Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich, wünsche Ihnen einen guten Tag und uns eine
hoffentlich gute, intensive und konstruktive Haushalts-
beratungswoche.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a bis 1 c auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2006
– Drucksache 16/750 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung
Finanzplan des Bundes 2005 bis 2009
– Drucksache 16/751 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
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Redet
c) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleit-
gesetzes 2006
– Drucksache 16/752 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jug
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklun
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich bedanke mich für die Unterstützung durch dieDP. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehr-en Damen und Herren! Auch der modernen Politik kanns nicht schaden, manchmal bei den alten Griechenachzuschlagen. Kein Geringerer als der Philosophokrates lehrt uns, dass Selbsterkenntnis dem Menscheneistens Gutes gibt, die Selbsttäuschung aber meistensextvon Übel ist. Bevor wir heute in die finanzpolitische De-batte eintreten, möchte ich deshalb dafür plädieren,Wege in die Realität zu suchen. Das bedeutet einerseits,dass die Regierung nichts beschönigt, und andererseits,meine Damen und Herren von den Oppositionsfraktio-nen, dass die Opposition auch nichts verzeichnet undüberzeichnet.
Maßlosigkeit im Urteil führt uns ebenso wenig weiterwie künstliche Aufgeregtheit oder eilfertige Empörung,insbesondere auf dem Resonanzboden schneller Nach-richtenverwertung. Die Politik soll die Menschen aufklä-nicht verunsichern.ei der SPD, der CDU/CSU und derFDP)endgren; sie soll sie
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Es ist sogar hervorzuheben, dass wir internationalepitzenpositionen belegen. Wir haben heute eine Steuer-uote von nur noch knapp 20 Prozent gemessen amruttoinlandsprodukt. Eine andere Frage ist, ob wir einu kompliziertes Steuersystem haben und ob wir in deminen oder anderen Besteuerungssystem Wettbewerbs-achteile haben. Die Antwort lautet Ja. Aber wir habenm internationalen Vergleich eine sehr geringe Steuer-uote.Wir haben uns bei den Lohnstückkosten im Ver-leich zu den 15 Kernländern der Europäischen Union inen letzten Jahren um sage und schreibe 8 Prozent ver-essert. Das ist das Ergebnis eines sehr robusten Wachs-ums der Produktivität und bemerkenswert moderaterohnabschlüsse, die sich allerdings umgekehrt auch ne-ativ in einer zumindest stagnierenden Kaufkraft der ab-ängig Beschäftigten niederschlagen.Unsere Staatsquote ist mit 46 Prozent auf dem nied-igsten Stand seit 15 Jahren, und zwar trotz der Kostener Wiedervereinigung, die wir zur Vollendung der Ein-eit unseres Landes gerne tragen.Mit einem Anteil von 50 Prozent der kombiniertenx- und Importe ist Deutschland schlechthin die Loko-otive des innereuropäischen Handels. Deutschlandird immer stärker Drehscheibe für die sich rasant ent-ickelnden Märkte Mittel- und Osteuropas. Mit fast30 Milliarden Euro lag das Volumen unseres Handelsit den EU-Beitrittstaaten im Jahr 2005 bereits deutlichöher als das Volumen unseres Handels mit den USA.Wir schreiben mit der Einführung einer staatlich un-erstützten Eigenvorsorge für das Alter, der so genannteniesterrente, in Ergänzung zur umlagefinanziertenente eine Erfolgsgeschichte, die kaum jemand zurenntnis nimmt.
s gibt 5,5 Millionen Verträge und nur die Versiche-ungswirtschaft redet davon und freut sich darüber.ichtig ist, dass dieses Angebot von den untersten Ein-ommensetagen zu wenig in Anspruch genommen wird,eshalb wir, wie ich glaube, über einen Verbesserungs-edarf in diesem Bereich nachdenken sollten.Diese und andere Nachrichten – ich könnte die Listeortsetzen – werden durchaus anerkannt und honoriert,llerdings vornehmlich im Ausland und in der ausländi-chen Presse. Erst kürzlich konnte ich mich in New Yorkei einer amerikanischen Unternehmensgruppe davonberzeugen. Sie sind neugierig auf den Standort Bundes-epublik Deutschland. Was ich zu hören bekam, wareneine aufgesetzten Nettigkeiten für den Gast auseutschland, sondern sehr harte Fakten. Bis heute habenich 2 000 amerikanische Unternehmen mit 110 Milliar-en Euro Investitionssumme – in der Folge sind das50 000 Arbeitsplätze in Deutschland – diesen Standortür ihre Investitionen ausgesucht. Der großen Koalitionird in den USA politisch viel zugetraut.
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Bundesminister Peer SteinbrückGenauso groß wie die Aufgeschlossenheit amerika-nischer Investoren ist ihr Erstaunen darüber, wie nega-tiv wir Deutschen selbst über den Standort Deutschlanddiskutieren. Man wird dort als Finanzminister gefragt:Wie kommt es, dass bei euch das Klagen über Deutsch-land in den letzten Jahren zu einem beliebteren Volks-sport geworden ist als der Fußball?Es war Johannes Rau, der den Mangel an Zukunfts-vertrauen in unserer Gesellschaft nicht nur anprangerte,sondern auch die Ursachen dafür nannte: die fatale Lustan der Schwarzmalerei, die die Entfremdung der Bürgervon Staat und Politik noch befördert, aber auch die An-spruchsmentalität nicht zuletzt in Teilen der gesellschaft-lichen Eliten.Die Lage der öffentlichen Finanzen ist ernst; da gibtes kein Vertun. Rund 20 Prozent der Ausgaben des Bun-deshaushalts, also ziemlich genau 50 Milliarden Euro,sind nicht durch nachhaltige Einnahmen gedeckt. DieHaushalte der Bundesländer sehen nicht besser aus: Imletzten Jahr konnte die Hälfte aller Länder, acht von 16,die verfassungsrechtliche Regelgrenze für die Neuver-schuldung bei der Haushaltsaufstellung – ich rede nochnicht einmal über den Haushaltsvollzug – nicht einhal-ten. In diesem Jahr sieht es keineswegs besser aus. DieVerschuldung aller öffentlichen Haushalte hat mittler-weile die Summe von 1,5 Billionen Euro überschritten.
Die dadurch entstehenden Zinsausgaben, für die inzwi-schen jeder sechste Euro des Bundeshaushalts bereitge-stellt werden muss, schnüren jeder Bundesregierung un-abhängig von der Farbenlehre, der sie folgt, denSpielraum für notwendige Zukunftsinvestitionen ein.
Damit verbunden ist ein weiteres eklatantes Problem,das sich nicht erst in den letzten Jahren, sondern in denletzten Jahrzehnten herausgebildet hat: die Verkarstungder Ausgabenseite des Bundeshaushalts. Entgegen vie-lerlei Einwendungen und obwohl wir Jahr für Jahr4 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für die Voll-endung der deutschen Einheit zur Verfügung stellen, habenwir auf der Ausgabenseite kein Niveauproblem, sondernein Strukturproblem. Allein der Anteil der Sozialausga-ben am Bundeshaushalt ist seit Beginn der 90er-Jahrevon einem Drittel auf heute knapp über die Hälfte gestie-gen. Rechnet man die Ausgaben für Zinsen, Personalund Arbeitsmarktpolitik hinzu, sind fast drei Viertel derBundesausgaben fest gebunden, während die Investitio-nen geringer sind als die Zinsausgaben. Dabei sind esgenau diese Investitionen, die maßgeblich über unserenzukünftigen Wohlstand entscheiden.Ich kann nicht zu viel versprechen. Dennoch sage ich:Der Prozess des Umsteuerns im Hinblick auf die Struk-tur der Ausgabenseite kann nicht abrupt erfolgen, alleinschon aufgrund der volkswirtschaftlichen und sozialenVerwerfungen, die unvermeidbar wären, wenn man ausden großen, feststehenden Ausgabeblöcken des Bundes-haushaltes mal eben 10, 15 oder 20 Milliarden Euro „he-rausschneiden“ würde.PruusSFLeshMt5sULtdtfW–nI–Saußdl
ie würden unsere Gesellschaft desintegrieren undliehkräfte verstärken, die die soziale Stabilität unseresandes gefährden würden. Das lernen einige offenbarrst, nachdem sie sich Fotos oder Fernsehbilder der Ge-chehnisse in Paris und seinen Vororten angesehenaben. Wer beim Bundeszuschuss zur Rentenkasseilliardenkürzungen fordert, der muss wissen, was Ren-enkürzungen von 5 Prozent aufwärts allein für die0 Prozent der Rentenbezieher bedeuten, die auf die ge-etzliche Rentenversicherung angewiesen sind.
nsere 80-Millionen-Gesellschaft ist schließlich keinabor, in dem man mal eben ordnungs- und sozialpoli-isch riskante Versuche unternehmen kann. Man sollteie Menschen für den Effekt eines Interviews nicht hin-ers Licht führen.
Das will ich an einem konkreten Beispiel, das ich zu-ällig gesehen habe, deutlich machen. Sie, Herresterwelle, haben im ZDF ein Interview gegeben.
Bleiben Sie ganz ruhig und werden Sie doch nicht soervös!
ch habe an Ihre Adresse noch gar nichts gesagt.
Vielleicht wissen Sie ja, was jetzt kommt. Dann habenie wohl bemerkt, dass Sie sich vergaloppiert haben.
Herr Westerwelle, Sie haben in einem Interview, dasm 28. Februar im „heute-journal“ ausgestrahlt wurdend in das ich mich zufällig hineingezappt habe, mit gro-er Emphase behauptet, dass sich in den nächsten Jahrenurch das Herunterfahren der Steinkohlebeihilfen Mil-iardenbeträge einsparen ließen.
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Bundesminister Peer SteinbrückWas er dem Publikum allerdings verschweigt, ist, dass esbis zum Jahr 2008 rechtskräftige Bewilligungsbescheidegibt.
Das wird mal eben unter den Tisch gekehrt. Das ist imgünstigsten Fall eine Veralberung des Publikums.
Das lässt sich fortsetzen: Im selben Interview sagteHerr Westerwelle, man müsse den Zuschuss des Bundesan die Bundesagentur für Arbeit auf null fahren. Er ver-säumt allerdings, zu sagen, dass wir genau das tun.
Im selben Interview behauptet er auch – jetzt kommtes –, dass die Steuern in Deutschland durch diese Ein-sparung weiter gesenkt werden könnten. Das geht sosehr an den Fakten und der Lage vorbei, dass ich nocheinmal behaupte: Das ist im günstigsten Fall eine Veral-berung des Publikums.
Haben Sie einmal dieses kleine Buch von HarryFrankfurt in den Händen gehabt?
– Ich habe es nicht zitiert, Herr Präsident.
Meine Damen und Herren, ich will umgekehrt nichtmissverstanden werden: Strukturreformen und das Um-steuern in Bezug auf die Struktur des Haushaltes sindnotwendig. Ich werde dort keine Entlastung vertretenkönnen. Sie sind Voraussetzungen für unseren zukünfti-gen Wohlstand. Ich halte die Frage für mehr als zulässig,ob die bloße Alimentation von Bedürftigen in den letztenJahrzehnten in vielen Fällen nicht zu einer Verfestigungder Bedürftigkeit geführt hat.
Ich halte auch die Frage für zulässig, ob der Anreiz unse-rer Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zu eigenen Anstren-gungen ausreichend und nachhaltig ausgeprägt ist. Ichscheue mich an dieser Stelle auch nicht, die weitereFrage für politisch korrekt zu halten, ob der kostenfreieZugang zu Infrastruktureinrichtungen und kommu-nalen sowie staatlichen Leistungsangeboten von Fallzu Fall wirkungsvoller und zielgenauer sein kann als in-dividuelle Transferzahlungen oder Steuervergünstigun-gen.
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eswegen wird die große Koalition einen verlässlichenurs steuern und den Menschen immer wieder erklärenüssen, warum sie heute gegebenenfalls auf etwas ver-ichten müssen, damit es ihnen und ihren Kindern in Zu-unft wieder besser geht. Wir schulden unseren Kindernnd Enkeln jede Anstrengung für tragfähige, solide underlässliche öffentliche Finanzen.
Wir wissen doch, dass sich der demografische Wan-el jetzt gerade erst einstellt. Wir wissen auch, was aufnsere Kinder und Enkelkinder zukommt. Wie sollenir ihnen in zehn oder 20 Jahren erklären, dass wir dieslles im Jahre 2006 zwar wussten und es uns – jedenfallseitestgehend – nicht egal war, dass es aber doch fol-enlos geblieben ist und dass wir nicht die Kraft hatten,ie Wünsche der gegenwärtig in der Verantwortung ste-enden Generation gegen die berechtigten Interessen derukünftigen Generationen abzuwägen?
as gilt insbesondere, da die Zahl der Vertreter der Zu-unftsinteressen nachfolgender Generationen im Ver-leich zur Zahl der Sachwalter und der Vertreter der Sta-us-quo- und Gegenwartsinteressen anteilsmäßig immereringer wird.Deswegen müssen wir unsere Ansprüche an den Staateute zurückstellen und gleichzeitig für mehr Wachstumnd Beschäftigung sorgen. Langfristig tragfähige Finan-en werden wir nur erreichen, wenn uns beides gelingt:trukturelle Konsolidierung der öffentlichen Haus-alte und das Stellen der Weichen für mehr Wachstumnd Beschäftigung.Wenn uns die finanzpolitischen Erfahrungen der ver-angenen Jahre eines gezeigt haben, dann die Tatsache,ass ein restriktiver Ausgabenkurs alleine nicht aus-eicht, um unsere Haushaltsprobleme in den Griff zu be-ommen. Trotz der konjunkturbedingt stark gestiegenenrbeitsmarkt- und Sozialausgaben sind die Bundesaus-aben zwischen 1999 und 2005 nominal nämlich geradeinmal um durchschnittlich 0,9 Prozent pro Jahr gestie-en. Das ist deutlich weniger, als die Volkswirtschaftnsgesamt gewachsen ist, nämlich um durchschnittlich,3 Prozent. Deswegen ist der Anteil der Bundesausga-en am Bruttoinlandsprodukt trotz der höheren Ausga-en für Arbeitsmarkt und Soziales von 12,3 Prozent auf1,6 Prozent zurückgegangen. Gelegentlich hat man denindruck, dass in der Öffentlichkeit der absolut gegen-eilige Eindruck besteht. Hieran erkennt man die enormeparleistung, für die ganz wesentlich auch mein Vorgän-
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Bundesminister Peer Steinbrückger Hans Eichel die politische Verantwortung getragenhat.
Trotzdem oder gerade deswegen haben die letztenJahre allerdings auch gezeigt, dass wir uns aus den Defi-ziten nicht nur heraussparen können; vielmehr brauchenwir für das Gelingen der Konsolidierung Wachstum. An-ders ausgedrückt: Es gibt keine nachhaltige Konsolidie-rung ohne Wachstum, aber es gibt auch kein nachhalti-ges Wachstum ohne solide Staatsfinanzen. Das eine istohne das andere nicht zu haben.Deswegen verfolgt die große Koalition eine Finanz-politik der doppelten Tonlage: Wir bringen die Konsoli-dierung genauso voran, wie wir durch Impulse Weichenfür mehr Wachstum und Beschäftigung stellen wollen.Gleichzeitig werden wir die sozialen Sicherungssystemerobuster auf die Veränderungen des Arbeitsmarktes undauf den demografischen Wandel einstellen müssen.Mit dem Bundeshaushalt 2006 und dem Finanzplanbis 2009 setzen wir unsere Finanzpolitik der doppeltenTonlage und wichtige Eckpunkte des Koalitionsvertra-ges konsequent um. Ich verschweige nicht, dass wir demHaushaltsplan sehr konservative Annahmen zugrundegelegt haben. Das ist auch gut so, und zwar nicht, weilsich der Finanzminister bewusst arm rechnen will, umAnsprüche abzuwehren – diesem Verdacht ist offenbarjeder Finanzminister ausgesetzt –, sondern – das betoneich – weil die Menschen wieder Vertrauen in die Planun-gen und Entscheidungen der Politik gewinnen müssen.Ich sehe keinen plausiblen Grund, weshalb das Vor-sichtsprinzip nur für die Buchführung privater Unterneh-men gelten soll und nicht auch für die Rechnungslegungdes Staates.
Doppelte Tonlage bedeutet, sowohl Konsolidierungals auch Wachstum zu fördern. Da das eine ohne das an-dere nicht gelingt, haben wir den Haushalt 2006 – daraufsetze ich den Akzent – konjunkturunterstützend ange-legt. Das heißt, wir unterlassen auf der Ausgabenseiteund auf der Einnahmenseite alles, was der konjunk-turellen Aufhellung schaden könnte. Diese Logik ver-tritt die Bundesregierung gegenüber allen Kritikern, diein diesem Jahr weiter reichende Haushaltskürzungenverlangen oder – das tut wahrscheinlich auch in diesemHohen Hause eine Minderheit – Steuererhöhungen fürden Königsweg halten. Ab 2007 werden wir dann konso-lidierungsgerechte Haushalte vorlegen müssen.Dabei bedeutet konjunkturunterstützend keineswegs,dass wir in diesem Jahr nicht sparen würden. Auch beimAbbau von Steuersubventionen legen wir eine hoheSchlagzahl vor. Ich nenne den Abbau der Eigenheimzu-lage, die Beschränkung der Verlustverrechnung bei Steu-erstundungsmodellen und auch den Einstieg in ein steu-erliches Sofortprogramm. Im Mai, spätestens AnfangJuni wird dazu der Gesetzentwurf der Bundesregierungfolgen.vcZEsdDbzAkGilnmKgggAnisdwgh1danlnHhddvnPssrp0bIsBrs
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Das nennt man in den USA „Government Shut-down“.Ich halte dem ganz bewusst ein modernes Staatsver-ständnis entgegen. Der Staat benötigt Ressourcen, umseine Aufgaben erfüllen zu können.
Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat; denn dieMenschen erwarten zu Recht, dass wir Infrastruktur fi-nanzieren, äußere und innere Sicherheit gewährleisten,Daseinsvorsorge betreiben, die Menschen gegen die gro-ßen Lebensrisiken absichern, Familienförderung betrei-ben und in Forschung, Entwicklung und Bildung inves-tieren. Sie erwarten auch, dass wir Kultur- undSportförderung betreiben. All diese Erwartungen richtensich an die staatliche Leistungsbereitstellung. Ich habeselten gehört, dass sich diese Erwartungen reduzieren.dugtd–bwdgmetDdWaWMaSlmuGizdsagttgmD
Jetzt habe ich endlich mal etwas von Ihnen gehört! Dasewerte ich so, dass Sie bisher mit allem einverstandenaren.
Nein, wir brauchen einen handlungsfähigen Staat, deradurch Vertrauen und Sicherheit schafft, dass er dieroßen Lebensrisiken der Menschen absichert und ihnenehr Chancengerechtigkeit beim Zugang zu Bildungs-inrichtungen garantiert, damit sie ein selbst verantwor-etes Leben führen können, und zwar ohne Alimentation.
as erwarten die Menschen und das haben sie uns – je-enfalls nach meiner Wahrnehmung – auch mit demahlergebnis vom 18. September vergangenen Jahresufgetragen.
Sie wollen den Markt als Ordnungsprinzip für dieirtschaft; aber sie wollen nicht die Übertragung desarktprinzips – schon gar nicht in Radikallösungen –uf alle gesellschaftlichen Bereiche.
ie glauben auch nicht, dass der Markt alle gesellschaft-ichen Probleme löst. Sie wollen den Staat nicht als Vor-und; aber sie wollen einen Staat, der Spielregeln fürnser Zusammenleben setzt. Sie erkennen, dass dielobalisierung unausweichlich ist und dass man sichhr nicht entziehen kann, indem man an den Landesgren-en die Rollos herunterlässt; aber sie wollen nicht, dassies zur Aufkündigung der bewährten Sozialpartner-chaft in der Bundesrepublik Deutschland führt.
Sie sind bereit, Eigenverantwortung zu übernehmen;ber sie wollen – wie ich schon sagte – eine Absicherungegen die großen Lebensrisiken erhalten sehen. Deshalbrete ich auch der verbreiteten und modischen Diskredi-ierung des Staates und seiner Institutionen entgegen, dieerne unter dem Deckmantel ordnungspolitischer Argu-ente daherkommt.
Es geht nicht nur um unsere nationale Zukunft.eutschland trägt vor allem in Europa auch ökonomi-
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Bundesminister Peer Steinbrücksche Verantwortung. Deutschland war einer der wesent-lichen Architekten des Stabilitäts- und Wachstums-paktes. Deswegen und nicht zuletzt wegen unsererökonomischen Größe tragen wir auch eine besondereVerantwortung dafür, dass dieser Stabilitäts- und Wachs-tumspakt nicht relativiert wird oder an Glaubwürdigkeitverliert.Dieser Pakt stellt eine wichtige Grundlage fürden wirtschaftlichen Wohlstand in Europa und insbeson-dere für die Stabilität des Euro dar, der eine Erfolgsge-schichte schreibt und inzwischen die zweitwichtigsteWeltwährung ist. Deshalb dürfen wir den Pakt durch un-ser Handeln, durch das Handeln der BundesrepublikDeutschland, in meinen Augen nicht beschädigen.
Der vorliegende Haushalt ist ein erster Schritt, mitdem wir sicherstellen werden, dass Deutschland 2007das Maastrichter Verschuldenskriterium in Höhe von3 Prozent wieder erfüllt. Ob dies schon in diesem Jahrgelingt, mag im Zuge einer günstigen Wirtschaftsent-wicklung und des konkreten Haushaltsvollzugs gelin-gen. Ich würde mich freuen. Ich kann dies aber nicht zuBeginn dieses Jahres versprechen, es sei denn, ich träfedazu auf der Einnahmenseite und auf der Ausgabenseitekonkrete Vorsorge. Das müsste ich dann auch nach Brüs-sel melden. Genau dies widerspräche aber unserer Lo-gik, den Haushalt 2006 konjunkturstützend zu fahrenund – ich wiederhole das – alles zu unterlassen, was aufder Einnahmenseite oder auf der Ausgabenseite zu einerBeeinträchtigung der Konjunkturentwicklung beitragenkönnte.
Das aktualisierte deutsche Stabilitätsprogramm be-schreibt die wachstumsorientierte zeitliche Abfolge un-serer Maßnahmen im Detail. 2006 ist die Finanzpolitikstrukturell neutral ausgerichtet. Das heißt, die Defizit-quote bleibt nach Lage der Dinge – jedenfalls in der Vo-rausschau – dieselbe wie 2005, nämlich bei 3,3 Prozent.
Ab 2007 wird die Entwicklung der Defizitquote insbe-sondere durch unsere Konsolidierungsmaßnahmen be-stimmt. Das heißt, 2007 wird die Defizitquote auf etwa2,5 Prozent zurückgehen. Das Stabilitätsprogramm mitseinem Konsolidierungspfad wird übrigens von der EU-Kommission explizit unterstützt. Wir haben dort Aner-kennung gefunden. Vor diesem Hintergrund haben wirdie Verschärfung des Defizitverfahrens mit einer In-Ver-zug-Setzung bewusst akzeptiert. Dadurch stärken wir dieGlaubwürdigkeit des reformierten Stabilitäts- undWachstumspaktes. Wir wollen eine Vorbildfunktion inEuropa insbesondere mit Blick auf andere Länder in derEurozone einnehmen.Ich will nicht darum herumreden. Damit uns das ge-lingt, werden wir eine Erhöhung der Mehrwertsteuervornehmen müssen. Ich kann keinerlei Hoffnung daraufmachen, dass die Erhöhung nicht kommt. Wir haben dieAnhebung der Umsatz- und der Versicherungsteuer zum1. Januar 2007 beschlossen. Dabei bleibt es, auch wennich genau weiß, wie die Debatte in diesem Jahr verlaufenwmsjBzglWgDOnmdgSdrenlddZAFDStwbuhtßbtdbdEdd
Wenn Sie mir nicht glauben, lese ich Ihnen mit Er-aubnis des Präsidenten den ersten Absatz eines „Han-elsblatt“-Artikels vor: Die wesentliche Ursache für daseutsche Staatsdefizit sind fehlende Einnahmen.
u diesem Ergebnis kommt die Bundesbank in einernalyse der strukturellen Entwicklung der öffentlicheninanzen.
emnach sind seit dem Jahr 2000 die Lohnsteuer undozialbeiträge deutlich weniger gewachsen als das Brut-oinlandsprodukt. Zudem seien die Einnahmen aus ge-innabhängigen Steuern nach dem Ende des Börsen-ooms eingebrochen. – Damit haben Sie eine relativnverdächtige Beschreibung.
Ich sagte bereits, dass ein Fünftel des Bundeshaus-alts, das heißt rund 50 Milliarden Euro, nicht nachhal-ig gegenfinanziert ist. Diese Lücke müssen wir schlie-en. Die berechtigte Frage ist, wie. Um diese Frage zueantworten, müssen wir uns die denkbaren Alterna-iven, aber auch deren Folgen genauer ansehen. Genauies haben wir in den Koalitionsverhandlungen getan,evor wir uns für die Mehrwertsteueranhebung entschie-en haben. Die Alternativen wären entweder massiveinschnitte bei den Leistungsgesetzen und infolgedessenie Kürzung von Transferzahlungen oder Kürzungen beien Investitionen gewesen.
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Bundesminister Peer Steinbrück– Herr Lafontaine, ich habe den Eindruck, dass Sie glau-ben, dass sich die Bundesrepublik Deutschland nicht ineinem internationalen Steuerwettbewerb befindet unddass Kapital besonders immobil ist. Das sind die beidenDenkfehler in den vielen Beiträgen, die Sie von dieserStelle aus gemacht haben.
Wenn Sie mit Ihrem Sachverstand gelegentlich auf Elas-tizitäten oder auf wechselseitige Abhängigkeiten zusprechen kämen, dann würde das Ihre Beiträge substan-zieller machen als diese einseitige ökonomische Ausle-gung.
Wenn wir mehr einsparen sollen – das ist der Vor-schlag der FDP –, müssen wir die 17 Milliarden Euro,die im Bundeshaushalt fehlen, entweder dadurch erzie-len, dass wir an Leistungsgesetze herangehen, zum Bei-spiel an den Zuschuss zur Rentenkasse, oder dadurch,dass wir bei den Investitionen kürzen. Ich bin mir ziem-lich sicher, alle in diesem Haus stimmen überein: DieInvestitionen sind tabu, weil wir uns sonst den Wohl-standsast absägen würden, auf dem wir sitzen. Wenn wirdie Renten oder das Arbeitslosengeld in einem Jahr umzweistellige Milliardenbeträge kürzen, rufen wir mas-sive soziale Verwerfungen hervor. Auch das hätte Aus-wirkungen auf die Konjunktur – oder glaubt irgendje-mand in diesem Saal, dass die damit verbundeneSchmälerung der Kaufkraft keine negativen Auswirkun-gen auf die Binnennachfrage hätte? Das schlägt sich inder volkwirtschaftlichen Gesamtrechnung doch genausonieder wie der Entzug von Kaufkraft durch eine Erhö-hung der Mehrwertsteuer; es ändert sich überhauptnichts.
Ein Verzicht auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer er-möglicht auch nicht den weiteren Einstieg in eine grö-ßere oder – ich sage es bescheidener – sukzessiv stärkereSteuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme beigleichzeitiger Entlastung der Arbeitsplätze von Lohnne-benkosten. Denn – was in der Debatte häufig unerwähntbleibt – ein Drittel dieser Mehrwertsteuererhöhung,sprich 1 Prozentpunkt, wird vollständig zur Absenkungdes Beitrags zur Arbeitslosenversicherung verwendet.Das heißt, der Arbeitslosenversicherungsbeitrag sinkt inder Summe um 2 Prozentpunkte. Die Sozialabgabenlastsinkt damit netto um insgesamt 1,6 Prozentpunkte; dieseZahl erklärt sich dadurch, dass die Erhöhung des Ren-tenversicherungsbeitrages um 0,4 Prozentpunkte gegen-zurechnen ist. Ich führe das an, damit die Rechnung voll-ständig ist und keinem Sand in die Augen gestreut wird.Durch diese Operation am Arbeitslosenversiche-rungsbeitrag steigt das Realeinkommen der Beschäftig-ten. Nun behaupte ich nicht, dass das die Verluste durchdie Mehrwertsteuererhöhung auch nur annähernd kom-pensiert, aber immerhin steht es dem positiv entgegen.FgewvMtkuDwPlMbdgwwsdfndEnTlgtguLbdGtdehmPsfKdsV2duD
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ir wollen das System reformieren. Wir wollen es trans-arenter, einheitlicher und rechtsformneutral gestalten.ir wollen weg von dem alten Dualismus der unter-chiedlichen Besteuerung von Personengesellschaftennd Kapitalgesellschaften. Hierfür entwickeln wir zur-eit in meinem Haus die Eckpunkte. Es wird dazu vonir innerhalb der nächsten zwei Monate kein Sterbens-örtchen geben, weil ich meine, dass sich die Politik dieotwendige Reifezeit nehmen sollte, um ein solcheserkstück gut zu bearbeiten,
nd nicht dazu beitragen sollte, dass Woche für Wocheit irgendwelchen Wasserstandsmeldungen die gesamteeutsche Öffentlichkeit verunsichert wird.
Die Unternehmensteuerreform ist nicht das einzigeorhaben, das wir zur Stärkung der Wirtschaft in Gangetzen wollen. Aus vielen Gesprächen weiß ich, wie sehrerade den kleineren und mittleren Unternehmen dasroblem der Regelung der Unternehmensnachfolge aufen Nägeln brennt. Häufig ist das eher ein subjektivahrgenommenes Problem und nach dem deutschenteuerrecht, wie ich glaube, objektiv keineswegs gege-en. Hier geht es aber oft um nicht weniger als den Fort-estand des Unternehmens und seiner Arbeitsplätze. Wiem Koalitionsvertrag vereinbart werden wir daher, wennöglich unter Berücksichtigung des anstehenden Urteilses Bundesverfassungsgerichtes, zum 1. Januar 2007 dierbschaftsteuer so reformieren, dass diese nach zehnjäh-iger Unternehmensfortführung nicht mehr anfällt.
Ich habe zu Beginn meiner Ausführungen bereits da-auf hingewiesen, dass wir uns den demografischen undozioökonomischen Veränderungen stellen und unsereozialen Sicherungssysteme durch Strukturreformen ro-uster machen müssen. Dies ist eine wichtige Grund-oraussetzung für langfristig tragfähige öffentlicheinanzen. Die Sicherung der sozialversicherungspflichti-en Beschäftigung ist dabei eine vordringliche Aufgabe.ir wissen, dass wir alle eher dem Risiko ausgesetzt sind,ass dieser Anteil sozialversicherungspflichtigereschäftigungsverhältnisse vor dem Hintergrund geän-erter Berufsbiografien erodiert und dass damit die we-entliche Finanzierungsgrundlage unseres sozialen Si-herungssystems unter Druck gerät.Zur Modernisierung des Sozialstaates gehören aller-ings auch Einsichten, die nicht immer bequem sind. Wirrauchen mehr Chancengerechtigkeit als heute. Ergebnis-leichheit kann und sollte die Politik nicht garantieren.ir dürfen in diesem Zusammenhang grundlegenden
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Bundesminister Peer SteinbrückFragen nicht ausweichen, zum Beispiel: Wieso verlassenpro Jahr über 80 000 Schüler die Hauptschule ohne Ab-schluss? Wieso sind pro Jahr fast 250 000 Berufsschul-abgänger ohne Abschluss? Sie sind die vorprogrammier-ten Verlierer in der Dynamik des Arbeitsmarktes.Die Bundesagentur für Arbeit steht zunehmend vorder Aufgabe, die Vermittlung der für den Einstieg in dasBerufsleben notwendigen Fähigkeiten, die nicht in derSchulzeit vermittelt worden sind, nachzuholen. Das isteigentlich nicht ihre Aufgabe. Das zeigt mit aller Drama-tik: Wir brauchen dringend zielführende Reformen imBildungssystem. Zielführend sind solche Reformen nurdann, wenn sie die Startchancen unserer Kinder verbes-sern.Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen desmodernen Sozialstaates ist in Zeiten wachsender demo-grafischer Herausforderungen notwendiger denn je. DieRentenbezugsdauer ist im Vergleich zu 1960 bereits umzwei Drittel höher. Als 1957 die dynamische Rente ein-geführt wurde, gab es neun Beitragszahler, die mit ihrenBeiträgen in den damaligen drei Säulen des deutschenSozialversicherungssystems dazu beigetragen haben,dass ein Leistungsempfänger finanziert werden konnte.Dieses Verhältnis ist von 9 : 1 auf 3,3 : 1 gesunken undes wird in den nächsten Jahren auf unter 3 : 1 sinken.Damit ist völlig klar, dass wir mit Blick auf die Finan-zierung dieser jetzt vier Säulen unseres sozialen Siche-rungssystems – die Pflegeversicherung ist hinzugekom-men – es mit einem Problem der politischen Mathematikzu tun haben und dass irgendwelche Empörungen aufTagungen, Verbandstagungen und wo auch immer nichtweiterhelfen. Es ist, wie gesagt, eine Frage der politi-schen Mathematik, dass wir uns mit diesem Problemauseinander setzen müssen.
Die Anzahl der Personen im Rentenalter steigt bis2030 von gegenwärtig 13,5 Millionen auf über22 Millionen. Gleichzeitig sinkt der Anteil der jungenMenschen dramatisch. Die Menschen leben bis 2030 imDurchschnitt rund drei Jahre länger. Je älter ich werde,desto besser finde ich das. Besonders deutlich zeigensich die Lasten der demografischen Alterung in dergesetzlichen Rentenversicherung. Der Anteil der über60-Jährigen an der Bevölkerung wird bis 2050 von24 Prozent auf knapp 40 Prozent steigen. Das Renten-eintrittsalter ist, bezogen auf die alten Bundesländer, von1960 bis 2004 bei den Männern um zwei Jahre und beiden Frauen um ein Jahr gesunken. Die Lebenserwartungist jedoch um 8,5 Jahre bei Männern und um neun Jahrebei Frauen gestiegen.
– Das kommt ja in den Gleichberechtigungsdiskussionennie vor.
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Für den Erfolg unserer Konsolidierungsstrategie istie Entwicklung im Gesundheitswesen ebenso wichtigie der Arbeitsmarkt und die Rente. Deutschlands Ge-undheitswesen ist modern und leistungsfähig, leiderber auch sehr teuer. Gute medizinische Versorgung warchon immer ein Grundwert unserer Gesellschaft. Nie-and sollte von dieser guten medizinischen Versorgungusgeschlossen werden, nur weil er arm ist, und niemandollte arm werden, nur weil er krank ist.
eshalb müssen sich die Reformmaßnahmen daran mes-en lassen, ob sie die von den Menschen grundsätzlichewünschte Solidarität erhalten.Natürlich müssen wir dabei auch die Einnahmeseiteehen. Ein Gesundheitssystem, das überwiegend überohnnebenkosten finanziert wird, gefährdet natürlichrbeitsplätze.
udem hört die Solidarität bei der Finanzierung schnelluf. Ausgerechnet Spitzenverdiener und Beamte, auchinister, können in die privaten Kassen ausweichen, woie meist weniger zahlen müssen als in der gesetzlichenrankenversicherung.
orge muss zudem machen, dass immer mehr Menschenus dem System der gesetzlichen Krankenversicherungntweichen, während die schlechten Risiken in der ge-etzlichen Krankenversicherung bleiben.Auf der anderen Seite dürfen wir dabei nicht verges-en, dass Reformen auf der Ausgabenseite des Gesund-eitssystems nicht minder dringlich sind. Die Fragen lie-en auf der Hand: Verfügen wir über geeignetenstrumente bei der Ausgabensteuerung? Wieso gibt es
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Bundesminister Peer Steinbrückin diesem Bereich nur einen unzureichenden Wettbe-werb?Meines Erachtens sind weitere Schritte zu wettbe-werblichen und effizienzsteigernden Strukturen auf derAusgabenseite und der Leistungsseite unabdingbar,wenn beispielsweise jährlich schätzungsweise 4 000 Ton-nen Arzneimittel im Wert von mindestens 2 MilliardenEuro auf dem Müll landen, wenn jede dritte von120 Millionen Röntgenaufnahmen überflüssig ist undwenn für die Versicherten der gesetzlichen Krankenver-sicherung bei den Kosten völlige Intransparenz herrscht.
Die Maßnahmen der Vergangenheit zur Steigerungder Einnahmen oder Deckung der Ausgaben haben dengesetzlichen Krankenversicherungen immer nur kurz-fristig Luft verschaffen können. Es war lediglich eineFrage der Zeit, bis die Entlastungen im System wiedervon Kostensteigerungen sozusagen überholt wurden.Aus diesem Mechanismus müssen wir heraus, weshalbich meine Kollegin Ulla Schmidt in den Anstrengungen,die auf eine weitgehende Reform des Gesundheitssys-tems zielen, nachhaltig unterstützen möchte. Als Finanz-minister habe ich ein massives Interesse daran, dass die-ses Reformvorhaben nicht scheitert. Denn sein Scheiternwürde in Form von steigenden Zuschüssen negativ aufden Bundeshaushalt zurückschlagen.Ich komme zum Schluss. Die große Koalition wirdvon vielen Menschen als eine gute Chance begriffen,zentrale Reformen in Deutschland mit einem langenHaltbarkeitsdatum auf den Weg zu bringen.
Das würde Vertrauen begründen. Diese Kategorie ist be-kanntlich von großer Bedeutung für Investoren wie auchfür Konsumenten. Die große Koalition wird auch alsChance begriffen, Gruppeninteressen entgegenzuwirken,weil keine der beiden großen Parteien mehr auf der Basisvon mir aus legitimer, aber durchaus nicht immer mitdem Allgemeininteresse identischer Gruppeninteressengegeneinander ausgespielt werden kann.Eine solide Haushaltsführung, so wie sie Millionenprivater Haushalte auch betreiben müssen, wenn siedenn den Gerichtsvollzieher nicht im Haus haben wol-len, ist eine wesentliche Erwartung der Menschen.
Die Flucht aus unangenehmen Entscheidungen in diesich immer weiter drehende Verschuldensspirale wirdimmer weniger akzeptiert, schon gar nicht von der jün-geren Generation, die den Kapitaldienst für unsereSchuldenaufnahme auf sich zurollen sieht.Die Koalition ist gefordert, die Weichen für eineHaushaltskonsolidierung zu stellen, ohne deswegen Zu-kunftsinvestitionen zu vernachlässigen. Der Finanz-minister versteht sich in dieser Hinsicht als Gestalter undnicht als Verhinderer. Um beidem zu entsprechen, brau-chen wir Mut, Durchhaltevermögen und gelegentlichapuRncdskkWwdmhnäpgKadBEhwIFhdsdsgasI
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält zunächst
er Kollege Jürgen Koppelin für die FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Derundesfinanzminister hat für die Bundesregierung denntwurf für den Bundeshaushalt 2006 und das Haus-altsbegleitgesetz eingebracht. Der Deutsche Bundestagird in dieser Woche eine erste Bewertung vornehmen.ch will Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, vonseiten derDP ausdrücklich zusagen, dass wir, was den Bundes-aushalt und auch das Haushaltsbegleitgesetz angeht, inen Ausschüssen konstruktiv mitarbeiten werden. Wirind der Auffassung, dass, wie der Bundeshaushalt zeigt,ie finanzielle Situation unseres Landes so ernst ist, dassich die Opposition einer Zusammenarbeit nicht verwei-ern kann. Deshalb bieten wir ausdrücklich unsere Mit-rbeit an.Herr Bundesfinanzminister, wir beide kennen uns jachon lange, auch aus Schleswig-Holstein.
ch weiß, dass Sie ein sehr kluger Mann sind.
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2108 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Verehrter Herr Fraktionsvorsitzender, es wäre schön,
wenn die ungeteilte Aufmerksamkeit der Regierung für
die Rede des ersten Oppositionsredners sichergestellt
wäre.
Das gilt auch für den anderen.
Lieber Herr Kauder!
Es ist wirklich sehr unhöflich, wenn der erste Rednerder Opposition in der Weise von den beiden Fraktions-vorsitzenden gestört wird.
– Das ist nun einmal so, zumal ich den Bundesfinanzmi-nister direkt angesprochen habe.Ich wiederhole das gerne. Ich kenne Herrn Steinbrückals einen wirklich sehr klugen Mann und ich schätze ihn,auch wenn wir hin und wieder unterschiedliche Auffas-sungen haben. Ich habe mir überlegt, wie er seine heu-tige Rede vorbereitet haben könnte. Da gab es zweiMöglichkeiten: Sie konnten die kluge Version wählen,Herr Bundesfinanzminister, indem Sie offen und ehrlichsagen, wie die Situation ist. Dann hätten Sie aber anspre-chen und begründen müssen, warum Sie heute einen ver-fassungswidrigen Haushalt vorlegen. Das haben Sienicht getan.
Sie haben sich für die zweite Möglichkeit entschieden,nämlich den Nebelwerfer. Sie haben viel Nebel produ-ziert und sehr viel Lyrik, aber der deutschen Bevölke-rung nicht konkret gesagt, was für einen Haushalt Siehier vorgelegt haben.
Deswegen erlauben Sie mir, aus meiner Sicht eineBewertung für beide Gesetze vorzunehmen. Dabeikommt man nicht darum herum, eine haushaltspolitischeBilanz dessen zu ziehen, was Rot-Grün gemacht und– das muss man fairerweise sagen – Rot-Schwarz über-nommen hat. Allerdings muss sich auch die neue Bun-desregierung fragen lassen, was sie unternehmen wird,um aus der schwierigen haushaltspolitischen Situationherauszukommen. Es steht außer Frage, dass der Haus-halt und die Finanzen, die die neue Regierung übernom-men hat, eine schwere Erblast sind.HddsstwdkVdmbFvcstfdwdhGLdtSelgp–viE
ielleicht, Frau Merkel, hat es daran gelegen, dass Sieie Erblast so noch nicht gekannt haben und dass da-als, als Sie mit den Sozialdemokraten verhandelt ha-en, Sie und Edmund Stoiber – das war, bevor er dielucht nach München antrat – erst die Ministerpostenerteilt haben, bevor Sie versucht haben, sich in der Sa-he zu einigen. Das ist wahrscheinlich das Problem;onst hätten Sie den Sozialdemokraten niemals die wich-ige Aufgabe des Bundesfinanzministers überlassen dür-en.
Viele finanz- und haushaltspolitische Fehler sind inen sieben Jahren der rot-grünen Koalition gemachtorden. Ich will nicht verleugnen, dass der frühere Bun-esfinanzminister Eichel viele Probleme richtig erkanntat. Er hat auch die große Belastung für die kommendenenerationen gesehen. Trotzdem war er nicht in derage, umzusteuern. Das mag auch daran gelegen haben,ass er dafür nicht die Unterstützung der eigenen Frak-ion bekommen hat.Doch auch der heutige Bundesfinanzminister, Peerteinbrück, hat, bereits bevor er Finanzminister wurde,rkannt, wo die Kernprobleme auf dem Weg zu einer so-iden Haushalts- und Finanzpolitik in Deutschland lie-en.Herr Bundesfinanzminister, Sie haben als Minister-räsident von Nordrhein-Westfalen im Bundesrat gesagt das ist durchaus richtig –:Das Kernproblem in Deutschland ist die Steuer-und Abgabenquote; das heißt die spezifische Finan-zierung der sozialen Transfersysteme über einUmlagensystem, das an Normalarbeitsverhältnissegekoppelt ist. Im Ergebnis haben die Sozialver-sicherungsabgaben und damit die Bruttoarbeitskos-ten ein zu hohes Niveau erreicht.Ich möchte in diesem Zusammenhang noch ein Zitaton Ludwig Erhard anführen. Die Kanzlerin zitiert ihnmmer gern. Deswegen will auch ich es tun. Ludwigrhard sagte 1958 – es ist in der „Zeit“ nachzulesen –:Nichts ist in der Regel unsozialer als der so ge-nannte „Wohlfahrtsstaat“ ... Solche „Wohltat“ mussdas Volk immer teuer bezahlen, weil kein Staat sei-
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Jürgen Koppelinnen Bürgern mehr zurückgeben kann, als er ihnenvorher abgenommen hat.
Das ist die Krux unserer Haushaltspolitik. Darum drehtsich vieles.Peer Steinbrück weiß ebenso wie früher Hans Eichelganz genau, wo die Probleme liegen. Doch das spiegeltsich nicht – das war schon unter Eichel so – in denHaushaltsplänen wider. Insofern ist das, was Sie, sehrgeehrter Herr Bundesfinanzminister, uns heute als Bun-deshaushalt 2006 vorgelegt haben, eine Taschenbuch-ausgabe der früheren Haushaltspläne von Hans Eichel –nicht mehr und nicht weniger.
Peer Steinbrück kennt die Probleme, aber er hat nicht ge-handelt.Unter sozialdemokratischen Finanzministern wurden200 Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen. Da-bei sind die Steuereinnahmen nicht etwa zurückgegan-gen. Sie sind vielmehr gestiegen. Durch die hohe Schul-denaufnahme gibt es eine zweite Hinterlassenschaft. Dassind die hohen Zinsbelastungen: 39 Milliarden Europro Jahr.
– Ich komme gleich darauf zurück. – Diese hohe Zinsbe-lastung ist nicht zu verantworten. Wir müssen davon he-runter.Die dritte Hinterlassenschaft von Rot-Grün ist diehohe Abgabenlast mit fast 40 Prozent. Wen wundert esda, wenn es keine Bewegung auf dem Arbeitsmarkt gibtund wenn die Arbeitslosigkeit weiterhin bei 5 MillionenArbeitslosen auf Rekordhöhe bleibt?Ich will nun nicht allein der früheren rot-grünen Ko-alition – damit komme ich auf den Zuruf zurück – dieFehler in der Haushalts- und Finanzpolitik anlasten.
Lieber Kollege Schneider, die FDP teilt dazu die Aus-sage der Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung.
Die Bundeskanzlerin – es ist auch Ihre Kanzlerin; dennsie wird von Ihnen in der Koalition getragen – sagte inihrer Regierungserklärung:Wir brauchen … einen Kurswechsel in der Haus-haltspolitik.
Ich sage ganz ausdrücklich: Die Ursachen,– jetzt kommt es –Jledk2lddKwkRVnmssjtfusHrgdWngZnbsssslIgdbButmt
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2110 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Ich fand es sehr interessant, dass in den Wahlsendun-gen am Sonntagabend plötzlich alle Parteien die niedrigeWahlbeteiligung bedauert haben. Angesichts dessen,dass die Menschen von den Sozialdemokraten bei derBundestagswahl so betrogen wurden, verzweifeln sieallmählich und sagen sich: Ich brauche gar nicht mehrzur Wahl zu gehen.
Sie befinden sich aber in bester Gesellschaft. DerFraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder, erklärteebenfalls im Mai letzten Jahres:e2VwsFdbHHa1knm2gzgwEnsdddJsssevs3WtstseemmbEg
Was machen Sie jetzt? Auf der einen Seite legen Sie,err Bundesfinanzminister, ein Programm mit Mitteln inöhe von 25 Milliarden Euro, verteilt auf zwei Jahre,uf und auf der anderen Seite ziehen Sie den Bürgern50 Milliarden Euro Kaufkraft aus der Tasche. Hinzuommen 20 Milliarden Euro, weil in diesem Jahr für ei-en Monat zusätzlich Sozialabgaben abgeführt werdenüssen. Ihre Politik ist: ein Konjunkturprogramm von5 Milliarden Euro, das, was Sie auf Ihrer Klausurta-ung beschlossen haben, und gleichzeitig Abzocke bisum Gehtnichtmehr. Wie soll da die Konjunktur ansprin-en?
Ich habe es schon gesagt: Mit dem Haushaltsent-urf 2006 liegt ein eindeutiger Verfassungsverstoß vor.s ist erheblich zu bezweifeln, dass mit der Inanspruch-ahme der Ausnahmeregelung in Art. 115 des Grundge-etzes und der erhöhten Kreditaufnahme die Störunges gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abgewen-et werden kann. Auch in den vergangenen Jahren istas alles so begründet worden. Auch in den vergangenenahren waren die Haushalte verfassungswidrig. Es hatich nichts getan. Bei der Arbeitslosenzahl ist nichts pas-iert. Sie ist auf gleicher Höhe geblieben bzw. sogar ge-tiegen. Die Konjunktur hat sich nicht belebt. Jedes Jahrrfolgt die gleiche Begründung für einen Verfassungs-erstoß und jedes Jahr hat es zu nichts geführt. Sie habenich neu verschulden müssen. Die Neuverschuldung mit8 Milliarden Euro in diesem Jahr ist – daran geht keineg vorbei – ein Armutszeugnis für eine große Koali-ion. Statt Ausgabenminderungen gibt es nur Ausgaben-teigerungen.Der Bundeshaushalt ist das Schicksalsbuch der Na-ion. Lassen Sie uns die Investitionen anschauen: Sieind so niedrig, wie es in den vergangenen Jahren nichtinmal der Fall gewesen ist. Sie werden bis 2009 auftwa 8,5 Prozent sinken. Dies zeigt, dass wir weiterhinit einer hohen Arbeitslosigkeit in Deutschland rechnenüssen.Alles, was Sie uns bisher vorgelegt haben, das Ausga-enprogramm mit einem Volumen von 25 Milliardenuro und der Bundeshaushalt, wird nicht den notwendi-en Aufschwung bringen. Sie als Bundesregierung wol-
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Jürgen Koppelinlen uns einreden, dass man nur beim Bürger abkassierenund ein staatliches Ausgabenprogramm auflegen mussund schon entstehen Arbeitsplätze und der Haushaltkann saniert werden. Nein, so geht das nicht. UnsererAuffassung entspricht das, was die große Koalition unsvorlegt, nicht.
Diese Bundesregierung wird nicht umhinkommen– das haben Sie nur andeutungsweise angesprochen,Herr Bundesfinanzminister –, wenn es mit der Sanierungdes Haushalts Ernst wird, die Leistungsgesetze auf denPrüfstand zu stellen. Auch hier biete ich der Koalitionan, offen und fair darüber zu sprechen, um unseren Bei-trag leisten zu können. Denn wir alle wissen doch, dasswir den Haushalt sonst nicht werden sanieren können.Nur durch Kürzungen beim Bundeshaushalt – das willich eingestehen – wird eine Sanierung nicht möglichsein.Ein Bundesfinanzminister hat die Aufgabe, seinenHaushalt auf realistischer Basis aufzubauen und denschweren, steinigen Weg aus der Staatsverschuldung zugehen. Herr Bundesfinanzminister, mit Ihrer Rede unddem Haushaltsentwurf, den Sie heute vorgelegt haben,sind Sie diesen steinigen Weg nicht gegangen. Sie hättendie große Chance gehabt, der Mehrheit in diesem Parla-ment ehrlich und offen zu sagen, wie die haushaltspoliti-sche Situation ist. Es tut mir Leid, aber ich finde, Sie ha-ben diese Chance vertan. Dieser Haushalt – und auchIhre Rede – hätte ein Startzeichen sein können, ein Start-zeichen für einen Staat der Bescheidenheit. Auch dieseChance haben Sie vertan.Wie sagte die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungs-erklärung: Überraschen wir uns damit, was möglich ist,überraschen wir uns damit, was wir können. – DieserBundeshaushalt wäre eine gute Gelegenheit gewesen,unter Beweis zu stellen, was Politik kann. Davon istnichts zu spüren. Die Bundeskanzlerin hat in ihrer Re-gierungserklärung gesagt: Lassen Sie uns mehr Freiheitwagen. – Steuern erhöhen ist nicht „mehr Freiheit wa-gen“, Frau Merkel. Steuererhöhungen bedeuten ein wei-teres Stück Unfreiheit für die Menschen in unseremLande.
Mancher hat erkennen müssen, dass der Tag der Bundes-tagswahl für ihn zum Zahltag geworden ist.Der Sozialdemokrat Hans Apel, einer der Vorgängervon Minister Steinbrück im Amt des Bundesfinanz-ministers, hat einmal gesagt, wichtig wäre es, den Sach-verstand zu mobilisieren, die ideologischen Scheuklap-pen abzulegen, hart zu arbeiten. Das ist auch der Rat derFreien Demokraten an diese Bundesregierung. DerBundeshaushalt 2006, den Sie uns als Entwurf vorgelegthaben, spiegelt eine solche Anstrengung leider nicht wi-der. Es wäre gut, wenn Sie den Rat von Hans Apel, ei-nem Ihrer Vorgänger, beherzigen würden.Herzlichen Dank für Ihre Geduld.
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich möchte zum Auftakt der Debatte über denaushaltsplan 2006 zunächst einmal dem Bundesfinanz-inister im Namen meiner Fraktion Dank sagen, dass erit diesem Haushaltsentwurf und dem Haushaltsbegleit-esetz die Vorgaben des Koalitionsvertrages zur Haus-altskonsolidierung umsetzt und gesetzgeberisch auf deneg bringt.
Mir sind bei der Entscheidungsfindung fünf Punkteichtig, auf die ich im Nachfolgenden eingehen möchte.Wir erleben heute einen Wendepunkt in der Haus-altspolitik des Bundes. Wir begeben uns auf den Weg,en Haushalt des Bundes zu sanieren und die Beendi-ung der steigenden Staatsverschuldung mit Entschlos-enheit anzugehen. Für diesen Beginn ist heute der rich-ige Tag.
ir müssen uns darüber klar sein, dass wir diesen Wegicht in einem einzigen Schritt gehen können. Derundeshaushalt 2006 ist der erste Schritt in die richtigeichtung; es müssen weitere Schritte in Richtung Haus-altskonsolidierung folgen. Dies ist nicht nur notwen-ig, weil wir hier interessante Debatten miteinanderühren, sondern auch, weil dies im Interesse einer nach-altigen Finanzpolitik ist. Ich hätte mir gewünscht, dassine Partei – jetzt schaue ich in die Mitte dieses Hau-es –, die das Wort „Nachhaltigkeit“ immer als erste aufer Zunge führt, diese Nachhaltigkeit in ihrer Politik derergangenen sieben Jahre realisiert hätte.
Wir können nicht weiterhin planlos Lasten in die Zu-unft verschieben und damit gegen die Generationenge-echtigkeit handeln. Wir müssen dafür sorgen, dass auchie künftigen Generationen Gestaltungsmöglichkeiten iniesem Lande haben. Deshalb beginnt die große Koali-ion damit, den Bundeshaushalt wieder auf ein sicheresundament zu stellen. Wir nehmen uns ausdrücklichicht nur den Bundeshaushalt vor, sondern wir kümmernns in unserem Sanierungskonzept auch um den födera-en Ansatz. Auch für die Haushalte der Länder undommunen wollen wir einen Beitrag zur Konsolidie-ung leisten.
Unser Ziel ist: Wir wollen einen ausgeglichenen Bun-eshaushalt. Diesen halten wir als Union für richtig. Un-er Ziel können wir aber in dieser Wahlperiode nichtehr erreichen. Wir können es deshalb nicht erreichen,eil die Ausgangssituation zu weit von diesem Ziel ent-ernt ist. Wir können aber beginnen und die Vorausset-ungen dafür schaffen, das Ziel eines ausgeglichenenaushalts in der nächsten Wahlperiode zu erreichen.
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2112 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Dr. Michael Meister
Der Konsolidierungsbedarf ist enorm: Über50 Milliarden Euro an Ausgaben sind nicht durch regel-mäßige Einnahmen gedeckt. Mehr als jeder fünfte Euro,den wir ausgeben, ist nicht durch regelmäßige Einnah-men gedeckt. Wenn man von diesem gigantischen Fehl-betrag, der sowohl außerhalb als auch innerhalb diesesHauses offenkundig nicht wahrgenommen wird, aus-geht, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wirsparen müssen. Sparen heißt: Wir können uns nicht mehralles Wünschenswerte leisten. Wir müssen also Prioritä-ten setzen und klare Aufgaben und Ziele definieren. Eskann nicht nach der altbekannten Methode „Es muss et-was geschehen, aber es darf sich nichts ändern“ gehen.Vielmehr werden auch die Bürger in unserem Land dasSparen und Konsolidieren spüren. Ich glaube aber, ange-sichts unserer Verantwortung für die künftigen Genera-tionen ist das, was wir tun, nicht unsozial. Vielmehr han-deln wir in höchstem Maße sozial.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen: DieStrukturdebatte, die Herr BundesfinanzministerSteinbrück zur Frage der Familienförderung begonnenhat, ist unter dem Aspekt „Wie setzen wir vernünftigeneue Prioritäten in unserem Land?“ eine richtige De-batte.
Wir brauchen solche Strukturdebatten und dürfen sienicht, bevor sie überhaupt begonnen haben, zerschlagen.
Diese Diskussion muss ergebnisoffen geführt werden;denn sonst fordert jeder nur weitere Ausgaben und über-lässt es den Finanzpolitikern, zu prüfen, wie durch Ein-nahmesteigerungen die neuen Ausgaben finanziert wer-den können. Das ist der falsche Weg, deshalb brauchenwir Strukturdebatten in diesem Land. Wir alle solltenuns konstruktiv mit den Argumenten in diesen Debattenauseinander setzen.Ich möchte etwas zur Zeitschiene sagen. Es wirdnicht möglich sein, eine Lücke in der Größenordnungvon 50 Milliarden Euro innerhalb kürzester Zeit zuschließen. Wir werden daran in dieser und auch in dernächsten Wahlperiode arbeiten müssen. Jeder, der be-hauptet, man könne die Lücke in kürzerer Zeit schließen,ist kein Realist, sondern Populist. Herr Steinbrück hatvorhin zu Recht vorgetragen, dass 85 Prozent der Ausga-ben des Bundeshaushaltes durch Verbindlichkeiten wieZinsausgaben und Ähnliches fixiert sind. Wer meint, erkönnte kurzfristig daran etwas verändern, ist nicht vondieser Welt.
Wir haben uns deshalb vorgenommen, kassenwirk-sam für das Jahr 2007 30 Milliarden Euro zu bewegen.Ich möchte klar und deutlich sagen: Das ist eine An-strengung, wie es sie in der Geschichte dieser Republikn1wsEdrIzvhdatRIwVstZnkgiBmHbMdWrEf–gabtm–gdlrg
ch bitte darum, an dieser Stelle eine realistische Debatteu führen.
Herr Westerwelle, ich bedanke mich für Ihre Inter-ention, aber ich möchte auf Folgendes hinweisen: Ichabe mit Blick auf die notwendigen Steuererhöhungen,ie wir beschließen müssen, weil wir das Problem nichtllein auf der Ausgabenseite lösen können, was uns na-ürlich am liebsten wäre, im November, als wir über dieegierungserklärung der Bundeskanzlerin debattierten,hre Fraktion gebeten, uns eine Alternative zu benennen,ie wir das Finanzvolumen, das über die Mehrwert- undersicherungsteuer finanziert werden soll, kompensierenollen. Ich darf Ihnen berichten, dass ich auf diesen Al-ernativvorschlag immer noch warte.Wir sollten etwas seriöser werden: Wenn man dasiel der Haushaltskonsolidierung verfolgt, darf manicht nur sagen, was man nicht will, sondern muss auchonkrete und konstruktive Vorschläge machen und sa-en, welche Alternative man vorschlägt. Darum habe ichm November gebeten. Es wäre schön, wenn meineritte im Rahmen dieser Haushaltsdebatte nachgekom-en würde.
Im Rahmen der Debatte über den Entwurf diesesaushaltsgesetzes werden wir nicht nur über Ausga-ensenkung, Korrektur vorhandener Steuergesetze undehrwertsteuererhöhung diskutieren, sondern auch überie Senkung der Lohnnebenkosten.
ir schlagen vor, den Beitrag zur Arbeitslosenversiche-ung zum 1. Januar 2007 um 2 Prozentpunkte zu senken.in Teil davon wird über die Mehrwertsteuererhöhunginanziert werden. Wir senken die Lohnnebenkostendas sage ich ausdrücklich –, um für bessere Beschäfti-ungschancen in Deutschland zu sorgen. Wir dürfenber nicht bei einer reinen Umfinanzierung stehen blei-en, sondern müssen auch in den Sozialsystemen Struk-urreformen durchführen. Das gilt für den Arbeits-arkt. Wir haben die Bundesagentur für Arbeitaußerhalb der Beratungen über dieses Haushaltsgesetz –ebeten, dafür zu sorgen, dass dort Strukturreformenurchgeführt werden. Ich glaube, dass durch die Umstel-ung von Zuschuss auf Darlehen der für die Durchfüh-ung von Reformen notwendige Druck erzeugt wird. Ichlaube, es ist notwendig, nicht nur umzufinanzieren,
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006 2113
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Dr. Michael Meistersondern die Senkung von Lohnnebenkosten mit Struk-turveränderungen zu verbinden, damit das Ganze nach-haltig ist.Wenn wir die strukturelle Lücke des Bundeshaushal-tes bis zum Ende dieser Wahlperiode halbieren – das ha-ben wir vorgeschlagen –, dann wird das auch Einflussauf die Staatsquote haben. Wir werden die Staatsquotein dieser Wahlperiode auf ein Niveau von etwa43,5 Prozent zurückführen. Auf diesem Niveau befandsie sich vor der deutschen Einheit. Das heißt, wir landenauf einem Niveau, auf dem sich die Staatsquote vor derWiedervereinigung befand. Das Gleiche haben wir inden 80er-Jahren schon einmal getan. Damals ging damitein Aufwuchs an Beschäftigung einher: Es wurden2 Millionen neue Beschäftigungsverhältnisse geschaf-fen. Ich glaube, dass diese Politik in die richtige Rich-tung führt. Wir sollten zu der Finanzpolitik zurückkeh-ren, die wir vor der deutschen Einheit gemacht haben.Diesen Weg müssen wir gehen, weil wir dort wieder hin-wollen.
Heute Morgen wurden behauptet, wir hätten im Bun-deshaushalt nur ein Einnahmeproblem. Einige Geister,die offenbar nur kurzfristig denken, glauben, man müssenur die Belastung des Einzelnen erhöhen, um dieses Pro-blem zu beheben. Ich glaube, wir müssen auch über dieZahlerbasis, über diejenigen, die überhaupt Beiträge indie Steuer- und Sozialkassen zahlen, nachdenken. Des-wegen sage ich: Wir haben sehr wohl ein Einnahmepro-blem; wir müssen das Einnahmeproblem aber lösen, in-dem wir für mehr Wachstum und Beschäftigung unddamit für mehr Steuer- und Beitragszahler sorgen.
Haushaltskonsolidierung und Förderung vonWachstum und Beschäftigung – das sage ich ausdrück-lich – schließen sich nicht aus, sondern sind zwei Seitenderselben Medaille. Deshalb leisten wir einen wesentli-chen Beitrag zur Förderung des Wirtschaftswachstums,wenn wir dafür sorgen, dass die Haushaltskonsolidie-rung vorankommt. Jedem Investor ist doch klar, dass erals Bürger dieses Landes neue Staatsschulden durch inder Zukunft höhere Abgaben oder Steuern bedienenmuss.
Wir tun etwas für das Konsumklima, wenn wir die Men-schen nicht im Ungewissen darüber lassen, wann undwie sie diese Staatsschulden bedienen müssen, sondernihnen konkret einen Weg aufzeigen, wie wir dieseStaatsschulden begleichen können.
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ch will einmal alle Kollegen hier fragen, die das Pro-ramm unter diesem Blickwinkel kritisch sehen: Sindie denn der Meinung, dass mit Blick auf das 3-Prozent-iel von Lissabon eine Erhöhung der Ausgaben für For-chung und Entwicklung der falsche Weg ist? Werlaubt denn, dass uns das schadet? Ich persönlich bin da-on überzeugt, dass dies unser Wachstumspotenzial alsolkswirtschaft massiv verbessert,
eil wir dann in vielen Bereichen wieder auf einem ho-en Niveau wettbewerbsfähig werden. Deshalb müssenir dafür Geld in die Hand nehmen und uns an diesertelle stark machen.
Wer von Ihnen will denn behaupten, dass wir überessere Mobilitätsmöglichkeiten in unserem Land dafürorgen, dass unsere Wirtschaft weniger wächst? Das Ge-enteil ist doch der Fall: Mehr Mobilität bedeutet bes-ere Wachstumsbedingungen. Deshalb ist es richtig, dassir mehr tun, um die Mobilitätsbedingungen zu verbes-ern, und für Verkehrsinfrastrukturinvestitionen imnland mehr Geld bereitstellen. Das hat nichts mit Kon-unktur zu tun. Das sind Strukturveränderungen.Das nächste Beispiel, das ich anführen möchte, ist derrivathaushalt als Arbeitgeber. Wir überlegen, wo innserer Volkswirtschaft neue und mehr legale Arbeits-lätze entstehen können. Dies ist ein Beitrag, um mehrachstum und Beschäftigung in diesem Land zu för-ern. Ich glaube, deshalb muss man dieses Programmus einem etwas anderen Blickwinkel sehen und darficht einfach sagen: Hier werden ein paar Milliardenuro auf den Markt geworfen.Ich möchte die Behauptung aufgreifen, hier würdeeute ein verfassungswidriger Haushalt vorgelegt. Ich
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2114 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Dr. Michael Meistermöchte ausdrücklich sagen: Ich halte diesen Haushaltnicht für verfassungswidrig.
Aus unserer Sicht wird Art. 115 Grundgesetz beachtet.Was wir nicht beachten, ist die Regelgrenze, dass die In-vestitionssumme höher sein muss als die Nettoneuver-schuldung.
– Ja, das ist Teil des Kriteriums. Aber in Art. 115 stehtein bisschen mehr.Jetzt kommen wir zur Frage, was die Alternativenhierzu wären. Die Alternative eins wäre gewesen, dasswir im Bundeshaushalt Einsparungen in Höhe von mehrals 30 Milliarden Euro vornehmen. Jetzt überlegen Sieeinmal: Wenn Sie 30 Milliarden Euro von Novem-ber 2005 bis Januar 2006 kassenwirksam bewegen wür-den, dann würden Sie in der Volkswirtschaft eineSchockwelle auslösen, die zu Nullwachstum und Be-schäftigungsrückgang führen würde.
Deshalb wäre es ein Irrweg, dies zu tun.Die zweite Alternative wäre, in diesem Volumen Bun-desvermögen kurzfristig zu veräußern. Dann wäre esaber nicht werthaltig und führte dazu, dass wir die Zu-kunft der Bundesrepublik Deutschland aus kurzfristigenErwägungen auf den Markt werfen.Wir sind der Meinung: Beide Wege sind falsch. DasVermögen brauchen wir noch für die Zukunft und eineSchockwelle können wir uns in der Lage, in der wir unsbefinden, nicht leisten. Deshalb ist es sehr wohl begrün-det, zu sagen, dass die Ausnahmeregel des Art. 115 andieser Stelle greift. Wir sagen aber klar und deutlich:2006 machen wir zum letzten Mal von der Ausnahmere-gel Gebrauch. Ab 2007 werden wir die Regelgrenze desArt. 115 – Neuverschuldung niedriger als Investitions-summe – einhalten. Ich bitte darum, etwas ehrlicher zusein. Auch hier geht es ein Stück weit um Vertrauen,Glaubwürdigkeit und nachhaltige Finanzpolitik.
Wir werden nicht nur mit dem Sparen im Haushaltbzw. seiner Konsolidierung und dem Impulsprogramm,das für mehr Wachstum und Beschäftigung sorgt, voran-kommen, sondern wir müssen auch einen dritten Schrittgehen. Wir brauchen eine durchgreifende Veränderungunseres Staates, um die eigentlichen Strukturprobleme– auch das ist heute Morgen schon angesprochen worden –anzugehen. Es geht nicht um reine Konjunkturfragen.Der überwiegende Teil unserer Probleme ist strukturellbedingt. Deshalb hoffe ich, dass die Debatte über dieModernisierung unserer bundesstaatlichen Ordnung, diewir vor wenigen Wochen begonnen haben, zu einem er-folgreichen Ergebnis geführt wird, weil dies zeigen wird,dass Politik in Deutschland in der Lage ist, notwendigeStrukturveränderungen durchzuführen.srsustssenAbpsuLtadseKggibgmewnsmbtfdVuhmeitsdDzbtl
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich den Bausteiner Unternehmensteuer betonen. Wir müssen unsere Zu-age einhalten, dass in Deutschland am 1. Januar 2008ine umfassende, große Unternehmensteuerreform inraft treten wird. Das betrifft eine ganze Reihe von Fra-en: Wird es uns gelingen, ein modernes, zukunftsfähi-es Steuerbilanzrecht für Unternehmen zu schaffen undhnen international wettbewerbsfähige Steuersätze zuieten? Behandeln wir Familienunternehmen, Personen-esellschaften und Kapitalgesellschaften zusammen, da-it es ein Entwurf aus einem Guss wird? Schaffen wirs, das Vertrauen der kommunalen Mandatsträger zu ge-innen, um auch mit Blick auf eine Reform der kommu-alen Finanzen einen Schritt nach vorne zu machen,owohl im Interesse der Zukunftssicherung der Einnah-eseite der Kommunen als auch im Interesse der Wett-ewerbsfähigkeit unseres Standortes, also neuer Investi-ionen und Unternehmensansiedlungen?
Ich glaube, wir sind mit dem Dreiklang, den wir ver-olgen, auf einem richtigen Weg: Wir wollen den Bun-eshaushalt konsolidieren, um wieder Vertrauen underlässlichkeit zu schaffen. Wir wollen Impulse setzen,m unserer Volkswirtschaft zu mehr Wachstum zu ver-elfen. Und wir wollen strukturelle Korrekturen vorneh-en, damit unsere Volkswirtschaft auch langfristig aufinen höheren Wachstumspfad einschwenkt. Unser Zielst dabei nicht, den Menschen in unserem Land wehzu-un oder ihnen etwas wegzunehmen, sondern dafür zuorgen, dass es ihnen wieder besser geht. Wir wollen,ass unser Wohlstand langfristig gesichert und ineutschland wieder ein höheres Wirtschaftswachstumu verzeichnen ist. Dazu wird es notwendig sein, die Ar-eitslosenzahl signifikant zu senken und so einen Bei-rag dazu zu leisten, dass unsere Sozialsysteme auchangfristig auf einer sicheren, tragfähigen Basis stehen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006 2115
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Dr. Michael MeisterIch weiß, dass die Sanierung des Bundeshaushalts indiesem Zusammenhang ein wichtiger Eckpfeiler ist. Ichwünsche mir, dass sich alle konstruktiv in die jetzt anste-hende Debatte einbringen. Neinsager und Bedenkenträ-ger gibt es in unserem Land genug. Jetzt brauchen wirMenschen, die neue Vorschläge und neue Ideen ent-wickeln.Vielen Dank.
Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine
Lötzsch, Fraktion Die Linke.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrtenDamen und Herren! Jedes Jahr wird das Unwort des Jah-res gekürt. Heute sollten wir die Lüge des Jahres küren.Sie lautet: Es gibt nichts mehr zu verteilen. Es gilt nochimmer der Satz: Die Lüge muss nur groß genug sein, da-mit sie geglaubt wird. Die ehemalige rot-grüne Regie-rung hat zusammen mit CDU und CSU die größte Um-verteilungsaktion in der Geschichte der Bundesrepublikeingeleitet. Mit der Mehrwertsteuererhöhung im Jahre2007 ist der nächste Umverteilungscoup in Planung.
Die große Steuerreform entlastet die Unternehmenund vor allem die Besserverdienenden um jährlich52 Milliarden Euro. Jährlich werden 52 Milliarden Eurovon unten nach oben verteilt. Das sind 52 MilliardenEuro, die nicht zur Verfügung stehen für neue Kinder-gärten, für modernere Schulen, für bessere Universitätenund neue Arbeitsplätze. Damit können wir uns nicht ab-finden.
Exfinanzminister Eichel sprach gern von einem Drei-klang von Strukturreformen, Haushaltskonsolidierungund Wachstumsimpulsen. Wie wir sehen, gibt es diesenDreiklang nicht. Im Augenblick klingelt es nur in denKassen von Herrn Ackermann und in den Kassen derVorstände der DAX-Unternehmen. Das ist wirklich un-anständig.
Die Arbeitsmarktreformen von Herrn Hartz habenkeine Arbeitsplätze geschaffen, die Verantwortlichenwurden von den Wählern abgewählt. Die Gesundheitsre-form von Frau Schmidt führt nicht zu einer besseren Ge-sundheitsversorgung der Bürgerinnen und Bürger, son-dern treibt die Ärzte auf die Straße und sogar außerLandes.
Durch die Rentenkürzungen kommt es nicht zu mehr Si-cherheit, sondern zur Enteignung der Aufbaugenerationund der Menschen, die heute noch fleißig in die Renten-kgmswddhn–WtswlsuLDiWdhwvlWgdjssn2KtduDd
Selbstverständlich. – Zum Dreiklang sollten auchachstumsimpulse gehören. Bei dieser niedrigen Inves-itionsrate ist von Wachstumsimpulsen aber nichts zupüren.Meine Damen und Herren, sehr geehrte Gäste,
ir als Linke sagen ehrlich, dass auch wir für Umvertei-ung sind. Der Unterschied zu allen anderen Parteien be-teht nur darin, dass wir die Richtung der Umverteilungm 180 Grad ändern wollen. Das ist nötig in diesemand.
as nehmen uns die Politiker der anderen Parteien undhre bestellten Professoren und Gutachter natürlich übel.ir als Linke wollen ein Zukunftsinvestitionsprogramm,as diesen Namen wirklich verdient und durch das schoneute Arbeitsplätze geschaffen werden.Damit wirklich markante Wachstumsimpulse gesetzterden können, wollen wir die Investitionsausgabenerdoppeln. Die Bundesregierung will lediglich 25 Mil-iarden Euro investieren. Das ist viel zu wenig.
ir wollen im gleichen Zeitraum ein Zukunftspro-ramm Jugend und Innovation in Höhe von 50 Milliar-en Euro auflegen. Das ist immer noch weniger als dieährliche Steuerentlastung von Unternehmen und Bes-erverdienenden. Ziehen Sie diesen Vergleich bitteelbst.
Für die Zukunft unseres Landes wollen wir – das istötig – mehr Mittel für die Bildung, nämlichMilliarden Euro, wir wollen Mittel für unentgeltlicheindergärten und wir brauchen eine kommunale Investi-ionspauschale in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, damitie Kommunen wieder handlungsfähig werden. Das sindnsere drei großen Ausgabeposten.
iese Investitionen werden in Zukunft mehr Rendite fürie Menschen in diesem Land abwerfen als jede DAX-
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Dr. Gesine LötzschAktie. Darauf können Sie heute schon Wetten abschlie-ßen.
Die Linke will Hartz IV überwinden. Dazu haben wirAnträge eingebracht und Finanzierungsvorschläge aufden Tisch gelegt. Hartz IV ist eine Fehlkonstruktion.Dieses Gesetz führt zu Enteignung, Demotivation undzur Drangsalierung von Arbeitslosen, ohne dass neueArbeitsplätze geschaffen werden. Dem stellen wir unsentgegen.
Den Haushaltsentwurf, der von Herrn Steinbrück vor-gelegt und von dem abgewählten Herrn Eichel erarbeitetwurde, lehnen wir ab:
Erstens. Durch diesen Haushalt werden keine ausrei-chenden Wachstumsimpulse gesetzt und es wird zu we-nig Geld in die Zukunft investiert. Die Linke will die In-vestitionen verdoppeln.
Zweitens. Die so genannten Arbeitsmarktreformenverschlingen sehr viel Geld, ohne dass durch sie neueArbeitsplätze geschaffen werden. Die Linke willHartz IV überwinden und nicht durch schlechte Refor-men verschlimmbessern.
Drittens. Der Rüstungshaushalt ist der drittgrößteAusgabeposten dieser Regierung. Das verkennt die Be-drohungslage. Arbeitsplätze in der BundesrepublikDeutschland werden nicht durch die Taliban in Afgha-nistan, sondern durch eine falsche Wirtschafts- undFinanzpolitik gefährdet. Sie gehört geändert.
Meine Damen und Herren, die finanzpolitischenHandlungsspielräume der Regierung sind unter anderemdeshalb so eng, weil die alte wie die neue Regierung dieSozialsysteme mit ihren Reformen zerstört haben bzw.zerstören. Jetzt wundern sie sich, dass sie gigantischeBeträge aus dem Bundeshaushalt in diese Systeme pum-pen müssen.Ein wirkliches Desaster in diesem Zusammenhang istdie systematische Zerlegung von versicherungspflichti-gen Arbeitsplätzen in Minijobs.
Herr Steinbrück, Sie haben völlig zu Recht davon ge-sprochen, dass wir versicherungspflichtige Arbeitsplätzebrauchen, aber Sie haben den Unternehmen das Tran-chierbesteck doch selbst in die Hand gegeben, um hoch-wertige Arbeitsplätze in Mc-Jobs zu zerlegen. Das istder wesentliche Grund für die riesigen Löcher in derRentenkasse.
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Abschließen möchte ich mit einem Zitat von Frauerkel aus ihrer Haushaltsrede im Jahr 2005:Die Menschen in diesem Land sind auch ärmer ge-worden: ärmer an Hoffnung in eine Politik aus ei-nem Guss durch diese Bundesregierung und – dasist vielleicht das Bedrückendste – ärmer an Ver-trauen in die Gestaltungskraft der Politik insgesamt.rau Merkel, seit Sie Kanzlerin sind, ist dieser Satzktueller denn je.Vielen Dank.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Joachim Poß,
PD-Fraktion.
Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kolle-en! Lieber Herr Präsident Lammert, Sie begrüße icheute Morgen besonders freundlich, weil ich finde, dassie Opfer einer üblen Kampagne der Zeitung mit denroßen Buchstaben sind.
arteiübergreifend sind wir der Auffassung, dass sich dieolitik nicht alles gefallen lassen darf, wenn so gemobbtird wie hier im Einzelfall geschehen. Das ist auch nichter erste Fall.
Aber das ist nicht das Thema unserer heutigen De-atte. Thema ist der Entwurf des Bundeshaus-altes 2006. Die Rede von Peer Steinbrück hat deutlichemacht, dass die Leitlinie bei der Aufstellung desundeshaushaltes 2006 die Frage war: Was ist in der ak-uellen wirtschaftlichen Situation Deutschlands ökono-isch notwendig und vernünftig
nd was sollte in dieser Lage eher unterbleiben? Ichabe ihn so verstanden, dass sich vieles um diese Kern-rage gerankt hat.Bereits in ihrem Wahlmanifest zur Bundestags-ahl 2005 hat die SPD erhebliche staatliche Impulse zurnterstützung der wirtschaftlichen Aufwärtsbewegungefordert. Die Zustimmung des neuen Koalitionspart-
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Joachim Poßners CDU/CSU in den Koalitionsverhandlungen zu die-ser Politik hat zu dem Impulsprogramm für Wachs-tum und Beschäftigung in Höhe von 25 Milliar-den Euro bzw. – einschließlich der Länder – 37 Milliar-den Euro geführt. Die Finanzierung dieses Programmswird, beginnend mit dem Bundeshaushalt 2006, in denHaushalten der nächsten Jahre sichergestellt.Die neue Koalition wird zur Belebung der wirtschaft-lichen Entwicklung das tun, was möglich und sinnvollist und was ein Staat machen kann, nämlich einen Bei-trag leisten; mehr nicht. Im Gegensatz zu meiner Vorred-nerin, die den Menschen in diesem Lande den Eindruckvermitteln will, als könne der Staat einen Hebel umlegenund dann seien über Nacht alle Probleme aus der Weltgeschaffen, erheben wir nicht diesen dogmatischen An-spruch. So etwas ist Volksverdummung; das muss maneinmal in aller Deutlichkeit sagen.
Die SPD als Partei der Aufklärung will diesen Zustandder Verdummung überwinden und in diesem Parlamentdazu einen Beitrag leisten.
Mit dem Koalitionspartner konnte auch Einigung da-rüber erzielt werden, dass es ökonomisch notwendig unddamit vernünftig ist, im Haushaltsjahr 2006 auf weitergehende, harte Konsolidierungsschritte zu verzichten.Die Gründe dafür hat Peer Steinbrück in seiner Rede er-läutert.Nun wissen wir, dass dies einer der Punkte war, dieauch in den Koalitionsverhandlungen eine große Rollegespielt haben und durchaus streitig waren. Wir sind zueinem zufrieden stellenden Ergebnis gekommen, Kol-lege Meister. Deswegen sage ich zu Ihrer Formulierung,wir hätten es bei diesem Haushaltsentwurf mit einemWendepunkt in der Finanzpolitik zu tun: Das kann nichtgemeinsame Grundlage der Betrachtung sein.
Wir Sozialdemokraten sehen uns in der Kontinuitätder Finanzpolitik, die wir in den letzten sieben Jahren zuverantworten hatten. Peer Steinbrück hat einen Berichtdes „Handelsblatts“ zitiert, wonach die BundesbankHerrn Eichel Recht gibt. Nun bin ich weiß Gott nicht anjeder Stelle einig mit der Bundesbank;
aber wenn diese erklärt, das strukturelle Defizit imBundeshaushalt habe einen nachhaltigen Einbruch beiden Einnahmen des Bundes als Ursache, so ist das imWesentlichen das, was wir immer gesagt haben. Abgese-hen davon kritisiert die Bundesbank die große Koalitiondurchaus immer wieder. Insofern ist sie schon zuverläs-sig; da können wir ganz ohne Sorge sein.
Ich wollte deutlich machen, dass man sich nicht ir-gendwelchen Trugschlüssen hingeben soll.ddSdDndcIMkRdnegidowawDztsRhArmniJjm–avdzsn
ch glaube, auch das sollte nicht ausgeklammert werden.Von einem Wendepunkt in der Finanzpolitik, Kollegeeister, den Sie in Ihrer koalitionsfreundlichen Bemer-ung angesprochen haben, kann jedenfalls nicht dieede sein. Das will ich für die SPD deutlich sagen.
Die Vorstellung, die auch von der Bundesbank, voner FDP und heute Morgen von dem Kollegen Kuhn in-tv genährt wurde – ich will nicht auf Einzelvorschlägeingehen, Kollege Kuhn, aber vieles, was Sie in n-tv an-esprochen haben, waren Luftbuchungen –, man können 2006 zusätzliche Einsparungen in Höhe von 6 Milliar-en bis 8 Milliarden oder wie hoch auch immer erzielen,hne die beginnende wirtschaftliche Aufwärtsbewegungieder zu bremsen, ist irrig. Deswegen haben wir unsuf das von mir erwähnte Konzept verständigt.
Natürlich wäre es gut – das ist doch unbestritten –,enn es uns schon in diesem Jahr gelingen würde, dieefizitgrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktsu unterschreiten. Aber das wäre – wie der Finanzminis-er zu Recht festgestellt hat – nur bei nachhaltigen Ein-chnitten in die sozialen Transferleistungen wie derente oder durch ein Vorziehen der Mehrwertsteuerer-öhung möglich. Letzteres wäre rein rechnerisch einelternative, aber angesichts der teilweise sicherlich be-echtigten Kritik an dieser Maßnahme will das wohl nie-and in diesem Lande. Beides macht ökonomisch kei-en Sinn; denn unser Hauptproblem ist bekanntlichmmer noch die Binnenkonjunktur, die sich in diesemahr stabilisieren soll.Der harte Winter hat die Lage nicht vereinfacht. Wennetzt die Zahlen für das erste Quartal vorgelegt werden,üssen wir das realistisch sehen.
Wir hatten aber einen harten Winter, der sich nicht nuruf den Baubereich, Kollege Kuhn, sondern auch aufieles drumherum auswirkt.Die Binnennachfrage muss gestärkt werden, anstattieses Ziel durch staatlich verordneten Kaufkraftentzugu konterkarieren. Das wäre der falsche Weg. Deswegenuchen wir sozusagen den Weg der ökonomischen Ver-unft in der Mitte.
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Joachim Poß
Dabei ist der Zusammenhang zwischen diesem Haus-haltsjahr 2006 und den Folgejahren – insbesondere demJahr 2007 – ganz klar. Wir brauchen das Jahr 2006, umder wirtschaftlichen Aufwärtsbewegung in DeutschlandStärke und Stabilität zu verschaffen. Erst dann wird dieMehrwertsteuererhöhung ökonomisch verkraftbar sein.Der vorliegende Haushaltsplanentwurf bietet genaudie Haushaltspolitik, die zu der derzeitigen wirtschaftli-chen Situation Deutschlands passt. Trotzdem wahrt die-ser Haushalt Ausgabendisziplin. Denn angesichts einerSteigerung der Gesamtausgaben von 0,7 Prozent wirddoch niemand infrage stellen, dass wir restriktiv vorge-hen – so restriktiv, wie es die aktuelle ökonomische Lagegerade noch zulässt. Der Kollege Meister hat es etwasanders formuliert.
– In dem Fall wollte ich ihm gar nicht widersprechen,Herr Kampeter.
Ich will es so ausdrücken: Wir stehen vor einer kompli-zierten Dreifachaufgabe. Wir müssen die Stärkung derBinnenkonjunktur mit der Finanzierung von Zukunfts-aufgaben und einer glaubwürdigen Haushaltskonsolidie-rung verbinden, und zwar alles gleichzeitig. DieParteien, die meinen, wir bräuchten nur die Haushalts-konsolidierung zu bewältigen, oder die meinen, es seidamit getan, die Binnenkonjunktur anzukurbeln, greifenzu kurz. Sie werden der ökonomischen und sozialenLage dieses Landes nicht gerecht. Unsere Antwort aufdie bestehenden Probleme hingegen ist ökonomisch undsozial richtig.
Der Weg zu einer dauerhaften Rückführung der Kre-ditaufnahme des Bundes wird bereits beschritten: mitdem Haushaltsbegleitgesetz 2006, das die Erhöhung derMehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte vorsieht; mit derseit Dezember realisierten Abschaffung von nicht mehrgerechtfertigten Steuervergünstigungen und Steuerge-staltungsmöglichkeiten; mit dem, was noch kommenund was uns nicht nur Freude machen wird – Stichwort„Steueränderungsgesetz“; es enthält sicherlich einigeDinge, die die Öffentlichkeit bewegen werden –;schließlich mit dem Bundeshaushalt 2007, der AnfangJuli dieses Jahres vom Bundeskabinett beschlossen wird.Damit wird die jährliche Kreditaufnahme des Bun-des ab dem Jahre 2007 auf Dauer die von Art. 115 desGrundgesetzes vorgegebene Obergrenze unterschreiten.Das hat Kollege Meister ausreichend dargelegt. HerrKoppelin, machen Sie doch die Bürgerinnen und Bürgermit solchen Begriffen wie „verfassungswidriger Haus-halt“ nicht närrisch! Das, was Sie hier machen, ist falschund irreführend. Natürlich legen wir einen Haushaltnach den Regeln unseres Grundgesetzes vor, nichts an-deres.ewfdrh–nfrWqnnhdJng2MGrmsMshtsudsvn2tlBDduamELZsSbd
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– Ja, Herr Kuhn, man muss eben Prioritäten setzen. Wirwollen, der finanzpolitischen Glaubwürdigkeit wegen,die genannten Ziele in 2007 erreichen, mit Blick auf dasGrundgesetz, mit Blick auf die Maastrichtkriterien und,so muss ich hinzufügen, mit Blick auf die Finanzmärkte,weil Deutschland als größte Volkswirtschaft der Euro-päischen Union große Bedeutung für die Finanzmärktehat.
Deswegen ist es richtig, die Priorität bei der Haushalts-konsolidierung zu setzen. Man muss sich entscheiden.
Man kann dieser Frage nicht ausweichen; man muss zu-mindest zeitlich Prioritäten setzen. Diese Konflikte, mitdenen wir es zu tun haben, wollte ich hier ganz offen be-shgsswdFcdsÜsuAlüKDFDvDbnnddpkdhsJ
as ist nämlich das einzige politische Thema, das derDP geblieben ist.
as ist übrigens auch das Gute an den Wahlergebnissenom letzten Sonntag:
as Erpressungspotenzial, das Sie sich versprochen ha-en davon, dass Sie da, wo Sie mitregieren, auf den Mi-isterpräsidenten Einfluss nehmen können, steht Ihnenicht länger zur Verfügung.
Herr Kollege Poß, gestatten Sie eine Zwischenfrage
es Kollegen Koppelin?
Natürlich.
Herr Kollege Poß, ich will mich mit Ihnen gar nicht in
er Sache streiten, ich greife nur auf, was Sie als „Kam-
agne“ der FDP bezeichnen. Waren denn die Wahl-
ampfplakate der SPD im Bundestagswahlkampf oder
ie entsprechenden Flugblätter – ich habe einige davon
ier zur Hand –, auf denen Sie eine mögliche Mehrwert-
teuererhöhung geißeln, keine Kampagne?
Das war Gegenstand der Wahlauseinandersetzung desahres 2005.
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Ich habe eben selbst gesagt – und Sie können das alsWahlkampagne bezeichnen –: Davon ist überhauptnichts zurückzunehmen, das ist Teil der politischen Aus-einandersetzung im Bundestagswahlkampf gewesen,Herr Koppelin.
Was Sie, Herr Kollege Koppelin, hier in Kenntnis derdamaligen finanzpolitischen Einschätzung des Jahres2005 und des Jahres 2006 machen, ist nicht richtig.
Sie wissen, dass zu diesem Zeitpunkt die Belastungendurch Hartz IV noch nicht bekannt waren. Die Zahlensind im Wesentlichen in den Monaten September bis No-vember aufgewachsen. Herr Koppelin, es ist nicht zurechtfertigen, dass Sie sich mit diesem Einwand, den ichdurchaus ernst nehme, als FDP im wahrsten Sinne desWortes auf eine Einpunktpartei reduzieren und dieseMaßnahme attackieren.Sie werden vor allem Ihrem Verständnis als Sachwal-ter des Mittelstandes nicht gerecht. Sie erreichen keineVertrauensbildung, die notwendig wäre, um die Binnen-konjunktur zu beleben, sondern genau das Gegenteil.Sie, Herr Koppelin, versündigen sich mit dieser Kampa-gne an den Interessen des Mittelstandes.
Ich bin froh, dass Ihr Einfluss durch die Wahlergeb-nisse des letzten Sonntags stärker beschnitten wurde.Ähnlich agiert auch die so genannte Linkspartei bzw.PDS, auch in den beiden Landesregierungen, an denensie beteiligt ist. Auch das ist – das sage ich deutlich – un-erträglich und nicht hinnehmbar.Die Mehrwertsteuererhöhung hat nicht nur für denBund eine Bedeutung. Es geht doch darum, dass wir aufgesamtstaatlicher Ebene einen föderalen Finanzpakt hin-bekommen, der Bund, Länder und Kommunen umfasst.Von diesem Geist ist der Koalitionsvertrag beseelt. Wirkönnen das in dieser Konstellation auch schaffen. Vondieser Mehrwertsteuererhöhung – das müssen Sie, dieSie in einigen Ländern mit an der Regierung sind, auchsagen – profitieren auch die Länder. Die haben Einnah-men dringend nötig. Schauen Sie sich an, welche Aufga-ben in den Ländern zu finanzieren sind!Selbst wenn man diese sicherlich unpopuläre Maß-nahme der Mehrwertsteuererhöhung in Rechnung stellt,wissen wir, dass wir, was die hier schon diskutierte Re-gelgrenze des Art. 115 des Grundgesetzes, also das Ver-hältnis von Krediten zu Investitionen, betrifft, nur umwenige hundert Millionen Euro in der sicheren Zone lie-gen.
tndhmcfimfBkmmmwEDKürSknsmSDWgEmSat
Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/
ie Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Poß, an der Tatsache, dass Sie so langeber die Mehrwertsteuer gesprochen haben, merkt manichtig, dass Sie damit Verdauungsprobleme haben. Dascharmützel, das Sie mit der FDP geführt haben, war einomplettes Eigentor. Das hätten Sie sich schenken kön-en.
Ich möchte nicht nur auf den Haushalt 2006 eingehen,ondern auch auf Sie, Herr Steinbrück, unseren Finanz-inister. Wir Hamburgerinnen und Hamburger kennenie als sehr sachlichen Menschen.
ie anderen kennen ihn auch so. Sie äußern immer denunsch nach Klartext. Da muss ich ganz schlicht anfan-en. Klartext im Haushalt 2006 heißt: 38 Milliardenuro Nettokreditaufnahme. Das sind 7 Milliardenehr als im Jahr 2005. Herr Meister, ich schaue Sie an.ie haben in Ihrer Rede versprochen, heute sei der Tag,n dem ein anderer Weg in der Haushaltspolitik in Rich-ung Konsolidierung beschritten werde.
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Anja Hajduk
Ich muss sagen: 7 Milliarden Euro mehr im Jahr 2006als im Jahr 2005, in dem die wirtschafts- und arbeits-marktpolitische Situation viel schwieriger war, ist keinAusweis von Haushaltskonsolidierung. Das ist leichtfer-tiges Schuldenmachen auf Kosten der jungen Genera-tion.
Ich wähle bewusst so ein hartes Wort. Sie müssennämlich einmal bedenken, welche „Gunstfaktoren“ aufIhrer Seite sind: Sie haben das bessere Wachstum undeine stabilere wirtschaftliche Erholung, auf die Sie ganzstolz sind – Stichwort „Merkel-Aufschwung“ –, Sie ha-ben bessere Steuereinnahmen, Sie haben in diesem Jahreinen höheren Bundesbankgewinn. Trotzdem treiben Siedie Schulden in die Höhe. Sie mogeln sich über das Jahr2006 hinweg. Man merkt es der großen Koalition auchan: Am liebsten wollen Sie immer über das Jahr 2007 re-den, wenn Sie über den Haushalt sprechen; denn dasJahr 2006 wird verschenkt.
Das Argument „Stärkung der Konjunktur“ möchte ichnicht übergehen. Der Bundesbankpräsident, Axel Weber,hat in einer Sitzung des Haushaltsausschusses mit sehrvornehmen und nüchternen Worten davon gesprochen,dass die Konjunktur schon auf zwei Zylindern läuft:Nicht nur der Export, sondern auch die Ausrüstungs-investitionen ziehen an.
Deswegen wäre es sinnvoll und notwendig, in 2006 beigutem Wachstum die Schulden nicht derart hoch zu trei-ben und in 2007 die Mehrwertsteuer nicht so drastisch zuerhöhen, wo doch die Wachstumsprognose für 2007 imVergleich zu 2006 schon jetzt schlechter ist. So wie Sievorzugehen, ist nicht nur haushaltspolitisch unseriös,sondern auch wirtschaftspolitisch inkonsequent, ver-kehrt und riskant.
Herr Steinbrück, ich möchte noch auf eines Ihrer Ar-gumente eingehen. Leider kann ich Sie nicht anschauen,weil mir jemand im Wege steht. – Kann sich der Kollegebitte setzen?
Herr Kollege Fischer , Gespräche an der
Regierungsbank sind sicherlich immer sehr interessant,
aber behindern manchmal die Kommunikation.
Herr Steinbrück, ich halte die sachliche Erwägungauch in der Haushaltspolitik für notwendig und richtig.Wir Grünen gehören nicht zu denjenigen, die sagen: Wirn1vurSVuS23mrgvKMfmDttpnfsDvswSmNaSsJrpsHzi
Ich möchte nun auf die Haushaltspolitik der großenoalition eingehen, auch gemessen an den eigenenaßstäben, die Sie – ich würde sogar sagen: zu Recht –ormuliert haben. Ich darf aus der Vorlage des Finanz-inisters zum Bundeshaushalt zitieren:Mittelfristig muss es daher gelingen, einen ausge-glichenen Gesamtstaatshaushalt vorzulegen.ies wird insbesondere begründet mit der Verantwor-ung gegenüber den kommenden Generationen. Sie sag-en an anderer Stelle in einer Grundsatzrede:Unumstößliche Geschäftsgrundlage der großenKoalition ist der Erfolg bei der Haushaltskonsoli-dierung.Diese Maßstäbe lege ich jetzt einmal an Ihre Finanz-lanung an; schließlich macht es Sinn, Haushaltspolitikicht nur jährlich zu betrachten. Ich stelle Folgendesest: In der Finanzplanung von 2006 bis 2009 ist auf derteuerlichen Seite eine deutliche Erhöhung vorgesehen.as ist hier schon vielfach erwähnt worden. Sie habenon einem Kraftakt in der Haushaltskonsolidierung ge-prochen. Dazu sage ich Ihnen: Es ist kein Kraftakt,enn man Haushaltskonsolidierung so einseitig auf derteuereinnahmenseite betreibt wie Sie. Aber trotz derassiven Steuererhöhungen gelingt es Ihnen nicht, dieettokreditaufnahme ab 2007 über vier Jahre hinwegbzusenken.
ie bleiben stabil knapp an der Grenze, die die Verfas-ung vorgibt. Die Investitionsquote dagegen sinkt stetigahr für Jahr. Das ist keine Finanzplanung, die im Inte-esse kommender Generationen ist. Das ist keine Finanz-lanung, die dieser großen Koalition überhaupt die Per-pektive einer mittelfristigen Konsolidierung desaushalts gibt. Das sind Ihre Zahlen. Das ist ein Armuts-eugnis.
Wir haben die Haushaltsberatungen vor uns. Wenn esn diesem Jahr „Gunstfaktoren“ gibt, etwa bessere
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2122 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Anja HajdukSteuereinnahmen – ich habe auch schon auf den Bundes-bankgewinn und auf die wirtschaftliche Erholung hinge-wiesen –, dann können wir – davon bin ich überzeugt –mit einer geringeren Nettokreditaufnahme auskommen.Ich sage das auch mit Blick auf das Maastrichtkriteriumund auf die EU.Ich denke da weiter an Ihre Äußerung, HerrSteinbrück, zum Politikstil. Man soll Maß halten undman soll auch einmal etwas durchargumentieren. ZumMaß im Ton gehört ebenfalls Aufrichtigkeit, die ich jetztkeinesfalls grundsätzlich infrage stellen will. Aber Siehaben gesagt: Deutschland trägt Verantwortung dafür,dass wir den reformierten Stabilitäts- und Wachstums-pakt nicht beschädigen. – Dieser Pakt ist durchaus untermaßgeblichem Einfluss von Rot-Grün in der Weise re-formiert worden, dass er stärker auf die Wachstumsdyna-mik bzw. auf mangelnde Wachstumsdynamik Rücksichtnehmen soll. Wenn wir über die gesamte Finanzplanungmit 1,5 Prozent auf der Höhe unseres Potenzialwachs-tums liegen – dieses Argument habe ich vorhin schonstrapaziert –, dann frage ich Sie: Wann haben wir eigent-lich die guten Zeiten, in denen man sich im Sinne des re-formierten Stabilitäts- und Wachstumspakts um mehrKonsolidierung bemühen sollte?
Auch hierzu ein Zitat. Das Bundesfinanzministeriumhat den Haushaltsausschuss mit einem Ex-post Berichtzum Ecofin-Rat vom 14. März dieses Jahres unterrichtet.Im Kernpunktepapier werden die aus Sicht des Ecofin-Rats prioritären wirtschaftspolitischen Aktionsfelder für2006 formuliert. Ganz oben steht: „Nutzung der wirt-schaftlichen Erholung zur Konsolidierung der öffentli-chen Haushalte“. Sie machen in diesem Jahr das Gegen-teil. Die große Koalition genehmigt sich am Anfangihrer Regierungszeit einen kräftigen Schluck aus derPulle. Das ist wirtschaftspolitisch nicht zu erklären.
– Nein, Herr Poß. Sie sind nicht richtig im Zeitrhythmus.Das ist Ihr Problem.
Sie sind auch nicht richtig im Argumentationsrhythmus.Das ist Ihr nächstes Problem.
Ich möchte noch etwas sagen, was mir wichtig ist.Die EU erwartet von uns selbstverständlich – das wirddurch die Blume gesagt –, dass wir uns an den Pakt hal-ten und unser strukturelles Defizit in 0,5-Prozent-Schritten abbauen. Wir werden es in diesem Jahr leidernicht abbauen. Sie streben es jedenfalls nicht an. WirGrüne halten das 3-Prozent-Kriterium in diesem Jahr füreinhaltbar. Wir sind da in guter Gesellschaft.MkdndshmghdShsnb2EhledSzKVuI2u0dndgduwda
ittlerweile gibt es kaum noch Leute, die glauben, manönne die 3-Prozent-Grenze nicht einhalten – es seienn, man besteht auf einer so hohen Nettokreditauf-ahme, wie sie die große Koalition will.Ich komme nicht umhin, nur eine Interpretation dazu,ass Sie so viel Wert darauf legen, Herr Finanzminister,ich durch die EU in Verzug setzen zu lassen, als stich-altig zu empfinden. Sie lassen sich durch die EU-Kom-ission in Verzug setzen, weil Sie ein Druckmittelegen ihr politisches Umfeld brauchen, damit die Erhö-ung der Mehrwertsteuer um 3 Prozentpunkte nicht wie-er gekippt wird.
o sieht es nämlich aus! Damit die Mehrwertsteuererhö-ung nicht verhindert wird, brauchen Sie dieses takti-che Manöver nach dem Motto: Damit mir die Leuteicht von der Fahne gehen, wenn es uns in 2006 wiederesser geht, lasse ich mich jetzt, bevor ich im Juli den007er Haushalt unter Dach und Fach habe, durch dieU in Verzug setzen. – Wenn das nämlich nicht einge-alten wird, muss jemand 10 Milliarden Euro bereitstel-en. So halten Sie die Kritiker klein. Ich betrachte das alsin fahrlässiges Manöver. Es ist auch nicht redlich vorem Hintergrund des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Ich möchte zu einem nächsten Punkt kommen, zurtruktur des Haushalts. Eine kleine Vorbemerkung nochu dem Wachstumsprogramm. Ein Wachstums- undonjunkturprogramm, wie es die Koalition mit einemolumen von 25 Milliarden Euro aufgelegt hat, wird fürnabdingbar gehalten.
ch würde sagen, lassen wir die Kirche im Dorf.5 Milliarden Euro bedeuten 6 Milliarden Euro im Jahrnd 3,5 Milliarden Euro in diesem Jahr; das sind,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Darüber, dassas keine Konjunkturbombe ist, sind wir uns sicher ei-ig; das ist Blödsinn.
Wenn das jedoch kein Konjunkturprogramm ist, son-ern, wie der Finanzminister sagt, ein strukturelles Pro-ramm – auch Herr Kampeter hat das jetzt als Vokabelrauf –, dann muss dieses durch Prioritätenneusetzungnd darf nicht durch höhere Neuverschuldung finanzierterden; denn sonst setzen Sie die höhere Neuverschul-ung strukturell fort. Das ist ein Widerspruch, der auchufzeigt, dass Sie hier keine klare Linie verfolgen.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006 2123
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Anja HajdukGrundsätzlich finde ich es aber gut, dass Sie in dergroßen Koalition – da will ich insbesondere die SPD undden Finanzminister loben – offen dafür argumentierenund in der Öffentlichkeit dafür werben, zu verstehen,dass wir in erster Linie kein Ausgabenproblem haben.Das ist eine alte Mär, die die Union früher, häufig mitder FDP zusammen, verbreitet hat, dass nämlich die Un-wucht in den öffentlichen Finanzen durch die Ausgaben-seite bedingt sei. Da folge ich Ihnen, Herr Finanzminis-ter; das ist nicht das grundsätzliche Problem, sonderneher die Einnahmeseite. Richtig ist auch, dass wir imHaushalt eine Strukturveränderung brauchen. Wir müs-sen sehen, wie viel Mittel gebunden sind und wie vielwir umschichten können, gerade mit Blick auf Zukunfts-herausforderungen und Innovation.Wir finden manches gut, was fortgesetzt wird. DasCO2-Gebäudesanierungsprogramm haben wir Grünenmit angestoßen. Dass Sie für dieses Programm jetzt dasVolumen erhöhen, findet nicht unsere Kritik, sondernunsere Unterstützung.Wir finden auch gut, dass Sie die Strategie verfolgen,die Forschungsmittel zu erhöhen. Aber eines kann ichdann nicht verstehen; es macht deutlich, dass Sie in ei-nem sehr wichtigen Modernisierungsbereich keine klareLinie haben. Wenn Sie die Forschungsmittel erhöhen,wenn Sie Bildung und Forschung für so wichtig halten,dass dieser Bereich durch öffentliche Finanzen unddurch den Bundeshaushalt in Zukunft erfolgreich finan-ziert werden soll, dann müssen Sie die Föderalismus-reform, die Sie durch den Bundestag bringen wollen,dringend ändern; sonst werden Sie das Modernisierungs-potenzial, das wir brauchen, nicht mehr aus dem Bun-deshaushalt bedienen können.
Das ist ein eklatanter Mangel angesichts eines dringli-chen Modernisierungsdefizits der Gesellschaft.Leider gibt es in der Haushaltspolitik der großen Ko-alition noch ein Strukturproblem. Es kreist darum, dassdie Renten und die Altersversorgung in diesem Haus-halt einen großen Anteil ausmachen. Ich möchte, da esum Stilfragen, um Maß und Offenheit geht, deutlich da-für werben, dass Sie nicht verbreiten, Sie würden es mitIhren jetzigen Vorschlägen schaffen, die Rentenentwick-lung im Haushalt zu dämpfen, indem Sie behaupten, imDurchschnitt der letzten zehn Jahre hätte es bei der Ren-tenentwicklung 6-prozentige Steigerungen gegeben undSie würden die Steigerungen auf 1 Prozent senken. Dasist Volksverdummung; das sage ich ganz klar. Die 6-pro-zentigen Steigerungen in den letzten zehn Jahren warendurch die rot-grüne Strategie bedingt, durch Ökosteuer-mittel gleichzeitig den Beitragssatz abzusenken. Deswe-gen haben wir vor der Wahl versprochen und nach derWahl gehalten, dass Steuermittel in die Rentenfinanzie-rung fließen. Das hat bis 2003 regelmäßig Steigerungenzur Folge gehabt.
Se1ebsenSmVSghssnKhusgIkSd2drzdhDsbvvVdAfdsrwGwpSv
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2124 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Ich komme zum Schluss. Die Grünen werden Alter-nativen vorlegen. Wir sind davon überzeugt, dass wir imHaushalt 2006 mit weniger als 38 Milliarden EuroSchulden auskommen werden. Wir werden das zu bele-gen haben; das weiß ich. Aber es gibt noch eine ganzeReihe von Subventionen, die man energischer abbauenkann.Noch eine kurze Bemerkung zur Kohle. Unantastbarist die Kohle zwischen 2006 und 2008 keinesfalls, HerrSteinbrück.
Wir haben einen Mechanismus vereinbart, der dafürsorgt, dass der Weltmarktpreis subventionsminderndwirkt. Ich hoffe, dass Sie das unterstützen, auch wennSie einmal Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalenwaren.zpudDzmvsaadttaCHsiZAWghbhbdpdlnülßdd
Das Wort hat der Kollege Steffen Kampeter, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Der bisherige Verlauf der Haushaltsdebatte, dietark auch von wirtschaftspolitischen Aspekten geprägtst, hat gezeigt, dass die Haushaltspolitik keine reineahlenschieberei ist. Haushaltspolitik kann – das ist dernspruch der unionsgeführten Bundesregierung – guteirtschaftspolitik sein. Die große Koalition, die unions-eführte Bundesregierung leiten mit der Vorlage dereute erstmals im Parlament debattierten Gesetzesvorha-en und Unterrichtungsvorlagen die Wende in der Haus-altspolitik ein. Der Haushalt 2006, die Finanzplanungis 2009, das Haushaltsbegleitgesetz 2006, aber auchas vom Bundesfinanzminister eingeführte Stabilitäts-rogramm gegenüber der Europäischen Union dienener Wiedergewinnung des Vertrauens und der Verläss-ichkeit in der Finanzpolitik.Wir wollen der Realität nicht mehr das Prinzip Hoff-ung gegenüberstellen. Wir wollen langfristige, auchber den Tag hinaus gültige finanzielle Prognosen erstel-en. Die Finanzpolitik soll der Vertrauensanker der gro-en Koalition sein. Dies ist insbesondere der Ansprucher CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
Herr Bundesfinanzminister, Sie haben diese Wende iner Finanzpolitik – – Wo ist er denn? –
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006 2125
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Steffen KampeterAuch in Abwesenheit des Bundesfinanzministers istfestzustellen, dass er in seiner Rede diese Wende in derFinanzpolitik durch einen Rekurs auf die antike Philoso-phie sehr deutlich beschrieben hat. Herr Bundesfinanz-minister, bei dieser Neuausrichtung der Finanzpolitikhaben Sie die Unterstützung der CDU/CSU-Bundestags-fraktion.
Die Hauptaufgabe der Finanz-, Haushalts- und Steu-erpolitik in dieser Legislaturperiode ist die Wiederge-winnung des Wachstumsfaktors Vertrauen. DiesesVertrauen, das den Investoren und Konsumenten verlo-ren gegangen ist, gilt es durch Verlässlichkeit in diesemPolitikbereich wiederzuerlangen.
Die Menschen sollen das Gefühl haben, dass es sinnvol-ler ist, zu konsumieren, als Geld auf die hohe Kante zulegen. Die Investoren sollen wissen, dass Investitionenaufgrund verlässlicher Rahmenbedingungen und einerverlässlichen Form der Haushalts-, Finanz- und Wirt-schaftspolitik rentabel sind. Dies ist das Signal, das wirmit dem Haushalt und den ihn begleitenden Maßnahmenin Deutschland setzen wollen.
Ich bin einigermaßen verwundert darüber, dass insbe-sondere die Rednerin vom Bündnis 90/Die Grünen kriti-siert, dass der Haushalt 2006 noch keinen Schönheits-preis verdient und er nicht alle Anforderungen derFinanzpolitik mit einem Schlag erfüllen kann. Frau Kol-legin Hajduk, Sie waren in den vergangenen sieben Jah-ren an jedem der Vorgängerhaushalte beteiligt. Dies, waswir heute anfangen abzubauen, ist wesentlich durch IhreErblast bestimmt, meine sehr verehrten Damen undHerren von den Grünen.
Sich dann hier aufzublasen und so zu tun, als ob man inden vergangenen Jahren niemals an der Haushaltspolitikbeteiligt war, ist unredlich und nicht solide.Unsere Konsolidierungspolitik hat eine horizontaleund eine vertikale Dimension. Der Bundesfinanzminis-ter hat die horizontale Dimension deutlich gemacht, in-dem er nicht nur zur Finanzpolitik im engeren Sinne,sondern auch zu anderen Politikbereichen sehr dezidiertStellung genommen und klargestellt hat, dass die Konso-lidierung eben nicht allein Aufgabe des Finanzministersist, sondern auch Aufgabe aller Ausschuss- und Kabi-nettsmitglieder. Wir machen mit dem hier vorgelegtenGesetzespaket deutlich, dass auch die vertikale Dimen-sion der Konsolidierung unser Anliegen ist. Wir sparennicht zulasten der Länder und Kommunen, sondern ma-chen insbesondere mit dem Haushaltsbegleitgesetz einKonsolidierungsangebot, durch das die finanzielle Situa-tion der Länder und Gemeinden wesentlich verbessertwird; wir lassen sie bei ihren Konsolidierungsanstrengun-gen nicht alleine. Wir wissen, dass die gesamtstaatlicheKonsolidierung nur gelingen kann, wenn in Bundestagund Bundesrat eine gleichgerichtete Konsolidierungs-sdrgnhSsbbasbuAfsDrCksZhraWWlsWrhWtVztprasSrg
Drei Ziele wollen wir in dieser Legislaturperiode er-eichen.Erstens wollen wir dauerhaft und nachhaltig die Vor-aben unserer Verfassung einhalten. Dabei geht es zu-ächst einmal um Haushaltsklarheit und Haushaltswahr-eit. Bei den Haushalten, die wir gemeinsam mit Peerteinbrück einbringen, beraten und beschließen werden,oll bezüglich der finanziellen Rahmenbedingungen lie-er ein bisschen konservativer geschätzt werden. Es istesser, wenn wir am Ende dieses Jahres gut aussehen,ls jetzt zu viel anzukündigen. Das ist die Grundlage un-erer Strategie bei den Haushaltsplanungen.Außerdem wollen wir die in Art. 115 GG vorgege-ene Regelgrenze vom kommenden Jahr an einhaltennd letztmalig in diesem Jahr die Ausnahmeregelung innspruch nehmen. Wir verhalten uns verfassungskon-orm. Wir wollen aber nicht ausnahmsweise verfas-ungskonform sein, sondern dauerhaft und nachhaltig.as ist der Anspruch der großen Koalition.
Der zweite Zielkomplex ist, die stabile Währung eu-opaweit zu sichern. Gerade wir Christdemokraten undhristsozialen wissen, dass die Inflation die Geißel desleinen Mannes ist. Deswegen legen wir Wert auf einetabile Währung. Zwei Instrumente sind uns in diesemusammenhang wichtig: Erstens. Wir wollen die Unab-ängigkeit der Europäischen Zentralbank weiter auf-echterhalten. Ratschläge vonseiten der deutschen oderuch der ausländischen Politik bezüglich der Zins- undährungspolitik sind nicht hilfreich für eine stabileährung. Zweitens. Wir wollen den europäischen Stabi-itäts- und Wachstumspakt einhalten. Gerade wir Deut-chen stehen hier in einer besonderen Verpflichtung.
ir haben die D-Mark aufgegeben. Um die neue Wäh-ung, den Euro, so stark und so stabil wie die D-Mark zualten, haben wir den europäischen Stabilitäts- undachstumspakt. Deswegen ist es gerade für unsere Na-ion eine moralische ebenso wie eine finanzpolitischeerpflichtung, die Vorgaben dieses Pakts dauerhaft ein-uhalten. Das ist Wunsch und Wille der großen Koali-ion.
Das dritte Ziel, um das es uns in dieser Legislatur-eriode geht, ist die Absenkung der Staatsquote. Ge-ade die Union hält die Tätigkeit des Staates nicht fürllein selig machend. Es entspricht nicht unserer Auffas-ung, wenn man ein Problem hat, zuvorderst nach demtaat zu rufen. Deshalb lautete ein Leitsatz der Regie-ungserklärung von Angela Merkel „mehr Freiheit wa-en“; den Bürgerinnen und Bürgern dieses Staates soll
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Steffen Kampetermehr zugetraut werden. In der Finanzpolitik ist dieStaatsquote der Indikator dafür, wie viel der Staat in die-sem Land regelt und wie viel die Bürgerinnen und Bür-ger eigenverantwortlich leisten. Im Rahmen dieser Le-gislaturperiode wird es eine Absenkung der staatlichenAktivität sowohl im Rahmen der Gebietskörperschaftenals auch im Rahmen der Sozialversicherungen auf einNiveau geben, wie wir es zuletzt im Jahr 1989 hatten, alsGerhard Stoltenberg, einer der erfolgreichsten Finanz-minister in der deutschen Nachkriegsgeschichte, dieBundesfinanzpolitik zu verantworten hatte. Das „ProjektStoltenberg“ ist auch ein Projekt der großen Koalition.
Ich will an dieser Stelle deutlich machen, dass dasZiel der Absenkung der Staatsquote nicht verfolgt wird,weil wir zwangsläufig an einem Mangel an Steuerein-nahmen leiden, sondern deshalb, weil wir in den vergan-genen Jahren ein Stück weit über unsere Verhältnisse ge-lebt haben.
Eine Verschuldung in Höhe von 1 500 Milliarden Euroist doch kein Indikator dafür, dass wir bei den Bürgerin-nen und Bürgern zu wenig Steuern abkassiert haben, sieist vielmehr ein Indikator dafür, dass der Staat und dieSozialversicherungssysteme zu viel Geld ausgegebenhaben.
Diesen Mentalitätswandel wollen wir gemeinsam mitBundesfinanzminister Steinbrück organisieren.Wachstum und Steuereinnahmen müssen wieder insGleichgewicht geraten. Deswegen ist die Unternehmen-steuerreform nicht nur ein Instrument zur Entlastungvon Unternehmen; als ein solches wird es von manchenfehlverstanden. Nein, im Rahmen der Unternehmensteu-erreformen wollen wir die steuerliche Attraktivität desStandortes Deutschland für unternehmerische Aktivitä-ten wiederherstellen. Dies ist nicht nur für den Haushalt,sondern auch für die Arbeitsplätze in Deutschland eineexistenzielle Herausforderung. Das deutsche Steuersys-tem muss für Investitionen und Gewinnbesteuerungenattraktiv sein. Unter dem Strich werden davon die Haus-halte und die Bürgerinnen und Bürger dieses Landesprofitieren.
Deswegen setzen wir uns engagiert für die Unterneh-mensteuerreform, die über das hinausgehen muss, waswir auf dem Jobgipfel vereinbart haben, ein.
Unsere Strategie griffe zu kurz, wenn sie sich aus-schließlich in Sparbemühungen, Kürzungsansätzen undEffektivitätssteigerungen erschöpfen würde. Wir spa-ren; das ist auch richtig und notwendig angesichts derdramatischen Schieflage der Finanzen von Bund, Län-dern und Gemeinden. Darüber hinaus setzen wir aberauch klare Impulse für die Zukunft. Wir setzen mit die-stttrggAtdudbupDsadslaWtfsszguaTdstHdnndtFdRnuaw
Wir investieren mit diesem Haushalt und der mittel-ristigen Finanzplanung auch in Bildung und For-chung, weil wir glauben, dass unsere Intelligenz, un-ere Kreativität und unser geistiges Eigentum dieentralen Wachstumsfaktoren in unserem Land sind. Wirlauben, dass darin Zukunftschancen für Arbeitsplätze,nd zwar nicht nur in der chemischen Industrie, sondernuch in allen wissensbasierten Dienstleistungen undechnologien, liegen. Deswegen ist die Verpflichtunges Bundeshaushalts, gerade die Investitionen für For-chung und Bildung zu steigern, ein richtiges und wich-iges Signal der Bundesregierung, zu dem auch wiraushaltspolitiker stehen.
Allerdings – auch das muss klar gesagt werden –: Umiese Ziele zu erreichen, müssen wir auch unange-ehme Voraussetzungen erfüllen, die an dieser Stelleicht verschwiegen werden sollen. Wir müssen im Laufeieser Legislaturperiode einen nicht unerheblichen An-eil von Einmalerlösen, Privatisierungen und sonstigeninanzmarktinnovationen verwenden, um den Konsoli-ierungskurs zu flankieren.Wir müssen gemeinsam mit dem Bundesrat eineeihe von steuerlichen Gesetzgebungsmaßnahmen, dieicht nur Freude bei den Betroffenen auslösen werden,msetzen. Wir müssen das Haushaltsbegleitgesetz ver-bschieden, in dem die Mehrwertsteueranpassung einichtiges Element ist.
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Steffen Kampeter
Die Mehrwertsteueranpassung stellt eine Belastung desKonsums dar. Wir alle waren interfraktionell der Auffas-sung, dass es besser ist, den Konsum als die Arbeit zubelasten. Jetzt setzen wir diese Überzeugung um. Wirdenken, dass wir diese Maßnahme im Rahmen einerkonjunkturverträglichen Umsetzung im Laufe dieser Le-gislaturperiode zum Erfolg führen werden.Die Union muss sich im Übrigen nicht verstecken:Wir waren die Einzigen, die an diesem Punkt vor derWahl ganz klar gesagt haben, was wir nach der Wahl ma-chen wollen. Das ist Ehrlichkeit und Klarheit. Wir setzendas um, was wir hierzu vor der Wahl angekündigt haben.
Wir müssen in dieser Legislaturperiode auch die Ar-beitsmarktreformen vorantreiben. Wer in dieser Regie-rung eine hohe Etatverantwortung hat, hat auch einehohe Konsolidierungsverantwortung. Deswegen wollenwir im Bereich Arbeit in dieser Legislaturperiode einenKonsolidierungsbeitrag leisten, indem wir 15 MilliardenEuro einsparen. Dieser Konsolidierungsbeitrag mussnoch durch gesetzliche Maßnahmen abgesichert werden.Wir sind sicher, dass sowohl der Bundesfinanzministerwie auch der Bundesminister für Arbeit im Laufe dernächsten Woche die dafür erforderlichen Gesetzge-bungsinitiativen einleiten.Wir wollen die Gesundheitsreform unterstützen, in-dem wir den Reformdruck auf das System erhöhen.Schon vor der letzten Bundestagswahl haben wir imHaushaltsausschuss interfraktionell festgestellt, dass diegefundene Lösung, über den Steuertopf in den Gesund-heitsbereich hineinzuregieren, falsch war. Deswegen wares nur konsequent und richtig, im Rahmen der Koali-tionsvereinbarung die Absenkung dieses Steuerzuschus-ses zu vereinbaren. So erhöhen wir den Reformdruck,fördern den Wettbewerb im Gesundheitssystem undschaffen schrittweise eine Abkopplung der Beiträge– das hat auch der Bundesfinanzminister gesagt – vomSystem Arbeit. Das ist unser Angebot an die Gesund-heitspolitik. Ich glaube, es ist ein ehrliches und anständi-ges Angebot.
Ich komme zum Schluss. Im Rahmen der Haushalts-beratungen werden wir alle Ausgabeansätze noch einmalüberprüfen. Wir werden schauen, wo noch Einsparpo-tenziale vorhanden sind. Die Richtung aber scheint ausSicht der Union zu stimmen.Bisher hat jeder betont, welche guten Erfahrungen ermit dem Bundesfinanzminister in früheren Positionenhatte. Der Bundesfinanzminister war in Nordrhein-West-falen Ministerpräsident. Wir haben ihn dort abgelöst.
Daher hält sich mein Mitleid mit ihm in Grenzen. Ichweiß aber, dass jedem Anfang ein Zauber innewohnt.Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will sich nicht inVZsKßFHKbdfkrsdWmNufBevdswgdkdedajnMBr
Es ist unehrlich, wenn man den Bürgern diesen Ent-urf als Neuanfang verkaufen will. Es bleibt alles wieehabt: Die Schulden steigen stärker, die Ausgaben wer-en nicht eingedämmt und die Situation wird in der Zu-unft noch schwieriger. Die katastrophale Situation wirdurch hinter Haushaltsentlastungen verborgene Steuer-rhöhungen geschönt. Die Erhöhung der Mehrwert- under Versicherungsteuer werden dazu beitragen, dass esuf Dauer nicht zu einer Ankurbelung der Binnenkon-unktur kommen kann. Die Binnenkonjunktur wird imächsten Jahr einbrechen. Das ist das zentrale Problem.ittelfristig verschlechtern sich die Aussichten für mehreschäftigung und nachhaltige Haushaltskonsolidie-ung.Ich will auf einige Punkte eingehen:
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Dr. Hermann Otto SolmsErstens. Der Bundeshaushalt 2006 ist – Bundes-finanzminister Steinbrück hat das gerade bei der Redemeines Kollegen Jürgen Koppelin bestritten – erneutvorsätzlich verfassungswidrig. Er setzt den planvollenVerfassungsbruch der letzten vier Jahre fort. Es ist dochganz einfach und jeder kann es verstehen. Schauen Siesich Art. 115 des Grundgesetzes an – der Blick ins Ge-setzbuch erleichtert die Rechtsfindung; das ist eine alteLehre –:
Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe derim Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für In-vestitionen nicht überschreiten;Das ist nicht schwer zu verstehen. Jetzt kommt die Aus-nahme:Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einerStörung des gesamtwirtschaftlichen Gleichge-wichts.
Das heißt, die Ausnahme muss die Störung des gesamt-wirtschaftlichen Gleichgewichts bekämpfen, verhindernund verändern.
Vier Jahre lang hatten wir eine hohe Neuverschuldung.
In dieser Zeit ist die Arbeitslosigkeit gestiegen und mitder Konjunktur ist es abwärts gegangen. Die Neuver-schuldung hat also nicht den vorgesehenen Beitrag ge-leistet. Offenkundig ist das Argument nicht stimmig.
Deswegen haben wir vor dem Bundesverfassungsgerichtgeklagt. Die Klage hat übrigens die CDU/CSU damalsmit uns veranlasst. Sie kann sich heute nicht abseilen,weil wir das gemeinsam eingereicht haben. Nun wartenwir einmal ab, was die Verfassungsrichter dazu zu sagenhaben.Zweitens. Die Bundesregierung legt zum fünften Malund in voller Absicht einen stabilitätswidrigen Haus-halt vor. Im letzten Jahr wurde das Stabilitätsziel mitetwa 3,2 Prozent im Vollzug beinahe erreicht. Nun solldas Defizit wieder das des letzten Jahres überschreiten.Mit einem Defizit von 3,3 Prozent wird das Stabilitäts-ziel nicht erreicht. Es fehlen 7 Milliarden Euro. DieSteuereinnahmen scheinen etwas besser zu sprudeln. Siewerden doch in der Lage sein, noch 5 Milliarden Euroeinzusparen, um in diesem Jahr das Stabilitätsziel zu er-reichen! Aber Sie vermeiden das.
Drittens. Trotz vollmundiger Sparversprechungensteigen die Bundesausgaben von 2006 bis 2009 erneutum 13,6 Milliarden Euro. Ich verstehe unter Sparen: we-niger Geld ausgeben. Die schwarz-rote Koalition ver-siLshDtvftwr1HshGs1hEdhnwagjüDDgiEDissrOmtdsdvGKWdn
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dass Sie jetzt über die Einführung eines Gesundheits-solis diskutieren. Das Wort „Gesundheitssoli“ klingtzwar niedlich. Aber was bedeutet es? Sie müssen knapp14 Milliarden Euro abdecken, um die Beiträge für dieKinder auszugleichen. Wenn Sie dies aus Steuermittelntun wollen – durch einen Soli oder einen Zuschlag aufdie Einkommensteuer –, müssen Sie die Einkommen-steuer in ihrer ganzen Breite erhöhen. Berücksichtigtman den schon heute existierenden Soli, wäre es not-wendig, auf einen Gesamtsoli von etwa 12 Prozent zukommen.Das heißt, dass der Eingangssteuersatz wieder von15 auf 17 Prozent und der Spitzensteuersatz einschließ-lich der Reichensteuer auf 50 Prozent steigen müssten.Dadurch wären alle Vorteile, die durch die Steuerreformvon Rot-Grün erreicht worden sind, kompensiert. Dannhätten wir in Deutschland erneut eine überproportionalhohe Steuerbelastung: für alle Arbeitnehmer, alle Selbst-ständigen und alle Unternehmen. Außerdem würden wirim internationalen Wettbewerb weiter zurückfallen. Daswürde unserer konjunkturellen Entwicklung genausowenig helfen wie die übrigen Steuererhöhungen.Meine Damen und Herren, ich glaube, dass Sie kon-junktur- und strukturpolitisch auf dem falschen Wegsind. Sie brauchen mehr Mut zu Reformen. Der vergan-gene Wahlsonntag hat dazu geführt, dass Sie jetzt auchim Bundesrat die Mehrheit haben. Damit haben Sie auchVerantwortung. Die 5 Millionen Arbeitslosen sind jetztIhre Arbeitslosen, die Schulden von 1,5 Billionen Eurosind jetzt Ihre Schulden, und die anstehenden Zinszah-lungen in Höhe von 50 Milliarden Euro sind jetzt IhreZinsverpflichtungen.
Jetzt haben Sie also die Verantwortung. Machen Sie et-was daraus!
SSkJeVdVhSanGbtuDmbuhskatHeedrdel1n2I1svdlrZm
nd manche Vorschläge, die dazu dienen, die Haus-altskonsolidierung voranzutreiben. Über dieses Zielcheint sogar zwischen Liberalen und Möchtegern-Lin-en Einigkeit zu herrschen. Die entscheidende Frage istllerdings die nach dem richtigen Weg und den geeigne-en Instrumenten. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen:ierzu habe ich bis zum jetzigen Zeitpunkt noch keinentscheidenden Vorschläge gehört. Aber wir sind ja auchrst am Beginn der Haushaltsberatungen; vielleicht än-ert sich das ganze noch.Kollege Koppelin, der heute als erster Oppositions-edner gesprochen hat, hat sich zur Verantwortung fürie Verschuldung geäußert und zu Beginn seiner Redeine Zahl in den Raum geworfen, die ich so nicht stehenassen kann. Sie sagten, die SPD habe in der Zeit von998 bis 2005, also während der letzten beiden rot-grü-en Regierungskoalitionen, Schulden in Höhe von00 Milliarden Euro gemacht.
ch kann Ihnen sagen: Von 1998 bis 2005 waren es44 Milliarden Euro. Das ist nichts, worauf man stolzein kann; aber ich denke, es ist eine Frage der Gesamt-erantwortung, der auch Sie sich stellen müssen.Ich habe mir einmal heraussuchen lassen, wie hochie Neuverschuldung war, für die die FDP verantwort-ich war. Wenn man die gesamte Neuverschuldung wäh-end Ihrer Regierungszeit, die die Bundesrepublik langeeit erschüttert hat – also von 1969 bis 1998 –, zusam-enrechnet, dann kommt man auf 711 Milliarden Euro.
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Carsten Schneider
Wenn man die Summe seit 1982, also während derschwarz-gelben Dominanz, zusammenrechnet, dannkommt man immer noch auf 565 Milliarden Euro. Dasist deutlich mehr, Herr Koppelin.
Ich sage das nicht verbunden mit einer Vorhaltung, son-dern wegen der politischen Redlichkeit.
Ich glaube, dass es uns allen gut anstehen würde, wennwir auf dem Weg, den der Finanzminister vorgegebenhat, folgende Ziele in den Haushalten des laufenden unddes nächsten Jahres erreichen würden: erstens, dieWachstumskräfte in unserer Volkswirtschaft zu stärken,und zweitens, 2007 die Regelgrenze nach Art. 115Grundgesetz einzuhalten, ohne von den Ausnahmemög-lichkeiten Gebrauch zu machen. Auch hierzu habe icheine andere Rechtsauffassung als die, die der KollegeSolms vorgetragen hat.Der Haushalt selbst, der uns zur Beratung vorliegt,beruht auf einer sehr konservativen Schätzung. Wir neh-men an, dass das Wachstum bei 1,4 Prozent liegen wird.Ich glaube, dass dies ausreichend ist, uns genügendRaum gibt und dass nicht mit bösen Überraschungen zurechnen ist. Das Ausgabenwachstum liegt mit Blick aufeinen Vierjahreszeitraum bei 0,7 Prozent pro Jahr. HerrKollege Solms, die Inflationsrate wird bei 1,5 bis2 Prozent pro Jahr liegen. Wir werden sehen, wie sie sichentwickelt. Zumindest, wenn man den Auguren glaubenkann, wird sie nicht deutlich darüber liegen. Das heißt,es wird eine reale Kürzung der Ausgaben des Bundes ge-ben. Wie Sie trotzdem davon reden können, dass wir dasGeld verschwenden und Konjunkturprogramme fahren,die von uns falsch angedacht worden seien, ist mir wirk-lich ein Rätsel.
Sie haben die Investitionsquote angesprochen; auchdarauf will ich noch eingehen. Die Investitionsquote istein wichtiger Indikator für die Zukunftsfähigkeit und dieStruktur der Ausgaben. Ich widerspreche nicht, dass esin den vergangenen Jahrzehnten – auch unter Ihrer Be-teiligung; das will ich noch einmal hervorheben – insge-samt eine Strukturveränderung hin zum sozialen Bereichgab. Nicht umsonst ist der Etat für den Arbeits- undSozialbereich der größte. Franz Müntefering hat mit derAufstellung des Haushaltes die Verantwortung wahrge-nommen, die Herr Kollege Kampeter hier spitzfindig an-gesprochen hat.
Die Sozialdemokraten haben innerhalb der Bundesregie-rung die entscheidenden Ministerien übernommen. Wirsind bereit, dieser Verantwortung gerecht zu werden.Ich will zur Investitionsquote zurückkommen. Alleinvon 2005 auf 2006 steigen die Investitionen real um1 Milliarde Euro.–NQtdweSAgIddsgWbdugdiHzgwElhDsBafkFN2wAbgdB
n der Konsequenz führt das rein mathematisch dazu,ass wir zwar die Investitionen nicht senken, dass aberie Investitionsquote bezogen auf die Ausgaben im Ge-amthaushalt natürlich sinkt. Das ist logisch. Von daherlaube ich, dass das vertretbar und auch ein richtigereg ist.
Der Name des Kollegen Eichel hat heute in der De-atte schon öfter eine Rolle gespielt. Ich komme jetzt aufie Deutungshoheit zurück, die die Kollegen Meisternd Kampeter hier angesprochen haben. Ich habe eineänzlich andere Auffassung bezüglich der Fortsetzunger Finanzpolitik der Bundesregierung bzw. der Wenden derselben.
err Kollege Solms, in diesem Punkt stimme ich Ihnenu. Sie haben deutlich gemacht, dass es eine Kontinuitätibt.
Das, was hier im Deutschen Bundestag beschlossenurde, wird nun endlich umgesetzt. Ich will nur dieigenheimzulage nennen, deren Abschaffung jetzt end-ich das gesamte Haus dankenswerterweise zugestimmtat. Das war die größte Einzelsubvention des Bundes.ieses Haus hat unter rot-grüner Regierung manches be-chlossen, das aber niemals umgesetzt wurde, weil es imundesrat eine Blockade gab. Diese Blockade ist nunufgelöst. Von daher sind die Maßnahmen, die wir schonrüher angedacht haben, nun im Vollzug. Deswegenann ich nicht von einer Wende, sondern nur von einerortsetzung des Regierungshandelns reden, das seineniederschlag in der Gesetzgebung findet.
Die Ausgaben des Bundes im Zeitraum von 1999 bis004 sind im Vergleich zu dem, was real prognostiziertorden ist, niedriger gewesen, nämlich 0,4 Prozent.uch hier zeigt sich eine deutliche Kürzung der Ausga-en, womit wir damals einen Beitrag zur Konsolidierungeleistet haben. Das ist uns auf der Einnahmenseite lei-er nicht gelungen. Die Einnahmen sind – das hat dieundesbank am gestrigen Tag in ihrem Monatsbericht
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Carsten Schneider
festgestellt – in den letzten Jahren eingebrochen. Wirwerden alles tun, um insbesondere dieses Einnahmen-problem zu lösen.Hinsichtlich der nächsten Kennziffer, die haushalts-und wirtschaftspolitisch wichtig ist, der Steuerquote,hat der Finanzminister heute Morgen darauf hingewie-sen, dass sie auf einem international sehr niedrigenNiveau ist. Europaweit hat nur noch die Slowakei mit20,1 Prozent eine niedrigere Steuerquote als die Bundes-republik Deutschland. Mit den Entlastungsmaßnahmenbei der Einkommensteuer im Jahre 2000 durch die großeSteuerreform haben wir diese Quote bewusst angestrebt.1999 lag die Steuerquote noch bei 22,5 Prozent. Dasmag nun sehr abstrakt klingen. Aber in realen Zahlenentspricht das einer Mindereinnahme von 50 Milliar-den Euro. Das Defizit des Bundes entspricht in etwa die-ser Zahl.Die Maßnahmen, die wir nun mit dem Haushaltsbe-gleitgesetz einleiten, das die SPD-Fraktion in Gänze un-terstützt und sowohl auf der Einnahmenseite durch diebedingten Steuermehreinnahmen – etwa bei der Versi-cherungsteuer und der Mehrwertsteuer, zu denen wir po-litisch stehen – als auch auf der Ausgabenseite durchKürzungen und Strukturreformen langfristig wirkenwird, führen letztendlich dazu, dass wir 2007, nach demJahr des Anschubs in 2006, einen Haushalt vorlegenkönnen, der sowohl den Maastrichtkriterien als auch derVerfassung voll und ganz entspricht.Das Bund-Länder-Verhältnis, das auch im Zusam-menhang mit der Debatte um die zweite Föderalismusre-form gesehen werden muss, ist nun so, dass wir nunmehrsowohl hier im Bundestag mit einer Mehrheit durch diegroße Koalition als auch im Bundesrat die Möglichkeithaben, langfristig stabile Rahmenbedingungen vorzuge-ben. Ich bin gespannt, wie insbesondere die Maßnahmendes Haushaltsbegleitgesetzes wirken werden. Ich denkeda an die Regionalisierungsmittel
und andere Mittel, die den Ländern zugute kommen, wieetwa durch die Mehrwertsteuererhöhung – 1 Prozent-punkt bringt Einnahmen in Höhe von 7 Milliarden Euro –und den Abbau von Steuervergünstigungen. Das bringtallein dem Bund Mehreinnahmen von 19 Milliar-den Euro. Dadurch werden die Ausnahmen – das istrichtig so –, durch die sich viele Menschen arm rechnenkonnten und keine Steuern zahlen mussten, abgeschafft.Das wird dazu führen, dass die Finanzierungsbasis desStaates, der für uns Sozialdemokraten ein Fundamentunserer Gemeinschaft ist, tatsächlich gegeben ist.Der Haushalt 2006, über den wir in den nächsten Mo-naten diskutieren werden, ist ein Haushalt des Über-gangs; das habe ich bereits erwähnt. Wir sanieren, refor-mieren und investieren. Dieser politische Dreiklang folgtunserer Grundüberzeugung, nach der wir nicht gegen dieKonjunktur sparen können, weil wir Wachstumsimpulsebrauchen, um in der Perspektive – diese Perspektive istfür mich die nächste Legislaturperiode – einen ausgegli-chenen Haushalt vorzulegen.dascAMpinrsbVKpatWbbddh1dddmIW–cdRgdf
Für diese Legislaturperiode werden wir ein Konsoli-ierungsvolumen von 30 Milliarden Euro beisteuern.
Das ist politisch schwer handhabbar. Es wird uns vielbverlangen. Sie alle werden viele Briefe von Interes-enverbänden bekommen, die, für sich genommen, si-herlich ein berechtigtes Interesse haben, aber für diellgemeinheit und für den Staat Einzelinteressen sind.
it all dem werden wir uns auseinander setzen müssen.Für die Zukunftsfähigkeit dieses Landes muss – ohneathetisch klingen zu wollen – meines Erachtens immerm Vordergrund stehen, dass wir den nachfolgenden Ge-erationen nicht nur Zinslasten und ein Sozialversiche-ungssystem überlassen, das zu hohe Anforderungen anie stellt, sondern dass wir ihnen auch Zukunftschancenieten.
on daher bietet der Haushalt mit den vorgesehenenonsolidierungsmaßnahmen und den neuen Schwer-unkten insbesondere im Forschungsbereich – was ichusdrücklich unterstütze –, aber auch bei den Investi-ionen die besten Voraussetzungen für eine erfolgreicheirtschafts- und Finanzpolitik in den nächsten Jahrenis 2009.Ich will noch kurz einige Maßnahmen auf der Aufga-enseite nennen, die für Diskussionen sorgen werden,ie aber für mich als Haushälter unabdingbar sind. So istie Absenkung der Zuwendungen aus dem Bundes-aushalt an die gesetzliche Krankenversicherung auf,5 Milliarden Euro im Jahr 2007 und das Auslaufenieser Zuwendungen im Jahr 2008 eine Voraussetzungafür, dass wir vorhandene Effizienzreserven im Systemer gesetzlichen Krankenversicherung heben, statt unsithilfe von Steuermitteln um die Reform zu drücken.ch glaube, dass wir mit dieser Maßnahme den richtigeneg gehen.Aber auch die Maßnahmen im ArbeitsmarktbereichHerr Kampeter hat von 15 Milliarden Euro gespro-hen; ich gehe von 7 Milliarden Euro per annum aus –,ie Verringerung des allgemeinen Bundeszuschusses zurentenversicherung und die Halbierung des Weihnachts-elds werden langfristig zur Absicherung und Konsoli-ierung des Haushalts beitragen.
Herr Kollege Schneider, wollen Sie eine Zwischen-
rage von Anja Hajduk zulassen?
Ja, bitte.
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Herr Kollege Schneider, zu dem Bundeszuschuss zur
gesetzlichen Krankenversicherung möchte ich Sie Fol-
gendes fragen: Stimmen Sie nicht mit mir überein, dass
jenseits dieses auslaufenden Zuschusses ein Modernisie-
rungsdruck für die Kassen gegeben ist? Dieses Jahr wer-
den durch das Vorziehen der Überweisungen der Arbeit-
nehmerbeiträge zusätzliche Einnahmen erzielt, die im
nächsten Jahr fehlen. Es ist doch eine Mär, dass allein
durch die Kürzungen bei versicherungsfremden Leistun-
gen, die nicht länger aus Steuermitteln finanziert wer-
den, ein Modernisierungsdruck ausgelöst würde. Sie ge-
hen vielmehr das Risiko einer Beitragssatzsteigerung im
nächsten Jahr ein. Ich finde, Sie sollten das nicht so ver-
kürzt darstellen. Aber vielleicht sehen Sie den Sachver-
halt anders.
Frau Kollegin Hajduk, sicherlich besteht unabhängigvon der Senkung des Bundeszuschusses an die gesetz-liche Krankenversicherung Modernisierungsdruck.Nichtsdestotrotz wird er durch die Verringerung der Ein-nahmenbasis infolge der Rückführung des Bundeszu-schusses an die Krankenversicherung in Milliardenhöheund der Prioritätensetzung zugunsten eines ausgegliche-nen Haushalts – das hat Herr Kollege Poß vorhin ausge-führt – noch verstärkt.Wir alle wissen, dass einmal gewährte Zuschüsse denRuf nach weiteren Steuermitteln nach sich ziehen unddadurch Reformmaßnahmen, über die die Koalitionnoch nicht in Gänze entschieden hat, unterdrückt wer-den. Ich glaube aber, dass wir als große Koalition mitFrau Ministerin Schmidt an der Spitze ein ausgewogenesKonzept der gesetzlichen Krankenversicherung vorlegenwerden, das den vorhin genannten Maßgaben genügt,was das Leistungsniveau, die Ausgabenseite und vor al-len Dingen die Lohnnebenkosten betrifft. Ich glaubenicht, dass es letztendlich zu einer deutlichen Beitrags-satzsteigerung kommen wird. Das wird eher nicht derFall sein. Wie es konkret weitergehen wird, werden dieDebatten in diesem Hause zeigen.Klar ist für uns – das hat die Regierung mit dem vor-liegenden Entwurf des Haushaltsbegleitgesetzes gezeigt,den wir als Koalition in diesem Punkt auch so beschlie-ßen werden –, dass wir den Bundeszuschuss reduzierenmüssen und dies auch tun werden.
Ich will noch auf einen anderen Punkt eingehen, derin den vergangenen Tagen in der öffentlichen Debatteeine Rolle gespielt hat, und zwar die Frage möglicherMehreinnahmen durch eine positive Entwicklung desSteueraufkommens. Am vorigen Sonntag wurden meh-rere einschneidende Wahlergebnisse erzielt. Eines davonist, dass uns der Kollege Paqué als Finanzminister inSachsen-Anhalt erspart bleibt. Seine Aussage, dass wirdie geplante Mehrwertsteuererhöhung nicht bräuchten,weil wir aufgrund der besseren Konjunkturentwicklung20 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen hätten – dieWahl in Sachsen-Anhalt war letztendlich eine Volksab-sHsBsdcWa6hdrnemdVfdnnIHnRgmJgSiHgdtiwdddIBhssgadsAb
ch kann den Steuerzahlern versichern, dass wir alsaushälter sehr genau darauf achten, dass kein Geld un-ütz ausgegeben wird. Ich unterstelle nichts. Aber in deregel finden wir die eine oder andere überflüssige Aus-abe. Wir werden die Vorschläge, die von Ihnen kom-en, gerne aufgreifen. Wenn ich aber die vergangenenahre Revue passieren lasse, bin ich nicht sehr positivestimmt. Nichtsdestotrotz bin ich für Vorschläge in derache offen.Der Punkt Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheitst bereits angesprochen worden. Unsere Priorität in denaushaltsberatungen ist, die im Haushalt vorgegebenenlobalen Minderausgaben zu reduzieren. Wir wollenie Wachstumskräfte und die Investitionstätigkeit zulas-en der konsumtiven Ausgaben stärken, wo es möglichst und in der Gesamtverantwortung darstellbar ist. Wirollen außerdem – das ist mir ein persönliches Anliegen –as Bund-Länder-Verhältnis, insbesondere die Verwen-ung der Solidarpaktmittel in den ostdeutschen Bun-esländern, unter die Lupe nehmen.
ch glaube, dass wir als Bundesgesetzgeber, der für denundeshaushalt verantwortlich ist, hier die Zügel anzie-en müssen. Wir müssen darauf achten, dass die ostdeut-chen Bundesländer die zur Verfügung gestellten Mittelo investieren, dass es dort bis 2019 eine sich selbst tra-ende wirtschaftliche Entwicklung gibt. Ich möchte positiv erwähnen: Wenn man den Jahres-bschluss 2005 der westdeutschen Flächenländer mitem der ostdeutschen Flächenländer vergleicht, danntellt man fest, dass es deutliche Unterschiede gibt. Dasusgabenwachstum in den ostdeutschen Flächenländerneträgt nur 0,4 Prozent und ist geringer als das in den
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Carsten Schneider
westdeutschen. Das heißt, dort gibt es bereits die Ein-sicht in die Notwendigkeit. Ich bin bestrebt, Reformbe-mühungen, sofern vorhanden, zu unterstützen und dort,wo es keine gibt, zu initiieren. Ich glaube, dass das not-wendig ist.Der Blick nach Europa offenbart für die Bundesrepu-blik Gutes. Der Ecofin-Rat hat das Stabilitätsprogramm,das die Bundesregierung unter Federführung von Fi-nanzminister Steinbrück nach Brüssel gemeldet hat,nicht nur zur Kenntnis genommen. Vielmehr sieht derRat die Haushaltsentwicklung des Jahres 2006 im Zu-sammenhang mit der des Jahres 2007.
Einer der entscheidenden Punkte ist, dass wir als diegrößte Volkswirtschaft Europas und als diejenigen, dieden Stabilitätspakt auf den Weg gebracht haben – die-sen halte ich für absolut notwendig und richtig –, denVorgaben genügen. Das heißt, dass wir im Jahr 2007 dieMaastrichtvorgaben erfüllen werden, zumindest was dieNeuverschuldung betrifft. Das gesamtstaatliche Defizitwird dann voraussichtlich 2,5 Prozent des Bruttoinlands-produkts betragen. Ich halte dies insbesondere deswegenfür wichtig, weil in anderen Ländern – viele sehenDeutschland in gewisser Weise als Leitindikator – dieDaumenschrauben angezogen werden müssen. Auch in-nerhalb der Europäischen Union muss klar sein, dassHaushaltskonsolidierung, das heißt eine zukunftsfähige,verantwortungsvolle Finanzpolitik, eine der Prioritätenist, für die die Bundesrepublik steht, für die dieSozialdemokraten stehen und allen voran FinanzministerPeer Steinbrück.Vielen Dank.
Das Wort hat Dr. Axel Troost, Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Manchmal habe ich den Eindruck, auf der Re-gierungsbank sitzt nicht ein Minister Steinbrück, son-dern dort sitzen zwei; der doppelte Steinbrück sozusa-gen. Steinbrück I sagt, wie in der Sonntagsausgabe der„FAZ“ zu lesen ist – ich zitiere –: „Man spart sich ausHaushaltsstrukturproblemen nicht heraus.“ Derselbe Mi-nister sagt auch: „Der Haushalt muss das noch labileWachstum stützen.“ Und im Monatsbericht seines Hau-ses vom letzten Dezember heißt es: „Die Konsolidie-rungslast muss solidarisch von allen in unserer Gesell-schaft getragen werden.“
Wenn ich das höre und lese, muss ich sagen: Weiter so,Herr Minister! Bei diesen Aussagen steht die Linksfrak-tion hinter Ihnen.
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60 Milliarden Euro jährlich, nicht 6 Milliarden Euro wä-ren geboten. So ist die Lage in unserem Land.
Aber es bleibt zweitens leider nicht bei der Kritik derMiniexpansion. Bezogen auf das laufende Jahr ist IhrHaushalt im Saldo gerade nicht expansiv, sondern res-triktiv. Ich verweise hier auf eine Analyse des Institutsfür Makroökonomie und Konjunkturforschung. Sie ha-ben nämlich Ihre Kürzungen vergessen, Herr Minister,wenn Sie von Expansion reden. Kürzungen bei denHartz-IV-Empfängern, Steuererhöhungen für Pendlerund Bezieher von Abfindungen, Kürzungen bei denNahverkehrspauschalen für die Länder, Kürzungen imöffentlichen Dienst, Beitragserhöhungen für Rentnerin-nen und Rentner. Das macht zusammen insgesamt4,5 Milliarden Euro.
Bei aller keynesianischen Rhetorik: Sie bleiben letztlichbei dem Schrumpfkurs Ihres Vorgängers. Dieser Kurs istaber gnadenlos gescheitert und bei der letzten Bundes-tagswahl gerade abgewählt worden.
Nun kommt im nächsten Jahr die Mehrwertsteuerer-höhung mit 15 bis 17 Milliarden Euro jährlich, die nochzusätzlich die Binnennachfrage belastet und – das wol-len wir nicht vergessen – in erster Linie auf Kosten derunteren Einkommensschichten geht, die immer noch dieHauptlast von Mehrwertsteuererhöhungen tragen müs-sen. Wir bleiben deshalb dabei: Unter dem Strich ist die-ser Haushalt kein Haushalt für Wachstum und Beschäfti-gung, sondern für Schrumpfung und Arbeitslosigkeit,ein Haushalt der sozialen Ungerechtigkeit.
Nun zum Thema Schulden. Die Staatsschulden inDeutschland haben 2005 das vierte Mal in Folge dieMaastrichtkriterien verletzt. Vermutlich wird es auchdieses Jahr wieder geschehen. Im vorliegenden Haushaltliegt die Neuverschuldung in der Tat um 65 Prozent überden Investitionen.Unsere Position hierzu ist klar: Wir lehnen dieMaastrichtkriterien ab. Sie sind ein Produkt monetaristi-scher Ideologie.
Sie sind, um mit Prodi zu sprechen, dumm und töricht.Sie wirken prozyklisch und sie widersprechenSKWBwbn1hktzVvwrSlsndt2ueHwSEuSVehtsbt
Die öffentlichen Investitionen sind mit gerade einmal,3 Prozent des BIP ein kümmerlicher Rest. Das ist einistorischer Tiefstand. So wie die Dinge bei uns stehen,ommen wir an einer Kreditfinanzierung solcher Investi-ionen nicht vorbei. Kreditfinanzierung ist für eine anti-yklische Finanzpolitik unverzichtbar. Abbau vonerschuldung über eine Spar-, Schrumpfungs- und Um-erteilungspolitik zulasten breiter Teile der Bevölkerungirkt ökonomisch verheerend.Das Problem bei der Verschuldung ist ein ganz ande-es: Unter Rot-Grün ist mit voller Zustimmung vonchwarz-Gelb – das wurde heute hier noch einmal deut-ich – die Verschuldung zur Lückenbüßerin für eine mas-ive Senkung der Steuerquote verkommen.
Klar wird damit, dass der Rückgang der Steuerquoteicht nur auf die schwache wirtschaftliche Entwicklunger vergangenen Jahre zurückzuführen ist, sondern ers-ens auf eine völlig verfehlte Steuersenkungspolitik seit000
nd zweitens auf die katastrophalen Wirkungen der Steu-rentlastungen zugunsten der Wirtschaft. Zur Erinnerung:ätten wir heute die Steuerquote des Jahres 2000, dannäre die nötige Neuverschuldung null. Auf Basis derteuerquote von 2000 hätte der Staat circa 65 Milliardenuro mehr. Das ist die ganze Wahrheit, meine Damennd Herren.
Insofern ist es ein Treppenwitz, jetzt das zu schwacheteuersubstrat zu beklagen. Das ist geradezu eine dreisteerhöhnung der Öffentlichkeit. Sie haben doch das Steu-rsubstrat verkommen lassen.
Schließlich ein Wort zu internationalen Zusammen-ängen: Die Wirkungen Ihres Haushalts lassen sich na-ürlich ohne die gesamtwirtschaftlichen und weltwirt-chaftlichen Zusammenhänge nicht angemesseneurteilen. Wir haben es heute weltweit mit einem quali-ativen Wandel des Kapitalismus zu tun. Der so genannte
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Dr. Axel Troostorganische oder organisierte Kapitalismus – bei uns auchDeutschland AG genannt – wird vom Finanzmarkt-kapitalismus abgelöst.
Wir haben es mit einer explosionsartigen Anhäufung pri-vater Vermögen und Anlage suchender Liquidität zu tun.Schätzungen besagen, dass weltweit inzwischen insge-samt 36 Billionen Euro, also 36 000 Milliarden Dollar,an privaten Finanzvermögen vorhanden sind.
– Nein.Dies ist natürlich ein Problem. Dafür gibt es dreiGründe: Erstens. Die Ausweitung der privaten Alters-sicherung bedeutet einen entsprechenden Zuwachs derPensionsfonds.
Zweitens. Die Umverteilungspolitik bewirkt einenAnstieg der Geldvermögen. Drittens. Es gibt unzurei-chende Verwertungsbedingungen, die ebenfalls zu ent-sprechenden Anlagen in Finanzkapital führen.
– So ist das, ja. Aber dann muss man sich darüber Ge-danken machen, welche Alternativen man bietet. Ichversuche gleich noch, das zu erklären.
Alles zusammen führt zu neuen Finanzierungsformender Unternehmensinvestitionen, weg vom Bankkredithin zu Aktien, Anleihen, Investmentfonds und privatenInvestmentfirmen, zur konsequenten Profitsteuerungsämtlicher Unternehmensbereiche.
Weltweit vorgegebene Renditeziele werden zum ent-scheidenden Bezugspunkt der Unternehmensentschei-dungen. Das „Durchregieren“ immer flatterhafterer Fi-nanzmärkte in die nationalen Ökonomien, in einzelneUnternehmen und Unternehmensteile führt zu wachsen-der Abhängigkeit von spekulativen Entwicklungen derAbsatz- und Finanzkonjunkturen. Die Folge sind immerkurzfristigere Ad-hoc-Reaktionen des Managements.Strategische Planung wird zur Nebensache.Folge ist die Unterwerfung der Unternehmensführun-gen unter das Diktat der Finanzvorstände und nicht zu-letzt die Explosion der Managergehälter, die 1980 nochdas 40fache des Facharbeitergehaltes ausmachten, in2003 aber sage und schreibe das 400fache.
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Ich komme zum Schluss. Herr Fischer hat auf einerovokante Frage von Delegierten auf einem Verdi-Kon-ress mit einer Gegenfrage geantwortet: Wollt ihr etwaine Politik gegen das internationale Finanzkapitalachen? Diese Frage beantworten wir eindeutig: Ja, ge-au das wollen wir.
ir wollen es, weil es gar keine andere Wahl gibt. Dieenschen sind immer weniger bereit, sich zur Geisel derenditeansprüche der Vermögensbesitzer und der Ver-rmung der öffentlichen Hand zu machen.
Genau das zeigen die Streiks im öffentlichen Dienst,er Kampf bei AEG, der Widerstand gegen Privatisie-ungen, die Proteste der sozialen Bewegungen. Sie las-en dies alles einfach so weiterlaufen. Wir sind in der Tater Ansicht: Hier muss eingegriffen werden. Wir wollenit dafür sorgen, dass die Gewerkschaften, dass die so-ialen Bewegungen mit unserer Fraktion wieder einprachrohr haben, um gegen diese Entwicklungen ein-uschreiten.Danke schön.
Das Wort hat der Herr Kollege Georg Fahrenschon,
DU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnennd Kollegen! Wenn man den Finanzplan 2002 bis 2006ur Grundlage der heutigen Debatte gemacht hätte, dannäre der Bundeshaushalt im Jahre 2006 eigentlich einberaus positives Signal gewesen, und zwar einerseitsür den Standort Deutschland und andererseits insbeson-ere für die junge Generation; denn ursprünglich – soaren die Planungen von Rot-Grün – sollte dasahr 2006 das Jahr sein, in dem der Bund erstmals wie-er ohne neue Schulden auskommt.
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Georg FahrenschonDass diese rot-grünen Planungen völlig aus dem Ruderliefen, beweist unsere heutige Situation. Es ist nicht nurso, dass wir 2006 keine Null-Neuverschuldung errei-chen, sondern auch so, dass der Bund dasHaushaltsjahr 2005 im Ist mit einer historisch hohenNeuverschuldung von 31,2 Milliarden Euro abschloss.Es bedarf größter Anstrengungen, den Haushalt 2006überhaupt zu organisieren. Das ist – so viel gehört zumStichwort „Klarheit und Wahrheit“ auch bei der Einbrin-gung des Bundeshaushalts 2006 gesagt – die Schlussbi-lanz der rot-grünen Vorgängerregierung.
Der Bundesetat befindet sich in einer dramatischenSchieflage, in der dramatischsten der Nachkriegsge-schichte. In den vergangenen sieben Jahren wurden ins-gesamt 200 Milliarden Euro neue Schulden gemacht.Das strukturelle Defizit, also die ständige Differenzzwischen den regelmäßigen Einnahmen und den Ausga-ben, liegt bei rund 60 Milliarden Euro. Die Zinszahlun-gen auf Schulden des Bundes sind mittlerweile derzweitgrößte Posten bei den Staatsausgaben Deutschlandsgeworden und machen damit 15 Prozent aller Ausgabendes Bundeshaushalts aus. Die Summe der Ausgabenfür Soziales, Zinsen und Personal allein liegt schondeutlich über den Steuereinnahmen der BundesrepublikDeutschland. 198 Milliarden Euro müssen wir oder wol-len wir für Soziales, Zinsen und Personal ausgeben, wirhaben aber nur noch Steuereinnahmen von 192 Milliar-den Euro. Im Gegenzug wurden 2005 für Investitionennur noch 23 Milliarden Euro ausgegeben. Das sind weni-ger als 10 Prozent des Ausgabenvolumens.Das Fazit, die bittere Wahrheit, lautet deshalb: Ers-tens. Die Investitionsquote befindet sich auf einem histo-rischen Tiefstand. Zweitens. Jeden fünften Euro, den derBund heute ausgibt, hat er eigentlich gar nicht.
Drittens. Der wirtschaftspolitische Handlungsspielraumist mittlerweile auf ein Minimum reduziert.
Das muss uns schon zum Nachdenken bringen.
Wer die Steuereinnahmen allein für Zinsen, Personal undlangfristige gesetzliche Verpflichtungen ausgeben muss,der kann den Auftrag des Wählers zur aktuellen Politik-gestaltung nicht mehr erfüllen. Uns muss klar sein, dassdas Haushaltsproblem mittelfristig zu einem Demokra-tieproblem werden kann. Das ist die finanzpolitische Re-alität. Das ist die bittere Schlussbilanz der RegierungSchröder.
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eil wir dringend wirtschaftliches Wachstum brauchen,ur deshalb liegt die Nettokreditaufnahme 2006 mitund 38 Milliarden Euro deutlich über der Grenze, dieas Grundgesetz als Regel vorgibt.
Denn man muss sich damit auseinander setzen, dassan den aufkeimenden Aufschwung und das ge-ünschte gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht nicht ka-uttmacht. Aus dem Grunde gehen wir absolut sachge-echt im Rahmen des Grundgesetzes vor. Wir nehmenür das Jahr 2006 die Ausnahmeregelung des Grund-esetzes in Anspruch, um 2007 – das ist die Argumenta-ion – einerseits den Vertrag von Maastricht und anderer-eits die Vorgabe des Art. 115 Grundgesetz einhalten zuönnen.
Eine weitere bittere Wahrheit ist, dass die aktuelletruktur des Bundeshaushalts, zum Beispiel die hoheozialausgabenquote mit rund 134 Milliarden Eurodas ist in etwa die Hälfte der für das Jahr 2006 geplan-en Ausgaben –, absolut nicht zufrieden stellend ist. Zu-ammen mit Zinsen und Personalausgaben sind bereitsrei Viertel der Bundesausgaben als konsumtive Ausga-en gebunden. Im Ergebnis bedeutet das, dass wir kei-erlei Spielraum mehr für Zukunftspolitik haben. Vorem Hintergrund kommen wir an einer – nicht zufriedentellenden, aber finanzpolitisch notwendigen – Erhö-ung der Mehrwertsteuer nicht vorbei.Dabei muss es allerdings gerecht zugehen. Keiner sollnnötig und übermäßig belastet werden. Aus dem Grundst es unbedingt notwendig, dass wir zum Beispiel dieorsteuerpauschale für land- und forstwirtschaftli-he Betriebe entsprechend der 3-prozentigen Mehrwert-teuererhöhung anpassen.
ie CSU-Landesgruppe wird sich im weiteren Verlaufer Haushaltsberatungen insbesondere dafür einsetzen.
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Georg FahrenschonDer Haushalt 2006 und der Finanzplan bis 2009 sindder in Zahlen gegossene Fahrplan der großen Koalitionzur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Ichversichere Ihnen: CDU und CSU werden es gemeinsammit den Kollegen von der SPD schaffen, dass wir ab demBundeshaushalt 2007 die Regelgrenze der Neuverschul-dung nach Art. 115 des Grundgesetzes und den Stabili-tätspakt wieder einhalten werden.Wir dürfen dabei jedoch nicht vergessen, dass das einschwieriger Weg sein wird. Der Koalitionsvertrag gibthierfür eine klare, dreistufige Marschroute vor: Erstens.Auf der Ausgabenseite werden Einsparungen im öf-fentlichen Dienst, in der Bundesverwaltung und imBereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende vorge-nommen. Zweitens schließt sich dem ein spürbarer Ab-bau von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen an.Drittens ist im darauf folgenden Schritt eine sozial ver-tretbare Erhöhung der Einnahmen vorgesehen, wobeiam ermäßigten Satz der Umsatzsteuer nicht gerütteltwird.Die Bewältigung der zweigeteilten Operation – Kon-solidierung einerseits und Erhöhung der Investitions-quote andererseits – bedarf dauerhafter wirtschaftlicherErholung. Nur ein langfristig höheres Wirtschafts-wachstum aktiviert wieder die entscheidenden Hebeldes Wirtschaftsmotors Deutschlands: Durch ein höheresWirtschaftswachstum entstehen dauerhaft mehr Arbeits-plätze. Mit jedem neuen Arbeitsplatz sinken die Ausga-ben für den Arbeitsmarkt. Mit jedem neuen Beitragszah-ler steigen die Einnahmen in den Kassen der sozialenSicherungssysteme. Last, but not least steigt mit jedemneuen Arbeitsplatz natürlich auch das Steueraufkommenfür Bund, Länder und Gemeinden.
Um Investitionen in Deutschland wieder zu entfa-chen, ist neben der Aufstellung des Bundeshaushalts dieReform der Unternehmensbesteuerung von zentralerBedeutung. Die Belastung der unternehmerischen Ein-künfte ist im internationalen Vergleich zu hoch. Diedurchschnittliche Steuerbelastung für Kapitalgesell-schaften liegt in der Europäischen Union bei rund25 Prozent; in Deutschland liegt sie derzeit bei etwa39 Prozent. Damit unsere Unternehmen auch weiterhininternational wettbewerbsfähig bleiben, ist es daher nö-tig, die steuerliche Belastung ihrer Einkünfte deutlich zusenken. Zielmarke dabei ist eine Ertragsteuerbelastungvon höchstens 30 Prozent. Dies wird die große Koalitionmit einer umfassenden Unternehmensteuerreform ange-hen und damit einen weiteren wirtschaftlich wichtigenImpuls für die deutschen Unternehmerinnen und Unter-nehmer geben.
Insbesondere vor dem Hintergrund, dass jährlich füreine große Anzahl von Unternehmen der Generations-wechsel ansteht, wurde im Koalitionsvertrag zusätzlichdie Reform der Erbschaftsteuer spätestens zum 1. Ja-nuar 2007 vereinbart. Ich bedanke mich an dieser Stellebeim Bundesfinanzminister für seine klaren Zusagen,ddem6dMtErzsFdshdnnhadDvSuJWnrEOHw
ir müssen die Haushaltsberatungen dazu nutzen, in ei-em ersten Schritt die geplante Nettokreditaufnahme zueduzieren. Wir werden jede Möglichkeit dazu nutzen.s bleibt viel zu tun.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Jörg-
tto Spiller.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Kollege Fahrenschon, ich finde es gut, dassir in einer großen Koalition sind.
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Jörg-Otto SpillerDenn das trägt dazu bei, dass sich auch Ihre Fraktion derfinanziellen Wirklichkeit erheblich angenährt hat, auchwenn sich das nicht in jedem Redebeitrag wiederfindet.
Ich finde es auch hervorragend, dass auf der Bundes-ratsseite die Weisheit erheblich zugenommen hat,
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Ja, das sieht man! – Weiterer Zuruf: Da ist garkeiner!)seit die Länder nicht mehr durch die Parteidisziplin da-von abgehalten werden, eigenen Interessen mehr Ge-wicht zu geben und auch auf die Stabilisierung ihrer Ein-nahmen zu achten. Insgesamt ist das ein gutes Ergebnis.Im Rahmen der laufenden Einnahmen haben derBund und die Länder gleichmäßig Anspruch aufDeckung ihrer notwendigen Ausgaben … Die De-ckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder sindso aufeinander abzustimmen, dass ein billiger Aus-gleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflich-tigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebens-verhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird.So steht es in Art. 106 des Grundgesetzes.Es ist selten, dass über den finanziellen Bedarf unse-res Gemeinwesens so viel in den Debatten gesprochenwird. Beliebter ist natürlich die Frage, wie man eineÜberbelastung der Steuerbürger vermeiden kann.Herr Kollege Dr. Solms, das ist Ihr Spezialgebiet. Mitdiesem Thema beschäftigt man sich auch in vielen Talk-shows. Aber die eigentlich aktuelle Frage lautet: Wiekommen wir zu einer Stabilisierung der Einnahmen un-seres Gemeinwesens insgesamt, also des Bundes, derLänder und der Gemeinden?
Dies ist notwendig, damit dieser Staat handlungsfähigbleibt und seine Aufgaben erfüllen kann, damit erSozialstaat bleibt und damit er ein guter Standort für Un-ternehmen ist, die im Wettbewerb stehen.Wir haben in den vergangenen fünf Jahren beim Ab-bau von teilweise als übermäßig empfundenen Belastun-gen der Steuerbürger Großes geleistet. Es ist bei der Ein-kommensteuer – querbeet durch die Gesellschaft, alsofür Arbeitnehmer, Selbstständige und mittelständischeUnternehmen – eine deutliche Entlastung erreicht wor-den. In ähnlicher Weise gilt das auch für die Kapitalge-sellschaften.Ich erinnere daran, dass der Eingangssteuersatz beider Einkommensteuer 1998 bei 25,9 Prozent lag. Heuteliegt er bei 15 Prozent. Der Spitzensteuersatz lag damalsbei 53 Prozent. Er liegt heute bei 42 Prozent. Die Grund-freibeträge und andere Freibeträge sind deutlich angeho-ben worden und die Gewerbesteuer – das ist für diemittelständischen Unternehmen, die als Personenunter-nehmen geführt werden, besonders wichtig – ist mit derEinkommensteuerschuld verrechenbar, was eine wirk-lich massive Entlastung des Mittelstandes bewirkt hat.Da5pMpwcuwdtBseawlwgdErnke3tSkleMghEauusgft
as wollten wir. Herr Dr. Troost, es gab für diese Politikuch gute Gründe. Denn der Spitzensteuersatz von3 Prozent ist faktisch von so gut wie keinem einzigenrivaten Haushalt gezahlt worden. Es gab genügendöglichkeiten, durch Steuersparmodelle seine Steuer-flicht sogar legal zu vermindern. Tatsächlich gezahlturde der Spitzensteuersatz eigentlich nur von ertragrei-hen Personenunternehmen. Die wollten wir entlastennd die haben wir entlastet.
Wir haben gleichzeitig etwas gemacht, was überfälligar: Wir haben Steuerschlupflöcher dicht oder zumin-est deutlich enger gemacht. Wir haben durch diese Poli-ik erreicht, dass der Tarif wieder Gültigkeit hat. Einlick auf die Entwicklung der veranlagten Einkommen-teuer belegt das. Leider ist die amtliche Steuerstatistikher verwirrend als erhellend, weil in Bezug auf die ver-nlagte Einkommensteuer immer nur Salden mitgeteilterden. In der Statistik wird nämlich nicht die veran-agte Einkommensteuer erfasst, die tatsächlich gezahltorden ist. Vielmehr werden alle Lohnsteuererstattun-en, die Eigenheimzulage und die Investitionszulagen,ie Personenunternehmen zufließen, abgezogen. Amnde kommt dann ein erstaunlich niedriger Betrag he-aus.Ich habe mir einmal die Mühe gemacht, die unberei-igten Zahlen, die Bruttozahlen, das tatsächliche Auf-ommen bei der veranlagten Einkommensteuer zurrechnen. 1998 betrug es 31 Milliarden, 2005 fast9 Milliarden. Trotz der Senkung des Satzes ist ein kräf-iger Anstieg des Aufkommens festzustellen, weil diechlupflöcher zugemacht worden sind.Wir hätten in dieser Richtung noch mehr erreichenönnen. Die Fantasie der Erfinder von Steuersparmodel-en ist – das ist leider so – nahezu unerschöpflich. Da istin Stück Wettlauf dabei. Manchmal ist das wie bei demärchen vom Hasen und dem Igel. Wir wären schnellerewesen, wenn der Bundesrat nicht so häufig blockiertätte.
s ist ein großer Vorteil der großen Koalition, dass wirn einem Strang ziehen, dieselbe Richtung verfolgennd uns von Vernunft leiten lassen
nd nicht von Streitsucht.Wir hatten, so finde ich, im Dezember 2005 einenehr guten Einstieg. Wir haben damals die ersten Finanz-esetze verabschiedet. Das war zum einen der endlichällige Abbau der Eigenheimzulage, der vom Bundes-ag längst beschlossen war.
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Jörg-Otto Spiller– Der möge Ihnen bewahrt bleiben. Ich hoffe, dass er Ih-nen gut tut.Zum anderen haben wir im Dezember etwas gemacht,was auch überfällig war: Wir haben die ausuferndenbzw. wuchernden Steuerstundungsmodelle im Bereichder Medienfonds und Umgebung – leider hat Herr Trittinein bisschen gebremst – ausgetrocknet. Auch das war eingroßer Vorteil. Wir nähern uns unserer Verpflichtung,dafür zu sorgen, dass die öffentliche Hand das Geld be-kommt, das sie für die Erfüllung der öffentlichen Aufga-ben braucht.
Das passt ganz schön zu meinem nächsten Punkt. Esist mehrfach darauf hingewiesen worden, dass wir eineder niedrigsten Steuerquoten in Europa haben. Sie be-trug im Jahr 2005 20,1 Prozent. Damit ist unsere Steuer-quote niedriger als die Steuerquote in der Schweiz, in Ir-land, in Österreich oder in Luxemburg. Ich zögeremanchmal, das einfach so im Raum stehen zu lassen;denn bei Diskussionen erlebe ich gelegentlich, dass ge-sagt wird: Wenn die Steuerbelastung in der Volkswirt-schaft insgesamt 20 Prozent beträgt, dann mache ichvielleicht etwas falsch. Meine Steuerbelastung ist we-sentlich höher. – Diese Aussage ist legitim.
– Es geht nicht um den Steuerberater, Herr Kollege. – Esist unsere Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Durchlöche-rung des Steuerrechts aufhört. Dabei müssen aber nichtnur beim Steuerrecht die Lücken geschlossen werden,sondern auch beim Vollzug des Rechtes.
Ich will jetzt nicht die ganze Palette dessen, was wün-schenswert und erforderlich ist, aufzählen. Eines aberkann ich mir nicht verkneifen. Es ist kein Ruhmesblattdes deutschen Föderalismus, dass es die 16 Landes-finanzverwaltungen in den letzten 20 Jahren nicht ge-schafft haben, ein einheitliches EDV-System einzurich-ten.
Wir werden beim Abbau ungerechtfertigter Steuersub-ventionen weiter voranschreiten müssen. Wir müssen mitBlick auf die Handlungsfähigkeit des Staates – nichtnur, aber auch des Bundes – altbekannte Vergünstigun-gen auf den Prüfstand stellen.Ich glaube, dass in diesem Hause und auch in weitenTeilen der Gesellschaft Konsens darüber besteht, dassdie Zukunft unseres Landes zu einem guten Teil dadurchbestimmt werden wird, ob es uns gelingt, auf zwei Fel-dern erfolgreich zu operieren. Bildung, Wissenschaft,Forschung und Innovation stellen das eine Feld dar,die Vereinbarkeit von Beruf und Familie das andere.Auf dem zweiten Feld haben wir im Rahmen der Steuer-gesetzgebung gerade etwas sehr Vernünftiges beschlos-sen. Bezüglich des ersten Feldes lasse ich einmal dahin-gzSSGmndMEnddbWiAwBwdEwvDnDgbfndIbalzgDFdsDs
as ist deswegen so pikant, weil deren Konjunkturpro-ramm insbesondere in umfangreichen Rüstungsausga-en besteht; aber das müssen wir vielleicht nicht vertie-en.
Bei der FDP – das ist Tradition, das werfe ich Ihnenicht vor – ist die Hoffnung sehr groß, dass man durchie Rücknahme des Staates sehr viel erreicht.
hnen empfehle ich die Lektüre des jüngsten Bundes-ankberichts. Es wird ja, was auch verständlich ist, gernus dem Kurzbericht zitiert, weil er sich leichter lesenässt. Darin gibt es auch ein paar kritische Anmerkungenur Koalition, zum Finanzminister und zum Haushalts-esetzgeber.
arüber hinaus steht darin aber auch etwas, was für dieDP hoch spannend wäre: eine sehr sorgfältige Analyseer Entwicklung von Einnahmen und Ausgaben im Ge-amtstaat.
iese Analyse spricht dafür, dass unser Problem im We-entlichen ein Einnahme-, nicht ein Ausgabeproblem ist.
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Jörg-Otto Spiller
Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zu ei-nem wichtigen Vorhaben machen, das auch jenseits derFinanzpolitik im engeren Sinne von großer Bedeutungist, weil es auf die wirtschaftliche Entwicklung aus-strahlt: die Unternehmensteuerreform. Wir haben sienicht erst im Koalitionsvertrag festgelegt; die Grundideedazu gab es schon ein Jahr vorher. Bereits im März 2005gab es die Verabredung, die Unternehmensteuersätze zusenken, um die internationale Wettbewerbsfähigkeitdes Standortes zu stärken.Inzwischen gibt es zusätzliche Ideen, wie man die Re-form ausgestalten kann. Die Stiftung Marktwirtschaft,der Sachverständigenrat und auch andere haben sich zuWort gemeldet. Der Sachverständigenrat ist dazu auchausdrücklich ermuntert worden. Ich finde alle Vor-schläge sehr bedenkenswert, und man wird sie sorgfältigprüfen müssen. Das Ei des Kolumbus jedoch habe ich,offen gestanden, noch nicht entdeckt.Es gibt insbesondere einen Punkt, den man nicht soschnell beiseite schieben kann. Es wird nicht möglichsein, Steuermindereinnahmen in Höhe von 10 oder20 Milliarden Euro einfach hinzunehmen, wie uns Sach-verständige und Stiftung Marktwirtschaft schmackhaftmachen wollen. Irgendjemand muss auch die Miete fürden Elfenbeinturm bezahlen. Das Beiseiteschieben wirdnicht funktionieren.
Wir werden im vorgegebenen Zeitrahmen eine Unter-nehmensteuerreform machen, die sich nicht nur an denZielen Attraktivität des Standortes, weitestgehendeRechtsformneutralität und ausreichende Finanzierungder Gemeinden durch eine wirtschaftskraftbezogene Ge-meindesteuer mit Hebesatzrecht – wir wollen das Inte-resse der Gemeinden am Gewerbe erhalten – orientierenwird. Wir werden darüber hinaus darauf zu achten ha-ben, dass die Einnahmen, die aus der Unternehmensbe-steuerung erzielt werden, ein angemessener Preis für dieBereitstellung eines guten Standortes sind. Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen. Das gilt in beideRichtungen; denn es wäre uns nicht geholfen, wenn wirnur die Einnahmen senkten, nicht aber die Qualität desStandortes aufrechterhalten könnten.Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit hängt auch da-von ab, dass die staatlichen Aufgaben erfüllt werden unddie öffentlichen Infrastrukturen in Ordnung sind odernach Möglichkeit verbessert werden.
Das Wort hat nun für die CDU/CSU-Fraktion der
Kollege Jochen-Konrad Fromme.
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in Teil unserer Probleme rührt nämlich daher, dass wirür die Folgen von 40 Jahren Kommunismus bezahlenüssen.Entscheidend ist jedoch nicht die Staatsquote – da-über müssen wir uns im Klaren sein –, sondern diebgabenquote. Das ist das, was die öffentliche Handusgibt. Alles, was die öffentliche Hand ausgibt, mussrst eingenommen werden. Da wir in Deutschland alsand ohne Rohstoffe von dem leben, was wir anderenerkaufen, heißt das: Alle Kosten, die der Staat produ-iert, müssen auf die Preise aufgeschlagen werden. Diesehindert uns, wenn es zu viel wird. Deswegen muss dietaats- und Abgabenquote sinken. Das muss ein Kernnserer Politik sein. Das müssen wir uns immer wiederergegenwärtigen.
So wie wir in den letzten Jahren, und zwar nicht nurn den letzten sieben – die waren besonders schlimm –,earbeitet haben, können wir nicht weitermachen, weilir immer mehr ausgegeben als eingenommen haben.innahmen und Ausgaben müssen in Einklang gebrachterden.So einfach ist das aber nicht. Natürlich hätten auchir lieber – das sage ich an die Adresse der Grünen under FDP – schneller konsolidiert und die Schulden he-untergefahren. Man muss sich aber die Blöcke im Haus-alt verdeutlichen, um zu sehen, welche Möglichkeitenan hat:
on Ausgaben in Höhe von circa 250 Milliarden Eurowenn ich die Durchbuchung eines Mehrwertsteuer-unktes abziehe – entfallen 80 Milliarden Euro auf dieente, 40 Milliarden Euro auf Zinsen, 24 Milliardenuro auf die Verteidigung und 8,5 Milliarden Euro aufie Versorgung. Das heißt, es sind bereits circa 150 Mil-iarden Euro in Blöcken festgelegt, die man nur langfris-
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Jochen-Konrad Frommetig verändern kann. Wenn man konsolidieren will unddie nicht von vornherein festgelegten Ausgaben in Höhevon 100 Milliarden Euro – das ist die Differenz – um60 Milliarden Euro verringern will, dann geht das nichtvon heute auf morgen, sondern nur durch den Einstieg inein richtiges System.Darum geht es: Auf Dauer sind nur gesunde Staats-finanzen ein gutes Fundament für eine starke Konjunk-tur. All die Länder, deren Haushalte in Ordnung sind,stehen wirtschaftspolitisch besser da als die anderen. Ge-sunde Staatsfinanzen müssen unser Ziel sein. Wir wer-den es aber nur mittelfristig erreichen können.Klar ist, dass sich jede Veränderung auch auf dieNachfrageseite auswirkt. Deswegen ist Konsolidierungimmer ein Spagat: Auf der einen Seite müssen Fort-schritte bei der Konsolidierung gemacht und auf der an-deren Seite darf die Binnenkonjunktur nicht kaputt ge-macht werden. Man muss das richtige Gleichgewichtfinden. Dieser Spagat ist kompliziert, aber machbar. Daswissen wir aus eigener Erfahrung. Das haben wir in denJahren 1982 bis 1989 schon einmal bewiesen, wo wir dieStaatsquote gesenkt haben. Wir hatten 1989, vor derWiedervereinigung, die niedrigste Staatsquote seit vielenJahrzehnten. Deswegen ging es uns 1989 so gut. Übri-gens war das das Fundament, auf dem wir die Wieder-vereinigung überhaupt nur verkraften konnten.
Das müssen wir wiederholen. Wir müssen aber scharfdarauf achten, wo es langgeht. Diese Haushaltskonsoli-dierung ist ein Ritt auf der Rasierklinge.
Ich habe gehört, dass wir Mehreinnahmen zu erwar-ten haben, weil die Wirtschaft besser läuft; darüberfreuen wir uns. Wir müssen aber aufpassen, dass nichtdie ersten kommen und sagen: „Wir brauchen doch garnichts zu verändern, das Problem löst sich ja von al-leine.“ Das ist nicht so. Das ist nämlich eine konjunktu-relle Veränderung; wir brauchen aber eine strukturelleVeränderung.
Deswegen rate ich all denjenigen, die darüber nach-denken, wie man mehr Geld ausgeben kann, sehr zurVorsicht. Wir müssen zunächst weniger Geld ausgeben.Ich sage einmal Folgendes an die Populisten gerich-tet: Natürlich, wer möchte Kindertagesstätten nichtkostenlos haben? Ich frage mich aber, ob das der richtigeWeg ist. Denn bei den Studiengebühren überlegen wiruns gerade den strukturell anderen Weg.
Wir können das Geld doch nur dann ausgeben, wenn wires haben. Wenn wir jetzt aus populistischen Gründen dieKindertagesstättenbeiträge für die Eltern abschaffen,aber das Geld dafür nicht in den Haushalten haben, dannschadet das der Qualität der Kindertagesstätten. Genaudas wollen wir nicht. Denn wir sind uns doch einig, dassdjDSLihedvTpsmdvwSMEdabnbveWttWw2ksllfklGmIA
eswegen gibt es zur Konsolidierung und Sanierung destaatshaushaltes keine Alternative.Wenn so getan wird, als ob es erst jetzt nach denandtagswahlen mit den Reformen losgehe, dann kannch dazu nur sagen: Da muss jemand etwas verschlafenaben. Wir haben jede Menge Gesetze in den Bundestagingebracht, beraten und beschlossen, die schon Verän-erungen bewirkt haben. Natürlich weiß jeder, dass manor komplizierten Wahlen manche Dinge nicht auf dieagesordnung setzt. Das heißt aber nicht, dass nichtsassiert ist. Es ist viel passiert. Wir haben drei große Ge-etzentwürfe eingebracht und einer der nächsten Schritteuss die Unternehmensteuerreform sein. Wir müssenie Bedingungen für das Arbeiten und das Wirtschaftenerbessern.
Übrigens reicht der Jobgipfel nicht aus, wenn wirirklich nachhaltige Verbesserungen erreichen wollen.Es geht um zwei Dinge. Es geht zum einen um dietruktur der Abgaben und es geht zum anderen um dieenge der Abgaben. Wir können im Augenblick bei derntlastung nur langsam vorwärts gehen. Das darf uns je-och überhaupt nicht davon entheben, die Strukturfragennzupacken und zu lösen. Man muss nur die Stellschrau-en anders drehen, sodass man am Ende Aufkommens-eutralität oder das gewünschte Entlastungsergebnisekommt. Man darf nicht nachlassen, über die Struktur-eränderungen zu reden und diese auch umzusetzen.Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit der Steu-rreform ist der Bürokratieabbau. Es ist doch einahnsinn, dass wir vonseiten des Staates und der Be-riebe in Deutschland 23 Milliarden Euro für die Verwal-ung der Steuern ausgeben.
enn wir es schaffen würden, diesen Verwaltungsauf-and durch Veränderungen der Strukturen um lediglich0 Prozent zu verringern, wäre das mehr als eine Sen-ung der Steuersätze um 3 oder 4 Prozent. Darum müs-en wir uns bemühen.
Deswegen sehe ich die Vorschläge, die auf dem Tischiegen – ganz anders als mein Kollege Spiller –, als wirk-ich gute Anregung. Darin kann man vieles finden. Ichordere alle Beteiligten auf, konstruktiv daran mitzuwir-en. Es kann nicht angehen – ich sage das ganz deut-ich –, dass wir uns wegen einer Blockade bei denemeindesteuern dieses wichtigen Themas nicht anneh-en.
ch sage den Kommunen von dieser Stelle: Das, was imugenblick auf dem Tisch liegt, hat Qualität; das hat es
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Jochen-Konrad Frommeso noch nicht gegeben. Wir hätten eine viel breitere undbessere Streuung der Bemessungsgrundlagen. Daswürde zu einer besseren Verteilung der Steuern und zuviel mehr Stabilität führen und trotzdem würden die He-besätze beibehalten. Nicht umsonst hat der Sachverstän-digenrat – er wurde immerhin von der Vorgängerregie-rung personell maßgeblich bestimmt – gesagt: Das istrichtig. Deswegen lassen Sie uns an diesem Punkt kon-struktiv arbeiten. Ich glaube, es ist ganz wichtig, dasswir da die Strukturen verändern.
So schön für die mittelständischen Betriebe die Ver-rechnung der Gewerbesteuer ist: Es ist doch ein Wahn-sinn, dass wir mit riesigem Aufwand eine Steuer feststel-len, die wir dann wieder zurückzahlen.
Zwei Senate beim Bundesfinanzhof beschäftigen sichmit der Abgrenzung von Gewerbe und Nichtgewerbe.Dieses Thema kann man auch anders und mit wenigerBürokratie zum Wohle aller lösen.
Ich freue mich, dass wir jetzt möglicherweise besserdastehen, als wir es geplant haben. Denn wir sind jetztmit dem, was wir in die Haushaltsentwürfe schreiben,vorsichtig. Es ist doch besser, wenn am Ende etwasübrig bleibt und wir weniger Kredite aufnehmen müs-sen, als wenn wir uns etwas vorlügen und am Endeschlechter dastehen. Deswegen ist es der richtige Weg,dass hier jetzt Realismus eingetreten ist – der Finanzmi-nister hat es heute Morgen so erklärt – und wir bei derVeranschlagung ganz vorsichtig sind.Natürlich könnte man noch mehr einsparen, wennman nachhaltigen Subventionsabbau betreiben könnte.Aber wie hoch sind denn eigentlich die Subventionen?Nach Aussagen des Kieler Instituts für Weltwirtschaftbetragen sie 170 Milliarden Euro, andere sprechen von50 bis 60 Milliarden Euro. So einfach ist das Themanicht, dass man sozusagen mit einem Federstrich dieDinge erledigen könnte. Es wäre schön, wenn wirschneller vorwärts kämen. Aber es geht eben nur in klei-nen, aber sicheren und sorgfältigen Schritten.Natürlich gibt es auch Dinge, die man sofort machenkönnte. Dafür haben wir aber keine Mehrheit gefunden.Jedem ist zum Beispiel klar, dass es sich bei der Steuer-freiheit der Nacht- und Feiertagszuschläge um eineSubvention handelt. Für ihre Abschaffung hat es aberkeine Mehrheit gegeben. Also können wir hier nichtstun. Man sollte sich daher nicht aufplustern und sagen,wir würden nicht alles, was möglich sei, unternehmen.Wir brauchen auch Mehrheiten.Natürlich kann man fordern, dass Großprojekte ge-strichen werden. Aber wenn wir weniger Eurofighter be-stellen, müssen wir eine Konventionalstrafe zahlen. Un-ter dem Strich müssten wir also den gleichen Betragzahlen. Deswegen ist das alles nicht so einfach.
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ondern wir müssen aufpassen, dass alles, was wir tun,n ein Gesamtkonzept passt. Dieses Gesamtkonzeptuss am Ende dazu führen, dass die Struktur des Haus-alts verbessert wird. Das ist der einzige Weg, um aufauer mehr Arbeit und Beschäftigung zu schaffen undie Verhältnisse in Deutschland zu verbessern. Ich ladeie alle herzlich ein, uns auf diesem Weg zu folgen.
In der allgemeinen Finanzdebatte liegen nun keineeiteren Wortmeldungen mehr vor.
Interfraktionell wird die Überweisung des Haushalts-egleitgesetzes 2006 auf Drucksache 16/752 an die iner Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-en. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe, das ister Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-inisteriums für Bildung und Forschung, Einzel-lan 30. Das Wort hat für die Bundesregierung die Bun-esministerin Frau Dr. Annette Schavan.
Dr. Annette Schavan, Bundesministerin für Bil-ung und Forschung:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Deutschland soll sich zu ei-er Talentschmiede entwickeln. Das ist unser Weg zuricherung der Zukunftschancen der jungen Generation.as ist die Voraussetzung für innovative Entwicklun-en in Deutschland.
Bei Bildung und Forschung. –
as ist die Quelle künftigen Wohlstands.
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Bundesministerin Dr. Annette Schavan
Bis zum Jahr 2010 – so haben wir es in der neuenBundesregierung vereinbart und auch die entsprechen-den Weichen gestellt – wollen wir bei Wachstum, Be-schäftigung und Investitionen in Forschung und Ent-wicklung wieder unter die besten drei in Europakommen. Wir bauen auf Spitzenforschung, auf Exzel-lenz, auf Ideenreichtum und auf ein Bündnis für guteBildung und Ausbildung, die an internationalen Maßstä-ben orientiert ist. Wir sind davon überzeugt, dass dieKreativität der Menschen, die in unserem Land leben, ar-beiten und forschen, das Fundament für die Zukunftsper-spektiven unseres Landes und für die Zukunftschancender jungen Generation ist.
Mit dem Haushalt 2006 setzen wir ein klares Signal.Der Plafond des Einzelplans meines Hauses steigt ge-genüber dem Haushalt 2005 um 5,6 Prozent. Schon jetztlässt sich für diese Legislaturperiode sagen: Nie zuvorhat eine Bundesregierung so viel in Forschung und Ent-wicklung investiert.
Diese Steigerung um 5,6 Prozent gegenüber dem ver-gangenen Jahr entspricht einem Plus von fast 430 Millio-nen Euro. Davon wird vor allem die Projektförderungprofitieren. Dieser Bereich ist uns wichtig, weil von derProjektförderung eine Hebelwirkung ausgeht. Wir wis-sen, dass jeder vom Staat investierte Euro, der mobili-siert wird, weitere Euro von der Privatwirtschaft gene-riert. Allein in der Projektförderung erhöhen wir dieMittel gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent.
Wir wissen: Langfristig werden wissensintensiveDienstleistungen und Produkte der Spitzentechnik daswirtschaftliche Wachstum und den Wohlstand unsererGesellschaft bestimmen. Das war der Grund dafür – derFinanzminister hat das heute Morgen ja bereits ange-sprochen –, dass wir ein einzigartiges Investitionspro-gramm aufgelegt haben. Von den 25 Milliarden Eurodieses Investitionsprogramms für mehr Wachstumund Beschäftigung entfallen allein 6 Milliarden Euro– das heißt, der größte Posten überhaupt – auf zukunfts-trächtige Forschungs- und Entwicklungsvorhaben.
Das ist zugleich ein klares Signal an die 16 Länder unddie Unternehmen in Deutschland.Wir haben damit die Voraussetzung dafür geschaffen,dass Deutschland im Rahmen der Lissabonstrategie biszum Jahre 2010 das 3-Prozent-Ziel bezüglich der Inves-tbzDdrwtlgIDdHuuwvsbhnj–sfdzKFvsKsvsgntuttTadKr
4 Milliarden Euro davon stehen dem Bundesministe-ium für Bildung und Forschung zur Verfügung. Wirerden damit insbesondere Querschnitts- und Spitzen-echnologien fördern, durch die der Standort Deutsch-and gestärkt und unser Gang in eine moderne Wissens-esellschaft beschleunigt wird. Entlang der gesamtennnovationskette bis hin zu marktreifen Produkten undienstleistungen erwarten wir Impulse. Zu den beson-ers zukunftsträchtigen Technologien, die Teil derightechstrategie sein werden, zählen die Informations-nd Kommunikationstechnologien, die Biotechnologiend die Nanotechnologie. Allein bei der Biotechnologieerden wir in diesem Jahr ein Plus von rund 14 Prozenterzeichnen. Die Mittel für den Titel „Vernetzte Welt“teigen um mehr als 17 Prozent. Die Mittel für die Le-enswissenschaften erhöhen wir um insgesamt annä-ernd 10 Prozent und die Mittel für umweltgerechteachhaltige Entwicklung und für neue Technologien umeweils circa 7 bis 8 Prozent.
Jawohl, Herr Tauss, das finde ich auch.Durch Bündelung exzellenter interdisziplinärer For-chung und Entwicklung werden wir die Gesundheits-orschung verstärken. Durch so genannte Leuchttürme,ie den Weg von der medizinischen Spitzenforschungur Krankenversorgung mittels einer Bündelung vonräften schaffen, soll auch eine raschere Umsetzung vonorschungsergebnissen ermöglicht werden. Ich bin da-on überzeugt, dass der Beitrag der Gesundheitsfor-chung – die Brücke zwischen der Forschung und derrankenversorgung – auch ein wichtiger Beitrag in un-eren anstehenden Debatten über die Zukunftsperspekti-en des Gesundheitssystems in Deutschland sein wird.
Wir wollen Lösungen für drängende – auch gesell-chaftliche – Probleme anbieten und Antworten auf Fra-en des Umweltschutzes und der Gesundheit – das seioch einmal gesagt – geben. Mit dem Leuchtturm High-ech in der Gesundheit werden wir dazu beitragen,nsere gute Position in der Medizintechnik weiter zu fes-igen. Wir wollen den Prozess, dass mithilfe von Hoch-echnologien frühzeitigere Diagnosen und schonendereherapien möglich werden, ganz stark befördern. Durchlle Leuchttürme soll die Umsetzung von Ergebnissener Forschung und Entwicklung beschleunigt und dierankenversorgung verbessert werden. Das wird derote Faden in der Gesundheitsforschung sein.
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Bundesministerin Dr. Annette SchavanVom weiteren Zeitplan her werden wir die Hightech-strategie bis zur Sommerpause vorlegen. Es hat ein gutesGespräch begonnen. Sie wissen, dass aus unseren Frak-tionen heraus vielfach bemängelt worden ist, die For-schungspolitik sei in der ganzen Bundesregierungverstreut. In diesen ersten Monaten der neuen Bundes-regierung haben wir das erreichen können, was überfäl-lig war: Wir sind nämlich in der Forschungs- und Tech-nologiepolitik zu einem stimmigen Gesamtkonzeptgekommen und es gibt eine Koordination, sodass nichtjedes Haus seine eigenen Projekte unabhängig vom Ge-spräch mit dem Nachbarhaus durchführt; es gibt viel-mehr eine Gesamtstrategie Hightech für Deutschland,die im Sommer vorgelegt wird und durch die deutlichgemacht wird, dass das unser Konzept ist, durch das klarwird: Innovation ist der rote Faden dieser Bundesregie-rung.
In unseren Reden ist vielfach zu hören, Deutschlandsei ein Land der Ideen. Das ist richtig; aber das alleinereicht nicht. Eine Idee wird erst dann richtig fruchtbar,wenn sie umgesetzt wird. Angesichts der 6 MilliardenEuro für die Hightechstrategie ist es ganz entscheidend,dass der Weg von der Idee bis zur Umsetzung in derWertschöpfungskette verkürzt wird. Das heißt, wir wer-den noch stärker als in der Vergangenheit Brücken zwi-schen Wissenschaft und Wirtschaft brauchen.Wir wollen Forscherinnen und Forschern Mut ma-chen, ihre Ideen zu realisieren und Unternehmen zugründen. Wir wollen Forschungsförderung und rechtli-che Rahmenbedingungen für Zukunftsmärkte in wichti-gen Technologiefeldern verbinden. Wir wollen es klei-nen und mittelständischen Unternehmen ermöglichen,dieses Potenzial besser zu nutzen; denn sie sind dasRückgrat und Innovationspotenzial unserer Wirtschaft.Das führt übrigens auch dazu, dass wir in dieser Le-gislaturperiode die Forschungsmittel für Fachhoch-schulen deutlich erhöhen und bis 2009 sogar verdreifa-chen und dass wir die Rolle der Fachhochschulen inKontakt mit den kleinen und mittelständischen Unter-nehmen stärken wollen. Auch sie sind eine Quelle fürdie Umsetzung innovativer Ideen. Sie sind ein ganzwichtiger Faktor für angewandte Forschung in unsererHochschullandschaft.
Wir wollen neue Instrumente zum Wissens- undTechnologietransfer sowie zur Förderung regionalerCluster einsetzen. Ich sage ausdrücklich noch einmal mitBlick auf die neuen Bundesländer: Hier gab es in denvergangenen Jahren interessante und wichtige Entwick-lungen. Wir müssen alles dafür tun, um diese Entwick-lungen in den neuen Bundesländern mit Blick auf Inno-vationspotenzial fortzusetzen und zu verstärken. Dabeimüssen wir uns immer wieder fragen: Mit welchen Ak-zenten erreichen wir eine positive Entwicklung da, wowir aufgrund der bisherigen vielfältigen Geschichte mitBlick auf die Zukunftschancen der jungen Generationgroße Sorgen haben?nSfTkseHtmwwctzBs1gtAdvdlwFtasseuvBt–sLZMwrzB
Unser gemeinsames, im Koalitionsvertrag veranker-es Leitbild der Exzellenz beginnt nicht erst bei der Ex-ellenzinitiative. Deshalb erhöhen wir die Mittel für dieegabtenförderung um 8 Prozent. Wer eine Talent-chmiede will, muss dafür Sorge tragen, dass mindestensProzent eines Jahrgangs in die Begabtenförderung auf-enommen werden kann. Das ist mit den vielen Leis-ungswettbewerben, mit „Jugend forscht“ und mit derrbeit der Begabtenförderung in der beruflichen Bil-ung ein wichtiger Baustein.Exzellenzinitiative und Pakt für Forschung und Inno-ation sind weitere Bausteine, die deutlich machen: Voniesen 6 Milliarden Euro profitieren unsere Hochschu-en, wodurch wir die universitäre Forschung stärkenollen. Davon profitieren auch die außeruniversitärenorschungsorganisationen mit Blick auf innovative Wei-erentwicklung und internationale Vernetzung.Die Gespräche über den Hochschulpakt 2020, diengesichts wachsender Studierendenzahlen Perspektivenchaffen sollen, werden bis Ende des Jahres abgeschlos-en sein. Auch hierbei gilt für mich – ich habe das schoninmal gesagt –: Es geht nicht um Studentenmassen, diens erwarten; mehr Studierende in Deutschland bietenielmehr eine Chance, die wir wahrnehmen müssen.und und Länder tragen hierfür gemeinsam Verantwor-ung.
Ja, auch der Bund; denn eine Universität ohne For-chung ist nicht denkbar. Für die Lehre waren immer dieänder zuständig. Ich bin davon überzeugt, dass wir inukunft – übrigens auch strukturell – noch zu einerenge neuer Ideen kommen werden, aus denen deutlichird, in welchem Maße wir auch noch im Forschungsbe-eich Entwicklungen ermöglichen können, die der Lehreugute kommen. Das ist der Sinn der Anstrengungen desundes.
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Bundesministerin Dr. Annette Schavan
Die Talentschmiede beginnt weit vor der Hochschule.Deshalb wird die Bundesregierung – so, wie wir es imKoalitionsvertrag gemeinsam vereinbart haben; auch daswird in diesem Haushalt deutlich – in den kommendenJahren Impulse im Bereich der beruflichen Bildung set-zen. Allein das Jobstarter-Programm mit einem Volumenvon 100 Millionen Euro ist ein wichtiger Faktor. Dieweitere Modernisierung des Berufsbildungsgesetzeskommt hinzu.Mit Blick auf die nächsten Jahre bin ich mir ziemlichsicher, dass ein Ausbildungspakt allein die Problemenicht löst – weder die Probleme derjenigen, die zu Mo-dernisierungsverlierern zu werden drohen, noch das Pro-blem der steigenden Zahl von Bewerbern um Ausbil-dungsplätze. Deshalb gilt: Wir brauchen beides, sowohleinen Ausbildungspakt als auch die weitere Modernisie-rung im Bereich der beruflichen Bildung mit einerStärkung der dualen Ausbildung, um zu einer wirklichüberzeugenden und zukunftsfesten Berufsbildungspoli-tik zu kommen.
Ich komme zum Schluss. Wir werden gemeinsam mitden Ländern die Leistungsfähigkeit des Bildungssys-tems bewerten, Empfehlungen abgeben und die Bil-dungsforschung deutlich verstärken;
denn ob schulischer Bereich, Bildung oder Weiterbil-dung – zur Talentschmiede Deutschland gehört ein Ge-samtkonzept. Für dieses Gesamtkonzept wird der Bundwesentliche Impulse liefern, die dieser Haushalt bereitswiderspiegelt.In diesem Sinne freue ich mich auf die Debatte überunseren Haushalt und danke für alle Unterstützung inSachen Bildung und Forschung schon bei der Aufstel-lung dieses Haushaltsplanentwurfs.Vielen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Ulrike Flach von der
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-legen! Forschung und Entwicklung wie auch Bildungund Wissenschaft sind Schlüsselfaktoren in diesemLande. Ich glaube, Frau Ministerin, in diesem Raum gibtes keinen einzigen Parlamentarier, der diese Meinungnicht mit Ihnen teilt.
Darin sind wir von der FDP uns mit Ihnen einig.EdSKI5eIggewrfadHdrdIJtfsKKrnDEsisMdgdDFFIrk
Der reale Aufschwung hinkt also den rhetorischenraftmeiereien gewaltig hinterher. Wie sagte Helmutohl immer so schön: Es ist entscheidend, was hintenauskommt. – Frau Schavan, es ist zwar nett, was bei Ih-en hinten rauskommt. Aber es ist nicht gewaltig.
ie Bezeichnung „Schwerpunktsetzung Forschung undntwicklung“ hat es jedenfalls nicht verdient.
Das gilt übrigens auch im Hinblick auf die von Ihneno gelobte Gestaltung des Ministeriums. Frau Reiche,ch erinnere mich sehr genau, was Sie über Jahre hinwegtändig dargelegt haben. Damals war nicht von eineministerium für Bildung und Forschung die Rede, dasen Großteil seiner Abteilungen bzw. wichtige Abteilun-en an das Wirtschaftsministerium abgibt, in dem sieann sozusagen festsitzen.
ort wird nun darüber nachgedacht, wie man mit denorschern der Helmholtz-Gemeinschaft umgehen soll.rau Reiche, ich hätte mich gefreut, wenn Sie sich mithren Konzepten durchgesetzt hätten. Diese neue Regie-ung beginnt so jedenfalls mit einer schweren Misskal-ulation bei der Strukturierung des Ministeriums. Das
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Ulrike Flachtut mir Leid für Sie sowie für die Forschung und Bildungin diesem Lande.
Sie sprachen eben davon, dass Sie sich in guten Ge-sprächen über die Koordinierung der Hightech-Strate-gie befinden. Ich wünsche Ihnen, dass diese Gesprächegut verlaufen; darüber wäre ich sehr froh. Wir haben mitInteresse festgestellt, dass im Haushalt 15 MillionenEuro für die Koordinierung angesetzt werden. Aber aufunsere Frage, was sich denn dahinter verbirgt, hat manim Ministerium leider keine Antwort geben können. Ichbefürchte daher, dass Sie bislang über gute Gesprächenoch nicht hinausgekommen sind. So muss ich mich aufdas beschränken, was anhand Ihrer Haushaltstitel mo-mentan sichtbar wird. Sie verstehen unter massivemMitteleinsatz bei den Hochtechnologien Folgendes: DieAnsätze für Softwaresysteme und die Mikrosystemtech-nik weisen jeweils ein Plus von 1,5 Millionen Euro auf.Bei den optischen Technologien legen Sie 2,5 MillionenEuro drauf. Der Ansatz für die Nanoelektronik weist einPlus von 3,5 Millionen Euro auf. Liebe Frau Schavan,das ist schön. Aber das ist wirklich kein technologischesErdbeben.
Schauen Sie sich einmal die internationale Konkur-renz an! Wir alle haben heute Morgen sicherlich im Ra-dio gehört, was Japan zurzeit auf dem Gebiet der Nano-technologie macht. Angesichts dessen wird einem angstund bange. Aber die Mittel, die jetzt bereitgestellt wer-den, haben nichts damit zu tun, dass die Welt nun plötz-lich für Forschung und Entwicklung bei uns offen wäre.Sie werden entscheidend draufsatteln müssen. Sie wer-den sich an Herrn Steinbrück vorbeischummeln, mit Ih-ren eigenen Haushältern fertig werden
und auch darüber nachdenken müssen, ob Sie Ihr Minis-terium nicht so führen wollen, wie Sie es uns über Jahrein diesem Hause gesagt haben. Sie haben uns ständig er-klärt, der Föderalismus müsse im Vordergrund stehenund die Bundesländer seien zuständig. Sie haben das ge-rade wiederholt. Nun schaue ich mir Ihren Haushalt an– ich war jahrelang anderer Meinung; Frau Burchardt,Sie werden das bestimmt bestätigen – und was sehe ichvoller Erstaunen? Die gute alte Edelgard Bulmahnkommt uns quasi in allen Titeln wieder entgegen.
Frau Schavan, Sie haben im Prinzip nur die SPD-Haus-haltstitel fortgeschrieben. Sie haben sogar etwas drauf-gesetzt.
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Zum Abschluss meiner Rede kann ich ihnen nur einesmpfehlen: Tun Sie das, was Sie uns jahrelang gesagtaben! Nehmen Sie die Mittel, die bei den Bundeslän-ern angeblich besser aufgehoben sind – sie sollen sie jaehalten; ich will sie ihnen nicht wegnehmen –, und set-en Sie sie konzentriert für das ein, was Ihnen nach derrbärmlichen Föderalismuskommission übrig gebliebenst, nämlich für die Forschung, Frau Schavan!
ann haben wir eine Chance in diesem Lande. Ich wün-che Ihnen sehr, dass Ihnen das gelingt. Unsere Unter-tützung haben Sie.
Ich erteile das Wort für die SPD-Fraktion dem Kolle-
en Klaus Hagemann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Da wir über den Zukunftsetat sprechen, heißech ganz besonders die vielen Jugendlichen, die von deresuchertribüne aus unserer Debatte folgen, herzlichillkommen. Es freut mich, dass ihr gekommen seidzw. dass Sie gekommen sind, gerade wenn dieser Haus-alt beraten wird.
Im Einzelplan 30 ist in Zahlen gegossen, welcheeldbeträge die große Koalition vorsieht, um die He-ausforderungen der Zukunft in Bildung und Forschung,n Ausbildung und Weiterbildung anzupacken. Damitill sie einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsfähigkeitnseres Landes leisten – und sie wird das auch; davonin ich überzeugt, sehr verehrte Frau Flach.Heute findet die erste Lesung des Regierungsentwurfstatt. Frau Ministerin Schavan, wir von der SPD-Frak-ion sind der Meinung, dass die Weichen in die richtigeichtung gestellt sind, nämlich in Richtung Zukunft. Da-ür finden Sie unsere Unterstützung.
ber in einem muss ich Frau Flach Recht geben: Wirozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stellen na-ürlich fest, dass in dem Entwurf des Einzelplans 30, den
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Klaus HagemannSie uns vorgelegt haben, Frau Schavan, sehr viel Konti-nuität zu den zurückliegenden Jahren festzustellen ist,
zu sieben erfolgreichen Jahren in der Bildungs- und inder Forschungspolitik.
Sehr viele erfolgreiche Projekte werden weitergeführt.Ferner werden neue Maßnahmen erstmals finanziert, diebereits in der letzten Legislaturperiode von Rot-Grün be-schlossen worden sind und jetzt umgesetzt werden. Dasist auch gut so.
Wenn ich mich an diese Projekte erinnere, muss ich fest-stellen, dass sie sehr schwer erkämpft werden mussten,nämlich gegen die CDU/CSU-geführten Länder. Beimanchen dieser Länder waren Sie von der FDP leiderauch mit in der Regierung.
Bekanntlich zeigen drei Finger auf den zurück, der aufandere mit dem Finger zeigt, Frau Flach.Aber schließlich sind diese Projekte doch beschlossenworden. Deswegen ein ganz besonderes Kompliment andie frühere Bundesministerin für Bildung und For-schung, Edelgard Bulmahn. Ihr an dieser Stelle ein Dan-keschön für ihren Einsatz in diesem wichtigen Bereich!
Aber auch Ihnen, sehr geehrte Frau BundesministerinSchavan, möchte ich noch einmal unsere Anerkennungdafür aussprechen, dass Sie den Bereich Bildung undForschung stärken – das wollen wir ja gemeinsam – unddass Sie sich gegen das Konzept durchgesetzt haben, dasIhr Vorgänger, der letzte CDU/CSU-Bundesbildungs-minister, nämlich Herr Rüttgers, verfolgt hat: Er hat denEtat für Forschung und Bildung als Finanzsteinbruch be-nutzt. Die FDP war damals auch mit beteiligt – 1996,1997, 1998 –, als diese Mittel heruntergefahren wurden.
Ihnen Anerkennung, Frau Schavan, dafür, dass Sie demKonzept, das Herr Rüttgers damals vorgegeben hat,nicht weiter folgen!
Aber richten wir den Blick nicht zurück, sondern bli-cken wir nach vorne! Ich will an einigen Zahlen nocheinmal deutlich machen, welche Bedeutung Bildung undForschung für uns haben. Wir haben heute früh vom Fi-nhdsmsibdpmdvdigkdGdfItsdrthLdHDdMcwWvwWRddRbSiW
n den Erläuterungen zu den einzelnen Titeln heißt es öf-er: „Mehr wegen besonders zukunftsträchtiger For-chungs- und Entwicklungsvorhaben.“ – Ich glaube,ass dadurch deutlich wird, welche Bedeutung der Be-eich Bildung und Forschung hat.Ich möchte auf die Äußerung von den hart umkämpf-en Zielen und auf die Projekte zurückkommen, dieeute auch von Ihnen, Frau Ministerin, zu Recht alseuchttürme herausgestellt worden sind. Da ist zuerstas wirklich erfolgreiche Ganztagsschulprogramm inöhe von 4 Milliarden Euro zu nennen.
ie Mittel sind am Anfang sehr zögernd abgerufen wor-en, insbesondere von den CDU-geführten Ländern.eine Empfehlung ist, dass Sie ein bisschen Druck ma-hen, damit in Ihren Ländern diese Mittel abgerufenerden.
ir in Rheinland-Pfalz haben festgestellt, dass die Be-ölkerung dies so wollte. Wir haben das Ganztagsschul-esen sehr weit ausgebaut. Ich glaube, dass durch dasahlergebnis, das wir am vergangenen Sonntag inheinland-Pfalz eingefahren haben, deutlich wird, dassie Wählerinnen und Wähler dies honorieren. Wir sinden richtigen Weg gegangen, weil es notwendig war.
Auch die umstrittene, aber erfolgreiche BAföG-eform ist in diesem Zusammenhang als Leuchtturm zuezeichnen. Es gibt mehr BAföG-Berechtigte und mehrtudenten, die unterstützt werden. Es sind mehr Mittelm Einzelplan vorgesehen, nämlich 1,1 Milliarden Euro.ir gehen damit einen Schritt in die richtige Richtung.
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Klaus HagemannEs wurde im Übrigen im Koalitionsvertrag festgeschrie-ben, dass die BAföG-Gesetzgebung erhalten bleibt.
Wir müssen aber auch noch genauer hinschauen. DieZahlen beim Schüler-BAföG steigen sehr stark an. Manmuss nach den Ursachen fragen und dieses Problem nä-her beleuchten. Wir haben das im Berichterstatterge-spräch schon getan. Es muss untersucht werden, ob sichbeispielsweise in den Berufsschulen mehr Schüler in derWarteschleife befinden, weil sie keinen Ausbildungs-platz erhalten haben.Auch die viel diskutierten Mittel für den dringend er-forderlichen Ausbau der Hochschulen will ich in diesemZusammenhang erwähnen. Hierfür ist in den kommen-den Jahren eine knappe Milliarde Euro pro Jahr vorgese-hen. Ich hoffe, dass das Geld entsprechend eingesetztwird und wir nicht dasselbe wie bei den Regionalisie-rungsmitteln beobachten, die nicht immer für die Regio-nalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs einge-setzt werden. Gut sind die ersten Ansätze in dermittelfristigen Finanzplanung für den Hochschulpakt2020. Sie, Frau Ministerin, haben hier die Richtung vor-gegeben. Ich bin überzeugt, dass dies der richtige Wegist. Auch darin steckt viel finanzielle Musik.Ein weiteres positives Beispiel, ein Leuchtturm, ist si-cherlich die Exzellenzinitiative im Hochschulbereich,nämlich die Universitäten, die besonders erfolgreichsind, verstärkt zu fördern. Die Voruntersuchungen sindabgeschlossen. Die ersten Entscheidungen sind gefälltworden. In diesem Haushalt sind 142 Millionen Eurovorgesehen. Wenn man die Verpflichtungsermächtigun-gen für die nächsten Jahre hinzurechnet, ergibt sich eineSumme von weit über 700 Millionen Euro, die zur Ver-fügung stehen werden. Frau Flach, Sie haben die vorläu-fige Haushaltsführung angesprochen. Wir wissen, dasserlaubt ist, 45 Prozent der Ausgaben zu tätigen. Deswe-gen würde ich das nicht so negativ sehen, wie Sie es dar-gestellt haben,
zumindest was die Projekte betrifft, die schon im letztenJahr veranschlagt waren und wo die Mittel entsprechendverausgabt werden können. Liebe Frau Flach, wir solltenhier beide Seiten der Medaille darstellen.Im Zusammenhang mit den erwähnten Leuchttürmenist auch der Pakt für Forschung und Innovation zu nen-nen, der in der letzten Legislaturperiode beschlossenworden ist. 3 Prozent mehr in diesem Bereich, das ist derrichtige Weg.Eines der erfolgreichsten Programme, das ebenfalls inder letzten Legislaturperiode aufgelegt worden ist, wardas Programm zur Stärkung der Biotechnikindustrie. Ichwiederhole: Es war eines der erfolgreichsten Pro-gramme. Gerade kleine und mittlere Unternehmen indiesem Bereich haben großes Interesse angemeldet. Die-ses Programm wird umgesetzt. Auch das sei an dieserStelle erwähnt.
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Und vieles andere mehr. Ich habe das nur als Beispielrwähnt.Die Produktion findet jetzt in den USA statt. Die ent-prechenden Arbeitsplätze sind also in den Vereinigtentaaten geschaffen worden. Zum Glück bekommt dieraunhofer-Gesellschaft dafür Lizenzgebühren im drei-telligen Millionenbereich. Ich wünsche mir, dass dieseittel von der Fraunhofer-Gesellschaft auch weiterhinür Forschung und Bildung eingesetzt werden können.Lassen Sie mich noch – mein Kollege Tauss wird aufen Bereich Forschung und Bildung noch näher einge-en – die berufliche Bildung ansprechen. Sie ist einerer Schwerpunkte im Einzelplan 30. 368 Millionen Eurotehen für diesen Bereich zur Verfügung. Es sei hervor-ehoben, dass das Meister-BAföG in der letzten Legisla-urperiode reformiert, geändert, verbessert worden ist.
enn man von den 368 Millionen Euro die 118 Millio-en Euro für das Meister-BAföG abzieht, so zeigt sich,ass für die Förderung, die Unterstützung im Bereich dereruflichen Bildung immer noch 250 Millionen Euro imaushalt zur Verfügung stehen.Wir wissen, Ausbildungsplätze müssen in erster Linien der Wirtschaft geschaffen werden und die schulischeetreuung muss durch die Länder in den Berufsschulenrfolgen. Aber ein starkes Engagement des Bundes aufiesem Gebiet ist trotz Ausbildungspakt festzustellennd wir haben hier entsprechende Mittel zur Verfügungestellt.Stichwort „Ausbildungspakt“: Dazu gehört, zu for-ern, dass hier noch ein bisschen nachgelegt wird. Ange-ichts der Zahlen des letzten Jahres und dessen, was ichn meinem Wahlkreis zurzeit höre, meine ich: Es siehticht so rosig aus, was Lehrstellen, was Ausbildungs-lätze angeht. Da ist in erster Linie die Wirtschaft gefor-ert. Wir unterstützen die Maßnahmen, die vorgesehenind: Allein in die Unterstützung zur Schaffung vonusbildungsplätzen in den neuen Bundesländern sollen5 Millionen Euro fließen.
Der Finanzminister hat in seinem Beitrag heute Vor-ittag auf die vielen jungen Menschen hingewiesen, die
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Klaus Hagemannihre Ausbildung abbrechen oder die keinen Hauptschul-abschluss haben. Angesichts dessen ist es sehr sinnvoll,das Projekt „Zweite Chance“ zu unterstützen. Es ist gut,hier mehr Mittel in die Hand zu nehmen, um Jugendli-chen eine zweite Chance zu geben, damit sie in den Aus-bildungsmarkt hineinkommen können.
Schauen wir uns an, welche große Unzufriedenheit bei-spielsweise in Frankreich festzustellen ist! Wir müssenuns auf diesem Feld wesentlich mehr engagieren und dieinfrage kommenden Projekte herausarbeiten, damit diejungen Menschen eine Zukunft haben.Wenn man mit den Trägern der Maßnahmen redet,stellt man fest, dass es eine Menge U-25-Programmegibt: beim Wirtschaftsminister, bei der Bildungsministe-rin, beim Minister für Arbeit und Soziales. Man verliertdie Übersicht. Deswegen ist die Frage, Frau Ministerin,ob man nicht auch hier, organisiert durch die Bundes-regierung, eine Evaluation vornehmen sollte, um zu klä-ren, wie die Mittel eingesetzt werden und wie sie gezielteingesetzt werden können, damit wir nicht auf der einenSeite doppelt fördern und auf der anderen Seite Bereichevernachlässigen. Deswegen möchte ich hier die Anre-gung geben, entsprechend vorzugehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Siemich jetzt zum Schluss kommen. Heute ist die erste Le-sung des Regierungsentwurfs. Wir werden in den Haus-haltsberatungen in den Ausschüssen, im Haushaltsaus-schuss und im Bildungsausschuss, in die Detailarbeiteinsteigen. Es wird sicherlich noch Umschichtungen ge-ben. Wir sind aber auf einem guten Weg. Wir müssenuns – da haben Sie völlig Recht, Frau Flach – noch mitder globalen Minderausgabe befassen. Die Koalitionwird mit dem Ministerium zusammen entsprechendeVorschläge erarbeiten, damit wir die globale Minderaus-gabe an den richtigen Stellen umsetzen.
Der Regierungsentwurf geht in die richtige Richtung.Er ist eine gute Basis, auf der wir aufbauen können, umfür die zweite und dritte Lesung einen guten Vorschlagvorzulegen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat nun die Kollegin Dr. Petra Sitte, Frak-
tion Die Linke.
Danke schön. – Frau Präsidentin! Meine Damen undHerren! Georg Christoph Lichtenberg hat uns Folgendesmit auf den Weg gegeben:md–LddimsLwtifui„lMs–Kd–Dbd
Nur so viel als Hinweis: Er war nicht Mitglied derinksfraktion.Sie werden sich jetzt vielleicht fragen, wohin ich mitieser Feststellung eigentlich will;
enn – da haben Sie völlig Recht –: Dieser Einzelplanmerhin hat Aufwüchse. Es gibt höhere Ausgaben. Ertärkt Forschung und Projektförderung für Bereiche wie:ebenswissenschaften, neue Technologien sowie um-eltgerechte nachhaltige Entwicklung. Die Exzellenzini-ative „Spitzenunis“ und der Pakt für Forschung werdeninanziert. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungennd die Begabtenförderung bekommen mehr Geld. Dasst doch alles okay.
Ja!“, sage ich auch. – Wo sollen da Irrtum und Illusioniegen? Zahlen lügen doch schließlich nicht. – Stimmt!it Zahlen kann man sich sehr gut beruhigen. Man kannich auch selbst auf die Schulter klopfen. Aber
richtig! –: Dieser Haushalt leistet nicht, was sich dieoalitionsparteien im Wahlkampf noch ganz groß aufie Fahnen geschrieben haben.Bei der SPD war im Wahlkampfprogramm zu lesen:Jedem und jeder Einzelnen wollen wir unabhängigvon der sozialen Herkunft Zugang zu guter Bildungermöglichen.
Ist in Ordnung.Bei der CDU las sich das so:Wohlstand für alle setzt Bildung für alle voraus. DieTeilhabe aller an Bildung und Ausbildung ist diezwingende Voraussetzung dafür, dass keine Bega-bung ungenutzt bleibt.
ie Ministerin hat selbst darauf hingewiesen. – So weitin ich einverstanden. Aber nun machen Sie auch etwasraus!
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Dr. Petra SitteDieser Haushalt blendet das Erreichen aller jedochaus. Es finden sich in diesem Haushalt keine neuenZeugnisse für das Erreichen aller. Das Ganztagsschul-programm wird lediglich zu Ende geführt.
Berufsbildung, Weiterbildung, BAföG folgen den altenSpuren. Wir alle kennen die Misere; wir haben hier oftgenug darüber geredet.Das Hauptproblem unseres Bildungssystems bestehtdarin, dass Bildungserfolge von Kindern und Jugendli-chen vor allem durch ihre soziale Herkunft geprägtwerden.
Dieser Zusammenhang und die höchst unterschiedlicheLeistungsfähigkeit von Bundesländern haben Ungleich-heiten und Ungerechtigkeiten zu einem Markenzeichenauch unseres Bildungssystems werden lassen. Dagegenmüsste der Haushalt konsequent und selbstbewusst Zei-chen setzen.
Ich will diese Ungleichheiten auch belegen. Die Abi-turientenquoten in den Ländern liegen in einer Spann-breite von 28 bis 48 Prozent. Die Studienanfängerquotenliegen zwischen 40 Prozent in Bremen und circa29 Prozent in Bayern. Der Zuschussbedarf pro Studie-renden liegt zwischen 9 260 Euro im Saarland und5 650 Euro in Hessen. Dagegen haben BrandenburgsUniversitäten nun wiederum die geringsten und die nie-dersächsischen Universitäten die höchsten Ausgaben proStudierenden. Die Wanderungssalden bezogen auf dieeinzelnen Länder sind gewaltig. Ebenso deutlich sind dieUnterschiede bei den Ausgaben für öffentliche Schulen.Berufsschulen gehen zunehmend in freie und privateTrägerschaft über; in Sachsen sind es bereits 50 Prozent.Das alles sind klare Belege für ungleiche quantitativeEntwicklungen. Wir alle wissen, dass es parallel dazusehr unterschiedliche qualitative Standards gibt. Beideszusammen segmentiert das Bildungswesen der Bundes-republik Deutschland immer mehr zum Nachteil vonKindern und Jugendlichen.Vor diesem Hintergrund führen soziale Armut undKinderarmut letztlich verstärkt zu Bildungsbenachteili-gung.
Armut ist ein Mangel an Chancen. Das ist ein zutiefst so-ziokulturelles Problem für friedliches Zusammenlebenund Wirtschaften in einem Gemeinwesen.Was passiert in diesem Land? Zunehmend entwickeltsich ein Regionaldarwinismus. Unter diesen Vorzeichengeht es doch schon lange nicht mehr um Wettbewerbsfö-deralismus; machen wir uns doch nichts vor! Was übrigbleibt, ist gnadenlose Rivalität zwischen den Regionen.Statt Bildungsplanung in gesamtstaatlicher Verantwor-tung kommen immer stärkere Unterschiede zum Tragen.Es ist normal geworden, von reichen und armen Bundes-ltIoHwLwhszangrWSsLStFidskAhAwksdFwbvmKi–bdtsgttHSn
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In einer neuen Architektur zu bauen heißt, Projekteanzugehen und Impulse zu setzen, die jede Ebene festund verlässlich mit der anderen verbindet. Man kannnicht auf Bundesebene Bildung und Forschung zu einerPriorität erklären – wie Sie das vorhin aus meiner Sichtvollkommen zutreffend getan haben –, aber dann imRahmen der Föderalismusverhandlungen diesen Bereichals Bauernopfer auf den Altar der Befriedung der Länderlegen. Das geht doch nicht.
Aus unserer Sicht müssten vor allem in folgendenFeldern neue Impulse für ein qualitativ besseres Bil-dungs- und Forschungssystem gesetzt werden: Ausbaudes BAföG als Bildungs-BAföG zur sozialen Öffnungder Schulen, Hochschulen und Weiterbildungseinrich-tungen. Meinem Vorredner, der sich wundert, warum dieAnzahl der Empfänger von Schüler-BAföG zugenom-men hat, kann ich nur sagen, dass das „vielleicht“ mitder sozialen Situation der Eltern zu tun hat.
Ich nenne weiterhin: stärkere Unterstützung der Fach-hochschulen zum Ausbau ihrer Forschungen; Förderungvon Kindertagesstätten bzw. von Kinderbetreuungs- undBildungsangeboten vor allem in den westlichen Bundes-ländern; Förderung von Modellstudiengängen für eineHochschulausbildung von Kindertagesstättenerzieherin-nen und -erziehern. In Finnland gilt das Motto „DasBeste für die Kleinen!“. Wieso eigentlich nicht auchhier?
Weitere Punkte sind: Ausbau und Qualifizierung vonLehramtsstudiengängen; Fortschreibung des ProjektesGanztagsschulen für ein längeres gemeinsames Lernen;Unterstützung von Schulsanierungen, weil durch die Ab-senkung sowohl von Bundes- als auch von Landeszu-weisungen die kommunale Ebene nicht mehr in der Lageir–sthUtNnhdaGMePHNrs42sDeddsivpdWgndBcS
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es istichtig und erfreulich, dass der Etat für Bildung und For-chung um 5,6 Prozent erhöht wird. Das sind24 Millionen Euro. Es ist auch erfreulich, dass davon92,5 Millionen Euro noch sozusagen rot-grünes Geldind.
ie verbleibende Erhöhung um 131,5 Millionen Eurontspricht einem Aufwuchs von 1,74 Prozent. Alleinieser Teil ist Ihr Verdienst, Frau Schavan. Aber aucharüber freuen wir uns mit Ihnen.
Es ist sicher richtig, dass dieser Aufwuchs auf be-timmte Schwerpunkte verteilt werden soll. Diese sindm Haushalt verankert. Frau Ministerin, Sie haben sichor allen Dingen drei Schwerpunkte für diese Wahl-eriode vorgenommen. Das sind die Bereiche „Ausbil-ung“, „Weiterbildung“ und „Forschung“.Schauen wir uns einmal die einzelnen Bereiche an.arum werden eigentlich jenseits des Jobstarterpro-ramms, mit dem noch unter der alten Regierung begon-en wurde, die Mittel für den Titel „Berufliche Bil-ung“ um 9 Prozent gekürzt? Warum kann imerichterstattergespräch nicht erläutert werden, aus wel-hem Titel und wie die so genannte „Zweite Chance fürchulabbrecher“ finanziert wird? Das haben Sie zwar
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Priska Hinz
zur Chefinnensache gemacht; aber Ihr Ministerium kannnicht erklären, wie dieses Programm aussehen soll.
Man kann zwar sagen: Von einer Ministerin, die nichtweiß, wie viele junge Menschen Ende letzten Jahresohne Ausbildungsplatz dastanden, ist nichts anderes zuerwarten. Aber es ist beschämend, dass sich das imHaushalt fortsetzt, was wir schon beim Ausbildungspaktgesehen haben: dass es keinerlei Ideen für eine Fortent-wicklung des Paktes und zur Schaffung von zusätzlichenAusbildungsplätzen gibt. Denn die derzeitige Situationbehindert die Zukunftsperspektiven der jungen Men-schen in diesem Land.
Hinzu kommt, dass die Mittel für die Benachteiligten-förderung gekürzt werden. Wenn man das mit Ihrem Be-griff der Talentschmiede verbindet, dann kann ich dazunur sagen: Es ist völlig daneben, wenn Sie mit Ihrer Vor-stellung von Talentschmiede nur bei den Hochschulenund der Begabtenförderung ansetzen. Der Begriff „Ta-lentschmiede“ muss auch diejenigen jungen Menschenumfassen, die in die berufliche Ausbildung gehen. Dahaben Sie bislang nichts vorzuweisen.
Der zweite Schwerpunkt, der bei Frau Schavan rheto-risch ganz oben angesiedelt ist, ist die Weiterbildung.Hier stehen wir angesichts der demografischen Situationvor großen Herausforderungen. Allerdings werden dieMittel für den Titel „Weiterbildung und LebenslangesLernen“ um 12 Prozent gekürzt. Weiterbildung ist eineInnovation. Frau Schavan, Sie sind nur in den Bereichen„Warme Worte verteilen“ und „Kompetenzen abgeben“im Rahmen der Föderalismusreform innovativ; aber Ta-ten zeigen Sie nicht, jedenfalls nicht im Bereich der Wei-terbildung, der Ihnen noch nicht einmal einen Satz in Ih-rer Rede zum Haushalt wert gewesen ist.
Ich komme zum dritten Schwerpunkt: zur For-schung. Die dortige Mittelsteigerung begrüßen wir. Un-geklärt ist allerdings bis heute, ob wir ein Forschungs-förderungsgesetz brauchen. Unbeantwortet bleibt dieFrage, wie die Sozial- und Geisteswissenschaften in die-sem und in weiteren Haushalten über das alte rot-grüneProgramm hinaus gestärkt und gefördert werden sollen.Falsch ist, dass die Nachhaltigkeit in der Forschung beider Weißen Biotechnologie und Bioindustrie keine Rollemehr spielen soll. Falsch ist auch, dass es keine Mittelfür die ökologische und ethische Begleitforschung, zumBeispiel bei der Nanotechnologie, geben soll.
Kritisch sehen wir die Finanzierung des Ethikrates.Den haben Sie von der CDU/CSU immer scharf als Re-gierungsinstrumentarium, als Beratungsgremium derRegierung kritisiert. Jetzt soll er finanziert und damit dieStruktur vorweggenommen werden, die eigentlich erstewdwgsvgvSadwrnfShsgtGsSmKNmAskWv
ie wollen nicht nur in der Föderalismusreform, sondernuch bei Projekten, die dazu führen sollen, gleiche Stan-ards zu erhalten und Mobilität in Deutschland zu ge-ährleisten, den Bereich der Bildungsforschung rasie-en. Dann dürften Sie aber kein Geld mehr in die Handehmen, um die Ergebnisse, die sich aus der Bildungs-orschung ergeben, umzusetzen. Ich sage Ihnen: Da sindie gänzlich auf dem Holzweg.
Der Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierungat gezeigt, dass die Ganztagsschulen ein Erfolgsmodellind. Wir bräuchten weitere solcher Modelle. Pro-ramme wie die für Wissenschaft und Hochschule müss-en fortgeführt und dürften nicht eingestampft werden.erade die Hochschulen in den neuen Ländern habenehr davon profitiert.
o etwas wird nach der Föderalismusreform nicht mehröglich sein.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage derollegin Flach?Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-EN):Nein, ich bin beim letzten Satz. Meine Kolleginöchte auch noch sprechen.Meine Damen und Herren, bei aller Freude über denufwuchs der Mittel für den Bereich Bildung und For-chung ist der Haushalt, wie er jetzt als Entwurf vorliegt,eine Antwort auf die Zukunftsfragen.
ir hoffen sehr, dass er im Laufe der Beratungen nocherändert wird.Danke schön.
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Nun hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion die Kol-
legin Ilse Aigner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin-nen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! DieStimmung in der Wirtschaft und bei den Menschensteigt. Der Bundesregierung ist es gelungen, wieder Ver-trauen in unser Land zu bringen.
Diese positive Stimmung müssen wir nutzen. Wir müs-sen den Leerlauf verlassen, den Vorwärtsgang einlegenund die Anfangsbewegung in einen kräftigen Schub ver-wandeln.
Dazu müssen wir den Wettbewerb um die besten Köpfeaufnehmen. Ob wir künftig in der Weltspitze mitspielenoder uns in der Qualifikantenliga wiederfinden, hängt imWesentlich von zwei Faktoren ab, nämlich davon, wieerfolgreich wir hoch qualifizierte Menschen aus- undweiterbilden und wie erfolgreich wir die Schlüsseltech-nologien des 21. Jahrhunderts entwickeln.Innovation ist die Schubkraft unserer Zukunft. Des-halb investieren wir in diesen Bereich. Das ist nicht hochgenug einzuschätzen, da wir gleichzeitig in anderenBereichen sparen müssen. Bis zum Ende der Legislatur-periode werden wir zusätzlich 6 Milliarden Euro für For-schung und Entwicklung aufwenden. Dies ist ein Kraft-akt, der sich zum ersten Mal in diesem Haushaltmanifestiert. Die Ausgaben für Bildung, Forschung undEntwicklung zeigen unsere Bereitschaft, über den Taghinaus zu denken. Wir wollen die Zukunft gestalten.
Wir bauen auf drei Säulen. Wie vielleicht der eineoder andere von Ihnen weiß, war ich früher in der Raum-fahrt engagiert. Leider hat uns ein Parteikollege diesesThemenfeld weggeschnappt. Trotzdem passt ein Bildaus der Raumfahrt sehr gut zu diesen drei Säulen: dieAriane-Rakete. Sie hat drei Triebwerksstufen. Als ersteStufe dienen die Feststoffbooster. Sie sind außerhalb desHaupttriebwerkes angebracht und eignen sich deshalbhervorragend für einen Vergleich mit der außeruniversi-tären Forschung.Damit bin ich beim Pakt für Forschung. Er wurdeim letzten Jahr vereinbart. Wir stellen ihn jetzt auf einesolide finanzielle Basis.
Die geförderten Forschungseinrichtungen von MaxPlanck bis Helmholtz können sich auf uns verlassen. Siebekommen bis 2010 jährlich 3 Prozent mehr. Grundla-genforschung braucht Planungssicherheit.AlwensemlfsswFwdawlAlgSzzsDiHsURDd1wEfMgsD
lle großen Quantensprünge der Innovation basierenetztendlich auf Grundlagenerkenntnissen: Das GPSürde sich um Meter vermessen, gäbe es nicht dieinsteinsche Relativitätstheorie. Die moderne Gentech-ik wurde erst möglich durch die Aufklärung und Ent-chlüsselung der DNS-Struktur.Der Pakt hieße aber nicht Pakt, wenn wir nicht auchtwas erwarten dürften. Die Forschungseinrichtungenüssen drei entscheidende Punkte als ihre eigenen An-iegen begreifen: Nachwuchsförderung, Karrierechancenür Frauen und eine Vernetzung mit den Hochschulen.
Damit komme ich zum Haupttriebwerk, zu den Hoch-chulen. Die Hochschulen sind letztendlich das Herz-tück des Wissenschaftssystems. Die jungen Nach-uchswissenschaftler sind der Treibstoff für dieorschung. Mit der Exzellenzinitiative haben wir einenirklich guten Weg eingeschlagen. Wir entwickeln soie Stärken unserer Hochschullandschaft. Die erste Vor-uswahlrunde ist beendet und hat einen Paradigmen-echsel eingeleitet. Früher war die Mehrheit in Deutsch-and darauf bedacht, eine Illusion aufrechtzuerhalten:lle Universitäten sind gleich. Gleich schlecht war ihrieber als unterschiedlich gut. Der Exzellenzwettbewerbibt der Hochschulentwicklung nun einen enormenchub. Auch diejenigen, die nicht zu den Gewinnernählen, haben ihre Stärken erkannt; sie haben eineweite Chance, bei den Schwächen etwas nachzubes-ern.
er Betrag von 1,4 Milliarden Euro aus der Bundeskassest bei der Exzellenzinitiative sehr gut angelegt.Mit der Vollkostenfinanzierung werden wir dieochschulen zusätzlich stärken. Bisher belasten Wissen-chaftler, die bei der DFG Drittmittel einwerben, dieniversitäten mit den entstehenden Gemeinkosten füräume, Strom, Material usw. Künftig sollen über dieFG-Förderung hinaus diese Kosten übernommen wer-en. Wir wollen mit einer Förderung in Höhe von0 Prozent beginnen und später 20 Prozent übernehmen,as zusätzlichen Ausgaben in Höhe von 300 Millionenuro entspricht. Das ist eine sehr deutliche Entlastungür die Hochschulen.
it der finanziellen Untermauerung kann man die Le-ende widerlegen. Der Bund zieht sich eben nicht auseiner Verantwortung für die jungen Menschen zurück.as Gegenteil ist der Fall.
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Ilse AignerDer Bund entlastet die Länder bei der Forschung. DieLänder müssen sich im Gegenzug selbst verpflichten:Sie müssen die Kapazitäten ausbauen und die Lehre stär-ken. Eben diese Verpflichtung wäre das wirklich Neueund Wirkungsvolle. Das wäre ein wirklicher Pakt.
Kommen wir zur Oberstufe, die die Satelliten imWeltraum platziert. Ich will sie mit den wissenschaftli-chen Leuchttürmen vergleichen. In den letzten Jahrenwar viel von Innovationsoffensiven und Leuchttürmendie Rede. Bei der Projektförderung wurde aber leiderreal gekürzt. Nun gibt es endlich einmal wieder Steige-rungen im Haushalt, die das Wort Innovationsoffensiverechtfertigen.Das zeigt sich exemplarisch am Titel „VernetzteWelt“. Die Mittel steigen allein hier um 18 Prozent. Da-hinter verbergen sich zum Ersten Projekte wie zum Bei-spiel die Entwicklung hoch leistungsfähiger Grids. Dassind neuartige Telekommunikationsnetze. Sie ermögli-chen die rasche und preiswerte Bearbeitung von höchstkomplexen Computeraufgaben. Zum Zweiten geht esbeim Titel „Vernetzte Welt“ um Sicherheitstechnologien,um zum Beispiel eine vertrauenswürdige Übermittlungvon Daten zu ermöglichen. Bei diesem Problem gibt esleider offensichtlich bei den Hackergemeinschaftenmehr FuE als bei der Wissenschaft. Auch die Geheim-dienste interessieren sich dafür; naturgemäß veröffentli-chen sie aber leider nicht ihre Ergebnisse. Deshalb müs-sen in Deutschland auch hier die Kompetenzenausgebaut werden. „Vernetzte Welt“ ist ein wirklichesLeuchtturmprojekt.Auch die Geisteswissenschaften gehören eindeutigzu den Leuchttürmen. Eine innovative Gesellschaftbraucht unbedingt die Reflexion der Geisteswissenschaf-ten. Auch deshalb erfahren sie eine Steigerung der Mittelum über 13 Prozent.Die große Koalition geht mit diesem Haushalt in Vor-leistung. Das ambitionierte Ziel, die Ausgaben für For-schung und Entwicklung auf 3 Prozent des Brutto-inlandsprodukts zu steigern, bedeutet in nackten Zahlen:Wir müssen die Ausgaben für Forschung und Entwick-lung von momentan 55 Milliarden Euro Jahr für Jahr auf67 Milliarden Euro in 2010 steigern.
Die Aufwendungen in Höhe von 3 Prozent sollen zuzwei Dritteln von der Wirtschaft und zu einem Drittelvon der öffentlichen Hand, also von Bund und Ländernfinanziert werden. Deshalb geht heute mein Appell weitüber dieses Haus hinaus an die Wirtschaft und an dieLänder, sich an dieser gemeinsamen Kraftanstrengungzu beteiligen.Die Rakete ist fertig.
Sie steht auf der Startrampe. Wir müssen sie nur nochgemeinsam auf eine gute und richtige Bahn bringen.tuzhgwHrsEnIkAUFsEWBsüdBcdezddsSdst
Das Wort hat nun der Kollege Uwe Barth, FDP-Frak-
ion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Frau Ministerin, „Deutschland soll sichu einer Talentschmiede entwickeln“. So haben Sieeute Ihre Rede begonnen, so haben Sie auch Ihre Re-ierungserklärung begonnen. Niemand hier im Raumürde Ihnen widersprechen. Allerdings müssen sich Ihraushaltsansatz und die Politik der gesamten Bundes-egierung an diesem Anspruch messen lassen.
Meine Kollegin Flach hat die Einschätzung der FDPchwerpunktmäßig zu den Bereichen Forschung undntwicklung dargelegt. Deshalb möchte ich mich auf ei-ige andere Punkte konzentrieren. Sie haben – auch inhrer Regierungserklärung – gesagt, die soziale Her-unft darf nicht die persönliche Zukunft entscheiden.uch das ist richtig. Wo sind aber die neuen Ansätze zurmsetzung dieser Erkenntnis? Jeder weiß, dass die früheörderung über Bildungschancen entscheidet: Im vor-chulischen Bereich und in der Grundschule fällt dientscheidung, nicht im Bereich der Studiengebühren.o sind Ansätze oder gar Programme für frühkindlicheildung? Wo sind Modelle wie zum Beispiel die engli-chen Early-Excellence-Centers?
Ihre Kollegen Steinbrück und von der Leyen redenber kostenlose Kinderbetreuung. Gerade die Verbin-ung von frühkindlicher Betreuung und frühkindlicherildung entscheidet ganz grundlegend über die persönli-hen Chancen im Bildungssystem. Gerade der Bereicher frühkindlichen Bildung muss aus unserer Sicht ganzntscheidend verbessert werden.
Ich frage mich, wo in dieser Debatte die eigenen Kon-epte der Bundesbildungsministerin bleiben. Wo bleibter bildungspolitische Akzent der Bundesregierung inieser Debatte? „Die soziale Herkunft darf nicht die per-önliche Zukunft entscheiden.“ – Richtig. Dann schaffenie aber auch Möglichkeiten. Tun sie gerade im Bil-ungsbereich etwas.Sehr verehrte Frau Kollegin Hinz, das Ganztags-chulprogramm hat nicht den Erfolg, den Sie gerne be-onen.
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Uwe BarthIm Jahr 2005 wurde die globale Minderausgabe zu gro-ßen Teilen aus dem fehlenden Mittelabruf aus diesemProgramm realisiert.
Das widerspricht Ihrer Darstellung ganz erheblich.
Nicht Bauten, sondern Bildung ist eine Investition.Deswegen fordere ich die Bundesregierung auf, geradeim Bildungsbereich mehr zu tun.
Wahrscheinlich wird dies aber wie Ihre eigenen, viel be-scheideneren Ansätze an der Föderalismusreform kläg-lich scheitern.Leider ist festzustellen, dass sich in den ersten Mona-ten nach der Amtsübernahme, in – wie wir seit vorges-tern wissen – Phase 1, in der Bildungspolitik noch nichtsWichtiges getan hat. Der Haushaltsentwurf ist letztlichein Abbild der Konturlosigkeit des bisherigen Regie-rungshandelns.
Die Ministerin hat den Entwurf als Aufbruch und HerrHagemann hat ihn gleichzeitig als Fortschreibung derrot-grünen Regierungspolitik bezeichnet. HerrHagemann, ich gestehe, dass ich näher bei Ihnen bin.Das ist aber gerade nicht der Aufbruch, den wir brau-chen.Liebe Frau Kollegin Aigner, Sie haben Herrn Einsteinund seine Relativitätstheorie bemüht. Mir kommt die Si-tuation in der Koalition ein bisschen so vor wie bei derheisenbergschen Unschärferelation: Die einen wissennicht, wo wir stehen, und die anderen wissen nicht ge-nau, wie schnell wir uns bewegen.
Sehr verehrte Frau Ministerin, wir von der FDP habenIhr Wort von der zweiten Chance ganz ausdrücklich be-grüßt. Jedes Jahr verlassen 8 bis 9 Prozent aller Schüle-rinnen und Schüler die allgemein bildenden Schulenohne jeden Abschluss. Wir brauchen gerade für dieseSchülerinnen und Schüler mehr Ausbildungsplätze. Wa-rum aber, so frage ich mich, kürzen Sie die Zuschüssefür die überbetrieblichen Ausbildungsstätten um5 Millionen Euro und den Ansatz für Jugendliche mitbesonderem Förderungsbedarf um weitere 4 Millio-nen Euro? Akzentsetzung für eine zweite Chance siehtfür mich etwas anders aus.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Sie wol-len den Hochschulen und Forschungseinrichtungen inDeutschland mehr Freiraum einräumen. Das hat die Mi-nisterin wiederholt geäußert. Bei allem Respekt, sehrvsHwtIbhnallfsFrtaIdFgrnsa–tiwgshodm
Wir brauchen aber keine Schwächung der Hochschu-en, sondern eine Verbesserung der Rahmenbedingungenür Bildung und Forschung in unserem Land. Dann wirdich unser Land im Sinne dessen, was Sie, sehr verehrterau Ministerin, eingangs gesagt haben und was auch Ih-er Regierungserklärung zu entnehmen war, zu einer in-ernational anerkannten Talentschmiede entwickeln. Fürlles, was zur Erreichung dieses Ziels beiträgt, kann ichhnen die Unterstützung der FDP-Fraktion zusagen.Vielen Dank.
Ich erteile nun das Wort dem Kollegen Jörg Tauss von
er SPD-Fraktion.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das ist keine neue Frisur; ich war bei einem anderenriseur.
Lieber Kollege Barth, ich bin von manchem, was Sieesagt haben – auch zum Thema Föderalismus-eform –, angetan. Bis Sonntag hatte sich das allerdingsoch anders angehört. Kollege Meinhardt – wir habenchon beim Rotwein im Nachtzug zusammengesessen –,uch bei Ihnen hat sich das anders angehört.
Ja, man pflegt ja die Kommunikation mit der Opposi-ion auf allen Ebenen, auch zu mitternächtlicher Stundem Speisewagen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, bis Sonntag habenir noch von Herrn Burgbacher und Herrn Westerwelleehört, dass die Föderalismusreform das Gelbe vom Eiei. Daher bin ich gespannt – Kollege Kauder sitzt weiterinten –, wie Baden-Württemberg sich zu diesem Themauten wird. Ich bin in der Tat der Auffassung, dass wiras eine oder andere hier sachlich und real besprechenüssen.
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Jörg Tauss
– Frau Flach, ich nehme Sie ausdrücklich aus. Es scheintja hier einen Wechsel zu geben. Nur, wenn Sie sagen, Siewollen mit uns zusammenarbeiten, dann möchte ich wis-sen, für welchen Teil der FDP Sie sprechen. Ich weiß,dass „liberal“ heißt, dass jeder das sagen darf, was er ge-rade sagen will. Aber das führt bei einem Thema wie derFöderalismusreform natürlich zu nichts.
Es wird spannende Diskussionen geben. Das ist völligklar.
Kollege Struck hat hier einiges zu diesem Thema ge-sagt und dazu, über welche Punkte man sachlich redenmuss. Kollege Kauder, ich halte es für vernünftig, wennwir über das alles miteinander und mit den Ländern dis-kutieren. Das passt genau zu dem, was Sie, liebe Kolle-gin Aigner, über die Raketen gesagt haben. Das ist einwunderbares Bild. Man kann sich das richtig vorstellen.Aber bei Raketen ist es so: Je höher sie steigen wollen,desto mehr Ballast müssen sie abwerfen. Stück um Stückfällt da etwas ab. Jetzt müssen wir nur aufpassen, dassvor lauter föderalem Ballast die Rakete nicht in eineUmlaufbahn gelangt und sie dort mit großem Brimbo-rium verglüht. Das wäre in der Tat nicht das, was wir bil-dungspolitisch wollen.
Kollegin Sitte – wo sie Recht hat, hat sie Recht –, derAbstand zwischen guten und schlechten Schülerin-nen und Schülern ist eine Tatsache. Das hat die PISA-Studie ergeben. Das ist ein viel dramatischerer Befundals das Problem, dass der eine oder andere nicht recht-zeitig Rechnen und Schreiben lernt. Das kann man nochlernen. Das hat nichts mit Bildung zu tun. Das ist Kultur-technik. Aber dass in der Tat der Abstand zwischen gu-ten und schlechten Schülerinnen und Schülern in keinervergleichbaren Industrienation so groß ist wie inDeutschland und dass vor allem die soziale Herkunft derentscheidende Punkt bei der Frage ist, ob jemand zu denSchlechten oder zu den Guten gehört, das ist das eigent-lich Dramatische, was aus den PISA-Ergebnissen he-rauszulesen ist.
Deshalb müssen wir uns um diese Punkte kümmern undsehen, was Bundeskanzler Schröder schon früher sagte:Bildung ist eine nationale Aufgabe. Wir sollten darüberreden, wer an welcher Stelle in sinnvollen Kooperatio-nen – nicht mit Kooperationsverbot – etwas bewirkenkann. Vor genau dieser Aufgabe stehen wir.
Das heißt dennoch – hier will ich keine Vermischunghaben –, dass selbstverständlich – so steht es in unseremGfsKIlDtkDtDrwdaBdtDldkmnaicDeGlsWzesvWDs
Liebe Kollegin Flach, Sie haben berechtigterweiseuf die Kontinuität zwischen der alten und der neuenundesregierung hingewiesen. Allerdings sollten Sie eser Kollegin Aigner nicht vorwerfen, dass sie ihre Rhe-orik etwas mehr ändern musste als ich meine.
as ist ja nicht schlimm. Denn wenn man einen neuen,ieben Koalitionspartner hat, muss man versuchen, or-entlich mit ihm zusammenzuarbeiten. Das ist völliglar und gilt auch für die Ministerin. Wir versuchen, ge-einsam Erfolg zu haben.Kollegin Aigner, Sie haben die Begehrlichkeiten ei-es räuberischen Landes aus dem Süden der Republikngesprochen. Dort wollten sich die alten Republiklerm gesamten Bereich der Technikentwicklung breit ma-hen.
iesen Versuch haben wir gemeinsam abgewehrt; denns ist vernünftig, dass das Forschungsministerium für dierundlagenforschung zuständig ist.In diesem Bundeshaushalt werden insgesamt 7,2 Mil-iarden Euro für die Bildung aufgewendet. Dies ge-chieht über alle Ressorts hinweg. Zwar kommt demirtschaftsministerium hier eine besondere Bedeutungu; aber alle Ressorts sind betroffen. Deswegen kommts darauf an, dass wir – das wollen wir auch tun – Res-ortforschung betreiben und alle Maßnahmen, die in denerschiedenen Ressorts anstehen, weiterhin evaluieren.
ir werden uns genau ansehen, was dort getan wird.enn wir wollen für das Geld, das wir zur Verfügungtellen, ein Höchstmaß an Forschung erreichen.
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Jörg TaussEines wissen wir – das muss ich sagen, wenn wirschon über Geld und Forschung reden –: Forschungkommt nicht ohne Geld aus.
Das, was bei der Forschung herauskommt, ist in einerVolkswirtschaft wieder Geld. Genau deshalb lohnt essich, in Bildung, Wissenschaft und Forschung zu inves-tieren.
Das, was in diesem Bereich geschieht, ist für die Zukunftunseres Landes sehr wichtig und für den Erhalt unserersozialen Sicherungssysteme sogar existenziell.Aus diesem Grunde ist es richtig, dass wir uns vor-nehmen, das 3-Prozent-Ziel zu erreichen: Bis 2010 sollder Anteil der öffentlichen und der privaten Investitio-nen in Bildung, Forschung und Entwicklung auf 3 Pro-zent des Bruttoinlandsprodukts gesteigert werden. ImRahmen dieses Einzelplans kann das nur teilweise reali-siert werden. Daher sind wir darauf angewiesen, dassuns auch die anderen Ressorts bei der Realisierung des3-Prozent-Ziels helfen.Auch die Wirtschaft muss ins Boot. Denn das 3-Pro-zent-Ziel bedeutet nicht, dass diese 3 Prozent aus staatli-chen Mitteln kommen sollen. Vielmehr soll 1 Prozent-punkt aus staatlichen Mitteln – aufgeteilt zwischen Bundund Länder – aufgewandt werden und 2 Prozentpunktesollen aus der Wirtschaft beigesteuert werden. KollegeRiesenhuber und ich haben uns bereits ein paar Gedan-ken gemacht, wie man die Rahmenbedingungen in die-sem Bereich verbessern kann. Noch sind nicht alle un-sere Vorschläge bei den Wirtschaftspolitikern auf großesInteresse und auf große Freude gestoßen, vor allem nichtbei den Finanzpolitikern, wie ich der Korrektheit halbersagen muss. Auch darüber werden wir miteinander dis-kutieren müssen. Ich denke, der Grundsatz, dass wir inunserem Land etwas für Bildung, Wissenschaft und For-schung tun müssen, ist anerkannt. Das halte ich für aus-gesprochen wichtig.Die Mittel für die Projektförderung haben wir um278 Millionen Euro aufgestockt; das ist ein wichtigesSignal. Für die Projektförderung außerhalb der Hoch-schulen haben wir 140 Millionen Euro zur Verfügunggestellt, auch jenseits der bekannten Bereiche, zum Bei-spiel für die Gesundheitsforschung. Wir werden unteranderem ein neues IT-Forschungsprogramm auflegen, dadas Programm „IT-Forschung 2006“ der alten Bundes-regierung ausläuft. Auch diesem Sektor werden wir unsin diesem Jahr, dem Jahr der Informatik, zuwenden. Dasist ein spannender Forschungsbereich.Natürlich gibt es auch ein paar Probleme; das ist völ-lig klar. Auch diese Probleme sind von den Haushälte-rinnen und Haushältern angesprochen worden. Zu nen-nen ist hier zum Beispiel die globale Minderausgabe.Aber auch bei diesem Thema sind wir uns einig, dass wirdiese globale Minderausgabe, die uns zum Teil von an-deren Häusern auferlegt wird – das ist kritisch anzumer-ken –, im Rahmen der Haushaltskonsolidierung erbrin-gen wollen und müssen.BFgr–DnszbmbaammspgcaPwmrlthsdkrktwDwU–fa
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Hier könnten wir uns seitens des Finanzministersoch mehr Freundlichkeit vorstellen. Denn es ist docho: Wenn andere Ressorts die Leistungsgesetze, die sieu erbringen haben, überziehen, bekommen wir die glo-ale Minderausgabe. Ich fände es prima, wenn wir ein-al anderen – beispielsweise beim BAföG – eine glo-ale Minderausgabe auferlegen könnten. Das ist jetztber natürlich reiner Egoismus. Die entscheidende Frageber ist: Wer soll für Leistungsgesetze aufkommen? Wirüssen die Ausgaben für das BAföG beispielsweise im-er aus unserem Etat finanzieren. Das ist ein Punkt, dericher nicht ganz unproblematisch ist.
Natürlich sind in Bezug auf den Haushalt noch einaar Fragen offen. Wir haben beispielsweise noch nichteklärt, wie es bei der Begabtenförderung in der berufli-hen Bildung aussieht. Dieses Thema müssen wir einmalnsprechen, Frau Ministerin; denn das ist ein wichtigerunkt, der über die Wirtschaft abgewickelt wird. Wennir für diesen Bereich schon so viel Geld ausgeben,öchte ich – gerade da wir ja über die Evaluierungeden – ganz gerne erfahren, wofür dieses Geld eigent-ich verwendet wird und was das Ergebnis dieser Begab-enförderung ist.Anderes Thema: Bildungskredite. Hier werden in er-eblichem Maße Ausfälle erwartet. Wir müssen einmalchauen, ob das wirklich so ist. Wenn die Ausfälle beien Bildungskrediten wirklich erheblich wachsen, dannann ich all denen, die kreditfinanzierte Studiengebüh-en einführen wollen – ich will es nicht, damit das völliglar ist –, viel Vergnügen mit den dadurch in den nächs-en Jahren entstehenden Belastungen für die Haushalteünschen.
as ist also ein interessanter Punkt, den wir behandelnerden.
Liebe Haushälterinnen und Haushälter – der von dernion ist gerade nicht da – –
Entschuldigung, Frau Aigner, ich hatte nur einen Blickür Sie. Der Kollege Kampeter hat sich schon der SPDngeschlossen. Ganz prima.
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Jörg Tauss– Nun sei doch nicht so. Wenn er Geld mitbringt, dannnehmen wir auch den.
Kollege Kampeter, es gibt natürlich Themen, über diewir auch künftig streiten wollen. Es geht hier konkret uminnovative Dienstleistungen. Wir haben immer darübergesprochen. Das ist ein wichtiger Punkt. Hier müssenwir selbstverständlich etwas tun.
Herr Kollege Tauss, gestatten Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Flach?
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das wäre mir recht, weil mir die Zeit ein bisschen
davonrennt. – Bitte schön, Kollegin Flach.
Mir auch, Herr Tauss. – Herr Tauss, ich mache mir
natürlich auch meine Gedanken über Ausfallrisiken.
Noch mehr interessiert mich aber, wie Sie mit Ihrer sehr
kritischen Einstellung zu dem Thema Studiengebühren
damit umgehen konnten, dass das Ganze jetzt von der
KfW für die von Ihnen getragene Bundesregierung ver-
antwortet wird. Hierauf hätte ich gerne eine Antwort von
Ihnen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Schade, ich habe geschaut, welche Teile meiner Redeich in der Beantwortung Ihrer Frage unterbringen kann.Aber dieses Thema wollte ich leider nicht streifen. Des-wegen ist das nicht möglich, aber die Frage beantworteich gerne.Auch zur Erläuterung für diejenigen, die sich nochnicht mit dieser Frage beschäftigt haben: Die KfW wirdkünftig Bildungskredite vergeben. Diesen Punkt haltenwir für selbstverständlich und für gut.
Darüber haben wir hier diskutiert. Wir haben allerdingsgesagt – das erwarten wir ganz klar –, dass wir aus die-sem Kreditprogramm keinerlei Risiken in irgendeinerForm für den Bundeshaushalt hinnehmen werden undwollen.
Die Kalkulation der KfW ist in der Tat so, dass sie mitdem Zinssatz, den sie erheben will, die Kredite und auchdie Ausfälle finanzieren wird.
–klgltwSngdLaüwdetghdrfageBF–IagrgdgvBvPtalsgiSditdKs
Wenn es meine Bank wäre, dann ginge es mir besser.ch schaue mir jeden Tag den Stand meines Girokontosn und bin deprimiert. Leider ist es nicht so. Diese Bankehört zu großen Teilen dem Bund und zu einem kleine-en Teil den Ländern. Aus diesem Grunde hat der Bundanz klar gesagt: Wir wollen keine Risiken übernehmen,ie aus der sonstigen Geschäftspolitik der KfW hervor-ehen. In diesem Punkt sind wir uns mit den Haushälternöllig einig.Ich komme zu den Themen zurück, die uns betreffen.ei dem Thema Deutsche Stiftung Friedensforschung istorhin jemand zusammengezuckt. Aber in diesemunkt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koali-ion, werden wir euch ein bisschen quälen. Ich sehe, dassuch der Kollege Heinz Schmitt anwesend ist. Wir wol-en, dass diese Stiftung auf ein solides Fundament ge-tellt wird, sodass sie eine gute Arbeit leisten kann. An-esichts der zunehmenden internationalen Konfliktherdest das ein wichtiger Punkt. Liebe Frau Ministerinchavan, natürlich werden wir unsere Wunschzettel zuen Gesprächen, die heute Abend beginnen, mitbringen.Ich sehe gerade, dass der Kollege Riesenhuber, dench sehr schätze, in Ihrer Nähe steht. Das ist ein Übeltä-er; denn er hat uns mit seinen Verträgen dazu gebracht,ass wir viele Milliarden Euro in die Abwicklung derernkraft, die wir gar nicht haben wollten, stecken müs-en.
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Jörg Tauss
Das belastet den Haushalt. Wie ich sehe, will der Kol-lege Riesenhuber eine Frage stellen. Das ist gut; denndas ist ein Teil meines Manuskriptes. Bitte fragen Sie.
Herr Kollege Riesenhuber, bitte sehr.
Hochverehrter Herr Kollege Tauss, sind Sie bereit,
zur Kenntnis zu nehmen, dass die vorzüglichen Verträge
zu den Reaktoren, beispielsweise zu dem in Karlsruhe,
von meinen Vorgängern abgeschlossen worden sind?
Das waren unter anderem Herr Bülow und Herr Hauff
– beide verdiente Minister der SPD –, deren großartige
Leistungen bis in die heutige Zeit, wie man deutlich
sieht, fortwirken.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
So ganz können Sie sich nicht herausmogeln. Ich
weiß von einem Vertrag, der Ihre Unterschrift trägt. Was
die Wiederaufbereitungsanlagen betrifft, hieß es damals:
1 Milliarde von der öffentlichen Hand – damals noch D-
Mark –, 1 Milliarde von der Kernenergiewirtschaft. Zwi-
schenzeitlich zahlt die öffentliche Hand nicht 1 Milliarde
DM, sondern 1 Milliarde Euro, während der Beitrag der
privaten Hand sich nicht verändert hat.
– Von wegen Blabla, lieber Kollege. Dass das für Sie ein
unangenehmes Thema ist, kann ich verstehen. Es wider-
legt nämlich maßgeblich die Legende, die gerade auch in
Baden-Württemberg gestreut wird, Atomkraft sei eine
billige Energie.
Lieber Kollege Hagemann, wie viele Millionen vom Etat
brauchen allein wir für den Abbruch?
– 320 Millionen Euro!
Herr Kollege, Sie sind bei der Beantwortung der
Frage.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich wollte dem Kollegen Riesenhuber lediglich kor-rekte Zahlen präsentieren. Allein 320 Millionen Eurobrauchen wir aus öffentlichen Forschungsmitteln, umden Abbruch zu finanzieren. Was könnten wir mit diesen320 Millionen Euro alles machen!AKHbuhAdfAdswwwHSAsrmiHl2htmFRtcmvnftDmtWgdlwinmrHn
us diesem Grunde, lieber Kollege Riesenhuber, warenie Verträge damals sicherlich einer Entwicklung ge-chuldet, die heute so nicht mehr akzeptiert werdenürde. Aber das Geld fehlt uns nichtsdestotrotz.Neben diesen Investitionen für den Ausstieg habenir auch ein paar erfreuliche Investitionen. Beispiels-eise werden wir in PETRA III, X-FEL, FAIR undALO investieren. Ich weiß jetzt nicht, ob alle hier imaal etwas mit diesen Fachbegriffen anfangen können.ber weil Frau Kollegin Aigner hinsichtlich der For-chungsmöglichkeiten im Weltraum vorhin so eupho-isch war, sage ich nur: Es gibt auch tolle Forschungs-öglichkeiten auf der Erde.PETRA III ist eine Lichtquelle der Superlative, diem Moment bei der Helmholtz-Gemeinschaft DESY inamburg errichtet wird. Mit dieser Synchrotronstrah-ungsquelle werden wir – ganz nebenbei kostet das25 Millionen Euro – die weltweit brillanteste Quelle fürarte Röntgenstrahlen haben. Dies eröffnet Möglichkei-en der Betrachtung, die heute noch außerhalb desenschlichen Ermessens liegen.Gleiches gilt für X-FEL. X-FEL ist ein Röntgenlicht-reie-Elektronen-Laser, der es ermöglicht, chemischeeaktionen künftig zu filmen. Wir werden also zukünf-ig nicht mehr nur auf ein Papier schauen, um uns einehemische Formel anzusehen, sondern wir können che-ische Reaktionen filmen. Wir können atomare Detailson Molekülen entschlüsseln und dreidimensionale Auf-ahmen aus dem Nanokosmos machen. Das sind alsoaszinierende und spannende Dinge.Das alles gilt auch für FAIR, das Beschleunigerzen-rum, in dem es um Antiprotonen und Ionen geht. Inarmstadt werden wir diese Wissenschaftsszene zusam-enführen, sodass dieses Zentrum ein weiterer Leucht-urm des Wissenschaftsstandortes Deutschland wird.enn wir schon in die Höhe gehen – wenn auch nichtanz so hoch wie die Rakete von Frau Aigner –, ist auchas Höhenforschungsflugzeug HALO zur wissenschaft-ichen Untersuchung der Erdatmosphäre und der Um-eltveränderungen zu nennen, an dem sich – auch dasst eine Erfolgsgeschichte – das BMBF mit 47,5 Millio-en Euro beteiligt. Das sind die spannenden Maßnah-en, die wir aus unserem Forschungshaushalt finanzie-en.Die Hochschulen sind bereits von unserem Kollegenagemann angesprochen worden. Erlauben Sie mir dazuoch eine Bemerkung. Es hilft uns nicht, in die
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Jörg Taussschönsten Sphären im Weltraum zu fliegen und über dietollsten Geräte zu verfügen, wenn wir keinen hinrei-chend ausgebildeten Nachwuchs haben, für den es auchentsprechende Stellen gibt.
Darum müssen wir uns kümmern. Deshalb begrüße ichIhre Äußerung sehr, Frau Kollegin Aigner, dass Kapazi-täten Teil des Paktes sein könnten. Ich fand diesen Vor-schlag, den auch wir bereits eingebracht haben, bemer-kenswert.Lassen Sie uns in diesem Zusammenhang über dieVerpflichtungen der Länder – ich denke, sogar über dasJahr 2013 hinaus – reden. Ich kann nicht ganz einsehen,dass wir bis 2013 die Mittel zweckgebunden zuweisen,danach aber im Zuge der Föderalismusreform nichtmehr. Ich sage dies auch deshalb, lieber Kollege Kauder,weil Sie immer meinen, die Reform sei das Gelbe vomEi. Wir können uns vielmehr vorstellen – das hat auchheute Morgen ein Gespräch mit Vertretern von Wissen-schaftsorganisationen bestätigt –, die Mittel für denHochschulpakt kapazitätsbezogen auszugeben, damitwir in diesem Bereich über das Jahr 2013 hinaus zu einervernünftigen Aufteilung der Mittel kommen, die denHochschulen auch weiterhin zur Verfügung stehen müs-sen, statt in andere Bereiche wie in den Straßenbau oderdie Beamtenpensionen zu fließen. Diese Bereiche sindzwar ebenfalls wichtig, aber wir brauchen das Geld fürdie Hochschulen.
Last but not least – ich sehe gerade, dass Sie mich anmeine Redezeit erinnern, liebe Frau Präsidentin – wirduns auch das BAföG in den nächsten Monaten und Jah-ren beschäftigen. Wir wollen nicht, dass das BAföG aus-gezehrt wird. Wir wollen – das haben wir auch kürzlichin der BAföG-Debatte deutlich gemacht – die Weiterent-wicklung des BAföG. Wir wollen den Koalitionsvertrageinhalten und jungen Menschen, die sich aus finanziel-len Gründen kein Studium leisten können, mit demBAföG die Perspektive bieten, ihr Studium zu finanzie-ren.Ich bedanke mich herzlich für die Aufmerksamkeit.
Nun hat die Kollegin Anna Lührmann, Fraktion des
Bündnisses 90/Die Grünen, das Wort.
– Ich halte mich auch gewöhnlich an die Redezeit.Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Sehr geehrter Herr Professor Riesenhuber,acDrdwGsZbtRvkvvGKnsRtnsTEagAnfhwzAdStgndggg
Ich will das vor allem für die anwesenden Gäste inelation zu zwei anderen Beispielen bringen. Denn un-er 220 Millionen Euro kann sich der Normalbürger zu-ächst einmal nichts vorstellen. Zum Vergleich: Im ge-amten Kapitel Information, Kommunikation und neueechnologien – eine Titelgruppe, in der wir Geld für dierforschung von neuen Bereichen ausgeben, in denenuch in Deutschland Arbeitsplätze entstehen können –eben wir 560 Millionen Euro aus. Das bedeutet: Dieusgaben, die für den Abbau der strahlenden Ruinenotwendig sind, betragen etwa die Hälfte der Ausgabenür Zukunftstechnologien, in denen Arbeitsplätze entste-en. Das halte ich für einen Skandal.
Ein weiteres Beispiel zum Vergleich: Die Regierungill mehr Geld für Forschung ausgeben. Das unterstüt-en wir als Grüne ausdrücklich.
ber auch hier werden – dies zeigt ein genauer Blick aufie Zahlen – 10 Prozent des Aufwuchses, den Frauchavan so stolz verkündet hat, für die gestiegenen Kos-en aus dem Abbau der kerntechnischen Versuchsanla-en eingesetzt werden müssen. Auch das halte ich für ei-en Skandal;
enn dadurch wird kein Arbeitsplatz, kein zukunftsfähi-es Produkt und keine neue Form der Energieerzeugungeschaffen, die in Zeiten begrenzter Ressourcen drin-end notwendig sind. Hier wurde in der Vergangenheit
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Anna Lührmannklar auf Kosten der Zukunft gewirtschaftet und wir müs-sen die Suppe jetzt auslöffeln.Insgesamt wurden allein für den Rückbau kerntechni-scher Versuchsanlagen 3 Milliarden Euro einkalkuliert.3 Milliarden Euro! Das muss man sich einmal auf derZunge zergehen lassen. So hoch ist die Summe der Aus-gaben für den Abbau der kerntechnischen Anlagen, diein der Vergangenheit getätigt worden sind, und der Aus-gaben, die in Zukunft erwartet werden. Darin sind nochnicht die Kosten für die Behebung von Umwelt- und Ge-sundheitsschäden, die in Zukunft vielleicht entstehenwerden, und erst recht nicht die Kosten für das nochnicht gefundene Endlager enthalten.Nun könnte man angesichts einer solchen Summemeinen, dass der Rückbau so effizient und so günstig fürden Steuerzahler wie möglich durchgeführt würde. AberFehlanzeige! Als Beispiel nenne ich die schon von HerrnTauss angeführte Wiederaufbereitungsanlage in Karls-ruhe. 1991 wurde ein Vertrag geschlossen; diesen habeich dabei, Herr Riesenhuber. Damals waren Sie bekannt-lich Minister für Forschung und Technologie. Es stimmtzwar, dass die Vorgängerregierungen Ihnen diese Suppeeingebrockt haben, weil sie diese Anlagen zu Konditio-nen aufbauen ließen, die Sie hinterher nicht mehr ändernkonnten. Aber der Vertrag von 1991 enthält die Klausel,dass die Wirtschaft ab einer bestimmten Höhe der Ab-bruchkosten aus der Finanzierung herauskommt. Einziemlich dickes Ding! Das heißt, der Steuerzahler trägtdiese Kosten allein.
– Stimmt, die Mehrheit der Kosten, vor allen Dingen dieKosten, die in Zukunft entstehen werden und die mannoch nicht beziffern kann.
Der Bundesrechnungshof hat kritisiert, dass hier eineGesellschaft mit der eigenen Abwicklung beauftragtwurde. Das kann doch gar nicht funktionieren; dennkeine Gesellschaft der Welt hat ein Interesse daran, sichselber abzuwickeln.
Es wurde nicht auf eine solide Finanzierungsgrundlageund darauf geachtet, dass das Ganze möglichst günstigfür den Steuerzahler abgewickelt wird. Das hat der Bun-desrechnungshof ebenfalls kritisiert. Darauf ist schon imFebruar dieses Jahres im Haushaltsausschuss eingegan-gen worden.Was macht nun die große Koalition? Sie macht dortmunter weiter, wo die Vorgängerregierung aufgehört hat.Sie haben den Ausstieg der Wirtschaft nach einer geleis-teten kleinen Ablasszahlung besiegelt. Damit ist dieWirtschaft draußen, was die zukünftigen Kosten angeht.Die Koalitionsfraktionen haben außerdem eine halbeMilliarde Euro freigegeben – das muss man sich einmalvorstellen –, ohne dass ein Kostenvoranschlag bzw. einKostenkonzept vorliegt oder ein Sanktionierungs- bzw.eWossnHei–mdmAuDdFdldBdnWHLwgluddtdrBTm
Natürlich muss das Zeug weg, Herr Kollege. Aber dasuss so effizient wie möglich geschehen und nichturch einen Blankoscheck, den man einem Unterneh-en ausstellt.An diesem Beispiel wird noch einmal deutlich: Dietomenergie ist nicht nur gefährlich, sondern ist auchnter finanziellen Gesichtspunkten ein Fass ohne Boden.eshalb muss so schnell wie möglich ausgestiegen wer-en.
rau Schavan, ich fordere Sie auf, dafür zu sorgen, dassie Altlasten so schnell und so kostengünstig wie mög-ich beseitigt werden; denn wir brauchen dieses Geldringend für die Forschung und andere zukunftsträchtigeereiche – zum Beispiel für erneuerbare Energien –, inenen Arbeitsplätze für junge Menschen entstehen kön-en.
Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus-Peter
illsch, CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frauührmann, noch so jung und schon so rückwärts ge-andt in der Diskussion! Sie haben sich nur mit der Ver-angenheit beschäftigt, als ob das bei Ihnen anders ge-aufen wäre. Ich finde, das ist bedauerlich. Wir solltenns im Wesentlichen mit der Zukunftsfähigkeit des Lan-es auseinander setzen.
Der Finanzplan des Bundes 2005 bis 2009 steht unterer Überschrift „Wachstumsorientierte Haushaltspoli-ik: Sanieren, Reformieren, Investieren“. Wenn wir unsiesen Dreiklang der großen Koalition vor Augen füh-en, dann stellen wir fest, dass wir es vor allem mit zweiereichen dieser drei Schlagworte zu tun haben. Zumhema Reformieren: Herr Tauss, Sie sollten noch ein-al die Koalitionsvereinbarung und alles andere lesen,
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Klaus-Peter Willschwas schon festgelegt ist. Natürlich brauchen wir eine Fö-deralismusreform, die die Zuständigkeiten von Bundund Ländern klärt; denn vieles von dem, was bei derVorgängerregierung völlig falsch gelaufen ist, ist derTatsache geschuldet, dass die Kompetenzen nicht klarwaren
und dass man sich in unproduktiven Rechtsstreitigkeiten– von Juniorprofessur über Studiengebühren bis hin zurAuseinandersetzung zwischen Bundestag und Bundesratüber die Verteilung der Exzellenzmittel – ergangen hat.Das ist alles eine Folge dessen, dass die Zuständigkeitenunklar waren. Deshalb tun wir als große Koalition gutdaran, im Zuge der Föderalismusreform die Zuständig-keiten im Bereich der Bildung – auch bei den Hochschu-len – im Wesentlichen wieder auf die Ländern zu kon-zentrieren; denn da gehört das hin, weil es da ordentlicherledigt wird.
Deshalb verstehe ich auch nicht den Irrglauben an dieKompetenz der höheren Ebene, der bei einigen immernoch fest in den Köpfen ist.
Gerade wenn wir uns die PISA-Ergebnisse anschauen,haben wir klar festzustellen, dass es Länder gibt, die dortgut mitspielen, weil sie über Jahrzehnte eine ordentlicheBildungspolitik gemacht haben. Wenn wir uns am gutenBeispiel orientieren – das ist es ja, was wir wollen: dasssich die guten Beispiele im Wettbewerb, auch im födera-len Wettbewerb, durchsetzen –, dann sind wir auf demrichtigen Weg. Ich bin überzeugt, dass wir das so mit-einander vereinbaren.
Wir haben uns – das liegt in der Natur der Konstella-tion, die wir jetzt eingegangen sind – dafür entschieden,das Vier-Milliarden-Programm weiter durchzuführen,gleichwohl die Art und Weise, wie es durchgeführt wird,für uns nicht hundertprozentig sinnhaft ist. Die Länderund die Kommunen haben sich aber auf das Geld einge-richtet und sollen es jetzt auch bekommen. Wir hättendas anders gemacht, wenn wir in der Verantwortung ge-wesen wären, aber es gehört zur Kontinuität von Regie-rungshandeln, dass wir dieses Programm jetzt durchfi-nanzieren und weiter zu den Aussagen stehen.
Der wichtigste Rohstoff, den wir haben, ist das Wis-sen, also das, was die Menschen in Deutschland zwi-schen den Ohren haben. Deshalb ist es so wichtig, dassder Staat gerade in der Grundlagenforschung seineAufgaben erledigt. Dementsprechend finden sich we-sentliche und wichtige Initiativen im Regierungsentwurffür den Einzelplan 30, die wir im Zuge der Haushalts-awuceanmzwbrkdwhkGJgaScBhÜgRddbtassLGDmE
etzt werden diejenigen, die kein Wort Deutsch können,efördert und bekommen Deutschkurse im Grundschul-lter. Wenn sie in sechs oder sieben Jahren aus demchulsystem herauskommen, wird ihre Leistung entspre-hend positiv sein. Dann haben wir einen wesentlicheneitrag geleistet.Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habeeute in der „Welt“ auf der Titelseite eine erfreulicheberschrift gelesen – vielleicht haben das andere auchelesen. Ich will das nicht sofort der Bilanz der neuenegierung zuschlagen, aber vielleicht hängen die Dingeoch zusammen. Jedenfalls ist in der „Welt“ heute aufer ersten Seite aus einer britischen Studie zu lesen:Deutsche haben die leistungsfähigsten GehirneEuropas.Nun wollen wir den Menschen die Möglichkeit ge-en, diese Gehirne im Rahmen einer sinnvollen Innova-ions- und Forschungspolitik zu entwickeln, damit wiruch in Zukunft – da spreche ich auch die jungen Men-chen, die auf der Tribüne sitzen, ganz gezielt an – ent-prechende Arbeitsplätze und Möglichkeiten in unseremand haben.All das, was wir heute nicht säen, werden zukünftigeenerationen nicht ernten können.
eshalb ist es so wichtig, dass wir diesen großen Hiebachen und die 6 Milliarden Euro für Forschung undntwicklung in diesem Lande einstellen.Danke für die Aufmerksamkeit.
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Zu diesem Geschäftsbereich liegen keine weiterenWortmeldungen vor.
Damit kommen wir zum Geschäftsbereich desBundesministeriums für Umwelt, Naturschutz undReaktorsicherheit, Einzelplan 16.Ich erteile das Wort für die Bundesregierung HerrnBundesminister Sigmar Gabriel.
Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit:Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hiermacht sich jemand über Gewichtsklassen lustig. Ichhabe einmal einem früheren Bundeskanzler gesagt: Lie-ber dick als doof. Sie müssen aufpassen, dass Sie nichtnoch zunehmen.
– Sie sind einen Meter größer als ich, wenn ich das rich-tig sehe.Meine Damen und Herren, ich bitte vorab um Ent-schuldigung für meine angeschlagene Stimme. Ich habeein Bonbon im Mund, weil ich etwas vergrippt bin, undhoffe, dass Sie das entschuldigen. Das ist keine Unhöf-lichkeit.
– Vielen Dank.Der Umwelthaushalt, der vorzustellen ist, beinhaltet– das wissen Sie – aufgrund des Koalitionsvertrages eineVielzahl von Aufgaben und Themen, die wir in denkommenden Jahren gemeinsam in der Koalition und hierim Parlament abarbeiten wollen.
Dazu zählen Themen wie die Errichtung einer StiftungNationales Naturerbe, wir haben Probleme im Bereichder Wasserrahmenrichtlinie aufzuarbeiten, wir müssenuns mehr im Bereich der Biodiversitätsstrategie engagie-ren, wir haben Aufgaben bei der Gentechnik, im ÖPNVund in der Abfallwirtschaft. All das ist Gegenstand derUmweltpolitik. Ich gestatte mir trotzdem, dass ich aufdie Aufzählung dessen, was wir im Koalitionsvertragverabredet haben und was sich auch im Haushalt wiederfindet, verzichte und versuche, den Haushalt anhand vonzwei Punkten darzustellen, die für mich und für uns inder Koalition die größten Herausforderungen der kom-menden Jahre darstellen.Die erste große Herausforderung, über die wir in die-sen Tagen besonders reden, ist die Frage, auf welcherGrundlage wir für sichere und kostengünstige Energiesorgen. Wie versorgen wir Haushalte mit mittleren undnHmaauskbEuzswDDngdvBgzMiFKdtaiemh–gm–EteMwngmeFFwv
Ich kann Sie leider nicht verstehen, würde Ihnen abererne zuhören. Wenn Sie eine Frage stellen wollen, dannachen Sie es.
Das wird wohl eher etwas mit den Nachwirkungen derreignisse, in die der Justizsenator verwickelt war, zuun gehabt haben.Im Ernst: Wir wissen, dass Hurrikans in Regionenntstehen, in denen es nie welche gab. Wir wissen, dassenschen in Afrika und Asien, die nichts für den Klima-andel können, darunter zu leiden haben und dass nichtur bei uns, sondern in vielen Teilen der Welt große Sor-en bezüglich der Frage existieren, ob man diesen Kli-awandel beherrschbar gestalten kann und ob die Erd-rwärmung mehr als 2 Grad betragen wird und damit dieolgen unbeherrschbar sind. Schon heute gibt es mehrlüchtlinge wegen Wassermangels aufgrund des Klima-andels als wegen Krieg und Bürgerkrieg.Das sind zwei gigantische Herausforderungen. Wieereinbaren wir Energiesicherheit und Klimaschutz? In
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Bundesminister Sigmar Gabrielden letzten Jahren und Jahrzehnten hatten wir die typi-sche Strategie, dass wir aus meiner Sicht immer defensivreagiert haben. Wir kennen solche Bedrohungen schonseit längerer Zeit. Wir wissen, dass etwas auf uns zu-kommt. Wir haben immer sehr defensiv reagiert, wir ha-ben über Grenzen des Wachstums geredet und wir habenKonsumverzicht gepredigt. Wir haben den Menschenvor allen Dingen große Sorgen vor ihrer Zukunft ge-macht. Wir haben ihnen beispielsweise gesagt: Konsu-miert nicht so viel! Verhindert weiteres Wachstum! Seidvorsichtiger! Seid skeptischer, was Technik angeht!Ich glaube, dass man angesichts der Entwicklung, mitder wir es zu tun haben, sagen muss: Diese defensiveStrategie ist gescheitert. Wir können weder den Brasilia-nern noch den Indern noch den Chinesen sagen: Stoppteure Wachstumserwartungen! Zahlreiche Menschen ha-ben bis heute keine Schuhe und keinen Zugang zur Ener-gie. Sie werden sich von uns nicht vorschreiben lassen,ihr soziales, ihr wirtschaftliches, ihr kulturelles Wachs-tum zu bremsen und nicht so viel Energie zu verbrau-chen, um eine Klimakatastrophe zu verhindern.Wir werden das übrigens auch unserer eigenen Bür-gern nicht wirklich nahe bringen können. Viele von unsleben nicht im Konsumparadies, sondern haben mittlereund niedrige Einkommen und sind auf Wachstum ange-wiesen, um beschäftigt zu werden. Außerdem müssensie Energie verbrauchen, zum Beispiel um zur Arbeit zukommen. Das Predigen von Grenzen des Wachstumsund von Konsumverzicht allein ist in der Vergangenheitkeine Strategie gewesen, die dazu geführt hat, dass wirdie Herausforderungen haben bewältigen können.Die eigentliche Frage ist: Wie sieht eine offensiveStrategie aus, die nicht ausschließlich darauf setzt, denMenschen zu sagen: Kauft nicht so viel! Fahrt nicht soviel Auto! Produziert nicht so viel! Verbraucht nicht soviel Energie! Haltet euch in eurer Entwicklung zurück! –Mit einer anderen, offensiven Strategie sollte man viel-mehr versuchen, die mit Energieknappheit und Klima-wandel verbundenen Herausforderungen zu bewältigen,indem man klar macht: Wir werden Energieverbrauchund Wachstum entkoppeln müssen. Wir müssen Wohl-stand, soziales, wirtschaftliches, kulturelles Wachstumvon der Zerstörung des Klimas entkoppeln.Ich glaube, dass es wirklich eine Idee gibt, die dieseoffensive Strategie beinhaltet. Im Umweltsektor, in derWirtschaftspolitik, in der Forschungspolitik müssen wirsie gemeinsam aufgreifen: Im Kern geht es um die Wie-derentdeckung der Idee des technischen Fortschritts.
Ziel ist, die Chancen zu nutzen und zugleich die Heraus-forderungen anzunehmen. Hier vorne sitzt ein frivolerZwischenrufer, der glaubt, das, worüber wir hier reden,sei ganz lustig. Herr Kollege, es geht nicht darum, in dieBlindheit des Fortschrittsglaubens der 70er-Jahre zu-rückzufallen.
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Das stellt übrigens den Menschen in den Mittelpunkt.s geht nicht nur darum, seine Probleme zu lösen, son-ern auch um seine Kompetenz, seine Qualifikation,eine Fähigkeit zur Mitarbeit, zur Mitbestimmung, zurolitischen Aktion, seine Fähigkeit, sich ausbilden zuassen, Forschung zu betreiben. Ich verweise auf Inge-ieure, Wissenschaftler, Facharbeiter, Manager.
„Ingenieurinnen“ hat jemand zugerufen. Natürlich! Esibt sowieso mehr kluge Studentinnen als Studenten,abe ich gelesen. Das muss uns Männer ein bisschen be-nruhigen. Wir müssen uns mehr anstrengen. Das zeigtber auch, dass es notwendig ist – wir haben vorhin kurzber Ganztagsschulen geredet –, mehr dafür zu tun, dassrauen nach Schule und Studium ins Berufsleben eintre-en und dort bleiben.Es geht also um die Frage: Wie setzen wir auf Qualifi-ation, auf Forschung, auf Entwicklung? Ich glaube,ort liegt Deutschlands Chance, dort kann es sich ein-ringen. Wir sehen auch, dass wir damit Erfolge haben.ir sehen, dass in Freiburg in der Grundlagenforschunges Fraunhofer-Instituts in der Fotovoltaik mit den Her-tellern kooperiert wird. Wir sehen, dass in Thalheim iner Fotovoltaik in Sachsen-Anhalt schon mehr als000 Arbeitsplätze entstanden sind und noch über 2 000ntstehen werden. Wir sehen, dass es in einer struktur-chwachen Region, in Ostfriesland, inzwischen mehr als000 Arbeitsplätze rund um die Windenergie gibt, undwar nicht nur im Bau solcher Anlagen, sondern auch iner Forschung und in dem, was darüber hinaus entstehenann. Wir sehen, dass bei Choren in Freiberg oder auchn Mecklenburg-Vorpommern neue Kraftstoffe entwi-kelt werden, und zwar auf industrieller Basis. Das
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Bundesminister Sigmar Gabrielheißt: weg vom Öl, weniger Schadstoffausstoß und einegigantische Perspektive für Arbeitsplätze.
Der Haushalt des Umweltministeriums spiegelt diesesSetzen auf Innovationsfähigkeit, auf Integrationsfähig-keit, auf die Wiederentdeckung der Idee des technischenFortschritts wider. Wir haben etwas geschafft, das vonuns nicht erwartet worden ist, auf das wir aber durchausstolz sind. Wir haben den Haushalt für Forschung undEntwicklung im Bereich erneuerbarer Energien prak-tisch verdoppelt. Wir werden hier am Ende der Legisla-turperiode bei knapp unter 100 Millionen Euro an Mit-teln für Forschung und Entwicklung liegen. Das ist mehrals eine Verdopplung gegenüber der letzten Legislatur-periode – ein gewaltiger Erfolg –,
was übrigens auch insofern gut ist, als wir den zweitenwichtigen Teil im Bereich erneuerbarer Wärmetechnolo-gien, das Marktanreizprogramm, stabil bei 180 Millio-nen Euro halten; es gibt hier keine Kürzung. DiesesMarktanreizprogramm muss zudem nicht mehr, wie inder Vergangenheit, den Titel für Forschung und Ent-wicklung nutzen – das war bisher sozusagen gegenseitigdeckungsfähig –, weil bei Forschung und Entwicklungab diesem Jahr und in den Folgejahren genug Geld fürden Bereich der erneuerbaren Energien vorhanden ist.Von daher sind die Verdoppelung des F-und-E-Etats fürdie erneuerbaren Energien und die Kontinuität bei derFinanzausstattung im Bereich des Marktanreizpro-gramms zwei große Erfolge. Hier geht es um den schla-fenden Riesen der erneuerbaren Wärmetechnologien;Sie wissen, dass in dem Koalitionsvertrag das Ziel ent-halten ist, auf diesem Gebiet in den kommenden Jahrendeutlich voranzukommen – zwei große Erfolge.Daneben sind Haushaltsmittel für Klimaschutzpolitikim Ressort des Kollegen Tiefensee veranschlagt: Vier-mal 1,4 Milliarden Euro für das CO2-Gebäudesanie-rungsprogramm. Viermal 1,4 Milliarden! Ich erinneremich daran, dass wir darüber in den Koalitionsverhand-lungen zum Umweltbereich verhandelt haben. Sozusa-gen das Erste, was CDU/CSU und SPD miteinander ver-abredet hatten, war diese gewaltige Steigerung. Icherinnere mich an Äußerungen von den Oppositionspar-teien dazu; da hat man nicht geglaubt, dass wir auch nurdie Hälfte dessen hinbekommen. Es ist wirklich ein rie-siges Gewinnerprogramm. Wir senken den Energiever-brauch der Haushalte und damit auch der einzelnen Ver-braucher. Wir senken den CO2-Ausstoß. Wir senken vorallem die Arbeitslosigkeit, weil hier Aufträge entstehen,die an die kleinen Handwerksbetriebe gehen, durch die10 000, 20 000, 30 000 Jobs gesichert werden.
Sie wissen, dass wir gemeinsam mit Frau Schavan ander Hightechstrategie arbeiten, weil wir natürlich auch inanderen Bereichen, bei Kohle und Gas, neue Technolo-gien brauchen. Wir müssen zu mehr Effizienz kommen.WwEbvmbwuSnMwwbtguowEgnhagmEIwdbsdsrSvGARs
ch glaube, dass das die Wahl zwischen Pest und Choleraäre. Aber wir wollen gesund werden und nicht an einerieser beiden Krankheiten leiden.Es stimmt aber auch – ich wiederhole das –, dasseide Koalitionsparteien, egal wie sie zur Kernenergietehen, die Endlagerfragen lösen müssen. Wir haben unsas gemeinsam vorgenommen und werden das sehrachgerecht tun. Ich glaube, dass wir auch in diesem Be-eich auf einem guten Wege sind.Ich danke Ihnen sehr für Ihre Geduld mit meinertimme und für Ihre Aufmerksamkeit.
Als nächster Redner hat der Kollege Michael Kauch
on der FDP-Fraktion das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herrabriel, Sie haben am Schluss dann doch noch ein paarussagen zum Haushalt gemacht; den größten Teil Ihreredezeit haben Sie darauf verwendet, die umweltpoliti-che Situation im Allgemeinen in Deutschland und in
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Michael Kauchder Welt zu erklären, und haben relativ wenig dazu ge-sagt, was die Bundesregierung eigentlich zu tun gedenkt.Hier hätten wir mehr von Ihnen erwartet.
Für die Liberalen stehen zwei Themen auf derAgenda: die Sicherstellung der nuklearen Entsorgungund neue Offensiven zum Klimaschutz. Dabei geht esuns vor allem um neue Initiativen für Energieeffizienz,um alternative Antriebe und um eine Weiterentwicklungdes Emissionshandels. Zugleich erwarten wir aber, dassendlich auch die Themen der Umweltpolitik vernünftigangegangen werden, die in den letzten Jahren eher Stief-kinder waren. Dazu gehört beispielsweise die Liberali-sierung der Entsorgungswirtschaft. Wir brauchen Wett-bewerb im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, die dieGebühren zu zahlen haben.
Wir brauchen auch eine längst überfällige Schwer-punktsetzung im Bereich des Lärmschutzes. Die Mo-dernisierung des Fluglärmgesetzes reicht hier nicht aus.Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist für viele An-wohner schlichtweg eine Enttäuschung; denn er schafftAnwohner erster, zweiter und dritter Klasse beim Lärm-schutz, nur weil die Bundesregierung nicht bereit ist, beiihren Militärflughäfen das Gleiche an Schallschutz zuleisten, was sie den Verkehrsflughäfen auferlegt. Das istnicht fair, meine Damen und Herren.
Die Enttäuschung geht beim Schienenlärm weiter.Auch hier gibt es nichts Neues von der großen Koalition.Die FDP will dagegen mit ihren Anträgen, die wir ein-bringen werden, neue Akzente setzen. Wir wollen Mittelaus dem Umweltetat in das Lärmsanierungsprogrammdes Verkehrsministers stecken und dieses Programm fürdie technische Nachrüstung von Güterwaggons öffnen;denn Lärmschutz an der Quelle ist der Schlüssel zumLärmschutz an der Schiene.
– Das werden Sie im Ausschuss sehen.Meine Damen und Herren, so langsam werden dieUngereimtheiten innerhalb der Bundesregierung auchhinsichtlich des Klimaschutzes offenbar, konkret bei derVerabschiedung des Allokationsplans für den CO2-Emissionshandel ab 2008. Während UmweltministerGabriel laut einer Agenturmeldung die Versteigerung derEmissionsrechte negativ kommentiert, hat der Finanzmi-nister im Haushaltsausschuss gerade dies in Aussicht ge-stellt. Was gilt denn nun? Und wie, wenn nicht durch dieVersteigerung der Zertifikate, will der Umweltministerdie so genannten Windfall-Profits der vier großen Ener-gieversorger abschöpfen?
Wir Liberale haben große Sympathie dafür, dass wirdie 10 Prozent der Zertifikate, die EU-rechtlich zulässigsdcdtEdnlSmbwdmDzusnWemetntegddfHwmdetkNwsdwkdiess
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Herr Minister Gabriel, Sie haben kaum neue Akzentemit diesem Haushalt gesetzt. Die FDP wird deshalb inden nächsten Wochen in den Haushaltsberatungen ent-sprechende Anträge einbringen, die aufzeigen, wie wirklug kürzen und umschichten wollen, damit mehr Um-weltschutz als bisher durch diesen Haushalt möglichwird. Wir erwarten von der großen Koalition, dass sieunsere Anträge nicht einfach beiseite wischt, weil sievon uns kommen, sondern dass sie sie zumindest ernst-haft prüft.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Katherina Reiche von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen undKollegen! Wohlstand hat mehrere Dimensionen und kei-neswegs nur eine materielle. Die Verfügbarkeit von Roh-stoffen und Ressourcen, die Sicherung unserer natürli-chen Lebensgrundlagen sowie eine intakte Umwelt sindfür uns Grundvoraussetzungen für den Wohlstand imLande. Umweltschutz ist damit auch Zukunftssicherung.
Klaus Töpfer hat einmal treffend formuliert, dasRaumschiff Erde sei in Atemnot. Der weiterhin massiveAnstieg der Weltbevölkerung und die wirtschaftlicheDynamik in den Industriestaaten, aber auch in den Ent-wicklungs- und Schwellenländern stellen uns vor großeHerausforderungen.Die Erde als vernetztes Natursystem hat einen erheb-lichen Erschöpfungszustand erreicht. Der „Spiegel“ die-ser Woche titelt sehr bewusst: „Der neue Kalte Krieg –Kampf um die Rohstoffe“.Erstes Beispiel: Mangel an Süßwasser. In verschie-denen Regionen der Welt ist dieser Mangel bereits er-schreckende Wirklichkeit. Das 4. Welt-Wasser-Forumder Vereinten Nationen, das in der vergangenen Wochegetagt hat, hat uns noch einmal die dramatischen Zahlenvor Augen führt: 1 Milliarde Menschen auf der Welt ha-ben keinen Zugang zu sauberem Wasser, 2,6 MilliardenMenschen sind von sanitären Einrichtungen abgeschnit-ten. Damit ist die Versorgung mit sauberem Wasser eineökologische, ökonomische und soziale Frage zugleich.EmmEfemJzugsWvIpddtEHEnE5w6ÖEzgdwLEgntEFgnDpHinSesgd
er Handlungsbedarf und die Bedeutung der Energie-olitik sind erkannt, zumal in dieser Bundesregierung.äufig mangelt es noch an konkreten Umsetzungen, wasch keineswegs nur auf die Politik reduziere.Erstens. Energie muss intelligenter und effizienter ge-utzt und der Verbrauch reduziert werden. Zweitens. Dietrategie „Weg vom Öl“ muss dazu führen, dass mehrrneuerbare Energien zur Strom-, Wärme- und Kraft-toffgewinnung eingesetzt werden. Drittens. Die Ener-ieforschung muss gestärkt werden, um innovative Pro-ukte auf den Markt zu bringen.
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Katherina Reiche
Wir werden uns also daran machen, die Energiefor-schung in den kommenden Jahren zukunftsfähig zu ge-stalten. Hierfür hat sich die große Koalition einige ehr-geizige Ziele gesetzt und bereits konkrete Maßnahmenergriffen. Die Energieeffizienz soll bis zum Jahr 2020 imVergleich zu 1990 verdoppelt werden. Wir wollen denAnteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauchbis zum Jahr 2020 auf mindestens 20 Prozent anheben.Wir wollen eine Innovationsoffensive „Energie fürDeutschland“ dazu nutzen, uns im Bereich der Energie-technologien an der Stelle an die Weltspitze zu setzen,wo wir noch nicht Weltspitze sind. Der Gebäudebestandin Deutschland wird modernisiert. 1,4 Milliarden Eurowerden dafür in die Hand genommen. Angesichts einerangespannten Haushaltslage ein wirklicher Kraftakt!
Auch die – zugegebenermaßen geringen – Steigerungender Mittel im Umwelthaushalt um knapp 1 Prozent sindein wichtiges Zeichen.Aber dass nicht nur im Umweltministerium, sonderndass auch in anderen Ressorts massive Anstrengungenfür Umweltschutz und Nachhaltigkeit unternommenwerden, ist ein Beweis dafür, dass der Koalition insge-samt der Umweltschutz ein Anliegen ist.
Wir sollten uns in den kommenden Monaten ganz genauanschauen, welche Impulse durch das Gebäudesanie-rungsprogramm ausgelöst werden. Denn vielleicht istdieses Programm zusammen mit dem Marktanreizpro-gramm so erfolgreich, dass weitere, zusätzliche Instru-mente im Wärmebereich nicht notwendig sind. Wir soll-ten uns zumindest die Zeit nehmen, diese Entwicklungzu beobachten.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle ein paar Worte zumEmissionshandel. Wir müssen bis zum 30. Juni den na-tionalen Allokationsplan melden. Die Ausstattung derdeutschen Wirtschaft mit Emissionsberechtigungen wirdentscheidenden Einfluss auf unsere Wettbewerbsfähig-keit und damit auch auf Investitionen und weitere Ar-beitsplätze haben. Dabei muss man berücksichtigen,dass die Situation in Deutschland nun einmal anders istals in anderen europäischen Staaten. Ich glaube, es be-darf noch vieler Gespräche mit der Europäischen Kom-mission.Wir müssen bei der Aufstellung des Allokationsplansdarauf achten, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrun-gen kommt und dass Wachstum möglich ist. Deshalbwollen wir schon noch einmal über das Thema Verstei-gerung reden, auch darüber, ob eine Versteigerung wirt-schaftlich sinnvoll und notwendig ist.
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ch finde, wir brauchen eine grüne Welle für die nach-achsenden Rohstoffe. Wir sollten das Ziel haben, unsur führenden Nation in der biobasierten Wirtschaft zuntwickeln. Andere Länder schlafen nicht. Schweden hatier massive Anstrengungen unternommen. Auch dieSA – mag man es belächeln – haben schon sehr vieleld in die Hand genommen, um ihre Abhängigkeit voml zu reduzieren.
Deutschland gehört zu den führenden Ländern in dermweltpolitik. Das hohe Schutzniveau kommt nichtur der Umwelt und den Menschen zugute. Es ist zu-leich Motor für qualitatives Wachstum und Beschäfti-ung. Basierend auf dem hohen Umweltschutzniveau,as wir in Deutschland erreicht haben, müssen wir diemweltpolitik weiterentwickeln und modernisieren. Esuss langfristige Leitlinien geben, auf die sich die Un-ernehmen einstellen können und mit denen sie Pla-ungs- und Investitionssicherheit haben.Wir waren in Deutschland schon einmal so weit. Dierühere Bundesministerin Angela Merkel hat 1998 einchwerpunktprogramm vorgelegt, an dem es sich, wiech meine, zu orientieren lohnt. Wir brauchen eine Artasterplan, in dem systematisch quantifizierbare Ziele,eitvorgaben und Maßnahmen formuliert werden. Wirüssen uns abgewöhnen, aktuellen Gefahren hinterher-ulaufen. In diesem Sinne ist Umweltschutz ein Mara-hon. Ob Sie sich zum Ironman eignen, Herr Minister,erden wir sehen. Auf jeden Fall hilft es der Fitness.
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Katherina Reiche
Deutsche Unternehmen sind in den Bereichen Um-welttechnik, Wasserreinigung und Abfallentsorgungweltweit führend. 1,5 Millionen Menschen sind hier be-schäftigt. Allein im Bereich der erneuerbaren Energienbestehen mittlerweile 170 000 Arbeitsplätze.
Dem deutschen Ingenieur ist bekanntlich nichts zu„schwör“. Deshalb wollen wir daran arbeiten, dass dieseinnovative Zunft sich in Deutschland weiterhin entfaltenund vernünftige Produkte entwickeln kann.Meine Damen und Herren, ich habe zu Anfang mei-ner Rede gesagt, dass Wohlstand mehrere Dimensionenhat, nicht nur eine materielle. Deshalb lohnt sich jedesEngagement auf diesem wichtigen Feld. Wir werden dieRegierung bei ihren Handlungen unterstützen.Vielen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Eva Bulling-Schröter
von der Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wie wir alle wissen, ist der Umwelthaushalt kein Inves-titionshaushalt wie etwa der Verkehrshaushalt. Der Um-weltminister bewegt keine Milliarden; die Finanzierungvon Umweltschutzausgaben ist im Wesentlichen Auf-gabe der Länder. Entsprechend klein ist das Budget desEinzelplans 16. Gleichwohl ist der Bundeshaushalt ins-gesamt von erheblicher Bedeutung dafür, ob und wieweit sich Deutschland in Richtung einer ökologisch undsozial nachhaltigen Entwicklung bewegt, sei es im schonerwähnten Verkehrshaushalt, im Forschungs- und Wirt-schaftsetat oder beim Budget zur Förderung von Ener-gieeffizienz und erneuerbaren Energien im Umwelthaus-halt selbst. Unter dem Strich ist die Bundesrepublik nochweit von einer umweltverträglichen Entwicklung ent-fernt. Das gilt insbesondere für die gigantischen Res-sourcen, die unsere Volkswirtschaft täglich verschlingt.„Der Spiegel“ hat zufällig in dieser Woche mit diesemThema aufgemacht, „Die Zeit“ in der letzten Woche.Ich sage Ihnen: Dieses Jahrhundert wird – muss – dasJahrhundert der Ressourcen- und Energieeffizienzsein. Schon aus sicherheitspolitischen Gründen ist eszwingend notwendig, Deutschland hinsichtlich der Roh-stoffbereitstellung aus Abhängigkeiten zu befreien, aller-dings nicht mit einem Bundeswehreinsatz im rohstoffrei-chen Kongo, wie es Herrn Stoiber und anderenvorschwebt. Stoiber hat das unsinnige Abenteuer zuletzttatsächlich mit der Notwendigkeit der Sicherung vonRohstoffen für die deutsche Volkswirtschaft begründet.Da war er also einmal ehrlich.sMgwdsHmrNptseAsoTEIwtmsRewiTdztbiGwEEPsSt–skgnwn
Lieber Steffen, wir meinen: Gerade dezentral herge-tellten Biokraftstoffen, die in Reinform in den Tankommen, muss zum Durchbruch verholfen werden. Dieeplante Beimischungspflicht nutzt deren Herstellernaturgemäß überhaupt nichts. Die neue Steuer wird sieirtschaftlich erdrosseln. Bitte überlegen Sie sich dasoch einmal!
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Eva Bulling-SchröterDie Strategie der Bundesregierung in Sachen Bio-treibstoffe wird vor allem die großen Mineralölkonzernefreuen; denn sie können sich problemlos mit der Beimi-schungsquote arrangieren. Nebenbei wird das Ganzenoch als Leistung für den Klimaschutz gemäß derSelbstverpflichtung der Automobilindustrie angerech-net. Ein guter Deal!Auch mit dem geplanten Börsengang der Bahn odermit der Verwirklichung des nunmehr bayerischenWunschtraums, des Baus einer Transrapidstrecke, wirdeine zukunftsfähige Verkehrspolitik nicht befördert, son-dern blockiert. Die Folge wird sein: weniger Geld undChancen für den öffentlichen und schienengebundenenVerkehr in der Fläche, dafür mehr Verkehr auf derStraße. Mehr Gerechtigkeit heißt für uns: Ölverbrauchvermindern, um dadurch dem Klimawandel und Kon-flikten vorzubeugen, sowie die Rohstoffe auf einem Ni-veau halten, damit sie sich auch ärmere Länder leistenkönnen.
Der Energiegipfel in der nächsten Woche wird nichtzu einer Energiewende führen. Die Rahmenbedingungenfür die Kohleverstromung sollen verbessert werden. Ichfinde diese Forderung reichlich unverschämt. Der Koh-leverstromung geht es blendend. Das sieht man schon al-lein an den astronomischen Gewinnen der Konzerne.Das ist kein Wunder. Bei der Zuteilung und Übertragungvon Emissionszertifikaten wurden RWE und Co. groß-zügig bedacht. Die verschenkten Zertifikate haben sietrotzdem in die Tarife eingespeist. Von den direkten Sub-ventionen wollen wir gar nicht erst reden.Wir sind gespannt, inwieweit die Bundesregierunghierbei Rückgrat beweist und ob sie – das wäre nochbesser – die Bevorteilung der Kohleverstromung, diedurch Rot-Grün im NAP I festgezurrt wurde, endlich be-endet.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl
von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister Gabriel, zunächst einmal meinen herzli-chen Glückwunsch! Sie haben im Haushalt für den Be-reich Umwelt von Ihrem Koalitionspartner mehr Zuge-ständnisse bekommen als wir in den letzten Jahren vonunserem.Die entscheidende Frage ist aber nicht, wie viel manbekommt, sondern was man damit macht.
Welchen Wert hat die Umwelt also im Haushalt und wel-chen Stellenwert hat sie im politischen Tun? Am Stellen-wert der Umweltpolitik haben wir, gemessen an IhrenWorten, selten etwas auszusetzen. Das klingt meistensrichtig gut. Das heißt, beim Thema Ökologie klingt dasnach Fortführung grüner Umweltpolitik.eEb„daukSeus–SndwakumadiShdemSdmdws1dis„gr–
Doch, ich erzähle Ihnen etwas vom Haushalt. – Dassie dazu in der Lage sind, zeigen Sie an anderer Stelle,ämlich bei dem erfreulichen Abschied von der Zersie-elungsprämie, sprich: Eigenheimzulage.Zukunftsfähige Energiepolitik muss aber heißen:eg vom Öl, weg von der Kohle, weg von Emissionenusstoßenden Kohlekraftwerken, weg von der Atom-raft – hin zu erneuerbaren Energien, hin zur Effizienznd hin zur Einspartechnologie. Das alles gehört zusam-en und gelingt nur zusammen.
Beim Gebäudesanierungsprogramm setzt sich die Ko-lition ehrgeizige Ziele. Ich will jetzt überhaupt nichtarauf herumreiten, dass der grüne Teil von Rot-Grünmmer für eine Aufstockung der Mittel war und sich diePD immer dagegen verwahrt hat. Wenn die im Haus-alt veranschlagten Mittel in Höhe von 1,4 Milliar-en Euro tatsächlich zeitnah zur Verfügung stehen undingesetzt werden, dann freut sich darüber niemandehr als jeder einzelne Grüne.Das ist aber auch der einzige Punkt, an dem Sie dietrategie „Weg vom Öl“ offensiv verfolgen. Nehmen wirie Biotreibstoffe und die Steuerfrage. Rot-Grün hatteit der Steuerbefreiung für Biotreibstoffe bis Ende 2009ie richtigen Rahmenbedingungen für innovative Ent-icklungen geschaffen. Die jetzt vom Kabinett be-chlossene Besteuerung der Biokraftstoffe in Höhe von0 bis 15 Cent pro Liter macht nicht nur einem wachsen-en heimischen Wirtschaftsbereich den Garaus, sondernst vor allem eine völlig falsche Richtungsentscheidung,ie führt nämlich hin zum Öl. Was Sie mit der StrategieWeg vom Öl“ und mit dem Gebäudesanierungspro-ramm aufbauen, reißen Sie mit der zu hohen Besteue-ung der Biokraftstoffe wieder ein.
Herr Minister, Ihr Engagement beim KlimaschutzSie haben in Montreal unbestritten eine gute Figur ge-
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Sylvia Kotting-Uhlmacht – wirkt auf den zweiten Blick nur zur Hälfteglaubwürdig. Es wird jetzt darauf ankommen, wie derzweite Nationale Allokationsplan, den die Bundes-regierung bis zum Sommer vorgelegt haben muss, ausse-hen wird, ob sich anspruchsvolle Klimaschutzziele undnicht Aufweichungswünsche der Industrie, wie wir dasan anderen Beispielen schon erfahren mussten, durchset-zen werden.Lassen Sie mich nur an Ihre erste Amtshandlung,Stichwort REACH, erinnern. Da wurden die Gesund-heits- und Umweltinteressen der Allgemeinheit und zu-künftige Marktchancen den kurzsichtigen Lobbyinteres-sen der chemischen Industrie geopfert.
Ökologische Rhetorik, Herr Minister und Kollegen vonder Union, ist nicht verkehrt. Wir pflegen sie selbst gern.Aber sie muss von entsprechendem Tun begleitet wer-den. Vieles Ihrer Rhetorik ist bisher Ankündigung ge-blieben oder von nicht entsprechendem Tun überholtworden.
Zu dem Beispiel Feinstaub. Am 22. Februar 2006 hatdie Bundesregierung zwar endlich die Emissionskenn-zeichnung von Fahrzeugen beschlossen, aber das im Ko-alitionsvertrag angekündigte Förderprogramm zur Nach-rüstung von Altfahrzeugen vermissen wir immer noch,und das, obwohl die Grenzwertüberschreitung an vielenOrten die zulässige Anzahl von Tagen bereits erreichthat.Zu dem Beispiel Naturschutz. Einerseits kündigenSie an, den grünen Ansatz im Naturschutz fortschreibenzu wollen, andererseits wollen Sie – das stand erst ges-tern wieder im „Focus“ – der so genannten Grünen Gen-technik den Weg bereiten, und das, obwohl vorliegendeStudien zu der Auswirkung der Agrogentechnik auf dieArtenvielfalt zu einem verheerenden Ergebnis kommen.Herr Minister, unter einem wirksamen Naturschutzverstehen wir – im Gegensatz zu Ihnen – mehr als nurdie Ausweisung von Schutzgebieten. Wem der Natur-schutz wirklich ein Anliegen ist, der macht sich nichtzum Anwalt der Agrogentechnikindustrie mit ihrenkurzsichtigen Profitinteressen.
Wird das so weitergehen oder werden Sie, HerrMinister, wenigstens bei der Föderalismusreform Ih-rem angekündigten Unmut über die Vorschläge zumUmweltrecht Taten folgen lassen? UmweltpolitischeKleinstaaterei und ein womöglicher Wettlauf der Länderum die niedrigsten Umweltstandards wären der GAU füreine funktionierende Umweltpolitik. VernachlässigteUmweltpolitik kommt uns nicht nur haushalterisch teuerzu stehen.WaacbnidSLeMuVsdgßwhglewahDEgdwwvrssbahs
on hier aus auch von uns alles Gute und gute Gene-ung!
Sie haben uns, dem Parlament, heute in erster Lesungen Regierungsentwurf für den Haushalt des BMU vor-elegt. Das heißt, das ist auch der erste Entwurf der gro-en Koalition. Sie haben hier sehr zutreffend dargestellt,elche Herausforderungen es gibt, wo Kontinuitäterrscht, dass Sie mit Kraft und Dynamik in die Beratun-en gehen, welche Schwerpunkte Sie da, wo es sichohnt, fortführen bzw. welche Veränderungen Sie da, wos notwendig ist, vornehmen wollen.Mit dem Haushalt 2006 und dem Finanzplan bis 2009ird die große Koalition dafür sorgen, dass Deutschlandb 2007 die Maastrichtdefizitgrenze deutlich und dauer-aft unterschreiten wird.
ies haben wir heute mehrfach in der Debatte über dieinzelpläne gehört. Ich bin der Überzeugung, dass wiremeinsam im Rahmen des Einzelplans 16 einen Beitragazu leisten werden.Der BMU-Haushalt ist nur eine Teilmenge der Um-eltschutzausgaben des Bundes insgesamt. Der Um-eltschutz ist eine Querschnittsaufgabe. Das Gesamt-olumen des BMU-Haushaltes beträgt im Jahr 2006und 774,8 Millionen Euro. Diese 774,8 Millionen Euroind nur ein Teil dieser Querschnittsaufgabe. Das Ge-amtvolumen des Umweltschutzes im Bundeshaushalteträgt 4,052 Milliarden Euro. Zu Recht hat der Ministeruf die kontinuierliche Zusammenarbeit aller Ressortsingewiesen. Nur gemeinsam werden wir beim Umwelt-chutz erfolgreich sein können.
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Petra Hinz
Die nominale Steigerung, die in diesem Jahr rund0,7 Prozentpunkte beträgt, lässt sich mit 4,498 MillionenEuro im Stammhaushalt und mit 1,236 Millionen Euroim Endlagerbereich erklären. Umweltschutz ist, wie ichbereits ausgeführt habe, eine Querschnittsaufgabe, vonder viele Ministerien betroffen sind.Da ich es genauso sehe, wie der Minister gerade aus-geführt hat – dass alle Ressorts für den Umweltschutzverantwortlich sind –, möchte ich die einzelnen Positio-nen aufführen: Das Wirtschaftsministerium trägt mit399 Millionen Euro unter anderem zur Förderung der ra-tionalen und sparsamen Energienutzung bei. Das Bun-desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklung beteiligt sich mit 689 Millionen Euro. Dasmöchte ich betonen; denn insbesondere im Bereich derEntwicklungshilfe gilt es, eine nachhaltige Umweltpoli-tik und wichtige Umweltprojekte zu fördern. Dafür istim Haushalt ein Betrag von 689 Millionen Euro veran-schlagt.
Der Beitrag des Finanzministeriums zum Umweltschutzist mit einer Summe von 404 Millionen Euro im Rahmender Altlastensanierung zu finden. Hier geht es um dieAltlastensanierung im Bereich des Braunkohlenbergbausin den neuen Ländern. Auch das Ministerium für Bil-dung und Forschung – dieser Bereich hat in der heutigenDiskussion bereits breiten Raum eingenommen – be-schäftigt sich vor allem unter dem Gesichtspunkt derForschung intensiv mit dem Umweltschutz. Hier redenwir über 689 Millionen Euro. Liebe Kolleginnen undKollegen, beim Umweltschutz geht es also nicht ledig-lich um 774 Millionen Euro, sondern um 4,052 Milliar-den Euro. Das sollten wir nicht klein reden.
Daran wird aber auch deutlich, dass sich die Heraus-forderungen für eine nachhaltige und innovative Um-weltpolitik verändert haben. Wie wichtig der Ausbau dererneuerbaren Energien ist, muss ich für die Fachpoliti-ker nicht hervorheben. Wir sanieren und setzen gleich-zeitig Impulse für Wachstum und Beschäftigung. EinHerzstück des Einzelplans 16 ist der Titel „ErneuerbareEnergien – Forschung und Entwicklungsvorhaben“,kurz: das Marktanreizprogramm. Dieses Vorhaben wirdmit 180 Millionen Euro veranschlagt. Es ist eine Investi-tion für und in die Zukunft und sichert rund 30 000 Ar-beitsplätze. Allein die Zahl der Antragsteller im Jahr2005 zeigt, dass der Bedarf vorhanden ist.Die erneuerbaren Energien sind weltweit ein Zu-kunftsmarkt. Die deutschen Ingenieurinnen und Inge-nieure werden nachgefragt. Auf diesem Gebiet habenwir unser Potenzial und unser Know-how. Im Rahmender Umsetzung unseres Koalitionsvertrages werden wirgenau hier einen Schwerpunkt setzen: bei Forschung undEntwicklung, bei Innovation und bei Integration.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006 2173
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– Ja, er trägt schwer an sich.
Frau Reiche hat eben schon etwas zur Energiepolitikgesagt. Ich glaube, Sie hat sehr Recht. Es war zwar nichtganz so, wie Sie das früher gesagt haben, aber im Prinzipsieht die Zukunft genauso schlecht aus wie das, was wirschon früher bedauert haben. Die Zuständigkeit für dieEnergiepolitik liegt bei Herrn Glos, sie liegt zu allem Er-staunen sogar bei Herrn Seehofer,
sie liegt auch bei Ihnen und sie liegt bei Frau Schavan.Das heißt, die Energiepolitik, das wichtigste politischeFeld, welches wir in den nächsten Jahren zu beschreitenhaben, wenn wir Europa weg vom Öl führen wollen, istin dieser neuen Regierung zersplittert, zerschlagen undoffensichtlich auch ideologisch „verkämpft“.
eslhEgmuHewvJsUNPdsewelasswSdezttsmrhhbgDvmnvSnJtnw
ie SPD hat auf dem Weg zu sich selbst sehr viel Zeiterloren. Es ist erstaunlich, dass wir jetzt einen Umwelt-inister haben, der zumindest erkannt hat, dass der tech-ologische Fortschritt sehr wichtig ist und uns nachorne bringt. Auf diesem Weg, Herr Gabriel, werden wirie begleiten. Diesen Schwerpunkt sieht die FDP ge-auso. Hierbei erwarten wir, dass Sie in den nächstenahren wirkliche Akzente setzen. Lassen Sie die altenrittinschen Pflänzchen bitte im Garten. Pflegen Sie sieicht mehr, zumindest nicht hier in Berlin. Dafür wärenir Ihnen dankbar.
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2174 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Ulrike Flach
Als nächster Redner hat das Wort der Kollege
Bernhard Schulte-Drüggelte von der CDU/CSU-Frak-
tion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Auch ich möchte zuerst meinen Respekt dafür aus-drücken, dass Sie trotz Ihres gesundheitlichen HandicapsIhren Haushalt und das Ministerium vertreten haben,Herr Gabriel.Der Haushalt 2006 ist der Beginn einer langfristig an-gelegten Konsolidierungsstrategie. Er soll die Staatsfi-nanzen sanieren und durch Innovationen und Investitio-nen Wachstumskräfte freisetzen und Beschäftigungsichern. Dieses politische Konzept wird mit Sanieren,Reformieren und Investieren umschrieben. Der Finanz-minister, Herr Steinbrück, hat am Anfang dieses Jahresganz deutlich gesagt:Eine der unumstößlichen Geschäftsgrundlagen dergroßen Koalition ist der Erfolg bei der Haushalts-konsolidierung.Generationengerechtigkeit – das ist angesprochenworden – und Nachhaltigkeit sind die Leitlinien bei die-sem Vorhaben. Das Ziel bleibt ein ausgeglichener Staats-haushalt. Ich weiß, dass das ein schwieriges Ziel ist. Ichweiß auch, dass das nicht von heute auf morgen zu errei-chen ist. Aber dieser Haushalt 2006 ist ein Neuanfang.Er ist auch ein Übergangshaushalt. Deshalb müssen dieEinnahmen und Ausgaben auf den Prüfstand gestelltwerden.
In diesem Fall sind das die Einnahmen und Ausgabendes Einzelplans 16. Das Gesamtvolumen von 774 Mil-lionen Euro für das Ministerium für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit wurde gerade genannt. DieSteigerung um 0,7 Prozent gegenüber 2005 ist, wie ichfinde, vom Sparwillen gekennzeichnet. Das ist eine mo-derate Steigerung. Aber diese moderate Steigerung bein-haltet auch eine deutliche Veränderung bei den For-schungsmitteln für erneuerbare Energien, und zwareine Erhöhung in diesem Bereich um 43 Millionen Euro.
Dies ist eine positive Entwicklung und begründet sichim Koalitionsvertrag. Dort steht:Ein wichtiges Element unserer Klimaschutz- undEnergiepolitik ist der ökologisch und ökonomischvernünftige Ausbau der erneuerbaren Energien.Die steigenden Energiepreise, die Abhängigkeit unse-rer Energieversorgung von Importen – ich denke dabeian die Auseinandersetzung zwischen Russland und derUsArDA–snUwtgk–tk–IgttdwgMgnNitks–w
ie erneuerbaren Energien schaffen auch zukunftsfähigerbeitsplätze in Deutschland.
Ja, das stimmt.Die Energieversorgung aus erneuerbaren Energien hatich in den letzten Jahren rasant entwickelt, und zwaricht nur in Deutschland, sondern weltweit. Selbst dieSA beabsichtigen erhebliche Umstellungen. Die Ent-icklung von Bioenergie, Biokraftstoffen und biobasier-en Produkten soll mit 360 Millionen US-Dollar jährlichefördert werden, um die Energieversorgung der Zu-unft zu sichern.
Aber es ging immerhin.Minister Steinbrück hat heute Morgen Sokrates zi-iert. Auch ich darf einen älteren Griechen, nämlich Peri-les, zitieren, der gesagt hat:Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusa-gen, das können wir wahrscheinlich nicht –sondern auf sie vorbereitet zu sein.ch meine, diese Weisheit kann man unterstützen.
Viele Technologien zur Nutzung erneuerbarer Ener-ien werden erst seit kurzem eingesetzt. Es ist zu vermu-en, dass darin hohe Innovations- und Entwicklungspo-enziale liegen. Herr Gabriel hat deutlich gemacht, dassie technischen Fortschritte genutzt werden sollten,enn Deutschland in Zukunft bei den modernen Ener-ietechnologien Weltspitze bleiben will. Das bedeutetehrausgaben für die Energieforschung.Die Grundlage muss aber auch ein tragfähiges ener-iepolitisches Gesamtkonzept sein, dem ein ausgewoge-er Energiemix zugrunde liegt. Die Dringlichkeit undotwendigkeit alternativer Energien möchte ich nichtnfrage stellen. Aber aus der Sicht des Haushälters soll-en auch in Zukunft die Ausgaben in diesem Bereichontinuierlich auf ihre Effizienz überprüft werden. Die-er Aufgabe sollten wir uns auch in Zukunft stellen.
0,7 Prozent ist ein relativ kleiner Wert. In dem Bereichird ja viel mehr gemacht.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006 2175
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Bernhard Schulte-DrüggelteWir sollten darauf achten, dass die Mittel auch künf-tig ökonomisch sinnvoll eingesetzt werden. Dies erfor-dert meines Erachtens eine bessere Koordination zwi-schen den beteiligten Ministerien. Es wurde bereitsangesprochen, auf wie viele Ministerien die Energiefor-schung aufgeteilt worden ist. Dafür sind neben demUmweltministerium auch das Bundesministerium für Er-nährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, dasBundesministerium für Bildung und Forschung und dasWirtschaftsministerium zuständig.Ich möchte noch einen anderen Punkt ansprechen, derschon erwähnt worden ist, und zwar die Endlagerungradioaktiver Abfälle. In diesem Bereich bestehen nachEinschätzung des Bundesrechnungshofes erheblicheKostenrisiken für den Bund. Das Oberverwaltungsge-richt Lüneburg hat Anfang März ein wichtiges Urteil ge-fällt, das die Einrichtung eines Endlagers für schwachWärme entwickelnde Nuklearabfälle im Schacht Konradsehr wahrscheinlich macht. Staatssekretär Müller hatsich im Berichterstattergespräch sehr klar dazu geäußert,dass jetzt der Knoten zerschlagen und eine Lösung ge-funden werden soll – ich fand das sehr positiv –; deshalbmuss ein Gesamtkonzept für die Entsorgung und Endla-gerung radioaktiver Abfälle gefunden werden. Das sollteauch für ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle gel-ten. Entsprechend der Vereinbarung im Koalitionsver-trag muss es in dieser Legislaturperiode zu einer Lösungkommen.Ich darf zum Schluss kommen.
Sie müssen auch.
Die intensiven Beratungen über den Haushalt gehen
weiter. Wir sind noch in der ersten Lesung. Wir wollen
die Konsolidierung weiterhin im Auge behalten und
gleichzeitig im Interesse unseres Landes zur Finanzie-
rung von Investitionen und Ausgaben für Forschung und
Entwicklung beitragen.
Danke schön.
Das Wort hat nun der Kollege Michael Leutert, Frak-
tion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister, ich habe nur drei Minuten Redezeit.Trotzdem: Auch die Linke kämpft für Ihre Gesundheit.Herzliche Genesungswünsche!Im Koalitionsvertrag ist vereinbart:Eine ambitionierte Umweltpolitik gehört für uns zueiner modernen Gesellschaft und leistet einen Bei-trag zum weltweiten Klimaschutz.WBduwßwwrddUE0vha–dGdgwulgDawELttkidsBkg
islang haben wir nicht den Eindruck, dass es eine Kurs-orrektur in der Umweltpolitik unter dieser Regierungeben wird.Ich danke.
Metadaten/Kopzeile:
2176 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Nächster Redner ist der Kollege Hans-Josef Fell,
Bündnis 90/Die Grünen.
Während er zum Podium schreitet, übermittle ich dem
Minister im Namen des ganzen Hauses Genesungswün-
sche. Alle folgenden Redner sparen dann Zeit.
Bitte schön, Herr Fell.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Sie haben mir tatsächlich das Wort aus dem
Mund genommen. Auch von unserer Seite darf ich Ih-
nen, Herr Minister Gabriel, Genesungswünsche übermit-
teln und den Dank aussprechen, dass Sie an dieser De-
batte trotz Krankheit teilnehmen.
Das geht aber zu Recht von Ihrer Redezeit ab.
Umweltgerechtes Verhalten muss prinzipiell vom
Staat belohnt werden und umweltschädliches Verhalten
darf eben nicht belohnt werden. Ein besonders wirksa-
mes Instrument dafür sind steuerliche Anreize. Doch
was tut die große Koalition in dem vorliegenden Haus-
halt? Statt in ihrer großen Finanznot höhere Steuerein-
nahmen durch den Abbau von ökologisch schädlichen
Subventionen zu erzielen, wie durch den Abbau der Ke-
rosinsteuerbefreiung in der Luftfahrt, des steuerbefreiten
Schiffsdiesels, des Agrardiesels, der Kohlesubventionen
oder der Rückstellungen für Atomkraftwerke, traut sich
die große Koalition, eine Antiökosteuer einzuführen.
Jetzt endlich verstehen wir, wieso die Union gegen
die Ökosteuer war: „Steuer“ fand sie gut, das Problem
war das „Öko“. Jahrelang hat die Union die Erhöhung
der Mineralölsteuer auf Benzin und Diesel scharf kriti-
siert. Jetzt erhöht sie die Steuer auf Biodiesel und
Pflanzenöle. In einem ersten Schritt soll die Energie-
steuer gleich 10 bzw. 15 Cent betragen; netto, muss ich
an dieser Stelle hinzufügen. Inklusive Mehrwertsteuer
beträgt die Besteuerung sogar über 17 Cent. Die Bio-
kraftstoffe sollen also auf einen Schlag so stark besteuert
werden, wie Diesel und Benzin über fünf Jahre verteilt
schrittweise höher besteuert wurden. Aber es soll noch
schlimmer kommen: In einem zweiten Schritt sollen die
Biokraftstoffe ab dem 1. Januar 2007 vollständig besteu-
ert werden. Mit dieser Antiökosteuer der großen Koali-
tion werden damit zugleich all diejenigen bestraft, die
auf die Sonntagsreden vieler schwarzer oder roter Politi-
ker zur Einführung von Biokraftstoffen vertraut haben.
Herr Minister Gabriel, gerne höre ich Ihre Worte zum
technologischen Fortschritt. Gerade die Energiefor-
schung, so sagen Sie, habe einen großen Stellenwert.
Wir hören nur Gutes über die Energieforschungsmittel
des Bundesumweltministeriums. Nach meiner Lebenser-
fahrung als Parlamentarier muss man aber genau dorthin
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was zur Folge hatte, dass die Mittel des Marktanreizpro-gramms ausgegangen waren, wodurch Anträge liegengeblieben sind. Eine ganze Branche ist dadurch gefähr-det worden. Da ist das jetzige Verfahren, Extratitel zuschaffen und diese zu erhöhen, der bessere Weg.
Frau Kollegin Kotting-Uhl, zwei Punkte: Erstens. Esgibt keine Nebenabsprache zum Atomausstieg. Das magIhnen nicht gefallen.
– Nein, Sie haben von der „Financial Times Deutsch-land“ und angeblichen Nebenabsprachen des Bundesum-weltministers gesprochen. Sie wissen, dass alle gesagthaben, dass es diese nicht gibt. Auch wenn es einemnicht gefällt, dass einem die Kompetenz für das Themanicht mehr solitär zugesprochen wird, so ist das trotzdemdie Realität. Zweiter Punkt: Der Herr Umweltminister hat von sei-ner ersten Amtshandlung in Bezug auf REACH gespro-chen. Sie selber würden wahrscheinlich Probleme haben,die beiden kleinen Punkte zu erläutern, die das, was Um-weltminister Gabriel gemacht hat, von dem unterschei-den, was Umweltminister Trittin ausgehandelt hat. Eswürde sehr schwierig werden, das darzustellen. Wir soll-ten also bei der Wahrheit bleiben.
Es ist in der Tat kein Zufall, dass in dieser Wochemehrere Zeitschriften und Zeitungen das gleiche Themabehandeln, so der „Spiegel“, die „Zeit“ und „Focus“.Das Thema lautet: Kampf um Rohstoffe und Gefährdungder herkömmlichen Energieversorgung. Eines ist klar:Das gefährdet die Grundlagen unseres Wohlstands. Diein den letzten Jahren dominierenden Denkschulen derherkömmlichen Wirtschaftspolitik haben auf diese He-rausforderung keine Antwort. Es ist vielmehr die Um-weltpolitik, die seit vielen Jahren die richtigen Antwor-ten bietet. Diese Ansätze bekommen jetzt zu Recht einestärkere Aufmerksamkeit.Es war die Umweltpolitik, die die Nutzung neuer, de-zentraler und nachhaltiger Energieformen durchge-sigseuZlTAfefvvgadsWtuzsndetogrwsdnwdlplmzdDlDü
Der zweite große Punkt der Umweltpolitik ist, dassie Effizienz in den Mittelpunkt rücken muss. Wir müs-en aus weniger Energie- und Rohstoffeinsatz mehrohlstand erwirtschaften. Das ist die Schlüsselkompe-enz unserer Zeit. Nur so kann man steigende Energie-nd Rohstoffrechnungen vermeiden. Wer den Leuten er-ählt, sie könnten die Weltmarktpreise beeinflussen, dertreut ihnen Sand in die Augen.Es gibt noch einen zweiten Faktor in der Rechnung,ämlich die Frage, wie viel von der teureren Energie unden teureren Rohstoffen verbraucht wird. Deswegen ists richtig, dass wir die Anreize zu ineffizientem Verhal-en abbauen und über deutliche Preissignale und klarerdnungsrechtliche Vorgaben die Energieeffizienz stei-ern. Ich habe wie Frau Reiche als Kind den Schüttel-eim gelernt: Dem Ingenieur ist nichts zu schwör. Ichürde mich freuen, wenn sich der eine oder andere Wirt-chaftsverband daran erinnern würde, wenn wir uns überie Vorgaben zur Effizienzsteigerung unterhalten, undicht immer in kleinkindliche Jammerei verfallen würde.
Umweltpolitik ist längst eine Querschnittsaufgabe ge-orden. Von Umweltpolitik kann man lernen. Es sindie Denkmodelle der Umweltpolitik, die nicht nur öko-ogisch, sondern wirtschaftlich, finanziell, gesundheits-olitisch und gesellschaftspolitisch die richtigen Ansätzeiefern.
Dazu einige Beispiele. Mein Lieblingsbeispiel ist im-er das Toprunnerprogramm, also das energieeffi-ienteste Gerät zum Standard erheben, den dann alle an-eren Geräte in wenigen Jahren erreichen müssen.adurch wird ein toller Innovationswettbewerb ausge-öst. Der nützt vor allem den Premiummarken auseutschland, weil diese sich gegen die Billigkonkurrenzber solche Vorgaben der Standards wehren können.
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Ulrich KelberDeswegen ist moderne Umweltpolitik moderne Wirt-schaftspolitik.
Beispiel zwei: Wir brauchen eine scharfe Malusrege-lung im Emissionshandel, die besagt, dass die ältestenund ineffizientesten Kraftwerke nicht mehr voll mitEmissionszertifikaten ausgestattet werden. Das übtDruck aus in Richtung auf eine Neuausstattung. Um-weltpolitik ist somit Investitionsförderung.Drittes Beispiel: Ausstieg aus der Atomenergie. Wirhaben jetzt die schöne Situation, dass viele Wettbewer-ber eigene neue Kraftwerke bauen. Stadtwerke, Finanzin-vestoren usw. setzen darauf, dass wir diese Regelungbeibehalten. So kann man mit Umweltpolitik wunderbargegen Monopole und Preistreiberei bei Strom vorgehen.Somit ist Umweltpolitik auch fantastische und moderneWettbewerbspolitik.
Viertes Beispiel: nachhaltige Verkehrspolitik. Wirsagen, dass man aus Naturschutzgründen bestimmteFlüsse wie Elbe und Donau nicht beliebig ausbauensollte, weil man mit sehr viel weniger Geld parallel aufder Bahnstrecke viel mehr erreichen kann. Damit istUmweltpolitik auch moderne Verkehrspolitik. Fünftes Beispiel: präventiver Gesundheitsschutz.Wir tun etwas dagegen, dass Menschen wegen Chemika-lien, wegen Luftverunreinigung und Gewässerschädenkrank werden. Das ist viel billiger, als nachträglich et-was aus dem Gesundheitssystem heraus zu machen. Um-weltpolitik ist also moderne Gesundheitspolitik.Zum Thema „nachhaltige Generationenpolitik“ hatmeine Kollegin Hinz schon etwas gesagt. Die Einfüh-rung der Nachhaltigkeit geht auf die Umweltseite zu-rück. Es war ein Forstwirt wie Herr Kollege Göppel, derdiesen Begriff damals – 1804 – geprägt hat. Wir habendas aufgegriffen. Auch Umweltpolitik ist moderne Ge-nerationenpolitik.Ein letztes Beispiel. Das nationale Naturerbe ist Vo-raussetzung für Tourismus und ländliche Entwicklung,weil so Vielfalt und Aufenthaltsqualität geschaffen bzw.gesichert werden. Umweltpolitik und Naturschutzmüssen auch der ländlichen Entwicklung dienen. UnserePolitik muss – das ist eine ihrer größten Herausforderun-gen – das Problem der demografischen Entwicklung inden ländlichen Regionen lösen. Die Entwicklung dort istnoch dramatischer als die in den Städten, zumindest imWesten. In den Städten im Osten ist die demografischeEntwicklung ebenfalls schon sehr dramatisch. Auch hiersind es die Ansätze moderner Umweltpolitik, die über-haupt eine Perspektive liefern. Es geht um die Fragen:Was finanziert man in der Agrarpolitik? Was macht manim Naturschutz? Die Strategien „Weiter so“ und „Wirüberlassen das vollständig dem Markt“ werden nichtweiterhelfen.tGavaftmdÜfZpnhiwKKEBdnnVAd–gefEEUfazE1
Umweltpolitik ist also der Kern moderner Innova-ionspolitik. Das hat Bundesumweltminister Sigmarabriel klar zum Ausdruck gebracht. Dieser Fakt istuch mir wichtig. Damit auch Herr Kauch zufrieden ist,erweise ich auf Folgendes – das kann man übrigensuch gut dem Haushalt 2006 entnehmen –: mehr Geldür die Forschung, mehr Geld für die Einführung innova-iver Technologien. Hinzu kommt, was man manchmalit wenig Geld bewerkstelligen kann, beispielsweiseas nationale Naturerbe. Derartiges lässt sich nicht anberschriften in Einzelplänen des Haushaltsgesetzesestmachen. Man muss manchmal auch zwischen deneilen lesen können.Der Haushalt 2006 kann sich aus Sicht der Umwelt-olitik sehr gut sehen lassen. Wir Umweltpolitiker kön-en sehr selbstbewusst in die Debatte mit Politikern ge-en, die auf anderen Feldern tätig sind. Wir haben diennovativeren Ansätze. Die anderen können von uns et-as lernen.Vielen Dank.
Letzter Redner zu diesem Geschäftsbereich ist der
ollege Josef Göppel, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die großeoalition hat ihre Umweltpolitik von Anfang an mit demrhalt und der Schaffung von Arbeitsplätzen verknüpft.ei den Koalitionsverhandlungen hat Minister Gabrieliesen Aspekt von Beginn an besonders betont. Herr Mi-ister Gabriel, das möchte ich ausdrücklich würdigen.Ich möchte ebenfalls würdigen, dass Sie die Abgeord-eten in Ihrer bisherigen Amtsführung sehr frühzeitig inorbereitungen von Entscheidungen einbezogen haben.uch dafür danke ich Ihnen. Wenn das so weitergeht,ann wird unsere Zusammenarbeit bis zum Jahre 2009für diesen Zeitraum ist diese Koalition angelegt – sehrut sein. Ich hoffe, dass sie für Deutschland viel Gutesrreichen kann.
In den Debatten, die jetzt über Rohstoffe weltweit ge-ührt werden, wird immer wieder formuliert, dass dientwicklungsländer Indien und China einen anderenntwicklungspfad brauchen. Da muss man schon fragen:nd wir? Was ist mit unserem Entwicklungspfad? Auchür die Union steht die Senkung des Energieverbrauchsn erster Stelle, und zwar durch die Steigerung der Effi-ienz. Im Koalitionsvertrag ist das Ziel verankert, dienergieeffizienz bis 2020 gegenüber dem Stand von990 zu verdoppeln.
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Josef GöppelVor wenigen Tagen, am 14. März, hat der EU-Minis-terrat in Brüssel die Richtlinie zur Endenergieeffizienzund zu den Energiedienstleistungen beschlossen mit demZiel, den Energieverbrauch in Europa in den nächstenneun Jahren um 9 Prozent zu senken. Der Energiever-brauch in Europa soll also in jedem Jahr 1 Prozent weni-ger betragen. Wir sollen mit den Rohstoffen und anderenMaterialien sparsamer umgehen. Die Richtschnur ist dereffizientere Umgang mit Energie und Rohstoffen.Das CO2-Gebäudesanierungsprogramm der Koalition– es wird auf ein Fördervolumen von 1,4 MilliardenEuro pro Jahr erhöht – wird sich breit auswirken unddem Handwerk, dem Umweltschutz, den Mietern undden Eigentümern viel bringen,
allerdings, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ba-sis eines Energiepasses. Wir unterstützen da die Vorstel-lungen des Umweltministeriums zu einem bedarfs-orientierten Energiepass.
Dann sollen sich die Hausbesitzer die Maßnahmen he-raussuchen, die ihnen in ihrer speziellen Situation amgeeignetsten erscheinen.Auch im Verkehr gilt: Eine Verbrauchssenkungbringt geringere CO2-Vermeidungskosten mit sich alsalle anderen Maßnahmen. Wir haben im Koalitions-vertrag auch das Ziel der Senkung des CO2-Ausstoßesim Kraftfahrzeugverkehr formuliert. Ein Wert von120 Gramm ist da als Ziel genannt. „Effizienz verbes-sern“ heißt: möglichst geringe Vermeidungskosten in derRealität erreichen. So wie bei den Gebäuden mit demEnergiepass müssen wir auch bei den Kraftfahrzeugenzu einer klaren Kennzeichnung kommen. Das gilt, HerrMinister, ebenfalls für die CO2-bezogene Kraftfahrzeug-steuer. Ich denke, dass wir auch diese Maßnahme baldumsetzen müssen, damit die Bürger den Zusammenhangzwischen den finanziellen Beanspruchungen und derUmweltwirkung ganz deutlich spüren.
Vor wenigen Tagen ist die Elektronikschrottverord-nung in Kraft getreten. Man glaubt kaum, welche Wir-kungen etwas hat, wenn es wirklich in Kraft tritt. Nunkönnen die Leute ihre alten Elektrogeräte zurückgebenund brauchen dafür nichts zu bezahlen, weil sie dasschon mit dem Kaufpreis erledigt haben. Diese Kreis-laufwirtschaft führt dazu, dass die Geräte anders kon-struiert werden, und zwar so, dass sie eben leichter zu-rückgenommen werden können, weil die Herstellerdafür finanziell einstehen müssen.Wettbewerbsfähig sein in der Weltwirtschaft mit we-niger Material und weniger Energieaufwand: Wer imUmweltschutz führend ist, ist führend bei Zukunfts-technologien.
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ch möchte zu überlegen geben, ob es wirklich sinnvollst, diesen Teil des Energiebesteuerungsgesetzes am. August in Kraft zu setzen, oder ob es nicht sinnvollerst, das am 1. Januar 2007 in Verbindung mit einer or-entlich durchdachten neuen Gesamtlösung zu tun. Wirrauchen für die Bemessung der Biokraftstoffbesteue-ung eine nachvollziehbare Grundlage – das könnte zumeispiel die CO2-Bilanz sein –, aber nicht willkürlichegriffene Besteuerungssätze.
Ich möchte noch kurz auf einen anderen Bereich dermweltpolitik zu sprechen kommen, liebe Kolleginnennd Kollegen. Umweltpolitik hat auch eine ethische Di-ension, wenn es darum geht, für die Mitgeschöpfe, dieild lebenden Pflanzen und Tiere, Lebensräume zu er-alten. Die Koalition hat mit dem Konzept „Nationalesaturerbe“ den Weg dafür bereitet. Ich halte das für ei-en wichtigen Schritt in die Zukunft.Da der Fußball zurzeit überall im Mittelpunkt steht,arf ich noch ein bekanntes altes Schulbeispiel erwäh-en: Wenn unsere Erde ein Fußball wäre – stellen wir siens einmal so groß vor –, dann wäre die schützendeufthülle genau 1 Millimeter dick. Das zeigt die Verletz-ichkeit unserer Erde. Ich denke, das ist nicht nur fürinder ein gutes Beispiel.
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Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereich
liegen nicht vor.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-
ministeriums für Gesundheit, Einzelplan 15. Ich er-
teile das Wort der Bundesministerin für Gesundheit, Ulla
Schmidt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
Zeiten der Haushaltskonsolidierung Haushalte aufzustel-
len, ist nie einfach. Aber diesmal war die Aufstellung
unseres Haushaltes auch dadurch erschwert, dass aus
dem ehemaligen Bundesministerium für Gesundheit und
Soziale Sicherung zwei neue Ministerien mit ihren
Haushalten entwickelt werden mussten, das Bundes-
ministerium für Arbeit und Soziales und das Bundes-
ministerium für Gesundheit.
Einen kleinen Augenblick, Frau Ministerin. – Ich
fände es schon hilfreich, wenn diejenigen, die sich nun
noch dringenderen Tätigkeiten zuwenden müssen, das
ohne Störung der weiteren Debatte realisieren könnten,
damit die nötige Aufmerksamkeit wieder hergestellt
ist. – Bitte schön, Frau Ministerin.
Danke schön, Herr Präsident. – Trotzdem ist es gelun-gen, einen Haushalt vorzulegen, der auch den vielfälti-gen Aufgaben des Ministeriums gerecht wird.Wenn man aber einen Blick in die Zukunft wirft, siehtman eine klare Aufforderung zum Handeln; denn dergrößte Ausgabenblock des Ministeriums ist quasi eindurchlaufender Posten. 4,2 Milliarden Euro sind festge-legt als Bundeszuschuss für die so genannten versiche-rungsfremden Leistungen in der gesetzlichen Kranken-versicherung. Für dieses Jahr schafft uns das einbisschen Luft in Bezug auf die Beitragssatzstabilität inder gesetzlichen Krankenversicherung. Auch das Arz-neimittelspargesetz wirkt sich entsprechend aus. Sie allewissen aber, dass in der Koalition beschlossen wurde,den Bundeszuschuss im nächsten Jahr von 4,2 Milliar-den Euro auf 1,5 Milliarden Euro zurückzuführen, bevorer dann 2008 ganz wegfällt. Außerdem wird die Mehr-wertsteuererhöhung im kommenden Jahr zu Mehrausga-ben von rund 800 Millionen Euro in der GKV führen.Beide Faktoren machen deutlich, dass wir in diesemJahr eine grundlegende Reform der gesetzlichen Kran-kenversicherung auf den Weg bringen müssen, undzwar nicht nur eine Reform der Finanzierungsseite, son-dern, wenn wir eine nachhaltige, dauerhafte Finanzie-rung sicherstellen wollen, auch eine Reform der Struktu-ren in Richtung mehr Wettbewerb, mehr Transparenzund Vertragsfreiheit.
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Darüber hinaus planen wir eine Reihe von Maßnah-en, die ich unter der Überschrift „Mehr Wettbewerbnd Flexibilität“ zusammenfassen will. Wir wollen, dasss in Zukunft beispielsweise möglich ist, dass auch kas-enartenübergreifende Fusionen erfolgen können. Wirollen, dass Kassen und Leistungserbringer stärker alsn der Vergangenheit über Preise und Qualität verhan-eln können. Wir wollen die integrierte Versorgung stär-en und wir wollen das Vertragsarztrecht liberalisieren.Das Honorarsystem soll so gestaltet werden, dass derinzelne Arzt und die einzelne Ärztin wissen, was sie fürhre medizinischen Leistungen bekommen. Wir wollenin Honorarsystem, das transparent ist und bei dem dieertragspartner über Preise, Qualität und Mengenkom-onenten verhandeln können. So wird mehr Gerechtig-eit im Gesundheitssystem geschaffen.
Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, werden wir auchn der Pflege die notwendigen Reformen angehen, damitie Pflegeversicherung dauerhaft finanziell gesichertst. Wir werden gewährleisten, dass die aufgrund der aufns zukommenden demografischen Auswirkungen ent-tehenden Belastungen gerecht zwischen den Generatio-en aufgeteilt werden. Wir wollen zugleich dafür sorgen,ass es eine sozial gerechte Lastenverteilung gibt.Wir werden die Pflegeversicherung inhaltlich fortent-ickeln, zum Beispiel durch die Anerkennung des Be-reuungsbedarfs von Menschen mit eingeschränkter All-agskompetenz. Dabei geht es um den Betreuungsbedarfon demenzkranken Menschen, von psychisch krankenenschen und von geistig behinderten Menschen. Wirollen Leistungen dynamisieren und häusliche Versor-ungsstrukturen stärken.
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Bundesministerin Ulla SchmidtGenerell gilt: Besser als die Behandlung von Krank-heiten ist es, Krankheiten erst gar nicht entstehen zu las-sen. Deshalb werden wir die Prävention – das Gesetzhatten wir schon in der letzten Legislaturperiode auf denWeg gebracht – in dieser Legislaturperiode zu einer ei-genständigen Säule im Gesundheitswesen entwickeln.Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass diesewichtige gesamtgesellschaftliche Aufgabe angepacktwird. Aber auch unabhängig von diesem Gesetz werdenwir weiterhin in Gesundheitsförderung und Präventioninvestieren und diesen Bereichen in unserer Politik einenhohen Stellenwert einräumen.
Die Prävention muss ein fester und selbstverständli-cher Teil unseres Lebens werden. Denn jede vermiedeneKrankheit bedeutet nicht nur ein Stück mehr Lebensqua-lität für den Betroffenen, sie ist auch in Bezug auf dieFinanzierbarkeit unseres Gesundheitswesens wichtig.Niemand sollte die Tatsache unterschätzen, dass es in ei-ner Gesellschaft, in der die Menschen immer länger le-ben und in der immer weniger junge Menschen nach-kommen, wichtig ist, dass jeder Einzelne so lange so fitbleibt, wie es eben geht. Denn wir stehen im Wettbewerbmit Ländern, deren Gesellschaften mehr jüngere Men-schen haben.Wir sind auf jeden einzelnen Mann und auf jede ein-zelne Frau in diesem Land angewiesen. Daher sind In-vestitionen in Prävention und Gesundheitsförderungwichtige Zukunftsinvestitionen. Darüber muss sich jederim Klaren sein.
Wie unverzichtbar Aufklärungsarbeit ist, sehen wiraktuell an der Entwicklung von HIV/Aids. Mir machtder Anstieg der Zahl der Neuinfektionen Sorgen. ÜberJahre hinweg lag die Zahl der Neuinfektionen bei unge-fähr 2 000. Im Jahr 2005 gab es aber 2 600 Neuinfektio-nen. Fast alle Menschen in Deutschland wissen über dieInfektionswege Bescheid und fühlen sich gut informiert.Trotzdem lässt die Bereitschaft, sich vorsichtig zu ver-halten, nach, weil vor allem jüngere Menschen glauben:Einmal ist keinmal. Deswegen müssen wir in diesem Be-reich weiter in Prävention investieren. Denn es gibtkeine Heilung dieser Krankheit. Es gibt zwar Behand-lungsformen, aber letztendlich sind die meisten Krank-heitsverläufe tödlich. Prävention ist das einzige Mittel,das wirklich hilft. Wir werden deshalb weiterhin auchunter angespannten finanzpolitischen Bedingungen mehrals 10 Millionen Euro unseres Haushaltes für die Aids-bekämpfung und -prävention ausgeben. Wir machen da-mit deutlich, dass wir dieses Problem ernst nehmen.Gleiches gilt für den Drogen- und Suchtbereich. Wirwollen die erfolgreiche Drogen- und Suchtpolitik derletzten Jahre fortsetzen. Wir wollen, dass die Schäden,die heute durch den Missbrauch von Tabak, durch über-mäßigen Alkoholkonsum und durch illegale Drogen ent-stehen, weiter reduziert werden. Deshalb werden wir zurBekämpfung des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchsweiterhin 12 Millionen Euro einsetzen. Davon entfälltenrwefsMdbrdHsgvFbddrIfSdd2JmtadSbgcWeDbDs
Auch wenn wir hoffen, dass das Vogelgrippevirusin Tiervirus bleibt, müssen wir alles dafür tun, dass wirür den Ernstfall, also für den Fall des Falles, dass esich verändern sollte und tatsächlich von Mensch zuensch übertragen werden könnte, gewappnet sind. Ausen aktuellen Entwicklungen hat sich neuer Forschungs-edarf ergeben. Ich bin sehr froh, dass die Bundesregie-ung in sehr kurzer Zeit in Zusammenarbeit mit der Bun-esministerin Frau Schavan und dem Bundesministererrn Seehofer eine Forschungsvereinbarung abge-chlossen hat. Das gemeinsame Forschungssofortpro-ramm zur Influenza soll sich vor allem mit praxisrele-anten Fragen beschäftigen und Antworten auf dieragen geben, die uns die Menschen im Hinblick auf denefürchteten Ernstfall stellen.Für den Finanzierungsanteil von 8,4 Millionen Euro,er das Bundesministerium für Gesundheit betrifft, stelltas BMBF bereits in diesem Jahr 3 Millionen Euro di-ekt dem Robert-Koch-Institut und dem Paul-Ehrlich-nstitut zur Verfügung. Ich möchte mich an dieser Stelleür diese zügige Unterstützung durch die Kolleginchavan bzw. das Forschungsministerium bedanken;enn das ist nicht selbstverständlich.
Wir als Bundesministerium für Gesundheit werdenie Entwicklung pandemischer Impfstoffe mit0 Millionen Euro fördern. Davon werden in diesemahr 9 Millionen Euro haushaltswirksam. Wir setzen da-it das Signal, dass wir als Bundesministerium auch un-er schwierigen finanziellen Bedingungen unserer Ver-ntwortung gerecht werden. Denn es geht uns bei alliesen Einzelfragen, die wir hier regeln müssen, um denchutz vor Krankheiten, um eine optimale Versorgungei Krankheit und Pflegebedürftigkeit und vor allen Din-en darum, dass sich die Menschen in diesem Land si-her fühlen.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Frau Dr. Claudia
interstein, FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr ver-hrte Frau Ministerin, leider haben Sie es sich mit Ihreriagnose zum Gesundheitssystem zu leicht gemacht. Sieleibt unvollständig und die richtigen Rezepte fehlen.ie 100-Tage-Bilanz der großen Koalition ist im Ge-undheitssektor eine eindeutige Negativbilanz. Das
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2182 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006
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Dr. Claudia WintersteinHerumdoktern an den Symptomen war bisher erfolglos.Keines der anstehenden Probleme ist ernsthaft in Angriffgenommen worden. Die Regierung hat lediglich dieStrategie fortgesetzt, sich von einem Kostendämpfungs-element zum anderen zu hangeln.Inzwischen ist so viel Druck im System, dass dieÄrzte auf die Straße gehen. Das Arzneimittelversor-gungswirtschaftlichkeitsgesetz – man beachte diesesWort – hat letztlich das Fass zum Überlaufen gebracht.Es ist ein Bürokratiemonster, genährt von Verordnungs-korridoren, Tagestherapiekosten sowie Bonus- und Ma-lusregelungen mit Einschränkungen der Therapiefreiheitund ethisch problematischen Folgen.
Frau Ministerin, wir hatten Sie aufgefordert, dieses Ge-setz zurückzuziehen. Der Bundesrat hat jetzt den Ver-mittlungsausschuss angerufen. Es wäre verheerend,wenn Sie das einfach ignorieren würden.
Wir führen diese Haushaltsdebatte in Unkenntnis derkommenden Gesundheitsreform. Die große Koalitionund ihre Gesundheitsministerin haben bisher mit ihrenVorschlägen hinter dem Berg gehalten. Sie hatten wohlSorge, sich bei den Landtagswahlen am letzten Sonntageventuell zu schaden. Auch in unserem Berichterstatter-gespräch haben Sie, Frau Ministerin, sich darauf be-schränkt, mit Inbrunst zu dementieren, dass irgendetwasvon dem, was in der Presse steht, stimmt. Bisher wissenwir also nicht, was Sie wollen. Wir wissen aber auchnicht, ob es irgendeine Bedeutung hat, was Sie wollen.
Morgen treffen sich nämlich die Spitzen der Koalition –ohne Sie. Allerdings werden wir danach auch nicht vielschlauer sein. Bei diesem Treffen geht es offenbar da-rum, einen so genannten Fahrplan zu erstellen, ohne dieRichtung oder gar das Fahrziel festzulegen.
Die Unklarheit hat Methode; denn der Grundkonfliktin der rot-schwarzen Koalition ist bis heute nicht gelöst.Die Union hatte im Wahlkampf ihr Konzept derGesundheitsprämie; das hat sie aber in den Koalitions-verhandlungen schnell aufgegeben. Demgegenüber ver-folgt die SPD ihr noch viel untauglicheres Modell derBürgerversicherung unbeirrt weiter. Die Bürgerver-sicherung wäre aber das glatte Gegenteil einer zukunfts-gerichteten Reform.
Die Diagnose ist doch klar gestellt: Das jetzige Sys-tem ist marode. Weil das so ist, wäre es das falsche Re-zept, noch mehr Bürger in dieses System zu zwingen.
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ngesichts der demografischen Entwicklung werden dieesundheitsausgaben in Zukunft eher steigen. Auch an-esichts der Situation auf dem Arbeitsmarkt ist dasmlagefinanzierte System der gesetzlichen Kranken-ersicherung, das an den Löhnen und Gehältern ansetzt,en Anforderungen der Zukunft nicht gewachsen.
Weil das so ist, müssen wir zumindest dafür sorgen,ass die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten ab-ekoppelt werden und dass die Menschen Einfluss neh-en können auf Art und Höhe ihres Versicherungsschut-es.
ie müssen Gestaltungsmöglichkeiten haben. Genau daschlagen wir mit unserem Modell vor: freie Wahl desersicherungsschutzes mit der Pflicht, das medizinischotwendige abzusichern, bei einem selbst gewähltenrankenversicherungsanbieter, der über die Bildung vonltersrückstellungen dafür sorgt, dass die Beiträge imlter nicht zu stark steigen. Das, Frau Ministerin, ist dasessere Rezept.
Meine Damen und Herren, ich will nun noch auf zweiesonderheiten des Haushalts der Gesundheitsministeriningehen. Der größte Posten in diesem Haushalt ist derilliardenschwere Zuschuss an die gesetzliche Kran-enversicherung. Entgegen der Koalitionsvereinba-ung, die ein Abschmelzen schon für dieses Jahr vorge-ehen hatte, fließt dieser Zuschuss im Jahr 2006 in volleröhe; das sind 4,2 Milliarden Euro. Mit dem Haushalts-egleitgesetz setzt sich die Regierung hier allerdings un-er Reformdruck. Wenn im Jahr 2007 der Zuschuss sinktnd die Mehrwertsteuer steigt, sind in diesem System,enn man sich nicht bewegt, Beitragserhöhungen un-usweichlich.Daneben ist dieser Haushalt von der Abtrennung desufgabenbereichs Soziales vom bisherigen Ministeriumeprägt; Sie haben das erwähnt. Dadurch fallen natürlichuch hier entsprechende Kosten an: für ein neues Ge-äude, für neue Ausstattung, für 18 neue Stellen. Die fi-anziellen Auswirkungen dieser Neugliederung, die zuiner Aufblähung des Regierungsapparates führt, sindehr als ärgerlich.Die Halbierung des Ministeriums zieht eine Halbie-ung diverser Haushaltsansätze nach sich, aber leidericht überall. Bei der Öffentlichkeitsarbeit beispiels-eise wünscht sich die Gesundheitsministerin eine Auf-tockung der Mittel um 1,2 Millionen Euro.
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006 2183
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Dr. Claudia WintersteinDa möchte man doch gerne wissen, wofür. Das stehtauch im Entwurf: für die Information über die Gesund-heitsstrukturreform.
Sehr verehrte Frau Ministerin, ich glaube, das hat nochetwas Zeit. Für eine Gesundheitsreform, deren Inhaltenoch völlig ungeklärt sind und deren gesetzliche Umset-zung noch gänzlich im Nebel liegt, machen Sie bittekeine Öffentlichkeitsarbeit.
Frau Kollegin, Sie denken an Ihre Zeit?
Frau Ministerin, es geht nicht darum, das Gesund-
heitssystem mehr schlecht als recht am Leben zu erhal-
ten, sondern es geht jetzt darum, es endlich wieder auf
stabile und gesunde Beine zu stellen.
Vielen Dank.
Ich erteile das Wort der Kollegin Annette Widmann-
Mauz, CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Die Schlagzahl der Meldungen über die Inhalte einermöglichen Gesundheitsreform nimmt seit dem vergan-genen Wochenende spürbar zu.
Das Interesse an der bevorstehenden Reform ist groß,nicht zuletzt, weil die Proteste der Ärzte der Gesund-heitspolitik zusätzliche Aufmerksamkeit beschert haben.Noch größer sind allerorten die Erwartungen an dasErgebnis einer Reform. Während sich Union und SPDauf ihre Konzepte berufen, hoffen die Versicherten aufdie Aufrechterhaltung einer auch im internationalen Ver-gleich qualitativ hochwertigen Versorgung ohne weiterefinanzielle Belastung.Die Ärzteschaft fordert ein Ende des Verfalls derPunktwerte und drängt auf eine angemessene Honorie-rung ihrer Leistungen sowie auf den Abbau vonBürokratie im Gesundheitswesen. Die gesetzlichenKrankenkassen verlangen nach stabilen Finanzierungs-grundlagen. Die privaten Krankenkassen sorgen sich umdie Erhaltung und die Finanzierbarkeit ihres Systems.wgkunsAnbgEsAvwwgAesabzMwisdgzsiSgnVqwaSsMFd–h
eit Jahren wird ein Reformstau beklagt. Die Europäi-che Kommission drängt auf die Einhaltung deraastrichtkriterien und dabei auf Reformen auch imeld der Sozialpolitik. Die große Koalition hat es jetzt iner Hand, eine Gesundheitsreform zu gestalten, diewie es die „Bild“-Zeitung heute formuliert – „längerält als von zwölf bis Mittag.“
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Annette Widmann-MauzDaher sollte sich für uns eine Verständigung auf denkleinsten gemeinsamen Nenner verbieten.CDU, CSU und SPD sind Volksparteien, bei denenauch parteiintern um den richtigen Weg gerungen wird.Deshalb sind sie in der Lage, einen Weg zu finden, derden Herausforderungen, vor denen unser Gesundheits-wesen steht, gerecht wird und gleichzeitig einen breitengesellschaftlichen Konsens widerspiegelt.Die gesetzliche Krankenversicherung hat nach denjetzt vorliegenden vorläufigen Finanzdaten im Jahr 2005einen Überschuss von rund 1,8 Milliarden Euro erzielt.Auch im Jahr 2006 kann wegen der Anhebung des Bun-deszuschusses für die versicherungsfremden Leistungenum weitere 1,7 Milliarden Euro auf 4,2 Milliarden Eurodamit gerechnet werden, dass die gesetzliche Kranken-versicherung mit einer schwarzen Null abschließt. Den-noch werden Beitragssatzsenkungen kaum realisiertwerden. Rein rechnerisch sind immerhin noch circa78 Kassen verschuldet.Ich hoffe sehr, dass das Sparpaket, das derzeit imVermittlungsausschuss liegt, zügig verabschiedet wer-den kann, damit die gesetzliche Krankenversicherung indiesem Jahr nicht ins Defizit rutscht. Mit jeder weiterenzeitlichen Verzögerung verliert das Gesetz an finanziel-ler Wirkungskraft. Die zügige Verabschiedung des Arz-neimittelsparpakets ist auch notwendig, damit wir dieGesundheitsreform mit Sorgfalt und in Ruhe vorbereitenkönnen und nicht zu kurzfristigen Maßnahmen gezwun-gen werden.
Uns allen ist bewusst, dass der gesetzlichen Kranken-versicherung bereits im Jahr 2007 wieder rote Zahlendrohen. Allein durch die Maßnahmen im Haushaltsbe-gleitgesetz müssten die Beiträge um 0,5 Beitragssatz-punkte steigen. Handlungsbedarf ist also klar vorhanden.In den letzten Tagen ist viel darüber geschrieben wor-den, was man alles tun könnte, um die Probleme zu lö-sen: Ein Gesundheitssoli ist ins Gespräch gebracht wor-den; es war die Rede von einem Dreisäulenmodell, beidem die Versicherten neben einem einkommensabhängi-gen auch einen Pauschalbeitrag leisten sollen, und manhörte immer wieder, die private Krankenversicherungsolle am Finanzausgleich der Kassen beteiligt werden.All diese Vorschläge sind mehr oder weniger gut geeig-net, das Publikum zu unterhalten. Mit den Inhalten derReform haben sie aber nichts zu tun. Die Gespräche überdie Reform werden von den Koalitionsspitzen erst mor-gen aufgenommen. Letztlich ist entscheidend, in wel-chem Gesundheitssystem die Instrumente – sie sind allebekannt – zur Anwendung gelangen; denn danach be-misst sich ihre Wirkung.Der Union kommt es bei der anstehenden Reformvor allem darauf an, dass von ihr Effekte für mehrWachstum und Beschäftigung ausgehen. Das muss unserwichtigstes Ziel sein.
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ir brauchen auch mehr Freiheit im System.
Beifall von der FDP hören wir gerne. – Aus Sicht derersicherten bedeutet das mehr Wahlmöglichkeiten hin-ichtlich des Leistungsumfangs.
us Sicht der Leistungsanbieter und der Kostenträgeredeutet das mehr Vertragsfreiheit. Das darf aber nichtu einer Schwächung der Freiberuflichkeit führen, son-ern muss zu einer Stärkung der Versorgung – auch überie Sektorengrenzen „ambulant“ und „stationär“ hin-eg – führen.Mit dem Gesundheitsstrukturgesetz haben wir ab993 den Weg für mehr Wettbewerb in der gesetzlichenrankenversicherung geebnet. In Zukunft muss es beiem Wettbewerb aber nicht nur um die Beitragshöhe,ondern auch um Qualität und Leistungen gehen. Damiteistet der Wettbewerb einen nachhaltigen Beitrag zurteigerung der Effizienz des Systems. Intransparentetrukturen werten Leistungsanstrengungen ab und beför-ern mangelndes Kostenbewusstsein. Damit müssen wirchluss machen; denn diese Strukturen schwächen dieahrnehmung der jeweiligen Verantwortung und behin-ern die Erschließung von Innovationen für die Patien-en. Unser Ziel muss sein, das Kostenbewusstsein zuchärfen und die Eigenverantwortung zu stärken.Schließlich muss eine Reform auch den Anforderun-en der Globalisierung, den offenen Dienstleistungs-ärkten und der gestiegenen Morbidität der Menschenechnung tragen.Lassen Sie mich zum Schluss noch einige Worte zuen Ärzteprotesten der vergangenen Tage sagen. DieDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Verständnis für dieroteste der Ärzte. Die zentralen Forderungen nach einerngemessenen Honorierung mit festen Preisen und einerntbürokratisierung der medizinischen Versorgung fin-en unsere Zustimmung.
ir haben bereits in den zurückliegenden Verhandlun-en zum GKV-Modernisierungsgesetz das Ende der
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Annette Widmann-MauzBudgetierung und damit der fallenden Punktwertedurchgesetzt.Allerdings ist es der Selbstverwaltung nicht gelungen,die Vorarbeiten für die morbiditätsorientierten Regelleis-tungsvolumina rechtzeitig abzuschließen. Daher wirddie Budgetierung noch nicht – wie es im Gesetzentwurfformuliert wurde – zum Jahresende erfolgen können.Der Union liegt ungeachtet dessen daran, dass Ärztekünftig nicht mehr das Morbiditätsrisiko tragen. Des-halb wollen wir eine Honorierung der ärztlichen Leistun-gen mit festen Eurobeträgen. Denn wer Ärzten für ihreschwierige und verantwortungsvolle Arbeit die dafür an-gemessene Honorierung verweigert, der schadet der me-dizinischen Versorgung aller Patienten.
Wir wollen darüber hinaus die Auflagen und Regle-mentierungen, die zu mehr Bürokratie geführt haben,überprüfen und vor allen Dingen entschlacken. Die Vor-schläge der Bundesregierung für den Bürokratieabbauauch im Gesundheitswesen werden von uns nachdrück-lich unterstützt. Frau Schmidt, da haben Sie unsere volleUnterstützung, insbesondere was die Disease-Manage-ment-Programme betrifft. Sie gehören auf den Prüf-stand. Denn die aufwendigen Dokumentationspflichtensind erst aus der Verknüpfung mit dem Risikostruktur-ausgleich entstanden. Wir wollen die Entkopplung vonden Disease-Management-Programmen erreichen.Ich denke, es wird deutlich, dass wir die Anliegen derÄrztinnen und Ärzte aufgreifen und dass wir hohenRespekt vor ihrer verantwortungsvollen Aufgabe haben.Umgekehrt erwarten wir aber auch, dass die Protestenicht auf dem Rücken der Patientinnen und Patientenausgetragen werden. Wir haben kein Verständnis dafür,wenn einzelne Ärzte zum Beispiel krebskranken Men-schen, die teure Zytostatika benötigen, das Rezept mitdem Hinweis aushändigen, dieses Rezept müsse der Pa-tient künftig selbst bezahlen, falls es zu einer Bonus-Ma-lus-Regelung komme. Dies ist aus unserer Sicht einenicht zu verantwortende Verunsicherung der Patientin-nen und Patienten.
Denn es steht noch überhaupt nicht fest, welche Wirk-stoffe betroffen sein werden und ob die Bonus-Malus-Regelung überhaupt zum Einsatz kommt, wenn dieSelbstverwaltung vor Ort keine anderweitigen Vereinba-rungen trifft. Mit einem solchen Verhalten wie auch mitder Drohung der Rückgabe der KV-Zulassung schadensich die Ärzte selbst.Ich hoffe, dass wir sehr bald zu einer sachlichen Dis-kussion zurückkehren. Für die CDU/CSU-Bundestags-fraktion biete ich die Gesprächsbereitschaft an. Ich freuemich auf die Diskussionen über den Haushalt und einegroße Reform.
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Denn diese Frauen haben nicht, wie Frau Ackermann,einen vermögenden Ehemann. Sie benötigen auch wei-terhin den solidarischen Krankenversicherungsschutzder Versichertengemeinschaft. Das Vertrauen in dieSteuerfinanzierung könnte unserer Meinung nach rela-tiv einfach hergestellt werden:Erstens. Die Bundesregierung hält an dem Vorhabender Finanzierung versicherungsfremder Leistungen ausder erhöhten Tabaksteuer fest und nutzt diese nicht zurSanierung des Haushalts.uGAfp17MdFmvgleNuKBnZAdis3MSSdVuOetnkdt
ur so sind Solidarität und Gerechtigkeit zwischen Gut-nd Geringverdienern und zwischen Gesunden undranken zu gewährleisten.Schönen Dank.
Das Wort hat nun die Kollegin Anja Hajduk,
ündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-en und Kollegen! Frau Ministerin, wenn man sich dieahlen ansieht, dann erkennt man einen dramatischenbsturz ab 2005. Ihr Haushalt 2005 umfasste 84 Milliar-en Euro, in diesem Jahr enthält er 4,5 Milliarden Euro,m nächsten Jahr werden es noch 1,9 Milliarden Euroein und bis zum Ende der Legislaturperiode wird er auf60 Millionen Euro heruntergefahren.
an könnte ja denken: So stark sollten wir die Frauchmidt gar nicht entlasten. Jetzt geht das alles auf diechultern von Minister Müntefering. Ich will sagen: Beier Beratung dieses Haushalts stellen wir hier eine großeeränderung fest.Eines einmal vorneweg: Es gibt die große Koalitionnd die gewählte Kanzlerin Merkel hat natürlich dierganisationshoheit. Sie kann sagen: Wir machen aushemals zwei Ministerien drei, weil wir sie in der Koali-ion brauchen. Wir von der Opposition werden sehr ge-au hinschauen, wie teuer der Spaß ist. Es gibt wirklichein Pardon, wenn beim Personal, bei den Mieten, beien Umbauten und bei den Umsetzungen zu hohe Kos-en entstehen. Wir werden die Haushaltsseite sehr genau
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Anja Hajdukunter die Lupe nehmen. Ich bin mir sicher, dass das dieRegierungskoalition natürlich auch tut.
– Auch bei Herrn Müntefering ist das sehr viel, jetzt sindwir aber bei Frau Schmidt, die auch 18 zusätzliche Stel-len bekommen hat.Der zweite Punkt, der wirklich sehr wichtig ist undden ich ins Zentrum dieser Rede stellen will, ist die Ent-wicklung des Budgets von derzeit 4,5 Milliarden Euroüber zwei Jahre hinweg auf 360 Millionen Euro, also dasvollkommene Abschmelzen des steuerfinanzierten Bei-trags für die versicherungsfremden Leistungen.
Das ist heute Morgen bei der Auseinandersetzung mitFinanzminister Steinbrück schon Thema gewesen. Ichfinde, die große Koalition macht hier einen kapitalenFehler. Sie legen den Rückwärtsgang ein.Frau Ministerin, ich finde es in Ordnung, dass Sie la-chen,
weil ich weiß, dass wir Ihre Position vielleicht eher un-terstützen, ohne dass Sie jetzt reden oder mir laut ant-worten können; ich will nicht zu weit gehen. In einer Si-tuation in Deutschland, in der wir eine höhereSteuerfinanzierung der versicherungsfremden Leis-tungen brauchen, ist es ein kapitaler Fehler, hier denRückwärtsgang einzulegen und zu meinen, manbräuchte einfach nur Druck aufs System auszuüben.
Ich will das begründen: Druck aufs System wollenauch wir Grünen ausüben. Wir glauben, dass es noch Re-formen auf der Angebotsseite bedarf. Ich will aber nichteinfach nur so Druck auf eine große Koalition ausüben,die sich dann im Zweifel nicht einigt. Wer zahlt dannden Preis? Das sind die Menschen, die dann auf dem Be-schäftigungsmarkt wegen zu hoher Lohnnebenkostenschlechtere Chancen haben. Sie setzen sich unter einenZeitdruck; denn die Gesundheitsreform soll nicht nur biszum 1. Januar 2007 verabredet sein, sondern sie soll abdem 1. Januar 2007 finanziell greifen. Sie kürzen hierletztlich zulasten der Beschäftigungschancen. Das haltenwir für einen grundsätzlichen Fehler. Nicht, weil wir denHaushalt nicht in Ordnung bringen wollen, sondern weiles Sinn macht, sind wir bereit, die Steuerfinanzierungversicherungsfremder Leistungen – sie sind ja auch defi-niert worden – auch im Gesundheitsbereich vorzuneh-men. Hier ist die große Koalition auf einem ganz fal-schen Trip.
Ich möchte durchaus auch auf den Streit eingehen,den wir im letzten Jahr im Haushaltsausschuss hatten.DBMFlgsgadAndrdjAwjsdglrznhMmtslzgwsgdüDmSt
Meine allerletzte Bemerkung zur Gesundheitsreform.ir bleibt nicht die Zeit, darauf lange einzugehen, weileine Redezeit eigentlich abgelaufen ist. Bei aller Un-erstützung einer Finanzierung durch Steuermittel für dieoziale Sicherung: Machen Sie nicht den kapitalen Feh-er, die Beiträge für Kinder aus Steuermitteln zu finan-ieren, solange es die Trennung von PKV und GKVibt.
Wir Grünen wollen einen gemeinsamen Markt. Wirollen keinen Schutzzaun um die PKV, sodass nur be-timmte Leute eintreten können. Wir wollen einenleichberechtigten Zugang zu allen Kassen. Dafür mussie PKV in einen gemeinsamen gesetzlichen Marktberführt werden. Dann können wir auch über andereinge wie Steuerfinanzierung reden. An dieser Stelleüssen Sie Acht geben.
Frau Kollegin Hajduk, bitte kommen Sie zum
chluss.
Ich komme zum Schluss und freue mich auf die wei-eren Haushaltsberatungen.
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Das Wort hat die Kollegin Elke Ferner von der SPD-
Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Esist eben schon einiges zu der Frage der Einnahmeent-wicklung der Krankenversicherungen gesagt worden.Wir sehen, dass die Einnahmeentwicklung seit einigenJahren nicht mit der Ausgabenentwicklung Schritt hält.Das zieht eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge nachsich, die sowohl das verfügbare Einkommen der Versi-cherten vermindert als auch den Faktor Arbeit zusätzlichbelastet.Ich sage aber auch zu den Debatten, die wir jetzt füh-ren müssen: Wer glaubt, man könne sich nur auf die Ein-nahmesituation konzentrieren, springt zu kurz; denn wirhaben auch ein Problem auf der Ausgabenseite.
– Wir können darüber gleich noch reden. Herr Platzeckbestreitet das nicht, werter Kollege. Wenn Sie mir abernicht glauben und das vertiefen wollen, können Siegerne eine Zwischenfrage stellen.Die Einnahmen der gesetzlichen Krankenversiche-rung bemessen sich an den sozialversicherungspflichti-gen Lohn- und Gehaltssummen der Pflichtversichertenund den Beiträgen der freiwillig Versicherten. Der Anteildieser Einkommen am Gesamteinkommen geht aller-dings aus den verschiedensten Gründen zurück; auchdazu ist schon einiges gesagt worden. Gleichzeitig steigtder Anteil anderer Einkünfte am gesamten Volkseinkom-men.Insofern sage ich: Es ist nicht einzusehen, dass immerweniger die Beitragsbasis dafür liefern sollen, dass alleein vernünftiges und funktionierendes Gesundheitssys-tem dann vorfinden, wenn sie es brauchen.
Wir sind der Meinung, dass wir, wenn wir in Zukunft dienotwendige medizinische Versorgung für alle gewähr-leisten wollen, dafür sorgen müssen, dass sich alle nachihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit anden Kosten des Systems beteiligen.Der Punkt Tabaksteuer und der damit verbundeneZuschuss zu den Krankenkassen sind schon diskutiertworden. Wir als Gesundheitspolitiker und Gesundheits-politikerinnen sehen das durchaus kritisch; da gibt esüberhaupt kein Vertun. Darüber werden wir mit Sicher-heit noch zu reden haben. Aber ein finanzpolitischerAmoklauf, wie er hier von der linken Seite des Hausesvorgeschlagen wird, kommt für uns ebenfalls nicht in-frage. Mit den Forderungen nach weniger Steuern hierund mehr Zuschüssen da im Gesundheitsbereich sowiemehr Investitionen in den anderen Bereichen kämen wirlocker auf eine Verdoppelung des Volumens des Bundes-haushalts. Ein bisschen mehr finanzpolitische Seriositäthätte ich auf Ihrer Seite des Hauses schon erwartet.HhdißhwDagIkEd–hShBwgdVsaSrddddrmfvhlxwd
Zur Kollegin Hajduk möchte ich Folgendes sagen:insichtlich des Zuschusses – das haben wir im Haus-altsausschuss in den letzten drei Jahren miteinanderiskutieren können – kann ich mir zugute halten, dassch zu denjenigen gehört habe, die diesen Entschlie-ungsantrag, den wir damals als Koalition beschlossenaben, nicht wollten, dass nämlich der Zuschuss gekürztird, wenn die Steuereinnahmen nicht hoch genug sind.ie Fraktion der Grünen war aber zusammen mit einigenus meiner Fraktion an dieser Stelle die treibende Kraftewesen.
nsofern muss ich sagen, liebe Anja Hajduk: Es ist zuurz gesprungen, die Kürzung des Zuschusses aus deninnahmen der Tabaksteuer zu beklagen und damals anem Entschließungsantrag mitgewirkt zu haben.
Wenn dem so ist, dann nehme ich das zurück. Aber ichabe das anders in Erinnerung.
Zur Ausgabenseite ist festzustellen, dass wir auch dietrukturen effizienter machen müssen. Für das Gesund-eitswesen muss das gelten, was auch für alle anderenereiche gilt: Mit dem vorhandenen Geld muss so ge-irtschaftet werden, dass ein verantwortungsvoller Um-ang mit den Versichertenbeiträgen bei einer hohen me-izinischen Qualität gewährleistet ist.Was die Ärzteproteste angeht – für die ich in Teilenerständnis habe –, kann ich nicht nachvollziehen, dassich die Ärzteschaft lediglich die Politik als Sündenbockusgeguckt hat. Es mag zwar an der einen oder anderentelle Kritikpunkte geben, aber die Verteilung der Hono-are innerhalb der Kassenärztlichen Vereinigungen aufie einzelnen Ärztegruppen wird ebenso wie die steigen-en Arzneimittelausgaben nicht thematisiert. Angesichtser Tatsache, dass im vergangenen Jahr 3,8 Milliar-en Euro mehr für Arzneimittel als für ärztliche Hono-are ausgegeben wurden, sollte man sich vielleicht ein-al an die eigene Nase greifen. Denn wir Politiker grei-en nicht zum Rezeptblock und verschreiben etwas, wasiel oder wenig Geld kostet; das machen die Ärzte. Des-alb haben wir das Arzneimittelversorgungs-Wirtschaft-ichkeitsgesetz geschaffen.
Wer behauptet, es gäbe ein Arzneimittelbudget je Pra-is oder eine Mengenbegrenzung je Patient, der hat ent-eder das Gesetz nicht gelesen oder versucht bewusst,ie Menschen zu verunsichern. Beides sieht das Gesetz
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Elke Fernernicht vor; es ist nicht beabsichtigt und es wird nicht ein-geführt.
Insofern rate ich zu mehr Sachlichkeit, als sie derzeit ge-geben ist, wo alle nur mehr Geld für das Gesundheitssys-tem fordern, ohne zu sagen, wie die Mittel aufgebrachtwerden sollen. Denn letztendlich müssten es die Versi-cherten tragen. Alle Forderungen zusammengerechnetmachen locker 1,5 bis 2 Beitragspunkte zusätzlich aus.Wir haben in den nächsten Wochen auch über die Zu-kunft des Gesundheitssystems zu diskutieren. Aus unse-rer Sicht muss das Gesundheitssystem in Zukunft auchweiterhin die notwendige medizinische Versorgung füralle auf einem hohen Qualitätsniveau gewährleisten. Esmuss auch solidarischer finanziert werden und demogra-fiefest sein. Ich glaube, dass das Prinzip der Solidari-tät, wie wir es aus der gesetzlichen Krankenversiche-rung kennen, nicht gering zu schätzen ist. Es ist keinmarodes System.
Die privaten Krankenversicherungen könnten die In-frastruktur – auch die ärztliche Versorgung im ambulan-ten Bereich – nicht ausreichend bereitstellen, wenn allesüber risikoabhängige Prämien finanziert werden müsste.Das wissen Sie genauso gut wie ich.
Rechnen Sie doch einfach einmal die Honorare hoch!Wie viele Milliarden Euro mehr müssten in das Gesund-heitssystem fließen, um nur die bestehenden medizini-schen Leistungen aufrechtzuerhalten, wenn für alle ge-setzlich Versicherten die gleichen Honorare wie für diejetzt privat Versicherten bezahlt werden müssten?
Das sind die klassischen Fehlberechnungen, die wir vonIhrer Fraktion schon kennen.Ich glaube, das Prinzip, dass die Jungen für die Älte-ren, die finanziell Starken für die Schwächeren und dieGesunden für die Kranken einstehen, ist nach wie vortragfähig. Fast 90 Prozent der Versicherten beteiligensich an diesem System.
Ich meine, dass wir auch weiterhin an einer soli-darischen Finanzierung festhalten müssen, die – wie ge-sagt – eine erweiterte Beitragsbasis erfordert und sichvor allen Dingen am jeweiligen Einkommen orientiertstatt an einer Pro-Kopf-Berechnung. Insofern ist dem,was Matthias Platzeck gestern dargelegt hat, nichts hin-zuzufügen.
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enn egal wie alt oder jung jemand ist und egal wie vielr oder sie verdient, niemand, der heute jung und gesundst und gut verdient, ist davor gefeit, dass er schon mor-en oder übermorgen krank ist, möglicherweise nichtehr gut verdient und auf die Hilfe und die Solidarität
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Elke Ferneranderer angewiesen ist. Ich glaube, in der Sache sind wiruns einig. Aber Ihre Aussage, dass in der gesetzlichenKrankenversicherung nur die Gesunden für die Krankeneinstünden, ist sicherlich nicht richtig.Wir müssen darüber hinaus noch einmal über die Ver-teilung der Risiken diskutieren. Hier gibt es erheblicheUnterschiede zwischen der GKV und der PKV, aberauch innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung.Die Risiken in der Versichertenstruktur sind nicht nur imHinblick auf Alter und Einkommen, sondern auch imHinblick auf die Krankheitsbilder unterschiedlich ge-wichtet. Auch über diesen Punkt werden wir diskutierenmüssen. Bei der Hebung der Effizienzreserven im Sys-tem müssen wir uns anstrengen. Aber wir dürfen einenFehler nicht machen – das sage ich jedem, egal welcherFraktion er angehört –: Wenn wir beginnen, hier zu wa-ckeln, und auch nur vor einer Lobbygruppe einknicken,dann haben wir alle zusammen schon verloren. Ich wün-sche uns viel Rückgrat und Mut bei der bevorstehendenReform.In der mir verbleibenden Zeit möchte ich noch einenweiteren Punkt ansprechen. Die Kollegin von der FDPhat darauf hingewiesen, dass Ulla Schmidt an dem mor-gigen Gespräch nicht teilnimmt. Die Situation ist, dasswir einen Teil des Koalitionsvertrages noch nicht ausver-handelt haben.
Schon bei den ersten Gesprächen haben sich nur dieSpitzen der Parteien getroffen.
Ulla Schmidt wird bei den anstehenden Verhandlungenauf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen; das ist ganznormal. Aber es ist auch kein unnormaler Vorgang, dassbei den ersten Sondierungsgesprächen nur die Fraktions-und Parteivorsitzenden miteinander reden.Zum Abschluss wünsche ich uns, dass wir über dieFrage, wie die Reform des Gesundheitssystems weiter-gehen soll, gut diskutieren und hoffentlich zu belastba-ren und nachhaltigen Ergebnissen kommen werden. Ichfreue mich auf die Diskussionen, insbesondere auf diealternativen Konzepte von der linken und der rechtenSeite des Hauses.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Konrad Schily von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine Damen undHerren! Es ist ein uralter ärztlicher Grundsatz, dass derliebe Gott vor die Therapie die Diagnose gestellt hat. DieErkennung von Symptomen reicht da nicht. SymptomehDsiDhzPtWWewhGdhtdawbdgvPeDodmcgumÜnsdrRuMZmVPmsl
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entweder freie, eigenverantwortliche Bürger oder derenGängelung – unter dem Deckmantel der Fürsorge undder Solidarität – durch Gesetze, Verordnungen und Maß-regeln; entweder eine Preisbildung zwischen überschau-baren Versichertengemeinschaften oder eine staatlicheVdvdtwkdmDMtBstssfmdswNtdssDesBdBdDlrgnt
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Wir müssen an dieser Stelle aber auch ehrlich sein. Ver-ehrte Frau Ministerin, wenn wir auf die vergangenenJahre zurückblicken, auch die vor Ihrer Regierungszeit,dann stellen wir fest, dass unter immer größerer öffentli-cher Begleitmusik mehrfach reformiert wurde. Viele derReformen haben sich mit dem Attribut „groß“ geziert,ohne auch nur mittelfristig, geschweige denn langfristigeine wirklich nachhaltige Besserung zu erzielen. Des-halb wird es Aufgabe der großen Koalition sein, diewirklich notwendige Neuorientierung für die kommen-den Jahre in Gang zu bringen. Das ist die große Heraus-forderung.Deshalb erfüllt es mich mit Zuversicht, dass sich Bun-deskanzlerin Angela Merkel mit der Ministerin getroffenhat und in dieser Woche die Koalitionsspitzen zusam-mentreten. Herr Müntefering, selbst wenn es etwas län-ger dauern sollte, aus den recht unterschiedlichen Kon-zepten einen zukunftsfähigen Wurf zu basteln, so sageich Ihnen: Nehmen Sie sich die Zeit! Das Motto der gro-ßen Koalition lautet: Qualität geht vor Geschwindig-keit. – Das muss unser Markenzeichen sein. Daran soll-ten wir uns halten.
Ich kann als CDU-Abgeordneter aus Baden-Württem-berg sagen: Die Landtagswahlen sind vorüber und wirsind mit dem Ergebnis höchst zufrieden. Also: Ran ansWerk! Es stehen neue Themen an.
Schauen wir uns den Einzelplan 15 genauer an, sofällt mir als Haushälter gleich eine kleine Besonderheitauf. Obwohl das Bundesgesundheitsministerium nachder Trennung vom Bereich Arbeit und Soziales wiederseinen alten Zuschnitt aus der Zeit vor 2002 aufweist,haben sich doch – die Kollegin Hajduk hat darauf auf-merksam gemacht – die Stellen im Leitungsbereich er-heblich vermehrt. Obwohl das Bundesfinanzministeriumdazu seinen Segen erteilt hat, schauen wir Haushälter dergroßen Koalition sehr sorgsam auf diesen Aspekt.
– Ich darf Ihnen versichern, Frau Kollegin: Wir schauendarauf. Dafür brauchen wir die Grünen nicht.
Wie groß die Notwendigkeit einer umfassenden Ge-sundheitsreform ist, zeigt ein Blick auf das Gesamtvolu-men des Haushalts. Frau Ministerin hat bereits daraufhlsnnss2GMDpTftdAvFznlRwEWtwwnhMEfllsrnRghLhhbbrnk
Deshalb muss sich die Reform zunächst aus eigenenitteln und ohne zusätzliche Einnahmen finanzieren.ine Finanzierung aus Steuermitteln kommt nur dann in-rage, wenn echte, weitreichende Strukturreformen ge-ingen. Das wird die Aufgabe der Kolleginnen und Kol-egen sein. Ich bin zuversichtlich, dass sie dies auchchaffen.Leitlinie dabei ist: mehr Wettbewerb, mehr Transpa-enz sowie die Entkopplung der Beiträge von den Löh-en. Das sind die grundlegenden Voraussetzungen diesereform. Wir alle wissen: Im Gesundheitswesen liegenroße Beschäftigungspotenziale. Gerade der Gesund-eitsbereich ist ein Sektor, mit dem viele Menschen imande ihr höchstes Gut verbinden, nämlich die Gesund-eit. Sie ist allen viel wert. Nebenbei bemerkt: Gesund-eit und Wellness sind absolut trendy.Im Übrigen haben wir Haushälter der Koalition unsemüht, im Rahmen der Berichterstattergespräche, dieereits stattgefunden haben, die aktuellen Herausforde-ungen anzunehmen. Wir sind bereit, Frau Ministerin,ach entsprechenden Mitteln zu suchen, um die Aidsbe-ämpfung intensivieren zu können. Wir sehen bei der
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Norbert BarthlePrävention auch insgesamt Handlungsbedarf und wollennach entsprechenden Ressourcen suchen, um dort mehrtun zu können.Dass die nachgeordneten Institute, die ich ebenfallserwähnen möchte, eine große Bedeutung haben, zeigtdie aktuelle Entwicklung: Bei dem Titel „Beschaffungvon Impfstoffen“ und im Haushalt des Robert-Koch-In-stituts – Stichwörter „Vogelgrippe“ und „Gefährdungdurch sonstige globalisierte Seuchen“ – sehen wir even-tuell Mehrbedarf. Wir werden im Verlauf der anstehen-den Beratungen nach Möglichkeiten zur Gegenfinanzie-rung suchen. Auch da braucht es nicht der Hilfe derOpposition, Frau Kollegin Winterstein. Die Öffentlich-keitsarbeit haben wir da selbst im Blick.Neben dem Robert-Koch-Institut will ich auch dasPaul-Ehrlich-Institut positiv erwähnen. Gerade im Be-reich der Krankheitskontrolle und der Prävention aufdem Gebiet der Epidemiologie leistet dieses Institut her-vorragende Arbeit. Das Paul-Ehrlich-Institut befasst sichmit der Zulassung und der staatlichen Chargenprüfungvon Seren, von Impfstoffen und Ähnlichem. Die Vorfällein London beim Test eines deutschen Medikaments ge-gen multiple Sklerose zeigen, wie unverzichtbar dieseAufgabe ist.Auch das Deutsche Institut für Medizinische Doku-mentation und Information sowie das Bundesinstitut fürArzneimittel und Medizinprodukte erfüllen wichtigeAufgaben. Das sehen wir durchaus. Im Bereich der Bun-deszentrale für gesundheitliche Aufklärung findet vielesstatt, was mit Prävention, mit Vorsorge, zu tun hat. Dasehen wir noch weitere Potenziale für Synergien mit Ih-rem Haus, Frau Ministerin. Ihr Haus muss natürlich dieKontrollfunktion und die Lenkungsfunktion ausüben.Dass der dafür notwendige Personalbestand vorhandensein muss, sehen wir. Es wird eine Herausforderung fürdie kommenden Wochen sein, einen entsprechendenAusgleich auch mit den nachgeordneten Behörden her-zustellen.Ich will zusammenfassen: Im Gesundheitsbereichsteckt viel Potenzial für Beschäftigung, für zusätzlicheArbeitsplätze. Es ist ein heiß umkämpfter Markt mitstarken Interessengruppen. Jeder, der einmal Gesund-heitsminister war – Ihr Vorgänger weiß das wie Sie, FrauMinisterin –, kann ein Lied davon singen, wie hart dieAuseinandersetzungen sind. Wir drücken Ihnen für dieanstehenden Verhandlungen die Daumen und sind über-zeugt: Es wird zu guten Lösungen kommen, immer indem Sinne: Im Zentrum all unseres Interesses steht einerund das ist der Patient, der Mensch.
Für die Menschen machen wir unsere Politik. Dafür giltes, Lösungen zu finden.Herzlichen Dank.
vdEnKdkPsg„gekScGdmimdgdnVsCsgBas
s ist ein hilfloser, wütender Aufschrei, aber ein ganzormaler Fall von Vernachlässigung in Pflegeheimen.„Pflegende können an vielen Stellen den ethischenonflikt zwischen dem professionellen Anspruch undem, was das System heute bereit ist zu finanzieren,aum noch auflösen“, sagt die Bundeskonferenz derflegeorganisationen.Fakt ist: Der Pflegenotstand in diesem Land wächsttändig. Das sagt auch ein Gutachten des Landespfle-eausschusses Nordrhein-Westfalen. Ich zitiere: Eslässt sich folgern, dass spürbare Qualitätsverbesserun-en eine Erhöhung des Leistungsumfangs und damitine bessere Personalausstattung voraussetzen“.Auf den Punkt gebracht: Wir schulden den alten undranken Menschen etwas. Sie brauchen mehr Personal.ie brauchen besser ausgebildetes Personal. Wir brau-hen mehr Geld für die Pflege.Den ganzen Tag schon haben wir uns Reden übereld angehört. Auch ich rede hier über Geld, über Geld,as nicht ausgegeben, über Geld, das nicht eingenom-en wird, weil diese schwarz-rote Regierung genau wiehre rot-grüne Vorgängerin ihre Hausaufgaben nichtacht.In den vergangenen Jahren gab es wenigstens ein Mo-ellprogramm zur Verbesserung der häuslichen Versor-ung Pflegebedürftiger. Das läuft nun aus. Aus dem Etates Gesundheitsministeriums wird nichts, aber auch garichts zur Verbesserung der Pflegesituation gefördert.erbesserungen im Bereich der Demenzerkrankungenind nur Gegenstand von Verkündungspolitik.Es ist auch heuchlerisch, wenn Staatssekretärinaspers-Merk darauf hinweist, dass immer mehr Men-chen in Heime eingewiesen werden, die es eigentlichar nicht nötig hätten. Da mag das CDU-regierte Landaden-Württemberg in einem aktuellen Bundesrats-ntrag noch so deutlich schreiben: „Handlungsbedarf be-teht deswegen derzeit in allen Leistungsbereichen der
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Inge Höger-NeulingPflegeversicherung, vorrangig im ambulanten Be-reich“ –
die schwarz-rote Koalition hier im Bundestag hört ein-fach nicht hin.Die Koalition hört nur dem ständigen Jammern derArbeitgeber zu. Sie will den Kahlschlag bei den Sozial-versicherungen fortsetzen. Dabei leiden gerade die klei-nen Betriebe stärker unter den Kaufkraftverlusten in-folge ihrer Politik als unter den so genanntenLohnnebenkosten oder – so heißen sie neuerdings –Lohnzusatzkosten.Wir Linken im Bundestag wollen eine grundlegendeReform der Kranken- und Pflegeversicherung. Wirbrauchen ein Ende des Teilkaskoprinzips in der Pflege.Wir brauchen eine Versicherung, die alles Notwendigeübernimmt. Die Menschen brauchen sachgerechteDienstleistungen.
– Dazu, wer das bezahlen soll, komme ich noch. – Allemüssen die Pflege bekommen, die sie brauchen.Dazu müssen alle in die gesetzliche Kranken- undPflegeversicherung einzahlen: Vermieter genauso wieAktienbesitzerinnen bzw. Aktienbesitzer,
Selbstständige genauso wie Menschen mit Vermögen,und zwar ohne Beitragsbemessungsgrenze, ohne Versi-cherungspflichtgrenze.
Niemand soll sich aus der Solidargemeinschaft verab-schieden können.
Die sozialen Sicherungssysteme haben auch Kosten-probleme; aber diese Probleme sind unverhältnismäßiggeringer als die Einnahmeprobleme. Wir haben gravie-rende Einnahmeprobleme sowohl in der gesetzlichenKranken- und Pflegeversicherung als auch in den ande-ren Solidarsystemen.
Die Linke fordert Würde für Alte und Kranke. Wirfordern sachgerechte Leistungen und mehr Personal so-wohl für die stationäre als auch für die ambulante Pflege.Wir sind an der Seite der Beschäftigten in den Klinikenund an der Seite der Ärzte, die für mehr Qualität in derMedizin und in der Pflege kämpfen.
Das Wort hat jetzt die Kollegin ElisabethScharfenberg von Bündnis 90/Die Grünen.NMbDsduIdüvdwATgmrsWgSSaEhzvdtrPMuumzrknngLwi
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frauinisterin, vor gut drei Wochen haben Sie uns offiziellestätigt, dass die Pflegeversicherung im Jahr 2005 einefizit von 360 Millionen Euro geschrieben hat. Ange-ichts dieser Zahlen bestreitet wohl niemand ernsthaft,ass die Pflegeversicherung reformiert werden muss,nd zwar dringend.
n welche Richtung das Ganze aber gehen soll, da schei-en sich die Geister,
brigens auch zwischen CDU, CSU und SPD. Einig,erehrte Kolleginnen und Kollegen, scheinen Sie sich je-enfalls nicht zu sein, sonst hätten wir schon längst et-as Konkretes gehört.Wir leben in einer älter werdenden Gesellschaft.uch weiterhin wird die Pflegeversicherung nur eineeilkaskoversicherung sein, also nur einen Teil des Pfle-erisikos abdecken. Umso wichtiger ist eine gute undenschenwürdige Pflege. Sie ist finanziell und struktu-ell eine der wesentlichen Zukunftsaufgaben unserer Ge-ellschaft.
ir können diese Aufgabe nur schultern, wenn die Pfle-eversicherung ein System der Unterstützung und derolidarität im besten Sinne bietet. Herr Ministerteinbrück hat dies in seiner Rede heute Morgen selbstuf den Punkt gebracht: Die Lasten der demografischenntwicklung müssen solidarisch getragen werden. – Daat er vollkommen Recht.Eine gelungene Pflegereform muss daher im Kernwei Anforderungen erfüllen:Erstens. Die Pflegeversicherung muss sich künftigiel mehr als heute an den Bedürfnissen der Pflegebe-ürftigen und ihrer Angehörigen orientieren. Das bedeu-et konkret, dass wir Leistungs- und Qualitätsverbesse-ungen brauchen. Das heißt etwa Neudefinition desflegebegriffs, mehr Prävention und Reha, Case-anagement, also bedarfsgerechte Einzelfallbetreuung,nd bessere Förderung alternativer neuer Wohnformen,m hier nur einige Punkte zu nennen.Zweitens. Die Finanzierung der Pflegeversicherunguss nachhaltig, generationengerecht, vor allem aber so-ial ausgewogen sein. Im Kern muss die Pflegeversiche-ung deshalb ein Solidarsystem bleiben.Die große Koalition sollte endlich Mut zur Ehrlich-eit zeigen. Es gibt nämlich zwei Alternativen: Zum ei-en wird es bereits kurzfristig mehr Geld kosten, wennur das heutige Leistungsniveau der Pflegeversicherungehalten werden soll, erst recht bei einer Ausweitung dereistungen. Zum anderen müssen Leistungen gekürzterden, wenn nicht mehr Geld fließen soll. So einfachst das. Nennen Sie das Kind doch endlich beim Namen!
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Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 27. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. März 2006 2195
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Elisabeth Scharfenberg
Kurzum, meine Damen und Herren, eine Pflege-reform verdient erst dann ihren Namen, wenn sie eineFinanz- und eine Strukturreform beinhaltet. Im Koali-tionsvertrag von Union und SPD finden wir vollmundigeAnsagen zur Pflegeversicherung. Da ist die Rede vonkapitalgedeckten Elementen als Demografiereserve,Finanzausgleich zwischen privater und sozialer Pflege-versicherung, Leistungsverbesserungen für Demenz-kranke, Bürokratieabbau usw.
Ich bin schon sehr gespannt darauf, wie das konkret aus-sehen soll – wahrscheinlich nicht weniger gespannt alsdie Abgeordneten der großen Koalition selbst.Besonders optimistisch bin ich nicht. Eines ist näm-lich verdächtig. Da steht zwar, dass die Koalition biszum Sommer 2006 ein – ich zitiere – „Gesetz zur Siche-rung einer nachhaltigen und gerechten Finanzierung derPflegeversicherung“ vorlegen will. Hier ist aber nur vonder Finanzierung die Rede. Außerdem haben Sie imKoalitionsvertrag den Absatz zur Finanzierungsseite feinsäuberlich vom Absatz zur Leistungsseite getrennt. ImHinblick auf die Leistungsseite ist kein Wort von einemZeitplan, geschweige denn von einem Gesetzentwurf zufinden.Dass diese Reform kommt, glaube ich erst – das mussich leider sagen –, wenn der Gesetzentwurf auf meinemSchreibtisch liegt. Als nämlich Frau Ministerin Schmidtam 9. März das erwähnte Defizit bekannt gab, ließ sie inder Pressemitteilung verlauten – ich zitiere –:Wir– also die große Koalition –werden bis 2007 dafür sorgen, dass die Pflegeversi-cherung ... an neue Herausforderungen angepasstund ihre Finanzierung für die Zukunft nachhaltiggesichert wird.
Bis 2007: Das muss man sich einmal auf der Zunge zer-gehen lassen.Für mich heißt das doch nichts anderes, als dass sichdie große Koalition bereits wenige Wochen nach ihrenVersprechungen im Koalitionsvertrag diese Reform imvorgesehenen Zeitraum schon nicht mehr zutraut; siewird auf die lange Bank geschoben. Das ist nun wirklichdas Letzte, was die Pflegeversicherung gebrauchenkann.
Ich erinnere noch einmal an die heutige Rede vonHerrn Minister Steinbrück. Er hat eindeutig sein massi-ves Interesse an der Gesundheitsreform bekundet. DieseLeidenschaft fordere ich von Ihnen, Frau Schmidt, fürdie Pflegereform ein. Verschieben Sie dieses Projektnicht! Worauf warten Sie noch?nsgDlgdlsniDSWfslidgbdnakWFütdSsszTdnNvsDRg
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Der Gesundheitshaushalt spiegelt wider, dass die Not-wendigkeit einer Pandemievorsorge erkannt wird. DieVogelgrippe ist in Europa angekommen. Bisher ist eseine Tierkrankheit, die zwar vom Tier auf den Men-schen, aber nicht vom Menschen auf den Menschenübertragen werden kann. Es gibt also keinen Grund, inPanik auszubrechen und eine neue Spanische Grippe he-raufzubeschwören. Es ist aber notwendig, Vorsorge zutreffen. Für den Haushalt bedeutet dies, dass wir Geldfür die Vorbereitung eines Influenzaimpfstoffes bereit-stellen. In den Beratungen werden wir prüfen müssen, obdies ausreicht und wie wir gegebenenfalls zusätzlicheMittel bereitstellen können.Wir müssen auch eine effektive Forschung sicher-stellen. Daran sind mehrere Ministerien beteiligt. Wirwerden deshalb prüfen müssen, wie wir die Forschungs-mittel möglichst effektiv einsetzen.Der Einzelplan 15 des Bundeshaushaltes schreibt diegesetzten Schwerpunkte auf einem hohen Niveau fest.Ich bin zuversichtlich, dass wir im Zuge der parlamenta-rischen Beratungen die Punkte, bei denen wir einen be-sonderen Bedarf sehen, auch noch klären werden.Problematisch ist allerdings, was sich bereits für dienächsten Jahre abzeichnet. Der Wegfall der pauschalenAbgeltung für versicherungsfremde Leistungen an dieKrankenkassen und die zusätzlichen Kosten für Arznei-mittel durch die beschlossene Mehrwertsteuererhöhungbedeuten 0,5 Beitragspunkte mehr für die gesetzlicheKrankenkasse. Wir wissen noch nicht, wie wir in Zu-kunft die Finanzierung der Krankenkassen organisie-ren werden. Sicher ist aber, dass wir keine verlässlicheFinanzierung auf Dauer hinbekommen, wenn wir die Fi-nanzierung von der aktuellen Haushaltslage abhängigmachen.kSdBgmtMH2GfwWrsiksenWddldVtdm1sldÄdgdrd
Wie gesagt, das sind Fragen, die sich für die nächstenaushalte stellen. Heute bringen wir den Haushalt für006 ein. Mit dem Haushalt des Bundesministeriums füresundheit führen wir die gerade in der Prävention er-olgreichen Projekte fort. Das ist notwendig. Ich denke,ir sind hier auf dem richtigen Weg.
Als letztem Redner des heutigen Tages gebe ich das
ort dem Kollegen Jens Spahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir füh-
en diese Debatte – aktueller können wir kaum sein – in
pannenden Zeiten. Natürlich ist das Ergebnis, über das
n den nächsten Tagen und Wochen verhandelt wird, un-
lar. Nichtsdestotrotz ist die Ausgangslage klar – ich
timme dem Kollegen Schily zu; wir müssen erst einmal
ine Diagnose stellen –: Zum einen geht es um die Fi-
anzierungsbasis der gesetzlichen Krankenversicherung.
ir haben aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit eine ero-
ierende Einnahmesituation. Zum anderen geht es um
ie Frage, welche Verteilungswirkung es in der gesetz-
ichen Krankenkasse – Herr Kollege Seifert, Sie haben
anach gefragt – geben wird.
2040 wird das Verhältnis von dem, was ein junger
ersicherter im Durchschnitt kostet, zu dem, was ein äl-
erer Versicherter – ich kann beruhigt darüber sprechen;
enn dann werde ich zu dieser Gruppe gehören –, wenn
an die Zahlen der letzten Zeit fortschreibt, kostet,
: 20 betragen. Ich werde dann einer von den Älteren
ein, 2040 nämlich genau 60 Jahre alt. Das macht deut-
ich, dass nicht nur eine Umverteilung zwischen Gesun-
en und Kranken, sondern auch zwischen Jüngeren und
lteren stattfindet, weil das Risiko, zu erkranken, und
ie damit verbundenen Kosten im Alter schlicht und er-
reifend höher sind. Deswegen stehen wir aufgrund der
emografischen Entwicklung vor einer besonderen He-
ausforderung.
Herr Kollege Spahn, erlauben Sie eine Zwischenfragees Kollegen Seifert?
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Bitte schön.
Bitte, Herr Seifert.
Lieber Herr Kollege, was Sie sagen, hat doch nichts
damit zu tun, in welchem Alter Menschen krank werden.
Es ist statistisch erwiesen, dass man, auch wenn man
länger lebt, nicht länger krank ist, sondern dass sich die
Krankheits- bzw. Pflegephase meistens nur etwas später
einstellt; sie ist aber genauso lang. Demzufolge habe ich
vorhin die Frage gestellt – und ich bitte Sie, sie zu beant-
worten –, ob nicht gerade die Solidarität zwischen
Gesunden und Kranken das entscheidende Kriterium
der gesetzlichen Krankenversicherung ist. Ich möchte
nicht, dass Jung und Alt auch noch in der Krankenversi-
cherung gegeneinander ausgespielt werden. Es ist schon
schlimm genug, dass dies in der Rentenversicherung ge-
schieht.
Sehr verehrter Herr Kollege, es geht hier gar nicht da-rum, Menschen gegeneinander auszuspielen. Es gehtschlicht und ergreifend darum, die Fakten zur Kenntniszu nehmen.
Es ist heute so, dass in der Krankenversicherung derRentner nur 40 Prozent der Ausgaben durch das gedecktwerden, was die Rentner selbst einzahlen. 60 Prozentwerden durch die Umverteilung von den Jüngeren zuden Älteren finanziert. Das wollen wir ja auch; das kri-tisiert hier niemand. Man muss aber doch das Faktumzur Kenntnis nehmen, dass diese Umverteilung in nochstärkerem Maße als vor etwa 20 oder 30 Jahren stattfin-det,
weil die Krankenversicherung der Rentner aufgrund derdemografischen Entwicklung einen zunehmend größe-ren Menschenkreis umfasst.Im Kern stimme ich Ihnen zu. Natürlich geht es umdie Solidarität zwischen Gesunden und Kranken. Aberdas Risiko, zu erkranken, insbesondere das Risiko, chro-nische bzw. schwer wiegende Krankheiten zu bekom-men, ist im Alter höher als in jüngeren Jahren. Es gehtaber, wie gesagt, nicht darum, Menschen gegeneinanderauszuspielen, sondern darum, die Tatsachen zu sehen.Darauf müssen wir Antworten finden.Zudem stehen wir auf der Ausgabenseite vor der Si-tuation, dass sich die Ausgaben von Jahr zu Jahr erhö-hen, gleichzeitig aber Frust und Unlust im System zu-nehmen. Das sehen wir an den Ärzteprotesten. Wir allespüren Frust und Unlust aber auch bei den Patienten, diestark verunsichert sind; das erlebe ich oft bei Veranstal-tfambcgLksastdaSawcDmbidIDdSsfgeKlibdaIDnalmhd
n dieser Situation macht es wenig Sinn, grundsätzlicheiskussionen zu führen. Es darf nicht verkannt werden,ass es darum geht, ein über 100 Jahre gewachsenesystem zu verändern.Es geht – auch aufgrund der gerade geführten Diskus-ion – im Ziel darum, das ganze System auf demografie-este Beine zu stellen. Es ist mir wichtig, deutlich zu sa-en – auch wenn es in der Diskussion darüber an derinen oder anderen Stelle schwierig wird –: Die privaterankenversicherung, das einzige System in Deutsch-and, in dem Demografiefestigkeit gegeben ist, muss inhrer Substanz im Grundsatz auch in Zukunft erhaltenleiben. Das eine System sollte eher ein wenig vom an-eren – besseren, demografiefesteren – System lernenls umgekehrt.
ch glaube, es lohnt sich hierbei, jeden Streit und jedeiskussion, auch innerhalb der Koalition, zu führen.
Auf der Ausgabenseite geht es darum, die Forderungach mehr Wettbewerb – sie steht seit Jahrzehnten in fastllen Parteiprogrammen – mit Leben zu füllen, vor al-em, damit wir am Ende zu Vergütungsstrukturen kom-en, die dazu führen, dass es denen, die im Gesund-eitswesen tätig sind, wieder Freude macht, morgensen Dienst am Menschen zu beginnen, sodass wir den
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Jens SpahnFrust und die Unlust der letzten Zeit nicht weiter erlebenmüssen. Insofern geht es auch darum, die Strukturen sozu gestalten, dass sie genau dies fördern.
Herr Kollege Spahn, erlauben Sie eine Zwischenfrage
der Kollegin Hajduk?
Jawohl, ich erlaube eine Zwischenfrage.
Bitte schön, Frau Hajduk.
Herr Kollege Spahn, Sie haben hier gerade das Hohe-
lied auf die Demografiefestigkeit der privaten Kranken-
versicherung gesungen. Ich will meiner Frage voraus-
schicken, dass es hierzu auch unter den Experten
unterschiedliche Erkenntnisse gibt. Finden Sie es auch
vorbildlich, dass man beim Wechsel von einer privaten
Krankenversicherung nicht einmal seine Altersrückstel-
lungen mitnehmen kann?
Es ist vollkommen unbestritten – das sagen wir in der
Koalition; das sagt im Übrigen auch die Kommission,
die Frau Zypries schon in der letzten Legislaturperiode
in ihrem Hause einberufen hat –, dass wir beim Versi-
cherungsvertragsrecht zu Änderungen kommen wollen.
Wir wollen – das steht nicht zur Diskussion –, dass diese
Altersrückstellungen portabel sind.
Sie haben das in den sieben Jahren, in denen Sie in der
Regierung waren, noch nicht ganz hinbekommen. Wir
wollen das aber in den nächsten Jahren tatsächlich ange-
hen.
Ich möchte eine Frage ansprechen, die mir bei der
ganzen Diskussion im Grundsatz am wichtigsten ist:
Welche Vision, welche Idee, haben wir für das Gesund-
heitswesen in Deutschland? Wollen wir immer nur die
ganzen Detaildiskussionen zu den Fragen, mit denen wir
uns hier im Alltag beschäftigen, führen oder haben wir
auch eine Idee davon, wie sich der Bereich Gesundheit
in Deutschland entwickeln kann? Er ist nämlich ein
Wachstumsmarkt des 21. Jahrhunderts, in dem schon
heute 4,2 Millionen Menschen in der Regel Dienst am
Menschen leisten, in Berufen, die sich nur bedingt nach
China oder sonstwo auslagern lassen, weil der Dienst am
Menschen nur vor Ort geleistet werden kann. Trotz aller
Diskussionen ist Deutschland in der pharmazeutischen
Industrie, bei der Medizintechnik, aber auch bei Ablauf-
prozessen in vielen Bereichen weltmarktführend. Wir
haben die Chance, dort weitere Potenziale zu erschlie-
ßen.
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ichtsdestotrotz muss uns die Steigerungsrate von
0 Prozent binnen eines Jahres umtreiben. Wir müssen
ie sich daraus ergebenden neuen Herausforderung an-
ehmen.
Es ist ein Kennzeichen von Prävention, dass man sie
icht nur einmal betreibt – wie zu Beginn der 80er-
ahre –, dass sie nicht für immer vorhält. Es gibt nämlich
mmer wieder neue Menschen auf der Welt. Ich selbst
ehöre dem Jahrgang 1980 an. Ich habe die ganzen De-
atten, weil ich mich dafür interessiere, erst im Nach-
inein verfolgt. Junge Menschen meines Alters haben
ich logischerweise mit der Entwicklung in den 80er-
ahren gar nicht befasst, weil sie sie gar nicht bewusst
ahrgenommen haben. Umso mehr stehen wir in der
erantwortung, die Diskussion über HIV/Aids – trotz al-
er Werbung der Pharmaindustrie ist es noch immer
eine heilbare Krankheit – und über die besonderen He-
ausforderungen, vor denen wir stehen, in den Mittel-
unkt zu stellen. Das müssen wir insbesondere vor dem
intergrund der Entwicklungen in Osteuropa tun, wo
um Teil Steigerungsraten zu verzeichnen sind, wie sie
n der Frühzeit von Aids in Afrika verzeichnet wurden.
ch bin daher froh darüber, dass die Bundesregierung
unmehr offensichtlich geklärt hat, wer für die Zusam-
enarbeit mit unseren osteuropäischen Freunden zustän-
ig ist.
Der Kollege Beck hat eine Zwischenfrage.
Moment, die Zwischenfragen lasse ich zu.
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Entschuldigung.
Ich wollte Sie während der letzten zehn Sekunden Ih-
rer Rede eigentlich nicht mehr unterbrechen, weil alle
noch andere Dinge vorhaben. Wenn Herr Beck aber eine
kurze Zwischenfrage stellen will, dann bitte schön.
Ich bedanke mich für die Großzügigkeit des Präsiden-
ten.
Ich finde es gut, wenn für die Aidsprävention mehr
Mittel zur Verfügung gestellt werden. In der Tat kom-
men neue Herausforderungen auf uns zu und es gibt eine
Veränderung des Verhaltens. Wichtig ist aber, dass man
Präventionsmaterialien verbreitet, erreichbar und ver-
fügbar macht, die eine klare Sprache sprechen. Es macht
keinen Sinn, bei den Themen Sexualität und Verhaltens-
änderung drum herum zu reden. Würden Sie mir zustim-
men, wenn ich behaupte, dass es falsch ist, wenn sich
Unionsabgeordnete bei der Bundeszentrale für gesund-
heitliche Aufklärung oder der Bundesgesundheitsminis-
terin darüber beschweren, dass es im Internet zielgrup-
penspezifische Materialien gibt, in denen zu Sexualität
besondere schwule Männer, neuerdings aber auch
Migranten, insbesondere aus Osteuropa. Natürlich muss
für diese Zielgruppen entsprechendes Material bereitge-
halten werden. Im Einzelfall würde ich das aber gerne
bewerten, nachdem ich das entsprechende Material gese-
hen habe.
Abschließend möchte ich sagen: Die Ausgangslage
ist klar. Das Ziel ist klar. Die Dinge, die anstehen, wer-
den wir in den nächsten Wochen, ohne uns von „Spie-
gel“, „Focus“, „Bild“ oder sonstigen Zeitungen nervös
machen zu lassen, diskutieren. Ich würde mich freuen,
wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition
– ich schaue von links nach rechts –, uns konstruktiv be-
gleiten und am Ende auch unterstützen würden, die nöti-
gen Dinge zu tun.
Ich freue mich, weil ich zum ersten Mal die seltene
Ehre habe, als Letzter zu reden, Ihnen allen noch einen
schönen Abend und gute Gesundheit wünschen zu kön-
nen.
und dazu, wie man beim sexuellen Verhalten HIV-Infek-
tionen verhindern kann, eine klare Sprache gesprochen
wird?
Ohne das Material, um das es geht, im Einzelfall zu
kennen, stimme ich zumindest im Grundsatz zu. Natür-
lich ist es wichtig, zielgruppen- und risikogruppenspezi-
fische Arbeit zu leisten. Zu diesen Gruppen gehören ins-
m
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Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir sind da-
it am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
estages auf morgen, Mittwoch, den 29. März 2006,
Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.