Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Regierung der nicht eingehaltenen Fristen" habe ich die Bundesregierung am 6. Dezember vorigen Jahres bei der Beratung des Entwurfes eines ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen genannt. Daß die Bundesregierung von mir mit Recht als die „Bundesregierung der nicht eingehaltenen Fristen" bezeichnet wurde, ließe sich an einer ganzen Reihe von Beispielen aufzeigen, und der jetzt zur Beratung stehende Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des vorläufigen Personalgesetzes beweist erneut die Richtigkeit der durch mich getroffenen Charakterisierung.
Die übereilte Einbringung des Regierungsentwurfs zum vorläufigen Personalgesetz im Herbst 1949, die darüber geführte Aussprache und die Beratung des ersten Änderungsgesetzes hier in der Vollversammlung des Bundestages verlocken an sich dazu, noch einmal näher auf die Hintergründe und Absichten einzugehen, die die Bundesregierung und die Regierungsparteien zu ihrem Vorgehen und Verhalten veranlaßten. Es kann nämlich keinem Zweifel unterliegen, daß es sich dabei in erster Linie darum handelte, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, bequem und ungestört eine Personalnolitik zu treiben. die eindeutig im Widerspruch steht zu der nach außen hin in durchsichttiger Absicht betonten Bereitschaft, durch die Zusammensetzung des Personals der öffentlichen Dienste ein Spiegelbild der Kräfte zu geben, die im deutschen Volke wirksam sind.
Wenn ich davon absehe, näher auf die Hintergründe und Absichten der Bundesregierung und der hinter ihr stehenden Parteien einzugehen, so kann ich das deswegen tun, weil ich heute ver genau 6 Monaten dazu Stellung genommen habe. Aber es ist doch notwendig, noch einmal einen kurzen Überblick zu geben.
Am 24. November 1949 erklärte hier der Herr Bundesminister des innern bei der Einbringung seines Gesetzentwurfes, daß nur eine vorläufige, vorübergehende Regelung beabsichtigt sei und daß der Entwurf des endgültigen Gesetzes alsbald vorgelegt werden sollte. Das Wort „alsbald" kündigte an, daß die Vorlage für das endgültige Personalgesetz uns kurzfristig zugehen würde. Mindestens hätten das die Grundsätze von Treu und Glauben und der Sinn der deutschen Sprache erfordert. Unter keinen Umständen ist es zu rechtfertigen, daß die Bundesregierung auch jetzt noch immer nicht den Entwurf des endgültigen Personalgesetzes dem Bundestag vorgelegt hat, obwohl jene Worte des Herrn Bundesinnenministers vor über eineinhalb Jahren gesprochen und durch folgenden Satz bekräftigt wurden:
Die Arbeit an dem endgültigen Beamtengesetz ist in vollem Gange, und diese Dinge können schnell hantiert werden.
Wenn ich recht unterrichtet bin, ist zwar jetzt ein Referentenentwurf fertiggestellt; er ist aber von der Bundesregierung noch nicht durchberaten und beschlossen, so daß noch eine geraume Zeit vergehen wird, bis die Vorlage über den Bundesrat an uns gelangen wird. Bis zum Inkrafttreten des endgültigen Personalgesetzes wird also noch so viel Zeit vergehen, daß das vorläufige Gesetz sicher zwei Jahre in Geltung bleibt.
Demgegenüber vergleiche man, was uns Herr Dr. Wuermeling mit Menschen- und Engelszungen und dem bei ihm üblichen Nachdruck weismachen wollte, als er von dieser Stelle aus sagte:
Das Übergangsgesetz soil nach unserem Wunsch und Willen nur wenige Monate praktisch Bedeutung haben.
Jetzt werden aus den wenigen Monaten wenige Jahre, und das, obwohl die Gültigkeitsdauer des vorläufigen Gesetzes zunächst — die Bundesregierung hatte sich mit einer Befristung einverstanden erklärt — auf den 31. 12. 1950 begrenzt und bereits eine Nachfrist bis zum 30. 6. 1951 gesetzlich festgelegt worden war.
Geradezu neckisch wirkt in diesem Zusammenhang die Begründung, die Herr Dr. Wuermeling bei der dritten Lesung des Entwurfs des vorläufigen Personalgesetzes für die Ablehnung einer Befristung gab: eine zu kurze Frist führe leicht zu Zeitnot bei den Beratungen.
Wenn wir hingegen
— ich darf mit Zustimmung des Herrn Präsidenden zitieren —
eine zu lange Frist wählen, dann wirkt das leicht dahin, daß die Beratungen des endgültigen Beamtengesetzes unter dem Gefühl stehen: Nun, wir haben ja Zeit bis zum Ablauf dieser relativ langen Frist.
Die Bundesregierung steht offenbar „unter dem Gefühl", wie mir scheint, daß sie nicht nur Zeit bis zum Ablauf der relativ langen Frist habe, sondern sehr weit darüber hinaus. Wir dagegen, meine Damen und Herren, „stehen nicht unter dem Gefühl", sondern wir wissen, daß dieses Verhalten der Bundesregierung und die Tatsache, daß die Regierungsparteien es ohne Protest hinnehmen, das Ansehen des Bundestages und der Demokratie schädigen.
Als wir uns gegen das ganze im Zusammenhang mit dem Personalgesetz von der Bundesregierung und den sie stützenden Parteien geübte Verfahren wandten und unser Mißtrauen zum Ausdruck brachten, versuchte der Redner der CDU das abzutun, indem er von dem Mißtrauen sprach, das entstanden oder wenigstens hervorgehoben worden ist. Damit, meine Damen und Herren, wird nicht nur behauptet, daß das Mißtrauen unbegründet sei, sondern es wurde uns unterstellt, wir hätten es nur vorgetäuscht. Diese Verdächtigung; ist geschehen, ohne daß der geringste Grund dafür vorhanden war. Ein Vertreter einer Partei, die sich als „christlich" bezeichnet, sollte, meine ich, solch &ne Schuld nicht auf sich laden und sich des Bibelwortes erinnern: „Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet!"
Uns der bewußten Unwahrheit zu verdächtigen, wie es auch heute hier wieder geschehen ist, jag um so weniger Anlaß vor, als der Herr Kollege von der CDU gezeigt hat, daß er und seine Freunde sich gern hinter dem Busch aufhalten, hinter dem sie uns völlig unberechtigterweise suchten: Er behauptete nämlich bereits am 6. 12. 1950 — ich möchte das in Ihr Gedächtnis zurückrufen, meine Damen und Herren —, er habe in Erfahrung bringen können — ich darf wörtlich zitieren —, „daß das Bundesministerium des Innern ein endgültiges Beamtengesetz breits ausgearbeitet und deshalb noch nicht vorgelegt hat, weil es in Wirklichkeit noch nicht hätte beraten werden können". — Das wurde uns vor einem halben Jahr mit dem Brustton der Überzeugung hier vorgetragen und das sollten wir glauben. Nun, meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten waren dazu nicht einfältig genug. Wir haben damals — auf Grund der
Erfahrungen, die wir bis dahin gemacht hatten — die Verlängerung der Geltungsdauer des vorläufigen Personalgesetzes abgelehnt. Wir werden das auch heute tun, da sich unsere unerfreulichen Erfahrungen in den letzten sechs Monaten vermehrt haben.
Die Bundesregierung hätte auch, wenn damals wirklich die ihr angedichtete Fürsorge für den guten Ruf des Bundestages und seines Beamtenrechtsausschusses sie die Einbringung des endgültigen Personalgesetzes hätte verzögern lassen, jetzt längst den Entwurf uns zuleiten müssen. Da der Beamtenrechtsausschuß die vordringlichen Auf gaben schon seit Wochen abgeschlossen hat, muß auch der oben angeführte Versuch einer Ehrenrettung der Bundesregierung und ihrer Mehrheit als eine dick aufgelegte Irreführung angesehen werden.
Aus all den dargelegten Gründen sind wir nicht bereit, der Bundesregierung einen Freibrief für weitere Außerachtlassung gesetzlicher Vorschriften auszustellen, sind wir nicht bereit, unsere Hand dazu zu bieten, daß durch Nichtbeachtung seiner Beschlüsse und durchsichtige Versuche zur Irreführung das Ansehen des Bundestages geschädigt wird.