Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Der Antrag bezieht sich auf das Gesetz Nr. 27 der westlichen Alliierten. Das Gesetz Nr. 27 stellt eine Ablösung des Gesetzes Nr. 75 dar. Aber weder das Gesetz Nr. 75 noch das Gesetz Nr. 27 kommen der Verpflichtung nach, 'die die westlichen Alliierten durch die Unterzeichnung des Potsdamer Abkommens übernommen haben. Im Potsdamer Abkommen wurde eindeutig festgelegt, daß die Konzerne und Monopole aufzulösen seien. Im Interesse der Sicherung des Friedens sollte die Herrschaft der Monopolherren beseitigt und zur Überführung der Grundstoffindustrien in die Hände des Volkes geeignete Formen gefunden werden. Aber schon bei der Behandlung des Kohlegesetzes in Nordrhein-Westfalen, das vom Landtag mit großer Mehrheit angenommen wurde, haben wir gesehen, daß die westlichen Alliierten nicht daran dachten, das Potsdamer Abkommen zu realisieren. So wurde das vom Landtag angenommene Kohlegesetz von der britischen Militärregierung nicht sanktioniert. Genau so geschah es mit dem Art. 41 der hessischen Verfassung.
Die Einheitsgesellschaften, wie sie jetzt auf Grund des Gesetzes 27 in dem Memorandum der Bundesregierung vorgeschlagen werden, sind keineswegs als eine Maßnahme zur Demokratisierung der Wirtschaft zu betrachten, sondern stellen eine Fortsetzung der Herrschaft der Konzernherren, der Stahl- und Grubenbarone dar. Wir sehen Zug um Zug, wie die Macht der Monopolherren wiederhergestellt wird.
Auch die treuhänderische Verwaltung, die im Gesetz 27 für einen Teil der Grundstoffindustrien vorgesehen ist, bildet keineswegs eine Garantie dafür, daß nicht die Grundstoffindustrien wiederum zur Vorbereitung eines neuen räuberischen Krieges ausgenutzt werden. Im Gegenteil, das Gesetz 27 soll eine Reprivatisierung der gesamten Grundstoffindustrien vorwärtstreiben. Wir haben es im
Falle der Firma Buderus in Wetzlar gesehen, was auch eine sozialdemokratische Regierung, in Hessen z. B., unter der Einsetzung eines Treuhänders versteht. Es ist doch eine Tatsache, daß die sozialdemokratische Regierung in Hessen den alten Besitzer von Buderus als Treuhänder dieses Werkes eingesetzt hat. Wir sehen also in dem Gesetz Nr. 27 — und wir können uns da der Meinung der sozialdemokratischen Fraktion nicht anschließen — keine Maßnahme zur Demokratisierung der Wirtschaft.
Wenn der Herr von Brentano den Schumanplan angesprochen hat, der in engster Verbindung mit der Behandlung unserer Grundstoffindustrie steht, dann dienen das Gesetz Nr. 27 und der Schumanplan nur der Einbeziehung unserer Grundstoffindustrien in die Kriegspläne des amerikanischen Imperialismus.
Das Gesetz Nr. 27 wie der Schumanplan sollen dem
amerikanischen Finanzkapital Tür und Tor für das
Eindringen in unsere Grundstoffindustrie öffnen.
Ein Wort zur sozialdemokratischen Fraktion. Der Redner der sozialdemokratischen Fraktion hat die Eigentumsverhältnisse angesprochen. Ich kann mich entsinnen, daß der Herr Dr. Schumacher einmal, im Jahre 1945 und 1946, die Erkämpfung des Sozialismus als Tagesaufgabe proklamierte. Was ist a .s dieser Tagesaufgabe geworden?
Statt der Sozialisierung ist die Wiederbefestigung des Monopolkapitals zustande gekommen. Die sozialdemokratische Parteiführung trägt an dieser Entwicklung in Westdeutschland reichlich mit Schuld.
Hätte die sozialdemokratische Parteiführung, statt den Kampf gegen links zu führen und mit den Rechtsparteien zu paktieren, der Einheit der Arbeiterklasse den Weg gebahnt, dann sähe es heute anders aus, nicht nur in der Grundstoffindustrie, sondern auf dem gesamten wirtschaftlich und politischen Sektor.
Wir sind der Meinung, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion Illusionen in den Reilen der Gewerkschaften und in der Arbeiterschaft erzeugt. Wir sind der Meinung, daß heute der Kampf dahfn gehen muß, daß das deutsche Volk die volle Souveränität über seine Wirtschaft 'und über sein ganzes politisches Geschehen zurückerhält. Dazu ist notwendig der Abschluß eines Friedensvertrages und der Abzug aller Besatzungstruppen aus Deutschland, damit dann das deutsche Volk in eigener Zuständigkeit darüber bestimmen kann, was mit seiner Wirtschaft geschieht. Ich zweifle nicht daran, daß dann das 'deutsche Volk, vor allen Dingen das werktätige Volk, jene Maßnahmen durchführen wird, die im Interesse der Erhaltung des Friedens und der Neuorganisierung einer demokratischen Wirtschaft erforderlich sind. Die Entmachtung der Monopolherren und die Überführung der Grundstoffindustrien in die Hände des Volkes wird dann erfolgen. Dafür werden wir in aller Öffentlichkeit und auch in den Gewerkschaften wirken.
Wir sind der Meinung, daß der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion nicht zur Mobilisierung der Massen für diese Ziele, sondern zur Verwirrung führt und praktisch eine Hilfeleistung für die Durchführung des Gesetzes Nr. 27 darstellt.
Wir sind dafür, daß der Antrag im Ausschuß behandelt werden soll. Später werden wir noch Ge-
legenheit haben, uns über die Einzelfragen, die mit diesem Antrag zur Tagesordnung stehen, zu unterhalten.