes Gutachten des Sachverständigenratesür Umweltfragen, der uns aufgezeigt hat, dass es geradem Verwaltungsvollzug hapert. In diesem Zusammen-ang war wieder von „Indianern“ und „Häuptlingen“ dieede. Was machen Sie? Sie dehnen den Leitungsstabnd vor allen Dingen das, was mit Kommunikation zuun hat, aus.Lieber Herr Kollege Röttgen, lieber Herr Minister,iese fünf Beispiele machen deutlich, dass mehr Tatenefordert sind und nicht nur gute Kommunikation. Ichitte Sie, auch hier zu prüfen, inwieweit ein bisschenehr Indianer und weniger Häuptlinge einzusetzen sind.
Die Kanzlerin hat gestern in ihrer Haushaltsrede inezug auf die Finanzkrise gesagt: Wir standen am Ab-rund. Ich wünsche mir, dass auch bei uns das Bewusst-ein geschärft wird, dass es nicht nur um ein finanziellesesaster gegangen ist, sondern auch darum, dass wir annderer Stelle, nämlich im Bereich der Klimapolitik undll der damit einhergehenden ökonomischen und sozia-en Verwerfungen, am Abgrund stehen. Ich wünsche mir,
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Dr. Matthias Mierschdass wir ein bisschen von dem Bewusstsein haben, daswir in diesem Haus hatten, als es innerhalb von einerWoche möglich war, Milliardenbeträge zur Rettung vonBanken zur Verfügung zu stellen. Wenn es uns gelingt,die großen Themen, die wir hier nur ansatzweise bespre-chen können, in das Bewusstsein dieses Parlaments unddieser Regierung zu rücken, dann wäre viel gewonnen.Nicht nur die Finanzindustrie steht am Abgrund – sie istmenschlich beherrschbar –, sondern auch die Natur. Sieist allerdings kein Verhandlungspartner; insofern müssenIhren Worten viel mehr Taten folgen.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Michael Kauch für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Klima-schutz ist unser nationales Interesse. Klimaschutz istWettbewerbsmotor. Deshalb ist es richtig, dass diese Ko-alition auch nach Kopenhagen daran festhält: 40 ProzentEmissionsminderung bis 2020 ohne Wenn und Aber. Dasist ein Erfolg.
Die Opposition ist ihrer Verantwortung in Kopen-hagen – Kollege Miersch hat das hier angedeutet – nichtgerecht geworden.
Es war bisher immer so, dass wir deutschen Abgeordne-ten auf internationalen Konferenzen mit einer Stimmegesprochen haben. Was haben Sie gemacht? Sie habender Regierung Knüppel zwischen die Beine geworfen,indem Sie sie diffamiert haben, was nicht richtig war.
Am Schluss haben wir erreicht, dass wir genau in demPunkt, den Sie kritisiert haben – nämlich bei der Finan-zierung der Transfers zwischen Industriestaaten und Ent-wicklungsländern –, einen Erfolg erzielt haben. Das istein Erfolg von Minister Röttgen und von MinisterNiebel. Da können Sie noch so viel zetern.
Herr Miersch übt eine neue Funktion aus und durftedeshalb lange reden. Es wäre trotzdem gut gewesen,wenn Sie, Herr Miersch, sich einmal die Fakten ange-sGMtIdWGEdvshhihggbESEVwkrrWfgrnVlszgdWanÜgdcfü
Diese Koalition steht für den Ausbau erneuerbarernergien. Deshalb halten wir in diesem Bundeshaushaltie Mittel für das Marktanreizprogramm auf hohem Ni-eau konstant. Deshalb haben wir im Wachstumsbe-chleunigungsgesetz die von der SPD geplante Erhö-ung der Steuern auf Biokraftstoffe gestoppt. Deshalbaben wir das Vertrauen in das EEG wiederhergestellt,ndem wir rückwirkende Eingriffe in Investitionen ver-indert haben. Dass das Ganze in weniger als 100 Tageneschehen ist, ist eine gute Bilanz der neuen Koalition.
Im Koalitionsvertrag finden sich eine Menge Festle-ungen – viele auch langfristig – zugunsten der erneuer-aren Energien. Der Einspeisevorrang für erneuerbarenergien bleibt unbegrenzt erhalten. Wir werden diepeicherbarkeit und die Netzintegration erneuerbarernergien verbessern. Wir werden – das schulden wir denerbraucherinnen und Verbrauchern – die Förderungirtschaftlicher machen.Wir bekennen uns zur Solarenergie als wichtiger Zu-unftstechnologie am Standort Deutschland. Wir Libe-ale werden dafür sorgen, dass eine Reform der Förde-ung den Markt für Solartechnik nicht abwürgt.
ir Liberale begrüßen es, wenn es höhere Ausbauzieleür Solarenergie als im bisherigen Erneuerbare-Ener-ien-Gesetz gibt. Wir befürworten es, wenn die Förde-ung flexibler gestaltet wird, je nach Markterfolg der er-euerbaren Energien mit Zu- oder Abschlägen. Dieorschläge des Bundesumweltministers sind nun Grund-age für die weiteren Beratungen in der Koalition. Ichage aber auch deutlich: Wir machen sie uns noch nichtu eigen. Klar ist: Die Förderung wird nicht in der Re-ierung, sondern hier im Deutschen Bundestag entschie-en.
Die FDP wird für eine Reform mit Augenmaß sorgen.ir sagen aber auch ganz klar in Richtung der Anwürfeus der Opposition: Es kann nicht sein, dass wir bei ei-em massiven Preisverfall von Anlagen dauerhafteberförderungen hinnehmen. Die Renditen der Anla-enbetreiber fallen schließlich nicht vom Himmel, son-ern sie werden von den Verbraucherinnen und Verbrau-hern bezahlt. Wenn die Renditen das normale Maß, dasür die Förderung der Zukunftstechnologien nötig ist,berschreiten, dann, meine lieben Kolleginnen und Kol-
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Michael Kauchlegen gerade von der SPD oder auch von der Linken, istdas nichts anderes als eine Umverteilung von unten nachoben: eine Umverteilung von der kinderreichen Arbei-terfamilie hin zu dem Akademiker, der sich Investoren-modelle mit hoher Rendite für seine Geldanlage leistenkann.
Deshalb sagen wir Nein zur Überförderung. Wir sa-gen Ja dazu, die Solarenergie so zu fördern, dass sie aus-gebaut werden kann, aber dass die Verbraucherinnen undVerbraucher dafür nicht mehr bezahlen müssen, als esunbedingt notwendig ist.
Für die Fraktion Die Linke hat nun der Kollege
Michael Leutert das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es ist schon ein schöner Zufall, dass wir ausgerechnetheute über den Etat des Umweltministeriums sprechen.Sie haben heute Abend zum Atomgipfel ins Kanzleramtgeladen und wollen dabei den Ausstieg aus dem Atom-ausstieg beschließen. Die Katze ist aus dem Sack, HerrKollege Miersch. Wirtschaftsminister Brüderle hat imVorfeld der Verhandlungen versprochen – das konnteman nachlesen –, dass alle Atomkraftwerke weiter be-trieben werden können. Herr Umweltminister Röttgen,mit der Einstellung eines Atomlobbyisten als Leiter derAbteilung für Reaktorsicherheit haben Sie nicht geradeein Zeichen dagegengesetzt.
Meine Frage ist: Wenn Sie den Wünschen der Atom-lobby sowieso entsprechen: Warum laden Sie dann über-haupt noch zu Verhandlungen ein?
– Genau. – Sie bezeichnen – das ist das neue Modewortder Atomkraftbefürworter – die Atomkraft gerne alsBrückentechnologie. Um in dem Bild zu bleiben: Warumbauen Sie die Brücke nicht an der kürzesten Stelle? Wielange soll denn die Brücke werden? Wie lange wollenSie denn die Atomkraftwerke noch laufen lassen? Dassind doch die spannenden Fragen.Wenn Sie jetzt entgegenhalten, dass Sie dafür derAtomindustrie große Zugeständnisse abverlangen wer-den – es heißt sogar, bis zu 50 Prozent der Gewinne ausdugssgAwseKSdzDvsgadeSttkdwibwSbehksKmdavIsh
Der Punkt ist aber ein anderer: die Verknüpfung desnergiepolitischen Roll-backs zur Atomenergie mit demlimaschutz. Das ist die eigentliche umweltpolitischetrategie Ihrer Regierung. Ein Blick in den Haushalt zeigtas auch: Der Umweltetat steigt um ungefähr 7,3 Pro-ent. Das begrüßen wir natürlich.
avon entfallen 15 Millionen Euro auf das Umweltinno-ationsprogramm. Das ist die eine Säule des Aufwuch-es. Knapp 110 Millionen Euro gibt es mehr im Endla-erbereich. Das ist die zweite Säule des Aufwuchses.Nicht hereingeschrieben in den Haushalt haben Siellerdings, welche enormen Folgekosten die Stilllegunger Schachtanlage Asse verursachen wird. Sie wissen esinfach noch nicht.Immer noch gesperrt ist zum Beispiel der Titel zumalzgitterfonds. Selbst im Berichterstattergespräch ges-ern bekam man keine Auskunft, ob denn die Energieun-ernehmen nun ihren Einzahlungsverpflichtungen nach-ommen und, wenn ja, in welcher Höhe.
Immer noch nicht ist im Haushalt abgebildet, wieenn die Stilllegungskosten von Endlagern refinanzierterden sollen. Der Bundesrechnungshof hat letztes Jahrm Juni in einem Bericht ausdrücklich auf dieses Pro-lem hingewiesen. Da steht die Frage im Raum: Wieird dieses Problem geregelt? Soll dies ebenfalls derteuerzahler übernehmen, wie zum Beispiel bei Morsle-en oder Asse?Die Kosten vom Endlager Konrad haben Sie natürlichbenfalls nicht unter Kontrolle. 1,7 Milliarden Euro ste-en derzeit zu Buche. Das sind die geplanten Gesamt-osten. 900 Millionen Euro waren ursprünglich veran-chlagt. Es handelt sich also fast um eine Verdopplung.Diese Zahlen zeigen deutlich: Sie haben erstens dieosten Ihrer Politik nicht unter Kontrolle, und Sie neh-en zweitens billigend in Kauf, dass die Bevölkerungie Risiken zu tragen hat, sowohl die finanziellen alsuch die technologischen und ökologischen Risiken.Indem Sie Atomkraft und Klimaschutz miteinandererkoppeln wollen, versuchen Sie, der Atomenergie dasmage einer umweltfreundlichen Technologie zu verpas-en. Sie konstruieren hier letztendlich einen Zusammen-ang, der erstens so nicht existiert und der zweitens so-
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Michael Leutertgar aus der PR-Abteilung der Atomlobby selbst kommenkönnte.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist keine ökolo-gisch nachhaltige Politik. Aus diesem Grund lehnen wirdiese Politik auch strikt ab.Danke.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun
die Kollegin Dorothea Steiner.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrRöttgen, Sie haben sich ja heute wieder einmal virtuelldas grüne Jäckchen angezogen. Sie haben sehr engagiertverschiedene Entwicklungen geschildert, die aber für dieinformierte politische Öffentlichkeit nicht wirklich neuwaren. Das Neue war nur, dass sie ein Minister einerschwarz-gelben Koalition ausgesprochen und für sich inAnspruch genommen hat. Das ist allerdings auch einwichtiger Fortschritt.
Zu Recht haben Sie den Klimaschutz als Zukunfts-frage behandelt; denn es geht um unsere Lebensgrundla-gen und um die unserer Kinder und Enkelkinder. Außer-dem bleiben uns nur wenige Jahre, um den Klimawandelwirksam abzubremsen. Die Weichen für das Abbremsensind lange noch nicht richtig gestellt.Wir führen ja eine Haushaltsdebatte. Deswegen prü-fen wir am vorgelegten Haushaltsentwurf, wie Herr Mi-nister Röttgen die vielen schönen weihevollen Worteauch in Taten umsetzen will.Fangen wir mit der Klimaschutzinitiative an, die mitden Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel finan-ziert werden soll. Sie ist mit 460 Millionen Euro ausge-stattet. Das ist schon einmal kein großer Wurf. Vorsorg-lich sind außerdem noch 130 Millionen Euro aus demHaushaltsansatz für diese Initiative gesperrt, weil diePreise für die Zertifikate derzeit so niedrig sind. Das be-deutet, Sie machen Klimaschutz abhängig von der Kon-junktur. Wenn die Preise im Keller sind, dann muss Kli-maschutz eben mit halber Kraft betrieben werden. Ichfinde, das sollten Sie schleunigst ändern, wenn Sie wol-len, dass diese Klimaschutzinitiative erfolgreich ist.
Herr Röttgen, Sie haben in Kopenhagen im Zusam-menhang mit dem internationalen Klimaschutz Schiff-bruch erlitten. Das haben wir alle festgestellt. Sie und dieKanzlerin haben gezaudert, als es um die Zusage einerUnterstützung in Höhe von 420 Millionen Euro für dieärmsten Länder der Welt beim Klimaschutz ging. Undwas passiert jetzt? Sie stellen dafür noch nicht einmal1krrdsvzDugzWzewASpzutrSVssgNSdwEmxdgmsBEeaWmsZ
Frau Merkel hat gestern das Zeitalter der erneuerba-en Energien ausgerufen. Wie verträgt sich das damit,ass Sie die Einspeisevergütung für Solarstrom so mas-iv senken wollen, wie Sie es jetzt geplant haben? Wieerträgt sich diese Ansage damit, dass die erhöhte Nut-ung der Windkraft immer wieder ausgebremst wird?as Repowering älterer Anlagen wird massiv behindert,nd bei den Offshore-Windparks in der Nordsee hakt esanz gewaltig. Das funktioniert so: Große Energiekon-erne sichern sich die Planungshoheit für die Offshore-indparks, die vom Volumen her mehrere AKWs erset-en könnten, und anschließend wird die Planung erstinmal auf Eis gelegt. Das ist auch nicht verwunderlich,enn man bedenkt, dass diese Konzerne gleichzeitigtomkraftwerke betreiben.
o kommen wir dem Zeitalter der Erneuerbaren, wieroklamiert, nicht näher, obwohl es für unsere Zukunftwingend ist.Wir machen Ihnen einen Vorschlag: Streichen Sie diemwelt- und klimaschädlichen Subventionen! Das kos-et den Haushalt nichts, hat aber einen hohen Steue-ungseffekt für die Umwelt und für den Klimaschutz.treichen Sie zum Beispiel bei der Energiesteuer dieergünstigungen für die Kohleverstromung und insbe-ondere die Begünstigungen für die Braunkohlewirt-chaft! Das bezieht sich auf den Verzicht auf Förderab-aben, auf Abgaben für die Wasserentnahme etc.ehmen Sie doch die Ermäßigungsregelungen beitrom- und Energiesteuer – das sind Milliarden – undie Ausnahmen von der Ökosteuer zurück!Das Umweltbundesamt hat 2008 die Summe der um-eltschädlichen Subventionen auf circa 42 Milliardenuro beziffert. Jetzt sagen Sie mir bitte: Wie wollen Sieit solchen Subventionierungen, mit einer solchen Pra-is den Ansprüchen im Klimaschutz gerecht werden undas 40-Prozent-Ziel erreichen? Da müssen Sie schonanz anders mit den Besitzstandswahrern umgehen.
Herr Röttgen, wenn Sie effektive Klimaschutzpolitikachen wollen, dann werden Sie nicht umhinkommen,ich große Teile der Energiepolitik von Ministerrüderle zu holen; denn dieser Wahrer der Interessen dernergiekonzerne wird uns allen beim Ausbau der Erneu-rbaren nur Steine in den Weg legen.Jetzt noch ein Satz zum Thema Atom. Viel muss manls Grüne hier dazu nicht sagen; Sie kennen die Position.ir alle hier wissen, dass Sie heute Abend Gesprächeit den AKW-Betreibern führen werden, und wir liegenicherlich nicht schief mit der Vermutung, dass Sie dortusagen in punkto Laufzeitverlängerung machen wer-
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Dorothea Steinerden, die erst nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalenöffentlich werden. Dass wir dann keinen Ausstieg ausdem Ausstieg mit Samtpfötchen haben werden, wage ichschon jetzt zu prophezeien.Wenn Sie alte, unsichere Reaktoren länger laufen las-sen, verursachen Sie nicht nur steigende Kosten für dieSicherheit und besonders für die Entsorgung des Atom-mülls. Sie belasten nicht nur Bürger, sondern auch denzukünftigen Bundeshaushalt bzw. zukünftige Bundes-haushalte und blockieren im Höchstmaß den Ausbau derErneuerbaren. Ich verspreche Ihnen auch hier, dass wirGrüne große Anstrengungen in den Widerstand gegendieses Vorhaben investieren werden, vor allem wenn Sieals erster Endlagerminister, der uns Gorleben als atoma-res Endlager in Niedersachsen verpasst, in die Ge-schichte der Bundesrepublik Deutschland eingehen wol-len.
Bei jedem Haushalt gibt es auch Weichenstellungenin der Personalpolitik. Wir haben mit Interesse vermerkt,dass Sie eine neue Leitung des Kommunikationsstabsplanen, die sich wegen der komplexen Aufgaben insbe-sondere der Akzeptanz des Konzeptes der erneuerbarenEnergien widmen soll. Ich sage Ihnen: In keinem Be-reich ist die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgernso hoch wie bei den Erneuerbaren. Was wollen Sie beider Kommunikation eigentlich ändern? Oder verfolgenSie vielleicht ein anderes Ziel? Ist die Vermittlung derBrückenfunktion und der Klimanützlichkeit der Atom-kraft der eigentliche Auftrag?Wir wollen solche Gelder anders verwendet sehen.Investieren Sie zum Beispiel in die Strategien in Bezugauf Artenvielfalt, auf Biodiversität. Kommunizieren Siehier die Notwendigkeit, den Artenschwund zu stoppen,und schreiben Sie die schönen Passagen, die Sie uns hiervorgetragen haben, Ihren Parteifreunden ins Stamm-buch, die immer wieder die Mopsfledermaus und dieArmleuchteralge anführen, um den Artenschutz lächer-lich zu machen.
Kollegin Steiner, würden Sie bitte auf mein Signal
achten, auch wenn Sie Ihr Manuskript auf das Lämpchen
gelegt haben?
Ja, das mache ich. Ich komme jetzt zum Schluss; ich
war bereits in der Schlusskurve. – Hier Geld zu investie-
ren, ist eine Zukunftsaufgabe für uns alle und hat auch
wirtschaftliche Auswirkungen.
Herr Minister Röttgen, Sie sind mit beachtlichen Vor-
schusslorbeeren und imposanten Ankündigungen gestar-
tet. Auch heute haben Sie wieder entsprechende Ankün-
digungen gemacht. Wir warten nun darauf, dass davon in
der Umweltpolitik und auch im Haushalt konkret etwas
ankommt. Wir versprechen Ihnen unsererseits, in den
Haushaltsberatungen handfeste Vorschläge zu machen.
Aber dann wollen wir auch endlich Taten sehen.
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Das Wort hat der Kollege Dr. Christian Ruck für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Die Haushaltsdebatte 2010 fällt in ein umwelt-olitisch sehr kritisches Jahr. Im Klimabereich müssenir einen neuen Anlauf nehmen nach Kopenhagen undor Mexiko. Die UNO hat das Jahr der biologischenielfalt vor dem Hintergrund ausgerufen, dass auch hierie internationalen Ziele verfehlt worden sind.Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang ein ganzersönliches Wort zu dem, was Sie, Herr Miersch, nachopenhagen über Frau Merkel gesagt haben. Ich bin iniesem Hohen Hause jetzt 20 Jahre auf dem Gebiet dermwelt- und Entwicklungspolitik tätig. Ich habe einigeanzler kommen und gehen sehen. Aber niemand warit Abstand so stark engagiert
nd hat so oft national und international Kopf und Kra-en für sowohl Umweltpolitik als auch Entwicklungspo-itik riskiert wie Bundeskanzlerin Merkel. Deswegeneise ich Ihre Anschuldigungen an die Kanzlerin zu-ück. Sie ist einen Quantensprung besser als ihr Vorgän-er Schröder, der jetzt bei Gazprom gelandet ist.
an kann einen Kampf verlieren, aber man muss vor al-en Dingen kämpfen. Das unterscheidet Frau Merkel vonhrem Vorgänger fundamental.Auch ich war wie wir alle von Kopenhagen ent-äuscht. Es war ein Zirkus, der dem Ernst der Lage nichterecht geworden ist. Wir haben uns in Kopenhagen ge-roffen. Also wissen Sie, wovon ich spreche.Ich gebe dem Minister Röttgen vollkommen recht:achdem die erste Enttäuschung und die erste Wut ver-logen sind, gibt es nur eine Alternative: Wir müssenach vorne schauen, den Kampf wieder aufnehmen unden Blick auf Mexiko und Bonn richten. So hoffe ich,ass eine konstruktive internationale Konferenz der Um-eltminister zustande kommt.Kopenhagen hat natürlich nicht nur Negatives ge-racht. Kopenhagen hat bei genauerer Betrachtung zu-indest eines gebracht: Die Karten liegen auf demisch; die Befindlichkeiten und die Schwierigkeiten derinzelnen Länder sowie die Sinnhaftigkeiten und auchie Unsinnigkeiten sind klar zutage getreten. Es gibt alsoenügend Hinweise, was bis Mexiko zu tun ist.
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1430 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
)
)Dr. Christian RuckIch möchte entgegen der Meinung aller Untergangs-spezialisten, die es auch im NGO-Bereich gegeben hat,ganz ausdrücklich sagen: Wir werden einen neuen An-lauf nehmen. Dazu können auch wir Parlamentarier et-was beitragen. Das indische Parlament spielt in diesemZusammenhang eine starke Rolle. Wenn wir unsere gu-ten parlamentarischen Beziehungen zu Indien nutzen,können wir in den nächsten Monaten auf die indischenParlamentarier einwirken.Dasselbe gilt für die Amerikaner. Es ist doch offen-sichtlich, dass Präsident Obama einen ganz anderenKurs fährt als der frühere Präsident Bush. Aber erbraucht dazu die Unterstützung des Kongresses. Auch dakönnen wir die nächsten Monate nutzen, um den einenoder anderen auf dem Wege der transatlantischenFreundschaft von unserer Position zu überzeugen.Ich komme zu China. Natürlich hat China keine be-sonders gute Rolle gespielt. Aber all diejenigen, die sichmit China beschäftigen, wissen auch, dass es dort vielehochrangige Leute im Politbüro und auf Gouverneurs-ebene gibt, die mit uns im Bereich der Technologie aufdem Kohlesektor gerne zusammenarbeiten wollen. Auchin Bezug auf Indonesien sollten wir – das gilt sowohlfür die Regierung als auch für das Parlament – die Zwi-schenzeit nutzen.
An die Adresse der Entwicklungspolitiker der SPDsage ich: Auch die Afrikaner haben zum Teil einen un-säglichen Beitrag in Kopenhagen geleistet, allen vorandas demokratische Musterland Sudan. Inzwischen sagenalle Afrikaner – außer dem Sudan –: Zur Not machen wirmit. – Das sollten wir in gewisser Weise als Ermutigungverstehen.
Lieber Norbert Röttgen, ich finde es richtig, dass wirDeutsche unverdrossen unseren Weg gehen: Wir kämp-fen für ein rechtsverbindliches Abkommen noch heuer,wir suchen die Koalition der Gutwilligen, und wir bietenselber überzeugende Angebote. Dazu gehört auch dieausgestreckte Hand in Richtung der Entwicklungslän-der. Hier kann ich den Vorwurf, wir hätten keine Ange-bote gemacht, nicht nachvollziehen. Wir haben sehr um-fangreiche Angebote gemacht. Vieles davon steht in denHaushalten des BMZ und des BMU, und zwar seit Jah-ren. Die SPD tut jetzt aber immer so, als wären die letz-ten vier Jahre erfolglos und spurlos an der Welt vorüber-gegangen.
– Stehen Sie doch zu unseren gemeinsamen Erfolgen derletzten vier Jahre! Tun Sie nicht so, als wäre in den letz-ten vier Monaten alles anders geworden! Das ist dochscheinheilig und traurig.
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Zum Ziel der Reduktion der CO2-Emissionen um0 Prozent – Norbert Röttgen hat es wiederholt – sagech: Ich bin froh, dass weiterhin Mittel im Umfang vonindestens 30 Prozent des BMU-Haushalts für die Ver-irklichung dieses Ziels zur Verfügung gestellt werden;ie Ausgaben bleiben also auf hohem Niveau. Auch ichin dafür, dass die Spezialprogramme und -projekte, dieehr erfolgreich gelaufen und mit einem Sperrvermerkedacht sind, weiter von uns unterstützt werden. Das giltum Beispiel für die Regionalprogramme, die sehr er-olgreich laufen. Das gilt auch für das Programm zurörderung von Miniblockheizkraftwerken
nd das hocheffiziente CO2-Gebäudesanierungspro-ramm, das im Haushalt des Kollegen Ramsauer ange-iedelt ist. Hier ist es völlig unsinnig, Herrn Ramsauertwas vorzuwerfen, was sein Vorgänger verbockt hat.ir sollten lieber gemeinsam dafür streiten, dass dieittel für dieses Programm im Bundesverkehrsministe-ium aufgestockt werden können. Wir sollten hier nichtinister Ramsauer beschimpfen, sondern sagen: Wir ha-en ein Interesse daran, dass er in seinem Hause für die-es Programm Unterstützung erhält.
Norbert Röttgen hat die entscheidende Rolle dernergiepolitik angesprochen. In diesem Zusammen-ang wiederhole ich, was ich schon beim letzten Mal ge-agt habe: Es gibt nirgendwo so viele Scheinheiligkei-en, nirgendwo wird so viel gelogen wie in dernergiepolitik. Ich bin davon überzeugt, dass wir die an-pruchsvollen Ziele, die wir uns gemeinsam in diesemause auferlegt haben, ohne einen massiven technischenortschritt und eine Politik der Technologie und der In-ovation auf allen Gebieten nicht erreichen werden, egalb es, Frau Höhn, um die berühmte CO2-Abscheidetech-ik,
m Desertec, Kernfusion oder viele andere Dinge mehreht. Bei all diesen Dingen kommt Deutschland nur mitechnologieoffenheit voran.
Kollege Ruck, achten Sie bitte auf das Zeichen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1431
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Jawohl, letzter Gedanke. – Das bringt uns einen drei-
fachen Vorteil: Mit Technologieoffenheit erreichen wir
unsere Klimaziele und mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Frau Höhn, mit dieser Wettbewerbsfähigkeit erreichen
wir auch einen dritten Vorteil: einen Dominoeffekt, der
dazu führt, dass die anderen Länder, die anderen CO2-
Emittenten, unsere Konkurrenten gar nicht anders kön-
nen als unsere CO2-arme Technologie nachzuahmen.
Kollege Ruck, Sie reden jetzt auf Kosten Ihrer nach-
folgenden Kollegen.
Dann haben wir den Effekt erreicht, den wir erreichen
wollen.
Danke.
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Kelber das
Wort.
Herr Kollege Ruck, ich finde es traurig, dass Sie in
Ihrem Redebeitrag zu einer Sache nicht mehr stehen,
nämlich zu dem gemeinsamen Beschluss von CDU/CSU
und SPD aus dem letzten Jahr, die Mittel für das Gebäu-
desanierungsprogramm so lange aufzustocken, bis je-
dem einzelnen Antrag, der gestellt wird, um einen ver-
günstigten Kredit dafür zu bekommen, bei einem
Gebäude eine Wärmedämmung vorzunehmen, womit
Energiekosten reduziert, Arbeitsplätze geschaffen und
die Umwelt geschont wird, entsprochen werden kann.
Das war ein Beschluss des gemeinsamen Kabinetts.
Sie haben ihn eben kritisiert, genauso wie der Kollege
Kauch, der ihn noch im letzten Jahr begrüßt und heute
kritisiert hat. So schnell ändert sich das, wenn man sich
in anderen Konstellationen befindet. Wir werden be-
obachten: Wird eine Regierung aus CDU/CSU und FDP
ebenso wie eine Regierung unter SPD-Beteiligung bereit
sein, dieses Gebäudesanierungsprogramm finanziell an-
gemessen auszustatten?
Sie haben das Wort zu einer Erwiderung.
Lieber Herr Kollege Kelber, ich kann mich ganz kurz
fassen, weil Herr Kauch auf das, was Sie uns vorwerfen,
schon eingegangen ist.
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as Geld vorzeitig ausgegeben, auch aus Wahlkampf-
ründen,
nd zwar vorauseilend mit Blick auf den nächsten Haus-
alt. Jetzt können Sie seinem Nachfolger nicht vorwer-
en, dass er das Geld, das Tiefensee ausgegeben hat,
icht mehr in der Kasse hat. Das ist doch unsinnig.
Ich habe es doch gesagt: Tun wir gemeinsam alles da-
ür, dass Minister Ramsauer das Geld, das sein Vorgän-
er hinausgeschmissen hat, wieder auffüllen kann.
Richtig. Aber Sie können doch dem Kollegen
amsauer nicht vorwerfen, dass Tiefensee das Geld
chon verfrühstückt hat.
ielmehr muss es unser Ziel sein, dass neues Geld nach-
ommt. Insofern kann ich nur sagen: Unterstützen Sie
ns doch
ich glaube, Sie hören nicht zu, Herr Kelber – in dem
nliegen, diese Gelder wieder aufzufüllen.
ls Umweltschützer und Umweltpolitiker habe ich kein
roblem damit, dem Kollegen Ramsauer eine umwelt-
olitische Maßnahme zu offerieren.
Ich stimme jedem vernünftigen Antrag zu; aber das
ind meist die Anträge, die von uns kommen.
Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Dr. Bärbelofler das Wort.
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1432 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!Ich hatte am gestrigen Abend das zweifelhafte Vergnü-gen, über den Einzelplan für die wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung mitzudiskutieren. Eineskann ich am heutigen Tag positiv feststellen: Ich habeheute vom Minister zumindest schöne Wort gehört. Mei-nes Erachtens ist dies das Einzige, was Sie an dieserStelle unterscheidet.Kollege Ruck ist vorhin im Zusammenhang mit Kli-maschutz und der Konferenz von Kopenhagen auf dasThema Entwicklungspolitik eingegangen. Dazu möchteich ein paar Punkte richtigstellen und einige Dinge deut-lich machen. Überhaupt hat man, wenn man die Debattehier in den letzten zwei Tagen verfolgt, den Eindruck,dass das alles in Kopenhagen gar nicht so schlimm war.Die einen versuchen, dies alles schönzureden und sagen,man werde das Problem in Mexiko oder sonst wo schonnoch in den Griff bekommen. Die anderen in der Regie-rungskoalition, die das Scheitern zur Kenntnis nehmen,machen dafür China oder die USA oder, wie ich heutegelernt habe, die Opposition verantwortlich.
All diese Vorwürfe sind völlig aus der Luft gegriffen undbedeuten einfach nur, dass Sie sich Ihrer Regierungsver-antwortung nicht stellen und sich Ihrer Verantwortungfür das Scheitern der Konferenz von Kopenhagen entzie-hen.
Es ist schön, dass alle Konferenzländer anerkannt ha-ben, dass wir ein Klimaproblem haben; ich formuliere eseinmal so, denn mehr ist ja nicht herausgekommen. Aberdazu, welche konkreten Schritte und Maßnahmen maneinleiten sollte, wurde in Kopenhagen nichts beschlos-sen und auch hier nichts gesagt. Das ist nicht nur dieErkenntnis der Opposition, sondern das haben auch Wis-senschaftler, die in dem Beirat „Globale Umweltverän-derungen“ der Bundesregierung sitzen, in der FAZ imDezember geschrieben. Kopenhagen hinterlässt „Frus-tration, Irritation und Konfusion“, so deren Urteil.Diese Konfusion und Frustration kann ich nachvoll-ziehen. Dies gilt auch für den vorliegenden Haushalts-entwurf. Zum Einzelplan 16 sind viele schöne Worte ge-fallen. Aber wenn es um die Frage des internationalenKlimaschutzes geht, dann fragt man sich: Wo finde ichdazu konkret etwas in diesem Haushalt, über den wirdiskutieren? Ich habe lange im Einzelplan 16 gesucht.Ich habe auch lange im Einzelplan 23 gesucht; denn eskönnte ja sein, dass irgendwo anders etwas steht.Nach langem Suchen habe ich im Einzelplan 16 einkleines Sternchen gefunden. Dort steht: Beim Stamm-haushalt in der Höhe von ungefähr 1,2 Milliarden Euroist die Ermächtigung zu Mehrausgaben für den interna-tionalen Klimaschutz in Höhe von 400 Millionen Euro,als Folge von Kopenhagen, noch nicht berücksichtigt.Herr Minister, es wäre schön gewesen, heute von Ihnenein klärendes Wort zu hören, wie Sie bis zur zweitenbzw. dritten Lesung diese 400 Millionen Euro in denHaushalt einstellen wollen.
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Wenn man bei dieser Gelegenheit einmal nachliest,er laut unserer Verfassung die Leitlinien der Politik be-timmt, dann frage ich mich schon, wo in diesem Mo-ent die Kanzlerin ist. Es ist ihr Kabinett, in dem derine Minister hü und der andere Minister hott sagt bzw.er eine Minister nichts dazu sagt und der andere Minis-er es ablehnt, etwas zu sagen.
Ich denke, es ist wichtig, dass Sie Ihrem Wissen-chaftlichen Beirat genauer zuhören, was bei internatio-alen Verhandlungen das Gebot der Stunde wäre, wenns um den Klimaschutz geht. Das Verursacherprinzipollte anerkannt werden. Die Industrieländer, die überahrhunderte hinweg durch Industrialisierung zum Kli-awandel beigetragen haben, müssen sich entsprechendhrer finanziellen Verantwortung stellen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1433
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Dr. Bärbel Kofler– Ja, Sie schieben die Schuld immer auf die Schwellen-länder. Auch diese Länder, die jetzt viel CO2 emittieren,müssen natürlich ihren Beitrag leisten; das bestreitet kei-ner. Bisher liegt aber die maßgebliche Verantwortung beiden Industrieländern.
Wenn man in einer vielschichtigen Weise darüber dis-kutiert, dann wird man bei den Entwicklungsländernauf eine andere Akzeptanz stoßen und Glaubwürdigkeitbeweisen. Denn das, was im Vorfeld zur Konferenz pas-siert ist, hat dazu geführt, dass viele Länder gesagt ha-ben: Das, was ihr macht, ist nicht glaubwürdig. Wir ver-lassen uns nicht darauf.
Das kann man auch verstehen. Das ist ja auch ein weitesFeld, wenn man sich die Gesamtsumme für die Entwick-lungsländer ansieht; darüber haben wir gestern gespro-chen.Die SPD-Fraktion hat deshalb einen entsprechendenAntrag eingebracht und gefordert, die Mittel für den Kli-maschutz nicht mit den Mitteln für Armutsbekämpfungzu verrechnen. Ich denke, wenn diesem Antrag im Vor-feld der Konferenz Folge geleistet worden wäre, hätteman ein wesentlich besseres Signal nach Kopenhagensenden können, auch was die Rolle Deutschlands anbe-langt.
Neben der Konferenz von Kopenhagen möchte icheine andere Frage ansprechen, auf die viele Vorrednereingegangen sind: das Verhältnis zwischen Stammhaus-halt und Endlagerhaushalt. Es ist schon gesagt worden,dass der Endlagerhaushalt ungefähr ein Viertel des Um-welthaushalts ausmacht. Eine Politik, die die Nutzungder Atomenergie verlängert, erhöht auch die Folgekos-ten. Ich glaube nicht, dass das, was Sie hier verschönt alsBrückentechnologie dargestellt haben – Sie versuchen,den Leuten das schmackhaft zu machen –, wirklich Aus-druck Ihrer Politik im Bereich Atomenergie ist, Herr Mi-nister. Setzen Sie sich einmal mit dem Wirtschaftsminis-ter zusammen. Fragen Sie einmal genau nach, was dieseRegierung zum ersten Mal seit zehn Jahren wiedermacht? Sie hat, bezogen auf Brasilien, Ausfuhrbürg-schaften für Atomkraftwerke bzw. Atomtechnologien inMilliardenhöhe erteilt. Dies ist die erste Regierung seit2000, die Hermesbürgschaften für den Bau eines Atom-kraftwerks in Brasilien vergibt. Das hat auch die GroßeKoalition nicht gemacht, und zwar deswegen – das mussich an dieser Stelle deutlich sagen –, weil der sozialde-mokratische Umweltminister, Sigmar Gabriel, auf dieBremse getreten ist.
Kollegin Kofler, kommen Sie bitte zum Schluss.
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Für die FDP-Fraktion spricht nun die Kollegin
ngelika Brunkhorst.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!u der Debatte über den Umwelthaushalt gehört auchie Frage der Stilllegung des Schachtes Asse II. Zu Be-inn des letzten Jahres, Anfang Januar 2009, gab es einebertragung der Verantwortung auf das Umweltressort.s kam zu einem Betreiberwechsel hin zum Bundesamtür Strahlenschutz, zum BfS. Nun soll Asse II verfah-ensrechtlich wie ein Endlager abgewickelt werden. Da-er muss es nach Atomrecht behandelt werden. Das BfSls Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMUesitzt in diesem Bereich Kompetenz, weil es auch fürie Endlagerung und die Entsorgung radioaktiver Ab-älle zuständig ist.Es ist konstatiert worden, dass für Asse II circa8 Millionen Euro pro Jahr erforderlich sind. Das istber noch keine konkrete Zahl. Das kann noch variieren,eil wir den konkreten Bedarf erst dann kennen, wennie Grundsatzentscheidung über das Stilllegungskonzeptatsächlich gefallen ist.Ende vergangener Woche hat das BfS nach Begutach-ung der verschiedenen Optionen eine Empfehlung fürie Rückholung der Abfälle herausgegeben, da dies nacheutigem Wissensstand die beste Lösung darstellt. Dasird angestrebt. Die Optionen Vollverfüllung und Umla-erung sind zunächst verworfen worden. Natürlich erge-en sich daraus für die nachfolgende Diskussion einigeragen.Angesichts der drängenden Probleme hoffe ich, dassmweltminister Röttgen dafür sorgen wird, dass dasfS zügig ein Konzept für das weitere Vorgehen vorlegt,as die bereits verschlossenen Kammern angeht. Manuss da schon hineinschauen. Man muss wissen, wie esahinter aussieht. Die Abfallgebinde müssen untersuchterden, damit es keine bösen Überraschungen gibt. DasfS schlägt vor, dass das Konzept bis Ende Mai erarbei-et wird. Es ist zu fragen, wie diese Fässer aussehen:ind sie angeschlagen? Sind sie defekt? Sind sie in Ord-ung? Immerhin sind sie aus Stahl, und es ist feucht. Dierage ist auch: Ist eine Rückholung ohne Gefahr mög-
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Angelika Brunkhorstlich, oder sind die Fässer in einem, sagen wir einmal,fragilen Zustand, sodass sie eventuell bersten könnten?Wir müssen darauf achten, dass es keine unnötigeStrahlenexposition gibt; denn das wäre eine unmittelbareGefahr. Wir sind auch nach dem Atomgesetz strahlen-schutzrechtlich in der Verantwortung.Die Experten sagen, die Standsicherheit des Gruben-gebäudes sei bis 2020 gesichert. Für diesen Zeitraumvon zehn Jahren muss sichergestellt sein, dass keine zu-sätzlichen Störungen dazwischenkommen können. Ichglaube, dass die Rückholung der 126 000 Fässer in zehnJahren, wie das BfS es ausgerechnet hat, ein hoch ambi-tioniertes Vorhaben ist. Das Vorhaben muss geophysika-lisch und technisch umsetzbar sein. Deshalb – das ist derKern der Forderung, die wir alle hier im Hause vertretensollten –: Wir müssen parallel einen Notfallplan erarbei-ten. Denn ohne einen wirksamen und operativ sofortumsetzbaren Notfallplan wird es nicht zu einem Plan-feststellungsbeschluss kommen. Das hat auch der nie-dersächsische Umweltminister angedeutet, der ja Leiterder zuständigen Planfeststellungsbehörde ist.Bei allen etwaigen Unwägbarkeiten, die man in Be-tracht ziehen kann, muss auf jeden Fall Priorität sein, dieSicherheit der in der Region lebenden Menschen zu ge-währleisten und sicherzustellen, dass die beschäftigtenMitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Asse keinen un-nötigen Gefahren ausgesetzt werden.Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Sabine Stüber für die Frak-
tion Die Linke.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-legen! Es wurde schon mehrfach gesagt: Die Konferenzvon Kopenhagen ist grandios gescheitert. Wer hierfür nurChina oder einige lateinamerikanische Entwicklungslän-der verantwortlich macht, betreibt unverantwortliche Des-information. Halten wir fest: Die Minderungsangeboteder Industrieländer bewegten sich zwischen dem Startder Konferenz und ihrem Ende keinen Zentimeter. Selbstum das 2-Grad-Ziel überhaupt noch einhalten zu kön-nen, sind die vorgelegten Angebote des Nordens völligunzureichend.
In der Summe machen sie auch bei der gutwilligsten In-terpretation weniger als 20 Prozent Minderung bis 2020gegenüber 1990 aus. Mindestens 25 bis 40 Prozent weni-ger Treibhausgase sind aber die naturwissenschaftlicheMesslatte.Die großen Schwellenländer hingegen haben natio-nale Aktionspläne vorgelegt, deren Ziele sogar am obe-ren Rand des vom IPCC vorgegebenen Korridors liegen.Versagt haben also in erster Linie die Industriestaaten,die EU mit ihren 20 Prozent genauso wie die USA, diepZduhsSMm2VD2ZtAdwnwBNsgbndNkwddWrrKczld1wadmßED
ur sagen wir nicht „aber“, sondern „auch wenn eschwierig ist“; denn es geht um unsere Lebensgrundla-en.Von der Wissenschaft erreichte uns, auf den Punkt ge-racht, die Botschaft: Klimaschutz ist ohne Naturschutzicht möglich – und umgekehrt. Beides bedingt einan-er.Kolleginnen und Kollegen, kommen wir zum Geld.ichts zu tun, ist am teuersten. Zu wenig zu tun, wirdaum billiger. Der Schutz der Biodiversität ist der preis-erteste Klimaschutz. Täglich verschwinden 150 Artener Tier- und Pflanzenwelt. Investieren wir weltweit inen Schutz und die nachhaltige Bewirtschaftung derälder, so ist das sowohl eine Maßnahme zur Reduzie-ung der Treibhausgase als auch zum Schutz der Lebens-äume vieler Arten. Das sind Synergien zwischenlima- und Artenschutz, die wirtschaftlich ausgespro-hen effizient sind.
Es ist ebenfalls unklar, welchen Beitrag Deutschlandu einem Schnellstart-Klimaschutzprogramm im globa-en Süden leisten will. Im Bundeshaushalt 2010 sind füren Schutz des Klimas und der Artenvielfalt im Ausland20 Millionen Euro vorgesehen. Wir denken, das ist zuenig. Hinzu kommt, dass diese 120 Millionen Euro vorllem in große Schwellenländer fließen sollen. Beson-ers durch den Klimawandel verwundbar sind jedoch är-ere Länder. Deshalb muss das Geld auch dorthin flie-en. Das Geld für Klimaschutzmaßnahmen mit derntwicklungshilfe zu verrechnen, lehnen wir Linke ab.
as ist reine „Verniebelungstaktik“.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1435
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Sabine StüberUnser Vorschlag: Auch in Anbetracht der besonderenVerantwortung, die Deutschland mit dem Vorsitz derUN-Konvention zur biologischen Vielfalt, CBD, nochbis zum Herbst dieses Jahres hat, sollten im Jahr 2010mindestens 200 Millionen Euro für Klimaschutzmaß-nahmen im Ausland zur Verfügung gestellt werden.Eine letzte Bemerkung. Der Haushalt des BMUmacht gerade einmal 0,3 Prozent des Gesamthaushaltsaus. Somit ist die Suche nach Ausgabenminderungsmög-lichkeiten aussichtslos. Daher kann es bei den zu lösen-den Aufgaben einzig und allein um eine Aufstockungdes Haushalts gehen.Danke.
Kollegin Stüber, das war Ihre erste Rede im Hohen
Hause. Wir gratulieren Ihnen dazu recht herzlich und
wünschen Ihnen Erfolg für Ihre Arbeit.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun
der Kollege Hans-Josef Fell.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir wollen möglichst schnell ins Zeitalter dererneuerbaren Energien. – Das sagte Kanzlerin Merkelgestern sinngemäß an diesem Rednerpult. Umweltminis-ter Röttgen erkannte in seiner Regierungserklärung an– er betonte das auch heute –, dass Umweltschutzpolitikauch eine Innovations- und Wirtschaftsstrategie ist. Dassind richtige und gute Ziele, aber sehr späte Erkennt-nisse.Nur, Ihre Politik ist das glatte Gegenteil.
Das lässt sich schon am Haushaltsentwurf ablesen.Durch diesen Etat belasten Sie den Steuerzahler mit vie-len Milliarden Euro, um die Altlasten der Atomkraft zusanieren, statt die Atomkonzerne für ihre Vergangen-heitssünden zur Kasse zu bitten.
Sie veranschlagen kein zusätzliches Geld für die Be-schleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien,den Sie ja wollen, und die Steigerung der Energieeffizi-enz. Bei wichtigen Branchen wie der Fotovoltaik oderder Mini-Kraft-Wärme-Kopplung setzen Sie sogar denRotstift an. Sie reden von der Erhöhung der Forschungs-mittel für erneuerbare Energien. In Wirklichkeit findetsich im Haushaltsentwurf des BMU kein zusätzlicherEuro. Die Steuergeschenke für die Hoteliers belaufensich auf das Zehnfache der BMU-Mittel für Energiefor-ssGwzesnvmnthzswcdeaesvcdhwwWDdNpcsAva
Statt die Mittel für erneuerbare Energien und Energie-ffizienz kontinuierlich zu erhöhen, stecken Sie jetztogar Gelder, die für das Marktanreizprogramm für er-euerbare Energien vorgesehen waren, in den Neubauon Ölheizungen. So schaffen Sie niemals Klimaschutz.
Es kommt noch schlimmer: In Zeiten, in denen Chinait Subventionen für Solarfabriken Deutschlands Tech-ologieführerschaft ablösen will, streicht Umweltminis-er Röttgen, statt den deutschen Solarunternehmen zuelfen, die Mittel für die Fotovoltaikforschung massivusammen. Wie sollen die deutschen Unternehmen ver-tärkt Innovationen entwickeln und die Kosten senken,enn Sie ihnen die öffentlichen Forschungsmittel strei-hen?Apropos streichen: Jetzt kündigen Sie auch noch an,ass die Vergütung für Strom aus Dachanlagen innerhalbines Jahres um 30 Prozent, für Strom aus Freiflächen-nlagen sogar um 41 Prozent abgesenkt wird. Das istine drastische Kürzung. Sie haben keine belastbare wis-enschaftliche Untersuchung vorgelegt, ob der Markt daserträgt. Finanzunternehmen, die dies genau untersu-hen, unter anderem die LBBW, haben klar analysiert,ass die deutsche Fotovoltaikindustrie bei einer solcheftigen Senkung der Vergütung zusammenbrechenird. Sie setzen Zehntausende Jobs, vor allem im Hand-erk und im Mittelstand, aufs Spiel. Mit kompetenterirtschaftspolitik in der Krise hat das nichts zu tun.
as Segment der Freiflächenanlagen werden Sie da-urch völlig abwürgen. Lösen Sie den Konflikt um dieutzung fruchtbarer Ackerböden doch durch eine Dop-elnutzung: agrarische Bewirtschaftung unter PV-Flä-hen.
Mit leeren Händen, Herr Umweltminister Röttgen,ind Sie aus Kopenhagen zurückgekommen. Statt denusbau der Nutzung der erneuerbaren Energien nationaloranzutreiben, treten Sie bei der Solarenergie massivuf die Bremse.
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Hans-Josef FellZwei kalifornische Universitäten haben einen Plan er-stellt, nach dem die Energieversorgung der ganzen Weltbis 2030 zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umge-stellt werden kann. Die beiden Universitäten habennachgewiesen, dass das ökonomisch sinnvoll und tech-nisch machbar ist. Obwohl Sie wissen, dass dies derbeste Beitrag zu Klimaschutz und neuen Arbeitsplätzenwäre, nehmen Sie diesen Plan nicht ernst: Sie haben ihnweder hier noch in Kopenhagen ins Gespräch gebracht.Das bestätigt, dass Ihre Interessen in Wirklichkeit Kohleund Atom gelten.Auf der Weltkonferenz für erneuerbare Energien,die gerade in Abu Dhabi zu Ende gegangen ist und aufder über 70 Länder durch Staatschefs oder Minister ver-treten waren, gab es nur ein Thema: Wo sind denn hoch-rangige Vertreter der deutschen Regierung? Warum nurwill die deutsche Regierung die so erfolgreiche deutscheSolarindustrie beerdigen? Das hat nur Unverständnisund Kopfschütteln hervorgerufen.
Kollege Fell, kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. – Herr Mi-
nister Röttgen, unter Kanzlerin Merkel wurde schon die
heimische Biokraftstoffbranche weitgehend zerstört.
Jetzt treiben Sie mit Ihren Vorstellungen viele deutsche
Solarunternehmen in den Konkurs. Bei so viel Technik-
feindlichkeit sehe ich schwarz für die technologische
und industrielle Zukunft Deutschlands.
Für die Unionsfraktion spricht nun die Kollegin
Marie-Luise Dött.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! DieserHaushalt sichert umwelt- und klimapolitische Kontinui-tät und schafft die Grundlagen für die Umsetzung derambitionierten Vorhaben unseres Koalitionsvertrages.Damit wird Deutschland beim Klima- und Umwelt-schutz weiterhin Schrittmacher bleiben. Ambitioniertenationale Umwelt- und Klimapolitik, Impulse für die dy-namische Entwicklung europäischen Handelns und glo-bale Zusammenarbeit sind die Schlüsselbegriffe dieserPolitik.Deutschland hat die Wirtschafts- und Finanzkrisedank einer tatkräftigen und gleichzeitig besonnenen Po-litik bislang vergleichsweise gut beherrscht. Die Kriseist aber noch nicht vorbei. Wir müssen nicht nur deswe-gen die ökologische Modernisierung des Landes – dieVerringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs –als Chancen für Wachstum und Beschäftigung nutzen.mzgbpwksevWflAUdRgtwdudnsABvsswgakMufsfuZawsvcm
Umwelt- und Ressourcenschutz werden immerehr zum Hebel für wirtschaftliche Entwicklung und so-iale Sicherheit. Dieser Hebel wirkt in zwei Richtungenleichzeitig: Nur die Volkswirtschaft wird künftig wett-ewerbsfähig sein, die bei der Energie- und Ressourcen-roduktivität international vorn liegt. Unternehmenerden künftig nur die Produkte und Technologien ver-aufen, die umweltverträglich und ressourceneffizientind.Wer heute den politischen Rahmen schafft, um erneu-rbare Energien voranzubringen und die Entwicklungon Effizienztechnologien voranzutreiben, der macht dieirtschaft für den globalen Wettbewerb von morgenit. Deutschland ist in diesen Bereichen im internationa-en Wettbewerb vorn.
ber dieser Spitzenplatz muss von Wissenschaft undnternehmen Hand in Hand täglich neu erkämpft wer-en. Die Politik ist gefordert, für diesen Wettbewerb dieahmenbedingungen zu setzen. Diese Rahmenbedin-ungen sind fairer Wettbewerb zwischen allen Beteilig-en, Technologieoffenheit,
eniger Bürokratie, faire internationale Wettbewerbsbe-ingungen und klare, anspruchsvolle und verlässlichemweltpolitische Vorgaben. Genau dafür werden wir miter Umsetzung des Koalitionsvertrages sorgen, und ge-au dieser Weg spiegelt sich im Haushaltsentwurf wider.Meine Damen und Herren, Ökonomie und Ökologieind kein Gegensatz. So richtig diese Analyse ist, einenutomatismus gibt es dafür nicht. Umweltpolitik ist derewahrung der Schöpfung verpflichtet. Sie ist aber aucherpflichtet, Instrumente und konkrete Maßnahmen zuuchen, mit denen Umweltschutz, wirtschaftlicher Fort-chritt und soziale Gerechtigkeit gleichermaßen erreichterden.
Energiepolitik beispielsweise kann nicht zum alleini-en Ziel haben, Deutschland CO2-frei zu machen. Diesesus Klimaschutzaspekten durchaus wünschenswerte Zielann nicht der einzige Maßstab für die Politik sein. Deraßstab für Energiepolitik beinhaltet auch die sicherend bezahlbare Energiebereitstellung für die Bürger undür die Wirtschaft. Deshalb ist es richtig, vor einer Ent-cheidung über den künftigen Energiemix genau zu prü-en, wie die Anforderungen an eine moderne umwelt-nd ressourcenverträgliche Energieversorgung über dieeitschiene aussehen. Auf dieser Zeitschiene muss dannuf wissenschaftlicher Grundlage, verantwortungsbe-usst und technologieoffen über den Energiemix ent-chieden werden. So haben wir es im Koalitionsvertragereinbart, und so ist es richtig.Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brau-hen im Umwelt- und Klimaschutz mehr Effizienz. Wirüssen stärker als bisher das Kosten-Nutzen-Verhältnis
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Marie-Luise Döttder Maßnahmen im Auge behalten. Das ist schon inwirtschaftlich normalen Zeiten ein Gebot. In Zeiten derWirtschafts- und Finanzkrise muss die Effizienz des Mit-teleinsatzes ein ganz entscheidendes Beurteilungskrite-rium sein. Jeder Euro, den wir für Umwelt- und Ressour-censchutz ausgeben, ob aus Haushaltsmitteln, vonUnternehmen oder vom Bürger, muss unter Effizienzge-sichtspunkten gerechtfertigt sein. Das betrifft auch dieerneuerbaren Energien.Die Bürger zahlen jährlich allein für die FotovoltaikMilliardenbeträge an Subventionen mit der Stromrech-nung. Deshalb ist es richtig, dass wir umgehend die För-derung der Fotovoltaik reduzieren. Eine „Hängematte“aus ungerechtfertigt hohen Einspeisevergütungen hilftniemandem, auch nicht den Herstellern der Anlagen.Die dringend erforderlichen Innovationsanreize er-reicht man nicht durch maximale, sondern durch opti-male Förderung. Diese Innovationsanreize werden nichtnur die Bürger entlasten. Sie werden auch dafür sorgen,dass nicht chinesische Solarpaneele auf deutschen Dä-chern montiert werden, sondern deutsche auf chinesi-schen Dächern.
Genau das schafft Arbeitsplätze in Deutschland, und ge-nau das hilft dem globalen Klimaschutz.
Nur so behalten die erneuerbaren Energien, Frau Höhn,die Akzeptanz bei den Bürgern.Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss.Es ist ein Grundsatz unserer Umweltpolitik, wo immeres sinnvoll ist, Investitionsanreize auch für die Bürger zuschaffen. Mit der Verstetigung des Marktanreizpro-gramms zur Förderung der erneuerbaren Energien imWärmemarkt bei 400 Millionen Euro auch im kommen-den Haushaltsjahr erhalten die Bürger weiterhin verläss-liche Förderung bei Investitionen in neueste Technolo-gien. Dies nutzt der Umwelt und dem Klima, hilft denBürgern und schafft Arbeitsplätze im Handwerk und beiden Herstellern.Dieser Haushalt ist so angelegt, dass in vielen Berei-chen die Gelder unmittelbar beim Bürger ankommen.
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Heinz-
Peter Haustein das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Es war ein Septembermorgen. Es war kalt drau-ßen, und der Heizer schippte verzweifelt Rohbraunkohlein die Gusskessel. Aber der Dampfdruck stieg nicht. DerBetrieb blieb kalt. Da kam die Anweisung: Anreichern.Plötzlich wurden Produktionsabfälle mit in den Hei-zkDqnIidaeSrgaAamZmdPtwr5sHbmtmsÜfnwddgrEnmb
Umweltpolitik ist für unsere christlich-liberale Regie-ung eine Herzenssache. Wir machen das mit Herz undmotionen, und wir werden viel erreichen. Uns ist auchicht vor den Herausforderungen bange, die noch kom-en. Es ist unsere Herzenssache, und so soll es auchleiben.
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)Heinz-Peter HausteinWir haben ein gutes Ministerium mit einem kompe-tenten Minister, und jetzt, mit einer christlich-liberalenHandschrift, wird es noch besser werden.In diesem Sinne ein herzliches Glückauf aus dem Erz-gebirge.
Das Wort hat der Kollege Bernhard Schulte-
Drüggelte für die Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Die Summe wurde gerade genannt: 1,5 MilliardenEuro werden in den Haushalt eingestellt. Das bedeuteteine Steigerung um 7,3 Prozent. Was den Anteil von0,5 Prozent am Gesamthaushalt angeht, könnte manmeinen, das wäre nicht viel. Aber ich meine, dass derUmweltschutz durchaus eine sehr wichtige Rolle spielt.Der Kollege Haustein hat den Umweltschutz gerade alsunsere Herzenssache bezeichnet. Darin kann ich ihm nurzustimmen.Die in den BMU-Haushalt eingestellten Mittel sindnur ein Teil, nämlich 25 Prozent, der Gesamtausgaben,die in diesem Haushalt für den Umweltschutz veran-schlagt sind. Daran sieht man, dass Umweltschutz eineQuerschnittsaufgabe ist. Insgesamt werden über 6 Mil-liarden Euro veranschlagt. Das kann sich sehen lassen.
Ich meine, das unterstreicht auch die Aussage von Mi-nister Röttgen, dass wir es uns nicht leisten können, aufKlimaschutzmaßnahmen zu verzichten. Ich finde es gut,dass er gerade nach den vielleicht enttäuschenden Ergeb-nissen von Kopenhagen gesagt hat: Jetzt erst recht; wirmüssen diesen Weg weitergehen. – Das ist richtig, unddas unterstützen wir.
Ich möchte eine erfreuliche Entwicklung der letztenJahre erwähnen. Unter der Großen Koalition sind dieVerwaltungsausgaben gesunken. Von 2005 bis 2010 istihr Anteil von 28 auf 16 Prozent zurückgegangen. Dasbedeutet, dass nicht Behörden gefördert, sondern Maß-nahmen im Umweltschutzbereich und die erneuerbarenEnergien unterstützt worden sind. Im Zusammenhangmit den erneuerbaren Energien möchte ich die Klima-schutzinitiative und besonders das Marktanreizpro-gramm ansprechen. Wir haben in den letzten Jahren im-mer darüber gesprochen, dass es hier eine Verstetigunggeben muss; darauf haben bereits die Vorredner hinge-wiesen. Die Mittel für Maßnahmen im Zusammenhangmit dem Erneuerbare-Wärme-Gesetz wurden kontinuier-lich aufgestockt. Wir machen damit deutlich, dass sichIkRhfZhIscMChMggSnWghmvK2elsmShat–tdeagvswi
ch bin der Meinung, dass ein Einzelhaushalt dieses Ri-iko nicht tragen kann. Wenn alle Einnahmen als De-kungsmittel für alle Ausgaben dienen, dann bin ich dereinung, dass auch alle Einnahmen aus dem Handel mitO2-Zertifikaten im Gesamthaushalt zur Verfügung ste-en sollen.
an muss ganz klar sehen: Wenn man das so wie jetzteplant machte, würde darunter das Marktanreizpro-ramm besonders leiden. Das führte wieder zu einertop-and-go-Förderung. Das wäre für dieses Programmicht gut. Dem stimme ich eindeutig zu.
enn es stimmt, dass das Zeitalter der erneuerbaren Ener-ien anbricht, dann sage ich dem Finanzminister – ichoffe, er hört zu –: Lassen Sie diese Sperre fallen!
Ein weiterer wichtiger Bereich sind die Endlager. Ichöchte mich bei der Endlagerung der schwachradioakti-en Abfälle auf zwei Punkte beschränken. Der Schachtonrad in Salzgitter wird derzeit ausgebaut. Im Jahr007 begann das Bundesamt für Strahlenschutz mit denrforderlichen Arbeiten. Es ist beabsichtigt, dieses End-ager bis 2014 fertigzustellen. Ich finde, das ist eine po-itive Nachricht. Wer hat noch einmal vom „Endlager-inister“ gesprochen? – Jedenfalls ist es noch demchwachendlagerminister Gabriel zu verdanken, dassier eine vernünftige Lösung gefunden wird. Ich weißllerdings nicht, ob „Schwachendlagerminister“ die rich-ige Bezeichnung für ihn ist.
Wieso? Ich habe es nur aufgenommen.Ich bin der Meinung, dass es richtig war, die Asse un-er Atomrecht zu stellen. Es war richtig, dass das Bun-esamt für Strahlenschutz das übernommen hat. Es istbenfalls richtig, dass nun das Umweltministerium ver-ntwortlich ist. Nach dem vorliegenden Optionsver-leich bin ich der Meinung, dass wir trotz der schnellorgelegten Lösungsvorschläge sehr sorgfältig beratenollten. Ich möchte unterstreichen, was vorhin gesagturde, nämlich, dass die Sicherheit aller Beteiligten,nsbesondere der Mitarbeiter in den Bergwerken, ge-
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Bernhard Schulte-Drüggeltewährleistet sein muss. Wie Sie sehen, haben wir Bera-tungsbedarf.Herzlichen Dank.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
nicht vor.
Wir kommen schließlich zu dem Geschäftsbereich
des Bundesministeriums für Gesundheit, Einzel-
plan 15.
Das Wort hat der Bundesminister Dr. Philipp Rösler.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren Abgeordneten! Der Haushalt des Bundesgesund-heitsministeriums ist mit 467 Millionen Euro einer vonden kleineren Etats in diesem Haushaltsentwurf. Siewissen allerdings alle, dass der Gesamtansatz desEinzelplanes 15 mit 16,2 Milliarden Euro deutlich hö-her ist. Das liegt natürlich an dem steuerlichen Bundes-zuschuss von 15,7 Milliarden Euro. Damit sollen zumeinen die versicherungsfremden Leistungen und zum an-deren die krisenbedingten Einnahmeausfälle ausgegli-chen werden.Die Koalition federt damit die krisenbedingten Belas-tungen der Menschen allein in diesem Jahr mit zusätzli-chen 3,9 Milliarden Euro ab, und genau das haben CDU/CSU und FDP in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart.Wir stellen also fest: Diese Regierungskoalition hält ein-mal mehr ihr Wort.
Dennoch wissen wir, dass die gesetzlichen Kranken-versicherungen sich in einer schwierigen finanziellen Si-tuation befinden. Aktuell diskutieren einige Kassen dieErhebung eines Zusatzbeitrages. Das zeigt, dass es nichtausreicht, Geld in das System hineinzugeben, vielmehrmüssen wir das System insgesamt verbessern. Die Men-schen brauchen ein Gesundheitssystem, auf das sie sichverlassen können und das für jeden bezahlbar bleibt. Ge-nau dafür steht diese christlich-liberale Regierungskoali-tion.
Denn Ihr System, in dem wir uns momentan befinden – esist ein System der ehemals großen Volkspartei SPD –,
ist unfertig, nicht zu Ende gedacht und für viele Men-schen sozial ungerecht.
Denn es trifft vor allem die Schwachen in unseremLande. Demnächst werden gerade diejenigen, die ohne-hin schon wenig Einkommen zur Verfügung haben, IhreZjEeDnFtMsahVwnepDufRnzstZtbWnSttAtpiir
s gilt, diesen Geburtsfehler zu beseitigen. Wir wollenin faires System.
azu gehören einkommensunabhängige Beiträge, aberiemals ohne einen Ausgleich für die Schwächeren.
ür die CDU/CSU und die FDP jedenfalls gilt: kein Bei-rag ohne Sozialausgleich. Diese Sicherheit müssen dieenschen einfach haben.
Es geht nicht nur darum, die Einnahmeseite zu stabili-ieren, sondern gerade in der heutigen Zeit müssen wiruch auf die Ausgaben Acht geben.
Wir werden uns deshalb jeden Bereich im Gesund-eitssystem ansehen und prüfen, ob dort effizient mitersichertengeldern umgegangen wird oder nicht. Ichill hier ausdrücklich festhalten: Dabei kann es für kei-en der Beteiligten einen Freibrief geben. Im Gegenteil,s gibt nur eine Gruppe, der wir als Koalition uns ver-flichtet fühlen, und zwar die 70 Millionen Versicherten.as ist unser innerer Kompass, und daran werden wirnsere Gesundheitspolitik ausrichten.
Bloße Kostendämpfungsgesetze halten wir für denalschen Weg, denn sie enden immer in schleichendenationierungen für die Versicherten. Es macht auch kei-en Sinn, von oben auf das System zu blicken und dannu entscheiden, wo gekürzt wird und wo nicht. Stattdes-en brauchen wir echte Anreize und mehr Möglichkei-en, sich wirtschaftlicher zu verhalten, als bisher. Imweifel ist der mündige Versicherte, der aufgeklärte Pa-ient deutlich besser in der Lage, Kosten in den Griff zuekommen als Gesetze, Verordnungen und Vorschriften.ir jedenfalls setzen zuallererst auf die Menschen undicht auf die Bürokratie im System.
Deswegen bleiben wir dabei: Wir brauchen ein fairesystem, das sich nicht anmaßt, alles bis ins kleinste De-ail lenken zu wollen. Wir trauen den Menschen im Sys-em deutlich mehr zu: den Leistungserbringern bei deruswahl ihrer Therapien, den Patientinnen und Patien-en bei der Auswahl ihrer Leistungserbringer und Thera-euten, den Krankenversicherungen bei der Betreuunghrer Versicherten und den Versicherten bei der Auswahlhrer Krankenkassen.
Darüber hinaus brauchen wir deutlich mehr Transpa-enz als bisher; denn nur derjenige kann eine freie Ent-
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Bundesminister Dr. Philipp Röslerscheidung treffen, der über Wissen verfügt und Informa-tionen erhält. Es gibt 4,3 Millionen Beschäftigte imGesundheitswesen und Millionen von Versicherten. Alldiese Menschen brauchen ein faires System. Hören wirendlich auf, diese Menschen ständig bevormunden zuwollen!
Wenn wir den Menschen mehr Freiheit im System ge-ben, dann müssen sie auch Verantwortung erwarten dür-fen. Verantwortung heißt, anzuerkennen, dass es einenUnterschied zwischen einem beliebigen Markt auf dereinen Seite und dem sozialen Sicherungssystem gesetzli-che Krankenversicherung auf der anderen Seite gibt. Ge-sundheit ist keine beliebige Ware, sondern ein hohesGut. Man kann sich aussuchen, ob man eine Ware kauftoder nicht; man kann sich aber nicht aussuchen, ob mankrank wird oder nicht.
Deswegen gehört zu einem gesunden System immer dieSolidarität der Gesunden mit den Kranken.
Bei allen Bemühungen um mehr Wirtschaftlichkeitim System: Keine Reform dieser Welt darf diese Solida-rität infrage stellen. Verstehen Sie dies auch als Bot-schaft an all diejenigen, die ganz aktuell über Rationie-rung und Priorisierung nachdenken. Wir jedenfallslehnen solche Diskussionen ab. Wir arbeiten an einemSystem, das solche Diskussionen von vornherein über-flüssig macht.
Wir wollen eine Krankenversicherung, auf die sichjeder Versicherte zu jeder Zeit verlassen kann. Wir wol-len ein System, das dazu beiträgt, mit Beitragsgelderneffizient umzugehen, und eine Krankenversicherung, dietrotz des demografischen Wandels und des medizinisch-technischen Fortschritts auch in Zukunft bezahlbar ist.Wir arbeiten an einer Krankenversicherung, die Eigen-verantwortung und Solidarität in Einklang bringt.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion hat nun die Kollegin Elke
Ferner das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-nen! Sehr geehrter Herr Minister Rösler, das waren zwarwohlfeile Worte, aber etwas Konkretes außer dem Hin-weis auf einen einmaligen Zuschuss in Höhe von3,9 Milliarden Euro an die gesetzlichen Krankenversi-cherungen in diesem Jahr haben Sie nicht gesagt.
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„Seit Sonntag nicht mehr“, das stimmt nicht so ganz.och vor zwei Tagen titelte die Süddeutsche Zeitungber den Kollegen Söder: „Söder gegen Rösler“. Heuteorgen war Herr Söder im ARD-Morgenmagazin dannieder ganz handzahm – er trug gewissermaßen einenaulkorb –; schließlich haben sich jetzt alle lieb.Schaut man sich die Reden an, die Frau Bundeskanz-erin und Frau Homburger gestern gehalten haben, stelltan schon Unterschiede fest: Es wird zwar nicht mehrufeinander eingedroschen, aber es wird etwas Unter-chiedliches gesagt. Die Kanzlerin sagt: Wir wollen So-idarität in unserer Gesellschaft, auch im Gesundheits-ystem, und die Koalition steht dafür, dass es keineweiklassenmedizin gibt, dass jeder die medizinischeneistungen bekommt, die er braucht, aber in einer Artnd Weise, die die Beschäftigungsmöglichkeiten in un-erem Land nicht unterminiert. Das ist ein neuer Unter-on. Das stellt die bisher vorhandene Solidarität unteren Vorbehalt, dass Beschäftigungsmöglichkeiten nichtingeschränkt werden.Frau Homburger hat in einer Debatte auf die Zwi-chenfrage des Kollegen Beck, ob es bei einer privateneutschen Krankenversicherung Sondertarife für dielientelpartei FDP gibt, geantwortet: Wir wollen, dasslle in diesem Land das Recht bekommen, ihre Kranken-asse frei zu wählen, also die Möglichkeit erhalten,elbst zu entscheiden, wo und in welchem Umfang sieich versichern und welche Zusatzversicherung sie ab-chließen. Das heißt im Klartext: Die FDP will die ge-etzliche Krankenversicherung abschaffen. Sie wollen,ass diejenigen, die sich Solidarität eigentlich am meis-en leisten können, zur privaten Krankenversicherungbwandern. Sie wollen, dass die, die in der gesetzlichenrankenversicherung oder in einem Mindestversor-ungssystem zurückbleiben, wirklich Minimalmedizinekommen, während diejenigen, die es sich leisten kön-en, Medizin auf dem Stand der Technik erhalten.
Es hört sich gut an, wenn Sie sagen: Steuern sind ge-echter als Beiträge. Die hohen Einkommen oberhalb dereitragsbemessungsgrenze zahlen eigentlich nicht ge-ug ein. – Das stimmt.
ber der Schluss ist falsch. Der Schluss bei Ihnen heißtämlich: Wir machen eine einheitliche Kopfprämie.uf dieses System bezogen wären das 146 oder45 Euro pro Monat, wenn die Familienmitversicherungeibehalten wird. Sie hatten ja die Gelegenheit – Herrahr, Sie schütteln den Kopf –, auf eine Kleine Anfrageeiner Fraktion zu antworten, aber Sie haben es vorge-
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Elke Fernerzogen, den Kopf in den Sand zu stecken und eine KleineAnfrage in einer Art und Weise, wie ich das in 20 Jahrennoch nicht erlebt habe, zu beantworten, die das Frage-recht des Parlaments wirklich infrage stellt.
– Sie hätten sie nicht zugelassen. Damit haben wir imPrinzip gerechnet. Dann hätten wir die Wertungen he-rausgenommen und es hätte immer noch die Möglichkeitbestanden, zu antworten.
Aber das wird Sie wieder einholen.Ihr Motto ist: Diejenigen, die ungefähr 1 800 Euround ein paar Zerquetschte brutto im Monat und darüberverdienen, werden entlastet; die mit einem Einkommendarunter müssen mehr bezahlen. Für die muss ein Sozial-ausgleich organisiert werden; immerhin knapp 37 Mil-liarden Euro. Hinzu kommen dann noch die Steuermit-tel, die ohnehin schon im System sind. Gleichzeitig wol-len Sie die Steuern noch weiter senken. Es ist aber altbe-kannt: Wenn man in den Steuertarif eingreift, kommt esdazu – auch bei Ihrem berühmten Stufentarif –, dass dieoben weniger bezahlen als die unten. Das bedeutet nichtmehr Solidarität im Gesamtzusammenhang Ihrer Politik,sondern das bedeutet ganz klar eine Umverteilung vonunten nach oben, und das ist alles andere als ein solida-risch finanziertes Krankenversicherungssystem.
Was Sie machen, ist Klientelpolitik in Reinkultur. Siehaben vereinbart, den Kapitalstock für die private Pfle-geversicherung in einem Zwangszusatzsystem im Rah-men der privaten Krankenversicherung zu schaffen. Siemöchten die Wechselmöglichkeiten von der GKV zurPKV erleichtern. Sie versprechen den Leistungserbrin-gern Geldsegen. Sie wollen mehr Wahlfreiheit für dieje-nigen, die es sich leisten können. Sie wollen Kostener-stattung statt Sachleistungsprinzip. Das einmal unterdem Stichwort „Bürokratieabbau“ zu beleuchten, wäreauch ganz interessant. Man braucht sich nur die Verwal-tungskosten der PKV pro Mitglied im Vergleich zu de-nen bei der gesetzlichen Krankenversicherung anzu-schauen. Sie krönen das Ganze damit, dass ein bisherigerPKV-Spitzenfunktionär Leiter Ihrer Grundsatzabteilungwird und auch noch die Zuständigkeit für die Pflege be-kommt, weil man ja der privaten Versicherungswirt-schaft ein neues Geschäftsfeld – zwangsweise für dieVersicherten – eröffnen will.Schauen wir uns an, was die Süddeutsche heute unterder Überschrift „Die Rabatt-Könige der FDP“ schreibt!FDP-Mitglieder und -Mitarbeiter können sich in derDKV günstiger versichern als jeder andere; es gibt5 Prozent Rabatt.
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Sie haben die ganze Zeit Ankündigungen völlig ohneubstanz gemacht.Mehr netto vom Brutto war im Wahlkampf verspro-hen. Es wird am Ende weniger netto vom Brutto sein.Sie haben versprochen, dass es dank Ihres automati-chen Sozialausgleichs weniger Bürokratie gebenerde. Dabei weiß kein Mensch, wie er funktionierenoll – Sie wahrscheinlich auch nicht –; denn zunächstinmal müsste man in Erfahrung bringen, wer bedürftigst. Die Bedürftigkeit könnte entweder so geprüft wer-en, dass über 82 Millionen Zwangsveranlagungen beiminanzamt durchgeführt werden, oder so, dass die ganzeepublik ihre Einkommensverhältnisse bei den jeweili-en Krankenkassen offenlegt. „Viel Vergnügen!“, kannch da nur wünschen. Das bringt ja überhaupt keine Bü-okratie mit sich. Es wird also nicht weniger, sondernehr Bürokratie geben. Schließlich wird die Finanzie-ung auch nicht gerechter, vielmehr wird sie ungerechter.Wenn es wahr ist, was Sie eben in Ihren wohlfeilenorten gesagt haben, Herr Rösler, wenn Sie das wirklichorhaben, kann ich Sie nur auffordern: Lassen Sie abon dieser ungerechten Gesundheitsreform und sehenie zu, dass das System, das wir haben, gerechter finan-iert wird, indem es zum Beispiel auf eine breitere, soli-arischere Finanzierungsgrundlage gestellt wird und einisikostrukturausgleich auch zwischen privaten und ge-etzlichen Krankenversicherungen durchgeführt wird.as entspräche der Bürgerversicherung, wie wir siechon seit Jahren fordern.
Ich kann Sie auch nur ermuntern, die drängenden Pro-leme anzugehen. Auch Sie haben ja offensichtlich ge-
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Elke Fernermerkt, dass es, ohne die Ausgabenseite zu betrachten,nicht geht. Ich kann Sie nur auffordern, schnell zu han-deln; denn derjenige, der jetzt nicht handelt, wird auchdie Verantwortung dafür tragen müssen, wenn diesesJahr Zusatzbeiträge eingeführt werden. Sie können sichhier nicht hinstellen und alle Probleme auf ein von derSPD eingeführtes System schieben. Ihre jetzige Staatsse-kretärin hat damals mit am Verhandlungstisch gesessen.Sie weiß genauso gut wie ich, was wir nicht wollten undwelche Regelungen auf Kompromisse zurückgehen. Dasgilt insbesondere auch für die Frage der Zusatzbeiträge.Die CDU hätte es ja am liebsten gehabt, wenn diesen einnoch stärkeres Gewicht zugekommen wäre und der Ge-sundheitsfonds geringere Einnahmen gehabt hätte. Kol-lege Zöller lächelt genüsslich. Er erinnert sich an die vie-len Stunden, die wir zusammengesessen haben, undweiß genau, wovon ich rede. Sie, Herr Rösler, müssenjetzt handeln. Sie stehen jetzt in der Verantwortung. AlsSie von uns das Haus übernommen haben, mussten diegesetzlichen Krankenversicherungen keine Zusatzbei-träge erheben.
Wir haben die finanzielle Ausstattung der gesetzli-chen Krankenversicherung gewährleistet. Sie retten sichjetzt in diesem Jahr mit einem einmaligen Zuschuss von3,9 Milliarden Euro über den Berg; dieser soll allerdingsnur dieses Jahr gezahlt werden. Außerdem fehlen lautBerechnungen des Schätzerkreises noch 4 MilliardenEuro. Auch diese Mittel müssen irgendwie aufgebrachtwerden, wenn die Berechnungen stimmen.Ich kann nur sagen, dass Ihre Prämisse „Freiheit inVerantwortung“, die Sie in dieser Haushaltsdebatte beijedem Einzelplan hochhalten, nichts mit Freiheit in Ver-antwortung zu tun hat, sondern gekaufte bzw. gespon-serte Verantwortungslosigkeit darstellt. Ich hoffe im In-teresse der Menschen in unserem Lande, dass diesePolitik bald ein Ende hat.
Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer für
die Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Frau Kollegin Ferner, Sie haben kritisiert, dassjemand als hoher Beamter neu eingestellt worden ist, derzuvor bei der PKV eine wichtige Funktion innehatte. Ichhabe gerade heute eine Einladung in die Hände bekom-men, auf der steht:Politisches MarketingGrundlagen erfolgreichen Lobbyings für Akteureder GesundheitswirtschaftDie Teilnahme kostet übrigens 465 Euro plus Mehrwert-steuer. Wer, glauben Sie, ist dort der Hauptreferent?
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ch sage Ihnen: Kehr jeder vor der eignen Tür, gleichauber ist das Stadtquartier!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollenit dem Haushalt 2010 eine nachhaltige Gesundheitspo-itik erreichen, mit mehr Eigenverantwortung, abericht weniger Solidarität. Wer sich mit dem Gesund-eitswesen in Deutschland beschäftigt, der sollte zu-ächst einmal mit der Beobachtung der Wirklichkeit be-innen. Die Realität ist: Voraussichtlich werden auch imahr 2010, also in diesem Jahr, erneut 24 Millionen Men-chen aus unserem Land eine Auslandskrankenversiche-ung abschließen. Wer in Sizilien oder Spanien Urlaubacht und dort erkrankt, möchte im Regelfall sehrchnell zurück in die Heimat, um hier behandelt zu wer-en. Das gilt auch, wenn in diesen Gegenden gerade dieandelbäumchen blühen und die Zitronenbäumchenuften. Wir wollen, dass die Menschen aus Deutschlandu Recht auch in diesem Jahr darauf vertrauen, dass dieersorgung bei uns zu Hause besser ist als im Rest Euro-as. Deshalb werden wir es nicht zulassen, dass unseresundheitssystem schlechtgeredet wird.
ir wollen aber sehr wohl Verbesserungen dort errei-hen, wo es notwendig ist.
Deshalb haben wir rasch gehandelt. Diese Bundesre-ierung hat in einer Blitzaktion auf das sich abzeich-ende Defizit der gesetzlichen Krankenversicherungeagiert. Dabei werden 3,9 Milliarden Euro vor allemon den Steuerzahlern aufgebracht und zusätzlich in denesundheitsfonds eingebracht. Das heißt, diese Bun-esregierung hat keinen Stolperstart hingelegt, sonderninen Blitzstart.
it insgesamt 15,7 Milliarden Euro werden mehr Steu-rgelder in die gesetzlichen Krankenkassen eingebrachtls je zuvor. Das ist ein großer Solidarbeitrag aller Steu-rzahler.
Zur Wahrheit gehört auch, dass die gesetzlichenrankenversicherungen in diesem Jahr 170 Milliardenuro zur Verfügung haben. Auch das ist mehr als jemalsuvor.
Ich komme gleich dazu. – Trotzdem besteht – und da-über sind wir uns einig – in der Gesundheitspolitik die
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Johannes Singhammerständige Notwendigkeit, die Einnahmesituation zu über-prüfen und zu verbessern. Das werden wir in den nächs-ten Monaten auch tun. Es gehört zur Ehrlichkeit dazu,dass wir die Situation des Haushalts – wir führen hierschließlich eine Haushaltsdebatte – nicht aus den Augenverlieren. Auf der einen Seite besteht die Notwendigkeit,in den nächsten Jahren zu konsolidieren. Auf der ande-ren Seite wollen wir Steuererleichterungen durchsetzen.Deshalb ist es klar, dass der Spielraum für alle Formender Finanzierung nicht größer, sondern kleiner wird.Deshalb warnen wir auch davor, die Diskussion jetztausschließlich auf die Frage „Prämie, ja oder nein?“ zuverengen.
Ich glaube, entscheidend ist – und darauf werden wirWert legen –, dass die Finanzierung sozial gerecht er-folgt. Dafür werden wir sorgen. Ihr Modell einer Bürger-versicherung ist weniger gerecht; denn im Endeffekt ho-len Sie sich das Geld damit von den Kommunen wieder.Wie das in der jetzigen Situation, die die Kommunen be-klagen, gelingen soll, weiß kein Mensch.
Wir wollen eine nachhaltige Gesundheitspolitik.Das bedeutet mehr als nur eine gesicherte Finanzierung.Nachhaltige Gesundheitspolitik heißt erstens – das istdas Nachhaltigste überhaupt – Prävention, damitKrankheit möglichst gar nicht erst eintritt, zum BeispielVolkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungenoder Diabetes. Deshalb werden wir einen ganz klarenSchwerpunkt auf Prävention setzen.Zweitens. Gesundheit darf nicht zu einem Privileg fürbestimmte Bevölkerungsgruppen, Einkommensgruppenoder Altersschichten werden. Eine Diskussion darüber,ob medizinische Leistungen wie Dialyse oder Herzope-rationen ab einem bestimmten Alter oder ab einem be-stimmten Einkommen nicht mehr erbracht werden sol-len, würde ich für unerträglich halten. Deshalb werdenwir sie auch nicht führen. Schweden, das oft als Vorbildins Spiel gebracht wird, ist für uns kein Vorbild, wenndort beispielsweise die Behandlung gutartiger Tumorevon den Patienten selbst bezahlt werden muss.Drittens. Diejenigen, die im Gesundheitsbereich inunterschiedlichsten Berufen, als Mediziner oder Pflege-kräfte, tagtäglich einen anstrengenden, der Humanitätgewidmeten Dienst für kranke Menschen leisten,
sind nicht die Verursacher der Probleme im Gesundheits-wesen. Sie brauchen vielmehr unsere Unterstützung.
Mehr Unterstützung heißt – das ist uns wichtig – weni-ger Gängelung und weniger Bürokratie, dafür aber mehrVerantwortung und mehr Freiheit.uhuD–SrWnDsskltnEBmwaDrHiguÄ–i
Deshalb halte ich es für einen großen Erfolg, dass wirns in den Koalitionsvereinbarungen darauf verständigtaben, die freie Arztwahl, die freie Krankenhauswahlnd die freie Krankenkassenwahl für die Bürger ineutschland zu erhalten.
Ich komme jetzt zu Ihnen. – Mehr Planwirtschaft, dieie immer im Hinterkopf haben, führt nicht zu mehr Ge-echtigkeit. Sie ist allenfalls weiße Salbe.
er wie die SPD Einheitsvergütungen verlangt, der eb-et letztendlich den Weg zur Einheitsmedizin.
ann wird die Versorgung der Menschen nicht solidari-cher, sondern in der Konsequenz schlechter.
Zwischen uns besteht ein entscheidender Unter-chied: Wir sehen in Eigenverantwortung und Solidaritäteinen Gegensatz. Ich will das an einem Beispiel deut-ich machen. Solidarität ist notwendig bei großen undeuren Operationen, wie zum Beispiel bei Herzoperatio-en. Auf der anderen Seite brauchen wir aber auch mehrigenverantwortung.
ei Erkrankungen wie beispielsweise Erkältungen kannan, was die Mittel dagegen angeht, diese Eigenverant-ortung einfordern und mit ihr einiges erreichen.
Wir werden 2010 voraussichtlich einen Honorar-nstieg bei den Ärzten haben.
amit stellen wir sicher, dass die Ärzte für ihre schwie-ige und verantwortungsvolle Arbeit eine angemesseneonorierung erhalten. Wir erwarten aber – auch das sagech an dieser Stelle –, dass die Ärzte ihre Serviceleistun-en gegenüber den gesetzlich Versicherten verbessernnd unterschiedliche Wartezeiten verhindern, die als einrgernis empfunden werden.
Wir tun eine ganze Menge.
Ich darf noch Folgendes ankündigen. Wir haben unsn der Koalition darauf geeinigt, rasch und ohne Verzö-
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Johannes Singhammergerung in den nächsten Wochen folgende Herausforde-rungen aufzugreifen.Erstens. Wir werden ein Gesetz auf den Weg bringen,das sich die Verbesserung der ärztlichen Versorgungvor allem in den ländlichen Regionen zum Ziel setzt.
Wir wollen, dass sich die Ärzte wieder mehr auf die Ver-sorgung der Patienten konzentrieren können und sichnicht ständig mit Gebührenordnungen, Richtlinien undBürokratie beschäftigen müssen.
Zweitens. Wir werden in einem weiteren Gesetz denArzneimittelbereich deregulieren.
– Selbstverständlich. – Zurzeit gibt es über zwei Dut-zend Steuerungsinstrumente, die an die unterschiedlichs-ten Akteure gerichtet sind. Das sind viel zu viele. Waszum Beispiel die Wirtschaftlichkeitsprüfung betrifft, gabes 1988 eine Vorschrift, die sich noch auf 150 Wortebeschränkte. Jetzt regelt das Gesetz das gleiche Verfah-ren mit 2 300 Worten in sieben Absätzen. Das werdenwir ändern.
Drittens. Wir werden ein Gesetz zur Struktur derKrankenversicherungen auf den Weg bringen. Dabeigeht es auch um das Verhältnis der gesetzlichen Kran-kenversicherung zur privaten Krankenversicherung. Wirwollen, dass der Grundsatz, der sowohl das Nebeneinan-der als auch die Abgrenzung betrifft, erhalten bleibt. Wirwollen aber auch, dass die Möglichkeiten der Koopera-tion zwischen GKV und PKV bei Zusatzversicherungengestärkt werden.
Gesundheitspolitik ist aber mehr, als nur auf die He-rausforderungen zu reagieren, die uns auf der Einnahme-und auf der Ausgabenseite über Jahre begleiten. Der Ge-sundheitssektor ist vor allem ein Wachstumsmotor inDeutschland. Mit 4,4 Millionen Beschäftigten gibt es imGesundheitswesen annähernd sieben Mal so viele Be-schäftigte wie in der deutschen Vorzeigebranche, derAutomobilindustrie, in der 700 000 Arbeitnehmer be-schäftigt sind. Wir wollen, dass der Standard in unseremGesundheitswesen im internationalen Wettbewerb anvorderer Stelle bleibt. Deshalb werden wir den Gesund-heitssektor weder kaputtsparen noch ruinieren, sondernweiterentwickeln. Eines sage ich – Sie rufen ja immerdazwischen – deutlich an Ihre Adresse: Wer den Men-schen Angst einjagt und behauptet, die medizinischeVersorgung in Deutschland werde zum Risiko, der wirdselbst zum Risiko.
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azu möchte ich ein Beispiel aus meiner Heimat, demünsterland, erzählen. In der vorigen Woche hat in Dül-en eine neue Einrichtung Bilanz gezogen: die Medika-ententafel. In den ersten drei Monaten haben dortchon 115 bedürftige Menschen das Angebot genutzt,edikamente zum halben Preis zu kaufen. Es geht hierohlgemerkt um Medikamente, die der Arzt verschrie-en hat, die aber nicht von den Kassen übernommenerden und nicht von den Patienten aus eigener Tascheinanziert werden können. Ich schätze das soziale Enga-ement sehr, das dieses Angebot möglich macht. Es istber eine Schande, dass so etwas in diesem Land nötigst.
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Kathrin VoglerSo sieht nämlich die soziale Wirklichkeit in unseremreichen Land aus: Wer arm ist und krank wird, ist auf Al-mosen angewiesen.
Damit werde ich mich nicht abfinden; damit wird sichdie Fraktion Die Linke nicht abfinden.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von derSPD, wir werden nicht vergessen, dass dies auch ein Er-gebnis von zehn Jahren sozialdemokratischer Gesund-heitspolitik ist, an der leider auch die Grünen und dieUnion beteiligt waren.Wenn Union und FDP nun versprechen, die Unter-finanzierung zu beenden, dann klingt das erst einmalklasse; aber für die Versicherten bedeuten Ihre Pläneeine weitere Umverteilung von unten nach oben. Siewollen also das Solidarprinzip abschaffen, demzufolgeGesunde für Kranke und diejenigen, die gut verdienen,für diejenigen, die weniger Einkommen haben, einste-hen. Das ist mit uns nicht zu machen.
Sie setzen auf die Kopfpauschale, die von der FDPbeschönigend „Gesundheitsprämie“ genannt wird. Dasheißt, Sie wollen, dass die Friseurin mit 800 Euro Mo-natsgehalt denselben Beitrag zahlt wie die Chemietech-nikerin mit 3 000 Euro Gehalt im Monat. Sie haben imWahlkampf versprochen: „Mehr netto vom Brutto.“ Dassetzen Sie jetzt um, aber nur für diejenigen, die mehr als2 000 Euro im Monat verdienen. Das sollen diejenigenfinanzieren, die über deutlich weniger Einkommen ver-fügen. Deren Beiträge werden nämlich steigen. Damittreiben Sie die Spaltung der Gesellschaft voran. Daswerden wir Ihnen nicht durchgehen lassen.
Herr Rösler, Ihr Versprechen, diese Ungerechtigkeitmit einem Sozialausgleich abzufedern, kann ich Ihnenehrlich gesagt nicht abnehmen; denn ich glaube nicht,dass es Ihnen gelingt, die Steuern zu senken – auch dashaben Sie versprochen – und gleichzeitig 20 bis 40 Mil-liarden Euro aus der Staatskasse für den Sozialausgleichaufzubringen. Entweder können Sie nicht rechnen oderSie wissen nicht, was da auf Sie zukommt, oder Sie wis-sen genau, dass es nicht funktionieren wird, und belügendie Leute. Das halte ich für eine Unverschämtheit.
Zweitens machen Sie damit Millionen Versicherte zuBittstellern beim Staat. Nach der Medikamententafelkommt dann also demnächst die Krankenkassentafel.Dagegen werden wir uns wehren. Dass Sie diese Reformzudem ausgerechnet von einem bisherigen Funktionärder privaten Krankenversicherung erarbeiten lassen,wundert uns da kaum noch. Es zeigt das wahre Wesender FDP als Front der Privilegierten. Oder stehen dieseddzdhdsDgjsAknSwulPMbPbvKkuDmgddsrd
3,9 Milliarden Euro sollen in diesem Jahr als Steuer-uschuss in den Gesundheitsfonds fließen, um die Min-ereinnahmen durch die Finanzkrise auszugleichen; dasaben Sie gerade ganz stolz verkündet. Aber Sie wissenoch ganz genau, dass den Krankenkassen 2010 voraus-ichtlich weitere 4 Milliarden Euro fehlen werden.
en Versicherten drohen also Zusatzbeiträge, denn ir-endwoher müssen die fehlenden Milliarden ja kommen.Warum kommen Sie eigentlich nicht auf die Idee, die-enigen an den Kosten zu beteiligen, die die Krise verur-acht haben?
ber nein: Auf die Unternehmer und Aktionäre entfälltein einziger Cent an höheren Beiträgen. Wieder sind esur die Beschäftigten, die Rentnerinnen und Rentner, dieie zur Kasse bitten werden.Die Linke hat immer wieder Vorschläge gemacht undird das auch weiterhin tun, wie die Kassen finanziertnd die Versicherten entlastet werden können. Wir wol-en bestmögliche Versorgung für die Patientinnen undatienten, mehr Zeit für Zuwendung und für sprechendeedizin sowie mehr Beschäftigung bei besseren Ar-eitsbedingungen statt noch mehr Profite für dieharmabranche und private Versicherungskonzerne.
Sie hingegen preisen im Koalitionsvertrag den Wett-ewerb und den Markt als Steuerungsmechanismen undergessen dabei eines: Ein kranker Mensch ist keinunde, der über Diagnose und Therapie frei entscheidenann. Wer krank ist, braucht Hilfe, schnell erreichbar,nkompliziert und in guter Qualität, und das Ganze vomarß bis zum Bodensee. Das zu schaffen ist unsere ge-einsame Verantwortung hier in diesem Haus. Deswe-en werden wir diesen Haushalt ablehnen, und wir wer-en weiter dafür streiten, dass Medikamententafeln iniesem Land überflüssig werden.Danke schön.
Kollegin Vogler, das war Ihre erste Rede im Deut-chen Bundestag. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg in Ih-er weiteren Arbeit.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nunie Kollegin Birgitt Bender.
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrMinister Rösler, wenn ich nicht schon so lange Gesund-heitspolitik machte, dann wären mir eben bei Ihrer RedeTränen der Rührung gekommen. Es war ja so schön an-zuhören, dass Sie jetzt derjenige sind, der aus lauter so-zialer Verantwortung mit der Hinterlassenschaft der Gro-ßen Koalition aufräumt, die nämlich für dieses JahrZusatzbeiträge für die Versicherten zur Folge habenwird.Ja, Herr Minister, wer soll Ihnen glauben, dass dasIhre größte Sorge ist? In Wirklichkeit ist es doch so, dassIhnen das als Testfeld willkommen ist. Es werden Kos-ten auf die Versicherten verschoben, zunächst einekleine Kopfpauschale, und das ist der ideale Test für dievon Ihnen geplante große Kopfpauschale. Die Kroko-dilstränen über Zusatzbeiträge, Herr Minister, könnenSie sich sparen; die glaubt Ihnen niemand.
Ob Sie wirklich aus sozialer Verantwortung für dieVersicherten handeln, wie Sie behaupten, darf man be-zweifeln. Werfen wir einmal einen Blick in Ihren Haus-halt. Da wird durchaus mehr Geld ausgegeben, und zwarnicht nur via Steuerzuschuss für die GKV. Nein, da wirdbeispielsweise ein Titel im Bereich der internationalenArbeit deutlich erhöht. Wir lesen den Titel „Förderungder deutschen Gesundheitswirtschaft im Ausland“.Da geht es um die Mitwirkung der Bundesregierung anVermarktungs- und Kooperationsbemühungen gesund-heitswirtschaftlich tätiger Unternehmen im Ausland. Esfindet sich eine deutliche Erhöhung des Titels. Herr Mi-nister, wir haben nichts gegen Wirtschaftsförderung.Aber das Bundesgesundheitsministerium ist keine Un-terabteilung des Wirtschaftsministeriums, und das sollteman deutlich unterscheiden können.
Wir sind uns nicht sicher, ob Sie diese Unterscheidungtreffen. Als Sie noch Landeswirtschaftsminister waren,haben Sie an einer Resolution der Landeswirtschafts-minister mitgewirkt, in der es sinngemäß heißt, manmöge endlich dem IQWiG, also dem Institut für Quali-tät und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, aufdie Finger klopfen, weil es die Pharmaindustrie so ver-unsichere und Arbeitsplätze in der Pharmaindustrie ge-fährde.
Was passiert jetzt? Es wird die Ablösung des pharma-kritischen Leiters dieses Instituts betrieben.
Was schließen wir daraus? Dass wir uns nicht missver-stehen: Natürlich muss ein Leiter korrekte Spesen-abrechnungen vorlegen.AgwtwnWInwurwlUNuMbsDmnAsSMsftmBgDkm
ber wenn ausgerechnet jetzt die Ablösung von Sawickiefordert wird – vor allem, wenn man weiß, dass schonährend der Koalitionsverhandlungen Papiere kursier-en, in denen seine Ablösung gefordert wurde –, dannird klar, woher der Wind weht.
Es geht darum, dass man einen Grund findet, um ei-en Kritiker loszuwerden. Ich sage Ihnen, Herr Minister:enn das der Auftakt dazu ist, dass die Arbeit desQWiG weichgespült wird, um der Pharmaindustrie ei-en Gefallen zu tun, dann machen Sie einen Fehler. Esird nämlich für die Versicherten teurer,
nd es ist auch nicht wirklich im längerfristigen Inte-esse der Pharmaindustrie.
Es ist klar, dass sich ein Unternehmen nicht freut,enn es durch ein Gutachten des IQWiG auf Anhieb et-iche Millionen Euro Umsatz verliert. Aber wenn dienternehmen wissen: In Deutschland gilt die Kosten-utzen-Bewertung. Das sind die Kriterien, an die wirns halten müssen. Wenn wir etwas Neues auf denarkt bringen, das den Patienten wirklich mehr Nutzenietet, dann können wir auch einen höheren Preis reali-ieren. – Dann wird in die richtige Richtung geforscht.as sind verlässliche Rahmenbedingungen. Das solltean gerade als Minister nicht infrage stellen.
Man gewinnt den Eindruck, Herr Minister, dass Sieicht der Anwalt der Patienten sind, sondern dass Ihregenda eher die Klientelpflege ist. Nehmen wir als Bei-piel die private Krankenversicherung. Erst hievenie einen Mann der PKV auf eine B-9-Stelle in Ihreministerium. Ausgerechnet er soll für Sie die Grund-ätze ausarbeiten. Dann erfahren wir, dass es exklusivür FDP-Mitglieder einen Rabattvertrag eines PKV-Un-ernehmens gibt. Nicht nur, dass Sie dort niedrigere Prä-ien bezahlen. Nein, es gibt auch noch – wenn wir denerichten glauben dürfen – besondere Aufnahmebedin-ungen.
as heißt offenbar nichts anderes, als dass der FDPlerrank sein darf und trotzdem von dieser PKV aufgenom-en wird.
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Birgitt Bender
Offensichtlich gilt hier seitens des PKV-Unternehmens:Der FDP-Kranke ist uns lieb und teuer, weil die kurzfris-tige wirtschaftliche Belastung sich in langfristigen politi-schen Nutzen umwandelt. So wird ein Schuh daraus.
Und siehe da: Es wird politisch angekündigt, dassman in Zukunft einen höheren Zuschuss für PKV-versi-cherte Hartz-IV-Empfänger zahlt. Das klingt schön. InWirklichkeit nutzt es nur der PKV. Man wird die Warte-frist verkürzen, ab wann gut verdienende GKV-Versi-cherte in die PKV wechseln dürfen. Was sollen wir denndavon halten? Das ist doch Klientelpflege reinsten Was-sers.
Frau Kollegin Bender, gestatten Sie eine Zwischen-
frage des Kollegen Straubinger?
Werte Kollegin Bender, Sie haben sich mit dem Grup-
penversicherungsvertrag der FDP auseinandergesetzt,
wie es auch schon einige Vorredner getan haben. Sind
Sie der Meinung, dass Gruppenversicherungsverträge
grundsätzlich verboten werden müssten?
Nein, ich finde sogar, dass es in der GKV richtig
wäre, wenn man beispielsweise Gruppenverträge für Pa-
tientengruppen machen könnte, so wie das in den Nie-
derlanden der Fall ist. Die Frage ist doch, warum eine
PKV ausgerechnet einer politischen Partei ein Angebot
für rabattierte Prämien und besondere Aufnahmebedin-
gungen macht.
Das stinkt zum Himmel. Es wundert mich, dass ausge-
rechnet jemand aus der CSU das jetzt anspricht. Sie pro-
fitieren ja gar nicht.
Weil meine Redezeit abläuft, möchte ich es kurz ma-
chen. Es gibt viele Themen, Herr Minister, die Sie der-
zeit in Interviews unter die Leute bringen. Angeblich
soll das alles der Freiheit von Patienten und Versicherten
dienen. Dazu kann ich nur sagen: Fragen Sie einmal in
Berlin-Neukölln oder in Stuttgart-Hallschlag, wer da
scharf ist auf Kostenerstattung, auf Arztbesuch gegen
Vorkasse. Sie müssen auch den dort niedergelassenen
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Ich sage deswegen: Auf den Wahlplakaten der FDP
ätte ähnlich wie auf Zigarettenpackungen ein Warnhin-
eis stehen müssen, und zwar: FDP wählen kann tödlich
ein, für die Gesundheit und fürs Gemeinwohl.
Danke schön.
Das Wort hat der Kollege Heinz Lanfermann für die
DP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Der Haushalt des Bundesgesund-eitsministeriums, um heute auch einmal darüber zu re-en, zeigt noch die Grundstruktur, die Ulla Schmidt ihmn ihrer Amtszeit gegeben hat. Er wird jetzt dominierton dem Zuschuss für den von der abgewählten Gesund-eitsministerin falsch konstruierten und unterfinanzier-en Gesundheitsfonds.
essen Einnahmen reichen eben nicht aus. Die Erblasteträgt im Augenblick 8 Milliarden Euro. Ich weiß garicht, warum Sie sich so darüber aufregen, dass dieseoalition 4 Milliarden Euro dazugibt,
eil man sagt: Das sind Folgen, die die Steuerzahler undicht die Beitragszahler zu tragen haben. Ich weiß nicht,b Ihre Kritik zu rechtfertigen ist.
enn die Krankenkassen sich jetzt gezwungen sehen,usatzbeiträge von ihren Versicherten einzufordern,ann ist das eine Erblast des Systems Ulla Schmidt.
Um hier auch einmal über die Dinge zu sprechen, dien Zukunft zu tun sind: Wir wollen ein Gesundheits-inisterium, das einen klaren Schwerpunkt auf die For-chung setzt. Der Wissenschaftsrat hat in seiner Unter-uchung der nachgeordneten Behörden hierzu wertvolleinweise geliefert. Ich würde Ihnen empfehlen, sichuch einmal über solche Dinge Gedanken zu machen.
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1448 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Heinz Lanfermann
Wir wollen die Prävention zu einem Schwerpunktmachen; denn die beste und natürlich auch kostengüns-tigste Gesundheitspolitik ist, Krankheiten zu vermeiden.Dafür brauchen wir einen ressortübergreifenden Ansatz,der Doppelförderungen ebenso wie Förderlücken ver-meidet. Wir wollen nicht zuletzt, dass das Gesundheits-ministerium als Innovationsmotor auf dem Weg zueinem zukunftsfesten Gesundheitssystem mit mehrWettbewerb fungiert;
denn Wettbewerb sichert und hebt die Qualität und be-grenzt oder senkt sogar die Preise.
Wir wollen ein Gesundheitssystem mit mehr Wahl-freiheit für die Bürger;
denn Wahlfreiheit schafft Transparenz und sorgt dafür,dass auf die individuellen Bedürfnisse eingegangenwird. Wir werden mit einem sozialen Ausgleich über dasSteuersystem – da gehört er hin, weil das gerechter istals die Ankopplung an die Gehaltshöhe – eine Neujustie-rung vornehmen.
Diese wird sorgsam, umsichtig und verantwortungsvollvorgenommen.
Dies ist – das hat man deutlich gesehen – eine etwasasymmetrische Debatte. Während der Minister für das,was er und die Koalition vorhaben, klare Worte gefun-den hat
und der Kollege Singhammer auf die einzelnen Punktekonkret eingegangen ist, haben sich die drei Damen, diefür die Opposition gesprochen haben, gegenseitig gera-dezu darin übertroffen, sich mit irgendwelchen Mutma-ßungen, Vorurteilen und selbstverständlich auch mit An-griffen, zum Beispiel auf die FDP, zu profilieren. Daswar in weiten Teilen ziemlich unseriös.
Ich will das Thema gerne aufgreifen – wir können da-rüber gerne öffentlich diskutieren; das ist doch gar keinProblem –: Wenn weit über 700 Unternehmen und weitüber 300 Verbände und Vereine Gruppentarifverträgefür ihre Mitglieder anbietenunsTIHdt–FrZfsuVdsvfsReBsvpBnho
nd auch eine Partei dies tut, dann ist das doch ein ganzormaler Vorgang, so, wie ADAC-Mitglieder an be-timmten Tankstellen halt einen kleinen Rabatt beimanken bekommen.
ch weiß wirklich nicht, woher die Aufregung kommt.aben Sie bei der SPD nicht einmal damit geworben,ass Ihre Mitglieder günstige Reisen nach Kuba vermit-elt bekommen? Ich kann mich an so etwas erinnern.
Prüfen Sie das noch einmal nach.Sie dürfen auch nicht mit Unwahrheiten arbeiten,rau Ferner. Sie haben hier zum Beispiel wahrheitswid-ig behauptet, die Koalition habe beschlossen, dass dieusatzversicherung in der Pflege von der PKV durchge-ührt werden soll. Das haben wir nie beschlossen, dasteht nicht im Koalitionsvertrag,
nd ich habe noch heute, Frau Ferner, eine bedeutendeertreterin der gesetzlichen Krankenversicherung aus-rücklich darum gebeten, dass auch sie, die Krankenver-icherungen, Vorschläge machen, wie man diese Zusatz-ersicherung organisieren könnte.
Kollege Lanfermann, gestatten Sie eine Zwischen-
rage des Kollegen Seifert? Ich mache darauf aufmerk-
am, dass das die einmalige Chance ist, Ihre ablaufende
edezeit zu verlängern.
Ja, ich gestatte gern die Zwischenfrage, wenn ich
ben kurz meinen Gedanken zu Ende führen darf.
Ich habe sie ferner darum gebeten, zum Beispiel in
ezug auf die Pflegekassen Vorschläge zu machen, wie
ie sich an dieser Zusatzversicherung beteiligen wollen.
Herr Kollege Lanfermann, Sie sagten gerade, dass esiele Gruppen gibt, die solche Gruppenverträge mitrivaten Versicherungen haben, und dass es gar nichtsesonderes sei, dass die FDP das auch habe. Macht esicht einen kleinen Unterschied, ob zum Beispiel ein Be-indertenverband eine Gruppenversicherung abschließtder die FDP, die unter anderem staatliche Zuschüsse
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1449
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Dr. Ilja Seifertbekommt, während der Behindertenverband diese nie imLeben bekommt?
Die Versicherung wird ja nicht von der FDP abge-
schlossen, übrigens auch nicht von den Tanzlehrern, die
auch diesen Gruppenvertrag bei dieser Versicherung ha-
ben.
Vielmehr können die einzelnen Menschen, die sich dort
versichern wollen, unter Hinweis auf ihre Mitgliedschaft
in einem bestimmten Unternehmen, einem bestimmten
Verein oder in dem Fall einer bestimmten Partei in einen
Gruppenvertrag eintreten. Dadurch wird ihr individuel-
ler Vertrag ein wenig, aber nicht sehr viel billiger.
Glauben Sie auch nicht die Märchen, die von Frau
Bender erzählt werden, dass es in Deutschland eine pri-
vate Krankenversicherung gäbe, die sich danach drängte,
jetzt kranke Mitglieder aufzunehmen – Ihr Vorwurf ist ja
immer, dass sie das nicht tun –, um irgendwelche Vor-
teile zu erlangen. Wir werden Ihnen das noch einmal
schriftlich geben, damit Sie das glauben.
Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren, für die
Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Bärbel Bas für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fürmich wie für Sie, Herr Dr. Rösler, ist das der erste Haus-halt im Deutschen Bundestag. Da Sie mit den Wortenangetreten sind, das Kranken- und Pflegeversicherungs-system verbessern zu wollen, habe ich einmal in denHaushaltsentwurf geschaut, um mir zwischen den Zah-len und Zeilen einen Eindruck zu verschaffen, wo SieIhre Prioritäten setzen. Ich muss leider sagen: Ich habekeine gefunden.
Wo, Herr Dr. Rösler, sind zum Beispiel Ihre Kon-zepte, um gerade für ältere, chronisch kranke und behin-derte Menschen eine wohnortnahe medizinische Versor-gung zu gewährleisten?
Wir leisten uns für fast 30 Milliarden Euro eine qualita-tiv hochwertige ambulante Versorgung, sind aber offen-shDLdmsaBZwedSLbSsvfPDSvVwrsIdvDZs„kDwDni
amit meine ich nicht nur die fehlenden Ärzte auf demande. Auch Städte wie Duisburg weisen laut Statistiker KV eine ausreichende oder sogar Überversorgungit Haus- und Fachärzten auf. Trotzdem gibt es sozialchwache Stadtteile, in denen zum Beispiel kein Kinder-rzt mehr zu finden ist. Alleine mit einer Aufhebung derudgetierung bei ambulanten Leistungen, die Sie, Herröller, als Patientenbeauftragter vorgeschlagen haben,erden wir keinen Arzt in diese Stadtteile bekommen,inmal abgesehen davon, dass Sie nicht sagen, wie Sieas finanzieren wollen.
olange es die unterschiedliche Honorierung voneistungen für gesetzlich und privat Versicherte gibt,leibt es für Ärzte attraktiv, sich in wohlhabenderentadteilen niederzulassen. Das Ergebnis sind unterver-orgte Gebiete in überversorgten Regionen.Wo sind Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Prä-ention und Kindergesundheit? Wo sind Ihre Vorschlägeür eine menschenwürdige und qualitätsgesicherteflege?
as Einzige, das Ihnen einfällt, sind klientelorientierteystemumstellungen, und in der Pflege wollen Sie eineerpflichtende private Zusatzversicherung einführen.
iele Bürgerinnen und Bürger wissen jetzt schon nicht,ie sie die finanzieren sollen. In der Krankenversiche-ung wollen Sie eine einkommensunabhängige Kopfpau-chale mit Sozialausgleich.Durch Ihre angestrebten Finanzierungsmodelle undhre einseitige Bevorzugung der Privatversicherung wer-en weder die Qualität der Versorgung verbessert nochorhandene Effizienzreserven im System erschlossen.as Gegenteil dürfte der Fall sein. Fehlsteuerungen undweiklassenmedizin werden von Ihnen nicht beseitigt,ondern zementiert.
Ich höre in Ihren Reden immer wieder die Wortemehr Wettbewerb“. Sie wollen Wettbewerb? Gerne,ann ich da nur sagen. Aber dann muss er auch fair sein.enn das geht nur, wenn GKV und PKV gleiche Wettbe-erbsbedingungen haben.
azu gehört unter anderem: keine unterschiedliche Ho-orierung der Leistungen und voller Einbezug der PKVn den Risikostrukturausgleich.
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1450 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Bärbel BasSie reden auch viel von Gerechtigkeit und tun trotz-dem das Gegenteil. Mit Ihrer Kopfpauschale setzen Siewichtige Prinzipien unseres Sozialsystems außer Kraft.Es mag sein, dass das nur mein Empfinden ist. Aber ichfinde, dass Sie das Prinzip, dass Gesunde für Kranke undLeistungsstarke für sozial Schwache einstehen, außerKraft setzen.Ihre Kopfpauschale benötigt einen Sozialausgleich,der nach Berechnungen Ihres Finanzministers mindes-tens 35 Milliarden Euro kosten wird. Finanzieren wollenSie den Sozialausgleich mit Steuereinnahmen aus demWirtschaftswachstum,
also mit Geld, das Sie noch nicht haben und von dem Sieauch nicht wissen, wie viel es sein wird. Soll ich Ihnensagen, wie ich das nenne? Das ist eine Finanzblase,
und die wird nach der Landtagswahl in Nordrhein-West-falen platzen.
Denn mit dem gleichen Wirtschaftswachstum wollen Siedie Mehrausgaben für Ihre Klientelpolitik decken, denHaushalt konsolidieren und die Steuerreform, wann im-mer sie kommt – 2011, 2012 oder 2013 –, finanzieren.Das kann nicht funktionieren.Sie selbst, Herr Dr. Rösler, haben in einem Interviewgesagt:Wir werden uns neben der Frage einer fairen Finan-zierung auch um die Ausgabenseite kümmern.Heißt das, dass wir nach der Steuerschätzung im Maiund damit nach der Landtagswahl in Nordrhein-West-falen mit Leistungskürzungen oder einer Gesundheits-steuer, wie Herr Schäuble sie genannt hat, rechnen müs-sen?
– Ja.Ihr Kollege Otto Fricke hat uns vorgestern übrigenseinen schönen Taschenspielertrick vorgeführt. Ich zeigeIhnen jetzt einmal, wie Ihre Finanzpolitik aussieht. Siestecken dem Bürger in Form von Steuersenkungen10 Euro in die eine Tasche und nehmen ihm für die So-zialversicherung 20 Euro aus der anderen Tasche. Das istIhre Finanzpolitik.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren Kollegen! Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer erstenede, Frau Kollegin.
ch habe mit Verwunderung beobachtet, dass Sie einenchten Zwanziger aus der Tasche gezogen haben.
hre Fraktion allerdings ähnelt manchmal einem falschenuffziger, was ihren Umgang mit manchen Themen an-eht.
Wir führen eine Haushaltsdebatte. Wir freuen uns,ass die Auguren vom Januar 2009, als Deutschland undie Welt in einer üblen finanziellen Situation waren,icht recht behalten haben. Unsere Arbeitslosenquote isticht so stark gestiegen und unser Bruttoinlandsproduktst nicht so stark eingebrochen, wie diese Weissager da-als vorausgesagt haben, und seit drei Quartalen befin-en sich die Leistungen der deutschen Wirtschaft wiederuf dem aufsteigenden Ast.Die Wirtschaftsweise Professor Beatrice Weder diauro hat erst kürzlich neben den Zentralbanken geradeer deutschen Bundesregierung für das letzte Jahr eineusgezeichnete Arbeit attestiert. Das Finanzmarktstabili-ierungsgesetz, zwei Konjunkturprogramme und das Fa-ilienentlastungsgesetz haben wir im letzten Jahr – allesusammen mit Ihnen, meine lieben Kollegen von derPD – richtigerweise auf den Weg gebracht. Das Bürger-ntlastungsgesetz, das wir jetzt gemeinsam mit der FDPealisieren, setzt diesen richtigen Weg fort. Wir suchenie Zahl der Beschäftigten in diesem Jahr hoch zu halten und das muss uns einiges wert sein –; denn viele Be-chäftigte bringen mehr Steuern und zusätzliche Beitrags-innahmen.Die Bundesschulden – um auf den Haushalt zu kom-en – sind exorbitant. Das Jahr 2010 soll das Referenz-ahr werden. Häufig wird gesagt, 2011 bis 2016 soll ge-altig gespart werden. Ich meine, es ist nicht richtig, zuagen: Ab 2011 muss gespart werden. Wenn ich mit deneuten rede, sagen sie mir: Schon 2010 muss gesparterden. – Da ist kein Haushalt zu gering, bei jedemaushalt kann man damit anfangen.
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Alois Karl
Die Entscheidung, zu sparen, ist richtig.Wir werden die Krise, die im letzten Jahr und in die-sem Jahr sichtbar geworden ist, ganz gewiss in den Griffbekommen. Wir müssen aber auch die Lebensgrundla-gen der Generationen, die nach uns kommen, erhalten;wir dürfen nicht deren Substanz heute verbraten.
Adenauer hat gesagt: Der Staatsmann schaut bis zurnächsten Generation, der Politiker bloß bis zur nächstenWahl. – Ich hoffe, dass viele von uns dem nachfolgenund Staatsmänner sind. Wir haben in diesem Haus in denletzten Tagen viel von Nachhaltigkeit gehört. Wenn sichalle nach diesem Prinzip richten, sind wir auf dem richti-gen Weg.Ein neues Jahrzehnt hat begonnen. Dieses Jahrzehntmuss ein Jahrzehnt der Investitionen und der Innovatio-nen werden. Wir müssen Antworten geben auf diedemografische Entwicklung, wir müssen die Zukunftunserer Sozialsysteme sichern.Wir sind eine alternde Gesellschaft. Wir wissen alle,dass diese alternde Gesellschaft für das Gesundheitswe-sen neue und zusätzliche Aufgaben bringt. Die Sozial-systeme sind auf paritätische Finanzierung angelegt. EinEckpfeiler dieser Parität ist jedoch schon vor Jahrenweggebrochen, nämlich die Parität bei der Finanzierungdes Gesundheitssystems: 7 Prozent zahlen die Arbeitge-ber, 7,9 Prozent die Arbeitnehmer.
– Das ist in Ihrer Regierungszeit so beschlossen worden,Frau Ferner. Sie waren damals noch nicht stellvertre-tende SPD-Vorsitzende.
Damals war Ihr Stern noch nicht aufgegangen. Nochheute leuchtet dieser Stern nicht besonders hell.
Unsere Bevölkerung wird immer älter. Eigentlich istdas ein Grund zur Freude. Frühere Generationen habennicht davon zu träumen gewagt, gesund in dieses hoheAlter zu kommen. Es ist dem medizinischen Fortschritt,es ist unseren hervorragenden Ärzten zu verdanken, dasswir diese gute Zeit erleben. Die alternde Gesellschaftkostet aber etwas, und auch der medizinische Fortschrittist nicht für umsonst zu bekommen. Alle 80 MillionenMenschen in unserem Land haben Anspruch auf bestemedizinische Versorgung – ohne Kontingentierung oderRationierung; Sie haben das ausgeführt, und dafür binich Ihnen dankbar.
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chon in den nächsten Monaten, Herr Minister Rösler,ird die Kommission, die eingesetzt worden ist, Vor-chläge für eine Reform des Gesundheitswesens vorle-en. Ich hoffe, dass die Reform nicht wie eine der siebenlagen des Alten Testaments über uns kommt, sondernutige Ansätze bringt, um das Gesundheitswesen für dieächsten Jahre, vielleicht Jahrzehnte auf sichere Beineu stellen.
ie Überlegungen des Bundesgesundheitsministers, dierbeitgeberbeiträge festzuschreiben, die Beiträge der Ar-eitnehmer einkommensunabhängig zu erheben, gesamt-esellschaftliche Aufgaben den Staat, den Steuerzahlerahlen zu lassen, für Defizite einen Sozialausgleich ein-urichten, diese Ansätze haben etwas Frappierendes anich. Es wird aber darauf ankommen, wie dieser Sozial-usgleich – wir haben Zahlen gehört: 20 Milliardenuro, 30 Milliarden Euro, 35 Milliarden Euro – in derraxis finanziert wird. Darüber kann heute aber nichtiskutiert werden. Wir sehen mit Spannung den Empfeh-ungen Ihrer Kommission entgegen, Herr Minister.Dabei will ich eines für meine Fraktion und für meineartei sagen: Der Grundsatz der Solidarität darf nichtus dem Fokus gerückt werden.
n der Tat müssen Besserverdienende – Sie haben dies inhrer Rede auch erwähnt – über einen höheren Steuersatzuch mehr für diesen Sozialausgleich bezahlen.
leichwohl bitte ich zu bedenken, dass Mitbürger mitohen Einkommen eher Steuergestaltungsmöglichkei-en als jene haben, die lediglich Lohneinkünfte beziehen.
uch dies rechnen wir zu der Solidarität, die in den So-ialausgleich einfließen muss.Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Haushaltes Gesundheitsministers weist etwa 16,2 Milliardenuro aus. Es ist der Einzelplan mit der größten Steige-ungsrate. Er steigt, wie wir gehört haben, um fast0 Prozent gegenüber dem letzten Jahr. Dies ist keinrund für Freudensprünge, weil 4,6 Milliarden Euro fürundeszuschüsse und 3,9 Milliarden Euro für die krisen-edingte Situation der Krankenversicherungen ausgege-en werden. Übrigens mein Kompliment, Herr Minister,ie Sie Herrn Minister Schäuble in wenigen Stunden die,9 Milliarden Euro abgenommen haben. Das war schon
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Alois Karlà la bonne heure, das war eine gute Leistung in Ihren ers-ten Tagen als Minister.
97 Prozent des Haushalts sind determiniert. Es sindkeine großen Sprünge zu machen. Trotzdem werden wirdie Ausgabenposten für die Öffentlichkeitsarbeit, für diePräventivprogramme und die Aufklärungskampagnenkritisch unter die Lupe nehmen. Wer aber meinen sollte,weil 97 Prozent des Haushalts determiniert seien,komme es auf die paar Millionen auch nicht mehr an, diedisponibel sind, wird sich irren.
Ich gehe davon aus, dass wir alle Haushaltsansätze sehrkritisch unter die Lupe nehmen.Herr Minister, ich freue mich auf die Beratungen mitIhnen, Ihren Staatssekretären und Mitarbeitern. Wir wer-den sicherlich einen guten Haushalt 2010 auf den Wegbringen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Martina Bunge für die
Fraktion Die Linke.
Danke, Frau Präsidentin. – Verehrte Kolleginnen undKollegen! Wenn dieser Tage von Geld und Gesundheitoder umgekehrt die Rede ist, hört man regierungsseitigpermanent zwei Sätze: Erstens. Die gesetzliche Kran-kenversicherung hat einen Geburtsfehler. Zweitens. Diegesetzliche Krankenversicherung ist tot, zumindest nichtzukunftsfähig.
Die GKV, um die uns viele Länder beneiden, hat sehrviele Jahre und viele Wirrnisse gesund überstanden. Al-lerdings geht es ihr aktuell nicht gut. Zu den krisenbe-dingten Einnahmeausfällen – im Haushaltsentwurf sind3,9 Milliarden Euro dazu eingestellt; das ist okay – ent-steht nach offizieller Schätzung ein Loch von knapp4 Milliarden Euro. Doch dieses Loch ist keine Unzu-länglichkeit des Systems; es ist von der Politik gegraben.
Wenn man mehr ausgibt, zum Beispiel für Palliativ-medizin oder Ärztehonorare, muss man auch mehr reintun. Aber das ist nicht geschehen.
Wenn man dann noch bei den Medikamenten wenigerspart als erwartet, dann hat man ein Loch. Doch das istlogisch entstanden und nicht krankhaft.wbaIzzwrwrerDzcdzdneWeLddlswvZeIdegndpd
ann werden die Gutverdienenden massiv entlastet undie Geringverdienenden massiv belastet. Mit Ihrem tol-en Sozialausgleich – wie auch immer er aussehen wird –oll Gerechtigkeit hergestellt werden. Ich frage mich,as daran sozial ist, wenn es bei der Entlastung der Gut-erdienenden bleibt und die Geringverdienenden denuschuss, den sie beantragen können, über diverse Steu-rn selbst mitfinanzieren müssen.
ch denke, das ist ein sozialpolitischer Skandal.Der Finanzminister hat gestern eingestanden, dass dieerzeitige Rekordverschuldung nicht trivial ist und dasss auch 2011 und 2012 schwerwiegende Entscheidungeneben wird. In dieser Situation wollen Sie ein funktio-ierendes System umswitchen und Milliardenbedarfe füren Haushalt erzeugen? Ich denke, das ist reine Klientel-olitik für Arbeitgeber und Gutverdienende. Das wirdie Linke nicht hinnehmen.
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Dr. Martina BungeEin Gesundheitsminister, der den Namen verdient,müsste sich um die Gesundheitsleistungen kümmern,unabhängig vom Portemonnaie, sowie um lebenswerteund gesundheitsfördernde Bedingungen. Aber das WortGesundheitsförderung kommt weder im Koalitionsver-trag noch im Haushalt vor. Hier ist die Koalition amWerk, der es nicht um moderne Prävention und Gesund-heitsförderung geht. Der schwarz-gelbe Gesundheits-haushalt ist unseres Erachtens altbacken. Hier wird wei-tergeführt, was nie funktionierte: Präventionskampag-nen, Aufklärung und Modellprojekte, die nicht flächen-deckend ausgeweitet werden. Ganz zu Recht hat derGKV-Spitzenverband in seinem Präventionsbericht 2009festgestellt, dass Arme von der Gesundheitsförderungkaum erreicht werden, obwohl sie es am nötigsten hät-ten. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, diedie Kassen nicht alleine bewältigen können. Deshalbwird die Linke Sie auch dieses Jahr wieder mit der For-derung konfrontieren, in den nächsten vier Jahren je-weils 1 Milliarde Euro für einen Fonds für Gesundheits-förderung und Prävention bereitzustellen, damit imGesundheitssystem ein Paradigmenwechsel stattfindenkann. Ich denke, die Koalition mit ihrer fixen Idee völli-ger Eigenverantwortung wird nicht dazu fähig sein, die-sen Paradigmenwechsel zu ermöglichen. Die Linke wirdaber weiter dafür streiten.Danke.
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Kol-
legin Maria Klein-Schmeink das Wort.
Meine liebe Präsidentin! Meine lieben Kollegen und
Kolleginnen hier im Hause! Ich finde, die Debatte ist
bislang eigentümlich verlaufen; denn sie lässt zentrale
Fragen außen vor. Sie, die Koalitionsfraktionen, erlebe
ich als eine Mehrheit, die eigentlich nicht sprachfähig ist
und mit sehr unterschiedlichen Zungen redet. Ich erlebe
einen Minister, der im Wesentlichen sehr kurze und
überschaubare Sätze formuliert
und zentrale Aussagen vermissen lässt. Er wird auch
wissen, warum er auf zentrale Aussagen verzichtet; denn
er ist nicht sprachfähig.
Sie müssen nämlich die gemeinsame Melodie dessen,
was kommen soll, noch erzeugen. Deshalb bleibt es bei
Schablonen wie „fair“ oder „solidarisch“, ohne zu sagen,
wie diese Schablonen auszufüllen wären.
Wie wir alle wissen, haben Sie eigentlich ein Vorbild,
an das Sie sich auch ein bisschen angelehnt haben, näm-
lich das niederländische Modell. Das könnte man
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Ich will aber auch die andere Seite ansprechen. Sie re-
en davon, dass Sie die Ausgabenseite nicht aus den Au-
en verlieren und etwas tun wollen. Aber auch hier sa-
en Sie nicht, was Sie tun und welche Instrumente Sie
insetzen wollen; denn Sie wissen ganz genau, dass es
abei wieder um Verteilungsprobleme geht, die man vor
ahlen besser nicht anspricht. Ich erinnere daran, wie
ie von der FDP in den vergangenen Debatten aufgetre-
en sind und gesagt haben, wir müssten uns ehrlich ma-
hen. Aber das, was ich nun erlebe, ist das Gegenteil von
hrlich. Das ist eigentlich eine Form von Wählertäu-
chung, die Sie bewusst in Kauf nehmen, um über die
RW-Wahl hinwegzukommen.
Die SPD hat ebenfalls eine seltsame Haltung. Frau
as, ich habe mich über Ihren Beitrag sehr gefreut. Ich
inde, Sie haben die richtigen Zukunftsthemen genannt:
ie demografische Entwicklung, die soziale Schieflage
nd die mangelnde Steuerung bei Fehlversorgung. Aber
arum ist das nach so langer Zeit, in der die SPD an füh-
ender Stelle Gesundheitspolitik betrieben hat, nicht an-
ers?
ieser Frage müssen Sie sich stellen; das müssen Sie
en Wählerinnen und Wählern beantworten.
An die Adresse der Linken muss ich sagen: Unser
entrales Problem ist nicht eine „Medikamententafel“,
ondern die Minimierung der Gesundheitsrisiken von so-
ial benachteiligten und einkommensschwachen Bevöl-
erungsgruppen. Die Herausforderung heißt Präven-
ion. Ich bin sehr gespannt, was Sie dazu vorlegen
erden.
Frau Kollegin, ich weiß, dass es subjektiv sehr unge-echt empfunden wird, wenn einem von seiner Fraktionur drei Minuten Redezeit zugebilligt werden. Aber Sieind nun schon über Ihrer Zeit. Sie müssen bitte zumchluss kommen.
Das müssen wir jetzt verschieben.
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1454 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Ich werde sehr genau darauf achten, wie Sie den Prä-ventionsansatz ausgestalten und finanzieren wollen. Ichhabe das, was Sie gesagt haben, als Drohung aufgefasstund Sie so verstanden, dass Sie hier quasi eine neueSparkasse aufmachen und Gelder einsammeln wollen.Das werden wir im weiteren Prozess auf jeden Fallthematisieren.
Das Wort hat die Kollegin Stefanie Vogelsang für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Lieber Herr Minister, wenn man sich Ihren Haus-halt genau anschaut und sich vor Augen führt, dass11,8 Milliarden Euro als Zuschüsse gewährt werden unddie Kompensation für die krisenbedingte Minderausgabe3,9 Milliarden beträgt, denkt man, dass gar nichts mehrübrig ist und dass die restlichen Geldsummen keineBedeutung haben. Ich finde aber, dass dieser geringeRest in Ihrem Haushalt eine ganz wesentliche Bedeutungfür das Gesundheitssystem und die gesundheitliche Si-tuation in unserem Land hat.Ich möchte mich nicht auf die Neuordnung der Kran-kenkassen in mehr oder weniger ideologischer Weise,die einzelnen Ansätze, die unterschiedlichen Schwer-punktsetzungen und Schuldzuweisungen konzentrieren.Ich möchte meinen Blick vielmehr auf einzelne Haus-haltsthemen wie die Versorgungsforschung, die Leucht-turmprojekte zur Demenz, die Aktion für psychischKranke, den Nationalen Krebsplan und nicht zuletzt– dieser Punkt ist mir persönlich sehr wichtig – auf mehrWertschätzung für den Dienst am Menschen richten.
Für uns in der christlich-liberalen Koalition hat dersystematische Ausbau der Versorgungsforschung be-sonderes Gewicht; denn uns ist klar: Nur auf der Basisgenauer Erkenntnisse lassen sich die richtigen Schluss-folgerungen für das Fitmachen der Gesundheitsversor-gung in der Zukunft ziehen. Wir wissen, dass der finan-zielle Spielraum auch in Zukunft eng bleiben wird.Gerade deshalb ist es wichtig, das Maximale an Leis-tungskraft und Qualität für die Menschen herauszuholen.Das wiederum schafft man nur, wenn man die Erforder-nisse unter Alltagsbedingungen möglichst exakt kennt.In den zusätzlichen 12 Milliarden Euro für das Bundes-ministerium für Bildung und Forschung in dieser Wahl-periode ist ein kleiner Anteil – aber immerhin – an For-schungsgeldern für die Versorgungsforschung enthalten.Darüber freue ich mich. Für die kommenden Haushaltewird es aber wichtig sein, den Auftrag des Gesundheits-ministeriums zur Sicherung der GesundheitsversorgungdiiZddkusASElPardzbsendznadfdteGkasdnsEdkAwsdhmKres
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1455
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Wir brauchen mehr Wertschätzung für den Dienst amMenschen. Wir müssen Angebote für Menschen verbes-sern, die Hilfe und Förderung brauchen. Die demografi-sche Entwicklung und der Wandel im Zusammenlebender Menschen in unserem Land stellen uns vor großeHerausforderungen.Ich bekomme ein Zeichen der Präsidentin, dass meineRedezeit abgelaufen ist. Das akzeptiere und vor allenDingen respektiere ich natürlich. Ich möchte nur nocheinen Gedanken zu Ende bringen.Lieber Herr Minister, ich finde es vor dem Hinter-grund der Wertschätzung, die wir für Menschen erbrin-gen müssen, die Dienst am Menschen leisten, für unserePflegerinnen und Pfleger, für die Krankenschwesternund Krankenpfleger, für die Ärztinnen und Ärzte, sehrwichtig, dass ihre Berufsfelder wieder das gesellschaftli-che Image bekommen, das sie verdienen, und sie wiederZeit für den Menschen und Zeit für Zuwendung haben.Ich halte es für einen Skandal, dass unsere Bundesländer– das gilt übrigens vor allen Dingen für das Land Berlin –ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Krankenhausfi-nanzierung im Bereich der baulichen Investitionennicht nachkommen. Letztendlich sind die Träger der2 100 Krankenhäuser in Deutschland gezwungen, dieseBsIjfzdSDedC–GDttbkddiSsDEHd
en die schwarz-gelbe Koalition nicht nur geduldet, son-ern höhnisch lachend begleitet hat – das gilt übrigensnsbesondere für den heute nicht anwesenden Kollegenpahn –, ist beispiellos. Sie ist ein Tiefpunkt der deut-chen Gesundheitspolitik der letzten Jahre.
ie Spender der CDU, Ferring Arzneimittel – 150 000uro im August 2009 –, Stefan Quandt, Mitinhaber dereel GmbH – 150 000 Euro im Oktober 2009 –, und an-ere, werden es Ihnen sicher danken.
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1456 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Dr. Karl LauterbachAber das werden sicherlich auch die Wähler tun. DerBürger ist nicht bereit, unwirksame Arzneimittel über-teuert zu konsumieren und damit die Gewinne der Phar-maindustrie hier in Deutschland zu stützen.
Das IQWiG, das Institut für Qualität und Wirtschaft-lichkeit im Gesundheitswesen, so heißt es in den dieKoalitionsverhandlungen begleitenden Papieren, soll diebetroffenen Pharmaunternehmen demnächst früher indie Verhandlungen einbinden. – Was bedeutet das kon-kret? Dass wir demnächst mit der Industrie wie auf ei-nem Basar verhandeln müssen, zu welchen Bedingungenein Medikament verkauft und auch dann, wenn es nichtwirkt,
angeboten werden darf. Vielleicht kommt es so weit,dass diese Medikamente zumindest von den Gesundengenommen werden; denn bei denen werden sie wenigerSchaden anrichten. Darum geht es doch, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren.
Vielleicht hängen die Ergebnisse in Zukunft sogar davonab, wie groß die Spendenbereitschaft der Firmen ist.Vielleicht werden die Ergebnisse vom IQWiG dem-nächst zu versteigern sein; auch darauf könnte es hinaus-laufen.
Ähnlich traurig sieht es in der Krankenversicherungaus.
Am Montag werden zahlreiche Krankenkassen erste Zu-satzbeiträge ankündigen. Dagegen haben Sie, Herr Mi-nister, nichts unternommen. Auch hier lachen dieschwarz-gelben Koalitionäre über den Bürger.
– Sie lachen; ich sage es ja.
– Sie lachen über den Bürger, natürlich.
Sie lachen über den Bürger, aber Ihnen wird das Lachennoch vergehen. Gott sei es gedankt: Ihre Umfragewertesind schon gesunken. So dumm ist der Bürger nicht,Herr Lanfermann.
Es wird bislang nicht konkret. Eben hat der Kollegeon der Union dem Minister für die klaren Worte ge-ankt. Ich persönlich muss ehrlich sagen – und ich habeie gleiche Rede gehört –: Mit Verlaub, es waren leereorte. Konkret ist es nur in der Vergangenheit gewesen,ls angekündigt wurde, dass Apotheker und Fachärzte,ie Stammwähler der FDP – die FDP hat sich früherelbst „Partei der Besserverdiener“ genannt –, vor Wett-ewerb geschützt werden sollen. Für die PKV soll esüngere und gutverdienende Neumitglieder geben.
ie gesetzlich Versicherten können auf höhere Beiträgend Zusatzprämien in Form von kleinen Kopfpauschalenarten. Das ist das, was wir bisher konkret gehört haben im Gegensatz zu den leeren Worten, die wir heute er-eut vernommen haben.
Der Cheflobbyist der privaten Krankenversicherungird Leiter der Grundsatzabteilung.
er Grundsatz „privat vor öffentlich“ passt zu der Partei,ie den Staat als teuren Schwächling diffamiert.
rotzdem sind die Lobbyisten offenbar auf den teurenchwächling Staat angewiesen; denn sonst würden sieie FDP nicht – wie Baron von Finck – mit Spenden be-enken müssen.
Die Einstellung des PKV-Lobbyisten Weber als Leiterer Grundsatzabteilung ist jedoch etwas Neues, etwasnderes. Bisher wissen wir, dass der Lobbyist die FDPezahlt, um Einfluss zu gewinnen. Neu ist, dass derteuerzahler selbst demnächst den Lobbyisten zu bezah-en hat.
m Gegenzug wird es dann vielleicht bei der PKV niedri-ere Beiträge und günstigere Bedingungen für FDP-Mit-lieder geben.Ich schließe mit einer Empfehlung an den Minister:enn für Sie die Interessen der Pharmaindustrie mehriegen als die Interessen der Kranken, die die Medika-ente brauchen, wenn für Sie die Interessen der PKVehr wiegen als die Beitragssätze für die gesetzlich oderie privat Versicherten, wenn für Sie die Einkommensin-eressen der Apotheker und der Fachärzte wichtiger sindls die der Patienten und der Beitragszahler, dann wer-en Sie Minister für Wirtschaft und treten Sie die Nach-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010 1457
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Dr. Karl Lauterbachfolge des glück- und farblosen Kollegen Brüderle an, be-vor Sie weiteren Schaden anrichten!
Wir als SPD werden in Kürze Vorträge dazu bringen,
wie die Praxisgebühr abzuschaffen ist, die uns damalsvon der Union in den Nachverhandlungen im Bundesrataufgedrückt wurde. Wir wollen zurück zur Parität.
Kollege Lauterbach, achten Sie bitte auf das Zeichen
vor Ihnen.
Vielen Dank. – Frau von der Leyen kündigt an, zu
überprüfen, ob Schlecker zu niedrige Löhne zahlt,
gleichzeitig soll Schlecker aber bei den Arbeitgeberbei-
trägen zur Krankenversicherung entlastet werden. Wir
wollen zurück zur paritätischen Finanzierung. Heute ist
es nicht an der Zeit, einseitig die Arbeitgeber zu entlas-
ten.
Wir wollen auch weg von der Zweiklassenmedizin,
einer Medizin, bei der die Versorgungsqualität vom Ein-
kommen des Bürgers abhängt.
Kollege Lauterbach, ich bin ein geduldiger Mensch,
aber ich habe auch einen Knopf, um das Mikrofon ein-
fach auszuschalten.
Letzter Halbsatz.
Es ist zu vermeiden, dass die Versorgungsqualität vom
Einkommen oder demnächst möglicherweise sogar von
der Parteimitgliedschaft abhängt.
Das Wort hat die Kollegin Karin Maag für die
Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebe Kollegin-nen! Eines zeichnet sich jetzt hier sehr deutlich ab: WeiteTsSSsDDwstudtsBgcstsBhDlEDwelawudKSs
ie sagen es nicht ganz deutlich, sondern versuchen, unsoziale Kälte oder Klientelpolitik nachzuweisen.
as ist zu durchsichtig. Das ist Ihnen nicht gelungen.ie christlich-liberale Koalition wird das Gesundheits-esen zukunftsfest machen,
odass es auch die künftigen Herausforderungen meis-ern kann.
Meine Damen und Herren von der SPD, Sie haben einnglaublich kurzes Gedächtnis. Sie haben bekanntlichen ersten Entwurf dieses Haushalts noch mitverantwor-et. Für die gesamtgesellschaftlichen Ausgaben der ge-etzlichen Krankenversicherung war 2010 lediglich derundeszuschuss in Höhe von 11,8 Milliarden Euro vor-esehen. Ich halte hier noch einmal fest: Im Entwurf derhristlich-liberalen Koalition ist ein weiterer Bundeszu-chuss in Höhe von 3,9 Milliarden Euro zur Kompensa-ion der krisenbedingten Mindereinnahmen veran-chlagt. Insgesamt werden die Kassen 2010 damitundeszuschüsse in Höhe von 15,7 Milliarden Euro er-alten.
er Etatansatz des Einzelplans 15 erhöht sich damit deut-ich von 11,6 Milliarden Euro in 2009 auf 16 Milliardenuro in 2010.
amit stärken wir den Stellenwert des Gesundheits-esens und stellen es auf stabile finanzielle Füße.
Wir als christlich-liberale Koalition haben uns ganzindeutig und von Anfang an – das betone ich ausdrück-ich – zur solidarischen und sozialen Verantwortunguch im Gesundheitssektor bekannt und tun das aucheiterhin. Wir entlasten die gesetzlichen Kassen
nd sorgen dafür, dass die Menschen nicht zusätzlichurch die Wirtschaftskrise belastet werden. Sozialeälte sieht aus meiner Sicht anders aus.
elbstverständlich werden wir auch in Zukunft unsererozialen Verantwortung gerecht. Wie Sie sich die Zu-
Metadaten/Kopzeile:
1458 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 16. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 21. Januar 2010
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Karin Maagkunft vorstellen, Frau Bender, dazu haben Sie leider garnichts gesagt.Die Geschwindigkeit des medizinischen Fortschrittsnimmt rasant zu. Der demografische Wandel trifft uns je-doch erst in 15 bis 20 Jahren spürbar, wenn die geburten-starken Jahrgänge, zu denen auch ich gehöre, in den Ru-hestand gehen. Gleichzeitig müssen die Kassenbrauch hin. Wir müssen vor allem dagegen ankämpfen,dass das Thema Aids aus dem Fokus gerät. Die Mittel inHöhe von insgesamt über 16 Millionen Euro stehen des-halb auch in einem Krisenhaushalt weiterhin ungekürztzur Verfügung. Besonders wichtig ist mir in diesem Zu-sammenhang auch das Thema Alkoholmissbrauch beiKindern und Jugendlichen. Im Vergleich zum Jahr 2000ist die Zahl der stationären Behandlungen um 170 Pro-Beitragsausfälle verkraften: 13. Monatsgehälter werdennicht mehr oder nur teilweise gezahlt. Kurzarbeit, Ar-beitslosigkeit, aber auch soziale Errungenschaften wiezum Beispiel die Arbeitszeitkonten tragen dazu bei, dassEinnahmen fehlen.Wir haben es im vergangenen Jahr gemeinsam ge-schafft, Frau Ferner und Herr Lauterbach, die Arbeitge-berbeiträge festzuschreiben und mit diesem Einstieg indie Abkopplung der Gesundheitskosten von den Lohn-zusatzkosten die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unter-nehmen zu stärken. Bis dahin gingen die Kostensteige-rungen entweder zulasten der Lohnzusatzkosten – dasheißt, die Beiträge haben sich erhöht –, oder sie musstenvon den medizinischen Leistungserbringern im Systemaufgefangen werden; ich nenne hier nur das StichwortKostendämpfung. Das schadete einem Wachstumsmarktmit über 4,4 Millionen Beschäftigten.
Wir bekennen uns ausdrücklich weiterhin zu dem,was wir in den vergangenen vier Jahren mit Ihnen vonder SPD gemeinsam erreicht haben. Aber das muss wei-terentwickelt werden. Wir können jetzt nicht stehen blei-ben und die Herausforderungen dieser Zeit ignorieren.Unsere Hauptaufgabe in den nächsten vier Jahrenwird es sein, den Einstieg in die stabile Finanzierungweiterzuentwickeln und vor allem darauf zu achten, dassdie gesetzlich Versicherten damit nicht überfordert wer-den.
Natürlich müssen wir auch die Ausgaben im Gesund-heitsbereich im Griff behalten. Die Ausgaben für For-schung, Aufklärung und Prävention sind gut angelegt.Es ist mit Sicherheit angebracht, dort zu investieren;denn das erspart am Ende die hohen Krankheitskosten.Ich nenne exemplarisch den Infektions- und den Ge-sundheitsschutz, den wir stärken müssen. Ich begrüße esausdrücklich, dass wir die Forschungsausgaben auch inKrisenzeiten konstant halten. Zu den Stichworten Auf-klärung und Prävention ist anzumerken, dass wir für eineSucht- und Drogenpolitik stehen, die Prävention, Thera-pie und Hilfe zum Ausstieg in den Mittelpunkt stellt.In diesem Zusammenhang weise ich ausdrücklich aufdie HIV/Aids-Problematik und auf den Alkoholmiss-zzgdKDDtnKwfZtidcuWBuuod9ej(Dent gestiegen, Frau Dyckmans. Allein 4 500 Kinderwischen 10 und 15 Jahren mussten im Jahr 2008 auf-rund einer Alkoholvergiftung stationär behandelt wer-en. Um diese Kinder und vor allem die Eltern dieserinder zu erreichen, müssen wir neue Wege gehen.iese neuen Wege kosten Geld. Die Botschaft lautet:as Geld steht trotz Krise auch in diesem Haushalt wei-erhin zur Verfügung.
Ich fasse zusammen: Die Versicherten, die Patientin-en und Patienten, können bei der christlich-liberalenoalition sicher sein, dass ihnen weiterhin eine hoch-ertige, bezahlbare gesundheitliche Versorgung zur Ver-ügung steht. Die Leistungserbringer – die Ärzte, dieahnärzte, all diejenigen, die im Gesundheitssystem tä-ig sind – dürfen von uns eine faire Partnerschaft auchm Hinblick auf ihre Vergütung erwarten. Wir werdeniesen Weg mit Entschiedenheit gehen. Ich bin mir si-her, dass es der bessere Weg ist.Ihnen, Herr Minister Rösler, Ihren Mitarbeitern undns allen wünsche ich, dass wir das in den kommendenochen gemeinsam erfolgreich gestalten.Vielen Dank.
Kollegin Maag, das war Ihre erste Rede im Deutschen
undestag. Dazu gratulieren wir Ihnen recht herzlich
nd wünschen Ihnen auch weiterhin viel Erfolg.
Weitere Wortmeldungen zu diesem Einzelplan liegen
ns nicht vor.
Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tages-
rdnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Freitag, den 22. Januar 2010,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen noch
inen erfolgreichen Abend, wozu auch immer Sie ihn
etzt nutzen wollen.