Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur kurz zu dieser Ziffer sprechen, weil ich wenig Hoffnung habe, die Mehrheit des Hauses noch davon überzeugen zu können, daß dieser vom Bundesfinanzminister hier vorgezeichnete Weg ein falscher Weg ist, daß dieser Weg zu starken Preiserhöhungen führen muß und daß die preistreibenden Wirkungen dieser Steuer sich auf der einen Seite in zusätzlichen ungerechten Gewinnen und auf der anderen Seite in einer zusätzlichen Beschränkung des Lebensstandards auswirken müssen.
Man komme mir nicht mit dem Einwand, wir könnten diese Steuer nicht ablehnen, weil der hohe Finanzbedarf des Bundes nun einmal gegeben sei. Sie alle wissen, daß wir Vorschläge gemacht haben, die darauf abzielen, eine Nettoumsatzsteuer, eine Steuer vom gesamten Rohgewinn zu erheben. Einer solchen Steuer würden diese preistreibenden Wirkungen, die die Umsatzsteuer haben muß, nicht anhaften.
Aber ich möchte doch noch kurz einige wesentliche Argumente gegen dieses Trotten im alten Gleis vortragen. Die Erhöhung der Umsatzsteuer um 1 % ist nicht etwa eine einfache und leicht zu nehmende Maßnahme. Es ist nicht die Erhöhung einer alten Steuer um 25 %, sondern es ist tatsächlich eine völlig neue Steuer. Meine Damen und Herren, überlegen Sie sich einmal, was es bedeutet, wenn an Stelle von 3 % nun 4 % Umsatzsteuer erhoben werden, und zwar in jeder Stufe! Wenn 4 oder 5 Stufen hintereinander geschaltet werden und die Handelsspannen sowie die sonstigen Gewinnspannen auf diese Steuern draufgeschlagen werden, dann müssen wir mit einer allgemeinen Erhöhung des Preisniveaus um wenigstens 12 % rechnen. Diese Erhöhung des Preisniveaus ließe sich vermeiden, wenn man nicht immer am Althergebrachten kleben und aus reiner Bequemlichkeit sagen würde: Hier, jetzt 3 %, nächstens 4 %! Das macht sich nämlich gesetzestechnisch sehr leicht. Aber wir sollten es uns nicht so leicht machen. Wir sollten uns Mühe geben, nach neuen Wegen zu suchen, die nicht die Gefahr solcher Preiserhöhungen in sich schließen.
— Der Vorschlag: Ich habe es eben schon gesagt, der Vorschlag ist: eine Umsatzsteuer von der Bruttospanne, von dem Produktionsergebnis eines jeden Betriebes zu erheben, nicht aber auch die Warenzulieferungen des Vorlieferanten jedesmal mit der Umsatzsteuer zu belasten und dadurch die verhängnisvollen Wirkungen der Umsatzsteuer, wie Sie sie jetzt vorschlagen, zu vervielfachen.
Diese Steuer hat ja auch die Industrie in ihrem Plan zur Selbsthilfe der Wirtschaft vorgeschlagen. Bei der Selbsthilfe der Wirtschaft ist man diesen Weg gegangen. Für die Milliardenanleihe wird aber auf diesen von der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft vorgeschlagenen Weg verzichtet, statt daß dieser durchaus richtige Weg vom Bund und von seinem Finanzminister gegangen würde. Statt dessen geht man den bequemen Weg, der unweigerlich zu Preissteigerungen führen muß.
Es kommt hinzu, daß diese Steuer geradezu rationalisierungsfeindlich wird. Eine Steuer, die auf die Nettospanne eines jeden Betriebes gelegt würde, würde einen gewissen Rationalisierungserfolg haben, weil den mit höheren Grenzkosten arbeitenden Produzenten eine Abwälzung der Steuer infolge ihrer größeren prozentualen Höhe nicht möglich sein würde. Die Steuer, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, wird automatisch abgewälzt und führt gerade zum Gegenteil einer Rationalisierung. Aber gerade das müssen wir doch vermeiden. Wir müssen dahin wirken, daß die Steuern und die privatwirtschaftlichen Interessen konform gehen, nicht aber, daß sie, wie es jetzt geschehen soll, gegeneinanderlaufen. Es ist sicher richtig, daß alte Steuern eine gewisse relative Güte haben, weil sie sich eingespielt haben. Wenn wir aber jetzt von 3 auf 4 % heraufgehen, so handelt es sich dabei nicht um eine alte Steuer, sondern um eine völlig neue Steuer. Das ist so, wie wenn wir von 0 auf' 1 % Umsatzsteuer gehen würden. Die Erhöhung einer Umsatzsteuer bedeutet nichts anderes als ein Wiederaufleben der alten Binnenzölle, wenn auch in einer anderen Art. Sie verhindert aber die volkswirtschaftlich rationellste Durchführung des Warenaustausches. Es kann doch nicht unsere Aufgabe sein, die alten Binnenzölle in moderner Form wiederaufleben zu lassen.
Ich bin deshalb der Ansicht, daß wir diesen Weg unter keinen Umständen gehen sollten. Wir sind
mit den Regierungsparteien der Auffassung, daß eine Steuererhöhung auf manchen Gebieten tatsächlich unvermeidlich ist. Daher haben wir für das Einkommensteueränderungsgesetz gestimmt. Wir würden auch für eine Steueränderung stimmen, durch die die Nettoproduktion belastet würde. Aber wir sind nicht in der Lage, dem Vorschlag auf Einführung dieser preistreibenden Steuer, der nur auf mangelnde Phantasie und auf mangelnde Kenntnis der wirtschaftlichen Grundtatsachen zurückzuführen ist, zuzustimmen.