Protokoll:
1147

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 147

  • date_rangeDatum: 6. Juni 1951

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:10 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 147. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1951 5837 147. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5838A Änderungen der Tagesordnung . . 5838B, 5840D Begrüßung des Abg. Fischer nach seiner Genesung 5838B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie und des Kohlenbergbaues (Nr 2264 der Drucksachen) 5838C Dr. Schöne (SPD), Antragsteller . 5838C Dr. von Brentano (CDU) 5841A Paul (Düsseldorf) (KPD) 5842A Beschlußfassung und Ausschußüberweisung 5843A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes (Nr. 1983 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2229 der Drucksachen; Änderungsanträge Umdruck Nrn. 169, 189, 190, 209) 5843B Dr. Wellhausen (FDP): als Berichterstatter 5843B als Abgeordneter . 5849B, 5859A, 5864C Lausen (SPD) 5846D, 5849C, 5851A, 5864D Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . 5847C, 5848C, 5857A, 5861D, 5862D, 5863D, 5865A Jacobi (SPD) 5848A Pelster (CDU) 5849D Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . 5850A Dr. Bertram (Z) 5852D, 5859B, 5863A, 5864B Loritz (WAV) 5853C Miessner (FDP) 5854A Kohl (Stuttgart) (KPD) . . . 5854B, 5856C Dr. Koch (SPD) . . . 5855B, 5858C, 5862D Mensing (CDU) 5857B Schmücker (CDU) 5861A Dr. Neuburger (CDU) . . . 5862D, 5865B Brandt (SPD) . . . . 5865B Abstimmungen 5850C, 5855A, 5857D, 5859A, 5862C, D, 5864B, 5865A, B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Verhaftung des Abg. Hedler (Nr. 2302 der Drucksachen) 5840D, 5865C Gengler (CDU), Berichterstatter . . 5865C, 5866D Hedler (DRP-Hosp.) 5866B Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 5867C, 5869D Frommhold (DRP) 5868D Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 5868D Dr. Mende (FDP) 5869B Dr. von Merkatz (DP) 5869C Beschlußfassung 5870A Zweite Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes (Nr. 1294 der Drucksachen); Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2250 der Drucksachen; Änderungsanträge Umdruck Nm. 201, 206, 207, 208) ... 5870A Dr. Serres (CDU): als Berichterstatter 5870A als Abgeordneter 5874D Kalbitzer (SPD) 5870D Freudenberg (FDP) 5871D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 5872C, 5875B Lange (SPD) 5873A, 5875D Dr. Fink (BP) 5875C Abstimmungen 5870D, 5872D, 5876A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Nr. 2291 der Drucksachen) . . . . 5876D Dr. Kleindinst (CDU), Antragsteller 5876D Arnholz (SPD) 5877A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5878A Beschlußfassung 5878B Erste Beratung des Entwurfs eines Übergangsgesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder (Nr. 2276 der Drucksachen) ... 5878C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5878C Seuffert (SPD) 5878D Scharnberg (CDU) 5879B Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5879C Dr. Leuchtgens (DP) 5879D Ausschußüberweisung 5880B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 (Nr. 2278 der Drucksachen) 5880B Ausschußüberweisung 5880B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei (Nr. 2287 der Drucksachen) 5880B Ausschußüberweisung 5880C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Saatgutkredite (Nr. 1285 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr 2289 der Drucksachen) 5880C Beschlußfassung 5880C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung (Nr. 2059 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) (Nr 2270 der Drucksachen) 5880D Wacker (CDU), Berichterstatter . 5880D Beschlußfassung 5881C Nächste Sitzung 5881C Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114700000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 147. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.

Heinz Matthes (DP):
Rede ID: ID0114700100
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Baur (Württemberg), für drei Tage den Abgeordneten Wönner, Frau Lockmann, Neumann, Clausen, Kuhlemann, Winkelheide, Juncker, Dr. Becker (Hersfeld), Euler, Dr. Zawadil, Niebergall, Agatz. Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Dr. Gerstenmaier für zwei Wochen wegen Krankheit, der Abgeordnete Dirscherl für zwei Wochen wegen Krankheit und der Abgeordnete Müller (Worms) für vier Wochen wegen Krankheit. Entschuldigt sind die Abgeordneten Frau Dr. Rehling, Dr. Tillmanns, Dr. Bucerius, Goetzendorff, Margulies, Fisch, Rische, Dr. Schatz, Schmidt (Bayern), Wallner.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114700200
Meine Damen und Herren, ich nehme an, daß das Haus mit den Beurlaubungen, soweit sie über eine Woche hinausgehen, einverstanden ist. — Das ist der Fall.
Gemäß interfraktioneller Vereinbarung soll der Punkt 4 von der heutigen Tagesordnung abgesetzt werden, die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Zolländerungen — Nr. 2277 der Drucksachen —, ebenso der Punkt 11, die zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Industriekreditbank Aktiengesellschaft, Nr. 2217 der Drucksachen. Ich darf die Mitglieder des Hauses bitten, die verteilten Unterlagen aufzubewahren, da sie aus technischen Gründen nicht noch einmal verteilt werden können.
Meine Damen und Herren, ich begrüße in unserem Kreise wieder den Herrn Abgeordneten Fischer, der seit dem Oktober letzten Jahres wegen Erkrankung abwesend war. Ich heiße ihn herzlich willkommen.

(Beifall.)

Ich rufe Punkt 1 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie und des Kohlenbergbaues (Nr. 2264 der Drucksachen).
Ich bin darüber unterrichtet worden, daß der noch nicht anwesende Herr Bundesminister für Wirtschaft, der sich in einer Veranstaltung in der italienischen Botschaft befindet, jeden Augenblick eintreffen wird. Ich nehme an, daß wir mit der Beratung dieses Punktes der Tagesordnung beginnen können.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von GO Minuten vor.
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD hat der Herr Abgeordnete Dr. Schöne das Wort. Bitte, Herr Abgeordneter!

Dr. Joachim Schöne (SPD):
Rede ID: ID0114700300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Neuordnung der deutschen Kohle- und Eisenwirtschaft hat das Hohe Haus bereits einige Male beschäftigt: eimal bei Gelegenheit der Regierungserklärung am 20. September 1949, dann im Februar des vergangenen Jahres auf Grund eines Antrages der CDU/CSU und dann im Dezember 1950 auf Grund eines Antrages meiner Fraktion. In Anbetracht der Bedeutung der Grundindustrien für die deutsche Volkswirtschaft, angesichts des Umstandes, daß die Presse sich laufend mit Neuordnungsfragen für die Grundindustrien beschäftigt, und nicht zuletzt im Hinblick auf die Tatsache, daß die deutschen Grundindustrien seit gut einem Jahr im Brennpunkt hochpolitischer Ereignisse stehen, müßte es eigentlich wundernehmen, daß der Bundestag fast ein halbes Jahr lang zu diesem Problem nicht Stellung genommen hat. Dies wird allerdings verständlich, wenn man sich daran erinnert, daß das Hohe Haus in seiner 105. Sitzung am 7. Dezember 1950 beschlossen hat, daß die Bundesregierung bis zur Verabschiedung deutscher Gesetze über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in der Kohle- und Eisenwirtschaft nichts tun solle, was einer künftigen Eigentums- und Besitzregelung auf diesen Gebieten vorgreife, und daß sie der Alliierten Hohen Kommission gegenüber den Standpunkt des Bundestages vertreten möge, daß auch die Hohe Kommission ihrerseits der Neuregelung der Eigentumsverhältnisse nicht vorgreife.
Mit diesem Beschluß des Hohen Hauses war sichergestellt, daß der Ablauf der Neuordnung der Grundindustrien nach dem Gesetz Nr. 27 vor sich gehen würde. Das sollte einmal bedeuten, daß der Schritt zu der betrieblich-organisatorischen Neuordnung getan werden sollte, d. h. der Abgrenzung der einzelnen Werke und Betriebe zu sogenannten Einheitsgesellschaften. Bereits im Dezember war für die Eisenwirtschaft in Umrissen klar deutlich, welche Gesellschaften zur Gründung in Frage kommen würden, und für die Kohle stand damals hinsichtlich der Abgrenzung bereits eine weitgehende Übereinstimmung der deutschen Sachverständigengremien fest. Zu diesem Punkt der Gründung der Einheitsgesellschaften oder zur Vervollständigung der betrieblich-organisatorischen Neuordnung war also die begründete Hoffnung gegeben, die Zusammenfassung der Werke in aller Kürze zu verwirklichen.


(Dr. Schöne)

Der zweite Schritt zur Neuordnung nach Gesetz Nr. 27 wäre dann die interimistische treuhänderische Eigentumsverwaltung dieser Einheitsgesellschaften gewesen. Das will sagen, daß das Eigentun an den Einheitsgesellschaften beschlagnahmt und Treuhändern zur Verfügung gestellt werden sollte. Dieser zweite Schritt ist die Voraussetzung einmal für eine Erfüllung der Präambel-Bestimmung des Gesetzes Nr. 27, wonach ein deutsches Parlament die endgültige Eigentumsentscheidung über die Grundindustrien treffen soll, und zum anderen Voraussetzung für den Beschluß des deutschen Parlaments in Anlehnung an Art. 15 des Grundgesetzes. Nach diesem Beschluß des Hohen Hauses vom 7. Dezember des vergangenen Jahres war zu erwarten, daß die Schaffung der Einheitsgesellschaften schnell vor sich gehen und gleichzeitig der Zwischenzustand der interimistischen Eigentumsverwaltung eintreten würde. Auf der anderen Seite jedoch war zu erwarten, daß die Regierung mit aller Kraft an die Vorbereitung von Gesetzen für eine Neuordnung ging, um den Zwischenzustand der Eigentumsverwaltung abzukürzen.
Diese Erwartungen waren von allen beteiligten Seiten auf eine verhältnismäßig kurze Zeit abgestellt. Der Grund hierfür lag darin, daß man die dringende Notwendigkeit erkannte, daß sich einmal die Produktionsprogramme der einzelnen Gesellschaften und Betriebe rationell aufeinander einspielen, daß zum andern eine klare, gesamtwirtschaftlich orientierte Investitionspolitik getrieben wird. Nicht zuletzt sollte eine möglichst kurze Zeit deswegen gewählt werden, um der deutschen Grundindustrie einen relativ günstigen Stand in den zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen zu verschaffen.
Alle Erwartungen auf eine möglichst baldige Beendigung der Neuordnung schienen zunächst auch in Erfüllung zu gehen. Im Dezember des vergangenen Jahres traf ein Memorandum der Alliierten Hohen Kommission ein, das die Einheitsgesellschaften für das Eisen im allgemeinen festlegte und sich über das Gründungsverfahren sowie über die Satzung aussprach. Am 14. März dieses Jahres richtete die Bundesregierung ein Schreiben an die Hohe Kommission,, worin sie Vorschläge über die Durchführung des Gesetzes Nr. 27 machte. Mit einem Schreiben vom 27. März dieses Jahres nahm die Alliierte Hohe Kommission diese Vorschläge an.
Nun erließ die Alliierte Hohe Kommission am 2. Mai die Durchführungsverordnung Nr. 6, in der sie die 24 Einheitsgesellschaften aufführt, die nach dem im Dezember bereits bekannten Verfahren für die Eisenwirtschaft gegründet werden sollten. Damit war die Voraussetzung gegeben, beginnend etwa am 21. Mai dieses Jahres mit -der Schaffung der Einheitsgesellschaften anfangen zu können, und es bestand begründete Aussicht, daß die Einheitsgesellschaften bei der Eisenwirtschaft -bis Ende Oktober, spätestens bis Ende des Jahres vorhanden waren.
Parallel hierzu erließ die Combined Coal Group eine Anordnung, die sich auf die Vorbereitung der Gründung der Kohlegesellschaften erstreckte, die für eine Verbindung mit dem Eisen vorgesehen waren. Die Alliierte Hohe Kommission erließ gleichzeitig am 2. Mai dieses Jahres eine weitere Durchführungsverordnung, die Durchführungsverordnung Nr. 7, die sich mit den Treuhändern für diese Einheitsgesellschaften beschäftigte. Mit dieser Durchführungsverordnung Nr. 7 war das Tor für den zweiten Teil der Neuordnung, für die interimistische Eigentumsverwaltung, aufgestoßen.
Es wäre nun verständlich gewesen, wenn von allen Seiten schnell gehandelt worden wäre, um schnell die Einheitsgesellschaften zu bekommen und diesen Zwischenzustand zu beenden. Statt dessen entwickelte sich gerade im Anschluß an die beiden genannten Durchführungsverordnungen allerorten eine ungeheuere Aktivität, aber nicht eine Aktivität, um die Neuordnung vorwärtszutreiben, sondern um die Neuordnung zu vermeiden. Es darf hier ganz klar ausgesprochen werden, daß die Bemühungen, eine Neuordnung zu vermeiden, nicht erst im Augenblick des Erlasses der beiden Durchführungsverordnungen auftraten, sondern daß sie bereits seit längerer Zeit bestanden, daß sie aber nach Erlaß der Durchführungsverordnungen offen zutage traten. Es sagt dies ganz deutlich ein Satz in der Zeitung „Industriekurier" vom 17. Mai dieses Jahres, den ich zitieren darf und in dem es heißt: „Damit sind alle Hoffnungen auf wenigstens eine Sistierung dieser unerwarteten Politik entfallen".
Diese Feststellung führte nun allerdings in den beteiligten Kreisen nicht zur Resignation, sondern zu einer ungeheueren Aktivität, die auch die deutsche Verwaltung intendierte. Die nun einsetzenden Einwendungen und Vorstellungen gegen die Neuordnung und gegen die Durchführungsbestimmungen gruppierten sich einmal um die Frage der Satzung. Es kam hier darauf an, die Personenverzahnung auszuräumen, über die Aktienform neue Bestimmungen zu treffen und die Satzungsänderungen zu erwirken.
Die zweite Gruppe der Einwendungen und Vorstellungen betraf den Erlaß der Durchführungsverordnung, zumal diese offiziell auf die Vorschläge der Bundesregierung vom März dieses Jahres Bezug nahm. Bei all diesen Einwendungen und Vorstellungen spürte man die Kräfte im Hintergrunde. Man merkte ganz offensichtlich, daß es hier ernst wurde mit der Neuordnung. In diese aufgeregte Stimmung hinein kam nun ein Schreiben des Herrn amerikanischen Hohen Kommissars an den Herrn Bundeskanzler. In diesem Schreiben soll der Herr amerikanische Hohe Kommissar dem Bundeskanzler vorgeschlagen haben, daß die Form des Aktientauschs möglich sei, d. h. daß man die alten Eigentümer in ihren Ansprüchen gegen die Gesellschaften mit Aktien oder sonstigen Gesellschaftspapieren der neuen Gesellschaften 'befriedigen könne. — Dies sei die einzig mögliche Lösung für die Eigentumsregelung; so soll nach Pressemeldungen auf Grund dieses Briefes seitens der Regierung gesagt worden sein.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, ich vermag nicht zu glauben, daß von der Regierung eine solche Außerung getan worden ist; denn einmal besteht der Beschluß dieses Hohen Hauses vom 7. Dezember 1950, der dahin lautete, daß sich die Bundesregierung aller Handlungen enthalten 'sollte, -die einer Eigentumsregelung vorgreifen, und zum andern dürfte es ja doch wohl unbestritten sein, daß ein Aktientausch in dieser Form auf alle Fälle ein Präjudiz darstellt. Ich darf in diesem Zusammenhang entgegen verschiedenen Pressemeldungen ganz eindeutig erklären, daß meine Freunde auf


(Dr. Schöne)

der Grundlage des Art. 15 stehen, in dem auch der Entschädigungsgrundsatz enthalten ist. Ich möchte aber auch keinen Zweifel darüber aufkommen las- sen, daß die Entscheidung über 'die Eigentumsfrage eine Sache des Parlaments und nur des Parlaments ist.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Diese Strömungen und Hemmungen, die sich einer Neuordnung entgegenstellten, mögen so unterschiedlich gewesen sein, wie sie wollen, sie hatten aber ein einheitliches Ziel, nämlich die Ausrichtung auf eine Verhinderung oder Hinauszögerung der Neuordnung. Und zwar richtete 'sich die Hinauszögerung einmal gegen die betriebliche Neuordnung in der Hoffnung, ein anderes Gesetz Nr. 27 zu bekommen; zum andern richtete sie sich gegen die Eigentumszwischenlösung in der Hoffnung, die Treuhänder überhaupt ausschalten zu können. Diese Bemühungen standen ganz offensichtlich unter dem Motto: „Restauration um jeden Preis".
Ich weiß nun nicht, meine Damen und Herren, ob diese Preislage immer ganz klar gesehen worden ist und auch heute noch ganz klar gesehen wird. Dies bedeutet einmal eine Behinderung des Lebens der Betriebe, darüber hinaus aber bedeutet es eine Behinderung der deutschen Grundindustrien überhaupt. Zum andern bedeutet diese Verhinderung der Neuordnung eine Gefährdung der Ausgangslage der deutschen Grundindustrie in dem zwischenstaatlichen Wirtschaftsmiteinander. Nicht zuletzt darf ich darauf hinweisen, daß diese Behinderung eine sehr große Gefährdung des sozialen Friedens darstellt.
Diese Worte möchte ich nach der Seite hin sagen, von der ganz offensichtlich diese Störungs- und Strömungskräfte kamen, die eine Neuordnung verhindern wollten. Auch in den Kreisen der Altkonzerne waren Bestrebungen in dieser Richtung deutlich zu erkennen, und ich darf sagen, daß man für Bestrebungen dieser Art vielleicht menschliches Interesse haben kann. Man kann aber kein Verständnis dafür aufbringen, wenn manche Menschen dieser Seite jetzt noch nicht die Überzeugung gewonnen haben, daß die Ordnung von Gesellschaft und Wirtschaft von der Gesamtheit des Volkes bestimmt wird. Dem hat man sich zu fügen, ob man nun will oder nicht.
An die gleiche Adresse gerichtet möchte ich noch hinzufügen: Die Altkonzerne mögen doch nicht vergessen, daß gerade durch die Arbeiter und ihre Gewerkschaften die Vermögensteile der Grundindustrien überhaupt erhalten worden sind!

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich möchte darauf hinweisen, daß die Produktionen erst durch sie in Gang gesetzt worden sind, und ich möchte ganz nachdrücklich sagen, daß die Arbeiter im Vertrauen auf eine neue Ordnung die Verhältnisse so stabil gehalten haben, daß man heute überhaupt die Frage nach einer Eigentumslösung stellen kann.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)

Neben dieser Gruppe, von der diese Störungskräfte ausgingen, stand jedoch, noch eine andere, und 'das ist die Verwaltung. Auf Grund der Beschlüsse des Hohen Hauses wäre es Aufgabe der Verwaltung gewesen, die Vorbereitungen für die Neuordnungsgesetze zu treffen. Es lagen vor die Regierungserklärung und 'die Beschlüsse des Höhen Hauses vom Februar und Dezember des vergangenen Jahres. Bis zum heutigen Tag — so dürfen wir feststellen — gibt es auf 'diesen Gebieten überhaupt noch nichts. Aufgabe der Verwaltung wäre es gewesen, die Neuordnung auf ihrem eigenen Gebiet weiterzutreiben. Seit gut einem halben Jahr hat es die Bundesregierung in der Hand, die betrieblich-organisatorische Neuregelung des Reichswerke-Konzerns in eigener Zuständigkeit vorzuschlagen. Fachkenner dieses Gebietes werden mir recht geben, wenn ich sage, daß auf diesem Gebiet nicht nur nichts getan worden ist, sondern daß man sich vielmehr manchmal des Gefühls nicht erwehren kann, als feierten gerade dort gleichsam unter der schützenden Hand der Verwaltung Großkonzerngedanken fröhliche Urständ.
Weiterhin wäre es Aufgabe der Verwaltung gewesen, beim Kohleplan — um dass Mitspracherecht beim Kohleplan hat sich die Regierung ja so besonders bemüht — positive Vorschläge zu machen, und zwar schnell zu machen, um eben die Neuordnung vorwärtszutreiben. Statt dessen hat die Verwaltung ihr Ohr allzu willig sogenannten „Sachverständigen" geliehen. Sie hat alles dazu beigetragen, um die Neuordnung etwas hinauszuziehen, ich möchte sagen: sie hat gezogen und geschoben. Sie hat sich viel zu weit in Einzelheiten der Exekutive hineinbegeben, und damit hat sie sich zu weit aus der öffentlichen Kontrolle entfernt. Nach dem Willen des Hauses wäre es viel richtiger gewesen, die Neuordnung zu beschleunigen, um auch den Zwischenzustand zu beseitigen.
Diese Situation auf dem Gebiete der Grundindustrien ist es, die den vorliegenden Antrag Nr. 2264 meiner Freunde ausgelöst hat. Er entspringt einer aufrichtigen Besorgtheit um die Betriebe der Grundindustrien, um die deutsche Gesamtwirtschaft und nicht zuletzt um 'die Wahrung des sozialen Friedens. Mit der Vorlage soll der Blick des Hohen Hauses noch einmal darauf gelenkt werden, was auf dem Gebiet der Grundindustrien nach den Beschlüssen des Hohen Hauses Rechtens ist.
Auf der Grundlage dieser Beschlüsse will der vorliegende Antrag erreichen, daß erstens die betrieblich-organisatorische Neuordnung bei Kohle und Eisen so schnell wie möglich durch die Schaffung der Einheitsgesellschaften abgeschlossen wird, daß zweitens der interimistische Treuhänderzustand für alle Einheitsgesellschaften entsteht und gewährleistet wird und drittens die Bundesregierung unverzüglich mit den Arbeiten an Gesetzesvorlagen über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in der Grundindustrie beginnt, um den Zwischenzustand durch eine Klärung der Entschädigungsfrage und des endgültigen Eigentums möglichst bald zu beenden.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, im Namen meiner Freunde bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, damit wir aus dem Zustand des Redens über die Neuordnung 'heraus zum Handeln in der Neuordnung kommen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114700400
Meine Damen und Herren! Bevor ich die Besprechung eröffne, möchte ich darauf hinweisen, daß der Vorsitzende des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität mich gebeten hat, einen Bericht des Ausschusses betreffend die Immunität des Abgeordneten Hedler


(Präsident Dr. Ehlers)

heute auf die Tagesordnung zu setzen. Der Bericht wird heute noch erarbeitet. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Ich eröffne die Besprechung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie und des Kohlenbergbaues.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. von Brentano.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0114700500
Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2264 habe ich namens der Fraktion der CDU/CSU folgende Erklärung abzugeben.
Die Frage neuer Organisationsformen in der Grundstoffindustrie ist ebenso wichtig und bedeutungsvoll wie die endgültige Regelung der Eigentumsfrage. Der Herr Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung vom 20. September 1949 bereits darauf hingewiesen. Die Fraktion der CDU/CSU hat durch ihren Antrag vom 18. Oktober 1949 ebenso wie durch die Beschlußfassung über den Antrag der Fraktion der SPD vom 2. November 1950 in der 105. Sitzung des Bundestags die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage unterstrichen und ihre Übereinstimmung mit der Regierungserklärung betont. Bis zur Schaffung neuer Organisationsformen und bis zur endgültigen Klärung der Eigentumsfrage ist die Entwicklung der Grundstoffindustrie behindert; es genügt, darauf hinzuweisen, daß sowohl die Durchführung der notwendigen Investitionen wie auch eine gesunde Kreditpolitik weitgehend von einer endgültigen Regelung abhängig sind. Ebenso behindert die mangelnde Klärung der Verantwortlichkeiten das sachgemäße Arbeiten. Aber auch ein gutes Funktionieren des Schumanplanes verlangt gebieterisch eine rasche und abschließende Regelung.
Der Antrag, der uns heute vorliegt, befaßt sich mit zwei Fragen: Die Ziffern 1 und 2 beschäftigen sich mit der Durchführung der organisatorischen Neuordnung im Zuge der durch das alliierte Gesetz Nr. 27 angeordneten Entflechtung. Ich möchte hier die Zuständigkeit der alliierten Behörden zum Erlaß und zur Durchführung des Gesetzes Nr. 27 nicht diskutieren. Bei allem völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Vorbehalt scheint mir das Gesetz Nr. 27 ein politisches Faktum darzustellen, das wir als solches würdigen müssen. Darum aber können wir die Bundesregierung nur auffordern, in den Verhandlungen mit Nachdruck den Standpunkt zu vertreten, der im Interesse der gesamtdeutschen Wirtschaft und Politik liegt. Drum aber glauben wir auch, die Regierung nicht mit konkreten Richtlinien versehen zu dürfen. Ich habe Bedenken gegen die Eingangsworte des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion, in dem die Regierung aufgefordert wird, Maßnahmen zu ergreifen. Es liegt nicht in der Zuständigkeit der deutschen Bundesregierung, „Maßnahmen zu ergreifen", da es sich um ein alliiertes Gesetz handelt. Ich habe ebenso Bedenken gegen die Formulierung der Ziffer 1 insoweit, als dort ausdrücklich „die Gründung von Einheitsgesellschaften" verlangt wird. Eine vorbehaltlose Zustimmung zu einer solchen Formulierung könnte dahin ausgelegt werden, daß der Bundestag damit das Gesetz Nr. 27 und die dazu erlassenen Durchführungsverordnungen anerkennt.

(Seht gut! in der Mitte.)

Ich habe ebenso Bedenken gegen die Worte „gemäß den Vorschlägen der Deutschen Kohlenbergbauleitung". Die wichtige und wertvolle Vorarbeit
der Deutschen Kohlenbergbauleitung soll damit in keiner Weise in Zweifel gezogen werden. Durch die Verweisung auf diese Vorschläge würde aber der Bundestag die Handlungsfreiheit der Bundesregierung beschränken. Ich glaube, daß es in der ausschließlichen Zuständigkeit der Bundesregierung verbleiben muß, das „Wie" der Entflechtung im Verhandlungswege zu klären.
Die Ziffern 3 und 4 des vorliegenden Antrages beschäftigen sich mit der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse. Auch hier verweise ich auf die Regierungserklärung und auf den genannten Initiativantrag meiner Fraktion. Auch die Anträge, die die CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag gestellt hat, und die Diskussionen, die über diese Anträge in diesem Landtag geführt wurden, sollten bei der Prüfung dieser Frage nicht unberücksichtigt bleiben. Jedoch steht das Problem dieser Neuordnung als solches heute nicht zur Debatte. Ich beschränke mich auf die Feststellung, daß meine Partei und meine Fraktion sich wiederholt für die Durchsetzung eines echten machtverteilenden Prinzips in der Grundstoffindustrie ausgesprochen haben.

(Sehr richtig! in der Mitte.) Maßgeblich waren vor allem zwei Gründe. Einmal glauben wir — und auch hier befinde ich mich in Übereinstimmung mit der Regierungserklärung —, daß ein solches machtverteilendes Prinzip Voraussetzung und Bestandteil einer neuen und gerechten Sozialordnung sein sollte. Zum andern war es unsere Auffassung, daß Machtkonzentrationen verhindert werden sollen, die die potentielle Gefahr des Mißbrauchs in sich bergen.


(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wir wollen damit auch unsern ernsten Willen bekunden, in der innerdeutschen Ordnung alle Garantien für die Erhaltung des Friedens zu schaffen.
Das Gesetz über die Mitbestimmung im Bereich der Kohle- und Stahlindustrie ist ein Ausfluß dieser Konzeption, und ich halte mich für berechtigt und verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß dieses Gesetz auch bei der Behandlung des vorliegenden Antrages keineswegs übergangen werden darf. Doktrinäre Vorstellungen über die Umschichtung des Eigentums sind uns fremd.

(Unruhe links.)

Es kommt uns nicht entscheidend darauf an, das Eigentum zu verlagern; noch weniger wäre es mit unserer Vorstellung zu vereinbaren, Machtkonzentrationen auf der einen Seite abzubauen, um auf der andern Seite die Möglichkeit der Bildung neuer Machtzusammenballung zu schaffen.

(Ausgezeichnet! und Sehr gut! in der Mitte. — Gegenrufe links.)

Durch das neu geschaffene Mitbestimmungsgesetz für die Grundstoffindustrie haben wir bereits Funktionen, die an sich aus dem Eigentum fließen, verteilt und haben damit einen entscheidenden Schritt zur Neuordnung zurückgelegt.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Auch der Schumanplan ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Es scheint mir unzweifelhaft, daß durch den Schumanplan die Vorstellungen und Bedenken weitgehend entkräftet werden, die seinerzeit zu der Forderung führten, im Interesse der Erhaltung einer friedlichen internationalen Zusammenarbeit die Eigentumsfunktionen zu beschränken. Innerhalb des Organismus des Schuman-


(Dr. von Brentano)

planes wird es keine nationalstaatliche Grundstoffindustrie mehr geben, deren Betätigung und Entwicklung einen Nachbarstaat bedrohen könnten.
Wir glauben, meine Damen und Herren, daß die endgültige Lösung der im Antrag behandelten Fragen zwar dringlich ist, aber doch nicht zuletzt mit Rücksicht auf ihre weittragenden Auswirkungen einer sorgfältigen Prüfung bedarf. Ich beantrage daher für meine Fraktion zunächst in Abänderung des Antrages der SPD für die Fassung der Ziffern 1 und 2 folgende Formulierung:
Die Bundesregierung wird ersucht, dahin zu wirken, daß
1. die organisatorische Neuordnung der Eisen-und Stahlindustrie beschleunigt abgeschlossen wird;
2. die noch ausstehende Entscheidung über eine Neuordnung des Kohlenbergbaus beschleunigt herbeigeführt wird und die schnelle Durchführung vorbereitet und gesichert wird.
Bezüglich der Ziffern 3 und 4, meine Damen und Herren, beantrage ich Verweisung an den Wirtschaftspolitischen Ausschuß und an den Ausschuß gemäß Art. 15 des Grundgesetzes.

(Beifal in der Mitte und rechts.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114700600
Das Wort hat der Abgeordnete Paul.

Hugo Paul (KPD):
Rede ID: ID0114700700
Meine Damen und Herren! Der Antrag bezieht sich auf das Gesetz Nr. 27 der westlichen Alliierten. Das Gesetz Nr. 27 stellt eine Ablösung des Gesetzes Nr. 75 dar. Aber weder das Gesetz Nr. 75 noch das Gesetz Nr. 27 kommen der Verpflichtung nach, 'die die westlichen Alliierten durch die Unterzeichnung des Potsdamer Abkommens übernommen haben. Im Potsdamer Abkommen wurde eindeutig festgelegt, daß die Konzerne und Monopole aufzulösen seien. Im Interesse der Sicherung des Friedens sollte die Herrschaft der Monopolherren beseitigt und zur Überführung der Grundstoffindustrien in die Hände des Volkes geeignete Formen gefunden werden. Aber schon bei der Behandlung des Kohlegesetzes in Nordrhein-Westfalen, das vom Landtag mit großer Mehrheit angenommen wurde, haben wir gesehen, daß die westlichen Alliierten nicht daran dachten, das Potsdamer Abkommen zu realisieren. So wurde das vom Landtag angenommene Kohlegesetz von der britischen Militärregierung nicht sanktioniert. Genau so geschah es mit dem Art. 41 der hessischen Verfassung.
Die Einheitsgesellschaften, wie sie jetzt auf Grund des Gesetzes 27 in dem Memorandum der Bundesregierung vorgeschlagen werden, sind keineswegs als eine Maßnahme zur Demokratisierung der Wirtschaft zu betrachten, sondern stellen eine Fortsetzung der Herrschaft der Konzernherren, der Stahl- und Grubenbarone dar. Wir sehen Zug um Zug, wie die Macht der Monopolherren wiederhergestellt wird.
Auch die treuhänderische Verwaltung, die im Gesetz 27 für einen Teil der Grundstoffindustrien vorgesehen ist, bildet keineswegs eine Garantie dafür, daß nicht die Grundstoffindustrien wiederum zur Vorbereitung eines neuen räuberischen Krieges ausgenutzt werden. Im Gegenteil, das Gesetz 27 soll eine Reprivatisierung der gesamten Grundstoffindustrien vorwärtstreiben. Wir haben es im
Falle der Firma Buderus in Wetzlar gesehen, was auch eine sozialdemokratische Regierung, in Hessen z. B., unter der Einsetzung eines Treuhänders versteht. Es ist doch eine Tatsache, daß die sozialdemokratische Regierung in Hessen den alten Besitzer von Buderus als Treuhänder dieses Werkes eingesetzt hat. Wir sehen also in dem Gesetz Nr. 27 — und wir können uns da der Meinung der sozialdemokratischen Fraktion nicht anschließen — keine Maßnahme zur Demokratisierung der Wirtschaft.
Wenn der Herr von Brentano den Schumanplan angesprochen hat, der in engster Verbindung mit der Behandlung unserer Grundstoffindustrie steht, dann dienen das Gesetz Nr. 27 und der Schumanplan nur der Einbeziehung unserer Grundstoffindustrien in die Kriegspläne des amerikanischen Imperialismus.

(Zurufe: Aha!)

Das Gesetz Nr. 27 wie der Schumanplan sollen dem
amerikanischen Finanzkapital Tür und Tor für das
Eindringen in unsere Grundstoffindustrie öffnen.
Ein Wort zur sozialdemokratischen Fraktion. Der Redner der sozialdemokratischen Fraktion hat die Eigentumsverhältnisse angesprochen. Ich kann mich entsinnen, daß der Herr Dr. Schumacher einmal, im Jahre 1945 und 1946, die Erkämpfung des Sozialismus als Tagesaufgabe proklamierte. Was ist a .s dieser Tagesaufgabe geworden?

(Abg. Dr. Schmidt [Tübingen]: Ihre Rede!) Statt der Sozialisierung ist die Wiederbefestigung des Monopolkapitals zustande gekommen. Die sozialdemokratische Parteiführung trägt an dieser Entwicklung in Westdeutschland reichlich mit Schuld.


(Zuruf links: Reden Sie keinen Unsinn!) Hätte die sozialdemokratische Parteiführung, statt den Kampf gegen links zu führen und mit den Rechtsparteien zu paktieren, der Einheit der Arbeiterklasse den Weg gebahnt, dann sähe es heute anders aus, nicht nur in der Grundstoffindustrie, sondern auf dem gesamten wirtschaftlich und politischen Sektor.

Wir sind der Meinung, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Illusionen in den Reilen der Gewerkschaften und in der Arbeiterschaft erzeugt. Wir sind der Meinung, daß heute der Kampf dahfn gehen muß, daß das deutsche Volk die volle Souveränität über seine Wirtschaft 'und über sein ganzes politisches Geschehen zurückerhält. Dazu ist notwendig der Abschluß eines Friedensvertrages und der Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland, damit dann das deutsche Volk in eigener Zuständigkeit darüber bestimmen kann, was mit seiner Wirtschaft geschieht. Ich zweifle nicht daran, daß dann das 'deutsche Volk, vor allen Dingen das werktätige Volk, jene Maßnahmen durchführen wird, die im Interesse der Erhaltung des Friedens und der Neuorganisierung einer demokratischen Wirtschaft erforderlich sind. Die Entmachtung der Monopolherren und die Überführung der Grundstoffindustrien in die Hände des Volkes wird dann erfolgen. Dafür werden wir in aller Öffentlichkeit und auch in den Gewerkschaften wirken.
Wir sind der Meinung, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht zur Mobilisierung der Massen für diese Ziele, sondern zur Verwirrung führt und praktisch eine Hilfeleistung für die Durchführung des Gesetzes Nr. 27 darstellt.
Wir sind dafür, daß der Antrag im Ausschuß behandelt werden soll. Später werden wir noch Ge-


(Paul [Düsseldorf])

legenheit haben, uns über die Einzelfragen, die mit diesem Antrag zur Tagesordnung stehen, zu unterhalten.

(Zurufe.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114700800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Meine Damen und Herren, es liegt der Antrag der Fraktion der CDU/CSU vor, den Herr Abgeordneter Dr. von Brentano verlesen hat. Wird gewünscht, daß er noch einmal verlesen wird? — Nicht erforderlich! Es ist ein Abänderungsantrag zu den Ziffern 1 und 2 des Antrags der Fraktion der SPD Nr. 2264 der Drucksachen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Damit sind die Ziffern 1 und 2 des Antrags der sozialdemokratischen Fraktion erledigt. Hinsichtlich der Ziffern 3 und 4 ist von Herrn Abgeordneten Dr. von Brentano Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und an den Ausschuß gemäß Art. 15 des Grundgesetzes beantragt worden. Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung des Antrags an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Überweisung ist erfolgt. Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung des Antrags an den Ausschuß gemäß Art. 15 des Grundgesetzes zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist ebenfalls die Mehrheit. Die Überweisung ist auch an diesen Ausschuß erfolgt. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Federführend? Der Ausschuß gemäß Art. 15!)

— Meine Damen und Herren! Ich habe angenommen, die Überweisung des Antrags an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als ersten solle bedeuten, daß dieser federführend ist.

(Zustimmung.)

Bestehen darüber Zweifel?

(Zurufe: Nein!)

— Offenbar nicht!
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes (Nr. 1983 der Drucksachen);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2229 der Drucksachen); Änderungsanträge Umdruck Nrn. 169, 189, 190, 209. (Erste Beratung: 123. Sitzung).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0114700900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 1983, die den Vorschlag der Regierung zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes enthält, ist in mehrfachen Beratungen des Ausschusses durchgesprochen worden. Eine Mehrheit des Ausschusses ging von vornherein davon aus, daß nichts anderes übrigbleibe, als dem Hauptvorschlag der Regierung, nämlich die Umsatzsteuer von 3 auf 4 % zu erhöhen, zu entsprechen, und zwar nachdem der Haushalt 1951/52 nach den Erklärungen des Herrn
Bundesfinanzministers und auch nach den beigebrachten Belegen im andern Fall mit einem Defizit abschließen würde und nachdem errechnet war, daß die Bestimmungen, die wir hinsichtlich des Einkommensteuergesetzes in der letzten Woche hier verabschiedet haben, nicht ausreichten, um dieses Defizit zu beseitigen. Ich möchte nicht unterlassen, hinzuzufügen, daß auch diese Mehrheit zahlreiche Bedenken zurückstellen bzw. überwinden mußte, insbesondere solche Bedenken, die hinsichtlich des Preis- und Lohngefüges in diesem Falle geltend gemacht werden könnten.
Eine Minderheit des Ausschusses hat die bekannte und in diesem Hause gelegentlich der Beratungen des Einkommensteuergesetzes in der letzten Woche erneut vorgetragene Ansicht vertreten, daß andere Geldquellen zur Verfügung stünden, um die Beseitigung des Defizits zu erreichen. Die Minderheit dachte hier in erster Linie an eine Veränderung der Tarife der Einkommensteuer.
Dem Beschluß der Mehrheit des Ausschusses entspricht nun der Mündliche Bericht Drucksache Nr. 2229, der Ihnen vorliegt, und zwar in verschiedener Beziehung, nicht nur was die Heraufsetzung des Prozentsatzes von 3 auf 4, sondern auch was die Festlegung hinsichtlich der Ausgleichssteuer betrifft, das sind der § 1 Ziffern 5, 6 und 7, und der § 3 des zweiten Abschnitts des ganzen Gesetzes, der sich mit der Beförderungsteuer befaßt.
Das derzeit gültige Gesetz, meine Damen und Herren, enthält nun verschiedene Sonderbestimmungen unter dem Abschnitt „Steuersätze". Das sind der § 7 Abs. 2 bis 5, und der § 8, der die Überschrift trägt „Zusatzbesteuerung für mehrstufige Unternehmen".

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114701000
Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen beanstandet mit Recht, daß seine Ausführungen nur geringe Aufmerksamkeit finden. Ich bitte, dieser Beanstandung Rechnung zu tragen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0114701100
Die Wirkungen dieses Gesetzes wird ja jeder, ob er es annimmt oder ob er sich in die Opposition begibt, demnächst an seinem Geldbeutel spüren! Aber das ist keine Bemerkung des Berichterstatters. —
Ich komme also zunächst zu Abs. 4 des § 7. Die darin vorgesehene Steuer hat man sich mittlerweile „Warenhaussteuer" zu nennen angewöhnt. Sie beträgt zur Zeit 3 3/4 %, liegt also 3/4 % über der normalen Steuer und würde bei einer Erhöhung von 3 auf 4 % nicht weniger als 5 % ausmachen. Der Regierungsvorschlag empfiehlt, diese Erhöhung nicht vorzunehmen und dementsprechend den vielumstrittenen Abs. 4 des § 7 zu streichen. Die Mehrheit des Ausschusses hat sich diesem Antrag angeschlossen. Das Haus wird sich erinnern, daß diese Angelegenheit bereits im vorigen Jahre gelegentlich eines Spezialantrages hier erörtert worden ist. Damals hat sich die Mehrheit für die Beibehaltung dieser Sondersteuer entschieden.
Im Ausschuß ist nun sehr breit dargelegt worden, daß diese Sonderumsatzsteuer im alten Sinne — einen neuen haben wir ja nicht und kriegen wir vielleicht auch nicht — nicht weniger als vier Gruppen betrifft oder belastet, wie Sie wollen, nämlich a) die eigentlichen Warenhäuser, b) die Konsumgenossenschaften, c) die Einzelhandelsfilial-


(Dr. Wellhausen)

betriebe der Hersteller selbst und d) die Einzelhändler überhaupt, vorausgesetzt, daß eine bestimmte Umsatzhöhe, die bisher auf eine Million DM festgesetzt war, überschritten wird. Diese Warenhaussteuer ist bekanntlich noch vor dem Dritten Reich eingeführt worden. Der damals vom Reichstag beabsichtigte Zweck kann nach Ansicht der Mehrheit des Ausschusses heute keineswegs für alle diese vier Gruppen erreicht werden. Zum Teil ist er überhaupt überholt, zum Teil ist er nicht mehr gerechtfertigt. Es ist aber auch die Ansicht vertreten worden, daß für gewisse Gruppen dieser Zweck auch heute noch erstrebenswert sei. Der Ausschuß hat sich daher sehr ausführlich mit der Frage beschäftigt, ob dieser Zweck, der in der Tat auch heute noch für gewisse Gruppen, die unter die Warenhaussteuer fielen, erstrebenswert ist, nicht auf einem andern Wege erreicht werden kann.
Damit kam das Gespräch von selbst auf die Vor-oder Nachteile, die sich aus der bisherigen Anwendung des § 8 des Gesetzes ergeben. Zum Verständnis des Folgenden muß ich Ihnen diesen § 8, der sehr kurz ist, vorlesen. Er hat die Überschrift „Zusatzbesteuerung für mehrstufige Unternehmen". Es heißt dort:
Der Reichsminister der Finanzen wird ermächtigt, Maßnahmen zum Ausgleich der verschiedenen Umsatzsteuerbelastung der einstufigen und der mehrstufigen Unternehmen zu treffen.
Bisher ist der § 8 von dem Bundesminister der Finanzen oder seinem Vorgänger nur für einen Industriezweig in Anspruch genommen worden, nämlich für die Textilindustrie; darüber hat man die Durchführungsbestimmungen vom 23. Dezember 1938 — also immerhin schon vor 13 Jahren erlassen — in den §§ 54 bis 58 mit der Überschrift „Zusatzsteuer". Da sich der Ausschuß nicht sachverständig genug fühlte, um von sich aus ein Urteil darüber zu gewinnen, ob diese Anwendungsform bestehen bleiben sollte oder nicht, entschloß man sich, Sachverständige aus der Textilindustrie zu hören. Leider führte diese Anhörung — höflich gesagt — kaum zu einer Klärung der Frage, denn die Sachverständigen vertraten durchaus uneinheitliche Meinungen, wiewohl sie im großen derselben Industrie angehörten. Unter dem frischen Eindruck dieser Sachverständigenbefragung neigte nun der Ausschuß dazu, die bisherige Anwendung des § 8 bei der Textilindustrie in Zweifel zu ziehen. Zuerst war er sogar einhellig der Meinung, sie wäre unzweckmäßig, und es war dann nur ein kurzer Schritt zu dem Gedanken, den § 8 vielleicht überhaupt zu beseitigen. Aber im weiteren Verlauf und nach den Ausführungen des Bundesfinanzministers kam man zu einer anderen Ansicht, die sich schließlich dahin verdichtete, daß man den Bundesfinanzminister ersuchte, die Zusatzsteuer nach dem vorgenannten Paragraphen zu überprüfen— also bei der Textilindustrie —, den § 8 als solchen aber keineswegs aufzuheben. Bei manchem Ausschußmitglied hat auch eine Rolle gespielt, daß man sich nicht der Möglichkeiten im Hinblick auf die Aufhebung von § 7 Abs. 4 — Aufhebung der Warenhaussteuer — berauben wollte, wovon ich ja ausging.
Der Bundesfinanzminister hat im Laufe der Sitzung mehrfach zum Ausdruck gebracht, daß es ihm vorschwebe und möglich erscheine, von dem § 8 auch auf anderen Gebieten der Wirtschaft Gebrauch zu machen, nämlich — er hat das ohne Widerspruch des Ausschusses konkretisiert — insbesondere dann, wenn Fabrikation und Einzelhandel oder Großhandel und Einzelhandel in einem Unternehmen vereinigt sind. Der Ausschuß hat daraufhin den Bundesfinanzminister gebeten — und der Bundesfinanzminister hat es zugesagt —, ihn zu hören, bevor er einen weiteren Gebrauch von § 8 macht. Denn nach dem Gesetz ist er ja nicht verpflichtet, den Bundestag oder auch ein Gremium dieses Bundestages, das in der Verfassung überhaupt nicht verankert ist, zu hören, bevor er eine Rechtsverordnung erläßt.
Zum Abschluß dieses Punktes darf ich sagen: es war die einhellige Meinung des Ausschusses, daß diese längere Erörterung des § 7 Abs. 4 und § 8 zwei Vorteile gehabt hat: einerseits den Bundesfinanzminister darauf hinzuweisen, daß Ungereimtheiten oder Ungerechtigkeiten — vielleicht 'darf ich mich etwas konkreter ausdrücken —, nämlich ungerechtfertigte Vorteile, die sich im Ablauf des Wirtschaftslebens 'aus dem nunmehr vorgeschlagenen Wegfall der Steuer nach § 7 Abs. 4 ergeben könnten, auf dem Wege über § 8 wieder beseitigt oder vermindert werden könnten. Der weitere Vorteil liegt nach unserer Auffassung oder nach der Auffassung 'der Mehrheit des Ausschusses darin, daß der Bundesfinanzminister hier eine Möglichkeit sieht, die er wohl auch ergreifen wird, gewisse Beträge, deren Höhe hier nicht einmal geschätzt werden kann oder soll, zur Senkung seines Haushaltsdefizits — im großen gesprochen — ohne Schaden für die Wirtschaft wieder hereinzuholen.
Es muß noch ein weiterer Punkt, ein dritter Punkt; der sich auf die Steuersätze bezieht, erwähnt werden: die Begünstigung der Steuer hinsichtlich gewisser Umsätze in Lebensmitteln. Das Gesetz spricht in § 7 Abs. 2 von einer Ermäßigung auf 1 1/2 % bei Lieferung oder beim Eigenverbrauch von Getreide, Mehl usw. Dem Hause ist — ich nehme das wenigstens an — diese Bestimmung durchaus geläufig.
Nun hat schon der Bundesrat in seiner Stellungnahme zu der Regierungsvorlage — Sie finden das auf der Drucksache Nr. 1983 auf Seite 8 vorgeschlagen — den Satz von 1 1/2 % nicht nur beibehalten — das wollte ja auch die Regierung —, sondern einen weiteren Steuersatz als Ausnahme hinzugefügt, und zwar 3 % für Teigwaren usw. — es ist dies eine lange Liste, die Sie ja in der Drucksache nachlesen können — bis Fische und Fischwaren. Die Bundesregierung hatte diesem Vorschlag des Bundesrats energisch widersprochen, und zwar einmal wegen des zu befürchtenden Steuerausfalls, den sie auf nicht weniger als 160 Millionen DM schätzte, sodann aus Vereinfachungsgründen. Es ist kein Zweifel, daß ein weiterer Steuersatz die Erhebung der Steuer verkompliziert. Aber ich glaube, man kann ja nun nicht alles und jedes unter den Leitsatz der Vereinfachung setzen, besonders nicht in einer so komplizierten Volkswirtschaft, wie wir sie haben.
Der dritte, sehr beachtliche Grund, weswegen die Bundesregierung sich mit dem Bundesrat nicht einverstanden erklären konnte, war, daß sie befürchtet, derartige Steuerermäßigungen würden dem Verbraucher überhaupt nicht zugute kommen, besonders dann, wenn die Erzeugnisse, die begünstigt werden sollen, einer Preisbindung nicht oder nicht mehr unterliegen. Und schließlich hat sie auf die Gefahr erheblicher Berufungsfälle hingewiesen.


(Dr. Wellhausen)

Diesen Tatbestand — Vorschlag der Regierung, Zusatz des Bundesrats, Einspruch der Regierung gegen diesen Zusatz — hat nun der Ausschuß erneut geprüft, und eine Minderheit hat schon sehr frühzeitig in den Ausschußberatungen den Antrag des Bundesrats aufgenommen, wenn auch nur zum Teil. Der Bundesminister der Finanzen hat dann auf Wunsch des Ausschusses eindrucksvolle, aber sicherlich auch vorsichtig geschätzte Zahlen über den Steuerausfall vorgelegt, und danach ergab sich, daß mit einem Steuerausfall von mehr als 100 Millionen DM zu rechnen wäre, wenn die Begünstigung der Grundnahrungsmittel auf dem bisherigen allgemeinen Umsatzsteuersatz von 3 % festgehalten würde. In Kenntnis dieser Zahl, die sich natürlich ganz erheblich erhöht, wenn der Satz nicht 3 %, sondern nur 1 1/2 % betragen sollte, glaubte der Ausschuß einem Antrag, der dahin ging, die zusätzlich erwähnten Grundnahrungsmittel wie Milch usw. nur mit 1 1/2 % zu besteuern, nicht entsprechen zu können, auch wenn er die Zahlen des Bundesfinanzministers als zu hoch geschätzt ansah. Wohl aber entschloß sich der Ausschuß in seiner Mehrheit, die Grundnahrungsmittel, und zwar nunmehr endgültig folgende: Frischmilch — oder, wie es jetzt meistens heißt, Trinkmilch —, Nahrungsfette — Butter, Butterschmalz, Margarine, Kunstspeise- und Plattenfette, pflanzliche Öle — und Zucker, auch weiterhin mit 3 % zu besteuern, diesen Nahrungsmitteln also die einprozentige Erhöhung nicht zuzumuten, und damit gleichzeitig den Produzenten und Händlern eine Waffe aus der Hand zu schlagen, nämlich die, sich auf die Umsatzsteuererhöhung zu berufen, wenn sie ihre Preise erhöhen wollen.
Nun hat der Wegfall des § 1 Ziffer 1 der Vorlage im Ausschuß, der sich auf die Wiedereinführung der Organschaft bezieht, gegenüber diesem Steuerausfall, der sich natürlich auch bei dreiprozentiger Besteuerung der Grundnahrungsmittel ergibt, die finanzielle Möglichkeit gegeben; denn nach den ursprünglichen Zahlen des Bundesfinanzministers konnte erwartet werden, daß der Ausfall, der für den Fall der Wiedereinführung der Organschaft geschätzt wurde, nicht viel unter dem Ausfall blieb, der eingetreten ist oder eintreten würde, wenn Sie nunmehr dem Satz von 3 % Umsatzsteuer für Milch, Zucker usw. zustimmen würden.
Ich halte mich als Berichterstatter für verpflichtet, dies Moment besonders zu erwähnen, nicht um bei dem Herrn Finanzminister einen guten Eindruck für den Finanzausschuß zu machen, sondern weil der Ausschuß es für seine Pflicht ansah, den Zweck des Gesetzes, nämlich einen Mehrertrag in der Umsatzsteuer zu erreichen, nicht dadurch wieder zu gefährden oder nur teilweise zu erreichen, daß er an anderer Stelle ungedeckte Steuerermäßigungen einführt.
Damit, meine Damen und Herren, kann ich das Kapitel „Steuersätze" verlassen.
Sodann ein Wort zu dem Problem der Organschaft. Es wird Ihnen bekannt sein, daß die Steuerfreiheit innerhalb der Organschaft, wenn ich mich kurz ausdrücken darf, in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofes in langen Jahren entwickelt und dann kodifiziert worden ist, und zwar in § 2 Abs. 2 und hier wieder insbesondere in Ziffer 2 dieses Abs. 2. Diese Ziffer 2 besagte nämlich, daß eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit, die ja an sich das Merkmal für die Umsatzsteuerpflicht ist, dann nicht selbständig ausgeübt wird und deswegen steuerfrei bleibt, wenn eine juristische
Person dem Willen eines Unternehmens derart untergeordnet ist, daß sie keinen eigenen Willen mehr hat. Das Kontrollratsgesetz Nr. 15 hat sich aus bekannten Tendenzen dieser Vorschrift bemächtigt und hat sie aufgehoben, und der Regierungsentwurf hat nun vorgeschlagen, sie wieder einzuführen oder einzufügen und einen gewissen Steuerausfall in Kauf zu nehmen.
Die Ansichten des Ausschusses zu dieser Maßnahme der Regierung waren durchaus nicht einheitlich. Schließlich entschloß sich eine Mehrheit, der Regierungsvorlage in diesem Punkte nicht zuzustimmen, d. h. also die Steuerbegünstigung der Organschaft nicht wieder einzuführen.
Ein kurzes Wort über die sicherlich verschiedenen Motive für diese Beschlußfassung. Die einen meinten, daß es den berechtigten Interessen einzelner Wirtschaftszweige — nicht der ganzen Wirtschaft — besser entsprechen würde, wenn eine Sonderregelung getroffen würde, vielleicht durch eine Ermächtigung, und gelegentlich eines Antrages, der Ihnen bereits vorliegt, komme ich — nicht als Berichterstatter, aber für meine politischen Freunde — darauf wahrscheinlich noch zurück. Andere Mitglieder des Ausschusses hielten dagegen die Begründung des Regierungsentwurfs für durchschlagend, um die Besteuerung der Innenumsätze der Organschaft grundsätzlich wieder aufzuheben, und zwar hatte die Regierung interessanterweise von sich aus darauf hingewiesen, daß man mit diesem Wiederaufleben der Steuerbefreiung bei Organschaften Fusionsbildungen oder Tendenzen zur Fusion vorbeugen wollte; man wollte der Dekartellisierung durch die Besteuerung, wie sie das Kontrollratsgesetz vorsieht, in keiner Weise entgegenwirken. Schließlich hat bei der Beschlußfassung, die ich Ihnen dargelegt habe, also die steuerliche Freiheit in der Organschaft nicht zuzulassen, eine große Rolle gespielt, daß es eben nötig war, für die Aufrechterhaltung der derzeitigen Umsatzsteuer bei den Grundnahrungsmitteln Geldbeträge herzubringen oder besser: eine Deckung dafür zu schaffen. Darüber habe ich schon gesprochen.
Nun noch zum Kapitel nicht der Steuersätze, sondern dem wesentlich erfreulicheren der Steuerbefreiungen. Das Haus wird sich der mehrfachen Beschlüsse erinnern, z. B. der Drucksache 1720, die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege und alles, was ihnen angeschlossen ist, von der Umsatzsteuerpflicht zu befreien, selbstverständlich unter den nötigen Kautelen. Mit diesen mehrfachen Beschlüssen des Bundestages sollte nur der Zustand wiederhergestellt werden, der bis 1934 bestand und der im Hinblick auf die großen Leistungen, die diese Verbände gewissermaßen stellvertretend für das Reich oder vielmehr für den Staat vornehmen, nach Ansicht des Ausschusses durchaus gerecht ist.
Durch § 1 Ziffer 1 a der Vorlage wird diesem Gesichtspunkt nunmehr Rechnung getragen. Die Fassung deckt sich genau mit den mehrfachen Beschlüssen des Bundestages. Sie deckt sich aber im Wortlaut — ich betone: in ihrem Wortlaut — nicht genau mit dem, was bis 1934 galt, und auch nicht ganz mit dem, was der Bundesfinanzminister dem Ausschuß in einer eigenen Vorlage, die diesem Haus nicht zugängig gemacht ist, weil es ein Zwischenakt war, zur Annahme vorlag. Es ist aber für den Berichterstatter nötig, in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß Einverständnis zwischen dem Minister und dem Ausschuß be-


(Dr. Wellhausen)

stand, hier ausdrücklich festzustellen, daß auch die nunmehr dem Hause zur Beschlußfassung vorliegende Fassung nicht mehr und nicht weniger bezweckt,. als das wiederherzustellen, was bis 1934 Geltung hatte.
Erlauben Sie dem Berichterstatter noch eine Schlußbemerkung zu diesem Punkt. Es ist dem Hause von dem Bundesfinanzminister — ich glaube, mehrfach — dargelegt worden, daß er durch Stundungen versucht hat, den berechtigten Bedürfnissen der Verbände der freien Wohlfahrtspflege vorläufig zu entsprechen, solange ihm ein Erlaß nicht möglich war. Nach dem Gesetz, das wir heute verabschieden — bitte, lesen Sie den § 2 nach! —, tritt der Punkt, zu dem ich spreche, am 1. Juni 1951 in Kraft. Der Ausschuß möchte der Erwartung Ausdruck geben, daß ungeachtet dessen die Stundungen, soweit nur irgend möglich, nunmehr im Billigkeitswege in Erlaß umgewandelt werden, da im anderen Falle bei der Kassen- und Finanzlage dieser Verbände ernste Schwierigkeiten aus einer Nachzahlung erwachsen würden.
Übrigens hat es der Ausschuß —das muß der Vollständigkeit halber hier auch gesagt werden — mit Stimmenmehrheit abgelehnt, eine ähnliche Vergünstigung, wie ich sie eben für die Verbände der freien Wohlfahrtspflege intensiv dargelegt habe, auch auf die Anstalten der öffentlichen Hand zu erstrecken.
Ein weiterer Punkt, wohl der letzte zu dem Kapitel Steuerbefreiung: In Ziffer 13 des § 4 geltenden Rechtes sind die Umsätze aus einer Tätigkeit ais Privatgelehrter, Künstler, Schriftsteller, Handlungsagent oder Makler als steuerfrei dann aufgeführt, wenn der Gesamtumsatz nach § 1 Ziffern 1 und 2 im Kalenderjahr 6000 DM nicht übersteigt. Aus dem Ausschuß heraus kam der Antrag, diese Grenze von 6000 DM auf 12 000 DM zu erhöhen und zu den Begünstigten noch die Journalisten hinzuzufügen, sofern irgendwie oder irgendwo ein Zweifel entstehen könnte, ob jeder Journalist unter den Begriff „Schriftsteller" fällt oder nicht. Es wurde der nicht unwichtige Gesichtspunkt geltend gemacht, daß schon einmal, vor dem Dritten Reich, ein Betrag von 18 000 Mark bei ganz anderen Kaufkraftverhältnissen maßgeblich gewesen ist. Es wurde daraufhin beantragt, 18 000 DM festzusetzen. Das lehnte der Ausschuß ab, erklärte sich aber mit 12 000 DM und auch mit der Aufnahme der „Journalisten" zur Klarstellung des Katalogs — mehr kann es ja keineswegs sein — einverstanden.
Nun bleibt mir nur noch übrig, ein Wort über das Kapitel der Ermächtigungen zu sagen. Es ist von dieser Stelle aus bei der ersten Lesung des Änderungsgesetzes für die Umsatzsteuer bereits Kritisches über den Umfang und die Aufzählung der Ermächtigungen, die sich der Bundesfinanzminister wünschte, gesagt worden. Wir sind mit sehr kritischen Augen in eine Nachprüfung eingetreten. Es hat sich ergeben, daß die Reihe der Ermächtigungen zum Erlaß von Rechtsverordnungen, die der Bundesregierung erteilt werden sollen, zu Lasten der Ermächtigungen, die der Bundesfinanzminister für sich wünscht, erweitert werden sollte. Es schien richtiger, die Ermächtigung mit einem so weit gefaßten Zwecke, nämlich zur „Wahrung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung" Bestimmungen zu erlassen, nicht dem Bundesfinanzminister allein zu überlassen — natürlich nicht aus Mißtrauen —, sonder die Bundesregierung einzuschalten. Daraus erklärt sich die neue Fassung, die der Ausschuß dem § 18 — Ziffer 7 des § 1 der Vorlage — gegeben hat.
Dabei war für den Ausschuß auch mitbestimmend, daß der § 18 ohnehin schon eine nicht unerhebliche Erweiterung bedeutet, zu deren Genehmigung sich der Ausschuß nur in der sicheren Erwartung entschlossen hat, daß mit diesen Ermächtigungen, die nicht die Macht der Bürokratie stärken sollen, sehr vorsichtig, und ich möchte sagen: behutsam umgegangen wird.
Allzu großen Besorgnissen des Ausschusses, die schließlich auch dahin hätten führen können, die vorhin erwähnte Fassung „zur Wahrung der Gleichmäßigkeit bei der Besteuerung" überhaupt abzulehnen, hat dann allerdings die Regierung ein nicht unbeachtliches Gegenargument entgegengesetzt, daß sie nämlich verpflichtet sei, dem Wegfall der §§ 12 und 13 der Reichsabgabenordnung, die bekanntlich durch das Grundgesetz außer Kraft gesetzt worden sind, in irgendeiner Weise — selbstverständlich im Rahmen des unbedingt Erforderlichen — Rechnung zu tragen.
Damit bin ich am Ende der Darlegung der Beschlüsse des Ausschusses. Es bleibt mir noch übrig, Sie im Namen der Mehrheit des Ausschusses zu bitten, dem Ihnen vorliegenden Antrag des Ausschusses — Drucksache Nr. 2229 — zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114701200
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir sind in der zweiten Beratung. Nach der Geschäftsordnung wird in der Einzelbesprechung der Reihenfolge nach über jede selbständige Bestimmung abgestimmt.
Es liegt ein Antrag der Fraktion der KPD Umdruck Nr. 189 vor:
Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes ... wird abgelehnt.
Ich halte diesen Antrag für die negative Vorwegnahme der Schlußabstimmung und daher in der zweiten Beratung nicht für zulässig.
Unter Ziffer 2 des Umdrucks Nr. 189 ist beantragt:
Die Erhebung der Umsatzsteuer wird mit sofortiger Wirkung eingestellt.
Gemäß § 48 a der Geschäftsordnung muß bei einer Finanzvorlage ein Deckungsvorschlag vorliegen. Die Beratung dieses Antrags ist daher unzulässig.
Ich rufe auf § 1 Ziffer 1 a. Zu Ziffer 1 a liegt vor der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 209:
In § 1 Ziffer 1 a wird hinter „12 c" folgende Bestimmung eingefügt:
die Umsätze aus der Tätigkeit der Krankenhäuser, Heil- und sonstigen pflegerischen Anstalten öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie . . .
Zur Begründung des Antrages hat das Wort der Abgeordnete Lausen.

Willi Lausen (SPD):
Rede ID: ID0114701300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zum Abänderungsantrag der SPD Umdruck 209 und bitte die verehrten Kolleginnen und Kollegen, um diesen Antrag im Zusammenhang übersehen zu können, auf Seite 3 der Zusammenstellung der Beschlüsse des Ausschusses zum Gesetzentwurf nachzulesen. Die sozialdemokratische Fraktion wünscht in ihrem Antrag, daß hinter „12 c" vor den Worten „die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände" eingefügt wird:


(Lausen)

die Umsätze aus der Tätigkeit der Krankenhäuser, Heil- und sonstigen pflegerischen Anstalten öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie,
und dann wird fortgefahren, wie es die Vorlage vorsieht: „die Leistungen der amtlich anerkannten . . .".
Zur Begründung dieses Antrags möchte ich bemerken, daß, wie der Herr Berichterstatter bereits mitgeteilt hat, die Frage der Einbeziehung der kommunalen Krankenhäuser usw. bereits Gegenstand der Diskussion im Ausschuß gewesen ist. Wir haben aber den Eindruck gewonnen, daß die Beratungen des Ausschusses in diesem Punkte nicht ganz konsequent zu Ende geführt wurden, obgleich eine echte Abstimmung stattgefunden hat. Wir sind der Meinung, daß, nachdem das Hohe Haus im Vorjahr bereits einen Antrag angenommen hatte, wonach gemeinnützige Verbände als von der Umsatzsteuer befreit anerkannt sein sollen, logischerweise nunmehr auch die kommunalen Einrichtungen in diese Umsatzsteuerbefreiung einbezogen werden müßten.
Wir meinen, es entspricht zunächst einmal dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit. Wir meinen weiter aber auch — und ich appelliere hier insbesondere an die Kolleginnen und Kollegen, die aktiv in der Kommunalpolitik tätig sind —, daß es in der Tat eine Reihe von sachlichen Gründen geraten erscheinen läßt, die kommunalen Krankenanstalten einzubeziehen. Ich darf feststellen, daß die kommunalen Krankenanstalten pro Kopf und Tag durchschnittlich mindestens 2 DM Zuschuß zahlen müssen, um ihre Kranken ordnungsmäßig zu verpflegen und unterzubringen. Dieser Satz ist in verschiedenen Städten bei weitem überschritten. Ich kann von Stuttgart sagen, daß der Betrag sich dort auf durchschnittlich 4 DM beläuft. Es ist ferner zu berücksichtigen, daß die Pflegesätze in aller Regel durch die Wirtschaftsministerien der Lander preisgebunden sind, also auch nicht erhöht werden können.
Ich darf weiterhin darauf aufmerksam machen, daß eine Abwälzung der Umsatzsteuer, die im übrigen ihrem besonderen Wesen entspricht, in diesem Fall nicht möglich ist.
Die kommunalen Einrichtungen befinden sich gegenüber den amtlich anerkannten Verbänden der freien Wohlfahrtspflege in aller Regel außerdem noch in einem Nachteil. Sie sind es, die in erster Linie die ausgesprochen wirtschaftlich schwächsten Kranken aufnehmen müssen. Sie haben in der Regel kaum mehr als 10 % ihrer Bettenzahl für Kranke zur Verfügung, die selbst zahlen bzw. Kranke der 2. Klasse sind. In einer Stadt wie Stuttgart z. B. habe ich festgestellt, daß die privaten Anstalten und die Verbände der freien Wohlfahrtspflege in aller Regel 40 bis 60 % ihrer Bettenzahl entweder für höhere Verpflegungsklassen oder für Selbstzahler der 3. Klasse zur Verfügung stellen, so daß bei ihnen ein wesentlich besserer Risikoausgleich erfolgen kann als bei den kommunalen Einrichtungen.
Es ist darüber hinaus zu berücksichtigen, daß die gemeinnützigen Krankenanstalten in aller Regel ein wesentlich größeres Einzugsgebiet für ihre Kranken haben und auch dadurch in der Lage sind, einen besseren Risikoausgleich vorzunehmen.
Ich glaube, ich muß auch noch darauf hinweisen, daß die kommunalen Anstalten zusätzlich eine Reihe von Einrichtungen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben führen müssen, was bei den Einrichtungen der Verbände der Wohlfahrtspflege in der Regel nicht der Fall sein wird. Ich erinnere daran, daß die kommunalen Krankenhäuser im allgemeinen Unfallstationen, Bereitschaftsdienste für Notfälle, Infektions- und Tuberkuloseabteilungen, eine pathologische Abteilung, Zentrallaboratorien usw. usw. führen. Schließlich darf ich noch darauf hinweisen, daß bei den kommunalen Verbänden und Einrichtungen in der Regel auch ein größerer Personalaufwand notwendig ist, weil sie ihren Chefärzten kaum das Gehalt reduzieren können, um sie auf die Patienten zu verweisen, die sich im Hause aufhalten, während das bei den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege immerhin eher der Fall sein kann. Wir haben nicht die Absicht, hier eine Kontrastierung herbeizuführen.

(Zuruf von der Mitte: Das tun Sie aber!) Wir sind — das haben wir durch unsere Abstimmung im vorigen Jahr bewiesen — grundsätzlich mit dem Antrag einverstanden, die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege auszunehmen. Wir sind aber auch der Meinung, daß man, wenn man hier schon einmal diese Durchbrechung vorgenommen hat, dann aus Gründen der Steuergerechtigkeit auch die Krankenanstalten der Kommunen einschließen sollte.

Ich bitte deshalb, dem Antrag unserer Fraktion zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114701400
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0114701500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bei der Beratung des Einkommensteuergesetzes schon die Erfahrung gemacht, wie gefährlich es ist, nach wochenlangen Besprechungen im Ausschuß in der letzten Minute der Beratung plötzlich Anträge zu bringen, die den Gesetzestext anders formulieren wollen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Auch ist dieser Antrag formal überhaupt unmöglich; denn er lautet:
In § 1 Ziffer 1 a wird hinter 12 c folgende Bestimmung eingefügt:
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, den Gesetzestext so zu lesen, wie er aussehen würde, wenn Sie hinter 12 c diese Bestimmung einfügen würden. Es ist wohl daran gedacht, daß diese Worte als einleitende Worte bei 12 c eingefügt werden sollen. Aber man kann bei solchen Abänderungsanträgen in der letzten Minute nicht vorsichtig genug sein. — Das gilt für die formale Seite.
Aber auch im Hinblick auf die materielle Seite muß ich dringend bitten, den Antrag abzulehnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe seinerzeit mit schwersten Bedenken einem Antrag dieses Hohen Hauses zugestimmt, der für die gemeinnützigen Körperschaften eine Ausnahmebestimmung in das Umsatzsteuergesetz hineinbringt. Ich habe damals deshalb Bedenken geäußert, weil ich fürchtete, daß aus der einen Ausnahme eine zweite Ausnahme gemacht und das Umsatzsteuergesetz infolgedessen völlig unübersichtlich wird. Wir haben hier den Fall, daß sofort, noch bevor dieses Gesetz in Beratung genommen und beschlossen ist, zu der ersten Ausnahme eine zweite Ausnahme für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften gemacht wird, wobei die Herren Antragsteller wahrscheinlich nur an die Gemeinden denken, ich aber noch an etwas anderes denke


(Bundesfinanzminister Schiffer)

und hiermit vielleicht zu der Feststellung beitragen kann, daß der Begriff „öffentlich-rechtliche Körperschaften" sehr viel weiter geht und mehr als nur die Gemeinden umfaßt. Auf Grund der besonderen staatskirchenrechtlichen Verhältnisse in Bayern gehören z. B. Körperschaften dazu, an die die Herren Antragsteller vielleicht gar nicht gedacht haben.
Es kommt aber noch hinzu: die Begriffsbestimmung ist hier so gedacht, daß das Gesetz in dieser Form tatsächlich einen Eingriff in die Wettbewerbsverhältnisse bedeuten würde; denn in die „Heil-und sonstigen pflegerischen Anstalten" müssen wir auch ein sogenanntes Kurheim, ein Erholungsheim und dergleichen einbeziehen. Ob ein Erholungsheim von einer Gemeinde oder von einem Berufsverband unterhalten oder ob es gewerblich betrieben wird, macht im Hinblick auf die Wettbewerbsverhältnisse keinen Unterschied.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich möchte daher dringend davor warnen, das Gesetz, nur um einer Kategorie eine Freude zu bereiten, so zu gestalten, daß es in die Wettbewerbsverhältnisse eingreift; denn das sollte ein Steuergesetz nie tun.

(Erneute Zustimmung in der Mitte.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114701600
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.

Werner Jacobi (SPD):
Rede ID: ID0114701700
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich den Herrn Bundesfinanzminister recht verstanden habe, hat er zuletzt gesagt, er habe Veranlassung, davor zu warnen, daß irgend jemand Freude bereitet würde, daß also irgendeine Konzession gemacht werde, die sachlich nicht geboten sei. Ich bin im Hinblick auf den von meinen Freunden vorgelegten Antrag über eine solche Bemerkung äußerst verwundert; denn hier handelt es sich nicht darum, irgend jemandem Freude zu bereit en, sondern darum, Prinzipien wiederherzustellen, die schon früher, nämlich vor 1934, im Umsatzsteuerrecht bestanden haben. Damals wurden gleichartige Tatbestände gleichartig behandelt. Durch die Ausnahmeregelung, die seinerzeit — zuletzt noch im Januar — von diesem Hohen Hause beschlossen worden ist, sind die Krankenhäuser der Gemeinden und der Gemeindeverbände von den Befreiungsvorschriften ausdrücklich ausgenommen. Das ist aus zwei Gründen zu bedauern, und zwar einmal deshalb, weil die Aufgaben, die den gemeindlichen Krankenhäusern zufallen, außerordentlich groß sind und mit den normaliter zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr erfüllt werden können, zum anderen aber auch deshalb, weil die Tätigkeit nicht nur gleichartig, sondern gleich ist. Hier wird ein rechtsstaatliches Prinzip glatt verletzt,

(Widerspruch in der Mitte)

dessen Einhaltung auch im Steuerrecht schließlich nicht unwichtig ist.
Von meinem Kollegen Lausen sind auch außerordentlich gewichtige Gründe dafür angeführt worden, hier der Sache wegen eine Änderung herbeizuführen. So hat er auf die hohen Unkosten und auf die unzureichenden Pflegesätze hingewiesen. Ich will weiter auf die Tatsache verweisen, daß bei den gemeindlichen Krankenhäusern, die vorwiegend mit weltlichem Personal arbeiten müssen, ja auch Tariflöhne und Tarifgehälter gezahlt werden müssen, was eine zusätzliche Belastung bedeutet. Bei Würdigung . der Gesamtumstände kann nicht
bestritten werden, daß die ungleiche Behandlung von Krankenhäusern und ähnlichen Anstalten, die nach der Gemeinnützigkeitsverordnung an sich gleich behandelt werden müßten, dem rechtsstaatlichen Prinzip der Gleichbehandlung einfach widerspricht, das von diesem Hause bei allen Gesetzen gewahrt werden müßte.
Ich glaube auch nicht, daß die formellen Einwände, die der Herr Bundesfinanzminister gemacht hat, durchschlagend sind. Wir befinden uns in der zweiten Lesung. Seinen Bedenken, die er gegen die Fassung des Antrags hinsichtlich der Einreihung der Bestimmung in den Gesetzentwurf zum Ausdruck gebracht hat, kann dadurch Rechnung getragen werden, daß man in unserem Antrag hinter dem Wort „wird" das Wort „unmittelbar" einfügt. Der Antrag würde dann lauten:
In § 1 Ziffer 1 a wird unmittelbar hinter „12 c." folgende Bestimmung eingefügt.
Ich erhebe diese Anregung auf Einfügung zum Antrag, also in Abänderung des vorliegenden Änderungsantrags meiner Fraktion.
Ich bitte Sie, im übrigen diese Frage wirklich unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, daß, was dem einen recht ist, dem andern billig sein muß und dementsprechend im Sinne unseres Antrages die Krankenhäuser und Pflegeanstalten jeder Art gleich behandelt werden.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114701800
Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0114701900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur formalen Seite folgendes: Wenn Sie sagen: „In § 1 Ziffer 1 a wird unmittelbar hinter „12 c." folgende Bestimmung eingefügt", bleibt es genau so unverständlich.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ziffer 12 c. beginnt mit den Worten „die Leistungen der amtlich anerkannten ..." Wenn Sie jetzt unmittelbar vor dem ersten Wort einfügen: „die Umsätze aus der Tätigkeit der Krankenhäuser, Heil- und sonstigen pflegerischen Anstalten öffentlich-rechtlicher Körperschaften sowie ...", ist es völlig unverständlich. Kein Mensch weiß, was damit überhaupt gemeint sein soll.

(Zuruf von der SPD: Nanu!)

Wenn Sie es richtig formulieren wollten, müßten Sie so sagen: In § 1 Ziffer 1 a werden als einleitende Worte in die Ziffer 12 c. eingefügt: ... Dann hätte es rein formal einen Sinn.

(Zuruf von der SPD: Das kann man ja machen!)

Ich darf sodann feststellen, daß mich der Herr Vorredner in zwei Punkten mißverstanden hat. Erstens: ich habe nicht gesagt, daß man in diesem Hause keine Anträge stellen dürfe, die irgend jemand Freude bereiten; im Gegenteil, wir stellen doch alle Anträge, um uns und unseren Mitbrüdern im deutschen Volk Freude zu bereiten.

(Lachen und Zurufe bei der SPD.)

Ich habe folgendes gesagt: man soll in diesem Hause, um einer klein Schicht — jetzt füge ich als in Klammern zu setzen hinzu: von Interessierten — Freude zu bereiten, nicht Anträge stellen, die gegen das Allgemeininteresse sind. Jetzt habe ich mich deutlich ausgedrückt.

(Zuruf von der SPD.)



(Bundesfinanzminister Schäffer)

Ich erachte diesen Antrag als gegen das Allgemeininteresse gerichtet,

(Zuruf des Abg. Arnholz)

weil ich der Überzeugung bin, daß wir den Grundsatz wahren müssen, Steuergesetze nicht so zu
handhaben, daß in die Wettbewerbsverhältnisse eingegriffen wind. Das ist ein Grundsatz, der die Allgemeinheit, der das gesamte deutsche Volk angeht.

(Zurufe von der SPD.)

Zweitens: Warum denn überhaupt eine Sonderbestimmung? Wenn die Krankenhäuser und Pflegeanstalten gemeinnützig sind und wenn sich die Gemeinden entschließen, einem Wohlfahrtsverband beizutreten, haben sie ohnehin die Begünstigung nach Ziffer 12 c. Eine Sonderbestimmung ist nicht notwendig und hat nie bestanden. Hier irrt der Herr Vorredner. Auch in dem Umsatzsteuergesetz von vor 1934 hat nie eine Sonderbestimmung für gemeindliche Krankenhäuser und Heilanstalten als solche bestanden.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114702000
Meine Damen und Herren! Nachdem sich auch der Herr Minister um die Formulierung des SPD-Antrages bemüht hat, schlage ich vor, daß wir davon absehen, weiter darüber zu diskutieren. Es scheint mir Einmütigkeit darüber zu bestehen, daß der SPD-Antrag das Ziel hat, vor den Worten „die Leistungen der amtlich anerkannten Verbände" die Worte einzufügen: „die Umsätze aus der Tätigkeit der Krankenhäuser usw.".

(Zuruf von der CDU: Das bringt er nur nicht zum Ausdruck!)

— Aber es scheint inzwischen klar zu sein.
Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dr. Wellhausen.
) Dr. Wellhausen (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich es noch einmal als ein Kuriosum bezeichnen, daß die Bundesregierung anderthalb Jahre gebraucht hat, einen zweimal einmütig gefaßten Beschluß dieses Hauses durchzuführen, die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege in der Weise zu begünstigen, wie ich es vorhin hier als Berichterstatter dargelegt habe. Es hieße, glaube ich, Eulen nach Athen tragen, für diese Begünstigung, die ja von der SPD auch nicht angegriffen wird, etwas zu sagen.
Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß es mich ein wenig überrascht, wenn nun, erst am Ende dieser anderthalb Jahre, die gemeindlichen Krankenhäuser diesen Zusatz beantragen. Außerdem: nach der jetzt geführten Debatte sieht es so aus, als wenn die Haupttätigkeit der anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege darin bestände, Krankenhäuser zu unterhalten. Das anzunehmen wäre ein großer Irrtum. Vielmehr kommt eine Fülle von einzelnen anderen Aufgaben — Altersheime, Siechenheime, Kinderheime, Versehrtenwerkstätten usw. — hinzu. Nach meiner Schätzung werden bei allen vier großen Verbänden gerade sie die weitaus überwiegenden Umsatzbeträge haben, nicht die Krankenhäuser.
Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir aber, nun — ich tue es nicht gern — auch noch folgendes zu sagen. Erstens: wir wollen doch die Steuerausfälle, deren Herbeiführung ja nicht der Sinn dieses Gesetzes ist, auf das allergeringste Maß beschränken; zweitens aber bitte ich, doch nicht zu vergessen, daß den Kommunen ja ganz andere Mittel und Wege zur Verfügung stehen, um sich bei Ausfällen zu erholen.

(Zuruf von der SPD: Steuern!)

— Es sind natürlich unsympathische Wege; der Weg über die Steuern ist immer unsympathisch, das wissen wir ja. Es stehen also den Gemeinden solche Wege zur Verfügung, die doch keinem der vier Wohlfahrtsverbände, weder der Inneren Mission noch der Caritas noch der Arbeiterwohlfahrt noch dem Roten Kreuz, zur Verfügung stehen.

(Abg. Jacobi: Die bekommen unter Umständen von den Gemeinden noch Zuschüsse!)

— In diesem Punkte, Herr Kollege, liegt meines Erachtens überhaupt der sachlich entscheidende Unterschied. Wir sind also zwar betrübt, aber entschlossen, dem Antrage der SPD auf eine Erweiterung dieser Ziffer 1 a nicht zuzustimmen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114702100
Das Wort hat der Abgeordnete Lausen.

Willi Lausen (SPD):
Rede ID: ID0114702200
Der Herr Finanzminister hat vorhin einige Ausführungen gemacht, die ich nicht unwidersprochen lassen möchte. Er hat darauf hingewiesen, daß die kommunalen Krankenhäuser ja die Möglichkeit hätten, sich einem Wohlfahrtsverband anzuschließen, um in den Genuß der Steuerfreiheit zu kommen. Ich glaube, der Herr Bundesfinanzminister hat in seiner Auseinandersetzung mit dem Städtetag bzw. mit dem Gemeindetag wiederholt davor gewarnt; er hat empfohlen, sich jetzt um Himmels willen nicht mit anderen Organisationen zu koalieren, damit die Städte, die kommunalen Krankenhäuser auf diese Weise noch mit hineinschlüpfen.
Nun zu der zweiten Bemerkung des Herrn Bundesfinanzministers. Er sprach von dem allgemeinen Interesse. Ich muß sagen, ich bin etwas erstaunt darüber, daß man die Angelegenheiten der Kommunen so einfach abtut

(Sehr gut! bei der SPD)

und es so darstellt, als ob es sich hier nicht um ein eminent wichtiges allgemeines Interesse handelt.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich mache der Herrn Bundesfinanzminister darauf aufmerksam: Durch das Vollzugsgesetz zu Art. 131 sind den Gemeinden zum Teil ganz erhebliche Lasten aufgebürdet worden. Ich glaube, der Bundestag hat die Verpflichtung, neben seinen Bundesaufgaben darauf zu achten, daß die Gemeinden noch leben können. Was hier in den Krankenhäusern durch die Gemeinden getan wird, das wird zum Wohle gerade der Kreise getan, die am dringendsten auf die allgemeine Hilfe angewiesen sind.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114702300
Das Wort hat der Abgeordnete Pelster.

Georg Pelster (CDU):
Rede ID: ID0114702400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte meiner Freude darüber Ausdruck geben, daß hier von seiten der Herren Kollegen von der SPD so stark das Prinzip der rechtsstaatlichen Gleichstellung, vor allen Dingen der gleichmäßigen Belastung durch Steuern, vorgetragen wird. Ich hätte dann aber auch ganz gern gesehen, daß man nicht nur die kommunalen Krankenhäuser, sondern gleichzeitig auch die konfessionellen Krankenhäuser genannt hätte.

(Zuruf von der SPD: Die sind ja schon bevorzugt!)

— Nein, das sind sie nicht, die sind nicht bevorzugt, nur dann, wenn es Stiftungen sind; aber es sind nicht immer Stiftungen. Die sind genau so belastet durch die Ausgaben für das weltliche Per-


(Pelster)

sonal, weil das geistliche Personal, das Schwesternpersonal nicht ausreicht; sie sind genau so durch hohe Unkosten belastet usw., aber s i e werden nicht genannt. Sie, meine Herren, wollen Gleichberechtigung anscheinend nur dann, wenn es bei Ihnen Vorteile bringt, aber nicht, wenn es der Allgemeinheit dient.

(Unruhe und Pfui-Rufe bei der SPD.)


(Zunehmende Unruhe bei der SPD. — Abg. Jacobi: Was sind Sie für ein komischer Mann! — Weitere Zurufe von der SPD: Wir sprechen für die Allgemeinheit!)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114702500
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schroeder.

Louise Schroeder (SPD):
Rede ID: ID0114702600
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe den Herrn Vorredner nicht ganz verstanden. Wenn sich der Herr Vorredner für konfessionelle Krankenhäuser einsetzt, so kann ich das in Verbindung mit den Bestimmungen über die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege vollkommen verstehen. Aber ich habe auch gar keinen Zweifel, daß diese konfessionellen Krankenhäuser, sofern sie anerkannt sind, ebenfalls unter diese Bestimmungen fallen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Auf der anderen Seite verstehe ich vollkommen den Herrn Finanzminister. Seine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, daß ihm die Steuereinnahmen so wenig wie möglich gekürzt werden. Dann aber darf er nicht bei der Hälfte stehen bleiben, sondern hätte sich von vornherein dagegen wehren müssen. Ich weiß nicht, ob er es getan hat; aber jetzt ist er ganz offensichtlich damit einverstanden, daß die amtlich anerkannten Verbände der freien Wohlfahrtspflege herausgenommen werden. Und da frage ich den Herrn Finanzminister doch noch einmal, mit welcher Berechtigung er glaubt, daß die kommunalen Kranken-, Jugend-, Kinder-, Altersheime nicht genau so dieser Ausnahme bedürfen. Ich glaube, es ist ein falscher Zungenschlag gewesen, wenn der Herr Finanzminister von „interessierten Kreisen" gesprochen hat. Gerade hier bei der Kommune geht es doch nicht um die Interessen einzelner, sondern um die Interessen der Allgemeinheit!

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich habe gar nichts gegen die freie Wohlfahrtspflege; ich weiß, daß sie Pionierarbeit geleistet hat und auch heute noch leistet. Ich weiß aber aus meiner eigenen Arbeit in der größten deutschen Kommune und im Städtetag, daß die Kommunen mindestens in ebenso starkem Maße eine vorbildliche Arbeit leisten müssen, denn sie werden ja darin ständig von den Wählern kontrolliert. Ich weiß ferner, daß wir, ganz besonders nach der Zerstörung durch den Krieg, in den Städten die Krankenanstalten, die Kinderheime, die Jugendheime, die Altersheime vollkommen neu wiederaufbauen müssen.
Man kann uns entgegenhalten, auch die freie Wohlfahrtspflege habe Schäden erlitten. Selbstverständlich; aber dann kann die Gemeinde und kann das Land gar nicht anders, als der freien Wohlfahrtspflege zu helfen, diese Schäden zu überwinden. Die Gemeinde ist also doppelt belastet: durch ihre eigenen Einrichtungen und durch die Opfer, die sie für die Erhaltung der Einrichtungen
der freien Wohlfahrtspflege bringt. Aus diesem Grunde kann ich nicht einsehen, daß hier mit zweierlei Maß gemessen wird.
Aber auch das, was mein Fraktionsfreund, Herr Lausen, gesagt hat, möchte ich noch einmal wiederholen: Es gibt doch überhaupt kein Krankenhaus und kein Kinderheim und kein Altersheim, das nicht Zuschüsse von der Gemeinde erfordert.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Heute, nach den Hungerjahren des Krieges und der Nachkriegszeit, nach all dem Mangel, unter dem wir gelitten haben, müssen wir alle Kraft zusammennehmen, um diese Einrichtungen wieder auf den Stand zu bringen, der gerade im Hinblick auf unsere Gesundheitsverhältnisse notwendig ist. Die dafür nötigen Zuschüsse trägt der einzelne Steuerzahler. Er wird also im Grunde genommen von allen Seiten belastet: vom Zuschuß zu den Einrichtungen der' Kommune und vom Zuschuß zu den Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege.
Aus diesem Grunde sage ich noch einmal, Herr Finanzminister: So sehr ich verstehe, daß Sie die Hand auf Ihren Steuersäckel halten müssen — ich verstehe das vollkommen —, so können Sie es aber doch auch von sich aus nicht verantworten, daß hier in zweierlei Weise gearbeitet und belastet wird, ohne daß wirklich ein Grund dafür vorliegt.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114702700
Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 209, dessen sachlicher Inhalt jetzt eindeutig klar ist. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der SPD zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen bitte! — Ja, meine Damen und Herren, diese Abstimmung ist zweifelhaft. Ich bedaure, Sie bitten zu müssen, das Ergebnis im Wege des Hammelsprungs festzustellen. Darf ich bitten, den Saal möglichst schnell zu verlassen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.) Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.


(Wiedereintritt und Zählung der Abgeordneten.)

Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. —Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen. — Die Abstimmung ist geschlossen. — Ich bitte, die Türen zu schließen.

(Pause.)

Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD bekannt. Für den Antrag haben 144 Abgeordnete gestimmt, dagegen 147. Enthaltungen: 9. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses zu Ziffer 1 a. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Ausschußantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei wenigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 1 b. Abänderungsanträge liegen keine vor. Ich lasse über Ziffer 1 b abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 1 b zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Soweit ich sehe, ist die Ziffer einstimmig angenommen.


(Präsident Dr. Ehlers)

Ich rufe Ziffer 2 auf.

(Zuruf.)

— Herr Abgeordneter Lausen, bitte!

Willi Lausen (SPD):
Rede ID: ID0114702800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es nicht für gut, daß wir so sang-und klanglos über diese Ziffer 2 zur Abstimmung kommen. So bescheiden sie aussieht, so hat sie es doch in sich. Es handelt sich dabei um nicht mehr und nicht weniger als um eine Summe von rund 1,5 Milliarden DM, die dem deutschen Volk als Steuer auferlegt werden soll. Ich glaube, die Volksvertretung hat bei dieser Gelegenheit die Pflicht, Rechenschaft vor dem Volke abzulegen, ob diese Steuererhöhung in dieser Form und in dieser Art verantwortet werden kann und wenn ja, warum sie verantwortet werden kann.
Ich kann mich nicht über die gesamtpolitischen Fragen auslassen, weil ich glaube, daß sie erst in der Generaldebatte bei der dritten Lesung zu besprechen sind.

(Sehr richtig! rechts.)

Ich will mich deshalb auf einige konkretere Angaben beschränken.
Über die Qualität der Umsatzsteuer ist sich alle Welt, sowohl die Finanzwissenschaft als auch die Steuerfachleute, ziemlich einig. Die einzige Ausnahme von diesem ziemlich einstimmigen Chor stellt die Pressestelle des Finanzministeriums dar.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich halte es doch für notwendig, einen Abschnitt aus einer Auslassung dieser Pressestelle vom 18. Mai, gerichtet an die Redaktionen der deutschen Zeitungen, mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten zu zitieren. Es heißt dort, es sei jetzt an der Zeit, der Umsatzsteuer den Geruch der ausgesprochen unsozialen Wirksamkeit zu nehmen. Es werde vielfach übersehen, heißt es weiter, daß die Umsatzsteuer zumindest in Deutschland durch ihren mehrphasigen Aufbau und ihre Freigrenzen und Ermäßigungen die Abart einer gewissen grob pauschalierten Progression enthalte. Dies beginne mit der Steuerfreiheit der Umsätze der Blinden und des Eigenverbrauchs der kleineren land- und forstwirtschaftlichen Betriebe. Es setze sich fort in der Steuerermäßigung für Grundnahrungsmittel, wodurch die unteren Einkommenschichten begünstigt würden. Als Prozentsteuer biete die Umsatzsteuer bei gleicher Qualität der Ware in billigeren Stadtgegenden und billigeren Läden, bei billigerer Verpackung usw. weitere Vorteile.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß sagen, die Pressestelle des Finanzministeriums hat eine Bravourleistung vollbracht; sie hat eine Leistung vollbracht, die schon beinahe an die eines Propagandaministeriums vergangener Zeiten erinnert. Wir haben bisher geglaubt, daß die Umsatzsteuer die gröbste, die roheste und die .simpelste Steuer in unserem ganzen Steuersystem sei. Ich halte es nicht für ganz unangebracht, eine Bemerkung aus der Denkschrift des DGB zu zitieren, der in diesem Zusammenhange sagt: „Kartoffeln und Lippenstifte kosten beide in gleicher Weise 4 %".

(Sehr gut! und Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich glaube, zu diesem Zitat aus der Pressestelle des
Bundesfinanzministeriums paßt sehr gut eine Bemerkung des sonst von mir so sehr geschätzten
Kollegen Neuburger, der in einem anderen Zusammenhang vor einiger Zeit einmal erklärt hat,
daß, zusammengelegt, Einkommen- und Umsatzsteuer immer noch eine sehr soziale Staffelung der Steuer darstellten.

(Zuruf von der SPD: So, wie er sie auffaßt!) Ich muß — und deshalb habe ich diese Darstellung zitiert — fragen: Was heißt hier Steuerermäßigung für Grundnahrungsmittel? Wenn ich mich gelinde ausdrücken will, dann liegt in dieser Bemerkung zumindest eine Täuschung des Publikums. Denn der Wunsch des Herrn Bundesfinanzministers war klar und eindeutig: er wollte die Steuerermäßigung lediglich für Brot und Backwaren in der bisherigen Höhe gelten lassen. Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein; er braucht noch etwas anderes hinzu. Weder Fette noch Zucker noch Milch noch andere Grundnahrungsmittel wären, wenn es nach dem Wunsche des Herrn Finanzministers gegangen wäre, in irgendeine Begünstigung hineingekommen. Nur dadurch, daß unser Antrag, auf 1 1/2 % für diese Grundnahrungsmittel herunterzugehen, abgelehnt wurde, konnte es im Ausschuß dazu kommen, daß dieser immerhin beschränkte Katalog von Grundnahrungsmitteln wenigstens auf 3 % wie bisher verblieben ist.

Im übrigen gibt es ja noch eine Reihe weiterer Grundnahrungsmittel, wenn man schon dieses Thema anschneidet. Wie sieht es mit Kartoffeln, mit Fischen, mit Teigwaren aus? Sie müssen doch immerhin zugeben, daß der ganze süddeutsche Raum die Teigwaren als ein Grundnahrungsmittel ansieht. Wie scharf die Steuerwirkung — um ein Beispiel zu nennen — bei den Teigwaren ist, mögen Sie aus folgendem ersehen: Für den Grieß hat die Mühle 3 % zu geben, für die Teigwaren der Hersteller 3 %, der Großhändler 0,75 %, der Einzelhändler 3 %, das macht ohne Hinzurechnung der Steuer zur Steuer 9,75 %, und mit der Erhöhung kommen wir auf mindestens 13,25 %, wenn nicht 13,75 %. Ich möchte wissen, was daran sozial ist.
Ich will noch ein paar Zahlen nennen. Bei einem Einkommen von 250 DM im Monat, wovon ich 70 DM als nicht der Umsatzsteuer unterworfen herausnehmen will, zahlt dieser bescheidene Einkommensbezieher, der mit einer Familie mit einem Kind ganz zweifellos an der Grenze seines Existenzminimums liegt, in Zukunft 72 DM mehr allein an Umsatzsteuern im Jahr, während sich der Gesetzgeber als der Verantwortliche für das Einkommensteuergesetz schämt, dem Manne mehr als 18 DM Steuern im Jahr aufzubrummen.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Ich will auf weitere Zahlenangaben zu diesem Thema verzichten. Ich will auch nicht auf das Verhältnis von direkter und indirekter Steuer und auf den Vergleich dieser Verhältniszahlen mit dem Ausland eingehen. Darüber ist, glaube ich, genug diskutiert worden. Aber ich will, um die unmittelbare Wirkung ' unserer direkten und indirekten Steuern in ihren Veränderungen in den letzten zwei Jahren einmal zu charakterisieren, hier ein paar Zahlen wiedergeben, die ich kürzlich in der „Welt der Arbeit" gelesen habe. Ein Bezieher eines Einkommens von 2174 DM hat im Jahre 1949/50 nur Umsatzsteuer bezahlt, im Jahre 1951/52 ebenfalls. Nach der neuen Regelung, wie sie jetzt vorgesehen ist, zahlt der Mann 65 % mehr Steuern als bisher. Ein Bezieher eines Einkommens von 3120 DM zahlt in Zukunft an Einkommen- und Umsatzsteuer 41 % mehr, ein Bezieher eines Einkommens von 5160 DM zahlt 22 % mehr. Jetzt kommt der Sprung: der Bezieher eines Einkommens von 25 000 DM zahlt 1951/52 gegenüber 1949/50 13 % weniger,

(Hört! Hört! links)



(Lausen)

und der Mann mit 60 000 DM Einkommen 23,6 % weniger. Ich glaube, wir brauchen die Diskussion über direkte und indirekte Steuern nicht weiterzuführen. Der Mann der Praxis, der sie zahlen muß, kann uns deutlicher sagen, was damit los ist.
Was man mit dieser Methode erreicht, ist lediglich eine weitere Drosselung des Massenkonsums, woran wir gar nicht interessiert sein dürfen,

(Sehr richtig! bei der SPD)

ist eine weitere Verzerrung in der Wirtschaftsstruktur, die schon genügend verzerrt ist, und ist eine weitere Verzerrung in der Einkommenspyramide, an der uns doch wahrhaftig nicht gelegen sein sollte.
Und volkswirtschaftlich: es ist hier in der vorhergehenden Diskussion das Problem der ein- und mehrstufigen Betriebe, das Problem der Organgesellschaften, angeschnitten worden. Daß in diesem Problem, wie auch immer man es löst, sowohl Prämien wie auch Strafen liegen, ist jedem, der sich damit beschäftigt hat, klar. Daß bei zunehmender Besteuerung durch die Umsatzsteuer die Prämiierung und die Bestrafung größer werden, leuchtet auch jedem ein. Trotzdem hält offenbar eine Mehrheit dieses Hauses diese Steuer für gerechtfertigt, und ich frage mich: Woher nimmt sie den Mut dazu?

(Abg. Pelster: Weil die Ausgaben beschlossen sind, die jetzt gedeckt werden müssen!)

Der Kollege Dr. Koch hat Ihnen in der vorigen Woche eine ganz simple, sofort nachprüfbare Darstellung von den 118 000 Menschen mit Einkommen über 25 000 DM gegeben, die im Schnitt 6500 DM Steuer im vorigen Jahre geschenkt bekommen haben; macht nach Adam Riese 770 Millionen DM Steuergeschenke.

(Zuruf rechts: Das haben wir schon mal gehört!)

— Ja, das haben Sie schon mal gehört; Sie werden
es vermutlich noch viel öfter zu hören bekommen.

(Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Das ist doch nicht wahr!)

Mit den sonstigen Vergünstigungen aus der Einkommensteuernovelle des Vorjahres macht das summa summarum vermutlich mindestens den Betrag aus, den wir jetzt durch die Umsatzsteuer bewilligen sollen, meine Damen und Herren.

(Abg. Dr. Wuermeling: Die Vergünstigungen sind doch weitgehend aufgehoben!)

— Ja, diese Steuernovelle kommt jetzt erst zum Tragen. Das ist das Problem.
Und, meine Damen und Herren, Sie haben in der vorigen Woche das Exportförderungsgesetz bewilligt.

(Zuruf von der Mitte: Sie doch auch!)

250 bis 400 Millionen DM kostet uns diese Geschichte.

(Zuruf von der Mitte: Nein, kostet sie nicht!) Wir haben davor noch in einer der letzten Ausschußsitzungen gewarnt, und wir haben die bedenklichen Gesichter der Kollegen und Kolleginnen der anderen Fakultäten gesehen. Wir haben darauf hingewiesen, daß dieses Exportförderungsgesetz nichts weiter als eine Prämiierung der Gewinne aus einem Rüstungsboom bedeutet.


(Zurufe bei den Regierungsparteien: Hoi! Hoi!)

Statt diese Gewinne restlos abschöpfen zu lassen,
gibt man diesen Leuten noch eine Prämie. Diese
Exportförderung ist ein Geschenk an eine Berufsgruppe wie jede andere Berufsgruppe, die eigentlich nur ihre Pflicht zu erfüllen hat.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Dieses Geschenk wird ganz schematisch an alle, die damit zu tun haben, verteilt. Wenn das, meine Damen und Herren, eine sorgfältige Steuerpolitik ist, dann weiß ich nicht, was man Steuerpolitik nennt. Wer solche Geschenke hergibt, hat kein Recht, vom Sozialrentner, vom Bezieher kleiner Einkommen unsoziale Steuern zu fordern.
Und das letzte: Art. 106 Abs. 3! Im Vorjahr wäre es möglich gewesen, diese Bestimmung anzuwenden. Der Herr Finanzminister hat darauf verzichtet, weil er sonst seine Einkommensteuernovelle nicht durchbekommen hätte. Aber bitte die Konsequenzen: die Betriebsprüfung. Heute wissen wir aus dem Munde des Herrn Bundesfinanzministers, daß wir wahrscheinlich noch Milliardenbeträge hereinholen könnten. Sie hätten hereingeholt werden können, wenn man den Mut besessen hätte, im Vorjahr Art. 106 Abs. 3 anzuwenden.

(Zuruf von der Mitte: Wenn die Länder nicht versagt hätten!)

— Vorsichtig, vorsichtig! Es gibt Leute, die im
Glashaus sitzen und ganz vorsichtig sein müssen.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Kunze: Ist doch alles schon disponiert worden!)

In jedem soliden Haushalt prüft man, bevor man die Einnahmenseite verändert, erst einmal die notwendigen Ausgaben, ehe man sich irgendeinen Luxus erlaubt. Was die Bundesregierung und mit ihr die Mehrheit der Parteien in diesem Hause getan haben, ist das genaue Gegenteil. Bevor man geprüft hat, welchen Sozialetat unser Land zu vertreten hat, hat man sich den Luxus erlaubt, die Einkommensteuer zu senken.
Sie können von uns deshalb nicht erwarten, daß wir zu der vom Herrn Bundesfinanzminister geforderten Erhöhung der Umsatzsteuer ja sagen. Sie mögen selbst vor Ihre Mitbürger treten und ihnen Ihre soziale Steuerpolitik zu erklären versuchen. Wir Sozialdemokraten sind jedenfalls bereit, den Beweis anzutreten, daß es hätte besser gemacht werden können.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114702900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0114703000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur kurz zu dieser Ziffer sprechen, weil ich wenig Hoffnung habe, die Mehrheit des Hauses noch davon überzeugen zu können, daß dieser vom Bundesfinanzminister hier vorgezeichnete Weg ein falscher Weg ist, daß dieser Weg zu starken Preiserhöhungen führen muß und daß die preistreibenden Wirkungen dieser Steuer sich auf der einen Seite in zusätzlichen ungerechten Gewinnen und auf der anderen Seite in einer zusätzlichen Beschränkung des Lebensstandards auswirken müssen.
Man komme mir nicht mit dem Einwand, wir könnten diese Steuer nicht ablehnen, weil der hohe Finanzbedarf des Bundes nun einmal gegeben sei. Sie alle wissen, daß wir Vorschläge gemacht haben, die darauf abzielen, eine Nettoumsatzsteuer, eine Steuer vom gesamten Rohgewinn zu erheben. Einer solchen Steuer würden diese preistreibenden Wirkungen, die die Umsatzsteuer haben muß, nicht anhaften.


(Dr. Bertram)

Aber ich möchte doch noch kurz einige wesentliche Argumente gegen dieses Trotten im alten Gleis vortragen. Die Erhöhung der Umsatzsteuer um 1 % ist nicht etwa eine einfache und leicht zu nehmende Maßnahme. Es ist nicht die Erhöhung einer alten Steuer um 25 %, sondern es ist tatsächlich eine völlig neue Steuer. Meine Damen und Herren, überlegen Sie sich einmal, was es bedeutet, wenn an Stelle von 3 % nun 4 % Umsatzsteuer erhoben werden, und zwar in jeder Stufe! Wenn 4 oder 5 Stufen hintereinander geschaltet werden und die Handelsspannen sowie die sonstigen Gewinnspannen auf diese Steuern draufgeschlagen werden, dann müssen wir mit einer allgemeinen Erhöhung des Preisniveaus um wenigstens 12 % rechnen. Diese Erhöhung des Preisniveaus ließe sich vermeiden, wenn man nicht immer am Althergebrachten kleben und aus reiner Bequemlichkeit sagen würde: Hier, jetzt 3 %, nächstens 4 %! Das macht sich nämlich gesetzestechnisch sehr leicht. Aber wir sollten es uns nicht so leicht machen. Wir sollten uns Mühe geben, nach neuen Wegen zu suchen, die nicht die Gefahr solcher Preiserhöhungen in sich schließen.

(Zuruf von der Mitte: Vorschlag!)

— Der Vorschlag: Ich habe es eben schon gesagt, der Vorschlag ist: eine Umsatzsteuer von der Bruttospanne, von dem Produktionsergebnis eines jeden Betriebes zu erheben, nicht aber auch die Warenzulieferungen des Vorlieferanten jedesmal mit der Umsatzsteuer zu belasten und dadurch die verhängnisvollen Wirkungen der Umsatzsteuer, wie Sie sie jetzt vorschlagen, zu vervielfachen.
Diese Steuer hat ja auch die Industrie in ihrem Plan zur Selbsthilfe der Wirtschaft vorgeschlagen. Bei der Selbsthilfe der Wirtschaft ist man diesen Weg gegangen. Für die Milliardenanleihe wird aber auf diesen von der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft vorgeschlagenen Weg verzichtet, statt daß dieser durchaus richtige Weg vom Bund und von seinem Finanzminister gegangen würde. Statt dessen geht man den bequemen Weg, der unweigerlich zu Preissteigerungen führen muß.
Es kommt hinzu, daß diese Steuer geradezu rationalisierungsfeindlich wird. Eine Steuer, die auf die Nettospanne eines jeden Betriebes gelegt würde, würde einen gewissen Rationalisierungserfolg haben, weil den mit höheren Grenzkosten arbeitenden Produzenten eine Abwälzung der Steuer infolge ihrer größeren prozentualen Höhe nicht möglich sein würde. Die Steuer, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, wird automatisch abgewälzt und führt gerade zum Gegenteil einer Rationalisierung. Aber gerade das müssen wir doch vermeiden. Wir müssen dahin wirken, daß die Steuern und die privatwirtschaftlichen Interessen konform gehen, nicht aber, daß sie, wie es jetzt geschehen soll, gegeneinanderlaufen. Es ist sicher richtig, daß alte Steuern eine gewisse relative Güte haben, weil sie sich eingespielt haben. Wenn wir aber jetzt von 3 auf 4 % heraufgehen, so handelt es sich dabei nicht um eine alte Steuer, sondern um eine völlig neue Steuer. Das ist so, wie wenn wir von 0 auf' 1 % Umsatzsteuer gehen würden. Die Erhöhung einer Umsatzsteuer bedeutet nichts anderes als ein Wiederaufleben der alten Binnenzölle, wenn auch in einer anderen Art. Sie verhindert aber die volkswirtschaftlich rationellste Durchführung des Warenaustausches. Es kann doch nicht unsere Aufgabe sein, die alten Binnenzölle in moderner Form wiederaufleben zu lassen.
Ich bin deshalb der Ansicht, daß wir diesen Weg unter keinen Umständen gehen sollten. Wir sind
mit den Regierungsparteien der Auffassung, daß eine Steuererhöhung auf manchen Gebieten tatsächlich unvermeidlich ist. Daher haben wir für das Einkommensteueränderungsgesetz gestimmt. Wir würden auch für eine Steueränderung stimmen, durch die die Nettoproduktion belastet würde. Aber wir sind nicht in der Lage, dem Vorschlag auf Einführung dieser preistreibenden Steuer, der nur auf mangelnde Phantasie und auf mangelnde Kenntnis der wirtschaftlichen Grundtatsachen zurückzuführen ist, zuzustimmen.

(Beifall beim Zentrum.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114703100
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.

Alfred Loritz (WAV):
Rede ID: ID0114703200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon bei anderer Gelegenheit gegen den Versuch der Bundesregierung Stellung genommen, mit Hilfe ihrer heutigen Parlamentsmehrheit immer neue und immer weitergehende Steuererhöhungen durchzudrücken. Ich habe bei anderer Gelegenheit schon gesagt und möchte darauf Bezug nehmen: Solange die Regierung nicht Einsparungsmöglichkeiten bis zum äußersten wahrnimmt, hat sie nicht das Recht, mit einer Steuererhöhung zu kommen, die wieder nur in erster Linie die breitesten Schichten der Bevölkerung belastet und die gesamte Wirtschaft in schlimmster Weise stört.

(Abg. Dr. Wuermeling: Wo wollen Sie denn die Milliarde einsparen?)

— Wo wir die einsparen wollen?

(Abg. Dr. Wuermeling: Vielleicht bei den Besatzungskosten?)

— Darauf lassen Sie mich jetzt besser nicht nochmals eingehen, sonst werden Sie nur wieder mit Ihren törichten Zwischenrufen daherkommen, wie Sie es so belieben, Herr Wuermeling und Genossen!

(Zurufe.)

Ich möchte Ihnen jetzt nur vorlesen, was Leute aus der Wirtschaft zu dieser Umsatzsteuererhöhung sagen, Leute, die Ihnen, den Regierungsparteien, sehr, sehr nahestehen, wie z. B. die Herren von der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf. Lassen Sie mich das mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten kurz vorlesen. Ich könnte es selbst nicht besser sagen. Vielleicht werden Sie dann Ihre Zwischenrufe endlich stoppen im Interesse des Ansehens der Demokratie und des Parlaments, Herr Wuermeling!

(Zurufe von der Mitte. — Abg. Kunze: Wir lesen die Zeitungen doch alle selbst!)

Darf ich Ihnen bitte sagen, daß hier immerhin ein Gremium von der Bedeutung der Industrie- und Handelskammer Düsseldorf erklärt, sie hätte mit Erstaunen und größter Sorge die Bestrebungen der Bundesregierung verfolgt,

(Abg. Dr. Wuermeling: Ein wildgewordener Syndikus!)

den Finanzbedarf des Bundes durch neue Steuern und Steuererhöhungen zu decken, ohne daß dabei der nächstliegende Entschluß, Einsparungen vorzunehmen, überhaupt ernsthaft in Erwägung gezogen wird. — Das ist eine vernichtende Kritik

(Zuruf in der Mitte: Sie sollen sagen: wo?!)

an der Finanzpolitik dieser Regierung und dieser Parlamentsmehrheit, eine Kritik, wie ich sie vernichtender und besser gar nicht mehr formulieren könnte! Und hier heißt es:
Parlamente sind so lange nicht berechtigt, an den Opfersinn des deutschen Volkes zu appel-


(Loritz)

lieren, als sie nicht in ernsthafter Weise Hand mit anlegen, eine den Verhältnissen unseres verarmten Volkes angemessene Staats- und Verwaltungsapparatur zu schaffen.
Das ist das, was die WAV seit Jahr und Tag sagt, und das befolgen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsparteien, leider nicht, sondern Sie gehen die Linie des schwächsten Widerstandes, Sie verteuern den Konsum der breiten Massen, Sie ruinieren immer mehr und mehr weiteste Schichten des Mittelstandes, nur damit Sie die Einsparungen, die das Volk von Ihnen verlangt, nicht durchzuführen brauchen. Eine gute saubere Staatsverwaltung mit Fachleuten drinnen, Ersparnisse überall dort, wo sie möglich sind —, dann brauchen Sie diese Umsatzsteuererhöhung nicht, die wir schärfstens ablehnen müssen, weil sie die Wirtschaft ruiniert.

(Beifall bei der WAV.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114703300
Das Wort hat der Abgeordnete Miessner.

Dr. Herwart Miessner (FDP):
Rede ID: ID0114703400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Umsatzsteuererhöhung auf 4 % wird zwangsläufig zu einer allgemeinen Preiserhöhung von nahezu 10 % führen, was eine ganz besondere wirtschaftliche Härte für alle diejenigen bedeutet, die mit ihren Einkünften auf Grund der bisherigen Teuerung heute bereits unter dem Existenzminimum liegen. Das sind insbesondere die pensionierten Staatsdiener, die in ihrer Mehrheit Pensionen unter 150 DM monatlich erhalten. Sie gehören heute zweifellos zu den Ärmsten der Armen. Ich kann es daher mit meinem Gewissen nicht vereinbaren, der Umsatzsteuererhöhung zuzustimmen, solange nicht feststeht, daß auch die letzte Gruppe der Gehaltsempfänger, das sind die Pensionäre, in ihren Bezügen der Teuerung angeglichen ist. Bei Nichtangleichung würden die Pensionen künftig nur noch zwischen 29 und 62,5 % — statt wie bisher zwischen 35 und 75 % — der Bezüge liegen. Das wäre eine Herabsetzung der Pensionen auf kaltem Wege und damit ein flagranter Eingriff in die verfassungsmäßig geschützten Grundrechte des Berufsbeamtentums.
Hören Sie nur zwei Sätze aus der Fülle der Zuschriften an mich:
Löcher zustopfen auf der einen Seite und Löcher aufreißen auf der anderen Seite machen die vorhandenen politischen und wirtschaftlichen Kreislaufstörungen nicht besser.
Oder hören Sie aus einem anderen Brief:
Die Bezüge der Ruhegehaltsempfänger werden eine Art Reservekasse des Staates, in die der Herr Finanzminister bei Bedarf beliebig tief eingreifen darf.
Vielleicht können Sie uns, sehr verehrter Herr Finanzminister, jetzt noch — rechtzeitig vor der Abstimmung — darüber Auskunft geben, wie es sich mit dem fraglichen Kabinettsbeschluß vom 7. Mai dieses Jahres verhält, in dem ja damals die 20 %ige Zulage auch für die Pensionäre beschlossen ist. Man hat leider aus vielen Zeitungsmeldungen entnehmen müssen, daß dieser Kabinettsbeschluß eine Änderung erfahren haben soll, und zwar dahin, daß sich die Meldungen über Teuerungszulagen nicht auf die Pensionäre beziehen.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114703500
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.

Rudolf Kohl (KPD):
Rede ID: ID0114703600
Meine Damen und Herren! Wir bedauern außerordentlich, daß aus formalen Gründen unsere Anträge bei der zweiten Beratung nicht zugelassen worden sind. Wir werden bei der dritten Beratung Gelegenheit nehmen, diese Anträge — mit dem notwendigen Deckungsvorschlag — dem Hohen Hause erneut zu unterbreiten.
Wenn wir jetzt einige Worte zu der Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 % sagen wollen, so vor allem das eine, daß man auf die Rede zurückgreifen sollte, die der Herr Bundesfinanzminister in der 123. Sitzung dieses Hohen Hauses zur Begründung seiner Gesetzesvorlage gehalten hat, weil man die Begründung der Erhöhung einfach nicht von dem Zweck trennen kann, der damit erreicht werden soll. Der Herr Bundesfinanzminister hat damals drei Gründe aufgeführt, die die Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 % notwendig erscheinen ließen. Erstens: sie sei notwendig, um den Verteidigungsbeitrag oder Sicherheitsbeitrag, wie man sich ausdrückt, sicherzustellen,

(Zuruf rechts: Olle Kamellen!)

zweitens, urn soziale Verpflichtungen zu erfüllen, und drittens, um damit zur inneren Befriedung beizutragen.
Meine Damen und Herren, es erscheint wesentlich, einmal festzustellen, wieweit diese Grundsätze übereinstimmen, welche Summen für die Verwirklichung der vom Herrn Bundesfinanzminister in seiner Begründungsrede aufgestellten Grundsätze benötigt werden. Bei einigem sozialen Verständnis wird man dann, glaube ich, zur Ablehnung dessen kommen müssen, was der Herr Bundesfinanzminister von der deutschen Bevölkerung verlangt. Am vergangenen Freitag hat eine Kabinettssitzung stattgefunden, und es wäre wirklich zweckmäßig gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister diesem Hohen Hause dieselben Zahlen bekanntgegeben hätte, die er dort in der Kabinettssitzung bekanntgegeben hat.

(Zuruf rechts: Waren Sie dabei?)

— Sie brauchen nur die Zeitung zu lesen, Herr Kollege, dann können Sie es finden! — Er sagte dort beispielsweise, daß 6 291 Millionen DM für Renten und ähnliche Ausgaben benötigt werden, während im vorigen Jahre 6 255 Millionen DM nötig waren.
Ich entsinne mich einer Reihe von Reden des Herrn Bundesfinanzministers, u. a. einer Rede, die er am 9. April in Hamburg gehalten hat. Dort hat er eine Begründung für die Steuerpolitik gegeben, die er hier vertritt. Er hat gesagt, daß die Erhöhung der Umsatzsteuer in erster Linie den sogenannten Beitrag für die innere Sicherheit erbringen und daß damit das Brot der armen Leute gesichert werden solle. Meine Damen und Herren, stellt man dem gegenüber die Ausgaben für den sogenannten Sicherheitsbeitrag — es ist noch umstritten, ob die Hohe Kommission von 9,3 Milliarden auf 5 Milliarden zurückgehen wird; nach den heutigen Pressemeldungen war der Herr Bundesfinanzminister zu einer solchen Veröffentlichung wirklich nicht autorisiert —, zieht man demgegenüber die wirklich bescheidene Mehrausgabe für soziale Leistungen in Betracht, berücksichtigt man neben dieser einfachen, aber sehr realen Tatsache die zweite reale Tatsache, die bereits von Herrn Kollegen Lausen angeführt worden ist, daß die Umsatzsteuererhöhung zwar im Gesetz mit einem Prozent angesprochen wird, aber in ihrer Umwälzung bis zum


(Kohl [Stuttgart])

Endprodukt 12 bis 13 Prozent betragen wird, so zeigt sich der tiefere Sinn dieser Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung:
Wir sind nicht bereit, Mittel zu bewilligen — auch nicht durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer — nur aus dem Grunde, daß die Besatzungsmächte sich bei uns wohlfühlen sollen. Wir sind bereit, dafür einzutreten, daß den Ärmsten unseres Volkes endlich einmal aus ihrer miesen Lage herausgeholfen wird.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114703700
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird uns nichts übrigbleiben, als nun doch sang- und klanglos über Ziffer 2 abzustimmen. Ich bitte also die Damen und Herren, die der Ziffer 2 in der Ausschußfassung entsprechend dem Antrage des Ausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen bitte? — Meine Damen und Herren, auch diese Abstimmung ist zweifelhaft; wir müssen auszählen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Meine Damen und Herren, darf ich bitten, den Saal im Interesse der Beschleunigung der Verhandlungen möglichst schnell zu verlassen.
Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen und die Abstimmung möglichst schnell vornehmen zu wollen. —

(Wiedereintritt und Zählung der Abgeordneten.)

Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen! Ich bitte, die Abstimmung zu schließen. — Ich bitte, die Türen zu schließen. —

(Pause.)

Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung zu Ziffer 2 bekannt: Mit Ja haben gestimmt 154 Abgeordnete, mit Nein 147; 8 Enthaltungen. Ziffer 2 ist damit angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 2 a. Meine Damen und Herren, darf ich an Sie appellieren, daß Sie sich nach Möglichkeit an den Abstimmungen beteiligen, die in der Folge ziemlich pausenlos erfolgen werden, damit wir die Erledigung der Tagesordnung möglichst ohne weitere Verzögerung vornehmen können.
Zu Ziffer 2 a liegen folgende Anträge vor: ein Antrag der KPD Umdruck Nr. 190, ein Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 169 Ziffer 1, ein Antrag des Abgeordneten Mensing, hinter dem Wort „Zucker" die Worte „Fleich und Wurstwaren" einzufügen.

(Heiterkeit.)

Zum Antrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 169 Ziffer 1, Herr Abgeordneter Dr. Koch bitte!

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0114703800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach der vom Finanzausschuß vorgeschlagenen, uns vorliegenden Fassung soll in Zukunft, nachdem Sie eben beschlossen haben, daß die Umsatzsteuer grundsätzlich 4 % betragen soll, diese Steuer für die Lieferung und den Eigenverbrauch von Frischmilch, von Nahrungsfetten, die im einzelnen aufgezählt sind, und von Zucker auf 3 % ermäßigt werden. Meine Fraktion stellt den Antrag, die Steuer für diese Grundnahrungsmittel, die preisgebunden sind, auf 1 1/2 v. H. zu ermäßigen und sie im Steuersatz dem Brot und den Backwaren gleichzusetzen. Schon bei der ersten Beratung dieses Gesetzes hatten wir diesen Antrag für den Fall der Erhöhung der Umsatzsteuer angemeldet. Wir haben uns sehr eingehend auch im Ausschuß besprochen,
welche Grundnahrungsmittel mit einem verbilligten Umsatzsteuersatz erfaßt werden sollen. Wenn wir so etwas hätten, meine Dame und Herren, was man berechtigterweise als Wirtschafts- oder Preispolitik ansprechen könnte, so hätten wir sicherlich diesen engen Kreis der Nahrungsmittel noch erweitert. Wenn wir die Umsatzsteuer für einen weiteren Kreis ermäßigen wollten, müßten wir aber befürchten, daß diese Preissenkung nicht dem zugute kommt, dem sie in allererster Linie zugute kommen soll, nämlich dem Verbraucher. Wir hätten gern gesehen, daß auch Eier, Kartoffeln, Teigwaren und andere Nahrungsmittel mit einem niedrigeren Umsatzsteuersatz erfaßt würden. Wenn wir etwas derartiges beschlössen, müßten wir aber befürchten, daß diese Umsatzsteuersenkung eben nicht dem Verbraucher zugute kommt, sondern im Handel auf dem Wege zum Verbraucher stecken bleibt. Aus diesem Grunde beschränken wir unseren Antrag ganz bewußt auf Frischmilch, Nahrungsfette und Zucker, also auf die Nahrungsmittel, für die der Ausschuß einen 3 %igen Satz vorschlägt.
Wir gehen aber noch einen Schritt weiter als der Ausschuß und bitten darum, nicht den Satz von 3 %, sondern einen Satz von 1 1/2 % anzuwenden, wie wir ihn bisher schon bei den Brotwaren und bei allen anderen Waren aus Getreide kannten. Ich darf Sie daran erinnern, meine Damen und Herren — und Sie haben die Drucksache in der Hand —, daß der Bundesrat vorgeschlagen hatte, nicht etwa nur diese drei Nahrungsmittel, Frischmilch, Nahrungsfette und Zucker, sondern auch Teigwaren, Eier, Kartoffeln, Fische und Fischwaren mit dem niedrigeren Satz von 3 % zu versteuern. Dazu hat interessanterweise der Herr Bundesfinanzminister oder richtiger die Bundesregierung wie folgt Stellung genommen:
Es wird ein neuer Steuersatz eingeführt, nämlich nunmehr der neue Steuersatz von 3 %, der nicht nur für die Steuerpflichtigen Änderungen in der Buchführung erfordert, sondern auch hinsichtlich der Veranlagung des Steuerpflichtigen und vor allen Dingen hinsichtlich der Überprüfung der Richtigkeit der Buchführung Schwierigkeiten und eine erhebliche Mehrbelastung der an sich schon überbelasteten Finanzämter mit sich bringt.
Diese Begründung der Bundesregierung, meine Damen und Herren, möchten wir uns hundertprozentig zu eigen machen und Sie aus diesem Grunde bitten, für diese Grundnahrungsmittel, die der Finanzausschuß ausgewählt hat, nicht den Prozentsatz von 3 %, sondern den Prozentsatz von 1 1/2 % zu wählen, entsprechend unserem Antrage, damit die Bundesfinanzverwaltung oder richtiger jetzt noch die Länderfinanzverwaltungen und vor allen Dingen auch der ganze Handel nicht mit drei Steuersätzen, nämlich 1 1/2 %, 3 % und 4 %, zu rechnen brauchen, sondern daß hier nur der eine geringere Steuersatz neben dem allgemeinen Steuersatz in Betracht kommt.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0114703900

Bei dem hohen Grundpreis
— schreibt das Wirtschaftsministerium •


(Dr. Koch)

von Zucker und Speisefett wirkt sich eine Umsatzsteuersenkung um 1,5 % an sich soweit im Preise aus, daß vom Handel eine entsprechende Senkung der Preise gefordert werden kann; preiskontrollmäßig ist diese Senkung aber nur insoweit mit Sicherheit zu erreichen, als die Ware noch im Preise gebunden ist.
Das ist gerade das, was wir sagen: Diese Lebensmittel, die wir aufführen — Frischmilch, Nahrungsfette, Zucker — sind noch im Preise gebunden und können daher preispolitisch und wirtschaftspolitisch erfaßt werden, so daß in diesem Fall der geringere Steuersatz vielen Millionen Verbrauchern zugute kommt und die eingesparten Beträge nicht irgendwo hängenbleiben.
Erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, daß ich Ihnen zur Begründung zum Schluß noch die Entwicklung des Lebenshaltungskostenindex seit Oktober 1950 in die Erinnerung zurückrufe; es kann nicht häufig genug darauf hingewiesen werden: Oktober 1950 149, Januar 1951 154, April 1951 166.

(Zuruf in der Mitte: Und jetzt?!)

Meine Damen und Herren, das sind die Ziffern des Statistischen Bundesamts.

(Abg. Neuburger: Und wie ist der Lohnindex gestiegen?!)

— Wenn der Lohnindex gestiegen ist, Herr Kollege
Neuburger, dann liegt das in allererster Linie daran,

(Abg. Neuburger: Ich bitte nur um die Zahl!)

— ich habe sie nicht hier —(Lachen rechts)

daß er sich lediglich dem Lebenshaltungskostenindex angeglichen hat. Aber ich möchte meine Hand dafür ins Feuer legen, Herr Kollege Neuburger, daß die Steigerung des Lohnindex nicht im geringsten auf die bevorstehenden Steuererhöhungen abgestellt ist.

(Zuruf in der Mitte: Da werden Sie sich schwer verbrennen!)

Ich glaube, diese Ziffern sprechen eine wesentlich deutlichere Sprache als die verschiedenartigen, hinlänglich bekannten Versprechungen des Herrn Bundeswirtschaftsministers, daß in Zukunft die Preise fallen werden. Ich glaube, wir sollten uns bei unseren Beschlüssen gerade aus sozialen Erwägungen an diese Ziffern des Lebenshaltungskostenindex halten.
Ich möchte Ihnen noch einen Satz vortragen, den das Statistische Bundesamt in seiner Zeitschrift „Wirtschaft und Statistik" ausführt:
Der Hauptgrund für diese weitere Erhöhung des Gesamtindex ist die Verteuerung der Nahrungsmittel. Hier wirken sich vor allen Dingen die Preiserhöhungen für Brot und die übrigen Getreideerzeugnisse aus. Daneben wurden ab r auch Preissteigerungen für Speiseöl und Eier gemeldet.
Wir bitten Sie, meine Damen und Herren, aus sozialen Gründen, mit Rücksicht auf die Verbraucher unserem Antrage zuzustimmen und angesichts auch der allgemeinen Steigerung des Umsatzsteuersatzes, die Sie eben beschlossen haben, nicht an dem Satz von 3 % festzuhalten, sondern, unserem Antrage entsprechend, den Satz von 1 1/2 % zu wählen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114704000
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.

Rudolf Kohl (KPD):
Rede ID: ID0114704100
Meine Damen und Herren! Wir haben mit unserem Antrag — Umdruck Nr. 190 — die Befreiung der Grundnahrungsmittel und der Gebrauchsgüter des täglichen Bedarfs von der Umsatzsteuer verlangt. Ich habe vorhin bereits darauf hingewiesen, welche Gründe für die Ablehnung der Erhöhung der Umsatzsteuer im allgemeinen für uns maßgebend gewesen sind, und ich darf sagen, daß dieselben Gründe ganz zwangsläufig auch für diesen Antrag sprechen, vielleicht sogar noch in viel stärkerem Maße, wenn man die allgemeine Lebenslage der werktätigen Bevölkerung und darüber hinaus vor allen Dingen die Sozialrentner, Fürsorgeempfänger usw. berücksichtigt.
Wenn die Bundesregierung beschlossen hat, diesem Personenkreis eine Teuerungszulage von 3 Mark zu gewähren, so hat sie dies im Hinblick auf die kommende Preissteigerung für Margarine und Brot getan. Wenn sie jetzt dem Bundesrat das Gesetz über eine 25 %ige Erhöhung der Renten zugeleitet hat, so ist auch darüber in der Öffentlichkeit ein falsches Bild entstanden, vor allen Dingen in den Kreisen der Rentner und Sozialberechtigten, weil gerade in diesem Gesetz eine ganze Reihe entscheidender Ausnahmen gemacht werden, so daß eine generelle Erhöhung der Renten für alle Sozialrentner nicht in Frage kommt. Wir sind der Auffassung, daß angesichts dieser Tatsachen — auch die Erhöhung um 25 % ist keine Angleichung an die tatsächlichen Lebensverhältnisse — unser Antrag sachlich eine entscheidende Berechtigung hat.
Ich habe mir vorhin erlaubt, auf eine Rede des Herrn Bundesfinanzministers anzuspielen, die er in Hamburg gehalten hat und in der er gesagt hat, daß er das Brot der Armen sicherstellen wolle. Der Herr Bundesfinanzminister hat bei der Begründung seiner Finanzpolitik in ihrer Gesamtheit einige Schlagworte gebraucht, beispielsweise beim KB-Leistungsgesetz das Schlagwort, daß die Körperbeschädigten ihm helfen sollen, den Schmuggel zu bekämpfen. Bei der Frage der Luxussteuer gebrauchte er die Formulierung: Brot oder Pralinen! Ich glaube, daß der Herr Bundesfinanzminister eigentlich, wenn er das Brot der Armen sicherstellen will, unserem Antrag zustimmen müßte, weil er in der Befreiung der Grundnahrungsmittel von der Umsatzsteuer eigentlich eine Realisierung seiner damals aufgestellten These sehen könnte.
Aber es geht nach unserer Auffassung bei diesem Gesamtproblem doch um etwas anderes. Es handelt sich weniger darum, nun unter allen Umständen mit diesem Geld zum Zwecke der sogenannten sozialen Befriedigung etwas zu erreichen, sondern hier steht immer wieder im Vordergrund die Bereitstellung von Mitteln für den sogenannten Sicherheitsbeitrag.

(Zuruf von der Mitte: Aha!)

— Sie werden das immer wieder hören, weil wir der Auffassung sind, daß es nicht oft genug gesagt werden kann und daß es oft, immer wieder gesagt werden muß, weil das deutsche Volk vor Schaden durch Ihre Politik bewahrt bleiben muß. Wir bitten Sie um Zustimmung zu diesem Antrag.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte und rechts.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114704200
Das Wort hat der Her: Bundesminister der Finanzen.


Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0114704300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Unterschied zwischen dem Antrag des 11. Ausschusses und dem Antrag auf Drucksache Nr. 169 besteht in folgendem. Der Ausschußantrag will verhindern, daß die Preise bei den genannten Lebensmitteln sich durch die Umsatzsteuererhöhung ändern. Er will die Preise halten. Dieser Antrag hat Sinn und Zweck. Der Antrag der SPD will einen niedrigeren Satz einführen, als er bisher bestanden hat. Ich glaube, die Antragsteller erwarten selbst nicht, daß der Verbraucher von der Einführung dieses niedrigeren Umsatzsteuersatzes auch nur den geringsten Vorteil haben wird.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Die Differenz von 1 1/2 % zu 3 % wird sich bei den Verbraucherpreisen in gar keiner Weise auswirken.

(Zustimmung in der Mitte.)

Sie wird lediglich die Handelsspanne erhöhen,

(Sehr richtig! in der Mitte)

und zwar auf Kosten der Allgemeinheit.
Ich mache Ihnen eine kurze Rechnung auf. Der Antrag der SPD müßte, wenn man bei Zucker einen Umsatz von 800 Millionen DM jährlich zugrunde legt, einen Ausfall von jährlich 38 Millionen DM bringen, bei Nahrungsfetten mit einem Umsatz von jährlich 2 000 Millionen DM einen Ausfall von 95 Millionen DM, bei Milch mit einem Jahresumsatz von 1700 Millionen DM einen Jahresausfall von 43 Millionen DM. Zusammen ergibt das einen Jahresausfall an Steuererträgnis von 176 Millionen DM. Dazu kommt aber, daß die Freistellung bzw. Einbeziehung dieser Nahrungsmittel in den ermäßigten Satz die Überwachung des gemischten Handelsbetriebes, der diese Waren neben anderen Waren verkauft, so erschwert, daß mit einer beträchtlichen Ausweitung des Steuervorteils bei dem Einzelhändler zu rechnen ist. Diesen kann man ruhig mit rund 50 Millionen DM annehmen, so daß sich ein Ausfall von etwa 229 Millionen DM ergeben würde.
Der Antrag des 11. Ausschusses bedeutet in seiner Auswirkung auch einen Ausfall, aber einen Ausfall von nur ungefähr 91 Millionen DM. Die Differenz beträgt rund 140 Millionen DM. Meine Damen und Herren, ich muß bitten, einen Antrag nicht anzunehmen, der einen Steuerausfall von 140 Millionen DM bringen, aber dem Verbraucher keinen Vorteil bieten und nur eine Erhöhung der Handelsspanne zur Folge haben würde.

Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114704400
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Zum Antrag des Herrn Abgeordneten Mensing, „Fleisch- und Wurstwaren" einzufügen, wünscht er selber noch das Wort zu nehmen. Bitte!

(Zuruf links: Jetzt geht's um die Wurst! — Heiterkeit.)


Friedrich Mensing (CDU):
Rede ID: ID0114704500
Herr Präsident! Meine Damen,
meine Herren! Ich habe den Antrag eingebracht: In § 7 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes wird hinter „Zucker" eingefügt: „Fleisch- und Wurstwaren".

(Lachen bei der SPD und in der Mitte.)

— Ja, ich bedauere außerordentlich, meine Herren von der Linken, daß Sie einen solch ernstgemeinten Antrag so höhnisch auffassen.

(Erneute Heiterkeit.)

Gerade Sie, die Sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorgeben, die Vertreter der Ärmsten der Armen zu sein

(lebhafte Zurufe von der SPD)

— ja, das wollen Sie jetzt nicht hören, daß ich Ihnen die Antwort darauf gebe —, Sie hätten jetzt alle Ursache, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall und lebhafte Zurufe von der SPD.) Dieser Antrag sollte aus rein psychologischen und sozialen Gesichtspunkten angenommen werden, um den Bedürfnissen der breiten Masse, der Arbeiterschaft, Rechnung zu tragen.


(Lebhafte Zurufe von der SPD.)

Ich erinnere daran, daß gerade Ihr Lehrmeister Bebel es war,

(Heiterkeit und Zurufe bei der SPD)

der bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausgeführt hat, es müsse das Ziel der Politik sein, daß jeder Arbeiter für den Sonntag sein Fleisch oder sein Huhn im Topf habe.

(Lebhafter Beifall und Heiterkeit bei der SPD.)

Und das ist das, was ich mit meinem Antrag erreichen möchte, und von dieser sozialen Aufgabe lasse ich mich leiten,

(erneute lebhafte Zurufe von der SPD) wenn ich einen derartigen Antrag stelle.


(Abg. Dr. Greve: Herr Mensing, wir stimmen ja zu! Sprechen Sie nach der rechten Seite des Hauses!)

— Dann sorgen Sie dafür, daß derartige höhnische Bemerkungen unterbleiben!
Meine Damen und Herren, ich bitte also aus den angeführten Gründen, dem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Ich möchte aber im übrigen noch auf folgende Dinge hinweisen. Es handelt sich dabei um eine sehr ernste ernährungswirtschaftliche Angelegenheit. Ich erinnere daran, daß wir mit unseren Schweinebeständen den Vorkriegsstand nicht nur erreicht, sondern sogar überschritten haben. Wir haben also alle Ursache, daß wir auch unter diesem Gesichtspunkt alles tun, um den Fleischverbrauch zu fördern. Ich bitte Sie deshalb, meinem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall und Zurufe bei der SPD. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Ehlers (CDU):
Rede ID: ID0114704600
Den Herren, die sich hinten an der Tür aufhalten, möchte ich sagen, daß hier vorn noch günstige Plätze zur Verfügung stehen.
Ich schließe die Besprechung, da weitere Wortmeldungen nicht vorliegen.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den weitestgehenden Antrag der Fraktion der KPD Umdruck Nr. 190. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen ist der Antrag gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 169 Ziffer 1; er bezieht sich auf Abs. 2 Ziffer 2 des § 7. Danach sollen unter b nach dem Wort „Backwaren," — ich habe es doch richtig verstanden, Herr Abgeordneter Dr. Koch? —

(Abg. Dr. Koch: Ja!)



(Präsident Dr. Ehlers)

die in dem Antrag aufgeführten Worte eingefügt werden. Ich nehme an, daß, wenn dieser Antrag angenommen würde, der Antrag damit verbunden wäre, die Ziffer 1 wegfallen zu lassen.

(Zuruf von der SPD: Jawohl!)

Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 169 zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —

(Fortgesetzte Zurufe von der SPD: Herr Mensing, Herr Mensing!)

(Zurufe links: Das vorletzte! Denn das
letztere waren die Enthaltungen!)
— Meine Damen und Herren, dahin sind wir noch nie gekommen, daß die Enthaltungen die Mehrheit waren; denn dann wäre die Abstimmung ergebnislos. Das gibt es auch in der Geschäftsordnung.
Jetzt komme ich zur Abstimmung über den Antrag des Herrn Kollegen Mensing, in § 7 Abs. 2 Ziffer 1 nach dem Wort „Zucker" hinzuzufügen: „Fleisch- und Wurstwaren". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag des Herrn Kollegen Mensing zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —

(Fortgesetzte Zurufe von der SPD: Das sind die Vegetarier! — Heiterkeit.)

Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, bei dem Gewicht von Fleisch und Wurst ist diese Abstimmung unklar. Ich bitte, im Wege des Hammelsprungs über den Antrag abzustimmen.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114704700
Die Abstimmung kann beginnen.

(Wiedereintritt und Zählung der Abgeordneten.)

Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, die Abstimmung hatte folgendes Ergebnis: Mit Ja haben für den Antrag Mensing gestimmt: 152, mit Nein 145, und 5 Damen und Herren haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag angenommen.

(Händeklatschen bei der SPD.)

Wir stimmen nunmehr über die Ziffer 2 a in der jetzigen Fassung ab. Wer für Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.

(Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

— Meine Damen und Herren, es ist offenbar nicht möglich, mich zu verstehen. Wir haben jetzt abzustimmen über die Ziffer 2 a in der nunmehr beschlossenen Fassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben.

(Abg. Dr. Dr. Höpker-Aschoff: Ich kann nichts verstehen! — Weitere Zurufe.)

— Der Lautsprecher ist eingestellt.

(Zuruf: Man versteht aber nichts!)

— Meine Damen und Herren, zum dritten und, wie ich hoffe, letzten Male: Wer für .die Ziffer 2 a in der nunmehr beschlossenen Fassung stimmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war unzweifelhaft die Mehrheit. Die Ziffer 2 a ist abgelehnt.

(Große Heiterkeit.)

Ich rufe auf Ziffer 3.

(Anhaltende Heiterkeit und Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

— Meine Damen und Herren, soll ich eine kleine Pause einlegen, um der Freude Gelegenheit zu geben, sich auszutoben?

(Heiterkeit. — Zurufe rechts: Nein! — Weitermachen!)

Dann Ziffer 3. Hier ist ein Antrag der SPD angekündigt. Wer begründet den Antrag? — Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Koch.

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0114704800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

(Anhaltende Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114704900
Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe!

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0114705000
Nach der bisherigen Fassung des § 7 Abs. 3 sind Großhandelsumsätze steuerlich begünstigt. Sie sind aber nur dann steuerlich begünstigt, der ermäßigte Steuersatz darf also nur dann angewandt werden, wenn im vorangegangenen Kalenderjahr — so ist die bisherige 'Fassung — die Lieferungen außerhalb des Großhandels nicht mehr als 75 v. H. des Gesamtumsatzes betragen haben. Diese Bestimmung hatte seinerzeit offenbar den Sinn, die Steuererhebung zu vereinfachen. Man wollte nicht Großhandelsumsätze, die unter 25 % des Gesamtumsatzes liegen und sich in kleinen Ziffern bewegen, steuerlich begünstigen und wollte auf diese Weise der Finanzverwaltung Arbeit ersparen. Es ist notwendig, und zwar gerade mit Rücksicht auf die Begründung, die der Herr Bundesfinanzminister bei der ersten Beratung dieses Gesetzes gegeben hatte, nämlich all den Unternehmen zu helfen, die preisregulierend wirken, eine absolute Grenze einzufügen. So ist unser Antrag gedacht.
Wir bitten also, hinter das letzte Wort des Abs. 3 einzufügen:
... oder die Lieferungen im Großhandel den Betrag von 500 000 DM überschritten.
Wir glauben, daß wir durch diesen Antrag zu einer wesentlichen Vereinfachung der Verwaltung beitragen können. Wir glauben aber auch weiterhin, daß wir durch diesen Antrag gerade den Unternehmen helfen können, die ausgesprochen preisregulierende Wirkung haben. In diesem Funkte beziehen wir uns also, wie gesagt, auf die Begründung, die der Herr Bundesfinanzminister bei der ersten Beratung des Gesetzes gegeben hat.
Nach Rücksprache mit dem Finanzministerium möchten wir unsern Antrag in einem Punkte nur in den Worten ändern und wie folgt sagen:
... so findet der ermäßigte Steuersatz nur
dann Anwendung, wenn im letzten vo rangegangenen Kalenderjahr
— und nun kommt das neue Wort —1. entweder die Lieferungen im Einzelhandel nicht mehr als 75 v. H. des Gesamtumsatzes nach den Ziffern 1 und 2 betragen oder
16. die Lieferungen im Großhandel 500 000 Deutsche Mark überschritten haben.
Das ist lediglich eine Änderung in der Fassung, nicht im Inhalt. Wir bitten, unsern Antrag anzunehmen.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114705100
Weitere Wortmeldungen? — Das Wort ,hat der Abgeordnete Dr. Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0114705200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist von den Herren der Sozialdemokratie bereits im Ausschuß gestellt worden und hat dort keine Mehrheit gefunden. Es ist aber nicht zu verkennen, daß er zu einer Vereinfachung des ganzen Verfahrens führen könnte und daß — soweit man das schätzen kann. — die Steuerausfälle nicht erheblich oder irgendwie ins Gewicht fallend sein werden. Da wir aber, wie hi er heute oft ausgeführt, das Bestreben haben müssen, mit diesem Steueränderungsgesetz nicht Steuerausfälle, deren Höhe man schwer schätzen kann, geradezu herbeizuführen, könnten sich meine Freunde nur dann entschließen, dem Antrag zuzustimmen, wenn bei sonst unverändertem Text im letzten Satz die Zahl 500 000 DM durch die Zahl 1 Million DM ersetzt wird.

(Abg. Neuburger: Einverstanden!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114705300

(Abg. Neuburger: Augenblick! — Abg. Dr. Wellhausen: Änderungsantrag!)

— Den haben Sie mir nicht übergeben.

(Abg. Dr. Wellhausen: Nein! Es ist sehr einfach; deswegen glaubte ich, ohne schriftliche Formulierung auszukommen! Ich habe beantragt, 500 000 durch 1 Million zu ersetzen!)

Weiter geht der Antrag, den der Kollege Wellhausen gestellt hat: 1 Million. Ich lasse darüber abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen. Damit ist der Antrag der SPD gegenstandslos geworden; 'die Abstimmung kann unterbleiben.
Ziffer 3 ist in der beschlossenen Fassung angenommen.
Ziffer 4. Hier ist ein Antrag der Fraktion des Zentrums angekündigt, ebenso ein Änderungsantrag der Abgeordneten Schmücker, Stücklen und Genossen, Umdruck Nr. 210.
Das Wort zur Begründung hat zunächst der Abgeordnete Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0114705400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kommen zu einem Thema, das den Bundestag schon wiederholt beschäftigt hat, und zwar zur Frage der sogenannten Warenhausumsatzsteuer. Man spricht von Warenhausumsatzsteuer; aber dieser Ausdruck stimmt nicht ganz, denn tatsächlich handelt es sich nicht urn eine Sonderumsatzsteuer für Warenhäuser, die bisher 3/4 % höher war als beim übrigen Einzelhandel, sondern es handelt sich um eine Sonderumsatzsteuer für Großbetriebe des Einzelhandels. Der Umsatzwert dieser Betriebe im Jahre 1949 ist mit 6,7 Milliarden DM ermittelt worden. Wenn wir damit rechnen, daß im Jahre 1951 die Durchschnitts-umsatzwerte des Einzelhandels urn wenigstens 25 % über den Durchschnittsumsätzen von 1949 liegen, dann kommen wir auf Umsätze, die zwischen 8 und 9 Milliarden liegen dürften. Die Differenz zwischen der normalen Umsatzsteuer und der Zusatzumsatzsteuer betrug bisher 3/4 %. Unser Antrag bezweckt, diese Differenz aufrechtzuerhalten, indem für die Großbetriebe des Einzelhandels statt ,der normalen Umsatzsteuer von 4 % eine Zusatzsteuer von 5 % eingeführt wird. Demgegenüber hat die Regierungsvorlage die Sonderumsatzsteuer für Großbetriebe gestrichen; in der Vorlage ist bestimmt worden: § 7 Abs. 4 entfällt.
Hier wird tatsächlich eine steuerlich außerdrdentlich wichtige Frage berührt. Auch in ihrer Größenordnung ist diese Frage sehr bedeutungsvoll. Wenn wir von Gesamteinzelhandelsumsätzen dieser Betriebe — und zwar der Warenhausunternehmungen, der Konsumgenossenschaften, der Großfilialbetriebe der Lebensmittelbranche, anderer Großfiilialbetriebe, der Mittelbetriebe des Einzelhandels, der selbständigen Waren- und Kaufhäuser, der kleineren Lebensmittelfilialbetriebe, Versandgeschäfte, Einzelhandelsfachgeschäfte und von Versandbetrieben der Fabrikationsbranche, die unmittelbar an den Verbraucher versenden — ausgehen, dann würde sich bei einer neuen Steuer von 5 % statt 3 3/4 % — also Aufrechterhaltung des bisherigen Verhältnisses — für den Bundeshaushalt eine zusätzliche Einnahme von über 100 Millionen DM im laufenden Finanzjahr ergeben. Wir können damit rechnen, daß sich 100 bis 120 Millionen DM Mehreinnahmen ergeben würden, wenn wir das bisherige Verhältnis beibehalten.
Nun schreibt die Regierung in ihrer Begründung, die bisherige zusätzliche Belastung der Großbetriebe des Einzelhandels müsse in Fortfall kommen, und zwar wegen der preisregulierenden Wirkung dieser Betriebe. Die Betriebe sind auch beim Finanzministerium vorstellig geworden und haben dort erklärt, daß sie ihre bisherige Kalkulation aufrechterhalten würden. Die Behauptung klingt zunächst recht plausibel; auch ist der Satz in der Regierungsbegründung gar nicht übel zu lesen. Aber er ist tatsächlich nicht zutreffend. Würde er zutreffen, dann müßte ja bereits in ,den Bilanzen der Betriebe im Jahre 1950 oder in der Zeit von 1948 bis 1949 eine entsprechende Auswirkung zu verzeichnen sein. Dann müßten diese Bilanzen unter dem Druck der Zusatzumsatzsteuer entsprechend schlecht aussehen, wenn die Betriebe tatsächlich, äußerst sparsam und billig kalkuliert hätten. Tatsächlich haben sie das nicht getan, sondern sie haben genommen, was sie kriegen konnten, und deshalb gebe ich diesem Versprechen auch keinerlei Bedeutung.
Ich habe hier die Bilanz der Rudolf-KarstadtAG in Hamburg vor mir liegen. Aus dieser Bilanz ist zu ersehen, daß sich der Gewinn von 1949 in Höhe von 0,11 Millionen DM auf 3,41 Millionen DM in diesem Jahr erhöht hat. Nicht nur dieser Gewinn ist aber außerordentlich stark angestiegen; außerdem sind erhebliche zusätzliche Rückstellungen gemacht worden, und zwar Rückstellungen, die handelsrechtlich zulässig sein mögen, die aber steuerrechtlich nicht zulässig sind. Sie sind auch im einzelnen in der Bilanz nicht ausgewiesen worden und müssen bei rund 8 Millionen DM liegen. Das heißt also: bei einer gesamten Bilanzsumme von 100 Millionen DM im Jahre 1949 hat die Firma 0,11 Millionen, also 110 000 DM verdient; bei einer Bilanzsumme von 131 Millionen DM hat sie 3,92 Millionen DM ausgewiesen. Ich will damit nichts


(Dr. Bertram)

darüber sagen, ob die Gewinne zu hoch sind oder nicht. Das ist ein Thema, das uns vielleicht noch im Wirtschaftspolitischen Ausschuß beschäftigen wird. Ich will nur darauf hinweisen, daß zumindest die zusätzliche Umsatzsteuer diesen Betrieben nicht im geringsten geschadet hat, sondern ihnen im Gegenteil ermöglicht hat, außerordentlich hohe Gewinne zu machen.
Durch diese Bilanz wird auch das Argument widerlegt, daß etwa die Aufrechterhaltung der bisherigen Zusatzumsatzsteuer irgendwie eine preisdrückende Wirkung haben könnte. Genau sowenig wie dies bisher der Fall war, wird eine entsprechende Wirkung in der Zukunft zu verzeichnen sein.
Unter den Betrieben, die diese 8 oder 9 Milliarden DM Umsätze gemacht haben, befinden sich auch die Konsumgenossenschaften. Die Konsumgenossenschaften werden durch diese Sonderumsatzsteuer verhältnismäßig hart betroffen, und zwar einmal deshalb, weil sie in viel größerem Umfang als die übrigen Betriebe Lebensmittel verkaufen. 40 bis 45 % der gesamten Umsätze der von den Konsumgenossenschaften verkauften Waren sind Umsätze in Lebensmitteln.

(Abg. Pelster: 70 %!)

— Ja, die Ziffern, die uns genannt worden sind, wechseln sehr stark. Ich unterstelle einmal. daß es nur 40 bis 45 % sind.

(Abg. Pelster: Es sind 70 %!)

— Wenn es 70 % sein sollten, würde sich meine Rechnung noch besser gestalten. Ich rechne also mit einer ungünstigeren Ziffer, und zwar aus folgendem Grunde: Bisher ist durch ein Versehen des Gesetzgebers im Jahre 1930 auch der Lebensmittelumsatz zu der erhöhten -Umsatzsteuer von 3 3/4 % herangezogen worden. Nach der Neufassung wird aber der Lebensmittelumsatz nicht mehr zu der erhöhten Umsatzsteuer von 4 % herangezogen, sondern nur zu der allgemeinen für Lebensmittel geltenden Steuer von 1 1/2 bzw. 3 %.

(Zuruf des Abg. Dr. Wellhausen.)

In unserem Antrag fordern wir, daß die Lebensmittelumsätze der Großbetriebe des Einzelhandels genau so wie die aller übrigen Einzelhandelsgeschäfte auch besteuert werden. Infolgedessen wird den Konsumgenossenschaften, wenn sie einen sehr hohen Lebensmittelumsatz haben, durch die von uns 'beantragte Neufassung eine außerordentliche Erleichterung gegenüber dem bisherigen Zustand gewährt.
Wir beantragen, daß sich die Steuer auf 5 % bei Unternehmungen erhöht, deren Umsatz im Einzelhandel nach § 1 Ziffer 1 und 2 im letzten vorangegangenen Kalenderjahr 1 Million DM überstiegen hat. Soweit sich die Umsätze eines Unternehmens dieser Art im Einzelhandel auf Waren des Abs. 2 Ziffer 2 und 3 beziehen, gelten hierfür die dort genannten Steuersätze. In Ziffer 2 und 3 sind die beiden Lebensmittelarten Teigwaren und Backwaren aufgeführt und jetzt, wie wir eben beschlossen haben, auch noch Wurstwaren.

(Widerspruch und Zurufe: Gar nicht beschlossen! — Abgelehnt!)

— Die ganze Ziffer ist zwar abgelehnt, aber der Einzelantrag war angenommen worden.

(Abg. Dr. Wuermeling: Windei! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

— Hoffentlich wird das in der dritten Lesung berichtigt.
Das heißt also, nach unserem Antrag werden die Konsumgenossenschaften in Zukunft bei ihren Umsätzen die Umsätze an diesen Lebensmitteln nur mit den Steuersätzen zu versteuern haben, wie sie alle übrigen Einzelhandelsgeschäfte auch zu versteuern haben. Lediglich für alle anderen Waren verbleibt es bei der erhöhten Umsatzsteuer. Die Eingabe der Interessentenverbände schätzt die Umsätze an anderen Waren bei den übrigen Betrieben auf 99 %, an Lebensmitteln nur auf 1 % der gesamten Umsätze.
Die entscheidenden Argumente, die für die Belbehaltung dieser Steuer anzuführen sind, sind die gleichen, die gegen die Erhöhung der Umsatzsteuer im allgemeinen sprechen. Diese Steuer hat sich eingespielt, sie hat — wirtschaftlich gesehen —eine gewisse, zwanzigjährige Tradition hinter sich, ohne daß die geringsten volkswirtschaftlichen Störungen oder Schwierigkeiten aufgetreten sind. Wenn wir jetzt auf diese Steuer verzichten und damit einen Kreis von Interessenten, die, wie die Bilanz von der Karstadt AG. beweist, außerordentlich gut verdienen und die nicht daran denken, preisdrückende Funktionen auszuüben, 120 Millionen DM im Jahr schenken wollen, dann verstärken wir noch die Tendenz zur Konzernierung, die überhaupt in der Umsatzsteuererhöhung liegt.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Es ist doch ganz klar, daß bei einer Umsatzsteuer, die jeden einzelnen Umsatzvorgang mit 4 % belastet, immer stärker die Tendenz zum Vorschein kommen muß, sich die folgenden Umsatzstufen anzugliedern, um auf die Art und Weise auf Kosten des Staates ein Geschäft zu machen, die Umsatzsteuer zu sparen; selbst der sparsamste Einzelhändler ist nicht in der Lage, eine Stufe von 4 % Umsatzsteuervorbelastung zu überspringen, wenn sein Konkurrent diese Stufe nicht zu überspringen hat.
Nun wird eingewandt, daß tatsächlich diese Umsatzsteuer nicht eine vereinfachte Mehrphasenumsatzsteuer im Sinne des § 8 sei, da ja auch der Einzelhandel unmittelbar von der Fabrik kaufen könne, Das ist vollkommen zutreffend. Auch der Einzelhandel kauft unmittelbar von der Fabrik ein und überspringt in manchen Fällen die Großhandelsstufe. Aber die eigentliche innere Rechtfertigung dieser Steuer nach § 7 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes liegt auch nicht in der Ersparung einer Umsatzstufe, sondern sie liegt darin, daß hier eine zusätzliche Gewinnbesteuerung auf dem Umwege über die Umsatzsteuer durchgeführt wird. Diese Art der Besteuerung ist zwar unsystematisch — das gebe ich durchaus zu —,aber in ihrer zwanzigjährigen Existenz hat sie bewiesen, daß sie tatsächlich wirtschaftlich tragbar ist, daß sie die betroffenen Unternehmen in ihrer Existenz nicht nur nicht gefährdet, sondern ihnen gestattet hat, außerordentlich große Gewinne zu machen. Sie stellt also einen gerechten Erfassungsmaßstab dar. Es ist ja nicht so, daß diese zusätzliche Umsatzsteuer die hierdurch betroffenen Unternehmen ernsthaft belaste. Der Fall der Konsumgenossenschaften ist von mir soeben geschildert worden, bei den übrigen beweisen es die Zahlen.
Ich bitte deshalb, diese Umsatzsteuer. die so lange besteht, die für den Bundesetat eine so große


(Dr. Bertram)

Bedeutung hat und die — das ist doch außerordentlich wichtig — keinerlei preistreibende Wirkungen haben kann, weil sie nur von einem Teil der gewerblichen Wirtschaft getragen wird, weiter in Geltung sein zu lassen. Ich bitte Sie, dem Antrag der Zentrumsfraktion auf Fortgeltung dieser Umsatzsteuer dadurch zuzustimmen, daß Sie den Satz von 3 3/4 % auf 5 % erhöhen und damit das gleiche Verhältnis herstellen, wie es bisher gewesen ist, wo es 3 % und 3 3/4 % waren.

(Beifall beim Zentrum und in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114705500
Das Wort hat der Abgeordnete Schmücker.

Dr. Kurt Schmücker (CDU):
Rede ID: ID0114705600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Bertram hat einen Antrag hier begründet, der sich im wesentlichen mit dem im Umdruck Nr. 210 deckt. In dieser seiner Begründung hat er allerdings zum Teil andere Motive als die angegeben, die uns bewogen haben, unseren Albänderungsantrag zu stellen.
Schon im vergangenen Jahr haben wir die sogenannte Warenhaussteuer diskutiert; es kann daher im wesentlichen auf die damaligen Ausführungen zurückgegriffen werden. Aber in knappen Sätzen möchte ich doch noch einmal ganz kurz das Wichtigste herausstellen.
Daß die Umsatzsteuer roh ist, wissen wir. Wir möchten sie zu allen schlechten Prädikaten, die sie hier schon erhalten hat, auch noch als mittelstandsfeindlich bezeichnen. Denn die Behauptung über die Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer ist doch eine Theorie, die mit der Praxis nicht in Einklang zu bringen ist.

(Na! Na! rechts.)

Nehmen wir einmal einen Umsatz von 50 000 DM und einen Verdienst von 4000 DM. Ja, meine Damen und Herren, wenn einer 4000 DM verdient und muß jetzt 2000 DM Umsatzsteuer bezahlen, dann ist er doch ganz anders belastet als einer, der, sagen wir einmal, einen Gewinn von 100 000 DM hat und dafür eine noch so hohe Umsatzsteuer zahlen muß. Darüber hinaus kommt ja noch die Warenkalkulation hinzu. Ein Mann mit einem riesengroßen Warenlager kann ganz anders kalkulieren als jener kleine Kaufmann auf dem Lande, der mit jeder Ware, die liegenbleibt, die Umsatzsteuer auch noch persönlich trägt. Ich möchte also sagen, daß für die unteren Einkommensstufen im Einzelhandel die Umsatzsteuer, zum großen Teil zumindest, eine persönliche Last ist.
Trotzdem müssen wir die Umsatzsteuer hinnehmen, das wissen wir. Aber wir möchten doch bei aller Roheit oder Grobheit dieses Systems doch der Gerechtigkeit möglichst nahekommen. Das kann nur heißen, daß wir vom Erzeuger bis zum Verbraucher eine möglichst gleiche Besteuerung haben. Hierin unterscheide ich mich wohl vom Herrn Kollegen Bertram; denn ich bin der Auffassung, daß trotz aller Statistiken und Veröffentlichungen die Warenhäuser und, sagen wir, die Umsatzmillionäre, einen kürzeren Weg als die Einzelhändler haben. Den Warenhäusern sind durch den größeren Einkauf ganz andere Möglichkeiten gegeben; sie zahlen praktisch weniger Umsatzsteuer als der Einzelhändler, der nur einen kleinen Laden hat. So dürfen wir mit Fug und Recht behaupten, daß der Fortfall dieser sogenannten Warenhaussteuer eine Begünstigung für die Umsatzmillionäre sein würde.
Meine Damen und Herren, ich sagte vorhin schon, daß wir eine möglichst gleiche Besteuerung vom Erzeuger bis zum Verbraucher 'haben möchten. Deshalb müssen wir auch zu dem § 8 ein paar Worte sagen. Wir sind sehr damit einverstanden, daß eine Phasenbesteuerung oder so etwas Ähnliches kommt; eine Produktionsbesteuerung, wenn sie in vernünftigem Rahmen bleibt. Aber diese Möglichkeiten sind ja noch nicht ausgeschöpft. Solange diese Besteuerungsarten nicht da sind, muß man uns schon zugute halten, daß wir die alten Vorschriften gern in Kraft behalten möchten. Wenn die Möglichkeiten des § 8 ausgeschöpft werden, dann sind wir gern bereit, auf unseren Antrag zu verzichten. Jetzt müssen wir erreichen, daß eine möglichst gerechte Lösung gefunden wird. Die liegt eben darin, daß man die bei den großen Betrieben nicht erfolgte Umsatzbesteuerung dadurch aufholt, daß man die Umsatzsteuer für sie erhöht. Aus diesem Grunde, weil wir ganz genau wissen, daß nicht alle Waren eine Stufe übersprungen haben, sind wir auf eine Erhöhung von nur 3/4 % gekommen. Ebenso wie auch der Herr Kollege Bertram haben wir die sogenannten sozial kalkulierten Lebensmittel aus dem Antrag herausgelassen.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß diese Argumente und die Ausführungen des Kollegen Bertram Sie doch veranlassen sollten, bei der bisherigen Art der Regelung zu bleiben. Wenn das Gesagte nicht genügt, dann möchte ich hinzufügen, daß es doch ein recht merkwürdiges Bild gibt, wenn Sie den Großunternehmern eine Steuererleichterung gewähren zu einer Zeit, da wir Geld suchen; jenen Großunternehmern, die Straßen aufkaufen, die immer neue Häuser bauen, während sich draußen auf dem Lande der kleine Unternehmer abmüht, sein Geschäft hochzuhalten. Er kann es nur, weil die ganze Familie mithilft und weil er seine Freizeit noch auf dem Acker verbringt.
Meine Damen und Herren! Es ist selten, daß der Mittelstand von diesem Hause etwas geschenkt bekommt — „geschenkt" ist vielleicht zuviel gesagt —, aber es ist doch einmal notwendig, daß wir unsere Sorge, unsere Fürsorge für 'diesen Stand hier kundtun. Das können wir am besten, indem wir diesen Antrag annehmen.
Ein Wort noch zu der Verlautbarung des Einzelhandelsverbandes. Es ist mir bekannt, daß von diesem Verband ein anderer Standpunkt als von uns vertreten wird. Ich kann aber mit Fug und Recht behaupten und auf Grund von Erfahrungen versichern, daß draußen auf dem Lande die Einzelhändler in ihrer Mehrheit anders denken, als der Verband es bekanntgegeben hat.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Ich bitte Sie nochmals, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.

(Bravo! bei der CDU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114705700
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0114705800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage hatte vorgesehen, daß sich der künftige Steuersatz auch beim Großhandel, also bei Warenhäusern und Konsumvereinen, nur auf 4 %
5862 Deutscher Bundestag — 147, Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1951

(Bundesfinanzminister Schiffer)

und nicht. darüber hinaus erhöhen solle. In der Regierungsbegründung war schon .dargelegt, warum dies erfolgen muß. Es war dargelegt, daß es erfolgen soll, um eine preisregulierende Wirkung gerade dieser Einrichtungen herbeizuführen und damit die Gefahr. einer Übersteigerung in der Preisbildung zu verhindern, die aus dem Steuersatz erwachsen könnte.

(Zuruf rechts: Deshalb lehnen wir den Antrag ab!)

Ich habe in den Ausschußberatungen darauf hingewiesen, die Regierungsvorlage erscheine um so mehr begründet, als ja die Regierung beabsichtige, von der ihr gegebenen Ermächtigung im § 8 des Umsatzsteuergesetzes Gebrauch zu machen, also daß sie daran denkt, daß bei den fabrikmäßig hergestellten Waren in dem Augenblick, in dem diese das Fabriktor verlassen, eine Umsatzsteuer anfällt, auch wenn sie dann im Einzelhandel desselben Eigentümers an den Verbraucher abgesetzt werden. Das ist der Grundgedanke.
Der Antrag des Zentrums enthält in Ziffer 1 einen Abänderungsantrag zu § 7 Abs. 4 und in Ziffer 2 einen Abänderungsantrag zu § 8. Ich darf bemerken, daß der Abänderungsantrag zu § 8, der in seiner ganzen Formulierung im inneren Zusammenhang steht, ein Programm darstellt, aber in dieser Formulierung unmöglich in ein Gesetz aufgenommen werden könnte, weil ein Gesetz klare, für die Verwaltung vollziehbare Begriffe voraussetzt. Aber es ist hier in dem Abänderungsantrag der sachliche innere Zusammenhang gesehen.
Nun muß ich sagen: Ich habe mich im Vorjahr seinerzeit gegen die Bestimmung gewandt, daß damals unter den Verhältnissen, wie sie damals lagen, der Satz herabgesetzt werden sollte. Unter den Verhältnissen, wie sie heute bei der Umsatzsteuer liegen, und insbesondere angesichts des Umstandes, daß die Bundesregierung daran denken muß, von dem §3 des Umsatzsteuergesetzes Gebrauch zu machen, und vielleicht daran denken muß, nachdem in der Fachpresse ja schon darüber geschrieben wird, ob sich die steuerliche Begünstigung der Warenrückvergütungen in dem Maße, in dem sie besteht, halten läßt oder revisionsbedürftig ist, muß ich sagen:. Eine Erhöhung des Steuersatzes, die logisch nicht auf 4 3/4, sondern auf 5 % lauten müßte, und die Anwendung der Ermächtigung nach § 8 und eine etwaige Überprüfung der Bestimmungen über die Warenrückvergütungen erscheinen mir zuviel.
Der Bundesfinanzminister ist erfreut, wenn ihm aus der Mitte dieses Hauses eine Anregung gegeben wird, die eine Steuererhöhung bringt,

(Zuruf rechts: Kommt selten genug vor!)

und insofern verstehen Sie es, wenn ich an sich jedem Antrag, der eine neue Steuerquelle eröffnet, gern zustimmen möchte. Ich kann es aber unter diesen Umständen nicht unterlassen, auf die Bedenken hinzuweisen, die darin bestehen, daß von der Ermächtigung des § 8 Gebrauch gemacht werden soll. Wenn dieser Antrag heute angenommen würde, fürchte ich, daß der Regierung Schwierigkeiten erwachsen, wenn sie von der Ermächtigung des § 8 wirklich Gebrauch machen will. Wenn Sie mich fragen, welche Bestimmung ich für wirkungsvoller halte, dann muß ich erklären: Ich halte die
Anwendung der Ermächtigung des § 8 des Umsatzsteuergesetzes für das wirkungsvollere.

(Abg. Neuburger: Und ausreichend!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114705900
Das Wort hat der Abgeordnete. Pelster.

(Abg. Pelster: Ich verzichte!)

— Keine weiteren Wortmeldungen. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen, zunächst über den Antrag des Zentrums, der am weitesten geht. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun abstimmen über den Antrag Schmücker und Genossen Umdruck Nr. 210. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mohrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse nunmehr abstimmen über die Ziffer 4, Ausschußfassung. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe!-
Angenommen.
Ich rufe auf Ziffer 5. Hier ist ein Antrag der SPD angekündigt, Umdruck Nr. 169 Ziffer 3.
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Koch.

(Abg. Dr. Koch: Der Antrag entfällt; nachdem Ziffer 1 unseres Antrags abgelehnt ist!)

Dann lasse ich, wenn keine weiteren Wortmeldungen erfolgen, über Ziffer 5 abstimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0114706000
In der Ausschußberatung ist in Ziffer 5 ein Satz eingefügt worden, der sich auf die Bestimmung bezieht, die augenblicklich in der zweiten Losung gestrichen worden ist. Es wird also vorerst wohl notwendig sein, die Fassung der Regierungsverlage wiederherzustellen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114706100
Kein Antrag aus dem Hause? — Dann lasse ich abstimmen über Ziffer 5. — Herr Abgeordneter Neuburger!

(Zuruf links: Wir sind doch in der Abstimmung!)


August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0114706200
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde dann den Antrag stellen, hinsichtlich der Ziffer 5 die Fassung der Regierungsvorlage wiederherzustellen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114706300
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Koch.

Dr. Harald Koch (SPD):
Rede ID: ID0114706400
Meine Damen und Herren! Die Wiederherstellung der Regierungsvorlage würde uns auch nichts helfen. Wir würden damit in des eben von Ihnen beschlossene Gesetz nur einen Fehler hineinarbeiten, weil von einem Abs. 2 Ziffer 2 die Rede ist, den Sie abgelehnt haben.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114706500
Sie stellen keinen Antrag?

(Abg. Dr. Koch: Nein!)

Am weitesten geht der Antrag des Abgeordneten Neuburger. Ich lasse über den Antrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; der


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Antrag ist angenommen. Damit ist Ziffer 5 in der eben festgestellten Fassung, d. h. in der Fassung der Regierungsvorlage, beschlossen.
Es liegt sodann ein Antrag des Zentrums vor, eine Ziffer 5 a einzufügen. — Ist das nicht erledigt, Herr Kollege Bertram? Ihr Antrag Ziffer 2 ist doch erledigt?

(Zustimmung in der Mitte.)

— Nach den bisherigen Abstimmungen müßte er erledigt sein. —

(Zuruf von der Mitte.)

— Es ist kein Umdruck, es ist ein handschriftlicher Antrag. Der ist doch nach Ablehnung der Ziffer 1 erledigt?

(Abg. Dr. Bertram: Nein!)

— Nicht? (Abg. Dr. Bertram: Hat nichts damit zu tun!)

— Hat nichts damit zu tun? — Nun dann, bitte, Herr Abgeordneter Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0114706600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben zu Ziffer 8 des Umsatzsteuergesetzes einen Antrag vorgelegt, der in seinem Abs. 1 vorsieht, daß es statt der Worte „Der Bundesfinanzminister kann eine Belastung der mehrstufigen Betriebe herbeiführen" heißen soll: „Der Bundesminister der Finanzen hat Maßnahmen zum Ausgleich der verschiedenen Umsatzsteuerbelastung der einstufigen und der mehrstufigen Unternehmen zu treffen".
Durch die Abstimmung, die eben hier vorgenommen worden ist, ist die zusätzliche Belastung von mehrstufigen Unternehmen, die in der Form einer einzigen juristischen Person geführt werden, gefallen, was den Sektor des Einzelhandels anbetrifft. § 8 des Umsatzsteuergesetzes hat schon immer — früher dem Reichsfinanzminister bzw. jetzt dem Bundesfinanzminister — die Möglichkeit gegeben, mehrstufige Betriebe mit mehrfacher Umsatzsteuer zu belasten. Von dieser Möglichkeit ist nur bei den Spinnwebern Gebrauch gemacht worden, bei allen übrigen Betrieben dagegen nicht. Wenn beispielsweise ein Stahlwerk eine eigene Drahtzieherei hat und ihren Walzdraht an ihre eigene Drahtzieherei liefert, wenn sodann die Drahtzieherei die Drähte an ein eigenes Drahtverarbeitungswerk eine Drahtflechterei, liefert und es von dort dann an einen eigenen Großhändler weitergeht, so brauchen alle diese Umsätze nicht umsatzsteuerlich belastet zu werden. Vollziehen sich die gleichen Lieferungen aber durch Umsatz an vier selbständige Firmen, dann zahlen diese vier selbständigen Firmen viermal 4 % Umsatzsteuer; d. h. Sie können nicht sagen: 16 %, weil natürlich die Umsatzsteuerbelastung in der ersten Stufe wesentlich geringer ist als 4 % des Endwertes der gesamten Produktionskette. Aber bei einem vierfachen Umsatz ist eine zusätzliche Umsatzsteuervorbelastung der selbständigen Betriebe gegenüber den Konzernen von 11 % bereits gegeben. Diese Umsatzsteuervorbelastung hat nichts mit einer echten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu tun, sondern sie stellt nichts anderes dar als ein Geschenk des Staates an die Konzerne. Dieses Geschenk des Staates soll nach § 8 des Umsatzsteuergesetzes beseitigt werden. Bisher war dies eine Kann-Vorschrift, und die zahlreichen Finanzminister, die wir bisher gehabt haben, haben von dieser Vorschrift keinen Gebrauch gemacht.

(Zuruf von der Mitte: Wir haben bis jetzt nur einen!)

— Ich sage doch nicht, daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer bisher keinen Gebrauch davon gemacht hat, sondern ich sage: alle seine Vorgänger im Amt haben von dieser Bestimmung nur Gebrauch gemacht

(erneute Zurufe)'

bezüglich der Spinnweber. Daraus kann man schließen, daß sie der Bundesfinanzverwaltung tatsächlich recht wenig sympathisch ist.
Nun hat der Bundesfinanzminister eben erklärt, er beabsichtige, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten oder entsprechende Verordnungen zu erlassen, aber, wenn ich ihn richtig verstanden habe, nur dann, wenn die Ware das Fabriktor verläßt und über den Handel abgesetzt wird. Das trifft also nicht den Fall, daß mehrere Verarbeitungsbetriebe hintereinandergeschaltet werden, wie ,es beispielsweise bei den Spinnwebern der Fall ist. Der Fall der Spinnweber würde nach der Auskunft, die der Bundesfinanzminister eben gegeben hat, gar nicht getroffen werden. Deshalb haben wir, um diese Frage einmal zu klären, die Formulierung vorgesehen: Der Bundesminister der Finanzen hat entsprechende Maßnahmen zu treffen. Das ist ein gesetzlicher Befehl. Ich bitte Sie daher, diesem Antrag zuzustimmen.
Wir haben ferner in den Absätzen 2, 3 und 4 unseres Antrages Einzelheiten dargelegt. In Abs. 2 haben wir vorgeschlagen, daß die einzelnen innerbetrieblichen Produktionsstufen von der Grundstofferzeugung bis zur Fertigwarenindustrie der Umsatzsteuer unterliegen sollen, soweit ein- und mehrstufige Betriebe in Wettbewerb stehen.
Endlich Abs. 3:
Unternehmungen, die im eigenen Unternehmen
erzeugte Waren an Einzelhandeisverkaufsstellen
oder an nichtgewerbliche Letztverbraucher abgeben, haben die für die Umsätze in Betracht
kommenden Steuersätze gemäß § 7 Umsatzsteuergesetz zu zahlen. Das Nähere regelt der
Bundesfinanzminister durch Rechtsverordnung. Wenn wir diesen Antrag annehmen, dann haben wir erreicht, daß durch die Steuer eine wirtschaftliche Gleichbehandlung wirtschaftlich gleicher Vorgänge herbeigeführt wird. Jetzt werden wirtschaftlich gleiche Vorgänge durch die Steuer ungleichartig belastet, und die Konzerne erhalten hier durch die Steuer eine außerordentliche Begünstigung. Die Steuer ist nicht dafür da, die Wettbewerbsbedingungen zu verschieben, sondern sie muß gleiche Startbedingungen für alle am Wirtschaftsleben Teilnehmenden schaffen. Das ist letzten Endes das Ziel unseres Antrages.
Ich bitte, unserm Antrag zuzustimmen.

(Abg. Dr. Wuermeling: Konnte man das nicht kürzer sagen?!)

— Ich weiß nicht, ob. Sie das, wenn ich es kürzer gesagt hätte, verstanden hätten.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114706700
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0114706800
Meine Damen und Herren! Der Antrag enthält vier Ziffern. Die Ziffer 1 will die Worte „Der Bundesfinanzminister ist ermächtigt", wie es jetzt im Gesetz heißt, durch die Worte ersetzt haben: „Der Bundesfinanzminister hat ...". Diesen Antrag halte ich deshalb für überflüssig, weil ich im Ausschuß bereits die Erklärung abgegeben habe, daß die Bundesregierung möglichst gleichzeitig mit der Ver-


(Bundesfinanzminister Schiffer)

kündung dieses Gesetzes die Maßnahmen treffen wird. So wie die Vorarbeiten gediehen sind, hoffe ich, daß diese Durchführungsverordnung noch bestimmt vor den Parlamentsferien ergangen und Ihnen infolgedessen auch bekannt sein wird. Der Antrag: „Der Bundesfinanzminister hat . . ." kann aber Gefahren mit sich bringen,

(Sehr richtig! in der Mitte)

weil es möglich ist, daß dann Interessentenkreise aus Konkurrenzgründen heraus .den Finanzminister unter Berufung auf eine gesetzliche Pflicht zu Maßnahmen zwingen wollen, die vielleicht im Allgemeininteresse nicht wünschenswert sind.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Die Anträge unter den Ziffern 2, 3 und 4 wären vielleicht geeignet, Gegenstand einer Entschließung zu sein, sind aber in ihrer Formulierung als Gesetzestext unmöglich.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wenn es in dem Antrage heißt:
Die einzelnen innerbetrieblichen Produktionsstufen von der Grundstofferzeugung zur Fertigwarenindustrie unterliegen der Umsatzsteuer, soweit ein- und mehrstufige Betriebe in Wettbewerb stehen,
so frage ich: Was soll der einzelne Steuerinspektor mit dieser Bestimmung anfangen?

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Er kann das unmöglich nachprüfen. Man kann der Regierung gegenüber einen Antrag stellen, einen Wunsch aussprechen, nach diesem Grundsatz Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach diesem Wortlaut kann ich aber unmöglich ein Gesetz formulieren. Ebenso ist es mit den Ziffern 3 und 4.
Ich betrachte also den Antrag in Ziffer 1 insofern als gegenstandslos, da die Regierung den Willen dazu schon ausgesprochen hat.
Die Ziffern 2, 3 und 4 sind von der Bundesregierung zur Kenntnis genommen. Sie werden bei der Rechtsverordnung, soweit möglich, berücksichtigt werden. Eine Gesetzesänderung in dem vorgeschlagenen Wortlaut halte ich aber technisch für undurchführbar.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114706900
Keine weiteren Wortmeldungen?

(Zuruf des Abg. Dr. Bertram.) — Abgeordneter Bertram hat das Wort.


Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0114707000
Ich bitte um abschnittweise Abstimmung.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114707100
Ich lasse zunächst über Abs. 1 des Abänderungsantrages abstimmen: „Der Bundesminister der Finanzen hat Maßnahmen zu treffen ...". Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Abs. 2:
Die einzelnen innerbetrieblichen Produktionsstufen von -der Grundstofferzeugung zur Fertigwarenindustrie unterliegen der Umsatzsteuer, soweit ein- und mehrstufige Betriebe in Wettbewerb stehen.
Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Abs. 3:
Unternehmer, die im eigenen Unternehmen erzeugte Waren an
a) Einzelhandelsverkaufsstellen
b) an nichtgewerbliche Letztverbraucher abgeben, haben die für die Umsätze in Betracht kommenden Steuersätze gemäß § 7 Abs. 1, 2 und 3 zu zahlen.
Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das ist die Mehrheit; abgelehnt.
Abs. 4:
Das Nähere regelt der Bundesfinanzminister durch Rechtsverordnung,
ist damit gegenstandslos. Ich brauche darüber nicht abstimmen zu lassen. Damit brauche ich wohl auch nicht mehr über den Antrag im ganzen abstimmen zu lassen. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Ziffer 6. — Keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ziffer 7, Antrag der FDP Umdruck Nr. 211. Das Wort hat der Abgeordnete Wellhausen.

Dr. Hans Wellhausen (FDP):
Rede ID: ID0114707200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich als Berichterstatter vorhin erwähnt habe, daß im Ausschuß teilweise die Ansicht vertreten worden ist, wirtschaftlich berechtigten Interessen einzelner Wirtschaftsgruppen dadurch Rechnung zu tragen, daß man Sonderregelungen für die Besteuerung von Organumsätzen zuläßt, so möchte ich für meine politischen Freunde jetzt darauf hinweisen, daß wir mit dem Antrag, den wir unter Umdruck Nr. 211 eingebracht haben, die Möglichkeit hierzu geben wollen. Der Antrag spricht von begründeten Einzelfällen. Er spricht von einzelnen Unternehmen, und er spricht von Gruppen von Unternehmen. Es kann nicht gut bezweifelt werden, daß bei der bevorstehenden und zum Teil in Gang befindlichen Dekartellisierung schon Bedürfnisse entstehen können, von der Begünstigung Gebrauch zu machen, die uns nur durch das Kontrollratsgesetz zerschlagen worden ist. Dennoch hat der Ausschuß in seiner Mehrheit die generelle Einführung dieser Steuerbegünstigung nicht für gut befunden. Wir wollen sie auch mit unserem Antrag nicht wieder herbeiführen. Wir wollen nur dem Gedanken, der in der Begründung zur Regierungsvorlage sehr eindeutig und meines Erachtens auch überzeugend vorgetragen ist, Rechnung tragen, daß man nämlich dadurch, daß eine solche Möglichkeit, vom Kontrollratsgesetz abzuweichen, nicht besteht, die Unternehmen geradezu zu Fusionen hindrängt, und dies Hindrängen zu Fusionen will ja, glaube ich, in diesem Hause überhaupt niemand.
Dieser sehr eingeschränkte Zweck liegt unserem Antrag zugrunde, und ich bitte Sie, ihm zuzustimmen, wobei ich darauf aufmerksam machen muß, daß sich in dem Umdruck ein Schreibfehler findet. Es darf in der dritten Zeile nicht heißen: „wenn die wirtschaftlichen und organischen . . .", sondern es muß heißen: „organisatorischen Verhältnisse es erfordern."

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114707300
Das Wort hat der Abgeordnete Lausen.

Willi Lausen (SPD):
Rede ID: ID0114707400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ist bereit, dem Antrage des Herrn Kollegen Dr. Wellhausen zuzustimmen, aber unter einer Voraussetzung: daß uns der Herr Bundesfinanzminister hier bestätigt, daß er dann, wenn er von dieser Ermächtigung Gebrauch machen will, zuvor den Finanz- und Steuerausschuß hört.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114707500
Das Wort hat der Herr Finanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0114707600
Ich bin gern bereit, dem ausgesprochenen Wunsch Rechnung zu tragen.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114707700
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Aussprache und lasse abstimmen. Wer für den Antrag Umdruck Nr. 211 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Nun lasse ich über die Ziffer 7 in der nunmehrigen Fassung abstimmen. Wer für ihre Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe nunmehr, nachdem § 1 erledigt ist, auf: § 1 a, § 2.

(Abg. Neuburger: Zu § 2 habe ich einen Abänderungsantrag!)

Zu § 2 hat das Wort der Abgeordnete Neuburger.

August Neuburger (CDU):
Rede ID: ID0114707800
In § 2 ist in Abs. 1 das Datum „1. Juni" in „1. Juli", in Abs. 2 das Datum „31. Mai" in „30. Juni" abzuändern.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114707900
Keine Bedenken? — Nun, ich lasse der Vorsicht halber zunächst über diesen Abänderungsantrag zu § 2 abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nun lasse ich abstimmen über § 1 a und § 2. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! Angenommen.
Ich rufe auf Abschnitt II, § 3, — § 4. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Gegenprobe! — Angenommen.
Die sozialdemokratische Fraktion hat einen Zusatzantrag — Umdruck Nr. 169 Ziffer 4 — eingebracht. Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Brandt.

Willy Brandt (SPD):
Rede ID: ID0114708000
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat mit Umdruck Nr. 169 Ziffer 4 die Einbeziehung Berlins vorgeschlagen. Ich darf bei dieser Gelegenheit auf die Begründung verweisen, die dem Hohen Hause bei der Beratung über das Einkommensteuergesetz vorgetragen worden ist; ich möchte mir eine Wiederholung ersparen, nur zum Ausdruck bringen, daß meine politischen Freunde und ich aus übergeordneten politischen Gründen der Meinung sind, daß das Land Berlin in die bundesgesetzlichen Regelungen auch dann einbezogen werden sollte, wenn im einzelnen gegen den materiellen Inhalt der in Frage stehenden Regelung schwerwiegende Bedenken geltend zu machen sind.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114708100
Keine weiteren Wortmeldungen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen eine Stimme angenommen.
Dann rufe ich auf Abschnitt III, § 5, — Einleitung und Überschrift. Keine Wortmeldungen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Darf ich bitten, die Abstimmung zu wiederholen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war die Mehrheit; angenommen.
Damit ist die zweite Beratung abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe auf den nachträglich auf die Tagesordnung gesetzten Punkt:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betreffend Genehmigung zur Verhaftung des Abgeordneten Hedler gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 5. Juni 1951 (Nr. 2302 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Gengler als Berichterstatter.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0114708200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Deutsche Bundestag hat sich bereits in seinen Sitzungen vom 16. Dezember 1949 und 10. Januar 1951 mit der Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Hedler beschäftigt. In Sachen der Durchführung des Strafverfahrens lag nun dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ein Antrag des Oberstaatsanwalts Kiel vom 4. Juni 1951 vor, der über den Landesminister für Justiz von Schleswig-Holstein und den Bundesminister der Justiz an den Bundestag gelangt ist. Der Oberstaatsanwalt in Kiel ersucht den Bundestag, darüber zu entscheiden, ob die Genehmigung zur Vorführung bzw. zum Erlaß eines Haftbefehls gegen den Herrn Abgeordneten Hedler erteilt wird. Diesem Ersuchen liegt folgender Sachverhalt zugrunde.
Zu einem Strafverfahren gegen den Abgeordneten Hedler wegen Beleidigung und anderem war die Immunität durch Beschluß des Deutschen Bundestages vom 16. Dezember 1949 und 10. Januar 1951 aufgehoben worden. Nachdem der Abgeordnete Hedler in erster Instanz freigesprochen war, hat das Revisionsgericht das freisprechende Urteil des erstinstanzlichen Gerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Kiel zurückverwiesen. Im Termin zur Hauptverhandlung am 4. Juni 1951 war der Angeklagte Hedler erschienen. Nachdem sein Antrag, das ganze Gericht wegen Befangenheit abzulehnen, als unzulässig verworfen wurde, lehnte der Angeklagte Hedler den Vorsitzenden des Gerichts wiederum ohne nähere Begründung als befangen ab. Während sich das Gericht über den Antrag des Angeklagten beriet, verschwand Herr Hedler kurz nach 11 Uhr aus dem Gerichtsgebäude, ohne das Gericht oder seinen Verteidiger hierüber in Kenntnis zu setzen oder die Gründe für sein Verhalten bekanntzugeben.
Nachdem die Verhandlung bis 13 Uhr ausgesetzt worden war und der Angeklagte nicht wieder erschien, wurde die Verhandlung bis zum 5. Juni 1951, 9 Uhr 30, unterbrochen. Zu diesem Termin erschien der Abgeordnete Hedler wieder nicht. Da das Verhalten des Angeklagten den Verdacht begründet, daß er sich weiterhin oder erneut der Verhandlung entziehen wird, erscheint dem Gericht der Erlaß eines Haftbefehls gegen ihn geboten.
Zu diesem Antrag ist zu bemerken, daß es nicht Aufgabe des Deutschen Bundestags ist, die Voraussetzungen zum Erlaß eines Haftbefehls zu prüfen. Dies ist Sache des Gerichts. Dem Gericht obliegt die Entscheidung über die Durchführung des Verfahrens und die Anwendung strafprozessualer Maßnahmen. Dagegen kann der Angeklagte die prozessual zulässigen Einwände erheben. Aufgabe des Bundestags ist es, den Weg zu einem ge-


(Gengler)

ordneten Verfahren im Rahmen der für alle Staatsbürger gültigen Gesetze freizumachen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es handelt sich hier nicht um die Sonderbehandlung eines Abgeordneten, sondern um die Gleichbehandlung des Abgeordneten mit jedem Staatsbürger.
Es ist unzulässig, daß ein Abgeordneter sich selbstherrlich der Vernehmung entzieht und das Gericht aufsitzen läßt. Das entspricht weder der Würde und der Verantwortung des Abgeordneten noch dem Ansehen des Deutschen Bundestags. In einem solchen Verhalten liegt auch eine offensichtliche Mißachtung von Gericht und Gesetz, deren sich ein Abgeordneter nicht schuldig machen darf.
Beachtlich, meine Damen und Herren, sind bei dieser Gelegenheit auch die Kosten des Strafverfahrens. Bei diesem Strafverfahren sind etwa 90 Zeugen geladen, deren Zeit- und Kostenaufwand erheblich ist. Auch nach der Seite kann es nicht zugelassen werden, daß ein Angeklagter einfach davonläuft. Dabei — das darf ich feststellen — ist die Vernehmung eines Angeklagten eine gesetzliche Maßnahme zum Schutz des Angeklagten. Dem Angeklagten soll damit gesetzlich die Möglichkeit zur Verteidigung gegeben werden.
Wie bereits ausgeführt, liegt eine etwaige Verhaftung in der Zuständigkeit des Gerichts. Es handelt sich hierbei um keine Strafhaft. Dem Deutschen Bundestag obliegt nur — und ich wiederhole meine bereits getroffene Feststellung —, die für jeden Staatsbürger zulässigen strafprozessualen Maßnahmen zu ermöglichen.
Namens des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität stelle ich den auf Drucksache Nr. 2302 enthaltenen Antrag:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Hedler gemäß Beschluß des Bundestages vom 16. Dezember 1949 und 10. Januar 1951 wird dahingehend erweitert, daß die Genehmigung für alle strafprozessualen Maßnahmen einschließlich der Verhaftung gemäß Artikel 46 Absatz 2 des Grundgesetzes erteilt wird.
Ich beantrage Zustimmung zu diesem Ausschußantrag.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114708300
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und erteile das Wort dem Abgeordneten Hedler zur Abgabe einer Erklärung.

(Zuruf rechts: Es ist nicht üblich, in eigener Sache zu sprechen!)


Wolfgang Hedler (WAV):
Rede ID: ID0114708400
Das wäre nicht das erste Mal.

(Zuruf: Leider!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gesetzlichen Voraussetzungen zum Erlaß eines Haftbefehls bzw. eines Vorführungsbefehls liegen nicht vor, da ich bereit bin, mich in einem rechtmäßigen Verfahren zu stellen. Die trotzdem angestrengten, sehr intensiven Bemühungen interessierter Kreise, mich hinter Schloß und Riegel zu bringen, beweisen einmal mehr die bedenkenlose Bereitschaft, politische Gegensätze unter mißbräuchlicher Anwendung der Strafjustiz auszutragen.
Der Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz ist leider gerade in Fällen der Aufhebung der Immunität wiederholt mißachtet worden. Meine Immunität wurde jeweils in Windeseile aufgehoben. Die Immunität derjenigen, die mir gegenüber ihre politische Überzeugung mit Fäusten und Stiefelspitzen unter Erfüllung des Tatbestandes der schweren Körperverletzung äußerten, blieb unberührt. Ich habe nicht die Absicht, mich meinen Richtern zu. entziehen, sondern bin darüber hinaus selbst daran interessiert, die offenkundig entstellenden Behauptungen meiner politischen Gegner unter Beweis zu stellen.
Bei Durchführung des Verfahrens müssen allerdings Recht und Gesetz respektiert werden. Bisher bin ich aus folgenden Gründen nicht vor Gericht erschienen bzw. habe ich das Gericht verlassen.
Die 4. Strafkammer des Landgerichts in Kiel, vor der ich freigesprochen und an die die Sache rückverwiesen worden war, ist durch den damaligen SPD-Justizminister Dr. Katz vor Ablauf des Geschäftsjahres aufgelöst worden. Diese Auflösung verstößt gegen das Gerichtsverfassungsgesetz und ist daher rechtsunwirksam. Zur Zeit der Aufhebung der 4. Strafkammer war das Verfahren wegen angeblicher Beleidigung des SPD-Abgeordneten von Knoeringen noch bei der Strafkammer in Neumünster anhängig. Durch die Auflösungsanordnung ist also ein bei der 4. Strafkammer anhängiges Verfahren der Kammer durch einen rechtswidrigen Verwaltungsakt entzogen worden. Mein Verteidiger wird sein Mandat niederlegen, wenn nicht vor Durchführung des Prozesses gegen mich die Hintergründe der Aufhebung der 4. Strafkammer geklärt sind. Er erklärte mir heute telefonisch, daß damals unter dem Justizminister Dr. Katz von der Aufhebung der „HedlerKammer" — der man ja Rechtsbeugung vorgeworfen hat — gesprochen worden ist. Es ist ein in der Justiz einmaliger Vorgang, daß eine Strafkammer im laufenden Geschäftsjahr binnen 14 Tagen aufgelöst wird. Im schleswig-holsteinischen Landtag ist die Bildung eines Untersuchungsausschusses über die Gründe der Auflösung der 4. Strafkammer und die eidliche Vernehmung des Generalstaatsanwalts, des Oberlandesgerichtspräsidenten, einiger Regierungsangestellter sowie des ehemaligen Justizministers Katz beantragt worden.

(Zuruf von der SPD: Und das alles wegen Dir!)

— Ja, meine Schuld ist es nicht! — Zu Beginn des Geschäftsjahres war bezeichnenderweise der Vorsitzende der jetzigen Strafkammer noch nicht benannt. Der inzwischen ernannte Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Kehl, ist gleichzeitig noch Vorsitzender der 9. Zivilkammer, bei der er sich für die Dauer dieses Prozesses lediglich vertreten läßt.
Solange man versucht, mich durch rechtswidrige Verwaltungsmanipulationen meinen gesetzlichen Richtern zu entziehen, ist es um den Rechtsstaat traurig bestellt.

(Beifall rechts. — Lachen und Zurufe links.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114708500
Das Wort hat der Abgeordnete Gengler als Berichterstatter.

Karl Gengler (CDU):
Rede ID: ID0114708600
Meine Damen und Herren! Nachdem der Herr Abgeordnete Hedler entgegen dem parlamentarischen Brauch

(Zuruf rechts: Seit wann?)

in seiner eigenen Angelegenheit hier das Wort ergriffen hat, bin ich als Berichterstatter veranlaßt, noch eine Ergänzung zu geben, und zwar zu der vom Herrn Abgeordneten Hedler vorgetragenen Hauptfrage der Aufhebung der 4. Strafkammer.


(Gengler)

Dem Ausschuß liegen zwei Berichte vor, und zwar einmal ein Bericht des Bundesjustizministeriums vom 6. Juni 1951 mit einer Mitteilung des Herrn Ersten Staatsanwalts Wiese vom Justizministerium Schleswig-Holstein in Kiel. Darin wird vom Justizministerium Schleswig-Holstein amtlich mitgeteilt:
Die 4. Strafkammer des Landgerichts in Kiel mit dem Sitz in Neumünster ist am 14. Januar 1948 eingerichtet worden. Die Einrichtung wurde formell damit begründet, daß die Verkehrsverbindungen nach Kiel in der damaligen Zeit außerordentlich schlecht waren

(Zuruf rechts: Großartig!)

und das Landgerichtsgebäude in Kiel noch nicht wiederhergestellt war, so daß erhebliche Raumschwierigkeiten bestanden, die Gerichte in Kiel unterzubringen. Mit Bericht vorn 15. März 1950 hat der Landgerichtspräsident in Kiel die Aufhebung der 4. Strafkammer in Neumünster beantragt mit der Begründung, daß jetzt kein Bedürfnis mehr bestände die detachierte Strafkammer in Neumünster zu belassen, weil inzwischen sowohl die Verkehrsschwierigkeiten wie auch. die Raumschwierigkeiten behoben worden seien.

(Zuruf rechts: Das ist sehr dünn!)

Sachlich kam noch hinzu, daß die Zahl der Wirtschaftsstrafsachen infolge Lockerung und späterer Aufhebung der Bewirtschaftung erheblich nachließ. Nachdem der Oberlandesgerichtspräsident in Schleswig den Antrag befürwortet hat, ist die 4. Strafkammer durch Erlaß des Justizministers des Landes Schleswig-Holstein vom 6. Juli 1950 mit Wirkung vom 1. August 1950 aufgelöst worden.
Daraus geht hervor, daß die Auflösung der Strafkammer bereits vor Ablauf des Gerichtsjahres erfolgt ist und deswegen ein Verstoß gegen das Gerichtsverfassungsgesetz bzw. die Strafprozeßordnung hier nicht festgestellt werden kann.
In dem Schreiben des Herrn Oberstaatsanwalts beim Landgericht Kiel wird im wesentlichen das gleiche festgestellt und noch bemerkt:
Es war deshalb, soweit mir bekannt ist, von dem Präsidium des Landgerichts in Kiel schon seit längerer Zeit, jedenfalls lange vor dem Revisionsverfahren Hedler in Erwägung gezogen worden, bei der nächsten Geschäftsverteilung die 4. Strafkammer in Neumünster nicht fortbestehen zu lassen. Nur aus diesen Gründen ist bei der Geschäftsverteilung im Jahre 1950 die Auflösung der 4. Strafkammer in Neumünster vorgenommen worden. Die neue Geschäftsverteilung erfolgte etwa 8 Tage vor dem Revisionstermin in der Sache Hedler, also zu einem Zeitpunkt, als dem Präsidium des Landgerichts die Entscheidung des Revisionsgerichtes
.— nämlich die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht in Kiel —
noch nicht bekannt sein konnte. (Hört! Hört! bei der SPD.)

Schon daraus geht hervor, daß die Strafsache gegen Hedler auf die Entscheidung des Präsidiums keinen Einfluß gehabt hat. Im Jahre 1951 ist sodann — die Aufhebung erfolgte bereits im Vorjahre — bei der erneuten Geschäftsverteilung wiederum von der Errichtung einer Strafkammer in
Neumünster aus den vorstehend dargelegten Gründen Abstand genommen worden. Eine 4. große Strafkammer besteht beim Landgericht in Kiel zur Zeit überhaupt nicht mehr. Die zur Zeit dort eingerichtete 4. kleine Strafkammer ist Berufungskammer. Ich füge das noch zur Ergänzung und Klärung der Angelegenheit hinzu.

(Hört! Hört! bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114708700
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114708800

(Abg. Dr. Mende: Zur Sache! Das gehört gar nicht dazu!)

— Ich komme nachher zur Sache, Herr Dr. Mende; verlassen Sie sich darauf!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114708900
Sie haben jetzt zur Sache zu kommen, Herr Abgeordneter!

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114709000
Ich spreche zur Sache, Herr Präsident!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114709100
Bisher nicht!

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114709200
Ich entsinne mich, daß man damals mit einer Eile, die wirklich erstaunlich war, zu dem Fall Stellung nahm, ja daß der Herr Präsident des Bundestages — der damalige Präsident —

(große Unruhe)

sich sofort an das Telephon hängte, um bei Herrn Dr. Katz anzufragen, ob nicht endlich ein Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Hedler eingelaufen wäre. Der Ausschuß, der sich seinerzeit mit dieser Angelegenheit zu beschäftigen hatte, erklärte durch seinen Berichterstatter Gengler, er bemängele es, daß die schleswig-holsteinische Regierung es unterlassen habe, den Tatbestand in der Zwischenzeit so aufzunehmen, wie es sonst in einem Untersuchungsverfahren üblich sei.

(Zuruf von der Mitte: Zur Sache!)

Erhebungen über den Tatbestand wurden als keineswegs ausreichend bezeichnet.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114709300
Herr Abgeordneter Richter,

(Zuruf von der Mitte: Wir brauchen keine Vorlesung!)

wir sprechen heute nicht über die vorausgegangene Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Hedler, sondern über den Antrag auf Genehmigung seiner Verhaftung.

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114709400
Ich komme darauf.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114709500
Nein, Sie haben jetzt dazu zu sprechen. Ich rufe Sie zur Sache.

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114709600
Ich werde zur Sache sprechen.


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114709700
Ich habe Sie zur Sache gerufen.

(Abg. Stücklein: Er soll seinen Kram vorlesen, wo er will!)


Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114709800
Was heißt „vorlesen, wo er will"? Ich würde Ihnen den guten Rat geben, einmal die Protokolle dieses Bundestages etwas genauer zu studieren. Dann würden Sie nicht einen so deplacierten Zwischenruf machen, wie Sie es eben getan haben.
Ich möchte Ihnen aber, ohne daß ich mich noch weiter auf die 25. Sitzung des Bundestages, die nachzulesen ich Ihnen sehr empfehlen würde,

(lebhafte Zurufe von der Mitte und von der SPD)

berufen muß, nur eines sagen: bei dieser Sitzung konnte man genau so wie heute erleben, daß dieses Hohe Haus von dem sonst als verbindlich angesehenen Grundsatz, daß ein Politikum nicht zur Aufhebung der Immunität führen darf, immer wieder dann abweicht, wenn es sich um Abgeordnete handelt, die der Mehrheit, die den großen Kollektivs dieses Hauses nicht passen.

(Zuruf von der Mitte: Kollektivs?)

— Ich habe gesagt „Kollektivs", wenn Sie es nicht verstanden haben sollten. Hinten hängt ein „s" dran, — zweites Schuljahr!

(Abg. Stücklen: Unverschämtheit, uns als Kollektivs zu bezeichnen!)

Noch ein Zweites! Man hat seit längerer Zeit in diesem Hause vernommen, daß die Kriminalbeamten draußen bereits auf den Augenblick warten, in dem dieses Haus die Genehmigung erteilt,

(große Unruhe)

den Abgeordneten Hedler aus der Mitte der vom deutschen Volk gewählten deutschen Bundestagsabgeordneten heraus zu verhaften.

(Andauernde Unruhe.)

Bitte, tun Sie das! Damit beweisen Sie nämlich nur das eine: daß Sie Recht und Unrecht nicht unterscheiden können.

(Lachen und Oho-Rufe in der Mitte.)

Sie haben das schon oft bei den Immunitätsdebatten bewiesen. Ausgesprochene Schläger, Menschen, die wegen gefährlicher Körperverletzung verklagt sind, werden ihrer Immunität nicht beraubt, wohl aber die, die Ihnen wegen politischer Äußerungen unangenehm sind.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114709900
Haben Sie mit dem Ausdruck „ausgesprochene Schläger" Mitglieder dieses Hauses bezeichnet?

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114710000
Ein Mitglied!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114710100
Dieser Ausdruck ist unparlamentarisch. Ich rufe Sie zur Ordnung und mache Sie darauf aufmerksam, daß Ihnen beim nächsten Ruf zur Sache oder zur Ordnung das Wort entzogen wird.

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114710200
Beim zweiten!

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114710300
Beim nächsten! Sie haben soeben den zweiten bekommen!

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0114710400
Ich möchte hierzu nur noch das eine sagen. Meine Damen und Herren, wir haben nichts dagegen, daß der HedlerProzeß durchgeführt wird. Ich glaube aber, daß
auch denen, gegen die der Vorwurf erhoben worden ist, Landesverräter zu sein — wobei noch gar nicht bewiesen ist, ob dieser Vorwurf wirklich von Hedler erhoben worden ist —, die Möglichkeit eingeräumt werden muß, nachzuweisen, daß sie es nicht gewesen sind; oder es muß ermöglicht werden, daß vor dem Gericht der Beweis dafür erbracht wird, daß sie es gewesen sind. Ich glaube, daß dann manche Partei vor der Wahl steht, sich entweder von ihren Leuten zu trennen oder hier im Bundestag ein pater peccavi zu sprechen. Wir sind durchaus in der Lage, einige Beweise für die nicht ganz einwandfreie Haltung gewisser in diesem Zusammenhang genannter politischer Persönlichkeiten zu bringen.

(Zuruf von der Mitte: Zur Sache!)

Aber ich möchte noch eines betonen. Es ist, wie mir mitgeteilt wurde — ich lasse mich sehr gern korrigieren —, der Antrag gestellt worden, daß die Immunität in dem heute erwähnten Fall Hedlers nur aufgehoben werden soll, wenn er zur nächsten Verhandlung nicht erscheint, und, Herr Dr. Mende — jetzt komme ich auf Sie zu sprechen —, es wurde mir mitgeteilt, Sie hätten dem widersprochen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das hier einmal begründeten; denn ich glaube, das ist sehr notwendig.
Darüber hinaus möchte ich noch eines gesagt haben. Nicht nur die Namen, .die hier zur Debatte stehen, sind von entscheidender Wichtigkeit. Nein, ich glaube, es müßte — und das möchte ich Ihnen sagen, meine Herren von der Sozialdemokratie — auch Herrn Dr. Grimme einmal daran gelegen sein, nachzuweisen, von wem er die 2 000 Mark bezogen hat, von denen ja in der letzten Zeit in der Presse genügend geredet worden ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114710500
Das Wort hat der Abgeordnete Frommhold.

Heinz Frommhold (DRP):
Rede ID: ID0114710600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube mit den meisten von Ihnen darin einig 2u gehen daß wir über die juristische Vorgeschichte des Falles, über den jetzt verhandelt werden soll, nicht so genau informiert sind, daß wir uns ein Urteil darüber bilden könnten. Ich darf in diesem Zusammenhang eines feststellen: Sie haben aus dem Munde des Abgeordneten Hedler selbst gehört, daß er nicht die Absicht hat, sich seinen Richtern zu entziehen.

(Große Unruhe.)

Des weiteren, meine Damen und Herren, steht fest, daß' der Abgeordnete Hedler sofort nach Erhalt der Anklageschrift und nach Bekanntwerden des angesetzten Termins durch seinen Anwalt den Antrag gestellt hat, die Verhandlung in die Zeit der Parlamentsferien zu legen.

(Abg. Stücklen: Wir vermissen ihn nicht!)

Ich glaube, daß dieser Antrag zum mindesten der Beachtung durch das Gericht wert gewesen wäre.
Ich darf Sie bitten, meine Damen und Herren, sine ira et studio, Ihrem Gewissen folgend, dem Antrag des Immunitätsausschusses, der einstimmig — das möchte ich bezweifeln — gefaßt worden ist, die Zustimmung zu verweigern.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114710700
Das Wort hat der Abgeordnete von Rechenberg.

Dr. Freiherr Hans Albrecht von Rechenberg (FDP):
Rede ID: ID0114710800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine sehr unangenehme Situation, daß dieses Haus die Ge-


(Dr. Freiherr von Rechenberg)

nehmigung dazu geben soll, eines seiner Mitglieder zu verhaften. Der Abgeordnete Hedler hat erklärt, er beabsichtige nicht, sich seinen Richtern zu entziehen.

(Zuruf des Abg. Renner. — Zuruf von der SPD: Hat er doch getan!)

Er ist auch darüber belehrt worden, daß die Behauptungen, die er als Gründe für die Ablehnung des Gerichts angegeben hat, nicht richtig sind; denn in der Tat ist diese vierte — oder weiß der Kuckuck, die wievielte Strafkammer schon längst vorher aufgelöst worden. Die Auflösung hat also nichts mit seinem Fall zu tun.
Ich bin der Meinung, wir sollten an den Abgeordneten Hedler hier die Frage richten, ob er bereit ist, sich zum nächsten Termin dem Gericht zu stellen. Wir brauchen dann einen solchen scheußlichen Antrag nicht anzunehmen.

(Zuruf des Abg. Renner.)

Wenn sich der Abgeordnete Hedler dazu verpflichtet, dann sollte nach meiner Meinung dieser Antrag zunächst zurückgestellt werden.

(Lebhafte Zurufe von der SPD. — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Wollen Sie etwas dagegen sagen? Das ist doch das einzig Anständige! — Zuruf links: Nicht so „vornehm"! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Vornehm in der Gesinnung sein, ist immer das Entscheidende, meine Herren! — Abg. Renner: Das ist eine Ausnahmeerscheinung bei Ihnen! — Abg. Dr. Freiherr von Rechenberg: Das verstehen Sie gar nicht!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114710900
Das Wort hat der Abgeordnete Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0114711000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hätte hier nicht zu dem Fall gesprochen, wenn mich der Herr Richter nicht um eine Auskunft ersucht hätte.
Vielleicht darf ich zunächst einen grundsätzlichen Irrtum des Herrn Richter berichtigen. Es ist hier im Hause bei Immunitätsangelegenheiten niemals über Recht oder Unrecht entschieden werden, Herr Richter. Das wäre eine materielle Würdigung, zu der das Parlament nicht berechtigt ist; sie ist einzig und allein Sache der ordentlichen Gerichte. Das Parlament hatte bei der Abwägung der Interessen lediglich zu entscheiden, ob das Interesse an der ungestörten Arbeit des Parlaments oder das Rechtsschutzinteresse des Verletzten den Vorrang haben solle. Die Frage der Aufhebung der Immunität, Herr Richter, ist eine reine Souveränitätsangelegenheit des Parlaments. Im Grunde genommen handelt es sich um eine Entscheidung darüber: legt das Parlament Wert auf die Anwesenheit eines Kollegen,

(Abg. Renner: Hört! Hört!)

oder gibt es die Strafverfolgung frei,

(erneute Rufe des Abg. Renner: Hört! Hört!)

weil es glaubt, das Rechtsschutzinteresse des Verletzten stehe höher als das Interesse an der ungestörten Arbeit des Parlaments und damit an der
Anwesenheit des betreffenden Abgeordneten. Es
ist also niemals über Recht oder Unrecht entschieden worden; das wäre verfassungswidrig. Ich muß
Sie, Herr Richter, in diesem Sinne berichtigen. Sollten Sie mit Rücksicht auf Ihre ungetrübte Sachkenntnis weitere Einzelheiten wissen wollen, dann
würde ich Ihnen empfehlen, als Abgeordneter die
Sitzungen des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität zu besuchen, was Sie bisher leider nicht getan haben.

(Zuruf des Abg. Dr. Richter [Niedersachsen].)

Zum zweiten! Sie haben mich daraufhin angesprochen, warum ich nicht für diesen Satz „sofern er nicht erscheint" plädiert habe, sondern sogar für die Streichung war. Es ist bisher weder im Reichstag der Weimarer Republik noch hier noch in einem Landtag die Aufhebung der Immunität unter einer suspensiven Bedingung erfolgt. Wenn Sie die Worte hinzugefügt hätten: „sofern er nicht erscheint", hätten Sie eine Bedingung gestellt. Das Parlament kann und darf das nicht; es hat lediglich mit Ja oder mit Nein über den Antrag auf Aufhebung der Immunität zu entscheiden. Es darf die Entscheidung nicht mit Bedingungen verknüpfen und damit der richterlichen Instanz gewisse Direktiven geben.

(Zuruf rechts.)

Lediglich aus diesem rein rechtlichen Grundsatz heraus habe ich für die Streichung dieses Satzes plädiert, und ich müßte es jetzt erst recht tun.

(Zustimmung in der Mitte und bei der FDP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114711100
Das Wort hat der Abgeordnete von Merkatz.

Dr. Hans-Joachim von Merkatz (CDU):
Rede ID: ID0114711200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich hier nicht in rechtstheoretischen Ausführungen ergehen, halte mich aber doch für verpflichtet, das Haus darauf aufmerksam zu machen, daß in diesem Falle, den ich ohne Ansehen der Person betrachte, ein sehr ernst zu nehmendes Präjudiz geschaffen wird. Mit Rücksicht hierauf — und ich beziehe mich auf die Ausführungen, die ich zur Begründung meiner Stellungnahme anläßlich des ersten Falles der Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Hedler gemacht habe — halte ich den Vorschlag des Herrn Kollegen von Rechenberg für den richtigen. Es handelt sich hier um die Entscheidung, ob die Würde des Hauses gebietet, die Verhaftung eines Abgeordneten zuzulassen. Die Zustimmung zur Verhaftung könnte nur dann erteilt werden, wenn diese als im Interesse des Hauses notwendig zu erachten wäre. Falls sich Herr Hedler nach Belehrung dem Gericht stellt, besteht kein Anlaß, eine solche Entscheidung zu treffen. Ich möchte mich mit dieser rein praktischen Feststellung und dem Vorschlage, wie ihn der Herr Kollege von Rechenberg gemacht hat, begnügen.

(Beifall rechts.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114711300
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich glaube nicht, daß es Sache des Präsidenten ist, in eine Vernehmung des Abgeordneten Hedler einzutreten, ob er bereit ist, diese Erklärung abzugeben oder nicht. Zum Wort gemeldet hat er sich nicht. — Der Abgeordnete Richter hat sich soeben zum Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0114711400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist zur Genüge ausgeführt worden, daß der Abgeordnete Hedler gar nicht daran denkt,

(Unruhe bei der SPD)

sich darum zu drücken, Rede und Antwort zu stehen. Ich glaube deshalb, daß der Antrag des Abgeordneten von Rechenberg unbedingt unterstützt werden muß.

(Zuruf von der SPD: Er sucht sich sein Gericht aus!)



Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114711500
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag des Immunitätsausschusses ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes (Nr. 1294 der Drucksachen); Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2250 der Drucksachen; Änderungsantrag Umdruck Nr. 201). (Erste Beratung: 84. und 88. Sitzung.)
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Serres als Berichterstatter.

(Unruhe.)

Ich bitte um Gehör für den Herrn Berichterstatter.

Dr. Günther Serres (CDU):
Rede ID: ID0114711600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl es sich bei dem vorliegenden Gesetz um eine umfangreiche und bedeutungsvolle Materie handelt, kann ich mich als Berichterstatter sehr kurz fassen. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen, der die Federführung für das Zolltarifgesetz hatte, hat, einer wiederholten Anregung des Herrn Präsidenten folgend, den' Berichterstatter beauftragt, einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Dieser Bericht ist Ihnen mit der Drucksache Nr. 2250 zugegangen. Er enthält zunächst in eingehenden Ausführungen die Vorgeschichte des heutigen Zolltarifgesetzes und im weiteren Verlauf die Einzelheiten über die Beschlüsse der Unterkommission Zolltarif, die vom Ausschuß für Außenhandelsfragen eingesetzt worden ist und deren Beschlüsse sich mit den Beschlüssen des Ausschusses für Außenhandelsfragen decken. Der Ausschuß für Außenhandelsfragen hat unverändert die Beschlüsse der Unterkommission Zolltarif angenommen. Ich kann mich daher auf die Einzelheiten meines schriftlichen Berichtes beziehen. Ich nehme den Antrag des Ausschusses auf:
Der Bundestag wolle beschließen,
1. dem vorliegenden Entwurf eines Zolltarifgesetzes nebst Zolltarif in der von der Unterkommission Zolltarif erarbeiteten Fassung — zu Nr. 2250 der Drucksachen — zuzustimmen;
2. die zu dem Gesetzentwurf eingegangenen Petitionen für erledigt zu erklären.
Als Anlage zu der Drucksache Nr. 2250 haben Sie das Heft, enthaltend den Entwurf eines Zolltarifgesetzes und anschließend den eigentlichen Zolltarif.
Im übrigen habe ich Ihnen noch kurz zwei Abänderungsanträge vorzulegen, und zwar zunächst den Abänderungsantrag, der Ihnen mit Umdruck Nr. 201 zugegangen ist und der eine kleine Änderung jedoch nur redaktioneller Art zu erfahren hat.
Es heißt in dem Abänderungsantrag: Der Bundestag wolle beschließen: „Nach § 17 . . ." Es muß
heißen: „Nach § 18 wird folgender § 18 a eingefügt".
Der § 18a enthält — und das ist auch eine redaktionelle Änderung — die Überschrift „Geltung des
Gesetzes im Lande Berlin" und lautet wie folgt: Dieses Gesetz und die erlassenen und noch zu erlassenden Rechtsverordnungen gelten auch für das Land Berlin, sobald es gemäß Art. 87 Abs. 2 seiner Verfassung die Anwendung dieses Gesetzes beschlossen hat.
Ich habe Ihnen ferner einen interfraktionellen Abänderungsantrag vorzulegen, und zwar handelt es sich um den Antrag auf Umdruck Nr. 207 der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP, BP und
Z zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes:
Der Bundestag wolle beschließen:
1. Der unter Tarif-Nr. 4001 — Naturkautschuk . . . usw. beschlossene Zollsatz von 10 % des Wertes wird gestrichen und statt dessen Zollfreiheit eingesetzt.
2. Der unter Tarif-Nr. 4002 — Synthetischer Kautschuk . . . usw. beschlossene Zollsatz von 10 % des Wertes wird gestrichen und statt dessen Zollfreiheit eingesetzt.
Meine Damen und Herren! Bei diesem Antrag liegt folgendes vor: Wir erfuhren am Schluß unserer Beratungen in der Unterkommission Zolltarif, daß zum Teil die Buna-Produktion wieder zugelassen ist. Wir glaubten daher, für die deutsche BunaErzeugung vorsorglich einen Zollsatz von 10 % und zum Schutze der deutschen Buna-Produktion auch einen Zollsatz für Naturkautschuk von 10 % vorsehen zu müssen, wobei wir uns allerdings darüber im klaren waren, daß es für die erste Zeit nicht notwendig sein werde, von diesem Zollsatz praktisch Gebrauch zu machen. Inzwischen sind wir jedoch durch die beteiligten Industriekreise, insbesondere durch die Naturkautschukindustrie und durch die Buna-Industrie, darauf hingewiesen worden, daß dieser Zollsatz, den wir, wie gesagt, vorsorglich vorgesehen hatten, unerwünscht ist. Wir haben uns daher interfraktionell entschlossen, die Zollfreiheit entsprechend der Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Meine Damen und Herren! Ich habe Sie dann nur noch kurz auf eine Druckfehlerberichtigung hinzuweisen, die Ihnen mit den Drucksachen des Bundesministeriums der Finanzen vom 31. Mai dieses Jahres zugegangen ist.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114711700
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich rufe auf: § 1,—§ 2,—§ 3,—§ 4.

(Abg. Kalbitzer: Zu § 4 bitte!)

Ich lasse zunächst abstimmen über die §§ 1, 2
und 3. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die
Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Das Wort zu § 4 hat der Abgeordnete Kalbitzer.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0114711800
Meine Damen und Herren! Zum § 4 haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht. Ich gestatte mir, Ihnen diesen Antrag vorzulesen:
Die Bundesregierung wird aufgefordert, bis zur dritten Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes die Rechtsverordnungen — § 4 Abs. 1 Ziffer 1 — dem Bundestage vorzulegen, mit denen sie die von ihr beabsichtigten Zollbegünstigungen mit dem neuen Zolltarifgesetz in Kraft zu setzen gedenkt.
In diesem Zusammenhang stellt der Bundestag fest, daß die Zölle des neuen Tarifs mit Ausnahme der Finanzzölle bei den Positionen Tabak und Tabakwaren, Kaffee, Tee, Branntwein und Branntweinerzeugnisse nur aus wirtschaftspolitischen Erwägungen erhoben werden sollen und fiskalische Gründe für die Erhebung ausscheiden.
Der Zusammenhang ist der folgende: Der jetzt geltende Zolltarif hat seine Funktion verloren, da die Zollsätze, wie sie gegolten haben, mit den Preissteigerungen nicht Schritt gehalten haben. Der neue Zolltarif, über den wir jetzt beraten, stellt die Relation zwischen Preisen und Zöllen wieder her,


(Kalbitzer)

wie sie etwa im Jahre 1938 bestanden hat. Durch diese Wiederherstellung der Relation zwischen Preisen und Zöllen ergibt sich eine Konsummehrbelastung von schätzungsweise — nach heutigen Preisen — 800 Millionen DM im Jahr. Diese außerordentliche Erhöhung der Preise durch die Zollerhöhung sollte eben durch den in Rede stehenden § 4 der Zollbegünstigungslisten verhindert werden.
Die weltwirtschaftliche Lage macht heute nicht die Erhebung aller Zölle notwendig. Im Gegenteil, eine große Anzahl von Rohstoffen und anderen Produkten sind so knapp, daß wir froh sind, wenn wir sie hereinbekommen. Ich erinnere Sie z. B. an die dieser Tage stattgefundene Zuckerdebatte. Deshalb war man sich im Ausschuß einig darüber, daß von den Zollbegünstigungen in größtem Ausmaß Gebrauch gemacht werden sollte. Erst in den letzten Tagen, speziell am 31. Mai, brachte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" eine Nachricht, daß alle Zollbegünstigungen in Zukunft wegfallen sollten, urn damit den Etat ausgleichen zu helfen. Das bedeutet, daß man den Zoll künftig nicht als wirtschaftspolitisches Instrument handhaben will, sondern als fiskalisches Instrument zur Verstärkung der Einnahmen.
In ihrer Tendenz ähnliche Ausführungen sind, soviel ich gehört habe, kürzlich im Agrarausschuß gefallen. Jetzt, als diese Tendenz, den Zolltarif zu einem fiskalischen Instrument umzudeuten, sichtbar wurde, hat sich der Finanzminister offenbar bereit erklärt, von seiner ursprünglichen Forderung bei der Umsatzsteuer 1/2 % nachzugeben, d. h. von der ursprünglichen Forderung von 4 1/2 % jetzt auf 4 % herunterzugeben, und die Sonderumsatzsteuer ganz Fallenzulassen. Statt dieser direkten Konsumbelastung ist man also dabei, einen Umweg zu beschreiten und auf diesem Wegc, indirekt, eine Konsumbelastung über das Zollgesetz einzuführen.
Die Ersetzung wirtschaftspolitischer Gesichtspunkte durch fiskalische verkehrt aber den Sinn des Gesetzes völlig. Alle wirtschaftlich notwendige Beweglichkeit des Zolltarifs erstarrt — darüber war man sich im Ausschuß ganz offenbar einig — unter dem Druck fiskalischer Notwendigkeiten. Denn das Zollgesetz, erst einmal fiskalisch mißbraucht, gibt natürlich hinterher nicht mehr die Möglichkeit, den Zoll, wenn wirtschaftlich notwendig, in einzelnen Fällen zu senken. Deshalb möchte ich besonders den Herrn Wirtschaftsminister darauf aufmerksam machen, daß hier, um in seiner Redeweise zu sprechen, ein marktkonformes Lenkungsmittel ausgeschaltet und ihm aus der Hand genommen wird, ihm also ein weiteres Mittel zur wirtschaftlichen Beeinflussung, wie er sie sich vorstellt, entwunden wird. Ich hoffe mich in diesem Punkt mit dem Herrn Wirtschaftsminister darin einig, daß er sich das wirtschaftspolitische Instrument des Zolltarifs nicht durch den Herrn Finanzminister aus der Hand nehmen läßt.
Ich möchte Sie weiter darauf aufmerksam machen, daß der Zolltarif ohne die notwendigen Begünstigungen natürlich eine riesige Konsumbelastung ist und damit nachhaltige Lohnforderungen und Forderungen auf Erhöhung aller Arten von Unterstützungen und Renten auslösen wird. Das wieder dreht die Lohn-Preis-Spirale, von der besonders die Regierungspresse in der letzten Zeit immer wieder sagte, sie müsse endlich angehalten werden, um eine neue kräftige Drehung weiter. Alle gegen eine erhöhte Umsatzsteuer vorgebrachten Argumente, wie sie hier heute diskutiert wurden, gelten im übrigen, das sei nebenbei bemerkt, natürlich auch gegen diese andere Form indirekter Konsumbelastung.
Ich bitte Sie deshalb, diesen Antrag dem Ausschuß noch einmal zur Beratung zu überweisen. Es geht um die Frage, ob der Zolltarif wirtschaftspolitisch oder fiskalisch zu beurteilen ist. Von dem Ausgang dieser Besprechungen im Ausschuß, wobei wir den Herrn Finanzminister bitten, seine wirklichen Absichten mit diesem Tarif klar herauszuarbeiten, ist es für unsere Fraktion abhängig, ob wir dem Gesetz in der dritten Lesung werden zustimmen können oder ob wir dem Gesetz, eben weil es kein wirtschaftspolitisches, sondern ein fiskalisches zu werden droht, unsere Zustimmung versagen müssen.
Abschließend möchte ich auch darauf hinweisen, daß es im Interesse der deutschen Wirtschaft nicht opportun erscheint, die dritte Lesung in dieser Form zu übereilen, wie es jetzt vorgeschlagen ist, nämlich die dritte Lesung innerhalb zwei Tagen vorzunehmen. Ich weiß, naturgemäß brauchen wir eine schnelle Verabschiedung dieses Gesetzes, damit wir hinterher die Vertragswerke von Torquay hier zur Abstimmung bringen können. Aber obwohl Eile nottut, ist Übereilung von Schaden. Denn bedenken Sie, daß die Publizität des Zolltarifs bisher außerordentlich gelitten hat, einfach deswegen, weil man wegen der Verhandlungen in Torquay monatelang Vertraulichkeit wahren mußte und bis heute nicht alle Teile der deutschen Wirtschaft — alle Interessenten, ganz offen gesagt — in der Lage waren, sich ein Bild von der Auswirkung dieses Zolltarifs auf ihre eigene Branche zu machen. Deshalb halte ich es auch im Interesse der Publizität der Verhandlungen dieses Parlaments für notwendig, die dritte Lesung für einige Tage auszusetzen. Damit würde uns Gelegenheit gegeben werden, die strittigen Fragen endgültig im Ausschuß abzuklären.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114711900
Habe ich Sie recht verstanden, Herr Abgeordneter: Sie stellen zwei Anträge? Einmal stellen Sie den Antrag auf Umdruck Nr. 208 zu § 4 bezüglich der Rechtsverordnungen, und zum andern beantragen Sie, die Vorlage nach Abschluß der zweiten Lesung an den Ausschuß zurückzuverweisen.

(Abg. Kalbitzer: Jawohl!)

Das Wort hat der Abgeordnete Freudenberg.

Richard Freudenberg (FDP):
Rede ID: ID0114712000
Meine Damen und Herren! Ich kann Herrn Kalbitzer nur bestätigen, daß sowohl im Zollunterausschuß als auch im Außenhandelsausschuß eine ganz klare Mehrheit auf dem Standpunkt steht, daß das Zollinstrument nicht fiskalisch mißbraucht werden soll. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß es sich beim Zolltarifgesetz rein und ausschließlich um ein wirtschaftliches Instrument handelt. Ich bin fest davon überzeugt, daß auch seitens des Finanzministeriums von dieser Linie nicht abgewichen werden wird.
Wie sehr wir das Zolltarifgesetz als ein wirtschaftliches Gesetz betrachten, hat ja gerade gezeigt, daß wir den § 4, um den jetzt die Diskussion geht, in dieser ausgedehnten Fassung aufgenommen haben. Keiner von uns hat sich imstande gesehen, auf Jahre hinaus vorauszusagen oder festzulegen, daß nun die oder jene Ausnahmeermächtigung am Platz sei oder nicht. Um in diesen Zeiten beweglich zu sein, haben wir diese weitgehende Fassung des § 4 gewählt. Sie wissen ganz


(Freudenberg)

genau, Herr Kollege Kalbitzer, wie sehr wir uns gemeinsam alle miteinander darum bemüht haben, daß auch die volle Mitwirkung des Bundestags bei der Beschlußfassung über diese Ermächtigungen gewährleistet ist.
Nun sagen Sie, es wäre zweckmäßig und richtig, zwischen der zweiten und dritten Beratung eine Rückverweisung an den Ausschuß zu veranlassen, damit der Herr Finanzminister dort klare Erklärungen abgeben kann. Herr Kalbitzer, ich glaube, daß die Verwirklichung der Absicht, die Sie verfolgen, genau so gesichert und gewährleistet ist, wenn wir uns heute wirklich entschließen, in der zweiten und am Freitag in der dritten Lesung dem Zolltarifgesetz zuzustimmen; denn dahinter steht ja die Beratung des Ratifizierungsgesetzes der Absprachen von Torquay.

(Abg. Lange: Herr Freudenberg, die Durchführung der Absichten ist da nicht mehr gewährleistet!)

— Doch, Herr Kollege Lange!
Deswegen stellen die Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP, Bayernpartei und Zentrum den Antrag, daß der Bundestag beschließen wolle, die Bundesregierung zu ersuchen, bis zum 5. Juli 1951 dem Bundestag die Rechtsverordnungen gemäß § 4 Abs. 1 Ziffer 1 des Zolltarifgesetzes vorzulegen, mit denen sie die von ihr beabsichtigten Zollbegünstigungen mit dem Inkrafttreten des neuen Zolltarifgesetzes festzusetzen gedenkt. — Ich darf Ihnen den Antrag übergeben, Herr Präsident.
Wir glauben, daß mit diesem Antrag etwaigen Bedenken, die noch bestehen sollten, in vollem Umfang begegnet ist, ja das ihnen besser als mit Ihrem Antrag begegnet ist. Wir glauben, darüber hinaus zu erreichen, daß nun endlich das autonome Zolltarifgesetz, mit dessen Abschluß wir ja schon lange im Verzug sind, verabschiedet werden kann. Ich glaube, daß wir, wenn wir an die ganzen Termine denken, nicht mehr länger mit der Inkraftsetzung dieses autonomen Zolltarifgesetzes warten können, da wir ja die Ratifizierung des Torquay-Abkommens noch vor den Parlamentsferien durchführen müssen.
Darüber hinaus muß ja auch die Regierung jetzt schon die Möglichkeit haben, die Verhandlungen mit den Ländern, die nicht zu den Torquay-Vertragsländern gehören, einzuleiten. Das kann aber nur dann geschehen, wenn das autonome Zollgesetz im Bundestag angenommen worden ist.
Nun noch zum Schluß ein Wort wegen der Übereile und der mangelnden Publizität, Herr Kollege Kalbitzer. Ich glaube, wir haben uns manchmal in den Beratungen des Außenhandelsausschusses darüber beklagt — auch ehe die eigentlichen Beratungen im Zollunterausschuß angefangen haben
—, daß die Publizität in der Vorbereitung dieses Zolltarifs für andere viel weitergehend war, als sie gerade für die Mitglieder des Bundestags gewesen ist. Gerade Sie haben ja mit zu denen gehört, die sich meines Erachtens mit vollem Recht darüber beklagt haben. Nun sind die Ergebnisse von Torquay seit dem 10. Mai bekannt, und die Vorlage, über die wir jetzt zu befinden haben, ist dem Hohen Hause auch schon seit drei Wochen bekannt. Ich bin überzeugt, daß jeder, der sich wirklich ernsthaft für die Materie interessiert, in diesen Wochen vollauf Gelegenheit hatte, Einwendungen grundsätzlicher Art zu erheben, und ich glaube, daß sich diese Einwendungen hätten auswirken müssen.
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie im Namen der Mehrheit des Außenhandelsausschusses
und seines Zollunterausschusses dringend bitten, daß wir nun wirklich das schon lange fällige Gesetz verabschieden. Denn ich muß schon sagen: es war ein Verwaltungskunststück, daß wir die ganzen Torquay-Verhandlungen haben führen können, ohne daß ein autonomes Zollgesetz in Deutschland vorgelegen hat.

(Sehr richtig! in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114712100
Das Wort hat der Herr Staatssekretär.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0114712200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in der Lage, die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Freudenberg Wort für Wort zu unterschreiben. Es ist faktisch unmöglich, bis zur dritten Lesung übermorgen die Mitteilungen zu machen, die der Herr Abgeordnete Kalbitzer wünscht. Herr Abgeordneter Freudenberg hat aber schon erklärt, daß das Gesetz mehr als überfällig und daß es ganz unmöglich ist, die Verabschiedung in der dritten Lesung noch weiter hinauszuschieben. Wir können sonst die Termine und die Verpfichtungen, die wir in Torquay übernommen haben, überhaupt nicht einhalten.

(Abg. Lange: Herr Staatssekretär, wieviel Mehreinnahmen versprechen Sie sich nach der von Ihnen jetzt geforderten Durchführung des Tarifes?)

— Über diese Dinge — ich komme sofort darauf — wird das Bundesfinanzministerium, wie es von dem Herrn Abgeordneten Freudenberg in diesem Antrag vorgesehen ist, bis zum 5. Juli 1951 dem Hohen Hause Rechtsverordnungen vorlegen. Wenn Herr Abgeordneter Kalbitzer befürchtet, daß hier nur der Bundesfinanzminister zu Wort kommt, so darf ich sagen, daß es selbstverständlich ist, daß
— selbst wenn er die Befugnis hätte, allein zu handeln — nie ohne den Wirtschaftsminister, nie ohne die Zustimmung des Kabinetts in derartig grundlegenden Fragen gehandelt würde. Es ist aber im § 4 darüber hinaus vorgesehen, daß die ganze Bundesregierung, ja das Hohe Haus diesen Verordnungen zuzustimmen haben.

(Richtig! in der Mitte.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0114712300
Keine Wortmeldungen? — Ich schließe die Aussprache über § 4. Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag im Umdruck Nr. 208; er ist der weitergehende. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich lasse abstimmen über den interfraktionellen Antrag, den der Abgeordnete Freudenberg begründet hat. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Der Antrag ist angenommen.
Nunmehr lasse ich abstimmen über § 4. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
§§ 5, — 6, — 7, — 8, — 9, — 10, — 11, — 12, —
13, — 14, — 15, — 16, — 17, — 18. Wer für die Annahme dieser Bestimmungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Es ist noch von dem Herrn Berichterstatter ein Antrag gestellt worden, einen § 18 a einzufügen: Geltung 'des Gesetzes im Lande Berlin. Das braucht nicht besonders begründet und vorgelesen zu werden. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die


(Vizepräsident Dr. Schmid)

Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
§ 19, Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Jetzt ist über den Antrag des Abgeordneten Kalbitzer zu entscheiden: Antrag auf Zurückverweisung an den Ausschuß zwischen zweiter und dritter Beratung. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Damit ist die zweite Lesung des eigentlichen Gesetzes erledigt.
Wir haben nun den Tarif als solchen noch zu behandeln. Ich schlage Ihnen dazu folgendes Verfahren vor, daß wir zunächst abstimmen über den interfraktionellen Antrag, Umdruck Nr. 207, dann über den Antrag auf Umdruck Nr. 206, in dem in 46 Punkten Abänderungen der einzelnen Positionen des Tarifs beantragt sind.
Wer für die Annahme des Antrags auf Umdruck Nr. 207 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Nunmehr Umdruck Nr. 206. Zur Begründung hat das Wort der Abgeordnete Lange. Darf ich fragen: wollen Sie den Antrag im ganzen oder die einzelnen Positionen begründen?

(Abg. Lange: Jawohl, im ganzen!)

— Im ganzen!

Erwin Lange (SPD):
Rede ID: ID0114712400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde mich bemühen, auch diesen äußerlich so umfänglichen Antrag so kurz wie möglich zu begründen, da ich mich, was das Grundsätzliche anlangt, im wesentlichen auf das stützen kann, was mein Fraktionskollege Kalbitzer schon ausgeführt hat.
Vorweg, bevor ich den Antrag begründe, möchte ich kurz einige Druckfehlerberichtigungen bekanntgeben: Bei der Ziffer 29 heißt es in der ersten Zeile „Testbenzin" statt „Festbenzin". — In Ziffer 31 heißt es statt „2710 dl" „2710 Dl", also D. — In Ziffer 32 heißt es in der ersten Zeile „Paraffinum liquidum", und zwar in zwei Worten.
Noch eine weitere Vorbemerkung. Wir hatten ja zu dem Antrag, den der Kollege Kalbitzer begründet hat, ganz konkret noch einige Fragen gestellt, die der Herr Staatssekretär beantworten wollte, deren Beantwortung er aber schuldig geblieben ist, wiewohl er gesagt hat „Ich komme gleich darauf", nämlich auf das, was er sich an Mehreinnahmen aus dem Zolltarif, so, wie er jetzt verabschiedet werden soll, verspricht. Vielleicht ist der Herr Staatssekretär so freundlich, uns doch einmal zu sagen, wieviel er sich an Mehreinnahmen verspricht.
Nun, meine Damen und Herren, zur Begründung dieses Antrags. Die Ziffer 1 unseres Antrages sieht die Wiederherstellung der ursprünglichen Regierungsvorlage vor. Wir sind der Meinung, daß es der deutschen Erzeugung, und zwar den Hühnerhaltern, bei zollfreier Futtermitteleinfuhr möglich sein muß, mit einem Zollschutz von 10 % statt der -im Ausschuß beschlossenen 15 % auszukommen. Unter Ziffer 2 — zu der Tarifnummer 0705 D, Linsen, durch deren Einfuhr keinerlei inländische Erzeugung bedroht wird —, beantragen wir, weil Linsen ein Massenkonsumgut sind, Zollfreiheit. Dasselbe gilt für Zitronen, Ziffer 3, Tarif Nr. 0802 D. Hier würde, wenn wir den autonomen Zollsatz oder den in Torquay ausgehandelten Zollsatz gelten
ließen, eine Mehrbelastung für die Verbraucher von ungefähr 1,5 bis 2 Millionen DM entstehen. Diese Mehrbelastung wäre ungerechtfertigt. Wir sind auch der Meinung, daß gerade bei Zitronen keinerlei Konkurrenz für inländisches Obst vorliegt und daher hier der Zollsatz von 16 % durch „Zollfreiheit" ersetzt werden sollte.
Die nächste Gruppe sind die ausländischen Gewürze, die heutzutage als Massenverbrauchsgüter anzusprechen sind, in dem neuen Zolltarif aber unter ausgesprochen fiskalischen Gesichtspunkten behandelt worden sind. Wir sind nicht der Meinung — das haben wir auch im Ausschuß zum Ausdruck gebracht —, daß solche Massenkonsumgüter unter fiskalischen Gesichtspunkten behandelt werden sollten, und beantragen entsprechend der Vorlage für die nicht gemahlenen Gewürze, d. h. also die ungebrochenen, rohen Gewürze Zollfreiheit und für die erste Verarbeitungsstufe einen Schutz von 10 %. Damit ist die Begründung für die Nummern 4 bis 23 gegeben. Herausgenommen aus dieser Gruppe ist lediglich die Position 0909, die praktisch inländische Heilkräuter und Gewürze betrifft; gegen deren Schutz haben wir nicht das mindeste einzuwenden.
Nr. 24 betrifft die Tarifnummer 1801, Kakaobohnen.

(Zurufe von der Mitte)

— Ich glaube, Sie wundern sich nicht darüber, daß
wir diese Sache auch im Plenum wieder aufgreifen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Hier handelt es sich um einen Finanzzoll, der ein wesentliches Nahrungsmittel unnützerweise belastet, an dessen Belastung wir auch aus den eben genannten Gründen keinerlei Interesse haben. Das Aufkommen aus diesen 10 % bzw. mindestens 30 DM für 100 kg beträgt nach den Schätzungen des Bundesfinanzministers 16 Millionen. Wir haben keine Veranlassung, gerade die Kakaobohne — als Ausgangsstoff für Kindernahrungsmittel; ich denke auch an Schokolade usw. — derartig zu belasten. Wir sind also der Auffassung, daß die Worte „10 jedoch mindestens 30 DM für 100 kg" durch das Wort „frei" ersetzt werden sollen.
Die Nummern 25 bis 36 betreffen den Komplex Mineralöl und die daraus gewonnenen Produkte. Wir haben im Ausschuß sehr deutlich unsere Meinung zum Ausdruck gebracht und tun das auch hier. Wir denken nicht daran, für die weiterverarbeitende Industrie wesentliche Vorprodukte mit Finanzzöllen belasten zu lassen, da das eine Verteuerung der gesamten Produktion bis zum Enderzeugnis bedeuten würde. Wir sollten der deutschen Erdölindustrie und den weiterverarbeitenden Betrieben nur den Schutz geben, der sie in dem notwendigen Maße gegen die ausländische Überschwemmung schützt. Wir sind aber nicht bereit, etwas zu tun, was das Finanzministerium möchte: aus diesen Rohstoffen und Vorprodukten Finanzeinnahmen herauszuholen, die unsere gesamte Wirtschaft entsprechend belasten würden. Wir haben im Ausschuß, und zwar in den Sitzungen vom 4. und 5. Januar, eingehend auf diese Dinge hingewiesen. Wir haben das Finanzministerium gebeten, uns Klarheit darüber zu verschaffen, wie hoch der notwendige Schutz unter allen Umständen sein sollte. Der Ausschuß war auch, insgesamt gesehen, nicht unbedingt der Auffassung, daß hier ein Finanzzoll notwendig sei. Wir waren damals schon der Meinung, daß hierin eine Spanne enthalten ist, die das Finanzministerium uns gegenüber nicht


(Lange)

vertreten kann, bestenfalls nur mit dem Hinweis auf fiskalische Gesichtspunkte.
Wir hätten nun erwartet, da ja auf der anderen Seite der Bundesrat eine Erdölenquete veranstaltet hat, daß die Bundesregierung sich darum bemüht hätte, die Ergebnisse dieser Enquete schon im Zusammenhang mit dem neuen Zolltarif zu verwerten, um nämlich zu einer vollkommenen Bereinigung der Belastung auf dem Mineralölsektor zu kommen, d. h. einmal über den Zoll, zum anderen aber auch über die Steuern. Da aber diese Klarstellung durch die Bundesregierung nicht erfolgt ist, sehen wir uns außerstande, den im Ausschuß gefaßten Beschlüssen zuzustimmen, und bitten, den unter den Ziffern 25 bis 36 unseres Änderungsantrages vorgeschlagenen neuen Sätzen die Zustimmung zu geben. Damit darf ich das, was zum Mineralölzoll zu sagen ist, abschließen.
Die nächsten Nummern betreffen Seifen und Waschmittel, deren übermäßige Belastung wir aus hygienischen und aus volksgesundheitlichen Gründen ablehnen und für die wir darum die entsprechende Ermäßigung beantragt haben. Für Tarifnummer 3404 A 1, die ebenfalls unter diese Rubrik fällt, gilt dieselbe Begründung wie für die Mineralöle, da Mineralöl auch Ausgangsstoff für diese Position ist.
Nun zu einer anderen wesentlichen Position, insoweit wesentlich, als man uns im Ausschuß über ihren Charakter nicht ausreichend unterrichtet hat. Wir sind gegen Schluß der Beratungen zu dem Ergebnis gekommen, daß in der Position 5507, und zwar im wesentlichen unter B — andere Gewebe aus Baumwolle, gemustert usw. — Massenverbrauchsgüter enthalten sind wie beispielsweise die Gerstenkorngewebe. Denken wir nur an Handtücher und ähnliche Dinge, die in jedem Haushalt gebraucht werden. Wir haben gar keine Veranlassung, diese Gewebe höher zu belasten als die übrigen Massenverbrauchs- und -gebrauchsgüter, deren Zollsätze gerade im Textilsektor mit 20 % angesetzt sind. Aus diesem Grunde fordern wir für die Position 5507, auch für die A-Position, den einheitlichen Zollsatz von 20 % und damit die Beseitigung des 27er- und 24er-Zollsatzes.
Weiter, meine Damen und Herren, erscheint es uns wesentlich, in einigen Gewerbezweigen, deren Erzeugnisse entweder Massenverbrauchsgüter oder, wie ich hier wohl sagen muß, -gebrauchsgüter werden können oder es schon sind, als Grundsatz sehr deutlich zu machen, daß man keinerlei unnützer Preissteigerung Vorschub leisten sollte durch einen entsprechend hohen Zollschutz.
Das gilt auch für Schreibmaschinen und für alle Büromaschinen, die in den Nummern 41 bis 44 unseres Antrags erfaßt sind, ebenso auch für Teile und Zubehör, deren Sätze wir entsprechend ermäßigen wollen, um die Industrie auf diese Art und Weise zu veranlassen, ihre Kapazität rationell auszunutzen. Wenn sie etwa darüber zu klagen haben sollte, daß sie gegen ausländische Konkurrenz nicht aufkommen könnte, und wenn in diesem Zusammenhang Preisvergleiche angestellt werden, so stellen wir demgegenüber fest, daß unsere deutsche Industrie noch einiges tun könnte und tun muß, um im entscheidenden Fall überhaupt wettbewerbsfähig zu werden.
Die gleiche Begründung gilt für die Nummern 45 und 46 unseres Antrages, und zwar für Fahrräder, die wir zweifellos als eines der wesentlichsten Gebrauchsgüter für die breite Masse anzusprechen haben, als das Auto des kleinen Mannes. Auch hier
ist festzustellen, daß unsere Produktion gegenüber der ausländischen zu einem wesentlichen Teil rückständig ist, darüber hinaus aber sich bisher noch des erheblichen Schutzes einer hohen Zollmauer erfreut. Wenn hier nicht ernsthafte Maßnahmen ergriffen werden, so besteht natürlich, wie das auch schon in der vorhergehenden Steuerdebatte zum Ausdruck gebracht worden ist, für die Industrie keine Veranlassung, entsprechende Vorkehrungen zu treffen. — Soweit die Begründung unseres Antrages.
Nun, meine Damen und Herren, darf ich in diesem Zusammenhang vielleicht noch ganz kurz auch die Regierung auf einige Dinge aufmerksam machen, die in den Verhandlungen des Ausschusses zutage getreten sind. Im Ausschuß sind nicht nur die jetzt hier vorgebrachten Tarifänderungsanträge Gegenstand der Diskussion gewesen, sondern es ist auch weitgehend — auch das ist in der vorhergegangenen Steuerdebatte schon sehr deutlich geworden — klargemacht worden, daß wesentliche Belastungen bestehen als Folge der falschen Organisation des Verteilungsapparates. Vielleicht nimmt sich die Regierung auch das nur als einen Hinweis auf den Bericht, den der Ausschuß durch Herrn Kollegen Serres hat erstatten lassen — dieses Problems auch auf dieser Basis einmal an, um auch von der Seite zu einer entsprechenden Entlastung der Verbraucher beizutragen.
Ich bitte Sie also, meine Damen und Herren, diesem unserem Änderungsantrag Ihre Zustimmung zu geben, um damit auch nach außen zu dokumentieren, daß dieses Hohe Haus den Willen hat, unnütze Belastungen für die breite Masse unseres Volkes, die durch Berücksichtigung fiskalischer Gesichtspunkte entstehen können, unter allen Umständen zu vermeiden. Wenn der Finanzminister Geld braucht, dann soll er genügend Phantasie entwickeln, um andere Quellen zu erschließen als immer wieder nur solche, deren Erschließung auf eine ausgesprochene Massenbelastung hinausläuft, wie es auch hier durch die Hervorkehrung fiskalischer Gesichtspunkte zu einem wesentlichen Teil der Fall ist. Ich bitte daher das Hohe Haus nochmals, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114712500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Serres.

Dr. Günther Serres (CDU):
Rede ID: ID0114712600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Namens der Regierungsparteien bitte ich, den Änderungsantrag der Fraktion der SPD abzulehnen. Ich möchte zunächst darauf hinweisen, daß wir uns doch in sehr langwierigen Beratungen — es sind, glaube ich, über sechs Monate gewesen — mit dem Zolltarifgesetz befaßt und in diesen monatelangen Beratungen das Für und Wider so reichlich erwogen haben, daß wir heute in eine allzu detaillierte Diskussion über diese Frage nicht mehr eintreten sollten. Zudem handelt es sich hier um die sogenannten autonomen Zolltarifsätze, also diejenigen Sätze, die praktisch eigentlich überhaupt kaum zur Anwendung kommen, weil tatsächlich nur die Vertragszollsätze angewendet werden.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Die autonomen Zolltarife bilden die Grundlage für die internationalen Zolltarifverhandlungen und für handelsvertragliche Absprachen, sind also gewissermaßen nur Ausgangsposition für die Vertragszölle. Unter diesen Umständen glaube ich nicht, daß dem


(Dr. Serres)

Änderungsantrag der SPD die Bedeutung zukommt, die mein Herr Vorredner ihm gegeben hat.
Ich darf ferner darauf aufmerksam machen, daß inzwischen bereits mit einer größeren Anzahl von Ländern Zollverträge abgeschlossen worden sind, Sie wissen, daß die Bundesrepublik erstmalig an den GATT-Verhandlungen in Torquay teilgenommen hat und daß diese Verhandlungen inzwischen zum Abschluß gekommen sind. Die Bundesrepublik war an diesen Verhandlungen erstmalig als gleichberechtigter Partner beteiligt und hat dort mit einer größeren Anzahl von Ländern Vertragszölle vereinbart. Auch aus diesem Grunde werden die autonomen Zollsätze praktisch nur in den verhältnismäßig seltenen Fällen, in denen keine Vertragszollsätze bestehen, zur Anwendung kommen. Bei den Torquay-Zollabkommen, die wir demnächst noch zu ratifizieren haben werden, ist es aber so, daß diese Sätze durchweg unter dem Niveau der autonomen Zollsätze liegen, so daß .damit den Wünschen der SPD in gewisser Hinsicht bereits Rechnung getragen ist.
Im übrigen, meine Damen und Herren, darf ich Sie auf den soeben sehr eingehend besprochenen § 4 des Zolltarifgesetzes hinweisen, der ja der Bundesregierung die Möglichkeit gibt, in begründeten Fällen im Wege von Rechtsverordnungen Zollermäßigungen vorzunehmen. Wir werden diese Rechtsverordnungen demnächst in Form eines Kataloges vorgelegt bekommen und werden dann darüber zu entscheiden haben, ob wir diesen Rechtsvererdnungen der Bundesregierung zustimmen.
Ich will auf Einzelheiten nicht eingehen, möchte nur kurz noch darauf hinweisen, daß bei den Gewürzzöllen, die ja hier als Finanzzölle angesprochen werden, im wesentlichen die Zollsätze übernommen worden sind, wie sie auch bisher schon in Kraft waren. Außerdem darf ich wohl darauf aufmerksam machen, daß die Belastung für den Letztverbraucher, beispielsweise beim Pfeffer, verhältnismäßig sehr gering ist. Wir glauben, daß hier keine Notwendigkeit besteht, eine Änderung vorzunehmen. Im übrigen sind wir grundsätzlich bereit, dem Finanzminister seine Finanzzölle und damit auch seine entsprechenden Einnahmen zu geben.
Ich wiederhole die eingangs vorgetragene Bitte der Regierungsparteien, den Abänderungsantrag der Fraktion der SPD abzulehnen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114712700
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0114712800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Lange hat eine ausdrückliche Antwort von mir auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Kalbitzer vermißt. Ich hatte eigentlich gedacht, ich hätte die Antwort gegeben. Aber ich kann sie vielleicht noch etwas deutlicher fassen. Diese Rechtsverordnungen liegen nicht einmal im Entwurf vor, geschweige denn sind sie dem Bundeskabinett vorgelegt, geschweige denn, daß das Bundeskabinett sie genehmigt hätte. Aber erst wenn es soweit ist, lassen sich Zahlen über einen etwaigen Mehrertrag aus diesen Rechtsverordnungen überhaupt angeben. Ich habe gesagt, wir werden die Verordnungen, wie es der Wunsch des Hohen Hauses ist, bis zum 5. Juli vorlegen; und das wird geschehen.
Zur Sache darf ich die Ausführungen des Herrn Abgeordneten Dr. Serres unterstreichen. Ich glaube nicht, daß es richtig wäre, jetzt nach den Verhandlungen in Torquay, wo dieses Gesetz doch der Ausgangspunkt der Beratungen war, die autonomen Zollsätze herabzusetzen. Ich möchte aber noch hinzufügen, daß bisher von dem dadurch entstehenden Ausfall nicht die Rede gewesen ist. Der Ausfall würde mindestens 230 Millionen DM im Jahre betragen.
Wenn der Herr Abgeordnete Lange beanstandet hat, daß der Finanzminister nicht genug Phantasie aufwende, dann darf ich darauf sagen: Wenn man dem Bundesfinanzministerium irgend etwas vorwerfen kann, — aber der Vorwurf, daß es in den letzten sechs Monaten nicht genug Phantasie aufgewandt hätte, um die Deckungsvorlagen für die vom Hohen Hause beschlossenen Ausgaben zu finden, dürfte, glaube ich, zu Unrecht erhoben sein.

(Beifall und Heiterkeit bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der SPD: Phantastisch!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114712900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Fink.

Dr. Conrad Fink (CSU):
Rede ID: ID0114713000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man konnte sich schon bei dem Antrag auf Umdruck Nr. 208 des Eindrucks nicht erwehren, daß hier dem Positiven, das nun in dem Entwurf eines neuen Zolltarifgesetzes vor uns liegt, noch einmal erhebliche Schwierigkeiten entgegengesetzt werden sollen. Der gleiche peinliche Eindruck entsteht leider auch bei dem Antrag auf Umdruck Nr. 206. Ich möchte mich den Ausführungen des Herrn Kollegen Serres voll und ganz anschließen, die er eben gemacht hat, und darauf hinweisen, daß der Unterausschuß Zolltarif sich monatelang in wirklich sachlicher und eingehender Arbeit mit allem befaßt hat, daß alles Für und Wider eingehend erwogen und diskutiert worden ist und daß auch die Fraktion der SPD reichlich Gelegenheit gehabt hat, im Ausschuß selbst zu all den Positionen Stellung zu nehmen, und diese Gelegenheit auch reichlich benützt hat.

(Abg. Schoettle: Das ist doch Unsinn! Deshalb kann die Fraktion doch Anträge stellen!)

— Natürlich kann sie Anträge stellen; aber man
sieht den Sinn eines solchen Antrages, nachdem
alles breitgetreten worden ist, nicht mehr ein. Ich
möchte jedenfalls an das Hohe Haus die Bitte richten, den Antrag auf Umdruck Nr. 206 abzulehnen.

(Beifall in der Mitte und rechts. — Zuruf von der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114713100
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. — Das Wort zur Abstimmung hat der Abgeordnete Lange.

Erwin Lange (SPD):
Rede ID: ID0114713200
Meine Damen und Herren! Es ist zwar richtig, wenn der Präsident sagt: „Zur Abstimmung"; aber die letzte Bemerkung des Herrn Kollegen Fink kann ich nicht unwidersprochen lassen. Man darf ja nun nicht so verfahren, daß man sagt: „Im Ausschuß habt ihr die Dinge ausbrüten können, da habt ihr eure Meinung sagen können, und jetzt habt ihr hier" — ich will jetzt keinen unparlamentarischen Ausdruck gebrauchen — „die Dinge so passieren zu lassen." Ich glaube, es ist unser gutes Recht und das Recht jedes einzelnen Abgeordneten und jeder einzelnen Fraktion, hier ihre Meinung, wenn sie im Ausschuß nicht zum Zuge gekommen ist, noch einmal zum Ausdruck zu bringen. Ich glaube, das sollte sich auch der


(Lange)

Kollege Fink sagen, der ja nun wirklich weiß, wie wir im Ausschuß mitgearbeitet haben.

(Zuruf von der SPD: Weiß er ja nicht! Er war nicht dabei!)

Na ja, so ab und zu war er dabei. Herr Kollege
Fink, Sie waren ja nicht immer dabei, nicht wahr?
(Abg. Dr. Fink: Nur dann nicht, wenn ein
anderer Ausschuß tagte oder ich durch eine
andere wichtige Sache verhindert war!
Nun aber zur Abstimmung selbst. Ich bitte das Hohe Haus — oder, besser gesagt, den Präsidenten —, bei der Abstimmung wie folgt zu verfahren: die Positionen 1, 2 und 3 getrennt, d. h. jede für sich; die Positionen 4 bis 23 en bloc; die Position 24 für sich; die Positionen 25-36 en bloc; die Positionen 37 bis 39 en bloc; die Position 40 für sich; die Positionen 41 bis 44 en bloc und die Positionen 45 und 46 gemeinsam.
Ich bitte also, in diesem Sinne die Abstimmung vorzunehmen. Dann haben wir nämlich die Gruppen zusammengefaßt, auf die es uns hier in diesem Zusammenhang ankommt.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114713300
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Lange hat getrennte Abstimmung für einzelne Positionen beantragt. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden ist, daß so verfahren wird.
Wir kommen damit zur Abstimmung. Ich rufe also jetzt aus dem Umdruck Nr. 206 zunächst einmal die Position 1 auf und bitte diejenigen, die für den Antrag der SPD sind, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Position 2 und bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Position 3. Ich bitte diejenigen, die dem Antrage zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, es ist in diesem Falle keine Klarheit über das Ergebnis der Abstimmung zu erzielen; wir müssen Hammelsprung machen. Ich bitte, den Saal so schnell wie möglich zu verlassen, damit die Abstimmung durch Auszählung geschehen kann.

(Die Abgeordneten verlassen den Saal.)

Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, ihren Platz an den Türen einzunehmen.
Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen. (Wiedereintritt und Zählung der Abgeordneten.)

Die Abstimmung ist beendet. Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren! Das Ergebnis der Abstimmung: Mit Ja haben gestimmt 116 Abgeordnete, mit Nein 139; eine Enthaltung. Damit ist der Antrag zur Position 3 abgelehnt.
Ich rufe nun auf die Positionen 4 bis 23. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —
Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf Position 24. Ich bitte diejenigen, die zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nun auf die Positionen 25 bis 36. Ich
bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die
Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf die Positionen 37 bis 39. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nun auf die Position 40. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf die Positionen 41 bis 44 und bitte diejenigen, die zustimmen, die 'Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe nun auf die Positionen 45 und 46 und bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zur Vorlage nach der Fassung des Ausschusses. Ich bitte diejenigen, die dem Zolltarif in geänderter Fassung unter Einfügung der vom Berichterstatter und vom Herrn Bundesfinanzminister vorgetragenen Berichtigungen zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Ich rufe nun auf Punkt 5 der heutigen Tagesordnung:
Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Nr. 2291 der Drucksachen).
Wer begründet? — Das Wort hat zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Kleindinst.

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (CSU):
Rede ID: ID0114713400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das vorläufige Bundesbeamtengesetz ist bis zum 30. Juni dieses Jahres befristet. Wir haben zwar auf Grund des Initiativantrages der Abgeordneten von Rheinland-Pfalz das neue Bundesbeamtengesetz in Beratung genommen; es ist aber nicht möglich, es bis zum 30. Juni fertigzustellen. Außerdem erwarten wir noch die Einbringung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung. Um nun zu verhindern, daß wir etwa am 30. September wiederum einen Verlängerungsantrag stellen müssen und die ganze Angelegenheit sich neuerlich verschiebt, bitten wir, die Worte „spätestens am 30. Juni 1951" im Gesetz zu streichen. Wir kommen dann auf dieselbe Fassung, die ursprünglich im Regierungsentwurf enthalten war, d. h. daß das vorläufige Bundesbeamtengesetz so lange in Kraft bleibt, bis es durch das endgültige Bundesbeamtengesetz abgelöst wird. Ich bitte, diesem Antrag zuzustimmen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114713500
Meine Damen und Herren! Für die folgende Aussprache hat der Altestenrat eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz.


Otto Arnholz (SPD):
Rede ID: ID0114713600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Regierung der nicht eingehaltenen Fristen" habe ich die Bundesregierung am 6. Dezember vorigen Jahres bei der Beratung des Entwurfes eines ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen genannt. Daß die Bundesregierung von mir mit Recht als die „Bundesregierung der nicht eingehaltenen Fristen" bezeichnet wurde, ließe sich an einer ganzen Reihe von Beispielen aufzeigen, und der jetzt zur Beratung stehende Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des vorläufigen Personalgesetzes beweist erneut die Richtigkeit der durch mich getroffenen Charakterisierung.
Die übereilte Einbringung des Regierungsentwurfs zum vorläufigen Personalgesetz im Herbst 1949, die darüber geführte Aussprache und die Beratung des ersten Änderungsgesetzes hier in der Vollversammlung des Bundestages verlocken an sich dazu, noch einmal näher auf die Hintergründe und Absichten einzugehen, die die Bundesregierung und die Regierungsparteien zu ihrem Vorgehen und Verhalten veranlaßten. Es kann nämlich keinem Zweifel unterliegen, daß es sich dabei in erster Linie darum handelte, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, bequem und ungestört eine Personalnolitik zu treiben. die eindeutig im Widerspruch steht zu der nach außen hin in durchsichttiger Absicht betonten Bereitschaft, durch die Zusammensetzung des Personals der öffentlichen Dienste ein Spiegelbild der Kräfte zu geben, die im deutschen Volke wirksam sind.
Wenn ich davon absehe, näher auf die Hintergründe und Absichten der Bundesregierung und der hinter ihr stehenden Parteien einzugehen, so kann ich das deswegen tun, weil ich heute ver genau 6 Monaten dazu Stellung genommen habe. Aber es ist doch notwendig, noch einmal einen kurzen Überblick zu geben.
Am 24. November 1949 erklärte hier der Herr Bundesminister des innern bei der Einbringung seines Gesetzentwurfes, daß nur eine vorläufige, vorübergehende Regelung beabsichtigt sei und daß der Entwurf des endgültigen Gesetzes alsbald vorgelegt werden sollte. Das Wort „alsbald" kündigte an, daß die Vorlage für das endgültige Personalgesetz uns kurzfristig zugehen würde. Mindestens hätten das die Grundsätze von Treu und Glauben und der Sinn der deutschen Sprache erfordert. Unter keinen Umständen ist es zu rechtfertigen, daß die Bundesregierung auch jetzt noch immer nicht den Entwurf des endgültigen Personalgesetzes dem Bundestag vorgelegt hat, obwohl jene Worte des Herrn Bundesinnenministers vor über eineinhalb Jahren gesprochen und durch folgenden Satz bekräftigt wurden:
Die Arbeit an dem endgültigen Beamtengesetz ist in vollem Gange, und diese Dinge können schnell hantiert werden.
Wenn ich recht unterrichtet bin, ist zwar jetzt ein Referentenentwurf fertiggestellt; er ist aber von der Bundesregierung noch nicht durchberaten und beschlossen, so daß noch eine geraume Zeit vergehen wird, bis die Vorlage über den Bundesrat an uns gelangen wird. Bis zum Inkrafttreten des endgültigen Personalgesetzes wird also noch so viel Zeit vergehen, daß das vorläufige Gesetz sicher zwei Jahre in Geltung bleibt.
Demgegenüber vergleiche man, was uns Herr Dr. Wuermeling mit Menschen- und Engelszungen und dem bei ihm üblichen Nachdruck weismachen wollte, als er von dieser Stelle aus sagte:
Das Übergangsgesetz soil nach unserem Wunsch und Willen nur wenige Monate praktisch Bedeutung haben.
Jetzt werden aus den wenigen Monaten wenige Jahre, und das, obwohl die Gültigkeitsdauer des vorläufigen Gesetzes zunächst — die Bundesregierung hatte sich mit einer Befristung einverstanden erklärt — auf den 31. 12. 1950 begrenzt und bereits eine Nachfrist bis zum 30. 6. 1951 gesetzlich festgelegt worden war.
Geradezu neckisch wirkt in diesem Zusammenhang die Begründung, die Herr Dr. Wuermeling bei der dritten Lesung des Entwurfs des vorläufigen Personalgesetzes für die Ablehnung einer Befristung gab: eine zu kurze Frist führe leicht zu Zeitnot bei den Beratungen.
Wenn wir hingegen
— ich darf mit Zustimmung des Herrn Präsidenden zitieren —
eine zu lange Frist wählen, dann wirkt das leicht dahin, daß die Beratungen des endgültigen Beamtengesetzes unter dem Gefühl stehen: Nun, wir haben ja Zeit bis zum Ablauf dieser relativ langen Frist.
Die Bundesregierung steht offenbar „unter dem Gefühl", wie mir scheint, daß sie nicht nur Zeit bis zum Ablauf der relativ langen Frist habe, sondern sehr weit darüber hinaus. Wir dagegen, meine Damen und Herren, „stehen nicht unter dem Gefühl", sondern wir wissen, daß dieses Verhalten der Bundesregierung und die Tatsache, daß die Regierungsparteien es ohne Protest hinnehmen, das Ansehen des Bundestages und der Demokratie schädigen.
Als wir uns gegen das ganze im Zusammenhang mit dem Personalgesetz von der Bundesregierung und den sie stützenden Parteien geübte Verfahren wandten und unser Mißtrauen zum Ausdruck brachten, versuchte der Redner der CDU das abzutun, indem er von dem Mißtrauen sprach, das entstanden oder wenigstens hervorgehoben worden ist. Damit, meine Damen und Herren, wird nicht nur behauptet, daß das Mißtrauen unbegründet sei, sondern es wurde uns unterstellt, wir hätten es nur vorgetäuscht. Diese Verdächtigung; ist geschehen, ohne daß der geringste Grund dafür vorhanden war. Ein Vertreter einer Partei, die sich als „christlich" bezeichnet, sollte, meine ich, solch &ne Schuld nicht auf sich laden und sich des Bibelwortes erinnern: „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!"

(Oho-Rufe in der Mitte und rechts.)

Uns der bewußten Unwahrheit zu verdächtigen, wie es auch heute hier wieder geschehen ist, jag um so weniger Anlaß vor, als der Herr Kollege von der CDU gezeigt hat, daß er und seine Freunde sich gern hinter dem Busch aufhalten, hinter dem sie uns völlig unberechtigterweise suchten: Er behauptete nämlich bereits am 6. 12. 1950 — ich möchte das in Ihr Gedächtnis zurückrufen, meine Damen und Herren —, er habe in Erfahrung bringen können — ich darf wörtlich zitieren —, „daß das Bundesministerium des Innern ein endgültiges Beamtengesetz breits ausgearbeitet und deshalb noch nicht vorgelegt hat, weil es in Wirklichkeit noch nicht hätte beraten werden können". — Das wurde uns vor einem halben Jahr mit dem Brustton der Überzeugung hier vorgetragen und das sollten wir glauben. Nun, meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten waren dazu nicht einfältig genug. Wir haben damals — auf Grund der


(Arnholz)

Erfahrungen, die wir bis dahin gemacht hatten — die Verlängerung der Geltungsdauer des vorläufigen Personalgesetzes abgelehnt. Wir werden das auch heute tun, da sich unsere unerfreulichen Erfahrungen in den letzten sechs Monaten vermehrt haben.
Die Bundesregierung hätte auch, wenn damals wirklich die ihr angedichtete Fürsorge für den guten Ruf des Bundestages und seines Beamtenrechtsausschusses sie die Einbringung des endgültigen Personalgesetzes hätte verzögern lassen, jetzt längst den Entwurf uns zuleiten müssen. Da der Beamtenrechtsausschuß die vordringlichen Auf gaben schon seit Wochen abgeschlossen hat, muß auch der oben angeführte Versuch einer Ehrenrettung der Bundesregierung und ihrer Mehrheit als eine dick aufgelegte Irreführung angesehen werden.
Aus all den dargelegten Gründen sind wir nicht bereit, der Bundesregierung einen Freibrief für weitere Außerachtlassung gesetzlicher Vorschriften auszustellen, sind wir nicht bereit, unsere Hand dazu zu bieten, daß durch Nichtbeachtung seiner Beschlüsse und durchsichtige Versuche zur Irreführung das Ansehen des Bundestages geschädigt wird.

(Zuruf von der Mitte: Das war ein bißchen starker Tabak! — Abg. Arnholz: Lassen Sie ihn sich gut bekommen!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114713700
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Innern.

Dr. Robert Lehr (CDU):
Rede ID: ID0114713800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung stimmt dem Initiativantrag vollinhaltlich zu. Ich kann dem Hohen Hause mitteilen, daß der Gesetzentwurf fertiggestellt ist und dem Kabinett bereits vorgelegen hat, das noch einige kleine Änderungen in verschiedener Hinsicht wünscht. Das ist aber eine Angelegenheit von wenigen Tagen, so daß das Hohe Haus, noch ehe es in die Ferien geht, dieses Gesetz hier verabschieden kann. Jedenfalls bekommen Sie es noch rechtzeitig in diesen Tagen vorgelegt. Es wird aber zweckmäßig sein, die hier erwünschte Verlängerung trotzdem noch zuzubilligen, weil Sie dann selbst entscheiden können, in welcher Zeit Sie sich über die endgültige Gestaltung klarwerden wollen.

(Bravo! in der Mitte.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114713900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die erste Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
zweiten Beratung.
§ 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Damit ist das Gesetz in zweiter Lesung angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der in der zweiten Beratung angenommenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist damit in dritter Beratung angenommen.
Ich rufe nun auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eine Übergangsgesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder (Nr. 2276 der Drucksachen).
Wird seitens der Bundesregierung auf die Begründung verzichtet? — Das Wort hat der Herr Bundesminister der Finanzen.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0114714000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich bei der Begründung des Gesetzes kurz fassen. Der Tatbestand ist folgender. Bisher hat die Allied Bank-Commission bestanden, die nach dem Bankgesetz der Bank deutscher Länder die Weisungen hinsichtlich ihrer gesamten Geld- und Kreditpolitik geben konnte. Diese Allied Bank-Commission soll nunmehr ein Ende nehmen. Voraussetzung dafür ist aber, daß eine Regelung erfolgt, die bestimmt, wer in die bisherigen Funktionen der Allied Bank-Commission eintritt. Diese Bestimmung wird wohl durch ein endgültiges Notenbankgesetz erfolgen müssen. Ich bin der Überzeugung, daß dieses Notenbankgesetz bis zum 31. Dezember 1951 geschaffen werden muß.
Um die Zwischenzeit nicht zu verlieren, wurde eine vorläufige Regelung getroffen, die Ihnen in der Form dieses Übergangsgesetzes vorliegt. Diese vorläufige Regelung deutet in einem wichtigen Punkt bereits die Richtlinie an, in der das künftige Notenbankgesetz gestaltet sein wird. Sie deutet an, daß die Notenbank in der Frage der Währungspolitik unabhängig sein soll, daß sie aber in der Frage der Rückwirkungen der Währungspolitik auf die allgemeine Wirtschaftspolitik des Bundes zu einem engen Zusammenarbeiten mit der Institution veranlaßt werden soll, die die gesamte Wirtschaftspolitik des Bundes zu vertreten hat; das ist die Bundesregierung, die dem Parlament gegenüber die Verantwortung für die Führung der Wirtschaftspolitik trägt.
Das ist der Grundgedanke dieses Übergangsgesetzes. Ich bitte, es möglichst rasch in Beratung zu nehmen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114714100
Für die Aussprache hat der Ältestenrat eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vorgeschlagen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.

Walter Seuffert (SPD):
Rede ID: ID0114714200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bund hat noch keine Notenbank. Die einstweilen als Notenbank fungierende Bank deutscher Länder unterstand bisher den Weisungen der alliierten Bankkommission, ein Zustand, der dem Besatzungsstatut nicht mehr entsprechen konnte. Das Gesetz will wenigstens den ersten Schritt — hoffentlich erfolgreichen Schritt — zur Beseitigung dieser Oberhoheit der alliierten Bankkommission tun. Das Weisungsrecht der alliierten Bankkommission ist in der letzten Zeit nicht mehr sehr stark in Erscheinung getreten, was nicht bedeutet, daß es in einigen Fällen, in denen es während seiner Wirksamkeit ausgeübt wurde, nicht recht störend gewesen wäre. Jedenfalls ist es erwünscht, dieses Weisungsrecht nunmehr beseitigt zu sehen.
An die Stelle des bisherigen Zustandes setzt nun allerdings das Übergangsgesetz eine Regelung, nach der nicht nur überhaupt kein Weisungsrecht seitens des Bundes oder seitens irgendeiner anderen Stelle gegenüber der Bank deutscher Länder


(Seuffert)

und ihrem Zentralbankrat vorgesehen ist, sondern auch überhaupt keine Einflußmöglichkeit auf die Führung dieser Bank. Denn wenn die Grundsätze, die in der neuen Fassung des Art. 2 des Militärregierungsgesetzes Nr. 50 jetzt vorgeschlagen werden, auch materiell eine gewisse Richtlinie darstellen mögen, so stellen sie doch einstweilen durchaus eine lex imperfecta oder einen frommen Wunsch dar. Nach unserer Ansicht kann es auf die Dauer nicht bei einem derartigen Verhältnis zwischen Bundesregierung und Notenbank bleiben. Wir glauben nicht, daß gegenüber einer Notenbank, deren Unabhängigkeit betont wird, wie das soeben vom Herrn Bundesfinanzminister geschehen ist, auf jede Einflußmöglichkeit seitens der Bundesregierung als der für die Wirtschaftspolitik vor allen Dingen dem Parlament und dem Volk verantwortlichen Stelle verzichtet werden kann. Es mag sein, daß, nachdem die Lösung dieser Probleme eine lange Weile aufgeschoben worden und dringender geworden ist und nachdem die Ausschaltung der alliierten Bankkommission als erster Effekt erwünscht ist, ein solcher Übergangszustand geschaffen werden muß.
Ein solcher Zustand, wie ihn dieses Gesetz schaffen wird, erfordert viel Loyalität. In der Vergangenheit hat die „Loyalität" allerdings oft darin bestanden, die tatsächlichen Differenzen, die durch die Auswirkung von Wirtschaftspolitik und Regierungspolitik einerseits und Maßnahmen der Bank deutscher Länder andererseits entstanden, mit aller Höflichkeit und mit mehr oder weniger Geschick zu verdecken und zu verkleistern.
Wir richten an die Bundesregierung jedenfalls die Aufforderung, diesem Übergangszustand schleunigst ein Ende zu machen und dem Parlament so schnell wie möglich Vorlagen zu unterbreiten, die eine klarere, eindeutige Lösung für das Verhältnis zwischen der Notenbank und der Regierung und — das ist damit notwendig verbunden — eine Klärung der ganzen Fragen des Zentralbankensystems und wahrscheinlich auch der Großbankenorganisation bringen. Nur unter dieser Voraussetzung werden wir nach der Prüfung in den Ausschüssen dem lockeren Zustand, der vorläufig eingeführt wird, unsere Zustimmung geben können.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114714300
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.

Hugo Scharnberg (CDU):
Rede ID: ID0114714400
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß die Alliierte Bankkommission sich bereiterklärt hat, die Zuständigkeiten, die sie auf dem Gebiete der Währungsbankpolitik hatte, uns zu übertragen. Die Alliierte Bankkommission hatte, wie wir gehört haben, bisher ein Weisungsrecht und verschiedene andere Rechte.
Wir stimmen grundsätzlich dem Regierungsentwurf zu, nach dem das Weisungsrecht zunächst nicht übernommen und statt dessen die Bestimmung getroffen wird, daß die Bank die Wirtschaftspolitik der Regierung zu unterstützen hat. Wir glauben, daß die Frage einer Einflußnahme der Regierung auf die Notenbank sehr eingehend geprüft werden muß. Wir stimmen deswegen auch den Ausführungen des Kollegen Seuffert zu, daß nunmehr so schnell wie möglich das Bundesnotenbankgesetz dem Parlament vorgelegt werden muß. Dann werden wir auch diese Frage klären können; jetzt in diesem Übergangsgesetz wäre sie nicht zu klären gewesen. In diesem Übergangsgesetz hätteman nur das Weisungsrecht übernehmen können, und dagegen bestehen unsererseits Bedenken.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114714500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Etzel (Bamberg).

Dr. Hermann Etzel (FU):
Rede ID: ID0114714600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch in unserer aller Erinnerung, welche Bedeutung einem geordneten Währungs- und Geldsystem zukommt. Wir haben noch nicht vergessen, welche verheerenden gesellschaftlichen, moralischen, wirtschaftlichen und staatlichen Konsequenzen aus der willfährigen Unterordnung der Zentralnotenbank unter die Weisungen, Befehle und bestimmenden Einflüsse der Regierung, der politischen Parteien, des Parlaments, also der mächtigen Gruppen der Massendemokratie entstehen. Wir haben noch nicht die Zeiten der Reichsbank und ihres Präsidenten Havenstein vergessen und erinnern uns noch unmittelbar — sozusagen schmerzlich — an die Verhältnisse, die eine solche Befehlswirtschaft der öffentlichen Gewalt gegenüber der Währungs- und. Notenbank im „Tausendjährigen Reich" zur Folge hatte. Wir haben erfahren, daß die Zerrüttung der Note, die Zerstörung der Währung die tiefstgreifenden Folgen für das ganze staatliche, gesellschaftliche, aber auch moralische Gefüge der Nation hat und haben muß. Wir wissen, daß die fortgesetzte Enteignung der Bürger durch Währungsvernichtungen die Vorfrucht zum Kollektivismus bildet, daß sie Wegbereiterin, Schrittmacherin des Kollektivismus ist, weil die dergestalt immer wieder expropriierten und mißhandelten Menschen in ihrer Neigung und in ihrem Hang bestärkt werden, vor derartigen Anschlägen und Zugriffen auf ihre Habe und ihr Einkommen in das Kollektiv zu flüchten. Wir sind der Auffassung, daß die künftige gesetzliche Regelung nach Art. 88 des Grundgesetzes diesen Grundsatz der Unabhängigkeit des Zentralbanksystems beobachten und verwirklichen muß. Wir erkennen gern an, daß der vorliegende Gesetzentwurf, der nur eine Übergangsregelung bis zum Schluß dieses Jahres bringen soll, sich bemüht, Maß zu halten. Gleichwohl finden sich einige Formulierungen in ihm, über die man auch anderer Meinung sein kann.
Wir möchten also heute schon unsere Stimme erheben und darauf hinweisen, welch eminent entscheidender Faktor es für die Demokratie ist, daß eine feste, unerschütterte und geordnete Währung besteht. Sie bildet auch die ethische Voraussetzung für die innere Gesundung der Menschen. Man kann den Menschen nicht zuviel zumuten und kann sie nicht alle paar Jahrzehnte in eine derartige Expropriation stürzen, die stets die Folge eines unbefugten Übergriffes der öffentlichen Gewalt gegenüber der Hüterin und Wahrerin eines geordneten Währungssystems gewesen ist.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114714700
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Leuchtgens.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0114714800
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf eines Übergangsgesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder zeigt eine hohe Weisheit der Regierung insofern, als sie sich selbst beschränkt hat.

(Zustimmung in der Mitte.)

Sie sagt darin, daß die Bank deutscher Länder in
ihrer Unabhängigkeit erhalten bleibt, und der Herr
Finanzminister hat insbesondere hervorgehoben,


(Dr. Leuchtgens)

daß in allen Fragen, die die Währung angehen, die Bank deutscher Länder unbedingt die oberste Stelle sein muß, die zu entscheiden hat. Es ist so wie im Rechtswesen: Wir schaffen in den Gerichten eine Einrichtung, die über der Exekutive der Regierung steht und unter Umständen auch über der Gesetzgebungsgewalt des Parlaments. So müssen wir in der zentralen Notenbank, um die es sich ja hier im wesentlichen dreht, auch eine Stelle schaffen, die unabhängig von den politischen und wirtschaftlichen Auffassungen des Parlaments und der Regierung ist. Nur so ist die Gewähr geboten, daß die Währung wirklich intakt gehalten wird. Ich schließe mich denen an, die sich immer wieder zu der Auffassung bekennen, daß die Intakthaltung der Währung das wichtigste wirtschaftliche Problem ist, das uns gestellt ist.
Wir sind also der Meinung, daß die Regierung klug daran getan hat, der Bank deutscher Länder diese ihre selbständige Haltung zu lassen. Ich bin auch nicht der Meinung, daß man jemals der Regierung ein Weisungsrecht gegenüber der Bank deutscher Länder geben sollte; denn wenn diese unabhängig ist und wenn die Regierung unparteiisch und ungetrübt mit ihr arbeiten kann, dann ist ihr Einfluß viel stärker, als wenn die Bank einem Weisungsrecht unterliegt. In dem Augenblick, in dem ein Weisungsrecht der Regierung gegenüber der Bank deutscher Länder geschaffen wird, wird die Arbeit der Bank deutscher Länder nicht mehr nach geldpolitischen, wirtschaftlichen und allgemeinen Gesichtspunkten geleistet werden, sondern die Bank wird sich eben einem Politikum fügen müssen, und das ist immer gefährlich. Deshalb sollte sich die Regierung auch bei dem zukünftigen Gesetz, dessen Vorlage in Aussicht gestellt wird, davor hüten, sich r ein irgendwie geartetes Weisungsrecht gegenüber der Bank deutscher Länder zu verschaffen, sondern sie sollte der Bank die hohe Unabhängigkeit lassen, die wir sonst auch den richterlichen Behörden zugestehen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114714900
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist die Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfes an den Ausschuß für Geld und Kredit vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen, die dem Überweisungsantrage zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist einstimmig angenommen.
ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
zur Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 (Nr. 2278 der Drucksachen).
Wird das Wort zur Begründung gewünscht?

(Zurufe: Nein!)

— Das ist nicht der Fall.

(Zurufe: Es genügt Überweisung!)

Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann kann ich die Aussprache als geschlossen ansehen. Es ist Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist einstimmig angenommen.
Dann kann ich aufrufen Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei (Nr. 2287 der Drucksachen).
Von der Bundesregierung ist auf die schriftliche
Begründung zu dieser Vorlage verwiesen worden.

(Zurufe: Überweisung!)

— Im Ältestenrat ist vereinbart worden, die Überweisung ohne vorherige Aussprache vorzunehmen. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 9 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Saatgutkredite (Nr. 1285 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr. 2289 der Drucksachen).

(Erste Beratung: 82. Sitzung.)

Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr Abgeordnete Dannemann.

(Zurufe: Er ist nicht da!)

— Ich habe ihn eben noch gesehen. Zweite und dritte Beratung ist vorgesehen. Kann auf die Berichterstattung verzichtet werden?

(Allgemeine Zustimmung.)

— Ich glaube, das Haus ist einverstanden.
Wird das Wort zur Beratung gewünscht? — Ich rufe zunächst auf § 1 —, § 2 —, Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgrufenen Paragraphen und der Einleitung und Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. — Damit ist der Entwurf in zweiter Beratung einstimmig angenommen.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetz in der in zweiter Beratung angenommenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben.— Das ist einstimmig angenommen.
Dann rufe ich auf Punkt 10 der Tagesordnung: Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung (Nr. 2059 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) (Nr. 2270 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat der Herr
Abgeordnete Wacker.

Oskar Wacker (CDU):
Rede ID: ID0114715000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach dem vorliegenden Gesetz soll der Bund eine Bundesbürgschaft in Höhe von 900 Millionen DM übernehmen. Dieser Betrag wird zum Einkauf von Lebensmitteln benötigt, die in den Vorratsstellen gelagert werden. Die Einlagerung ist notwendig geworden, weil infolge des bei den wichtigsten Ernährungsgütern hohen Einfuhrbedarfs die Gefahr besteht, daß wir in Versorgungsschwierigkeiten kommen, wenn ungünstige Ernteergebnisse, vor allem aber die politische Lage oder Transportschwierigkeiten eine laufende Belieferung der Bundesrepublik mit Lebensmitteln unmöglich machen. Um die aufgezeigten Gefahren abzuwehren, wurden entsprechende Vorräte eingelagert. Diese Vorratspolitik auf dem Ernährungssektor verhindert oder mildert nicht nur Versorgungsschwierigkeiten und damit unter Umständen Preissteigerungen, die zu Lasten der Verbraucher


(Wacker)

gehen würden, sie gewährleistet darüber hinaus eine gewisse Marktstabilität zugunsten der inländischen Erzeuger, wenn bei einem zeitweiligen Überangebot inländischer Erzeugnisse diese von der öffentlichen Hand für die Anlegung von Vorräten aufgenommen werden können.
Der Geldbetrag wird von einer für diesen Zweck gegründeten Bankengruppe aufgebracht, die unter der Führung der landwirtschaftlichen Rentenbank steht. Von den Einfuhr- und Vorratsstellen werden Solawechsel ausgegeben werden, die von der jeweiligen Mitgliedsbank an erster Stelle und von der Bankgruppenführerin an zweiter Stelle giriert werden. Die Bank deutscher Länder wird diese Wechsel für die Dauer der Bevorratungsmaßnahmen rediskontieren. Neben Sicherungsübereignung der beliehenen Vorräte wurden diese Zusagen der Banken und der Bank deutscher Länder von der Gewährung einer Bundesbürgschaft für die Kreditsumme abhängig gemacht.
Der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat der Gesetzesvorlage mit der Maßgabe zugestimmt, Eier und Zucker mit in die Bevorratung einzubeziehen. Durch die Hereinnahme der vorgenannten Lebensmittel in die Regelung muß in der Vorlage des 10. Ausschusses in § 1 siebente Zeile hinter dem Wort „Fette" eingefügt werden: der Einfuhrstelle Zucker.
Der Haushaltsausschuß hat der Gesetzesvorlage einstimmig zugestimmt und empfiehlt dem Hohen Hause, sie ebenfalls anzunehmen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0114715100
Meine Damen und I Herren! Im Ältestenrat ist vorgesehen worden, keine Aussprache stattfinden zu lassen. Wortmeldungen liegen auch nicht vor.
Wir kommen also gleich zur Abstimmung. Ich rufe auf § 1 mit dem Zusatz, den der Herr Berichterstatter vorgetragen hat, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen und der Einleitung Überschrift zustimmen, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? —
Bei einigen Enthaltungen angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Ich rufe auf zur
dritten Beratung.
Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der in zweiter Beratung angenommenen Fassung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Der Punkt 11 der Tagesordnung ist, wie zu Beginn der Sitzung mitgeteilt wurde, abgesetzt. Damit ist unsere heutige Tagesordnung erschöpft.
Ich berufe die nächste, die 148. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Donnerstag, den 7. Juni 1951, 14 Uhr.
Die 147. Sitzung ist damit geschlossen.