Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Wir bedauern außerordentlich, daß aus formalen Gründen unsere Anträge bei der zweiten Beratung nicht zugelassen worden sind. Wir werden bei der dritten Beratung Gelegenheit nehmen, diese Anträge — mit dem notwendigen Deckungsvorschlag — dem Hohen Hause erneut zu unterbreiten.
Wenn wir jetzt einige Worte zu der Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 % sagen wollen, so vor allem das eine, daß man auf die Rede zurückgreifen sollte, die der Herr Bundesfinanzminister in der 123. Sitzung dieses Hohen Hauses zur Begründung seiner Gesetzesvorlage gehalten hat, weil man die Begründung der Erhöhung einfach nicht von dem Zweck trennen kann, der damit erreicht werden soll. Der Herr Bundesfinanzminister hat damals drei Gründe aufgeführt, die die Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 % notwendig erscheinen ließen. Erstens: sie sei notwendig, um den Verteidigungsbeitrag oder Sicherheitsbeitrag, wie man sich ausdrückt, sicherzustellen,
zweitens, urn soziale Verpflichtungen zu erfüllen, und drittens, um damit zur inneren Befriedung beizutragen.
Meine Damen und Herren, es erscheint wesentlich, einmal festzustellen, wieweit diese Grundsätze übereinstimmen, welche Summen für die Verwirklichung der vom Herrn Bundesfinanzminister in seiner Begründungsrede aufgestellten Grundsätze benötigt werden. Bei einigem sozialen Verständnis wird man dann, glaube ich, zur Ablehnung dessen kommen müssen, was der Herr Bundesfinanzminister von der deutschen Bevölkerung verlangt. Am vergangenen Freitag hat eine Kabinettssitzung stattgefunden, und es wäre wirklich zweckmäßig gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister diesem Hohen Hause dieselben Zahlen bekanntgegeben hätte, die er dort in der Kabinettssitzung bekanntgegeben hat.
— Sie brauchen nur die Zeitung zu lesen, Herr Kollege, dann können Sie es finden! — Er sagte dort beispielsweise, daß 6 291 Millionen DM für Renten und ähnliche Ausgaben benötigt werden, während im vorigen Jahre 6 255 Millionen DM nötig waren.
Ich entsinne mich einer Reihe von Reden des Herrn Bundesfinanzministers, u. a. einer Rede, die er am 9. April in Hamburg gehalten hat. Dort hat er eine Begründung für die Steuerpolitik gegeben, die er hier vertritt. Er hat gesagt, daß die Erhöhung der Umsatzsteuer in erster Linie den sogenannten Beitrag für die innere Sicherheit erbringen und daß damit das Brot der armen Leute gesichert werden solle. Meine Damen und Herren, stellt man dem gegenüber die Ausgaben für den sogenannten Sicherheitsbeitrag — es ist noch umstritten, ob die Hohe Kommission von 9,3 Milliarden auf 5 Milliarden zurückgehen wird; nach den heutigen Pressemeldungen war der Herr Bundesfinanzminister zu einer solchen Veröffentlichung wirklich nicht autorisiert —, zieht man demgegenüber die wirklich bescheidene Mehrausgabe für soziale Leistungen in Betracht, berücksichtigt man neben dieser einfachen, aber sehr realen Tatsache die zweite reale Tatsache, die bereits von Herrn Kollegen Lausen angeführt worden ist, daß die Umsatzsteuererhöhung zwar im Gesetz mit einem Prozent angesprochen wird, aber in ihrer Umwälzung bis zum
Endprodukt 12 bis 13 Prozent betragen wird, so zeigt sich der tiefere Sinn dieser Finanz- und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung:
Wir sind nicht bereit, Mittel zu bewilligen — auch nicht durch eine Erhöhung der Umsatzsteuer — nur aus dem Grunde, daß die Besatzungsmächte sich bei uns wohlfühlen sollen. Wir sind bereit, dafür einzutreten, daß den Ärmsten unseres Volkes endlich einmal aus ihrer miesen Lage herausgeholfen wird.