Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Problem der Neuordnung der deutschen Kohle- und Eisenwirtschaft hat das Hohe Haus bereits einige Male beschäftigt: eimal bei Gelegenheit der Regierungserklärung am 20. September 1949, dann im Februar des vergangenen Jahres auf Grund eines Antrages der CDU/CSU und dann im Dezember 1950 auf Grund eines Antrages meiner Fraktion. In Anbetracht der Bedeutung der Grundindustrien für die deutsche Volkswirtschaft, angesichts des Umstandes, daß die Presse sich laufend mit Neuordnungsfragen für die Grundindustrien beschäftigt, und nicht zuletzt im Hinblick auf die Tatsache, daß die deutschen Grundindustrien seit gut einem Jahr im Brennpunkt hochpolitischer Ereignisse stehen, müßte es eigentlich wundernehmen, daß der Bundestag fast ein halbes Jahr lang zu diesem Problem nicht Stellung genommen hat. Dies wird allerdings verständlich, wenn man sich daran erinnert, daß das Hohe Haus in seiner 105. Sitzung am 7. Dezember 1950 beschlossen hat, daß die Bundesregierung bis zur Verabschiedung deutscher Gesetze über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in der Kohle- und Eisenwirtschaft nichts tun solle, was einer künftigen Eigentums- und Besitzregelung auf diesen Gebieten vorgreife, und daß sie der Alliierten Hohen Kommission gegenüber den Standpunkt des Bundestages vertreten möge, daß auch die Hohe Kommission ihrerseits der Neuregelung der Eigentumsverhältnisse nicht vorgreife.
Mit diesem Beschluß des Hohen Hauses war sichergestellt, daß der Ablauf der Neuordnung der Grundindustrien nach dem Gesetz Nr. 27 vor sich gehen würde. Das sollte einmal bedeuten, daß der Schritt zu der betrieblich-organisatorischen Neuordnung getan werden sollte, d. h. der Abgrenzung der einzelnen Werke und Betriebe zu sogenannten Einheitsgesellschaften. Bereits im Dezember war für die Eisenwirtschaft in Umrissen klar deutlich, welche Gesellschaften zur Gründung in Frage kommen würden, und für die Kohle stand damals hinsichtlich der Abgrenzung bereits eine weitgehende Übereinstimmung der deutschen Sachverständigengremien fest. Zu diesem Punkt der Gründung der Einheitsgesellschaften oder zur Vervollständigung der betrieblich-organisatorischen Neuordnung war also die begründete Hoffnung gegeben, die Zusammenfassung der Werke in aller Kürze zu verwirklichen.
Der zweite Schritt zur Neuordnung nach Gesetz Nr. 27 wäre dann die interimistische treuhänderische Eigentumsverwaltung dieser Einheitsgesellschaften gewesen. Das will sagen, daß das Eigentun an den Einheitsgesellschaften beschlagnahmt und Treuhändern zur Verfügung gestellt werden sollte. Dieser zweite Schritt ist die Voraussetzung einmal für eine Erfüllung der Präambel-Bestimmung des Gesetzes Nr. 27, wonach ein deutsches Parlament die endgültige Eigentumsentscheidung über die Grundindustrien treffen soll, und zum anderen Voraussetzung für den Beschluß des deutschen Parlaments in Anlehnung an Art. 15 des Grundgesetzes. Nach diesem Beschluß des Hohen Hauses vom 7. Dezember des vergangenen Jahres war zu erwarten, daß die Schaffung der Einheitsgesellschaften schnell vor sich gehen und gleichzeitig der Zwischenzustand der interimistischen Eigentumsverwaltung eintreten würde. Auf der anderen Seite jedoch war zu erwarten, daß die Regierung mit aller Kraft an die Vorbereitung von Gesetzen für eine Neuordnung ging, um den Zwischenzustand der Eigentumsverwaltung abzukürzen.
Diese Erwartungen waren von allen beteiligten Seiten auf eine verhältnismäßig kurze Zeit abgestellt. Der Grund hierfür lag darin, daß man die dringende Notwendigkeit erkannte, daß sich einmal die Produktionsprogramme der einzelnen Gesellschaften und Betriebe rationell aufeinander einspielen, daß zum andern eine klare, gesamtwirtschaftlich orientierte Investitionspolitik getrieben wird. Nicht zuletzt sollte eine möglichst kurze Zeit deswegen gewählt werden, um der deutschen Grundindustrie einen relativ günstigen Stand in den zwischenstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen zu verschaffen.
Alle Erwartungen auf eine möglichst baldige Beendigung der Neuordnung schienen zunächst auch in Erfüllung zu gehen. Im Dezember des vergangenen Jahres traf ein Memorandum der Alliierten Hohen Kommission ein, das die Einheitsgesellschaften für das Eisen im allgemeinen festlegte und sich über das Gründungsverfahren sowie über die Satzung aussprach. Am 14. März dieses Jahres richtete die Bundesregierung ein Schreiben an die Hohe Kommission,, worin sie Vorschläge über die Durchführung des Gesetzes Nr. 27 machte. Mit einem Schreiben vom 27. März dieses Jahres nahm die Alliierte Hohe Kommission diese Vorschläge an.
Nun erließ die Alliierte Hohe Kommission am 2. Mai die Durchführungsverordnung Nr. 6, in der sie die 24 Einheitsgesellschaften aufführt, die nach dem im Dezember bereits bekannten Verfahren für die Eisenwirtschaft gegründet werden sollten. Damit war die Voraussetzung gegeben, beginnend etwa am 21. Mai dieses Jahres mit -der Schaffung der Einheitsgesellschaften anfangen zu können, und es bestand begründete Aussicht, daß die Einheitsgesellschaften bei der Eisenwirtschaft -bis Ende Oktober, spätestens bis Ende des Jahres vorhanden waren.
Parallel hierzu erließ die Combined Coal Group eine Anordnung, die sich auf die Vorbereitung der Gründung der Kohlegesellschaften erstreckte, die für eine Verbindung mit dem Eisen vorgesehen waren. Die Alliierte Hohe Kommission erließ gleichzeitig am 2. Mai dieses Jahres eine weitere Durchführungsverordnung, die Durchführungsverordnung Nr. 7, die sich mit den Treuhändern für diese Einheitsgesellschaften beschäftigte. Mit dieser Durchführungsverordnung Nr. 7 war das Tor für den zweiten Teil der Neuordnung, für die interimistische Eigentumsverwaltung, aufgestoßen.
Es wäre nun verständlich gewesen, wenn von allen Seiten schnell gehandelt worden wäre, um schnell die Einheitsgesellschaften zu bekommen und diesen Zwischenzustand zu beenden. Statt dessen entwickelte sich gerade im Anschluß an die beiden genannten Durchführungsverordnungen allerorten eine ungeheuere Aktivität, aber nicht eine Aktivität, um die Neuordnung vorwärtszutreiben, sondern um die Neuordnung zu vermeiden. Es darf hier ganz klar ausgesprochen werden, daß die Bemühungen, eine Neuordnung zu vermeiden, nicht erst im Augenblick des Erlasses der beiden Durchführungsverordnungen auftraten, sondern daß sie bereits seit längerer Zeit bestanden, daß sie aber nach Erlaß der Durchführungsverordnungen offen zutage traten. Es sagt dies ganz deutlich ein Satz in der Zeitung „Industriekurier" vom 17. Mai dieses Jahres, den ich zitieren darf und in dem es heißt: „Damit sind alle Hoffnungen auf wenigstens eine Sistierung dieser unerwarteten Politik entfallen".
Diese Feststellung führte nun allerdings in den beteiligten Kreisen nicht zur Resignation, sondern zu einer ungeheueren Aktivität, die auch die deutsche Verwaltung intendierte. Die nun einsetzenden Einwendungen und Vorstellungen gegen die Neuordnung und gegen die Durchführungsbestimmungen gruppierten sich einmal um die Frage der Satzung. Es kam hier darauf an, die Personenverzahnung auszuräumen, über die Aktienform neue Bestimmungen zu treffen und die Satzungsänderungen zu erwirken.
Die zweite Gruppe der Einwendungen und Vorstellungen betraf den Erlaß der Durchführungsverordnung, zumal diese offiziell auf die Vorschläge der Bundesregierung vom März dieses Jahres Bezug nahm. Bei all diesen Einwendungen und Vorstellungen spürte man die Kräfte im Hintergrunde. Man merkte ganz offensichtlich, daß es hier ernst wurde mit der Neuordnung. In diese aufgeregte Stimmung hinein kam nun ein Schreiben des Herrn amerikanischen Hohen Kommissars an den Herrn Bundeskanzler. In diesem Schreiben soll der Herr amerikanische Hohe Kommissar dem Bundeskanzler vorgeschlagen haben, daß die Form des Aktientauschs möglich sei, d. h. daß man die alten Eigentümer in ihren Ansprüchen gegen die Gesellschaften mit Aktien oder sonstigen Gesellschaftspapieren der neuen Gesellschaften 'befriedigen könne. — Dies sei die einzig mögliche Lösung für die Eigentumsregelung; so soll nach Pressemeldungen auf Grund dieses Briefes seitens der Regierung gesagt worden sein.
Meine Damen und Herren, ich vermag nicht zu glauben, daß von der Regierung eine solche Außerung getan worden ist; denn einmal besteht der Beschluß dieses Hohen Hauses vom 7. Dezember 1950, der dahin lautete, daß sich die Bundesregierung aller Handlungen enthalten 'sollte, -die einer Eigentumsregelung vorgreifen, und zum andern dürfte es ja doch wohl unbestritten sein, daß ein Aktientausch in dieser Form auf alle Fälle ein Präjudiz darstellt. Ich darf in diesem Zusammenhang entgegen verschiedenen Pressemeldungen ganz eindeutig erklären, daß meine Freunde auf
der Grundlage des Art. 15 stehen, in dem auch der Entschädigungsgrundsatz enthalten ist. Ich möchte aber auch keinen Zweifel darüber aufkommen las- sen, daß die Entscheidung über 'die Eigentumsfrage eine Sache des Parlaments und nur des Parlaments ist.
Diese Strömungen und Hemmungen, die sich einer Neuordnung entgegenstellten, mögen so unterschiedlich gewesen sein, wie sie wollen, sie hatten aber ein einheitliches Ziel, nämlich die Ausrichtung auf eine Verhinderung oder Hinauszögerung der Neuordnung. Und zwar richtete 'sich die Hinauszögerung einmal gegen die betriebliche Neuordnung in der Hoffnung, ein anderes Gesetz Nr. 27 zu bekommen; zum andern richtete sie sich gegen die Eigentumszwischenlösung in der Hoffnung, die Treuhänder überhaupt ausschalten zu können. Diese Bemühungen standen ganz offensichtlich unter dem Motto: „Restauration um jeden Preis".
Ich weiß nun nicht, meine Damen und Herren, ob diese Preislage immer ganz klar gesehen worden ist und auch heute noch ganz klar gesehen wird. Dies bedeutet einmal eine Behinderung des Lebens der Betriebe, darüber hinaus aber bedeutet es eine Behinderung der deutschen Grundindustrien überhaupt. Zum andern bedeutet diese Verhinderung der Neuordnung eine Gefährdung der Ausgangslage der deutschen Grundindustrie in dem zwischenstaatlichen Wirtschaftsmiteinander. Nicht zuletzt darf ich darauf hinweisen, daß diese Behinderung eine sehr große Gefährdung des sozialen Friedens darstellt.
Diese Worte möchte ich nach der Seite hin sagen, von der ganz offensichtlich diese Störungs- und Strömungskräfte kamen, die eine Neuordnung verhindern wollten. Auch in den Kreisen der Altkonzerne waren Bestrebungen in dieser Richtung deutlich zu erkennen, und ich darf sagen, daß man für Bestrebungen dieser Art vielleicht menschliches Interesse haben kann. Man kann aber kein Verständnis dafür aufbringen, wenn manche Menschen dieser Seite jetzt noch nicht die Überzeugung gewonnen haben, daß die Ordnung von Gesellschaft und Wirtschaft von der Gesamtheit des Volkes bestimmt wird. Dem hat man sich zu fügen, ob man nun will oder nicht.
An die gleiche Adresse gerichtet möchte ich noch hinzufügen: Die Altkonzerne mögen doch nicht vergessen, daß gerade durch die Arbeiter und ihre Gewerkschaften die Vermögensteile der Grundindustrien überhaupt erhalten worden sind!
Ich möchte darauf hinweisen, daß die Produktionen erst durch sie in Gang gesetzt worden sind, und ich möchte ganz nachdrücklich sagen, daß die Arbeiter im Vertrauen auf eine neue Ordnung die Verhältnisse so stabil gehalten haben, daß man heute überhaupt die Frage nach einer Eigentumslösung stellen kann.
Neben dieser Gruppe, von der diese Störungskräfte ausgingen, stand jedoch, noch eine andere, und 'das ist die Verwaltung. Auf Grund der Beschlüsse des Hohen Hauses wäre es Aufgabe der Verwaltung gewesen, die Vorbereitungen für die Neuordnungsgesetze zu treffen. Es lagen vor die Regierungserklärung und 'die Beschlüsse des Höhen Hauses vom Februar und Dezember des vergangenen Jahres. Bis zum heutigen Tag — so dürfen wir feststellen — gibt es auf 'diesen Gebieten überhaupt noch nichts. Aufgabe der Verwaltung wäre es gewesen, die Neuordnung auf ihrem eigenen Gebiet weiterzutreiben. Seit gut einem halben Jahr hat es die Bundesregierung in der Hand, die betrieblich-organisatorische Neuregelung des Reichswerke-Konzerns in eigener Zuständigkeit vorzuschlagen. Fachkenner dieses Gebietes werden mir recht geben, wenn ich sage, daß auf diesem Gebiet nicht nur nichts getan worden ist, sondern daß man sich vielmehr manchmal des Gefühls nicht erwehren kann, als feierten gerade dort gleichsam unter der schützenden Hand der Verwaltung Großkonzerngedanken fröhliche Urständ.
Weiterhin wäre es Aufgabe der Verwaltung gewesen, beim Kohleplan — um dass Mitspracherecht beim Kohleplan hat sich die Regierung ja so besonders bemüht — positive Vorschläge zu machen, und zwar schnell zu machen, um eben die Neuordnung vorwärtszutreiben. Statt dessen hat die Verwaltung ihr Ohr allzu willig sogenannten „Sachverständigen" geliehen. Sie hat alles dazu beigetragen, um die Neuordnung etwas hinauszuziehen, ich möchte sagen: sie hat gezogen und geschoben. Sie hat sich viel zu weit in Einzelheiten der Exekutive hineinbegeben, und damit hat sie sich zu weit aus der öffentlichen Kontrolle entfernt. Nach dem Willen des Hauses wäre es viel richtiger gewesen, die Neuordnung zu beschleunigen, um auch den Zwischenzustand zu beseitigen.
Diese Situation auf dem Gebiete der Grundindustrien ist es, die den vorliegenden Antrag Nr. 2264 meiner Freunde ausgelöst hat. Er entspringt einer aufrichtigen Besorgtheit um die Betriebe der Grundindustrien, um die deutsche Gesamtwirtschaft und nicht zuletzt um 'die Wahrung des sozialen Friedens. Mit der Vorlage soll der Blick des Hohen Hauses noch einmal darauf gelenkt werden, was auf dem Gebiet der Grundindustrien nach den Beschlüssen des Hohen Hauses Rechtens ist.
Auf der Grundlage dieser Beschlüsse will der vorliegende Antrag erreichen, daß erstens die betrieblich-organisatorische Neuordnung bei Kohle und Eisen so schnell wie möglich durch die Schaffung der Einheitsgesellschaften abgeschlossen wird, daß zweitens der interimistische Treuhänderzustand für alle Einheitsgesellschaften entsteht und gewährleistet wird und drittens die Bundesregierung unverzüglich mit den Arbeiten an Gesetzesvorlagen über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in der Grundindustrie beginnt, um den Zwischenzustand durch eine Klärung der Entschädigungsfrage und des endgültigen Eigentums möglichst bald zu beenden.
Ich darf Sie, meine Damen und Herren, im Namen meiner Freunde bitten, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben, damit wir aus dem Zustand des Redens über die Neuordnung 'heraus zum Handeln in der Neuordnung kommen.