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ID0114702900

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    Deutscher Bundestag — 147. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1951 5837 147. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 6. Juni 1951. Geschäftliche Mitteilungen 5838A Änderungen der Tagesordnung . . 5838B, 5840D Begrüßung des Abg. Fischer nach seiner Genesung 5838B Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Neuordnung der Eisen- und Stahlindustrie und des Kohlenbergbaues (Nr 2264 der Drucksachen) 5838C Dr. Schöne (SPD), Antragsteller . 5838C Dr. von Brentano (CDU) 5841A Paul (Düsseldorf) (KPD) 5842A Beschlußfassung und Ausschußüberweisung 5843A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes und des Beförderungsteuergesetzes (Nr. 1983 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2229 der Drucksachen; Änderungsanträge Umdruck Nrn. 169, 189, 190, 209) 5843B Dr. Wellhausen (FDP): als Berichterstatter 5843B als Abgeordneter . 5849B, 5859A, 5864C Lausen (SPD) 5846D, 5849C, 5851A, 5864D Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . 5847C, 5848C, 5857A, 5861D, 5862D, 5863D, 5865A Jacobi (SPD) 5848A Pelster (CDU) 5849D Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . 5850A Dr. Bertram (Z) 5852D, 5859B, 5863A, 5864B Loritz (WAV) 5853C Miessner (FDP) 5854A Kohl (Stuttgart) (KPD) . . . 5854B, 5856C Dr. Koch (SPD) . . . 5855B, 5858C, 5862D Mensing (CDU) 5857B Schmücker (CDU) 5861A Dr. Neuburger (CDU) . . . 5862D, 5865B Brandt (SPD) . . . . 5865B Abstimmungen 5850C, 5855A, 5857D, 5859A, 5862C, D, 5864B, 5865A, B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zur Verhaftung des Abg. Hedler (Nr. 2302 der Drucksachen) 5840D, 5865C Gengler (CDU), Berichterstatter . . 5865C, 5866D Hedler (DRP-Hosp.) 5866B Dr. Richter (Niedersachsen) (SRP) . 5867C, 5869D Frommhold (DRP) 5868D Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP) 5868D Dr. Mende (FDP) 5869B Dr. von Merkatz (DP) 5869C Beschlußfassung 5870A Zweite Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes (Nr. 1294 der Drucksachen); Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2250 der Drucksachen; Änderungsanträge Umdruck Nm. 201, 206, 207, 208) ... 5870A Dr. Serres (CDU): als Berichterstatter 5870A als Abgeordneter 5874D Kalbitzer (SPD) 5870D Freudenberg (FDP) 5871D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 5872C, 5875B Lange (SPD) 5873A, 5875D Dr. Fink (BP) 5875C Abstimmungen 5870D, 5872D, 5876A Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse der im Dienst des Bundes stehenden Personen (Nr. 2291 der Drucksachen) . . . . 5876D Dr. Kleindinst (CDU), Antragsteller 5876D Arnholz (SPD) 5877A Dr. Dr. h. c. Lehr, Bundesminister des Innern 5878A Beschlußfassung 5878B Erste Beratung des Entwurfs eines Übergangsgesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder (Nr. 2276 der Drucksachen) ... 5878C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 5878C Seuffert (SPD) 5878D Scharnberg (CDU) 5879B Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 5879C Dr. Leuchtgens (DP) 5879D Ausschußüberweisung 5880B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 (Nr. 2278 der Drucksachen) 5880B Ausschußüberweisung 5880B Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über gesetzliche Handelsklassen für Erzeugnisse der Landwirtschaft und Fischerei (Nr. 2287 der Drucksachen) 5880B Ausschußüberweisung 5880C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Saatgutkredite (Nr. 1285 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (19. Ausschuß) (Nr 2289 der Drucksachen) 5880C Beschlußfassung 5880C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über eine Bundesbürgschaft für Kredite zur Finanzierung der Lebensmittelbevorratung (Nr. 2059 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) (Nr 2270 der Drucksachen) 5880D Wacker (CDU), Berichterstatter . 5880D Beschlußfassung 5881C Nächste Sitzung 5881C Die Sitzung wird um 14 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Willi Lausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich halte es nicht für gut, daß wir so sang-und klanglos über diese Ziffer 2 zur Abstimmung kommen. So bescheiden sie aussieht, so hat sie es doch in sich. Es handelt sich dabei um nicht mehr und nicht weniger als um eine Summe von rund 1,5 Milliarden DM, die dem deutschen Volk als Steuer auferlegt werden soll. Ich glaube, die Volksvertretung hat bei dieser Gelegenheit die Pflicht, Rechenschaft vor dem Volke abzulegen, ob diese Steuererhöhung in dieser Form und in dieser Art verantwortet werden kann und wenn ja, warum sie verantwortet werden kann.
    Ich kann mich nicht über die gesamtpolitischen Fragen auslassen, weil ich glaube, daß sie erst in der Generaldebatte bei der dritten Lesung zu besprechen sind.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich will mich deshalb auf einige konkretere Angaben beschränken.
    Über die Qualität der Umsatzsteuer ist sich alle Welt, sowohl die Finanzwissenschaft als auch die Steuerfachleute, ziemlich einig. Die einzige Ausnahme von diesem ziemlich einstimmigen Chor stellt die Pressestelle des Finanzministeriums dar.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich halte es doch für notwendig, einen Abschnitt aus einer Auslassung dieser Pressestelle vom 18. Mai, gerichtet an die Redaktionen der deutschen Zeitungen, mit der freundlichen Erlaubnis des Herrn Präsidenten zu zitieren. Es heißt dort, es sei jetzt an der Zeit, der Umsatzsteuer den Geruch der ausgesprochen unsozialen Wirksamkeit zu nehmen. Es werde vielfach übersehen, heißt es weiter, daß die Umsatzsteuer zumindest in Deutschland durch ihren mehrphasigen Aufbau und ihre Freigrenzen und Ermäßigungen die Abart einer gewissen grob pauschalierten Progression enthalte. Dies beginne mit der Steuerfreiheit der Umsätze der Blinden und des Eigenverbrauchs der kleineren land- und forstwirtschaftlichen Betriebe. Es setze sich fort in der Steuerermäßigung für Grundnahrungsmittel, wodurch die unteren Einkommenschichten begünstigt würden. Als Prozentsteuer biete die Umsatzsteuer bei gleicher Qualität der Ware in billigeren Stadtgegenden und billigeren Läden, bei billigerer Verpackung usw. weitere Vorteile.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muß sagen, die Pressestelle des Finanzministeriums hat eine Bravourleistung vollbracht; sie hat eine Leistung vollbracht, die schon beinahe an die eines Propagandaministeriums vergangener Zeiten erinnert. Wir haben bisher geglaubt, daß die Umsatzsteuer die gröbste, die roheste und die .simpelste Steuer in unserem ganzen Steuersystem sei. Ich halte es nicht für ganz unangebracht, eine Bemerkung aus der Denkschrift des DGB zu zitieren, der in diesem Zusammenhange sagt: „Kartoffeln und Lippenstifte kosten beide in gleicher Weise 4 %".

    (Sehr gut! und Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich glaube, zu diesem Zitat aus der Pressestelle des
    Bundesfinanzministeriums paßt sehr gut eine Bemerkung des sonst von mir so sehr geschätzten
    Kollegen Neuburger, der in einem anderen Zusammenhang vor einiger Zeit einmal erklärt hat,
    daß, zusammengelegt, Einkommen- und Umsatzsteuer immer noch eine sehr soziale Staffelung der Steuer darstellten.

    (Zuruf von der SPD: So, wie er sie auffaßt!) Ich muß — und deshalb habe ich diese Darstellung zitiert — fragen: Was heißt hier Steuerermäßigung für Grundnahrungsmittel? Wenn ich mich gelinde ausdrücken will, dann liegt in dieser Bemerkung zumindest eine Täuschung des Publikums. Denn der Wunsch des Herrn Bundesfinanzministers war klar und eindeutig: er wollte die Steuerermäßigung lediglich für Brot und Backwaren in der bisherigen Höhe gelten lassen. Aber der Mensch lebt nicht vom Brot allein; er braucht noch etwas anderes hinzu. Weder Fette noch Zucker noch Milch noch andere Grundnahrungsmittel wären, wenn es nach dem Wunsche des Herrn Finanzministers gegangen wäre, in irgendeine Begünstigung hineingekommen. Nur dadurch, daß unser Antrag, auf 1 1/2 % für diese Grundnahrungsmittel herunterzugehen, abgelehnt wurde, konnte es im Ausschuß dazu kommen, daß dieser immerhin beschränkte Katalog von Grundnahrungsmitteln wenigstens auf 3 % wie bisher verblieben ist.

    Im übrigen gibt es ja noch eine Reihe weiterer Grundnahrungsmittel, wenn man schon dieses Thema anschneidet. Wie sieht es mit Kartoffeln, mit Fischen, mit Teigwaren aus? Sie müssen doch immerhin zugeben, daß der ganze süddeutsche Raum die Teigwaren als ein Grundnahrungsmittel ansieht. Wie scharf die Steuerwirkung — um ein Beispiel zu nennen — bei den Teigwaren ist, mögen Sie aus folgendem ersehen: Für den Grieß hat die Mühle 3 % zu geben, für die Teigwaren der Hersteller 3 %, der Großhändler 0,75 %, der Einzelhändler 3 %, das macht ohne Hinzurechnung der Steuer zur Steuer 9,75 %, und mit der Erhöhung kommen wir auf mindestens 13,25 %, wenn nicht 13,75 %. Ich möchte wissen, was daran sozial ist.
    Ich will noch ein paar Zahlen nennen. Bei einem Einkommen von 250 DM im Monat, wovon ich 70 DM als nicht der Umsatzsteuer unterworfen herausnehmen will, zahlt dieser bescheidene Einkommensbezieher, der mit einer Familie mit einem Kind ganz zweifellos an der Grenze seines Existenzminimums liegt, in Zukunft 72 DM mehr allein an Umsatzsteuern im Jahr, während sich der Gesetzgeber als der Verantwortliche für das Einkommensteuergesetz schämt, dem Manne mehr als 18 DM Steuern im Jahr aufzubrummen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich will auf weitere Zahlenangaben zu diesem Thema verzichten. Ich will auch nicht auf das Verhältnis von direkter und indirekter Steuer und auf den Vergleich dieser Verhältniszahlen mit dem Ausland eingehen. Darüber ist, glaube ich, genug diskutiert worden. Aber ich will, um die unmittelbare Wirkung ' unserer direkten und indirekten Steuern in ihren Veränderungen in den letzten zwei Jahren einmal zu charakterisieren, hier ein paar Zahlen wiedergeben, die ich kürzlich in der „Welt der Arbeit" gelesen habe. Ein Bezieher eines Einkommens von 2174 DM hat im Jahre 1949/50 nur Umsatzsteuer bezahlt, im Jahre 1951/52 ebenfalls. Nach der neuen Regelung, wie sie jetzt vorgesehen ist, zahlt der Mann 65 % mehr Steuern als bisher. Ein Bezieher eines Einkommens von 3120 DM zahlt in Zukunft an Einkommen- und Umsatzsteuer 41 % mehr, ein Bezieher eines Einkommens von 5160 DM zahlt 22 % mehr. Jetzt kommt der Sprung: der Bezieher eines Einkommens von 25 000 DM zahlt 1951/52 gegenüber 1949/50 13 % weniger,

    (Hört! Hört! links)



    (Lausen)

    und der Mann mit 60 000 DM Einkommen 23,6 % weniger. Ich glaube, wir brauchen die Diskussion über direkte und indirekte Steuern nicht weiterzuführen. Der Mann der Praxis, der sie zahlen muß, kann uns deutlicher sagen, was damit los ist.
    Was man mit dieser Methode erreicht, ist lediglich eine weitere Drosselung des Massenkonsums, woran wir gar nicht interessiert sein dürfen,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    ist eine weitere Verzerrung in der Wirtschaftsstruktur, die schon genügend verzerrt ist, und ist eine weitere Verzerrung in der Einkommenspyramide, an der uns doch wahrhaftig nicht gelegen sein sollte.
    Und volkswirtschaftlich: es ist hier in der vorhergehenden Diskussion das Problem der ein- und mehrstufigen Betriebe, das Problem der Organgesellschaften, angeschnitten worden. Daß in diesem Problem, wie auch immer man es löst, sowohl Prämien wie auch Strafen liegen, ist jedem, der sich damit beschäftigt hat, klar. Daß bei zunehmender Besteuerung durch die Umsatzsteuer die Prämiierung und die Bestrafung größer werden, leuchtet auch jedem ein. Trotzdem hält offenbar eine Mehrheit dieses Hauses diese Steuer für gerechtfertigt, und ich frage mich: Woher nimmt sie den Mut dazu?

    (Abg. Pelster: Weil die Ausgaben beschlossen sind, die jetzt gedeckt werden müssen!)

    Der Kollege Dr. Koch hat Ihnen in der vorigen Woche eine ganz simple, sofort nachprüfbare Darstellung von den 118 000 Menschen mit Einkommen über 25 000 DM gegeben, die im Schnitt 6500 DM Steuer im vorigen Jahre geschenkt bekommen haben; macht nach Adam Riese 770 Millionen DM Steuergeschenke.

    (Zuruf rechts: Das haben wir schon mal gehört!)

    — Ja, das haben Sie schon mal gehört; Sie werden
    es vermutlich noch viel öfter zu hören bekommen.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Das ist doch nicht wahr!)

    Mit den sonstigen Vergünstigungen aus der Einkommensteuernovelle des Vorjahres macht das summa summarum vermutlich mindestens den Betrag aus, den wir jetzt durch die Umsatzsteuer bewilligen sollen, meine Damen und Herren.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Die Vergünstigungen sind doch weitgehend aufgehoben!)

    — Ja, diese Steuernovelle kommt jetzt erst zum Tragen. Das ist das Problem.
    Und, meine Damen und Herren, Sie haben in der vorigen Woche das Exportförderungsgesetz bewilligt.

    (Zuruf von der Mitte: Sie doch auch!)

    250 bis 400 Millionen DM kostet uns diese Geschichte.

    (Zuruf von der Mitte: Nein, kostet sie nicht!) Wir haben davor noch in einer der letzten Ausschußsitzungen gewarnt, und wir haben die bedenklichen Gesichter der Kollegen und Kolleginnen der anderen Fakultäten gesehen. Wir haben darauf hingewiesen, daß dieses Exportförderungsgesetz nichts weiter als eine Prämiierung der Gewinne aus einem Rüstungsboom bedeutet.


    (Zurufe bei den Regierungsparteien: Hoi! Hoi!)

    Statt diese Gewinne restlos abschöpfen zu lassen,
    gibt man diesen Leuten noch eine Prämie. Diese
    Exportförderung ist ein Geschenk an eine Berufsgruppe wie jede andere Berufsgruppe, die eigentlich nur ihre Pflicht zu erfüllen hat.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dieses Geschenk wird ganz schematisch an alle, die damit zu tun haben, verteilt. Wenn das, meine Damen und Herren, eine sorgfältige Steuerpolitik ist, dann weiß ich nicht, was man Steuerpolitik nennt. Wer solche Geschenke hergibt, hat kein Recht, vom Sozialrentner, vom Bezieher kleiner Einkommen unsoziale Steuern zu fordern.
    Und das letzte: Art. 106 Abs. 3! Im Vorjahr wäre es möglich gewesen, diese Bestimmung anzuwenden. Der Herr Finanzminister hat darauf verzichtet, weil er sonst seine Einkommensteuernovelle nicht durchbekommen hätte. Aber bitte die Konsequenzen: die Betriebsprüfung. Heute wissen wir aus dem Munde des Herrn Bundesfinanzministers, daß wir wahrscheinlich noch Milliardenbeträge hereinholen könnten. Sie hätten hereingeholt werden können, wenn man den Mut besessen hätte, im Vorjahr Art. 106 Abs. 3 anzuwenden.

    (Zuruf von der Mitte: Wenn die Länder nicht versagt hätten!)

    — Vorsichtig, vorsichtig! Es gibt Leute, die im
    Glashaus sitzen und ganz vorsichtig sein müssen.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Kunze: Ist doch alles schon disponiert worden!)

    In jedem soliden Haushalt prüft man, bevor man die Einnahmenseite verändert, erst einmal die notwendigen Ausgaben, ehe man sich irgendeinen Luxus erlaubt. Was die Bundesregierung und mit ihr die Mehrheit der Parteien in diesem Hause getan haben, ist das genaue Gegenteil. Bevor man geprüft hat, welchen Sozialetat unser Land zu vertreten hat, hat man sich den Luxus erlaubt, die Einkommensteuer zu senken.
    Sie können von uns deshalb nicht erwarten, daß wir zu der vom Herrn Bundesfinanzminister geforderten Erhöhung der Umsatzsteuer ja sagen. Sie mögen selbst vor Ihre Mitbürger treten und ihnen Ihre soziale Steuerpolitik zu erklären versuchen. Wir Sozialdemokraten sind jedenfalls bereit, den Beweis anzutreten, daß es hätte besser gemacht werden können.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur kurz zu dieser Ziffer sprechen, weil ich wenig Hoffnung habe, die Mehrheit des Hauses noch davon überzeugen zu können, daß dieser vom Bundesfinanzminister hier vorgezeichnete Weg ein falscher Weg ist, daß dieser Weg zu starken Preiserhöhungen führen muß und daß die preistreibenden Wirkungen dieser Steuer sich auf der einen Seite in zusätzlichen ungerechten Gewinnen und auf der anderen Seite in einer zusätzlichen Beschränkung des Lebensstandards auswirken müssen.
    Man komme mir nicht mit dem Einwand, wir könnten diese Steuer nicht ablehnen, weil der hohe Finanzbedarf des Bundes nun einmal gegeben sei. Sie alle wissen, daß wir Vorschläge gemacht haben, die darauf abzielen, eine Nettoumsatzsteuer, eine Steuer vom gesamten Rohgewinn zu erheben. Einer solchen Steuer würden diese preistreibenden Wirkungen, die die Umsatzsteuer haben muß, nicht anhaften.


    (Dr. Bertram)

    Aber ich möchte doch noch kurz einige wesentliche Argumente gegen dieses Trotten im alten Gleis vortragen. Die Erhöhung der Umsatzsteuer um 1 % ist nicht etwa eine einfache und leicht zu nehmende Maßnahme. Es ist nicht die Erhöhung einer alten Steuer um 25 %, sondern es ist tatsächlich eine völlig neue Steuer. Meine Damen und Herren, überlegen Sie sich einmal, was es bedeutet, wenn an Stelle von 3 % nun 4 % Umsatzsteuer erhoben werden, und zwar in jeder Stufe! Wenn 4 oder 5 Stufen hintereinander geschaltet werden und die Handelsspannen sowie die sonstigen Gewinnspannen auf diese Steuern draufgeschlagen werden, dann müssen wir mit einer allgemeinen Erhöhung des Preisniveaus um wenigstens 12 % rechnen. Diese Erhöhung des Preisniveaus ließe sich vermeiden, wenn man nicht immer am Althergebrachten kleben und aus reiner Bequemlichkeit sagen würde: Hier, jetzt 3 %, nächstens 4 %! Das macht sich nämlich gesetzestechnisch sehr leicht. Aber wir sollten es uns nicht so leicht machen. Wir sollten uns Mühe geben, nach neuen Wegen zu suchen, die nicht die Gefahr solcher Preiserhöhungen in sich schließen.

    (Zuruf von der Mitte: Vorschlag!)

    — Der Vorschlag: Ich habe es eben schon gesagt, der Vorschlag ist: eine Umsatzsteuer von der Bruttospanne, von dem Produktionsergebnis eines jeden Betriebes zu erheben, nicht aber auch die Warenzulieferungen des Vorlieferanten jedesmal mit der Umsatzsteuer zu belasten und dadurch die verhängnisvollen Wirkungen der Umsatzsteuer, wie Sie sie jetzt vorschlagen, zu vervielfachen.
    Diese Steuer hat ja auch die Industrie in ihrem Plan zur Selbsthilfe der Wirtschaft vorgeschlagen. Bei der Selbsthilfe der Wirtschaft ist man diesen Weg gegangen. Für die Milliardenanleihe wird aber auf diesen von der Industrie und der gewerblichen Wirtschaft vorgeschlagenen Weg verzichtet, statt daß dieser durchaus richtige Weg vom Bund und von seinem Finanzminister gegangen würde. Statt dessen geht man den bequemen Weg, der unweigerlich zu Preissteigerungen führen muß.
    Es kommt hinzu, daß diese Steuer geradezu rationalisierungsfeindlich wird. Eine Steuer, die auf die Nettospanne eines jeden Betriebes gelegt würde, würde einen gewissen Rationalisierungserfolg haben, weil den mit höheren Grenzkosten arbeitenden Produzenten eine Abwälzung der Steuer infolge ihrer größeren prozentualen Höhe nicht möglich sein würde. Die Steuer, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, wird automatisch abgewälzt und führt gerade zum Gegenteil einer Rationalisierung. Aber gerade das müssen wir doch vermeiden. Wir müssen dahin wirken, daß die Steuern und die privatwirtschaftlichen Interessen konform gehen, nicht aber, daß sie, wie es jetzt geschehen soll, gegeneinanderlaufen. Es ist sicher richtig, daß alte Steuern eine gewisse relative Güte haben, weil sie sich eingespielt haben. Wenn wir aber jetzt von 3 auf 4 % heraufgehen, so handelt es sich dabei nicht um eine alte Steuer, sondern um eine völlig neue Steuer. Das ist so, wie wenn wir von 0 auf' 1 % Umsatzsteuer gehen würden. Die Erhöhung einer Umsatzsteuer bedeutet nichts anderes als ein Wiederaufleben der alten Binnenzölle, wenn auch in einer anderen Art. Sie verhindert aber die volkswirtschaftlich rationellste Durchführung des Warenaustausches. Es kann doch nicht unsere Aufgabe sein, die alten Binnenzölle in moderner Form wiederaufleben zu lassen.
    Ich bin deshalb der Ansicht, daß wir diesen Weg unter keinen Umständen gehen sollten. Wir sind
    mit den Regierungsparteien der Auffassung, daß eine Steuererhöhung auf manchen Gebieten tatsächlich unvermeidlich ist. Daher haben wir für das Einkommensteueränderungsgesetz gestimmt. Wir würden auch für eine Steueränderung stimmen, durch die die Nettoproduktion belastet würde. Aber wir sind nicht in der Lage, dem Vorschlag auf Einführung dieser preistreibenden Steuer, der nur auf mangelnde Phantasie und auf mangelnde Kenntnis der wirtschaftlichen Grundtatsachen zurückzuführen ist, zuzustimmen.

    (Beifall beim Zentrum.)